KOMPETENZ K SEPTEMBER, 4/2017 MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT DER PRIVATANGESTELLTEN, DRUCK, JOURNALISMUS, PAPIER - KOMPETENZ-online
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Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien SEPTEMBER, 4/2017 KOMPETENZ KOMPETENZ MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT DER PRIVATANGESTELLTEN, DRUCK, JOURNALISMUS, PAPIER www.gpa-djp.at
INHALT 04 12 16 22 KOMPETENZ September 2017 S. 4 Peter M. Hoffmann, S. 12 Nurith Wagner-Strauss, S. 16 HannahMckay/ AFP/ picturedesk.com , S. 22 Fotolia.com, kadmy 04 Der Kollektivvertrag RUBRIKEN Garant für soziale Sicherheit KOMPETENT 11 Geschichte Editorial von Dwora Stein 03 Einführung der 40-Stunden-Woche KONSEQUENT 12 Wenn der Staat Armut fördert Wolfgang Katzian Martin Schenk von der Armutskonferenz zum Kammersystem 10 im Interview KOMPASS 16 Follow me! Vote for me! Zahlen und Fakten Über die Bedeutung Sozialer Medien in Wahlkämpfen aus der Arbeitswelt 15 20 Arbeitsrecht zum Babybrunch KOMPAKT Betriebsrat Thomas Schäffer im Portrat Kurzmeldungen zu Politik, Arbeit und Gesellschaft 18 22 Ein Meilenstein mit Vorbildwirkung Der neue Handelskollektivvertrag KONKRET Ein Faktencheck 30 Kultur zu Hartz IV 24 Film und Buchtipp KORREKT 31 Impressum Rechtsexpertinnen Helga Hons und Andrea Komar über Ihre Rechte bei Arbeitsunfällen 26 2 4/2017 KOMPETENZ
KOMPETENT Kollektivvertragsherbst von Dwora Stein I m Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern – unter an- derem Deutschland – fallen in Österreich 98 Prozent der unselbst- ständig Beschäftigten unter einen Kollektivvertrag. Das bedeutet, dass diese ArbeitnehmerInnen nicht nur von regelmäßigen Lohn- und Gehaltserhöhungen profitieren, sondern auch von vielen weiteren ar- beits- und sozialrechtlichen Regelungen, die deutlich besser sind als das Gesetz es vorsieht. Je nach Kollektivvertrag sind das kürzere Arbeits- zeiten, bessere Abgeltung von Dienstreisen oder auch die Möglichkeit, Freizeit statt Geld in Anspruch zu nehmen. Wie jeden Herbst stehen auch dieses Jahr wieder eine Reihe wichtiger Kollektivvertragsver- handlungen an. Drei der bedeutendsten, der Metallerkollektivvertrag, der Handelskollektivvertrag und jener für den Sozialbereich, werden in den nächsten Wochen und Monaten verhandelt. Wir widmen daher die Coverstory der ersten Herbstausgabe der KOMPETENZ dem Thema Kollektivvertrag, und haben auch BetriebsrätInnen aus diesen drei Bran- chen nach ihrer persönlichen Einschätzung und ihren Schwerpunkten für die Verhandlungen gefragt. Wie immer in den vergangenen Jahren zeichnet sich auch in diesem Sommer bereits ab, dass die Verhandlungen weder einfach noch kon- fliktfrei ablaufen werden. Davon sollten wir uns jedoch nicht verunsi- chern lassen, denn wir gehen gut gerüstet in die Verhandlungen und werden gemeinsam mit den Beschäftigten und BetriebsrätInnen dafür Sorge tragen, dass sich die zunehmend positiven Meldungen aus der Wirtschaft auch in einer kräftigen Gehaltserhöhung niederschlagen. 404.000 Beschäftigte in 80.000 Handelsbetrieben profitieren ab 1. Dezember 2017 von einer Reform des Handelskollektivvertrags. Über 40 Verhandlungsrunden und mehr als drei Jahre dauerte es, bis sich die Sozialpartner einigen konnten. Doch nun liegt der neue Kollektivvertrag vor. Künftig gibt es ein höheres Einstiegsgehalt, eine flachere Gehalts- kurve, übersichtlichere Gehaltseinstufungen und die Anrechnung der Karenzzeiten. Vor allem Frauen werden von den Verbesserungen profi- Dwora Stein ist tieren. Einen ersten Überblick über die neuen Regelungen und was sie KOMPETENZ- im Detail bedeuten geben wir in dieser Ausgabe. Chefredakteurin und Vorwahlzeiten sind immer auch Zeiten politischer Versuchsballons. Bundesgeschäfts- Eine besonders hartnäckige Idee ist, die Hartz-IV Reformen nach deut- führerin der schem Vorbild auch in Österreich umzusetzen. In den Raum gestellt Foto: Peter Rigaud Gewerkschaft der Privatangestellten, wird dabei, dass diese Reformen sowohl zu niedrigeren Kosten als auch Druck, Journalismus, einer sinkenden Arbeitslosigkeit führen. Was an diesen Behauptungen Papier (GPA-djp). dran ist, haben wir in einem Faktencheck überprüft. ● KOMPETENZ 4/2017 3
Kollektivvertrag TITEL Garant für soziale Sicherheit Der Kollektivvertrag (KV) ist ein wichtiges Instrument zur Absicherung der jährlichen Lohnsteigerungen. Auch das 13. und 14. Monatsgehalt ist nur durch den KV abgesichert. Erfolge der vorigen Jahre sind eine bessere Anrechnung von Karenzzeiten, der Papamonat, ein Mindestgehalt von 1.600 Euro und ein zukunftsweisendes Entgeltschema im Handel. A m Beginn des Berufslebens ist der Kollektivvertrag (KV) für viele Ar- beitnehmerInnen zunächst wenig greifbar. So mancher lernt das zent- rale gehaltspolitische Instrument erst dann so richtig kennen und schätzen, wenn da- durch seine eigenen Rechte verbessert und abgesichert werden. Diese erste Begegnung mit dem KV bleibt den meisten Beschäftigten nachhaltig in Erinnerung. „Der Kollektivvertrag verbessert die Position von Ar- beitnehmerInnen in zentralen Bereichen wie Arbeits- zeit, Arbeitsbedingungen oder Entgeltschema“, erklärt der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA- djp Karl Dürtscher, der für die Kollektivvertragspolitik verantwortlich ist. Auch wichtige Errungenschaften wie die Sonderzahlungen, die Mindestgehälter und Zu- schläge für Überstunden oder erschwerte Arbeitsbe- dingungen sind in den KVs geregelt und damit recht- lich abgesichert. „Wir brauchen die Kollektivverträge, um zentrale Rechte der ArbeitnehmerInnen, wie zum Beispiel das Ausmaß und die zeitliche Verteilung der Arbeitszeit, branchenspezifisch zu gestalten“, erklärt Dürtscher. „Das Gesetz gibt lediglich die Rahmenbe- dingungen vor, erst durch Kollektivverträge und Be- triebsvereinbarungen werden die Arbeitsbedingungen konkretisiert.“ KOMPETENZ 4/2017 5
TITEL Kollektivvertrag In der Praxis ist das harte Ar- schwieriger ist dort die Verhand- so große Bereiche wie die Elekt- beit: Die GPA-djp betreut insge- lungsposition der Beschäftigten. ro- und Elektronikindustrie, Mi- samt rund 170 Kollektivverträge Aktuell sind die KV-Verhand- neral-, Papier- und Chemische und verhandelt diese regelmäßig lerInnen stark mit dem Thema Industrie, aber auch in der Sozi- neu. „Und glücklicherweise kom- Mindestlohn und -gehalt befasst, alwirtschaft Österreich und der men ständig neue KVs hinzu“, so der in einer Zeit, in der viele Men- Textilindustrie. Das ist ein we- Dürtscher. schen trotz Vollzeitbeschäftigung sentlicher Beitrag zur Verringe- rung der Einkommens- schere zwischen Frauen STÄRKERE POSITION Der Kollektivvertrag DER KOLLEKTIVVERTRAG und Männern“, erklärt regelt vor allem arbeits- VERBESSERT DIE POSITION Dürtscher. Der Famili- rechtliche Rahmenbe- VON ARBEITNEHMERiNNEN enzeitbonus „Papamo- dingungen, die Arbeit- BEI ARBEITSZEIT, nat“ wurde mit Jahres- nehmerInnen dann ARBEITSBEDINGUNGEN anfang in neun Kollek- nicht mehr individuell tivverträgen erfolgreich mit dem jeweiligen Ar- UND ENTGELT. verankert. beitgeber verhandeln müssen – diese sind als Rechts- armutsgefährdet sind, immer be- KRÄFTIGE LOHNSTEIGERUNG anspruch im Kollektivvertrag deutender wird. „Heuer wurde ERWARTET festgeschrieben. „Wir regeln über bereits in weiteren 21 Kollektiv- Für die aktuelle Herbstlohn- den Kollektivvertrag auch viele verträgen ein Mindestgehalt von runde erwartet sich der stellver- Ist-Gehälter, die KV-Abdeckung 1.500 Euro verankert. In sieben tretende GPA-djp-Bundesge- beträgt in Österreich 98 Prozent“, KVs wurden 1.700 Euro als Min- schäftsführer einen deutlich posi- betont Dürtscher. Das bringt den destgehalt durchgesetzt“, erzählt tiven Abschluss der Metaller und ArbeitnehmerInnen große Vor- Dürtscher. kräftige Reallohnsteigerungen teile: So sind z. B. im Einzelhandel Auch die Anrechnung der Ka- für die gesamte Industrie, denn in Österreich alle Arbeitsverträ- renzzeiten bei den Gehaltsvor- „die drei Parameter Inflationsra- ge vom Kollektivvertrag erfasst, rückungen hat sich dank inten- te, Wirtschaftsentwicklung und während in Deutschland nur siver Verhandlungen verbessert: Produktivitätssteigerung zeigen Die GPA-djp betreut noch 23 Prozent der Angestellten „Seit Jahresbeginn werden Ka- deutlich nach oben.“ Auch im insgesamt rund 170 dieser Branche einem Kollektiv- renzzeiten in 19 Kollektivver- Handel gäbe es gute Umsatzzu- Kollektivverträge vertrag angehören. Entsprechend trägen berücksichtigt – darunter wächse. Eine zukunftsweisen- und verhandelt die- se regelmäßig neu. Illustration oben: Peter M. Hoffmann, Fotos unten: Nurith Wagner-Strauss Karl Dürtscher, stellvertreten- Heidemarie Schreiberhuber, Gerhard Grill, Betriebsrat Monika Fließer, Betriebs- der Bundesgeschäftsführer Betriebsrätin bei Pfeiffer bei voestalpine Wire Aust- rätin bei den Lebenshilfen der GPA-djp: „Die drei Parame- Logistik: „Ohne die regel- ria: „Der Sinn des Kollektiv- Soziale Dienste: „Ich wün- ter Inflationsrate, Wirtschafts- mäßigen kollektivvertragli- vertrages ist es, gemeinsam sche mir mutige und selbstbe- entwicklung und Produktivi- chen Erhöhungen würden die mehr zu erreichen.“ wusste KollegInnen, die den tätssteigerung zeigen deutlich Beschäftigten über die Jahre Wert ihrer Arbeit erkennen nach oben, wir erwarten daher einen saftigen Reallohnverlust und auch bereit sind, sich für kräftige Reallohnsteigerungen erleiden.“ Verbesserungen im KV aktiv für die gesamte Industrie.“ einzusetzen.“ 6 4/2017 KOMPETENZ
Kollektivvertrag TITEL Markus Marterbauer leitet die Abteilung Wirtschafts- wissenschaft und Statistik der AK Wien und bloggt regelmäßig auf: blog.arbeit- wirtschaft.at Vom Kollektivvertrag profitieren alle K ollektivvertragliche Lohnpolitik gehört zu den Kerninstrumenten der Wirt- schaftspolitik in Österreich. Sie sichert das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen in der jeweiligen Branche, hat Richtwertcha- rakter für andere Branchen und beeinflusst mit Konsum- und Exportnachfrage die wichtigsten Determinanten der wirtschaft- lichen Entwicklung. Das ist möglich, weil nahezu alle unselbstständig Beschäftigten von kollektivvertraglichen Vereinbarungen erfasst sind. Daraus resultieren positive Ef- fekte, die sich sehr anschaulich am Beispiel der aktuellen Diskussion um die Mindest- löhne erklären lassen: Die Gewerkschaften bemühen sich darum, die niedrigsten Löh- ne für Beschäftigte über kollektivvertrag- de Forderung sei die sechste Ur- terInnen sind finanziell auf das liche Vereinbarungen zu erhöhen. Das hilft laubswoche, die Dürtscher „als Weihnachts- und Urlaubsgeld auch den Beschäftigten in Branchen, in de- Abtausch für die fortschreitende angewiesen, wenn es darum geht, nen der gewerkschaftliche Organisations- Arbeitszeitflexibilisierung“ sieht. größere Anschaffungen oder Re- grad nicht so hoch ist, wie etwa in manchen Auch die Rahmenbedingungen paraturen zu finanzieren“, weiß Dienstleistungsbereichen. Die öffentliche der Teilzeit sollten über die KVs die Gewerkschafterin. „Das jähr- und politische Diskussion rund um den Min- künftig weiter verbessert werden, liche Plus ist in unserer Branche destlohn bewirkt, dass auch in schwach Dürtscher strebt „lebensphasen- deswegen besonders wichtig, weil organisierten Branchen gute Abschlüsse gerechte Arbeitszeitmodelle“ an. Frauen seltener selbst eine Lohn- erzielt werden. In der Frühjahrsrunde der Für Heidemarie Schreiberhu- erhöhung fordern als Männer. KV-Verhandlungen sind so große vertei- ber, Betriebsratsvorsitzende der Würde es die regelmäßigen kol- lungspolitische Erfolge erzielt worden. Pfeiffer Logistik in Traun, ist der lektivvertraglichen Erhöhungen Vom Kollektivvertrag und der gesamt- Kollektivvertrag ein bedeuten- nicht geben, würden die Beschäf- wirtschaftlichen Ausrichtung der Lohnpolitik des Instrument zur Durchset- tigten über die Jahre einen safti- profitieren alle: die Wirtschaft durch die aus- zung der Interessen der Arbeit- gen Reallohnverlust erleiden“, ist gewogene Expansion von Export- und Kon- nehmerInnen: „Die Verankerung Schreiberhuber überzeugt. sumnachfrage; die Beschäftigten durch Real- des Mindestlohnes auf Ebene des lohnzuwächse und stabile Arbeitsmarktlage; KV ist in unserer Branche beson- ZUSCHLÄGE IM KV Foto: LISI SPECHT 2011 die Unternehmen durch gesicherte Wettbe- ders wichtig, weil im Handel sehr ABGESICHERT werbsfähigkeit und der Sozialstaat durch si- viele Frauen arbeiten und der An- Trotz teils kraftraubender Ver- chere Finanzierungsgrundlagen für die von teil der Teilzeitbeschäftigten be- handlungen blickt Schreiberhu- ihm bereitgestellten Dienstleistungen. sonders hoch ist. Viele Mitarbei- ber mit Stolz auf große Erfolge KOMPETENZ 4/2017 7
TITEL Kollektivvertrag der vergangenen Jahre zurück: BEEINDRUCKENDE „Die volle Anrechnung der Ka- VERBESSERUNGEN renzzeiten bei Vorrückungen und Der Kollektivvertrag hat den ihre Berücksichtigung bei den Beschäftigten in der Metallin- Vordienstzeiten, Zuschläge für dustrie in den vergangenen Jahr- besondere Öffnungszeiten oder zehnten einige beeindruckende Inventur, Sonntagsarbeit oder die Verbesserungen gebracht: „Die Lagerzulage – all dies haben wir Umstellung der Vorrückungen in den Kollektivvertrag hinein- mit gleichzeitiger Verteiloption verhandelt und so für alle Kolle- hat den Beschäftigten mehr Ge- gInnen abgesichert.“ Als beson- rechtigkeit gebracht“, erklärt Grill. deren Erfolg wertet sie das Min- Diese Verteilerfunktion ist im KV destgrundgehalt von 1.600 Euro verankert und deswegen beson- brutto für Angestellte mit Ein- ders wichtig, weil außerordentli- zelhandels- oder kaufmännisch che individuelle Gehaltserhöhun- administrativer Lehre. Auch die gen immer schwieriger zu errei- doppelte Entlohnung plus extra chen sind und es dennoch eines Freizeit für Arbeit am Marienfei- Topfes für Belohnungen bedürfe. ertag im Dezember ist im Han- Die Marschrichtung für den dels-KV verankert. Herbst ist für Grill klar: „Alle Für Gerhard Grill, den Vorsit- schauen bei den Kollektivver- zenden des Angestelltenbetriebs- tragsverhandlungen auf uns Me- rates der voestalpine Wire Aust- taller. Wir dürfen nicht densel- ria in der Steiermark, haben die ben Fehler machen wie die Ge- Kollektivvertragsverhandlungen werkschaften in Deutschland, die in der Metallindustrie eine ganz über viele Jahre bei den Lohnfor- besondere Vorreiterfunktion: derungen zu zurückhaltend wa- 98 Prozent der un- „Wir haben einen sehr hohen Or- ren. Wenn die Wirtschaft anzieht, selbstständig Be- ganisationsgrad und tun uns da- dann müssen auch die Löhne an- schäftigten fallen in her leichter, gewisse Rechte der ziehen“, betont Grill die Wichtig- Österreich unter ei- Der Kollektivvertrag im Sozi- ArbeitnehmerInnen im KV zu keit einer ordentlichen Lohner- nen KV. Im Handel albereich ist noch ziemlich jung. verankern, als Branchen mit we- höhung. Langfristig zählt für den etwa sind alle Ar- Monika Fließer, Betriebsratsvor- beitsverträge er- niger Mitgliedern.“ Aus Sicht des Gewerkschafter neben dem aus- fasst, während es in sitzende der Lebenshilfen Soziale Gewerkschafters wäre eine Lohn- gehandelten Prozentsatz – der vor Deutschland nur noch Dienste GmbH in Graz sieht die oder Gehaltsfindung ohne das allem medial wichtig sei – aber vor 23 Prozent sind. Bedeutung des KVs in dem nun bewährte Instrument des Kol- – mit Ausnahme von Vorarlberg lektivvertrages undenkbar. „Der – österreichweit einheitlichen KV hat drei wichtige Funktionen: Gehaltsniveau: „Vor 2005 hat es Erstens die Friedensfunktion, ÖSTERREICH HAT EINE viele unterschiedliche Lohnta- zweitens die Schutzfunktion, die ABDECKUNG DURCH bellen gegeben – ein paar waren Mindeststandards festschreibt, gut, die meisten hatten allerdings die ansonsten permanent unter- KOLLEKTIVVERTRÄGE eine miserable Höhe. Der Kol- laufen würden. Drittens die Wett- VON 98 PROZENT. lektivvertrag hat eine Einheit- bewerbsfunktion, die für alle Be- lichkeit geschaffen, von der die schäftigten und auch die Arbeit- Beschäftigten profitieren.“ Vor Illustration oben: Peter M. Hoffmann geber der jeweiligen Branche allem das Rahmenrecht des Me- Inkraft-Treten des Kollektivver- dieselben Bedingungen herstellt“, taller-KV: „Das Urlaubsrecht und trages gab es unterschiedliche erklärt Grill. Gerade diese Wett- die Dienstreiseregelungen müs- entgeltliche Vereinbarungen, die bewerbsfunktion des KV sei auch sen dringend neu strukturiert zwischen den jeweiligen Dienst- für Arbeitgeber interessant, denn werden – das hat volkswirtschaft- gebern und dem Betriebsrat ab- sie bringe mehr Fairness bei der lich eine sehr große Bedeutung“, geschlossen wurden. Der KV gibt Besetzung von Positionen. ist Grill überzeugt. nun einheitliche Rahmenbedin- 8 4/2017 KOMPETENZ
Kollektivvertrag TITEL gungen vor, die Beschäftigten die KollegInnen Privates planen Woche, um ein Gehaltsplus von wissen, mit wie viel Entgelt sie können“, erklärt Fließer. acht Prozent für die Beschäftigen definitiv rechnen können. „Lei- zu erreichen“, so Fließer. Viele Mit- der bleibt es beim Mindestgehalt, RECHTE DES MOBILEN arbeiterInnen mit geringem Be- die DienstgeberInnen sind nicht DIENSTES GESTÄRKT schäftigungsausmaß würden der- wie in anderen Branchen bereit, Auch die Rechte der Mitarbei- zeit an der Armutsgrenze leben. überkollektivvertraglich zu ent- terInnen des Mobilen Dienstes „Diese KollegInnen – vor allem lohnen“, ist Fließer enttäuscht. konnten kollektivvertraglich ge- jene im Mobilen Bereich – würden stärkt werden: Seit 1.2.2017 wird – gerne mehr arbeiten. Von einem KV HAT RIESIGE BEDEUTUNG beim geteilten Dienst – die Heim- 15-Stunden-Job kann man lang- „Für die KollegInnen im Sozi- fahrt während der Mittagspause fristig nicht leben“, so die Gewerk- albereich hat der KV eine wirklich als Arbeitszeit angerechnet, auch schafterin. Neben einem Mindest- riesige Bedeutung, er sichert die Kilometergeld wird vergütet. „Für gehalt von 1.700 Euro setzt sich jährlichen Erhöhungen inklusive unsere MitarbeiterInnen ist das Fließer auch für eine bessere kol- der Biennalsprünge, Urlaubs- und ein echter Gewinn“, so Fließer. lektivvertragliche Anrechnung Weihnachtsgeld und Zulagen al- Der Sozialbereich hat noch viel von Vordienstzeiten ein. ler Art ab“, erklärt Fließer. Berech- vor: „Wir wollen eine 35-Stunden- Andrea Rogy nungen haben gezeigt, dass sich für Angestellte der Verwendungs- gruppe 6, in der sich die meisten Beschäftigten befinden, seit 2005 Mehr Infos eine ca. 50-prozentige Erhöhung zum KV der Bruttobezüge ergeben hat. Infos über KV-Ver- „Darauf sind wir stolz“, betont handlungen, Konflikte, die Verhandlerin und warnt vor Neuerungen und eine politischen Tendenzen, alles auf Volltextsuche in allen die betriebliche Ebene zu verla- Kollektivverträgen fin- den sich unter: gern. Einzelne Betriebsratskör- gpa-djp.at/ perschaften könnten nie so stark kollektivvertrag sein wie alle zusammen: „Gäbe es unterschiedliche Regelungen in den Betrieben, kämen diese enorm unter Druck, was sich wie- der negativ auf die Beschäftigten auswirken würde.“ Eine der größten Errungen- schaften der vergangenen Jah- re ist für Fließer das amtliche Ki- lometergeld, das für dienstliche Fahrten ausbezahlt wird: „Das ist für viele Beschäftigte eine wichti- ge Einkommenskonstante.“ Auch die im KV festgelegte einheitli- che Arbeitszeitregelung hätte in der Branche – vor allem im stati- Illustration oben: Peter M. Hoffmann onären Bereich – sehr viel Ruhe gebracht. „Der KV schreibt vor, dass eine ArbeitnehmerIn eine be- stimmte Anzahl an Wochenenden im Durchrechnungszeitraum frei haben muss, Dienstpläne müssen so rechtzeitig erstellt werden, dass KOMPETENZ 4/2017 9
KONSEQUENT Garant für sozialen Frieden Zwei Hände reichen nicht aus, um die diesjährigen Angriffe auf die österreichische Sozialpartnerschaft und das damit verbundene Kammersystem abzuzählen. Wer greift hier eigentlich was an und warum? Ein Kommentar von Wolfgang Katzian D ie Kommentare reichen von der Kürzung ner Wirtschaftskammer meinte im April in einem der Kammerbeiträge über die Abschaf- Gastkommentar in der Presse: „Gäbe es die Wirt- fung der Pflichtmitgliedschaft bis hin zum schaftskammer und die Pflichtmitgliedschaft Totreden der Sozialpartnerschaft. Traditionell nicht – man müsste sie zum Wohl der Unterneh- werden in Österreich ArbeitnehmerInnnen durch men glatt erfinden.“ Als mittelständischer Unter- die Arbeiterkammer und ArbeitgeberInnen durch nehmer weiß er, wovon er spricht – die meisten die Wirtschaftskammer vertreten. Die Kammern Leistungsangebote erbringt die Wirtschaftskam- erfüllen dabei im Interesse ihrer Mitglieder zahl- mer nämlich für ihre klein- und mittelständischen reiche Aufgaben. So führte die Arbeiterkammer Unternehmen. im vorigen Jahr zwei Millionen Beratungen zu Welche lauten Stimmen ertönen also, wenn den Themen Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Kon- wieder einmal versucht wird, den Ruf des Interes- sumentenrecht durch. Im senausgleichs der Arbeitneh- Schnitt nahm also jede/r merInnen und ArbeitgeberIn- zweite Beschäftigte die- nen zu beschädigen? Nicht ses Service in Anspruch. DER SOZIALE FRIEDEN jene der ArbeitnehmerInnen Gemeinsam mit den Ge- IST VERDIENST DIESER – sie wissen um den Wert des werkschaften führen die JAHRZEHNTELANGEN Rückhalts bei Arbeiterkam- Kammern für ihre Mitglie- PARTNERSCHAFT. mer und Gewerkschaft Be- der auch politische Ver- scheid. Nicht jene der Klein- handlungen. Sie beeinflus- und MittelunternehmerInnen sen durch Stellungnahmen – sie schätzen das Leistungs- geplante Gesetze mit Auswirkungen auf Arbeit angebot ihrer Kammern und Berufsverbände. Es und Wirtschaft und sorgen für einen fairen Inte- sind die Stimmen mancher GroßunternehmerIn- Wolfgang Katzian ressenausgleich. ArbeitgebervertreterInnen ver- nen und Industrieller. Jener, die sich ihre ganz ist Vorsitzender der handeln mit den Gewerkschaften ein Kollektiv- persönlichen BeraterInnen und Lobbyisten leisten GPA-djp, Vorsitzender vertragssystem, das geregelte Arbeitsverhältnis- können oder vielleicht ihre Interessen bereits in der Fraktion Sozial- se garantiert. einer Briefkastenfirma gesichert haben. demokratischer Kennzahlen wie die ausgezeichneten Rankings Die GPA-djp und die anderen Arbeitnehmerver- GewerkschafterInnen zur Lebensqualität oder zum Wirtschaftsstand- treterInnen werden sich gemeinsam mit den Ar- Foto: Nurith Wagner-Strauss im ÖGB, Abgeordneter ort zeugen davon, dass es vielen Menschen und beitnehmerInnen weiterhin dagegen wehren, dass zum Nationalrat und Mitglied im Welt- Unternehmen in Österreich gut geht. Der sozia- die Arbeiterkammer zu einem zahnlosen Tiger vorstand des Union le Frieden ist auch Verdienst dieser jahrzehnte- wird. Weil ArbeitnehmerInnen unabhängig vom Network International. langen Partnerschaft. Der Präsident der Kärnt- Geldbörsl zu ihrem Recht kommen müssen! 10 4/2017 KOMPETENZ
Arbeitszeit GESCHICHTE GESCHICHTE 40-Stunden-Woche Die gesetzliche 40-Stunden-Woche wurde vor 42 Jahren durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes von 1969 eingeführt. Neben der Einführung der Maximalarbeitszeit in Fabriken durch die Gewerbeordnungsnovelle 1885 und das Achtstundentagge- setz aus dem Jahr 1919 zählte die 40-Stunden-Woche zu den großen Meilensteinen in der mehr als 120-jährigen Geschichte der österreichischen Arbeitszeitpolitik. Foto: ÖGB KOMPETENZ 4/2017 11
Wenn der Staat Armut fördert Vor Hartz IV in Österreich und Folgeschäden warnt der Sozialwissenschaftler Martin Schenk von der Armutskonferenz im Interview mit der KOMPETENZ. KOMPETENZ: Wie viele arme Menschen gibt es? gungen und eine Gruppe von PensionistInnen, Martin Schenk: Eine Million Menschen sind ein- die die Ausgleichszulage oder die Mindestsiche- kommensarm; das sagt aber noch nichts über die rung bekommen, wenn sie nicht genug Versiche- konkreten Lebensbedingungen aus. Deshalb gibt rungszeiten haben. Österreich hat ja keine Min- es als Teilmenge davon eine zweite Zahl über die destpension wie Dänemark. Deprivation oder soziale Ausgrenzung; sie sagt et- was über die tatsächlichen Lebensbedingungen, Laut einer Wifo-Studie kommt unser Umvertei- etwa ob die Wohnung feucht und verschimmelt lungssystem sehr wohl einkommensschwachen ist, ob jemand Schulsachen für die Kinder kau- Haushalten zugute. fen kann oder einsam ist usw. Davon sind um die Wir gehören zu den vier, fünf Ländern Europas 400.000 Menschen in Österreich betroffen. Sie mit der geringsten Armut. Das liegt – das bestä- haben zu wenig Geld und sind ausgegrenzt. Die tigen internationale Vergleiche – an den Sozial- Einkommensarmen haben zu wenig Geld, sind staatsleistungen. Länder mit stark ausgebautem Foto: Nurith Wagner-Strauss aber nicht unbedingt ausgegrenzt. Sozialstaat können Armut präventiv verhindern. Das ist die gute Botschaft. Die andere ist: Die Somit gibt es mehr Arme als Arbeitslose? Schere zwischen den unteren und oberen Ein- Ja. Am stärksten gefährdet sind Kinder, Menschen kommen geht seit den 2000er-Jahren weiter mas- mit psychischen und physischen Beeinträchti- siv auseinander. Die Haushaltseinkommen blei- 12 4/2017 KOMPETENZ
Armutskonferenz INTERVIEW ben dabei statistisch gesehen stabil, da der Sozial- Gesundheit, Anerkennung, Förderung – keine Be- staat bei Einkommensverlusten einspringt. Aber schämung und keine Existenzangst. Die Strei- nimmt man die Vermögen dazu, geht die Schere chungen der Wohnbeihilfe in England führten weit auseinander, weil das Vermögen der oberen zu einem zehnprozentigen Anstieg von Erschöp- fünf Prozent stark gestiegen ist. fungsdepressionen bei Personen aus Niedrigein- kommenshaushalten, zeigen Studien der Univer- Welche Auswirkungen hätte die Einführung von sität Oxford. ZUR PERSON: Hartz IV nach deutschem Vorbild? Wer Armut bekämpfen will, darf jedenfalls nicht Das hieße, Hartz IV würde durch Leistungskür- Martin Schenk ist einen staatlich geförderten Niedriglohnmarkt zung und -verschärfung auch bei uns deutliche Sozialwissenschaft- einführen. Der würde die Armut massiv bis in Kollateralschäden bringen? ler und Mitinitiator zahlreicher sozialer die unteren Mittelschichten hinauftreiben. Mit Es wird nicht zusammengedacht! Gerade in sozi- Initiativen wie „Die Hartz IV wurden in Deutschland zehn Prozent aler und ökonomischer Hinsicht sind immer viele Armutskonferenz“, in den Niedriglohnmarkt und damit unter die Ar- Dimensionen zu bedenken. Wir wissen ja aus der „Hunger auf Kunst mutsgrenze gedrängt. Begleitung von Arbeitslosen, dass der stärkste Im- und Kultur“ (Kultur Das Versprechen war ja, dass über diese Billig- puls für einen neuen Job nicht der fünfte Compu- für Leute ohne Geld), jobs der Sprung in den Arbeitsmarkt gelingen terkurs ist. Sondern dass Leute ihre gesundheit- Verein Hemayat würde. Aber alle Studien zeigen, dass das kein lichen Probleme aufarbeiten können, oder dass (Betreuung schwer Sprungbrett, sondern eine Armutsfalle gewor- sie wieder gestärkt werden in Freundes- und so- Traumatisierter). den ist. Zwölf Prozent schaffen es so in den Ar- zialen Netzwerken und nicht länger einsam oder beitsmarkt, alle anderen bleiben unten picken isoliert sind. und gelangen von schlechten Jobs zu schlechten Jobs. Da entstehen Drehtüreffekte. Diese Men- Was müsste die neue Bundesregierung tun? schen können sich nur noch entscheiden zwi- Erstens das Thema Wohnen. Das ist bei vielen die schen nicht-existenzsichernd leben unter Hartz Hauptsorge. Weil speziell in Wien, Graz, Salzburg IV oder Jobs, die genauso wenig die Existenz si- und Innsbruck die Mieten massiv gestiegen und chern und krank machen. Mittlerweile rät auch für viele nicht mehr leistbar sind. Da wäre der so- die OECD Deutschland, stärker in höhere Löhne ziale Wohnbau sehr wichtig. Damit mehr leistba- zu investieren und das Abstiegsrisiko der Mitte re Wohnungen am Markt verfügbar zu verringern. Deutschland ist laut Eurostat das sind. Städte wie Wien wachsen, da- Land mit dem höchsten Anstieg der Armut unter her steigt die Wohnungsnachfrage den Erwerbslosen in Europa. – aber auch die Preise, weil es zu we- „MIT HARTZ IV nig Angebot an sozialen Wohnun- WURDEN IN Dennoch propagiert die Lobbygruppe „Agenda gen gibt. Das andere wäre ein Aus- Austria“ die Einführung von Hartz IV in Öster- bau der Delogierungsprävention. DEUTSCHLAND reich, und das Finanzministerium hat ausrechnen Wien hat damit begonnen und wird ZEHN PROZENT lassen, was die Einführung des Modells bei uns europaweit auch oft als Vorzeigebei- UNTER DIE bringen würde. spiel genannt; das gehört ausgewei- ARMUTSGRENZE Bei der Studie des Finanzministeriums ist ja he- tet auf den ländlichen Bereich und GEDRÄNGT.“ rausgekommen, dass Hartz IV in Österreich zu die Kleinstädte. Schutz vor Delo- 160.000 mehr Einkommensarmen führen würde. gierung ist außerdem ökonomisch Die Folgekosten sind hier noch gar nicht mitein- sinnvoll und kommt günstiger für gerechnet: Was würde das für die Bildung, den die Verwaltung als die Wohnungslosenhilfe. Aufstieg und die Sicherheit der Kinder in diesen Zweite Priorität müsste die Bildung sein. Wir ha- Familien bedeuten? Zweitens die gesundheitli- ben gemeinsam mit der Uni Linz den Chancenin- chen Auswirkungen durch das Leben unter der dex für Schulen entwickelt. Die Idee dahinter ist, Armutsgrenze, und drittens die Auswirkungen Schulen in sozial benachteiligten Bezirken be- auf das Wohnen. Viele dieser Menschen suchen sonders gut auszustatten, damit sie keine Schüler dann Hilfe bei uns oder ziehen in billigere, oft zurücklassen und für alle Einkommensschich- feuchte, verschimmelte Wohnungen. Zentrale ten attraktiv bleiben. Die Niederlande, Zürich, Faktoren für die Entwicklung von Kindern sind: Hamburg und auch Kanada haben damit gute Er- KOMPETENZ 4/2017 13
INTERVIEW Armutskonferenz „WIR WISSEN AUS DER BEGLEITUNG VON ARBEITSLOSEN, DASS fahrungen gemacht. DER STÄRKSTE IMPULS einbaren. Anders als in Dritte Priorität sollte Gesundheit sein. Das FÜR EINEN NEUEN JOB skandinavischen Ländern wie Dänemark, wo auch ist der dritthäufigste NICHT DER FÜNFTE eine flexiblere 5-, 6- oder Grund, meist die Er- COMPUTERKURS IST.“ 7-Stunden-Pflege und schöpfungsdepressi- -Betreuung möglich ist. on (Burn-out) nach dem Motto „ich kann nicht Armuts- mehr“, weshalb Menschen bei einer der vierzig Woher müsste das Geld genommen werden, um konferenz Organisationen der „Armutskonferenz“ Hilfe su- all die Punkte umzusetzen? Die „Armutskonferenz“, chen. Eine riesengroße Frage ist die Gesundheits- Nicht alles sind Mehrkosten, wir ersparen uns ein Zusammenschluss prävention am Arbeitsplatz. auch viel an Kollateralschäden. Und Investitio- von ca. 40 Organisati- nen in beispielsweise Pflege und Bildung brin- onen (Schuldnerbera- Braucht es mehr Infrastruktur in ländlichen Ge- gen einen return on investement bei Jobs, Ge- tung, Sachwalterschaft, Frauenhäuser, Caritas, bieten? sundheit, Belebung ländlichen Raums und Er- Diakonie, Rotes Kreuz Ja, vor allem in der Gesundheitsversorgung werbsquote. Es macht auch Sinn und ist für die u.a.), betreut pro Jahr braucht es mehr psychosoziale Versorgung, Psy- Mittelschichten günstiger, die Pflege mit der Erb- 500.000 Menschen in chotherapie, finanzielle Unterstützung bei Heil- schaftssteuer zu koppeln, statt den Faktor Arbeit Österreich. Im Herbst bringt sie das Buch her- behelfen – und natürlich bei der Pflege. Wir ha- noch weiter zu belasten. Auch die Debatte über aus „Genug gejammert! ben das Problem, dass es in Österreich nur drei eine Wertschöpfungsabgabe werden wir zukünf- Warum wir gerade jetzt Stunden leistbare mobile Pflege gibt oder eben tig führen. Die Arbeitswelt ist in Veränderung, da ein starkes Sozialsys- die 24-Stunden-Betreuung. Das macht es gerade muss auch die Finanzierung des Sozialen für uns tem brauchen“ (Ampuls Verlag). für pflegende Angehörige – und das sind meist alle zukunftstauglich gemacht werden. Frauen – unmöglich, Beruf und Familie zu ver- Das Interview führte Heike Hausensteiner Foto: Nurith Wagner-Strauss
36.700 Euro betrug 2016 in Österreich die Wirtschaftsleistung je EinwohnerIn. Das liegt 26 Prozent über dem EU-Schnitt und ist der vierthöchste Wert der EU. 22.989 370.000 Euro betrug 2015 das verfügbare Haushaltseinkommen pro Kopf. Personen waren in Österreich Ende Juli arbeitslos. Im Vergleich zum Vorjahr sank Das ist der zweithöchste materielle die Arbeitslosigkeit um 2,4 Prozent. Lebensstandard der EU. 3von10 50.000 Quellen (v. l. n. r.): EU ROST AT Juli 2107, EU ROST AT Juli 2107, AMS, Statsitik Austria, AMS, Statistik Austria, OECD 2017, OECD 2017 Nur Kindern unter 6 Jahren haben einen Menschen über 50 sind derzeit langzeit- Betreuungsplatz, der mit Vollzeitarbeit arbeitslos. Das bedeutet, dass sie trotz vereinbar ist. Am meisten Betreuungsplätze Arbeitswillen und Arbeitsfähigkeit seit fehlen bei den unter Dreijährigen. über einem Jahr keine Anstellung finden. 80 % der knapp 1,1 Millionen Teilzeit- Zwei Komma Acht Prozent beträgt laut OECD der Anteil der Verwaltungs- kosten bei den österreichischen Krankenkassen. Prozent betragen im Vergleich 31,8 beschäftigten in Österreich sind Frauen. Teilzeitbeschäftigung dazu die Verwaltungskosten reduziert das Einkommen und senkt der österreichischen damit auch die Pensionshöhe. Privatversicherungen. KOMPETENZ 4/2017 15
Follow Me!. Vote for Me!. „Soziale Medien“ sind nicht nur geläufig, sie sind allgegenwärtig. Auch Wahlkämpfe kommen nicht mehr ohne Soziale Medien aus. W ir können unsere So- zialen Me- dien via Handy immer bei uns tragen. Je- der zweite Mensch, der einem auf Österreichs Straßen begegnet, hat KLASSISCHE MOBILISIERUNGS- FORMEN UND SOZIALE MEDIEN Die Art und Weise wie Men- schen kommunizieren und sich engagieren hat sich verändert. Klassische Mobilisierungsformen sind nicht obsolet geworden, sie SOZIALE MEDIEN SIND SOZIALE MEDIEN Soziale Medien dienen nicht nur der Informationsverbreitung, ihre primäre Funktion ist Gemein- schaftsbildung. Das hat auch be- kannte Nebeneffekte, wie etwa die einen aktiven Facebook-Account. kommen aber nicht mehr ohne Tendenz, dass sich sogenannte Fil- In anderen Ländern sind es meist eine Ergänzung durch Soziale terblasen oder Echokammern bil- noch mehr. Wenn man Antwor- Medien aus. Diesen Kulturwandel den. Man also nur noch mit Inhal- ten auf die Frage sucht, wie Sozia- muss man berücksichtigen. Ein ten konfrontiert wird, welche dem le Medien politische Wahlkämpfe gutes Beispiel ist die Social-Me- eigenen Weltbild entsprechen. beeinflussen können, können wir dia-Strategie des britischen Politi- Trotzdem bieten Soziale Medien Fotos: Fotolia.com, ra2 studio schon eine Antwort geben – die kers und Vorsitzenden der Labour für die Verbreitung von Inhalten pure Reichweite. Also die Anzahl Partei Jeremy Corbyn, der es auf einen entscheidenden Vorteil – der Personen, welche grundsätz- beispiellose Weise geschafft hat, Menschen werden in einem quasi lich über ein Soziales Medium er- vor allem junge Menschen für sei- privaten, ja geradezu intimen Um- reicht werden können. ne Kampagne zu begeistern. feld angesprochen. 16 4/2017 KOMPETENZ
Soziale Medien WAHLEN LIKE-VERHALTEN IST NICHT die ganz natürlich mit Sozia- als Bewegung der Bevölkerung GLEICH WAHL-VERHALTEN len Medien aufwachsen, nutzen selbst wahrgenommen. Die bloße Anzahl von Likes, diese, um sich zu vernetzen, Ge- Shares und Interaktionen ist nicht meinschaften zu bilden und eben STARKE BOTSCHAFTEN allein ausschlaggebend dafür, wie auch dafür, sich zu engagieren. UND KLARE ZIELE erfolgreich eine Wahlkampagne Jeremy Corbyn hat gezeigt, dass Namhafte JournalistInnen, insgesamt ist. Auch die beiden man nicht seine Ideale und Inhal- KünstlerInnen und Persönlich- Bundespräsidentschaftswahl- te verbiegen muss, damit sie den keiten in der Social-Media-Land- kämpfe 2016 in Österreich haben Eigenschaften neuer Medien ge- schaft verbreiteten Botschaften das gezeigt. Der amtierende Bun- recht werden. Seine Botschaften und sorgten dafür, dass Menschen despräsident war auf den Sozialen sind im Kern seine Haltung seit sich nicht nur betroffen fühlten, Medien zahlenmäßig unterlegen. den Siebzigerjahren. Mit mäßi- sondern auch selbst anpacken Das zeigt einen sehr wichtigen gen Umfragewerten in den Wahl- wollten. Der Zugang, die Kampag- Aspekt auf; die Präsenz auf Sozia- kampf gestartet, gelang Corbyn ne zu unterstützen wurde so leicht len Medien ist zwar wichtig, weil bei den Wahlen schließlich ein wie möglich gemacht. In der Kom- beachtlicher Erfolg. munikation ist es wichtig, dass klare Ziele vermittelt werden. So FRUCHTBARER BODEN FÜR hat etwa die Plattform „Hope Not SOCIAL-MEDIA-KAMPAGNEN Hate“ (Hoffnung statt Hass) zwei Große Einsätze und Bemü- bezahlte Social-Media-Kampag- hungen auf Sozialen Medien nen umgesetzt, die Menschen un- brauchen Zeit. Beispielsweise hat ter 25 Jahren dazu bewegten, sich Corbyns Kampagne im Finale zu überhaupt für die Wahl zu regis- den Parlamentswahlen, zwischen trieren. Die Wahlbeteiligung der dem 19. Mai und dem 6. Juni, 259 unter 25-Jährigen konnte so um Social-Media-Beiträge verfasst. fast 59 Prozent gesteigert werden. Diese wurden mehr als 4.000-mal geteilt und über 10.000-mal „ge- EIN REZEPT FÜR DEN ERFOLG? liked“. Zu diesem Zeitpunkt hat- Ein Rezept für den Erfolg gibt te sich aber längst eine Basisbe- es wie bei herkömmlichen Kam- wegung etabliert. Diese bestand pagnen auch in den Sozialen Me- aus einer Vielfalt von Anhängern, dien nicht. Erst das Zusammen- die ihrerseits eigene Organisati- spiel von Botschaft, Angebot und onsstrukturen aufgebaut hatten. Partizipation ermöglicht es, dass Wahlkampf 4.0: Permanent wurden Menschen Menschen nicht nur bereit sind Der britische Labour-Politiker sie unabhängiger von klassischen motiviert, sich auf ihre eigene einen Knopf zu drücken, sondern Jeremy Corbyn Medien macht, aber das allein Weise zu engagieren. Der Auf- sich darüber hinaus zu engagieren posiert im Rahmen reicht nicht aus, um eine Wahl wand der Aktivitäten auf Sozia- und letzten Endes eine Wahlent- seiner Wahlkampf- zu gewinnen. Der zentrale Erfolg len Medien fiel auf vorbereiteten, scheidung zu treffen. tour mit Unterstüt- liegt in der Übersetzung der digi- fruchtbaren Boden. Sogenannte Also Ja – Soziale Medien be- zerInnen für ein Selfie. talen Unterstützung in tatsächli- „grass-roots movements“ (Gras- einflussen den Verlauf von Wah- ches Wahlverhalten. Und spätes- wurzelbewegungen: Damit wer- len. Ihre Wirkung entfalten sie tens ab diesem Zeitpunkt braucht den politische oder gesellschaft- aber erst nachhaltig, wenn In- es mehr als Reichweite auf Sozia- liche Initiativen bezeichnet, die halte wichtig, überzeugend und Foto: GEOFF CADDICK / AFP / picturedesk.com len Medien. Denn entscheidend aus der Basis der Bevölkerung auch außerhalb der digitalen Welt sind letzten Endes nicht Zahlen, entstehen.) bildeten sich auto- Menschen begeistern. Wenn So- sondern Menschen. nom und boten AktivistInnen ziale Medien nicht als Ersatzdis- Gelegenheit, sich für Aktionen kurs angesehen werden, sondern DAS BEISPIEL JEREMY CORBYN und Hausbesuche zu organisie- als eine direkte Möglichkeit, mün- Wie aber bringt man den Er- ren. Das wirkte wiederum zurück dige Mitmenschen zu erreichen, folg aus dem Netz auf die Stra- und unterstützte die Aktivitä- wird ihr Einfluss auf Wahlen ein ße? Soziale Medien stehen nie ten auf den Sozialen Medien. Die entsprechend großer sein. ● allein. Gerade junge Menschen, Kampagne wurde nach und nach Marc Pieber KOMPETENZ 4/2017 17
ARBEITSMARKT Digitalisierung schafft Arbeitsplätze Digitalisierungsstudie. Die Di- Schluss, dass es einen positiven gitalisierung durchdringt alle Zusammenhang zwischen der Lebensbereiche und hat gewich- Beschäftigung und der Wert- tige Auswirkungen auf die Ar- schöpfung auf der einen, und der beitswelt. Teilweise herrscht Digitalisierung auf der anderen auch Verunsicherung bezüglich Seite gibt. Dabei zeigt sich, dass des Verlustes von Arbeitsplät- die Zunahme an Arbeitsplätzen zen. Agnes Streissler-Führer, seit und der Wertschöpfung in stär- 2017 als Mitglied der Bundesge- ker digitalisierten Branchen grö- schäftsführung der GPA-djp zu- ßer ist. Konkret heißt das, dass ständig für Digitalisierung, hat zwischen 1995 und 2015 in den im Auftrag des Bundeskanzler- stark bis sehr stark digitalisierten amts den österreichischen Ar- Branchen 390.000 Arbeitsplät- beitsmarkt in der Zeit zwischen ze hinzugekommen und 75.000 Agnes Streissler-Führer: „Die Digitalisierung 1995 und 2015 und dabei auch Arbeitsplätze weggefallen sind. hat zwar in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Entwicklungen in den wich- In den mäßig bis wenig digitali- zu keinem Rückgang der Beschäftigung geführt. Wir dürfen aber dennoch nicht warten, bis tigsten Branchen und die Auswir- sierten Branchen hingegen sind jemand arbeitslos wird. Wir müssen vielmehr die kungen der Digitalisierung auf zwar 189.000 Arbeitsplätze da- Beschäftigungsfähigkeit der Menschen erhalten, diese untersucht. Zusammenfas- zugekommen, aber dafür 280.000 damit der technische Fortschritt nicht zu einem send kommt die Studie zu dem weggefallen. gesellschaftlichen Rückschritt wird.“ BÖRSENKONZERNE 94 % Männer in Vorständen, Frauenanteil steigt kaum KOMPAKT Frauenquoten. Nach wie vor sind die Vorstände der börsennotierten Unternehmen in Österreich män- nerdominiert. Der Frauenanteil ist in den vergange- nen Jahren kaum gestiegen. Unter 196 Vorstands- mitgliedern finden sich nach wie vor nur 11 Frauen. Foto unten: fotolia.com, alotofpeople, oben: Michael Mazohl Sogar gesunken ist der Frauenanteil in den Auf- sichtsräten derselben Unternehmen. Dort sitzen aktuell weniger Frauen als im Vorjahr – statt 17,7 nur noch 17,4 Prozent. Von 593 Aufsichtsratsmit- gliedern sind nur 103 Frauen. Die Mehrheit der von der Frauenquote betroffenen börsennotierten Un- Frauenmangel. Nur in 14 Prozent ternehmen hat großen Aufholbedarf: Nur 9 von 48 der 63 im Wiener Börse Index Unternehmen haben mehr als 30 Prozent Frauen in notierten Unternehmen findet ihrem Aufsichtsrat. sich überhaupt ein weibliches Vorstandsmitglied. 18 4/2017 KOMPETENZ
KOMPAKT BFI Schulabschluss nachholen, Abendschule. Weiterbildung Chancen verbessern für Berufstätige Jobchancen. Für junge Leute, die auf der Suche nach einer zweiten Chance sind, nachdem sie ihre Schulausbildung abge- brochen haben, oder für Berufstätige, die durch einen höheren Abschluss ihre Job- chancen verbessern wollen, haben die Kaufmännischen Schulen des bfi Wien das passende Angebot. In der Abendschule kann in zwei Jahren die Handelsschul-Abschlussprüfung oder in vier Jahren die HAK-Matura nachgeholt werden. Diese Studienzeiten können er- heblich kürzer ausfallen, da Lehrabschluss- zeugnisse oder Zeugnisse aus weiterfüh- SOLIDARITÄT renden Schulen angerechnet werden. Abgerundet wird das Bildungsangebot Billig ist durch das Kolleg für Entrepreneurship und nicht besser Management, das berufstätigen Menschen mit Matura in zwei Jahren eine zusätzliche Die nächste Möglichkeit einzusteigen, Verschlechterung. Die pro mente kaufmännische Ausbildung ermöglicht. bietet sich am 4. September. Nähere Infor- Reha beabsichtigt, alle ab 1. No- Durch flexible Unterrichtsgestaltung, För- mationen können am Informationsabend, vember 2017 neu eintretenden derangebote und persönliche Betreuung am 11. Jänner 2018, oder jederzeit in einem MitarbeiterInnen in den Kur- der Studierenden sind die Erfolgsquoten Beratungsgespräch beim Abendschulkoor- und Reha-Kollektivvertrag ein- bei den abschließenden Prüfungen sehr dinator, Mag. Thomas Nausner, eingeholt zustufen – statt des Sozialwirt- hoch. Besonders Berufstätige schätzen werden. schaft-Österreich-Kollektivver- die Möglichkeit, in der Fernschule die wö- trags. Schulen des bfi Wien, Margaretenstraße 65, Dies bedeutet für die Beschäf- chentliche Anwesenheit auf zwei bis drei 1050 Wien, Tel.: 01 587 96 50 Abende zu reduzieren. tigten eine massive Verschlechte- www.schulenbfi.at rung sowohl beim Gehalt als auch beim Rahmenrecht. Der Betriebs- rat der pro mente Re Reha ersucht BUCHTIPP daher um Unterstütz Unterstützung der on- line Solidaritätserk Solidaritätserklärung. Der Betriebsrat in Aktion – http://bit.ly/So http://bit.ly/Solidarität- Vom Lernen ins Tun. Foto oben: fotolia.com, Vector Tradition SM, unten rechts: Fotolia.com, Hugo Félix mit-den-Beschäftigten- mit-den-Besch der-pro-mente-Reha der-pro-ment Handbuch. In der Hoitzhittn GmbH im Waldviertel ertel brennt der Hut. Gerade mal ein halbes Jahr ist der Betriebsrat in seiner Funktion, schon erfährt er, dass lätze Teile der Produktion geschlossen und Arbeitsplätze nach Tschechien und in die Crowd verlagert wer- er- Varia ÖGB-Verlag den sollen. Gleichzeitig stehen Entlassungen imm 2017/ 180 Seiten Raum und die Beschäftigten haben allerhand Fra- ra- EUR 29,90 gen zu Mutterschutz, Mobbing, Versetzung, Ge- e- ISBN 978-3- pro mente Reha. 99046-306-2 haltseinstufung, Invaliditätspension etc. Den Beschäftigten Besch Dieses Buch liefert praktisch und unterhalt- drohen massive ma sam Entscheidungshilfen, Strategien und hand-- Verschlechterungen. Verschlech werkliche Tipps für BetriebsrätInnen. KOMPETENZ 4/2017 19
PORTRÄT Betriebsrat Arbeitsrecht zum Babybrunch Service is our Success – die österreichische Fluglinie, die mit diesem Slogan für sich warb, gibt es nicht mehr. Der Betriebsratschef der Angestellten am Flughafen Schwechat sorgt dafür, dass das Motto nicht in Vergessenheit gerät. Ein Besuch bei Thomas Schäffer und seinem Team. D as Büro des Ange- stellten-Betriebs- rats auf dem riesi- gen Areal des Flug- hafens Wien zu finden, stellt für Betriebsfremde eine gewisse He- rausforderung dar. Die dement- ling am Flughafen begonnen hat, kennt fast alle KollegInnen per- sönlich. „Mir ist es sehr wichtig, zu den Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern den persönlichen Kontakt zu halten.“ An heißen Sommer- tagen begeben sich die Betriebs- sprechende Kurznachricht an rätInnen auch aufs Rollfeld, um den Vorsitzenden Thomas Schäf- bei den Ramp Agents Eis zur Ab- fer beantwortet er in Sekunden- kühlung zu verteilen. „Das musst schnelle: „Ich komme zum nh-Ho- du einmal aushalten bei der Hitze Verhandlungen eine Sabbati- tel, bis gleich“, und tatsächlich auf dem Asphalt“, erklärt Schäffer. cal-Regelung gelungen, die sehr lacht der 34-Jährige wenige Minu- Natürlich sind es nicht nur gut angenommen werde. Stolz ten später aus seinem Auto, das nette Gesten wie diese oder die ist der 34-Jährige außerdem auf er schon startklar positioniert hat. Blumenaktion, bei der im Früh- die volle Anrechnung der Karenz- In seinem Büro angekommen, jahr alljährlich gratis Kräuter- und zeiten für RückkehrerInnen, die serviert er Kaffee und entschul- Gemüsepflanzen verteilt werden, außerdem auch als Teilzeitbe- digt sich für das kreative Chaos oder die zahlreichen Gutscheine, schäftigte Gleitzeitmodelle in An- auf dem Schreibtisch und dafür, die der Betriebsrat ausverhandelt, spruch nehmen dürfen – „davon dass er noch schnell einen Stapel die den Erfolg ausmachen. Das machen viele Gebrauch“. Geburtstagskarten unterschrei- Team der sozialdemokratischen Als zweifacher Vater weiß ben muss. Persönliche Zeilen von GewerkschafterInnen rund um Thomas Schäffer auch, wie wich- Schäffer und seinem Stellvertre- Thomas Schäffer gewann bei der tig der Papamonat ist, für den es ter Herbert Frank gibt es für je- Betriebsratswahl im Vorjahr mit in der Flughafen Wien AG so- de/n der rund 1.270 Angestellten einer Zustimmung von 85 Pro- wohl einen Rechtsanspruch als – wie zum Beispiel die KollegIn- zent satte 20 Prozent dazu. auch das 50-prozentige Gehalt nen im Office Park, im Terminal gibt. „Die gute Zusammenarbeit und auf dem Vorfeld. MEHR ALS „EVENT-KLASSIKER“ mit dem Arbeitgeber ist uns sehr Auch die sogenannten Ramp „Wir haben schon mehr zu bie- wichtig“, betont Schäffer. So ver- Agents, die Flugzeuge auf den Ab- ten“, erzählt der Wahl-Burgenlän- anstaltet die Personalabteilung in Foto: Sebastian Philipp flug vorbereiten, sind Angestellte der, der schon mit 19 Jahren Ju- Kooperation mit dem Betriebsrat des Flughafens. gendvertrauensrat war und seit auch zweimal jährlich einen Ba- Schäffer, der bereits vor 16 zwei Jahren Betriebsratsvorsit- bybrunch: „Da geht es nicht nur Jahren als Bürokaufmann-Lehr- zender ist. So ist nach längeren um den Erfahrungsaustausch, 20 4/2017 KOMPETENZ
Betriebsrat PORTRÄT ZUR PERSON Thomas Schäffer ist seit zwei Jahren Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrats am Flughafen Wien und ver- tritt rund 1.270 Angestellte. Vor 16 Jahren begann er als Bürokaufmann-Lehrling am Flughafen. Mit 19 wurde er Jugendvertrauensrat und vor elf Jahren Betriebsrat. Flughafen. Viele Kolleginnen und Kollegen sind wirklich am Limit, gleichzeitig werden die Heraus- forderungen für alle umfassender. So erfreulich die angekündigte Andockung von EasyJet in Wien ist, es bedeutet wie andere posi- tive Entwicklungen mehr Arbeit. wir informieren auch über ar- der NÖGKK die Handysignatur Ich bin sicher, dass die Leute für beitsrechtliche Neuerungen.“ als elektronischen Ausweis aufs eine 38-Stunden-Woche auf die Rechtliche Neuerungen interes- Handy laden zu lassen, sei von Straße gehen würden – das The- sieren auch die KollegInnen in der vielen in Anspruch genommen ma Zeit, eine gute Work-Life-Ba- „Nullzeit“ ihrer Altersteilzeit sehr. worden. „Event-Klassiker“, wie lance wird immer wichtiger.“ Für diese gibt es einen „Altersteil- Thomas Schäffer die Grillkurse, Die Frage, ob er mit seinen Betriebsausflüge, organisierte vielen Aktivitäten und langen Besuche von Schirennen, Fuß- Arbeitstagen diesbezüglich ein „MIR IST ES SEHR WICHTIG, ballspielen und Wiener Wies’n Vorbild sei, beantwortet Tho- bezeichnet, sollen genauso weiter mas Schäffer mit einem Grinsen ZU DEN MITARBEITERINNEN ausgebaut werden wie das Sport- und erklärt, was man ihm ohne- UND MITARBEITERN DEN angebot des Kultur- und Sport- hin anmerkt: „Aber es macht mir PERSÖNLICHEN KONTAKT ZU vereins der Flughafen Wien AG, ja Spaß!“ Immerhin steht heuer HALTEN.“ dessen neu gewählter Obmann auch der „erste ausgiebige Ur- seit dem Vorjahr Thomas Schäf- laub“ seit der Übernahme des fer ist. Chefsessels auf dem Programm, zeit“-Stammtisch, damit sie den der 34-Jährige freut sich auf die Kontakt zum Unternehmen nicht KÜRZERE ARBEITSZEIT Zeit mit der Familie auf einem verlieren. Größte Priorität hat für ihn Bauernhof – „da gibt es viele Tiere, Stark besucht sind außerdem nicht die Gestaltung der Freizeit, das ist Action für die Kinder“. Ein Beratungstage, wie beispielswei- sondern jene der Arbeitszeit, er- Überflieger wie Thomas Schäffer se von der PVA, und auch das An- klärt Schäffer: „Wir brauchen eine mag es eben auch im Urlaub nicht gebot des Betriebsrats, sich mit Verkürzung der Arbeitszeit – ge- so ruhig. Unterstützung eines Experten nerell und ganz besonders hier am Litsa Kalaitzis KOMPETENZ 4/2017 21
Der neue KV bringt ein höheres Einstiegsgehalt, übersichtlichere Gehaltseinstufungen und die Anrechnung der Karenzzeiten. Ein Meilenstein. mit Vorbildwirkung. DAS GILT BEIM UMSTIEG: Der neue Handels-Kollektivvertrag bietet für die 400.000 1) Ein Betrieb geht per Angestellten in Österreich eine Reihe von Verbesserungen. Stichtag in den neuen KV über. Wer vor dem Stich- Bis spätestens 2021 muss umgestellt werden. tag aufgenommen wird, fällt unter den alten KV. Mit dem Stichtag gehen W alle Verträge in den neu- as lange währt, men auf die neue Vereinbarung halten. Das Einstiegsgehalt ist in en KV über. Die Über- wird endlich umstellen. „Mit der fairen Vertei- den vergangenen Jahren überpro- gangsfrist läuft vom 1. 12. 2017 bis gut. Über 40 Ver- lung des Lebenseinkommens und portional gestiegen, 2005 waren 1. 12. 2021. handlungsrunden und drei Jahre mit der neuen Bewertung von es noch 1.096 Euro. Im neuen KV 2) Der Stichtag ist mit dauerte es, bis sich die Sozialpart- Qualifikationen und Berufsbil- werden auch die Karenzzeiten dem Betriebsrat zu ver- ner auf ein modernes Gehalts- dern im neuen Kollektivvertrag, bei Vorrückungen voll angerech- einbaren. schema im Handel einigten. Über haben wir den Bedürfnissen vie- net – davon profitieren vor allem 3) In Betrieben ohne Betriebsrat muss der die positiven Veränderungen dür- ler Angestellter Rechnung getra- junge Mütter. Anita Palkovich, Stichtag drei Monate vor fen sich rund 400.000 Angestellte gen“, erklärt Franz Georg Brant- Wirtschaftsbereichssekretärin Übertritt bekannt gege- im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel ner, Vorsitzender des Wirtschafts- der GPA-djp: „Die volle Anrech- ben werden. freuen. Ihr neuer Kollektivvertrag bereichs Handel in der GPA-djp. nung von Karenzzeiten im neuen 4) Einen Monat vor (KV) sieht höhere Einstiegsgehäl- Gehaltssystem erhöht beispiels- dem Übergang erhalten die Angestellten einen ter, eine flachere Gehaltsstruktur, SO SIEHTS JETZT AUS weise das Lebenseinkommen für Umstiegs-Dienstzettel. die übersichtliche Gehaltseinstu- Für Angestellte mit Einzelhan- eine Frau mit zwei Kindern um Damit können sie über- fung und vor allem Verbesserun- dels- oder kaufmännisch adminis- drei Prozent.“ prüfen, ob sie richtig ein- gestuft sind. Foto: Fotolia.com, kadmy gen für Frauen vor. Gültig wird trativer Lehre wird ein Mindest- Einfache Regelungen gelten 5) GPA-djp-Mitglieder der neue Handels-KV ab 1. De- gehalt von 1.600 Euro brutto im nun bei der Entlohnung. Denn erhalten eine individuelle zember 2017, eine Übergangsfrist Monat (statt bisher 1.546 Euro). bisher bekamen etwa Buchhänd- Umstiegsberatung. Infos läuft bis Dezember 2021 – in die- gelten. Der jährliche KV-Ab- lerInnen oder DrogistInnen un- unter: sem Zeitraum müssen Unterneh- schluss ist darin noch nicht ent- terschiedliche Gehälter ausbe- www.gpa-djp.at 22 4/2017 KOMPETENZ
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