Monat - Internationale Vernetzung 100 Jahre Behindertenbewegung - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
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Die Zeitschrift monat Ausgabe 4/2018 Internationale Vernetzung 100 Jahre Behindertenbewegung Foto: Lukas Ilgner behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 Euro /Ausland + Porto
Foto: Privat editorial D as letzte „monat“ im Jahr 2018 steht im Zeichen der internationalen Vernetzung. Durch die Österreichische EU-Ratspräsidentschaft fanden mehrere internationale Konferenzen zum Thema Behin- derungen statt, zwei davon mitveranstaltet vom Behindertenrat. Die Konferenz Arbeit für Alle wird auf den Seiten 18 und 19 Revue passiert. Über die Themen des Board-Meetings des European Disability Forums (Europäisches Behindertenforum) können Sie sich auf den Seiten 20 bis 24 informieren. Ein vielbesprochenes Thema, das die ganze Welt beschäftigt und weiter- hin beschäftigen wird, ist Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Es besteht die Chance auf gänzlich neue Möglichkeiten der Barrierefreiheit. Doch aufgrund fehlender Inklusion im Bildungsbereich haben viele Men- schen mit Behinderungen keinen Zugang zur Digitalisierung und drohen, abgehängt zu werden, was mich mit großer Sorge erfüllt. Blicken wir als Österreichischer Behindertenrat auf das letzte Regie- rungsjahr zurück, müssen wir eine zwiespältige Bilanz ziehen. Mit dem Sozialministerium gibt es aktuell eine sehr gute Zusammenarbeit. Auf Regierungsebene und mit anderen Ministerien müssen wir jedoch hart gegen Leistungskürzungen, gegen fehlende Kompetenz und für mehr Chance auf Partizipation der Interessenvertretungen für Menschen mit Behinderungen kämpfen. Zum Schluss möchte ich mich für das in uns gesetzte Vertrauen und für die gelungene Zusammenarbeit mit so vielen Akteuren im Behinderten- bereich im Jahr 2018 bedanken. Herzlichen Dank, schöne Feiertage und alles Gute im neuen Jahr! Euer Herbert Pichler www.behindertenrat.at 3
Nachrichten Ausgabe 4/2018 DAS FEHLT Freie Normenarbeit Von Barrierefreiheit bei ÖNORM B 1600 Gabriele Sprengseis Von Bernhard Bruckner D er Nationale Aktionsplan Be- hinderung (NAP) 2012-2020 kommt in die Jahre und braucht E nde 2017 wurde vom Österrei- chischen Institut für Bautechnik eine zeitgemäße Erneuerung. (OIB) ein Überarbeitungsantrag zur Im Regierungsprogramm ist von ÖNORM B 1600 (Norm zur bauli- „Evaluierung und Weiterführung chen Barrierefreiheit) bei Austrian des NAP für den Zeitraum 2021 Standards International (ASI) einge- bis 2030“ zu lesen. In den neuen bracht. Dieser Überarbeitungsantrag Aktionsplan müssen die Erkennt- zielte darauf ab, die ÖNORM B 1600 nisse und Erfahrungen des alten auf die deutlich schlechteren Plans einfließen. Evaluierung Barrierefreiheit-Standards der Län- bedeutet, dass wissenschaftlich der-Bauordnungen herab zu senken. geprüft wird, wie die Umsetzung funktioniert hat und was die Begründet wurde dies vom Öster- Maßnahmen in Bezug auf die reichischen Institut für Bautechnik Ziele der UN-Behindertenrechts- damit, dass § 5 Abs 3 Normengesetz konvention bewirkt haben. Denn 2016 besagt, dass Normen, sofern die Ziele der UN-Behinderten- sie geltenden Gesetzen oder Verord- rechtskonvention sind die Basis nungen widersprechen, unverzüglich des NAP. Selbstverständlich sind einer Überarbeitung zugeführt oder Menschen mit Behinderungen in gegebenenfalls zur Gänze zurückge- diesen Prozess einzubeziehen, zogen werden müssen. um echte Partizipation zu Foto: Pixabay / Gerd Altmann gewährleisten. Im öffentlichen Stellungnahmever- In Österreich spielen Auszeich- fahren zu dem Überarbeitungsantrag von DDr. Heinz Mayer, welches vom nungen eine große Rolle. Viele sprachen sich der Österreichische Österreichischen Behindertenrat, Frauen mit Behinderungen Behindertenrat und andere Interes- der Behindertenanwaltschaft und leisten großartige Arbeit, sie senvertretungen für Menschen mit SLIÖ – Selbstbestimmt Leben Öster- bleiben jedoch meist unsichtbar. Behinderungen entschieden gegen reich beauftragt wurde, konnte die Folglich bleibt auch eine ent- eine Anpassung der ÖNORM B 1600 Direktion von Austrian Standards sprechende Würdigung aus. Es an den Barrierefreiheitslevel der International (ASI) davon überzeugt fehlt ein eigener Preis für Frauen Bauordnungen der Länder aus. werden, dass die ÖNORM B 1600 mit Behinderungen. In Anleh- einen höheren Standard an Barriere- nung an den Her Abilities Award Kern der Argumentation des Öster- freiheit haben darf, als die Bauord- oder dem Paritätischen Preis für reichischen Behindertenrats war es, nungen der Länder. Frauen mit Behinderungen in dass die ÖNORM keinen geringeren Berlin könnte auch eine Aus- Standard an Barrierefreiheit als die Damit ist nun gesichert, dass sich zeichnung in Österreich geschaf- gesetzlichen Bestimmungen haben die Normenarbeit wieder auf ihr fen werden. Öffentliche Aner- darf, eine Übererfüllung der gesetz- ursprüngliches Ziel, nämlich die kennung stärkt nicht nur das lichen Vorgaben aber zulässig ist. Abbildung des Stands der Technik Selbstbewusstsein der einzelnen konzentrieren kann und nicht am Frau mit Behinderungen sondern Nach monatelangen Diskussionen Gängelband der Landesgesetz- trägt zur Sensibilisierung in der mit Austrian Standards Interna- gebung hängt. Gesellschaft bei. tional (ASI) und mit Hilfe eines verfassungsrechtlichen Gutachtens 4 www.behindertenrat.at
Aus dem Inhalt Ausgabe 4/2018 Editorial Herbert Pichler 3 Neue Mitglieder 6 100 Jahre Behindertenbewegung 8 Angehörigenpflege in Österreich 10 Update: Erhöhte Familienbeihilfe 12 Österreich und die Europäische Union 16 Internationale Strategien für einen inklusiven Arbeitsmarkt 18 Europa zu Gast in Wien 21 Weihnachtsempfang für Menschen mit Behinderungen 26 "normal" leben für 6 Monate 28 Her Abilities Award 30 Foto: Riess 1991 Foto: Gudrun Eigelsreiter D D Liebe Leserin, lieber Leser! er Artikel von Volker Schönwiese ie Vorstandssitzung des Euro- Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim zeigt einen Rückblick auf 100 päischen Behindertenforums Lesen des neuen Heftes und freuen Jahre Behindertenbewegung in (EDF) findet immer in jenem uns über Ihre Rückmeldung an: Österreich und den Weg zum Selbst- Land statt, das gerade den Vorsitz presse@behindertenrat.at bestimmten Leben. Viele historische der EU-Ratspräsidentschaft innehat. monat Vorgänge sind unbekannt, Erinne- Daher wurde das EDF heuer nach rung droht verloren zu gehen. Wien eingeladen. Gefördert aus den Mitteln des Seiten 8 bis 10 Seiten 21 bis 23 Sozialministeriums IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Herbert Pichler · Redaktion: Dr.in Gabriele Sprengseis (gs) - Mag.a Heidemarie Egger (he) · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11, Tel.: 01 513 1533, Mail: presse@behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz: www.behindertenrat.at/impressum · Gestaltung, Anzeigenverkauf, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH · 8151 Hitzendorf · Filiale: 4800 Attnang-Puchhheim, 07674 62 900, www.diemedienmacher.co.at Nachdruck nur nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt der Mei- nung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische Themen und Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung: easy- bank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort Wien. www.behindertenrat.at 5
Neue Mitglieder Ausgabe 4/2018 Verein v-OHR-laut D er Verein v-OHR-laut hat einiges in Sachen Hörbarrierefrei- 2014 als Austauschgruppe heit erreicht werden. Ein großes begonnen. Schnell stellte sich Projekt von v-OHR-laut ist die heraus, dass ein großes Vakuum bei SchriftdolmetscherInnenausbildung. der Unterstützung von Menschen Da es in Westösterreich einen großen mit Hörbeeinträchtigungen in Tirol Mangel an geeigneten Schrift- herrscht. 2015 wurde der Verein dolmetscherInnen gab, wurde in gegründet und regelmäßige Aus- Kooperation mit dem BFI Innsbruck tauschtreffen wurden veranstaltet, ein Lehrgang konzipiert, der inzwi- um unter anderem Hilfestellung zu schen Standard in Österreich ist. Den leisten. Auch Vorträge, Ausflüge, Aufbaulehrgang absolvierten einige sonstige gemeinsame Unterneh- bereits tätige Dolmetscherinnnen mungen und natürlich Beratungen aus Österreich und Deutschland. Ins- Vorstand von v-OHR-laut Foto: v-OHR-laut werden angeboten. Es gibt auch gesamt schlossen 15 Teilnehmerinnen eine sehr aktive Familiengruppe von mit einem Diplom ab. Weiteres Pro- hörbeeinträchtigten bzw. gehörlo- jekt: demnächst wird ein neues und Verein v-OHR-laut sen Eltern und/oder Kindern. innovatives Off- und Online-Schrift- Interessenvertretung für Der Verein ist im Österreichischen dolmetschsystem gestartet. Obfrau schwerhörige Menschen Behindertenrat, Behindertenbeirat von v-OHR-laut ist Ariane Pischl, E-Mail: office@v-OHR-laut.at Innsbruck, in der NutzerInnenver- sie hat selbst eine Hörbehinderung, Hallerstraße 109/1 tretung Tirol und auch in anderen ebenso wie Kassier Mag. Andreas 6020 Innsbruck Gremien aktiv. Durch Interventionen Reinelt. Bernold Dörrer ist Schrift- www.v-OHR-laut.at und Schlichtungen konnte bereits führer und nutzt einen Rollstuhl. Erzherzog-Johann-Gesellschaft Initiativ für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen Leben eintraten. Auch heute noch Fachzeitschrift „behinderte men- ist es die Mission des Vereins zur schen“. Zudem bieten wir finanzi- Verwirklichung von Inklusion und elle und ideelle Unterstützung für Barrierefreiheit in allen Lebensberei- Studierende aller Fachbereiche an, chen beizutragen. Die Organisation welche sich im Rahmen ihrer Mas- D ie Erzherzog-Johann-Gesell- engagiert sich für eine Gesellschaft, terarbeit oder Dissertation mit der schaft – Initiativ für Kinder und in der Menschen mit Behinderungen Verbesserung der Lebensqualität Jugendliche mit Behinderungen auf einer rechtlich-politischen Ebene von Menschen mit Behinderungen entstand 2016 aus dem Zusammen- als gleichberechtigte, selbstbestimmte beschäftigen. schluss zweier gemeinnütziger Verei- Bürger*innen anerkannt werden. ne. Der Ursprungsverein Initiativ für Dazu werden inklusive Begegnungs- Erzherzog-Johann- Kinder und Jugendliche mit Behin- räume organisiert, in Form von Gesellschaft derungen entwickelte sich in den Veranstaltungen, Workshops und Initiativ für Kinder und 1970er Jahren aus dem Pioniergeist Aktionen, mit dem Ziel, das öffentli- Jugendliche mit Behinderungen couragierter Eltern von Kindern und che Bewusstsein für die Rechte von Alberstraße 8, 8010 Graz Jugendlichen mit Behinderungen, die Menschen mit Behinderungen und Tel: +43 316 327 936 11 für eine gleichberechtigte Teilhabe ihre Potentiale zu stärken. Außerdem E-Mail: initiativ@graz1.at ihrer Kinder am gesellschaftlichen ist Initiativ Mitherausgeber der www.initiativ.or.at 6 www.behindertenrat.at
Neue Mitglieder Ausgabe 4/2018 Selbsthilfe Polyneuropathie M ag. Franz Karl, Präsident der gründet. Im März 2018 wurde Mag. Österreichischen Selbsthilfe Franz Karl – vom Jörg Leiter (dama- Polyneuropathie, erinnert liger Präsident) gebeten – Präsident sich: „PNP – Polyneuropathie - ein dieses Vereins zu werden. 2016 Wort, das mir vor 2000 kaum zu wurde im Parlament eine Petition für Ohren gekommen ist. 2007 begann die Entwicklung eines Medikamentes es – unsicheres Gehen und Kribbeln gegen Polyneuropathie überreicht, in den Füßen. Nach einer Mus- die allerdings unbehandelt blieb kel- und Nervenbiopsie war meine und durch Auflösung des Nationalra- Diagnose klar; Polyneuropathie und tes „verfallen“ ist. Der Verein macht Mag. Franz Karl Foto: Privat Einschlusskörperchen-Myositis.“ Beratungsgespräche in Wien, NÖ und Ärzte sagen 30% der Polyneuropa- Salzburg, wo es auch Landesgruppen thie seien auf Alkoholismus, 30% gibt. Zu den gemeinsamen Aktivi- auf Diabetes und 30% auf Chemo- täten zählen Ausflüge, Feiern und therapie zurückzuführen, bei 10% Öffentlichkeitsarbeit. wisse man den Grund nicht - so auch bei Herrn Karl. Selbsthilfe Polyneuropathie Der Verein Österreichische Polyneu- www.selbsthilfe-polyneuropathie.at; E-Mail: polyneuropathie@gmx.at ropathie wurde im Oktober 2016 ge- Tel: 0664 159 4113; Lagerstraße 5/2/7, 2460 Bruck/Leitha www.behindertenrat.at 7
Geschichte Aktionstheater der AKN-Wien 1978, Aufführung in Innsbruck: Die Normalität tanzt und behinderte Menschen fallen. Foto: IBN 1978 100 Jahre Behindertenbewegung Österreich auf dem Weg zum Selbstbestimmten Leben Von Volker Schönwiese D ie Geschichte der Behinderten- Ähnliches. Alle anderen behinderten on in Kooperation mit ExpertInnen bewegung in Österreich ist bis- (wie ÄrztInnen, Sonderschullehre- her wenig aufgearbeitet. Viele rInnen). Die zentrale Forderung war historische Vorgänge sind unbekannt, „Arbeit nicht Mitleid“ und es ent- Erinnerung droht verloren zu gehen. stand eine gewisse Nähe zu den Ein Projekt zur Geschichte der Sozialdemokraten, die die Forderun- Behindertenbewegung mit einem gen der Arbeitsgemeinschaft im Schwerpunkt auf die Selbstbestimmt Parlament präsentierten. Angestrebt „Der Krüppel“ 1927-1938 Leben-Bewegung ist, von der Uni- wurde z.B. die Gleichstellung mit versität Salzburg finanziert, durch Personen waren nach dem Armen- Kriegsgeschädigten und ein rechtli- die digitale Bibliothek bidok.at an und Heimatrecht minimalst versorgt cher Anspruch auf Leistungen in der Universität Innsbruck durch- oder in Altenheimen, Versorgungs- einem Bundesgesetz, um der geführt worden. häusern oder Anstalten unterge- Armenfürsorge zu entkommen. Die bracht. Siegfried Braun, der 1913 Arbeitsgemeinschaft setzte auf Zwischenkriegszeit nach Wien zog und dort Unterstüt- Sonderschulen, Heime und Werk- Die Wurzeln der heutigen Bewegun- zung nur in einem „Siechenhaus“ für stätten, die als Bildungs- und gen von Personen mit Behinderungen sich finden konnte, war der wesent- Rehabilitationsorte verstanden sind in der Zeit nach dem Ersten liche Gründer der "Krüppelarbeitsge- wurden. Die Forderungen der Weltkrieg zu finden. Kriegsopfer hat- meinschaft / Vereinigung der Krüppelarbeitsgemeinschaft ließen ten noch während des ersten Körperbehinderten Österreichs“. Die sich in Österreich in seiner Entwick- Weltkriegs bestimmte Leistungen Gemeinschaft entwickelte sich in lung in Richtung Dollfuss-Regime/ erkämpft, Personen mit Arbeitsunfäl- den 20er- und 30er-Jahren des 20. Austrofaschismus nicht umsetzen. len oder -erkrankungen erreichten Jhd. zu einer Selbsthilfeorganisati- Die Krüppelarbeitsgemeinschaft 8 www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2018 gründete mehrere Werkstätten und sierens verdrängt. Neuer Ausgangs- Selbstbestimmt Leben auftrat. versuchte so, selbst Arbeit zu punkt war die BürgerInnenrechtsbe- Menschenrechtliche Perspektiven schaffen. 1938 passte sich die wegung behinderter Menschen in und Themen wurden in die politi- Arbeitsgemeinschaft widerstandslos den USA, die mit Demonstrationen, schen Debatten einer Gesellschaft den Nationalsozialisten an, in der Blockaden und Klagen für die eingeführt, die es bis dahin ge- letzten Nummer der eigenen Zeit- Schaffung von Voraussetzungen für wohnt war, behinderte Menschen schrift wurde dazu aufgerufen, für ein selbstbestimmtes Leben eintrat. als Objekte karitativer Fürsorge oder den „Anschluss“ zu wählen. Unter staatlicher Wohlfahrt zu betrachten. nationalsozialistischer Herrschaft Entmündigung, Isolation und Aus- wurde aus dem Kampf um Arbeit sonderung sollten nicht länger hin- eine Pflicht auf Leistung für die genommen werden. Bald wurde klar, „Volksgemeinschaft“, verbunden mit dass das Ziel, Kontrolle über das einem eugenischen Sterilisations-, eigene Leben zu erhalten, nicht nur Selektions- und Mordprogramm zur über politische Aktionen erreicht Auslöschung der weniger werden konnte. Einige Gruppen Leistungsfähigen. gründeten in dieser verzweifelten Situation Selbsthilfeorganisationen, Ab 1945 ähnlich wie nach dem Ersten Welt- Nach dem Zweiten Weltkrieg ent- krieg Selbsthilfegruppen TrägerInnen standen neben der Fortführung von Werkstätten wurden. traditionsreicher Selbsthilfeverbän- Die neu gegründeten Zentren für de (Zivilinvalidenverband, Blinden- Selbstbestimmtes Leben boten als verband, Gehörlosenverband) ab Demonstrationen 1974 Selbsthilfeorganisationen Peer den 1970er-Jahren an Menschen- Counselling und Persönliche rechten und Selbstbestimmung Kontrolle über Assistenz statt Pflege und Betreu- orientierte Selbsthilfebewegungen. eigenes Leben ung an. Vielfach gab und gibt es Sie wandten sich vom traditionellen Aus der politischen Stimmung der die Kooperation aller Organisati- Wohlfahrtsmodell ab, forderten 1968er-Bewegung begann sich auch onen der Behindertenbewegung umfassende Gleichstellung und im deutschsprachigen Raum eine zur Durchsetzung von politischen protestierten gegen Diskriminierung kleinteilige Graswurzelbewegung Reformen, im Gegensatz zur Zwi- und Aussonderung. Sie gründeten von Personen mit Behinderungen schenkriegszeit gab es auch Erfolge. Zentren für Selbstbestimmtes Leben und ihrer Verbündeter zu entwickeln, In den 1990er-Jahren wurden viele und entwickelten eine Praxis von die erst in den 1980er-Jahren als Reformen in Angriff genommen, wie Peer Counselling und Persönlicher Assistenz. Diese neuen Behinderten- bewegungen hatten und haben starken Einfluss auf den Paradig- menwechsel in Behindertenpolitik und Behindertenhilfe, wie er sich in der von der internationalen Selbst- bestimmt Leben Bewegung initiier- ten UN-Behindertenrechtskonventi- on (2006) wiederspiegelt. Diesen neuen Gruppen war die Tradition der Selbsthilfe in der Zwischenkriegszeit völlig unbe- kannt, die Zwischenkriegszeit und die Zeit des Nationalsozialismus waren unter dem allgemeinen Mahnwache vor Stephansdom Schleier des Schweigens und Tabui- Brozek (Wien), Schleser (Sbg), Schönwiese (Ibk) Foto: Riess 1991 www.behindertenrat.at 9
Pflege die schulische Integration, Pflege- schenrechtlich richtige Richtung, dem Zurückdrehen dieser Errungen- geldreform, Reform des Entmünd- wurden allerdings in der Folge poli- schaften orientiert und wenig an igungsrechtes in Richtung Sachwal- tisch weder konsequent umgesetzt Umgestaltung in Richtung menschen- terschaft, Unterbringungsgesetz noch weiterentwickelt. rechtlicher Standards. und die Verfassungsreform. All diese Alle Regierungen ab Ende der Initiativen verweisen in eine men- 1990er waren an Stagnation oder Durch die Tätigkeit der Behinder- tenbewegung über 100 Jahre im Rahmen eines historischen Wandels ist eine enorme Reform-Dynamik in Gang gesetzt worden, deren Höhepunkt die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2006 war. Die Kämpfe um die Umsetzung und Sicherung von Menschenrechten dauern allerdings bis heute an. Weitere Infos Zeitleiste, Archiv, Interviews bidok.uibk.ac.at/projekte/ behindertenbewegung Demonstration 2010 „Persönliche Assistenz für Alle“ Linz Foto: Karoliny Angehörigenpflege in Österreich Situation pflegender Angehöriger von Menschen mit Behinderung Von Martina Koller, Franz Kolland, Martin Nagl-Cupal I m Auftrag des Sozialministeriums wurde an der Univer- sität Wien bis Mai 2018 eine Studie über die Situation pflegender Angehöriger in Österreich durchgeführt. Ziel war es, ein möglichst umfassendes Bild dieser Perso- nengruppe zu zeichnen. In einem qualitativen Studienteil wurden Interviews mit Angehörigen geführt, um zu analysieren, wie Pflege- und Betreuungsnetzwerke entstehen und aufrechterhalten werden. In einem quantitativen Studienteil wurden mittels Fragebögen über 3.000 pflegende Angehörige von BezieherInnen von Pflegegeld befragt. Es handelt sich dabei sowohl um Angehörige von Menschen, die zu Hause Foto: Andi Weiland/Gesellschaftsbilder.de leben, als auch von Menschen, die in einer Einrichtung betreut werden. leben, gelegt werden. Dies entspricht in der Befragung 350 Personen. In der folgenden Kurzdarstellung soll der Fokus auf pflegende Angehörige von Menschen mit „angeborenen Wer sind die Menschen, die zu Hause pflegen/betreuen? Erkrankungen bzw. Fehlbildungen“ bzw. „mit einer geis- Es handelt sich dabei zu fast drei Viertel um Eltern, nur tigen Behinderung seit der Geburt oder dem Kindesalter“ ein sehr geringer Prozentsatz sind Partnerinnen bzw. Part- (so die Bezeichnungen im Fragebogen), die zu Hause ner oder Geschwister. Außerdem sind über 80 % dieser 10 www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2018 Angehörigen weiblich, was darauf schließen lässt, dass Welche positiven Aspekte bringt die Pflege/Betreuung es sich hauptsächlich um Mütter handelt, die Personen mit sich? mit Behinderungen pflegen. Im Schnitt sind pflegende Angehörige assoziieren mit der Pflege und Betreuung Angehörige in dieser Gruppe 54 Jahre alt, also tendenziell eine Reihe positiver Aspekte. Am stärksten dabei ist die etwas jünger als es pflegende Angehörige in der Gesamt- intensive Beziehung zur gepflegten Person. Diese ist bei studie sind. Nur rund 37 % der Befragten sind Voll- oder Angehörigen von Menschen mit Behinderungen noch Teilzeit erwerbstätig, ein nicht unwesentlicher Anteil von stärker vorhanden als bei Angehörigen im Allgemeinen, 19 % ist im Haushalt tätig, 33 % der befragten Personen genauso wie das Gefühl, sich durch die Pflege und Betreu- sind pensioniert. ung persönlich weiterentwickeln zu können. Ähnlich stark wie in der Gesamtgruppe der Angehörigen fällt die Zustim- Wie kann die Gruppe der betreuten Personen mung dazu aus, dass sie sich gebraucht fühlen. charakterisiert werden? Die betreuten Personen sind zu einem Großteil Minder- Mit welchen negativen Aspekten sind pflegende jährige oder junge Erwachsene, über die Hälfte sind maxi- Angehörige konfrontiert? mal 30 Jahre alt. Meist sind es Kinder der befragten, pfle- Angehörigenpflege wird aber auch mit negativen Aus- genden Angehörigen. Die meisten gepflegten Menschen wirkungen assoziiert. Die am stärksten wahrgenommenen mit Behinderungen haben eine Pflegegeldstufe zwischen Auswirkungen sind „sich Sorgen machen“, das Gefühl, 3 und 5 (39 %), ein sehr hoher Prozentsatz befindet sich „dass alles zu viel wird“ bzw. das Gefühl „alleine gelassen“ aber auch in den Stufen 6 bis 7 (35 %), welche den größ- zu sein. Dies trifft bei Angehörigen von Menschen mit ten Betreuungsaufwand mit sich bringen. Im Vergleich zur Behinderungen tendenziell noch stärker zu, als bei Ange- Gesamtheit, der im Rahmen der Studie erfassten, betreu- hörigen im Allgemeinen. ten Personen, haben Menschen mit einer Behinderung Im Vergleich mit der Gesamtheit der pflegenden An- deutlich höhere Pflegegeldstufen. gehörigen in Österreich zeigt sich, dass sich pflegende Angehörige von Menschen mit Behinderungen allgemein Was sind Motive für die Übernahme von stärker belastet fühlen. Die Befragung belegt, dass es Pflege-/Betreuungsaufgaben? für Angehörige, die einen Menschen mit Behinderungen Der absolut größte Teil von rund drei Viertel der Befragten pflegen bzw. betreuen am häufigsten die zeitlichen und sieht die Übernahme der Pflege als selbstverständlich an. die psychischen Belastungen sind, die als besonders stark Rund 50 % empfindet aber auch eine Verpflichtung ge- empfunden werden. Aber auch die körperliche Belastung genüber der pflegebedürftigen Person. Ein Beweggrund, und der Stress werden von jeweils mehr als der Hälfte der der zwar auch bei pflegenden Angehörigen generell eine Angehörigen als (sehr) stark wahrgenommen. Die finanzi- hohe Relevanz hat, aber für Angehörige von Menschen mit elle Belastung ist zwar aus Sicht der Angehörigen weniger Behinderungen noch deutlich wichtiger ist, ist die starke stark ausgeprägt als die anderen Belastungsarten, wird emotionale Verbindung zur gepflegten Person. aber dennoch von fast der Hälfte als (sehr) stark gesehen. Wie gehen pflegende Angehörige mit der Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Gruppe Pflege-/Betreuungssituation um? der pflegenden Angehörigen von Menschen mit Behin- Die Analyse zeigt, dass ein großer Teil der Angehörigen derungen in vielen Aspekten pflegenden Angehörigen im von Menschen mit Behinderungen die Situation so akzep- Allgemeinen sehr ähnlich ist. Dennoch zeigt sich anhand tiert und das Gefühl hat, die Situation „im Griff“ zu haben. der dargestellten Aspekte, dass es sich um eine Gruppe Außerdem können weniger als die Hälfte außerhalb der handelt, für die die Pflege bzw. Betreuung belastender Betreuung abschalten und es bleibt nur rund einem Drittel ist als für pflegende Angehörige im Allgemeinen. Deshalb genügend Zeit für sich selbst. Die Studienergebnisse sollte das Augenmerk darauf gelegt werden, wie pflegende zeigen aber auch sehr deutlich, dass die sozialen Res- Angehörige von Menschen mit Behinderungen in beson- sourcen von pflegenden Angehörigen sehr gut ausgeprägt derer Weise unterstützt werden können. sind. Dies bezieht sich vor allem auf die Familie, die stark als emotionaler Rückhalt gesehen wird. Auch der Rück- halt durch Freundinnen beziehungsweise Freunde wird Weitere Infos von vielen der pflegenden Angehörigen als eine wichtige broschuerenservice.sozialministerium.at Ressource angesehen. www.behindertenrat.at 11
Beihilfen Ausgabe 4/2018 Update: Erhöhte Familienbeihilfe Wesentliche Änderungsvorschläge wurden übernommen Von Bernhard Bruckner O hne Vorwarnung wurde Men- schen mit Behinderungen im Sommer 2018 die erhöhte Familienbeihilfe gestrichen. Hinter- grund sind zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 2013 und 2016. Umgehend wurde von der zuständi- gen Ministerin Bogner-Strauß eine Gesetzesreparatur angekündigt, mit dem Ziel den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen und den Eigenbezug von erhöhter Familien- beihilfe von Menschen mit Behinde- rungen wieder zu ermöglichen. Die Gesetzesänderung wurde von den Regierungsparteien mittels In- Foto: Andi Weiland / Gesellschaftsbilder.de itiativantrag, und damit ohne öf- fentliche Begutachtung, im Parla- Organisationen von der ÖVP zu einem nicht dazu führen, dass Menschen ment eingebracht. Mit dem Geset- Gespräch mit VertreterInnen aller mit Behinderungen den Anspruch auf zestext des Initiativantrags wurde Parteien eingeladen. Bei dem Ge- erhöhte Familienbeihilfe verlieren. festgelegt, dass Personen nur dann spräch konnten die Kritikpunkte zum Weiters wurde gefordert, dass das keinen Anspruch auf die (erhöhte) Initiativantrag aufgezeigt werden. Taschengeld, das Menschen mit Familienbeihilfe haben, wenn deren Daraufhin wurde den Interessenver- Behinderungen für ihre Beschäf- Lebensunterhalt zur Gänze aus öf- tretungen von Menschen mit Behin- tigung in Werkstätten erhalten, fentlichen Mitteln getragen wird. derungen versichert, dass sie in die als eigener Beitrag zum Unterhalt Erarbeitung des Einführungserlasses gewertet wird, damit diese Personen Reparatur fehlgeschlagen an die Finanzämter zur Neurege- Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe Die gesetzliche Klarstellung in lung der erhöhten Familienbeihilfe haben. Abschließend wurde gefordert, diesem Punkt wurde von Behin- eingebunden werden. Des Weiteren dass es keinesfalls zu einer Rückfor- dertenorganisationen begrüßt. Da wurde ein regelmäßiges Monitoring derung bereits ausbezahlter erhöhter jedoch nebenbei auch einige neue über die Entwicklung der Anzahl von Familienbeihilfen kommen darf. Bestimmungen eingefügt wurden, Bezieher und Bezieherinnen erhöh- konnte man damals von keiner wirk- ter Familienbeihilfe zugesagt. Größte Härten beseitigt lich Reparatur sprechen. Aufgrund Die wesentlichen Änderungsvor- der unpräzisen Formulierung drohte Stellungnahme schläge der Interessenvertretungen sogar eine Verschlechterung für Behindertenrat von Menschen mit Behinderungen Menschen mit Behinderungen. In seiner Stellungnahme zum Entwurf wurden in den Erlass übernommen des Einführungserlasses forderte und damit jedenfalls die größten Einbindung und Monitoring der Österreichische Behindertenrat Härten für Menschen mit Behinde- Nach einem gemeinsamen medialen insbesondere, dass die Definition von rungen beseitigt. Ob damit wirklich Aufschrei vieler Interessenvertre- „eigenständiger Haushaltsführung“ eine vollständige Reparatur des tungen von Menschen mit Behinde- an die Lebensrealität von Menschen Familienlastenausgleichsgesetzes rungen wurden der Österreichische mit Behinderungen anzupassen ist. gelungen ist, wird erst das beglei- Behindertenrat und andere Unterstützungsleistungen dürfen tende Monitoring zeigen. 12 www.behindertenrat.at
Monitoringausschuss Ausgabe 4/2018 Kinder und Jugendliche Öffentliche Sitzung von Tiroler- und Bundesmonitoringausschuss Von Hannah Wahl ab Jänner 2019 monatlich treffen wird. Im Mittelpunkt stehen an diesem Tag auch personell die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen, die sich aktiv und engagiert an den verschiedenen Thementischen einbrin- gen und von ihren Erfahrungen erzählen. So berichten sie beispielsweise von der Schwierigkeit, nach der Schule eine Arbeitsstelle zu finden. Physische Barrieren machen es für viele am Land besonders schwer an den (Aus)bildungsort Öffentliche Sitzung in Innsbruck Foto: Monitoringausschuss Hannah Wahl zu gelangen. Aber auch mit sozialen Barrieren kämpfen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. A m 27. November 2018 fand die erste gemeinsame öffentliche Sitzung des Tiroler Monitoringausschusses Ein Highlight war die Präsentation der Tiroler Jugend- und des Bundesmonitoringausschusses in Inns- gruppe, die ihren Film „Unsere Rechte“ erstmals der bruck statt. Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Öffentlichkeit vorführte. Begleitet wurde das durch den diskutierten über die Lebensrealitäten von Kindern und Landesschulrat sowie die Kinder- und Jugendanwaltschaft Jugendlichen mit Behinderungen. unterstützte Projekt von Sozialwissenschafterin Petra Kinder und Jugendliche mit Behinderungen beschäftigen Flieger, die gegenüber der Tiroler Tageszeitung feststellt: dieselben Themen wie Kinder und Jugendliche ohne „Bei der Suche nach Lösungen müssen Betroffene mitein- Behinderungen: (Aus)Bildung und Beruf, Liebe und bezogen werden. Sie wollen für sich sprechen!“ Sexualität, alleine wohnen und viele weitere. „Oft wird Die Ergebnisse des partizipativen Prozesses bilden die die Stimme von Kindern und Jugendlichen noch weniger Essenz für eine gemeinsame Stellungnahme vom Tiroler gehört, als die von Erwachsenen“, gibt Erich Girlek vom Monitoringausschuss und dem Unabhängigen Monitoring- Unabhängigen Monitoringausschuss zu bedenken. ausschuss des Bundes. Jeder, der nicht teilnehmen konnte, Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Tirol hat noch einen Monat Zeit, um darauf schriftlich Stellung gibt es aus diesem Grund eine Jugendgruppe, die sich zu nehmen. Menschenrechte 10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention Von Heidemarie Egger E s gibt ja schon Menschenrechte, UN-BRK die Leitlinie vor. Aufgrund wenn sie an etwas teilhaben dürfen wozu eigentlich so eine „Extra“ der Komplexität des Themas Behin- und auch mal akzeptieren, wenn Sammlung von Rechten von derung sind sich auch die Interessen- etwas nicht geht. Warum pochen alle Menschen mit Behinderungen? Weil vertretungen nicht immer über den immer darauf und thematisieren, wie das Thema Behinderung kompliziert, richtigen Weg einig. Die UN-BRK setzt lange die UN-BRK schon in Kraft ist vielfältig und individuell ist. Vieles den Rahmen und schützt davor, sich in Österreich? Weil Rechte zu haben, was gut gemeint ist, kann schnell in immer wieder in Grundsatzdiskussio- nichts ist, worum man betteln müssen die falsche Richtung führen. nen zu verlieren. sollte und wofür man dankbar sein sollte. Die UN-BRK ist ein Vertrag Die Sicht auf das Leben mit Behin- Vielen Menschen mit Behinderungen darüber, dass alle teilhaben sollen derungen entwickelt sich stetig und sind ihre Rechte nicht bewusst. Sie und bietet Wegbeschreibungen und es wird immer normaler ein Leben bekommen von klein an gesagt, sie Spielregeln, was das genau heißt. Die mit Behinderungen zu führen. Nicht sollen doch zufrieden sein, wenn man Umsetzung des Vertrages wird geprüft zuletzt gibt für diese Entwicklung die sich um sie kümmert, dankbar sein, und auch eingemahnt. www.behindertenrat.at 13
Projekt Ausgabe 4/2018 Inklusives Wohnen in Europa Personenzentriertes Arbeiten: Projekt TOPHOUSE Von Wolfgang Bamberg Denn eine Bestandsaufnahme zeigt, dass in vielen Fällen die bisherigen Wohnvergabe- und Bedarfserhebungs- systeme nicht ausreichend geeignet sind. Die aktuellen und komplexer werdenden Anforderungen der Nutzer und Nutzerinnen werden nicht ausreichend berücksichtigt. Unter der Koordination der Essl-Stiftung und EASPD, dem europäischen Dachverband für soziale Dienstleis- tungsorganisationen, sind die Organisationen Jugend am Werk (Österreich), Homeless Link (England), Irish Council for Social Housing (Irland), ASPA Foundation (Finnland) und Support (Spanien) Projektpartner. Wohngemeinschaft Engerthstraße Im Projekt TOPHOUSE wird eine Studie zu Best-Practice- Foto: Kollektiv Fischka/fischka.com Beispielen im Bereich des inklusiven Wohnens und der Unterstützungsysteme erarbeitet. Es wird ein Überblick I m europäischen Partnerschaftsprojekt TOPHOUSE über bestehende Praktiken auf europäischer Ebene stehen die Stärkung der Kompetenzen von Mit- entstehen. Außerdem werden konkrete Handlungsemp- arbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bereichen fehlungen zu den Themen: Erhebung der individuellen Beratung, Assessment und Unterstützungsleistungen im Bedürfnisse und Rechte, individuelle Wohnungsvergabe, Vordergrund. Sie erweitern ihr Wissen, um Personen mit Bedarfserhebung für Unterstützungsleistungen und Unterstützungsbedarf personenzentriert zu beraten und Entwicklung einer bereichsübergreifenden Zusammenar- zu begleiten. beit erarbeitet. Als weiteres Ergebnis ist die Entwicklung eines Lehrgangs beziehungsweise von Weiterbildungs- Ziel des im Rahmen von Erasmus+ geförderten Projekts modulen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den TOPHOUSE (TOPHOUSE steht für „Towards Person Centred Bereichen Beratung, Assessment und Unterstützung ge- Housing and Support in Europe“) ist es, personenzen- plant sowie die Zusammenstellung konkreter Methoden triertes Arbeiten in die tägliche Praxis von Organisa- zur Umsetzung von personenzentrierter Unterstützung. tionen, Ämtern und Behörden sowie Fördergebern zu integrieren. Vor diesem Hintergrund werden bestehende Jugend am Werk wird Mitte des Jahres 2019 eine Infor- Systeme für die Vergabe und die Bedarfserhebung für mationsveranstaltung über das Projekt und dessen bis- Wohnangebote hinterfragt, beziehungsweise neu defi- herige Ergebnisse veranstalten. Interessierte Personen niert. Ausgangpunkt für den Start dieses Projekts sind können sich bereits jetzt dafür anmelden. die Fortschritte in der Sozialpolitik, die auch zu einer gesteigerten Nachfrage und Bedarf an sozialem Woh- nungsbau geführt haben. Projekt TOPHOUSE Information/Anmeldung Informationsveranstaltung: Das Projekt TOPHOUSE dauert von Dezember 2017 bis Daniela Erber: daniela.erber@jaw.at Dezember 2019. Es soll erreicht werden, dass die Kompe- tenzen von Fachkräften im Bereich der Bedarfserhebung für Wohnangebote sowie in der Unterstützung definiert und ihre Fähigkeiten gestärkt werden. Entscheidend sind dabei die Menschenrechte und die Bedürfnisse von ausgrenzungsgefährdeten Personen, insbesondere von Personen mit einer Behinderung. 14 www.behindertenrat.at
International Ausgabe 4/2018 Inklusive Freiwilligeneinsätze Lasst Euch von niemandem sagen, ihr könnt das nicht machen! Von Kristofer Lengert E ine Zeit lang im Ausland leben, eine andere Kultur kennenlernen, in einem sozialen Projekt mitar- beiten – diesen Wunsch haben viele. Lange Zeit waren internationale Freiwilligendienste aber nicht inklusiv ausgerichtet. Das zu ändern, daran arbeitet die Servicestelle WeltWeg- Weiser. Mit Erfolg. WeltWegWeiser ist eine Servicestelle für internationale Freiwilligeneinsät- ze, angesiedelt bei Jugend Eine Welt. Sie berät Interessierte bei der Suche Erwin Buchberger im Einsatz an einer Schule in Lettland Foto: WeltWegWeiser nach Möglichkeiten für sinnstiftendes Engagement in Ländern des Globalen Schule: „Ich bin Pfadfinder. Dass ich Behinderungen, Lernschwierigkeiten, Südens. Im Jahr 2017 wurde hier ein einen Rollstuhl verwende und im Diabetes, Epilepsie und psychischen Pilotprojekt zur Förderung von Inklu- Alltag persönliche Assistenz brauche, Vorerkrankungen gefördert. Aber sion ins Leben gerufen. hat mich nicht daran gehindert, mich auch Menschen mit ganz anderen dieser Herausforderung zu stellen. Behinderungen sind herzlich Gemeinsam mit dem Verein Grenzen- Das war eine gute Erfahrung und sehr willkommen. los und der Organisation Internatio- gut für mein Selbstvertrauen.“ nale Freiwilligeneinsätze machte sich Inklusive Freiwilligeneinsätze ermög- WeltWegWeiser daran, die Rahmen- Heute arbeitet Buchberger bei Welt- lichen nicht nur für die Freiwilligen bedingungen für Freiwilligeneinsätze WegWeiser, um andere Menschen mit selbst prägende Lebenserfahrungen. für Menschen mit Behinderungen zu Behinderungen zu unterstützen, ähn- Sie haben auch eine entwicklungs- verbessern. Eineinhalb Jahre später liche Erfahrungen machen zu können: politische Dimension: Freiwillige mit haben neun Entsendeorganisationen „Wir beraten zu den Möglichkeiten Behinderungen können vor Ort eine im WeltWegWeiser-Netzwerk inklusive eines Freiwilligeneinsatzes. Dabei Vorbildfunktion haben. So können Programme. Sie bieten vielfältige schauen wir uns an, was eine Person sie dazu beitragen, die Rechte von Möglichkeiten freiwilligen Engage- machen möchte, was sie kann, was Menschen mit Behinderungen auf ments in Afrika, Asien und Latein- ihre Stärken sind. Außerdem fragen globaler Ebene zu stärken. amerika von Kinderbetreuung über wir nach, was eine Person braucht, Peer-to-Peer-Beratung bis hin zu damit der Einsatz gut gelingen kann: handwerklichen Tätigkeiten für Men- Braucht sie Unterstützung oder eine schen mit und ohne Behinderungen. barrierefreie Unterkunft? Dann helfen wir bei der Organisation und Finan- Weitere Infos Ein Auslandseinsatz ist eine wichtige zierung solcher Bedarfe.“ WeltWegWeiser - Lernerfahrung, welche das Leben in Servicestelle für internationale positiver Weise nachhaltig verändern Ziel ist es, niemanden aufgrund einer Freiwilligeneinsätze kann. Erwin Buchberger war vor Jah- Behinderung von einem Freiwilligen- Tel. +43 664 621 7044 ren selbst als Freiwilliger im Ausland. dienst in einem anderen Land aus- Erwin.Buchberger@ In Lettland unterstützte er den Un- zuschließen. So wurden im Rahmen jugendeinewelt.at terricht und die Nachmittagsbetreu- des Pilotprojekts bereits Einsätze www.weltwegweiser.at ung von Kindern einer integrativen von Freiwilligen mit körperlichen www.behindertenrat.at 15
International Österreich und die Europäische Union Aus „einfach informiert“ E uropa besteht aus 50 Staaten. 28 dieser europäischen Staaten arbeiten eng zusammen. Das ist die Europäische Union (kurz: EU). Alle Mitglieder haben gemeinsame Ziele. Zu den Zielen der Europäischen Union gehört es zum Beispiel, den Frieden in Europa zu sichern. Und es soll keine Grenzen zwischen den einzelnen Ländern geben. Man soll Waren in alle Länder der EU verkaufen können. Und ganz wichtig ist eine gemeinsame Währung. In 19 Ländern der EU kann man mit dem Euro bezahlen. EU Staaten in Europa Foto: Lebenshilfe Bremen Das war der Anfang Vor etwas mehr als 60 Jahren haben sechs europäische Staaten beschlossen, in wirtschaftlichen Angelegenheiten enger zusammen zu arbeiten. Dadurch sollten auch Kriege zwischen den Ländern verhindert werden. Und die Zusammen-Arbeit sollte mehr Wohlstand für die Bürger bringen. Den Vertrag für die Zusammen-Arbeit haben damals die Länder Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Deutschland unterschrieben. Viele andere Länder sind später noch dazu gekommen. Österreich gehört zur EU Im Jahr 1992 hat man einen neuen Vertrag gemacht und die Europäische Union gegründet. Österreich gehört seit dem Jahr 1995 zur EU. In der EU gibt es eine enge politische Zusammen-Arbeit für die Wirtschaft und für die Sicherheit. Aber auch für die Rechte der Bürger. Bürger aus der EU dürfen zum Beispiel ganz einfach in alle Länder der EU reisen und dort auch arbeiten. Die Europäische Kommission Die Regierung von der EU heißt Europäische Kommission. Der Regierungs-Sitz ist in Brüssel. Brüssel ist die Hauptstadt vom Land Belgien. 16 www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2018 Die Mitglieder der EU-Regierung heißen Kommissare. Jeder Kommissar kümmert sich um ein bestimmtes Thema. Wichtige Themen sind zum Beispiel Bildung oder Klimaschutz. Es gibt noch sehr viele wichtige Themen. Gemeinsame Gesetze für die EU Im Rat der Europäischen Union kommen die Minister aus allen EU-Ländern zusammen. Sie diskutieren, ändern und beschließen Gesetze gemeinsam mit dem Europäischen Parlament. Der Sitz des Europäischen Parlaments ist in Straßburg. Straßburg ist eine Stadt in Frankreich. Der Rats-Vorsitz Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union wechselt alle 6 Monate. Wer den Vorsitz hat, leitet die Besprechungen. Am 1. Juli 2018 hat Österreich den Vorsitz übernommen. Das nennt man auch EU-Rats-Präsidentschaft. Sie dauerte bis zum 31. Dezember 2018. Und es hat zusätzliche Aufgaben und Pflichten für Österreich bei der Mitarbeit in der EU gegeben. Österreichische EU-Präsidentschaft Im Rat treffen sich die Regierungs-Chefs und Minister der 28 Mitglieder-Länder. Sie beraten über wichtige politische und wirtschaftliche Themen. Österreich hatte folgende Schwerpunkte für die Beratungen festgesetzt: • Migration, das ist die Zuwanderung von Flüchtlingen • EU-Budget, das ist die Planung von Einnahmen und Ausgaben • Brexit, dabei geht es um den Austritt von Großbritannien aus der EU • Sicherheit und noch vieles mehr Rumänien übernimmt den Vorsitz im EU-Rat Ab 1. Jänner 2019 wurde der Vorsitz im EU-Rat von Rumänien übernommen. Rumänien ist ein Land in Ost-Europa. Die Hauptstadt heißt Bukarest. Rumänien ist ungefähr 3 Mal so groß wie Österreich. In Rumänien leben sehr viele Menschen in großer Armut. Besonders am Land. In den großen Städten ist es etwas besser. Hier verdienen die Leute auch etwas mehr. Sie bekommen für ihre Arbeit aber immer noch viel weniger Geld als die Menschen in Österreich. „einfach informiert - Meine leicht verständliche Zeitung“ ist für alle Menschen gedacht, die schwierige Sprache nicht gut verstehen. Die Zeitung kann man abonnieren: office@einfach-informiert.at Tel: 0676 37 33 918 | www.einfach-informiert.at www.behindertenrat.at 17
International Ministerin Hartinger-Klein mit Behindertenratspräsident Pichler Alle Fotos: Harald Lachner Internationale Strategien für einen inklusiven Arbeitsmarkt Wirkung der Maßnahmen im europäischen Vergleich Von Heidemarie Egger S eit 10 Jahren ist nunmehr die Soziales, Gesundheit und Konsumen- UN-Behindertenrechtskonven- tenschutz, European Association of tion in Österreich in Kraft. Dies Service Providers for Persons with wurde zum Anlass genommen, das Disabilities, European Platform for Recht auf Arbeit für Menschen mit Rehabilitation, European Union of Behinderungen, laut Artikel 27 der Supported Employment. Konvention, in den Fokus zu nehmen und eine Zusammenkunft von Exper- Europäische Expertise tinnen und Experten aus ganz Europa Ziel der Konferenz war es, Strategien zu organisieren. Am 27.09.2018 und Wissen aus ganz Europa zusam- tauschten sich mehr als 250 Teilneh- menzutragen, mit Expertinnen und merinnen und Teilnehmer aus ganz Experten zu reflektieren und eine Europa zur Umsetzung des Rechts auf gemeinsame Deklaration zu erarbei- Arbeit aus. ten. Die Deklaration wird Maßnah- men beinhalten, um allen Menschen Die Konferenz „Arbeit für Alle – Em- mit Behinderungen die Teilhabe am ployment for All“ wurde veranstaltet Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Konkret von: Dachverband berufliche Integra- wurden folgende Themengebiete zur tion - dabei-austria, Österreichischer Umsetzung des Rechts auf Arbeit für Behindertenrat, ÖGB Chancen-Nutzen Menschen mit Behinderungen in Büro, Bundesministerium für Arbeit, Österreich, Belgien, Deutschland, Christy Lynch (Irland) 18 www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2018 Konferenz "Arbeit für Alle" im ÖGB Catamaran Frankreich, Irland, Slowakei und • Wirkung von Initiativen Arbeitsmarkt teilhaben zu lassen. Spanien behandelt: • Empfehlungen für spezifische „Wissen und Erfahrungen aus ganz Maßnahmen Europa zeigen, was funktioniert und • statistische Daten zur Beschäf- was nicht funktioniert, um Menschen tigungssituation von Menschen mit Behinderungen Teilhabe am mit Behinderungen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Durch die Konferenz ‚Arbeit für Alle – Em- Ein großer Wissens- und Erfahrungs- ployment for All‘ und der im Entste- pool entstand durch die Konferenz hen begriffenen ‚Wiener Deklaration‘ ‚Arbeit für Alle – Employment for All‘ nutzen wir dieses Wissen und ermög- in Wien. Mit dem Blick auf erfolg- lichen allen europäischen Staaten, reiche europäische Strategien und davon zu profitieren. So wird Öster- Maßnahmen für die Umsetzung reich seiner Rolle in der EU-Ratsprä- des Rechts auf Arbeit für Menschen sidentschaft vorbildlich gerecht“, so mit Behinderungen wurde an einer Markus Neuherz, Geschäftsführer des gemeinsamen Deklaration gearbeitet. Dachverband berufliche Integration „Damit stellen wir dieses Wissen den Austria (dabei-austria). europäischen und den österreichi- schen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern zur Verfügung“, so Herbert Pichler, Präsident des Herbert Pichler Österreichischen Behindertenrates. • Strategien zur Umsetzung des Wiener Deklaration Artikel 27 der UN-BRK Die Konferenz war einer der ersten Weitere Infos (Recht auf Arbeit) Schritte hin zu einer gemeinsamen Deklaration in Kürze online auf • Zugang zu Arbeit nach der Deklaration mit Maßnahmen, um alle www.dabei-austria.at Schulbildung Menschen mit Behinderungen am www.behindertenrat.at 19
International Ausgabe 4/2018 Fragen an Österreich List of issues des UN BRK-Komitee Von Gudrun Eigelsreiter und Bernhard Bruckner W ie in der letzten Ausgabe des Monats berichtet, reiste die österreichische Zivilgesell- schaft anlässlich des 2. Staaten- prüfungsverfahrens nach Genf, um dem Komitee die Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich zu schildern und ihre Fra- gen zu beantworten. Daraufhin hat das Komitee die sogenannte „list of issues“ beschlossen. Dies ist ein Fragenkatalog zum Stand der Um- Zivilgesellschaft in Genf Foto: EDF setzung der UN Behindertenrechts- konvention. Der Staat Österreich Maßnahmen zur Verfügung, die ge- über Maßnahmen zur Förderung des hat nun bis Herbst 2019 Zeit, diese troffen wurden, um die Aufhebung Übertritts von Menschen mit Behin- Fragen zu beantworten. Dabei wur- der Rechte von Kindern mit Behin- derungen aus geschützten Arbeits- den die wichtigsten vorgebrachten derungen zu verhindern. plätzen in den offenen Arbeitsmarkt Punkte berücksichtigt. Dem Staat an. Bitte geben Sie außerdem an, Österreich werden unter anderem Kein inklusives Bildungs- welche Maßnahmen zur sozialver- folgende Fragen gestellt: system (Art.24) sicherungsrechtlichen Absicherung Bitte stellen Sie Informationen über für die oben genannten Personen Kein Paradigmenwechsel getroffene wirksame Maßnahmen getroffen wurden […]. vom medizinischen Modell zur Verfügung, die sicherstellen, zum menschenrechtsbasier- dass ein angemessenes Ausmaß an Mangelnde Barrierefreiheit ten Ansatz (Art.1-4) Geldmitteln bereitgestellt wird, um (Art.9) Bitte geben Sie an, welche Maßnah- Kindern mit Behinderungen auf der Bitte geben Sie an, ob alle öffent- men ergriffen wurden, um sicher- Grundlage der individuellen Erfor- lichen Dienstleistungen, insbeson- zustellen, dass die Einschätzung dernisse des Schülers/der Schülerin dere Bildungs-, Gesundheits- und von Behinderungen dem im Über- angemessene Vorkehrungen zu bie- Sozialdienste, sowie alle Dienst- einkommen vorgesehen Menschen- ten; Bereitstellung von Unterstüt- leistungen für KundInnen auf der rechtsmodell von Behinderung und zung für SchülerInnen mit Behinde- Ebene des Bundes, der Länder und insbesondere Artikel 4.3. entspricht. rungen im Rahmen des allgemeinen der Gemeinden gänzlich barrierefrei Bildungssystems; […]. im Einklang mit den Rechtsvorschrif- Mehrfachdiskriminierung ten des Vertragsstaates und den von Frauen und Kindern mit Kein inklusives Arbeits- abschließenden Bemerkungen des Behinderungen system (Art.27) Ausschusses gemacht worden sind. Frauen mit Behinderungen (Art.6): Bitte stellen Sie Informationen zur Bitte machen Sie Angaben zu den Verfügung, welche Maßnahmen Mangelnde Rahmenbedin- von Bund und Ländern ergriffenen getroffen wurden, um Programme gungen für selbstbestimm- Maßnahmen, um Frauen mit Behin- für die Beschäftigung von Men- tes Leben (Art.19) derungen zu stärken, einschließlich schen mit Behinderungen auf dem Bitte geben Sie die Anzahl der Maßnahmen zur Bereitstellung ziel- offenen Arbeitsmarkt zu fördern Wohnheime für Menschen mit gruppenspezifischer und barrierefrei und um das geschlechtsspezifische Behinderungen im Vertragsstaat an, zugänglicher Dienstleistungen. Beschäftigungsungleichgewicht und aufgeschlüsselt nach der Anzahl der Kinder mit Behinderungen (Art.7): Lohngefälle zu verringern. Bitte Bewohnerinnen und Bewohner in Bitte stellen sie Informationen über geben Sie spezifische Informationen jedem dieser Häuser. 20 www.behindertenrat.at
International Ausgabe 4/2018 Europa zu Gast in Wien Vorstandssitzung des Europäischen Behindertenforums Von Gudrun Eigelsreiter mit Behinderungen an Wahlen teilnehmen können. Um politische EntscheidungsträgerInnen und die Gesellschaft dahingehend zu sensibi- lisieren, wurden die Kampagne „European Elections for All“ und eine Online Petition lanciert. Das politische Mitbestimmungsrecht ist ein integraler Bestandteil einer De- mokratie und das Recht aller Bürger- Innen, selbstverständlich auch von jenen 80 Millionen EU-BürgerInnen mit Behinderungen. Die EU kann es sich nicht leisten, ihnen weiterhin ihre Rechte als Bürgerinnen und Bürger zu verwehren. EDF-Boardmeeting Foto: Gudrun Eigelsreiter European Accessibility Act D ie Vorstandssitzung des Euro- braucht es statistische Daten, um In den Trilogverhandlungen (Ver- päischen Behindertenforums soziale, kommunikative und physi- handlungen zwischen EU-Parlament, (EDF) findet immer in jenem sche Barrieren zu veranschaulichen. EU-Kommission und EU-Rat) wurde Land statt, das gerade den Vorsitz Politischen EntscheidungsträgerInnen der European Accessibility Act in den der EU-Ratspräsidentschaft innehat. kann dadurch die Dringlichkeit ge- letzten Monaten diskutiert. Die ös- Im zweiten Halbjahr 2018 war dies sellschaftlicher Veränderungen vor terreichische Ratspräsidentschaft hat Österreich. Gemeinsam mit dem EDF Augen geführt werden. EDF Präsi- sich stark für einen Kompromiss zum hat der Österreichische Behinder- dent Yannis Vardakastanis brachte European Accessibility Act eingesetzt. tenrat dieses Board Meeting organi- das Problem so auf den Punkt: „If Im EU-Rat wurde ein vorläufiger, siert und vom 15.-18. November in we are invisible in statistics, we are politischer Kompromiss erreicht. Er Wien abgehalten. invisible in policies.” deckt vor allem digitale Produkte und Dienstleistungen ab. Die bauliche Statistische Daten EU-Wahl Umgebung, Transport und Dienstleis- Am Samstag den 17.11. hatte der In Österreich haben alle Menschen tungen von Kleinstunternehmen sind Österreichische Behindertenrat mit Behinderungen das Recht, zu nun nicht mehr von den Barrierefrei- die Chance zu der „öffentlichen“ wählen. In vielen EU-Mitgliedslän- heitsanforderungen abgedeckt. Dies Sitzung des EDF Board Meetings dern ist dies anders und Menschen wurde kritisiert. Andere sehen darin VertreterInnen seiner Mitgliedsorga- mit Behinderungen wird ihr Recht, aber auch eine begrüßenswerte, erste nisationen einzuladen. Das Meeting an politischen Wahlen teilzunehmen, Etappe auf dem Weg in eine umfas- stand im Zeichen der statistischen verwehrt. Wahllokale genauso wie send barrierefreie EU. Datenerhebung. Weltweit gibt es zu Informationsmaterial im Vorfeld von wenig oder gar keine validen Daten Wahlen sind oft nicht barrierefrei Das EDF vertritt europaweit 80 zur Lebenssituation von Menschen zugänglich. Dies entspricht nicht der Millionen Menschen mit Behinde- mit Behinderungen. Der Löwenan- UN-BRK zu deren Umsetzung sich rungen. Die mehrtägigen Treffen teil, der in Österreich erhobenen alle EU-Staaten verpflichtet haben. des EDFs dienen der Vernetzung und Statistiken, bezieht sich auf den Im Vorfeld der nächsten EU-Parla- dem Informationsaustausch. Gudrun Bereich Arbeit. Im Zusammenhang ments-Wahl lobbyiert das EDF dafür, Eigelsreiter nahm für den Österrei- mit Menschen mit Behinderungen dass ausnahmslos alle Menschen chischen Behindertenrat teil. www.behindertenrat.at 21
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