Epidemiologisches Bulletin 23 2021 - RKI

 
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Epidemiologisches Bulletin 23 2021 - RKI
AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN
                ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  23 Epidemiologisches
2021 Bulletin
10. Juni 2021

                STIKO: 6. Aktualisierung der COVID-19-
                Impfempfehlung | Empfehlung bei
                Lieferengpässen von Impfstoffen
Epidemiologisches Bulletin 23 2021 - RKI
Epidemiologisches Bulletin          23 | 2021       10. Juni 2021                                                          2

  Inhalt

  Beschluss der STIKO zur 6. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung                                                         3
  Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen COVID-19 mit einem der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe
  (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, COVID-19-Vaccine von Moderna) oder einer der beiden zugelassenen Vektor-
  basierten Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19 Vaccine Janssen von Janssen-Cilag International).
  Die STIKO empfiehlt bei Kindern und Jugendlichen mit Vorerkrankungen aufgrund eines anzunehmenden
  erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung eine Impfung mit dem mRNA-Impf-
  stoff Comirnaty (BioNTech/Pfizer). Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugendlichen im Alter von
  12 – 17 Jahren ohne Vorerkrankungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist aber nach ärztlicher Aufklä-
  rung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz möglich.

  Beschluss der STIKO zu Lieferengpässen von Impfstoffen                                                                       33
  Das Paul-Ehrlich-Institut informiert auf seinen Internetseiten über Lieferengpässe von Impfstoffen sowie die
  voraussichtliche Dauer der Nicht-Verfügbarkeit. Diese Informationen beruhen auf Mitteilungen der pharma-
  zeutischen Unternehmen, die einen Lieferengpass melden, sobald die Lieferkette für die Auslieferung eines
  Impfstoffes für einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen unterbrochen ist. Die STIKO hat Empfehlungen
  für die häufigsten bzw. relevantesten Lieferengpässe entwickelt, in denen kein alternativer Impfstoff mit ver-
  gleichbarer Zusammensetzung zur Verfügung steht.

  Auch 2021 Mückenübertragungen von West-Nil-Virus in Deutschland zu erwarten                                                  40
  Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 20 autochthone symptomatische und 2 asymptomatische Infektionen
  mit dem West-Nil-Virus (WNV) bei Menschen festgestellt. Es ist davon auszugehen, dass es auch 2021 zur
  Zirkulation des Virus zwischen Stechmücken und Vögeln, und in geringerem Maße auch zu mückenüber-
  tragenen Infektionen bei Menschen und Pferden kommt.

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 22. Woche 2021                                                    42

  Impressum
  Herausgeber                                                       Allgemeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                              Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                         www.rki.de/epidbull
  Telefon 030 18754 – 0
                                                                    Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
  Redaktion                                                         die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Dr. med. Jamela Seedat
  Dr. med. Maren Winkler (Vertretung)                               Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
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  E-Mail: SeedatJ@rki.de

  Nadja Harendt (Redaktionsassistenz)
  Telefon: 030 18754 – 24 55
  Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung)                      ISSN 2569-5266
  E-Mail: EpiBull@rki.de

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
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Epidemiologisches Bulletin      23 | 2021      10. Juni 2021                                                   3

  Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut
  Beschluss der STIKO zur 6. Aktualisierung
  der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige
  wissenschaftliche Begründung

  STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung
  Aktualisierung vom 10. Juni 2021

  Empfehlung für Personen ab 18 Jahren                         Jahren anstelle der zweiten Vaxzevria-Impfstoff­-
  Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen C   ­ OVID-19.         dosis eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 9 – 12 Wo-
  Für die Impfung soll einer der beiden zugelassenen           chen nach der Erstimpfung zu verabreichen (siehe
  mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer,              unten: Hinweise zur praktischen Umsetzung).
  COVID-19-Vaccine-Moderna der Firma Moderna)
  oder einer der beiden zugelassenen Vektor-basierten
  Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19              Empfehlung für Kinder und Jugendliche
  Vaccine Janssen von Janssen-Cilag International) ver-        im Alter von 12 – 17 Jahren
  wendet werden. Bei keinem dieser Impfstoffe han-             Die STIKO spricht nach der Zulassung für Comir­
  delt es sich um einen Lebendimpfstoff. Die Impfstof-         naty für 12 – 15-Jährige eine gemeinsame Empfeh-
  fe werden hinsichtlich des Individualschutzes und            lung für die Altersgruppe der 12 – 17-jährigen Kinder
  der Bekämpfung der Pandemie nach derzeitigem                 und Jugendlichen aus. Bereits begonnene Impfse­
  Wissen als geeignet beurteilt. Direkte Vergleichsstu-        rien bei 16 – 17-Jährigen sollen vervollständigt wer-
  dien zwischen den verschiedenen Impfstoffen sind             den. Aufgrund eines anzunehmenden erhöhten Ri-
  nur begrenzt verfügbar. Die beiden mRNA-­Impfstoffe          sikos für einen schweren Verlauf der COVID-19-
  können in allen Alters- und Indikationsgruppen ein-          Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen mit
  gesetzt werden, für die sie zugelassen sind. Eine be-        Vorerkrankungen empfiehlt die STIKO dieser Grup-
  gonnene Impfserie muss gegenwärtig mit demsel-               pe eine Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comir-
  ben Produkt abgeschlossen werden; eine Ausnahme              naty (BioNTech/Pfizer). Es sollen zwei Impfstoff­
  gilt bei der Impfung von Personen < 60 Jahren, die           dosen im Abstand von 3 – 6 Wochen gegeben werden.
  bereits eine 1. Dosis Vaxzevria erhalten haben.
                                                               Zu dieser Gruppe gehören Kinder und Jugendliche
  Auf Basis der derzeit verfügbaren, allerdings noch           mit folgenden Vorerkrankungen:*
  begrenzten Evidenz und unter Berücksichtigung der            ▶▶ Adipositas (> 97. Perzentile des Body Mass
  gegenwärtigen pandemischen Lage empfiehlt die                    Index (BMI))
  STIKO, die beiden Vektor-basierten Impfstoffe (Vax-          ▶▶ angeborene oder erworbene Immundefizienz
  zevria und COVID-19 Vaccine Janssen) für Personen                oder relevante Immunsuppression
  im Alter ≥ 60 Jahren zu verwenden. Der Einsatz von           ▶▶ angeborene zyanotische Herzfehler (O2-Ruhe-
  Vaxzevria für eine 1. oder 2. Impfstoffdosis und der             sättigung < 80 %)
  COVID-19 Vaccine Janssen als einmalige Impfung               ▶▶ schwere Herzinsuffizienz
  unterhalb dieser Altersgrenze ist jedoch nach ärztli-        ▶▶ schwere pulmonale Hypertonie
  cher Aufklärung und bei individueller Risikoakzep-           ▶▶ chronische Lungenerkrankungen mit einer an-
  tanz durch die impfwillige Person möglich. Die                   haltenden Einschränkung der Lungenfunktion
  ­STIKO empfiehlt derzeit, bei Personen im Alter < 60         ▶▶ chronische Niereninsuffizienz
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  ▶▶ chronische neurologische oder neuromusku­                              können oder bei denen der begründete Verdacht auf
     läre Erkrankungen                                                      einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung
  ▶▶ maligne Tumorerkrankungen                                              besteht (z. B. Menschen unter relevanter immun­
  ▶▶ Trisomie 21                                                            suppressiver Therapie).
  ▶▶ syndromale Erkrankungen mit schwerer Beein-
     trächtigung                                                            Eine berufliche Indikation aufgrund eines arbeits-
  ▶▶ Diabetes mellitus**                                                    bedingt erhöhten Expositionsrisikos besteht für
  * Die Vorerkrankungen sind nicht nach Relevanz geordnet.                  ­Jugendliche entsprechend den beruflichen Impf­
  ** Ein erhöhtes Risiko besteht bei einem nicht gut einge-                  indikationsgruppen im Stufenplan.
  stellten Diabetes mellitus mit HbA1c-Werten > 9,0 %.
                                                                            Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugend-
  Zusätzlich wird die Impfung Kindern und Jugend-                           lichen im Alter von 12 – 17 Jahren ohne Vorerkran-
  lichen ab 12 Jahren empfohlen, in deren Umfeld                            kungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist
  sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit                           aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuel-
  hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19-                             lem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder
  Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden                         Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich.

   Stufe   Personengruppen
   1       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 80 Jahren

           ▶▶ BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen

           ▶▶ Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen°

           ▶▶ Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen°

           ▶▶ Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege

           ▶▶ Andere Tätige in SeniorInnen- und Altenpflegeheimen mit Kontakt zu den BewohnerInnen

   2       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 75–79 Jahren

           ▶▶ Personen mit Down-Syndrom (Trisomie 21)

           ▶▶ Personen mit dialysepflichtiger, chronischer Nierenerkrankung

           ▶▶ Personal mit hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen°

           ▶▶ Personen mit einer Demenz oder geistigen Behinderung, die in Institutionen wohnen oder betreut werden

           ▶▶ Tätige in der ambulanten oder stationären Versorgung von Personen mit Demenz oder geistiger Behinderung

   3       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 70–74 Jahren

           ▶▶ Personen mit Vorerkrankungen mit hohem Risiko (z. B. Zustand nach Organtransplantation, aktive maligne hämatologische

              Erkrankungen, fortgeschrittene solide Tumorerkrankungen, die nicht in Remission sind, sowie Tumorerkrankungen unter aktueller
              systemischer Therapie (ausgenommen ausschließlich antihormonelle Monotherapie), interstitielle Lungenerkrankungen,
              ­psychiatrische Erkrankungen (bipolare Störung, Schizophrenie und schwere Depression), Demenz, Diabetes mellitus mit einem
               HbA1c ≥ 58 mmol/mol bzw. ≥ 7,5 %, COPD und andere ähnlich schwere Lungenerkrankungen, Adipositas (BMI >30kg/m2),
              chronische Lebererkrankungen inkl. Leberzirrhose, chronische nicht-dialysepflichtige Nierenerkrankungen)
           ▶▶ BewohnerInnen und Tätige in Gemeinschaftsunterkünften

           ▶▶ Enge Kontaktpersonen von Schwangeren

           ▶▶ Enge Kontaktpersonen bzw. Pflegende von Personen mit hohem Risiko

           ▶▶ Personal mit moderatem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen° und in Positionen, die für die Aufrechterhaltung der

              Krankenhausinfrastruktur besonders relevant sind
           ▶▶ Teilbereiche des ÖGD

   4       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 65–69 Jahren

           ▶▶ Personen mit Vorerkrankungen mit erhöhtem Risiko (z. B. Diabetes mellitus mit HbA1c < 58 mmol/mol bzw. < 7,5 %, Arrhythmie/

              Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, HIV-Infektion, Autoimmunerkrankungen, Krebserkrankungen in
              behandlungsfreier Remission, arterielle Hypertonie, rheumatologische Erkrankungen, Asthma bronchiale, chronisch entzündliche
              Darm­erkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen/Apoplex und andere chronische neurologische Erkrankungen)
           ▶▶ Enge Kontaktpersonen bzw. Pflegende von Personen mit erhöhtem Risiko

           ▶▶ Personal mit niedrigem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen°

           ▶▶ LehrerInnen

           ▶▶ ErzieherInnen

           ▶▶ sonstige Personen, bei denen aufgrund ihrer Arbeits- oder Lebensumstände ein signifikant erhöhtes Risiko einer Infektion mit

              SARS-CoV-2 oder eines schweren Verlaufs von COVID-19 besteht
   5       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 60–64 Jahren

           ▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen

           ▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel

           ▶▶ Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit mit erhöhtem Expositionsrisiko

           ▶▶ Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur

   6       ▶▶ Alle übrigen Personen im Alter von < 60 Jahren

  Tabelle | Stufenplan und Impfindikationsgruppen zur Priorisierung der COVID-19-Impfung in Deutschland
  ° Zur Einteilung des Personals in medizinischen Einrichtungen wird auf die 4. Aktualisierung der wissenschaftlichen Begründung
  zur COVID-19-Impfempfehlung der STIKO verwiesen1
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  Empfehlung zur Priorisierung                                  Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impfstoffe
  Aufgrund der immer noch begrenzten Impfstoffver-              (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und
  fügbarkeit soll die Impfung zügig denjenigen Perso-           COVID-19-Vaccine-Moderna der Firma Moderna )
  nengruppen angeboten werden, die entweder ein ho-             und zwei Vektor-basierte Impfstoffe (Vaxzevria der
  hes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer           Firma Astra-Zeneca und COVID-19 Vaccine Janssen
  COVID-19-Erkrankung haben oder die arbeitsbe-                 der Firma Janssen-Cilag International). Für eine voll-
  dingt entweder besonders exponiert sind oder engen            ständige Impfserie der beiden mRNA-Impfstoffe
  Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben.                 und von Vaxzevria sind zwei intramuskulär (i. m.)
                                                                zu applizierende Impfstoffdosen notwendig. Die
  Da in Bezug auf die Höhe des Risikos Unterschiede             COVID-19 Vaccine Janssen ist derzeit als Einzeldosis
  bestehen, hat die STIKO zunächst ein stufenweises             i. m. anzuwenden. Unter Berücksichtigung der Zu-
  Vorgehen (Priorisierungsempfehlung) empfohlen.                lassungen und der vorliegenden Wirksamkeitsdaten
  In der folgenden Tabelle ist unter Berücksichtigung           empfiehlt die STIKO für die mRNA-Impfstoffe
  der Impfziele, des individuellen Risikos für einen            einen Abstand zwischen den beiden Impfungen von
  schweren COVID-19-Verlauf und des arbeitsbeding-              6 Wochen und für Vaxzevria einen Abstand von
  ten Infektionsrisikos ein Stufenplan abgebildet, der          12 Wochen. Sobald weitere Impfstoffe zugelassen
  die Personengruppen in 6 Stufen einordnet. Nach               und verfügbar sind oder neue Erkenntnisse mit Ein-
  Zulassung des ersten COVID-19-Impfstoffs Ende                 fluss auf diese Empfehlung bekannt werden, wird
  2020 wurde das bundesweite Impfprogramm mit                   die STIKO ihre C­ OVID-19-Impfempfehlung aktuali-
  der Impfung der Personengruppen der 1. Stufe mit              sieren und ggf. Indika­tionsgruppen anpassen. Die
  dem höchsten Risiko begonnen.                                 Publikation jeder Aktua­lisierung erfolgt im Epide­
                                                                miologischen Bulletin und wird auf der Webseite des
  Bei zunehmender, aber weiterhin limitierter Impf-             Robert Koch-Instituts (RKI) bekannt gegeben.
  stoffverfügbarkeit sollen Personengruppen der
  2.  Stufe geimpft werden, gefolgt von den Menschen
  in der jeweils nachfolgenden Stufe. Zu welchem Zeit-          Hinweise zur praktischen Umsetzung
  punkt von einer Stufe zur nächsten gewechselt wer-            ▶▶ Für die Umsetzung der Empfehlung sind die
  den kann, soll lokal entschieden werden. Dies richtet            Bundesländer bzw. die von ihnen beauftragten
  sich nach der Verfügbarkeit der Impfstoffe und da-               Stellen verantwortlich.
  nach, ob alle Impfwilligen der jeweiligen Prio­               ▶▶ Bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19-
  risierungsstufe das Angebot einer Impfung erhalten               Impfempfehlung der STIKO können nicht alle
  haben. Neue Erkenntnisse zu den Risiken für schwe-               Krankheitsbilder oder Impfindikationen expli-
  re Erkrankung werden fortlaufend weiter bewertet                 zit genannt werden. Es obliegt daher den für die
  und die Risikogruppen ggf. entsprechend angepasst.               Priorisierung in den Bundesländern Verant-
                                                                   wortlichen, in Einzelfällen Personen, die nicht
  Es handelt sich während der Pandemie um eine In-                 ausdrücklich im Stufenplan genannt sind, an-
  dikationsimpfempfehlung im Rahmen der epidemi-                   gemessen zu priorisieren. Dies betrifft z. B. Per-
  schen Lage von nationaler Tragweite. Ob es in Zu-                sonen mit seltenen, schweren Vorerkrankun-
  kunft eine Standardimpfempfehlung oder eine an-                  gen oder auch schweren Behinderungen, für
  derslautende Indikationsimpfempfehlung geben                     die bisher zwar keine ausreichende wissen-
  wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie                   schaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer
  noch nicht beurteilt werden. Die Priorisierungsemp-              COVID-19-Erkrankung vorliegt, für die aber ein
  fehlung hat nur solange Gültigkeit, bis genügend                 deutlich erhöhtes Risiko angenommen werden
  Impfstoff verfügbar ist, um allen eine Impfung an-               muss. Dies trifft auch für Personen zu, die zu
  bieten zu können. Mittelfristig ist es das Ziel, allen           einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder
  Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer                nicht mehr gleich wirksam geimpft werden
  Impfung gegen COVID-19 anbieten zu können. Für                   können (z. B. bei unmittelbar bevorstehender
  die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in der Eu-               Chemotherapie). Darüber hinaus sind Einzel-
  ropäischen Union (EU) vier Impfstoffe zugelassen.                fallentscheidungen möglich, wenn berufliche
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       Tätigkeiten bzw. Lebensumstände mit einem                   leadmin/MRI/Themen/Stillkommission/Emp-
       nachvollziehbaren, unvermeidbar sehr hohen                  fehlung_Impfung_Covid_Stillen_final.pdf
       Infektionsrisiko einhergehen. Diese Öffnungs-            ▶▶ Zu anderen planbaren Impfungen soll ein Min-
       klausel darf nicht missbraucht werden, um un-               destabstand von 14 Tagen vor und nach jeder
       gerechtfertigt eine Impfung durchzuführen                   COVID-19-Impfstoffdosis eingehalten werden
       und somit stärker gefährdeten Personen die                  (Notfallimpfungen sind davon ausgenommen).
       Impfung vorzuenthalten.                                  ▶▶ Es besteht keine Notwendigkeit, vor Verabrei-
  ▶▶   Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige                chung einer COVID-19-Impfung das Vorliegen
       Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des                 einer akuten asymptomatischen oder (uner-
       Vorsorgebevollmächtigten oder Sorgeberechtig-               kannt) durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion
       ten voraus. Die STIKO verweist hierzu auf Ka-               labordiagnostisch auszuschließen. Bei Perso-
       pitel 4.1 der STIKO-Impfempfehlungen 2020/                  nen mit durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion
       2021 (Epid Bull 34/2020).                                   kann es nach Impfung zu vorübergehenden ver-
  ▶▶   Bei der Impfung sind die Anwendungshinwei-                  stärkten systemischen Reaktionen kommen.
       se in den Fachinformationen zum jeweiligen                  Nach den bisher vorliegenden Daten gibt es aber
       Impfstoff zu beachten.                                      keinen Hinweis darauf, dass die Impfung in die-
  ▶▶   Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen                  sen Fällen eine relevante Gefährdung darstellt.
       mit progredienten Krankheiten, die sich in ei-              Aufgrund der Immunität nach durchgemachter
       nem schlechten Allgemeinzustand befinden,                   SARS-CoV-2-Infektion und in Anbetracht des
       muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die-               weiterhin bestehenden Impfstoffmangels soll-
       sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob              ten immungesunde Personen unabhängig vom
       ihnen die Impfung empfohlen werden kann.                    Alter, die eine durch direkten Erregernachweis
  ▶▶   Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in                    (PCR) gesicherte SARS-CoV-2-Infektion durch-
       der Schwangerschaft liegen aktuell sehr limi-               gemacht haben, nach Ansicht der STIKO zu-
       tierte Daten vor. Die STIKO empfiehlt die gene-             nächst nicht geimpft werden. Die derzeit verfüg-
       relle Impfung in der Schwangerschaft derzeit                baren klinischen und immunologischen Daten
       nicht. Eine akzidentelle Impfung in der                     belegen eine Schutzwirkung für mindestens
       Schwangerschaft ist jedoch keine Indikation für             6 – 9 Monate nach überstandener SARS-CoV-2-
       einen Schwangerschaftsabbruch. Schwangeren                  Infektion. Entsprechend sollte in der Regel
       mit Vorerkrankungen und einem daraus resul-                 6 Monate nach Genesung bzw. Diagnosestel-
       tierenden hohen Risiko für eine schwere                     lung eine COVID-19-Impfung unter Berück-
       ­COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöh-                  sichtigung der Priorisierung durchgeführt wer-
        ten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebens-               den. Auch wenn mehr als 6 Monate seit der
        umstände kann nach Risiko-Nutzen-Abwägung                  ­Diagnosestellung vergangen sind, reicht eine
        und nach ausführlicher Aufklärung eine Imp-                 Impfstoffdosis zur vollständigen Grundimmu-
        fung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem 2. Tri-                nisierung aus, da sich dadurch bereits hohe
        menon angeboten werden. Bisher liegen zur                   Antikörperkonzentrationen erzielen lassen, die
        Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in der                    durch eine 2. Impfstoffdosis nicht weiter ge-
        Stillzeit aktuell nur wenige Daten vor und diese            steigert werden. Ob und wann später eine
        auch nur zum Gebrauch von mRNA-Impfstof-                    2. COVID-19-Impfung notwendig ist, lässt sich
        fen. Die STIKO hält es jedoch für sehr unwahr-              gegenwärtig nicht sagen. Hingegen muss bei
        scheinlich, dass eine Impfung der Mutter wäh-               Personen mit eingeschränkter Immunfunk­
        rend der Stillzeit ein Risiko für den Säugling              tion im Einzelfall entschieden werden, ob eine
        darstellt. Hierzu wird auch auf die gemeinsa-               1-malige Impfung ausreicht oder eine vollstän-
        men Empfehlung der Deutschen Gesellschaft                   dige Impfserie verabreicht werden sollte. Dies
        für Perinatale Medizin (DGPM), der Deutschen                hängt maßgeblich von Art und Ausprägung der
        Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe               Immundefizienz ab.
        (DGGG) und der Nationalen Stillkommission               ▶▶ Die Gabe der 2. Impfstoffdosis soll für die
        (NSK) verwiesen: https://www.mri.bund.de/fi-                ­mRNA-Impfstoffe nach 6 Wochen und für Vax-
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     zevria nach 12 Wochen erfolgen, da dadurch so-          ▶▶ Postmarketing- und Real-Life-Studien haben
     wohl eine sehr gute individuelle Schutzwirkung             gezeigt, dass die Virusausscheidung bei Perso-
     als auch ein größerer Effekt der Impfung auf               nen, die sich trotz einer abgeschlossenen Impf-
     Bevölkerungsebene zu erzielen ist. Nach Fachin-            serie mit SARS-CoV-2 infiziert haben, stark re-
     formation ist die Gabe der 2. Impfstoffdosis von           duziert ist und damit das Transmissions­risiko
     Comirnaty in einem Abstand von 3  Wochen                   deutlich vermindert ist. Es muss jedoch davon
     nach der 1. Impfstoffdosis bzw. von COVID-19               ausgegangen werden, dass Menschen nach ent-
     Vaccine Moderna von 4  Wochen nach der                     sprechender Exposition trotz Impfung sympto-
     1.  Impfstoffdosis möglich. Die längeren Impfab-           matisch oder asymptomatisch infiziert werden
     stände sind von der STIKO empfohlen, um ak-                können und dabei SARS-CoV-2 ausscheiden
     tuell mehr Menschen frühzeitig eine erste Imp-             (nachgewiesen durch PCR-Testung).
     fung zu ermöglichen. Zudem liegen Hinweise              ▶▶ Die Impfung ist strikt intramuskulär (i. m.) und
     auf einen besseren Impfschutz bei einem länge-             keinesfalls intradermal, subkutan oder intra­
     ren Impfintervall vor.                                     vaskulär zu verabreichen. Bei PatientInnen unter
  ▶▶ Sollte der empfohlene maximale Abstand zwi-                Antikoagulation soll die Impfung ebenfalls i. m.
     schen der 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten           mit einer sehr feinen Injektionskanüle und einer
     worden sein, kann die Impfserie dennoch fort-              anschließenden festen Kompression der Ein-
     gesetzt werden und muss nicht neu begonnen                 stichstelle über mindestens 2 Minuten erfolgen.
     werden. Eine begonnene Grundimmunisie-                  ▶▶ Im Allgemeinen wird eine Nachbeobachtungs-
     rung muss nach derzeitigem Erkenntnisstand                 zeit nach der COVID-19-Impfung von mindes-
     mit dem gleichen Produkt abgeschlossen wer-                tens 15 Minuten empfohlen. Längere Nachbeob-
     den. Eine Ausnahme gilt für Personen im Alter              achtungszeiten (30 Minuten) sollten vorsichts-
     < 60 Jahren, die bereits eine 1. Impfung mit               halber bei bestimmten Risikopersonen eingehal-
     Vaxzevria erhalten haben. Für diese Personen               ten werden, z. B. bei Personen mit schweren
     wird empfohlen, anstelle der 2. Vaxzevria-Dosis            kardialen oder respiratorischen Grunderkran-
     eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 9 – 12 Wo-                kungen oder mit stärkeren oder anaphylakti-
     chen nach der Erstimpfung zu verabreichen.                 schen Reaktionen auf Impfungen in der Anam-
     Hintergrund für diese heterologe Impfserie                 nese. Maßgeblich für diese Entscheidungen sind
     und den gewählten Zeitabstand ist das Auftre-              die Angaben der Person selbst sowie die ärztli-
     ten von seltenen thromboembolischen Ereig-                 che Einschätzung des Gesundheitszustands.
     nissen nach Vaxzevria (siehe unten) und die be-         ▶▶ Nach der Zulassung von Comirnaty sind einzel-
     ginnende Abnahme des von einer einmaligen                  ne schwerwiegende, allergische Unverträglich-
     Vaxzevria-Impfung ausgelösten Schutzes nach                keitsreaktionen aufgetreten. Nach der derzeiti-
     12 Wochen. Der Impfzeitraum 9 – 12 Wochen                  gen Datenlage ist ein generell erhöhtes Risiko
     nach der Erstimpfung wurde gewählt, um hier                für schwerwiegende unerwünschte Wirkungen
     eine organisatorische Flexibilität bei der Impf-           für Personen mit vorbekannten allergischen Er-
     durchführung zu ermöglichen.                               krankungen bei Impfung mit mRNA-Impfstof-
  ▶▶ Unabhängig davon, ob eine Person ungeimpft                 fen nicht anzunehmen, sofern keine Allergie ge-
     oder einmalig gegen COVID-19 geimpft ist, emp-             gen einen Inhaltsstoff der jeweiligen Vakzine
     fiehlt die STIKO nach einer durch direkten Er­             vorliegt (z. B. Polyethylenglykol im Falle der
     regernachweis (PCR) gesicherten SARS-CoV-2-                ­COVID-19 mRNA-Impfstoffe). Zur weiteren In-
     Infektion die Verabreichung einer Impfstoff­                formation wird auf die „Empfehlung zur
     dosis in der Regel 6 Monate nach Genesung                   Corona­impfung für Allergikerinnen und Aller-
     bzw. Diagnosestellung.                                      giker“ des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) verwie-
  ▶▶ Es ist aktuell nicht bekannt, ob man nach                   sen: https://www.pei.de/SharedDocs/Down-
     SARS-CoV-2-Exposition durch eine postexposi-                loads/DE/newsroom/mitteilungen/201223-stel-
     tionelle Impfung den Verlauf der Infektion                  lungnahme-empfehlung-allergiker.pdf ?__
     günstig beeinflussen oder die Erkrankung noch               blob=publicationFile&v=6 und das Fluss­dia-
     verhindern kann.                                            gramm zum Vorgehen bei positiver Allergie-
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     anamnese vor COVID-19-Impfung verwiesen:                    STIKO). Der Einsatz der beiden Vektor-basier-
     https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/CO-                       ten Impfstoffe unterhalb dieser Altersgrenze
     VID-Impfen/Flowchart_Allergieanamnese.                      bleibt indes nach ärztlicher Aufklärung und bei
     pdf?__blob=publicationFile                                  individueller Risikoakzeptanz durch die impf-
  ▶▶ Nach der Impfung mit Vaxzevria sind in                      willige Person möglich.
     Deutschland und in anderen Ländern sehr sel-             ▶▶ Mit den Vektor-basierten Impfstoffen Geimpfte
     tene Fälle von Thrombosen in Kombination mit                sollten darüber aufgeklärt werden, dass sie bei
     Thrombozytopenien bei Geimpften aufgetreten                 Symptomen wie starken anhaltenden Kopf-
     (sog. Thrombose mit Thrombozytopenie Syn-                   schmerzen, Kurzatmigkeit, Beinschwellungen,
     drom [TTS], in der wissenschaftlichen Literatur             anhaltenden Bauchschmerzen, neurologischen
     auch als Vakzine-induzierte immunthromboti-                 Symptomen oder punktförmigen Hautblutun-
     sche Thrombozytopenie [VITT] bekannt). Auf-                 gen umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch neh-
     gefallen sind vor allem Hirnvenenthrombosen                 men sollten. ÄrztInnen sollten auf Anzeichen
     (sogenannte Sinus venosus Thrombosen; SVT).                 und Symptome einer Thromboembolie in Kom-
     Aber auch andere thrombotische Ereignisse,                  bination mit einer Thrombozytopenie achten,
     wie Mesenterialvenenthrombosen und Lungen­                  wenn sich PatientInnen vorstellen, die kürzlich
     embolien sind berichtet worden. Einzelne Fälle              mit Vektor-basierten COVID-19-Impfstoffen
     waren auch kombiniert mit erhöhter Gerin-                   geimpft wurden. Dies gilt insbesondere, wenn
     nungsaktivität oder Blutungen im ganzen Kör-                PatientInnen über später als drei Tage nach der
     per. Die Symptome traten 4 bis 21 Tage nach der             Impfung beginnende und dann anhaltende
     Impfung auf. Bisher wurden diese schweren                   Kopfschmerzen klagen oder punktförmige
     und teilweise tödlich verlaufenden Nebenwir-                Hautblutungen auftreten. Weitere Informatio-
     kungen überwiegend bei Frauen im Alter ≤ 55                 nen und Hinweise zur Diagnostik und Therapie
     Jahren beobachtet, aber auch Männer und Älte-               findet man in der Stellungnahme der Gesell-
     re waren betroffen. Das PEI und die Europäi-                schaft für Thrombose- und Hämostasefor-
     sche Arzneimittelbehörde (EMA) führen weite-                schung (GTH): https://gth-online.org/wp-cont-
     re Untersuchungen durch. Auch nach Anwen-                   ent/uploads/2021/03/GTH-Stellungnahme-As-
     dung der COVID-19 Vaccine Janssen sind in                   traZeneca_3-29-2021.pdf
     den USA sehr seltene Fälle von TTS überwie-              ▶▶ Die STIKO bekräftigt die Empfehlung, das bun-
     gend bei jüngeren Geimpften aufgetreten. Aus                desweite Monitoring von Impfquoten weiterzu-
     Europa gibt es hierzu noch keine Beobachtun-                führen, damit auch in Zukunft verlässliche Da-
     gen, weil der Impfstoff hier erst seit Kurzem               ten zur Risiko-Nutzen-Analyse zeitnah verfüg-
     und bisher nur in kleinen Mengen zur Anwen-                 bar sind.
     dung gekommen ist. Basierend auf der mo-                 ▶▶ Für die Meldungen von über das übliche Maß
     mentanen Datenlage empfiehlt die STIKO im                   hinausgehenden Impfreaktionen und -kompli-
     Regelfall die Impfung mit den beiden Vektor­                kationen soll das etablierte Verfahren verwen-
     basierten Impfstoffen Vaxzevria und der                     det werden (siehe Kapitel 4.9 „Impfkomplikati-
     ­COVID-19 ­Vaccine Janssen nur für Menschen                 onen und deren Meldung“ in den STIKO-Imp-
      im Alter ≥ 60 Jahre, da in dieser Altersgruppe             fempfehlungen 2020/2021; Meldeformular des
      aufgrund der ansteigenden Letalität einer                  PEI: https://www.pei.de/DE/arzneimittelsi-
      COVID-19-­  E rkrankung die Risiko-Nutzen-­                cherheit/pharmakovigilanz/meldeformula-
      Abwägung eindeutig zu Gunsten der Impfung                  re-online-meldung/meldeformulare-on-
      ausfällt. Obwohl bisher deutlich mehr Frauen               line-meldung-node.html). Regelmäßige Berich-
      betroffen waren, schränkt die STIKO ihre Emp-              te des PEI zur Sicherheit von COVID-19-Impf-
      fehlung nach Risiko-Nutzen-Abwägung für                    stoffen sind unter folgendem Link zu finden:
      beide Geschlechter ein, zumal alternative Impf-            https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/co-
      stoffe ohne dieses Sicherheitssignal verfügbar             ronavirus/arzneimittelsicherheit.html
      sind (siehe auch Kapitel 7.2.1.1 in der 4. Aktua-
      lisierung der ­COVID-19-Impfempfehlung der
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  Wissenschaftliche Begründung der STIKO für die
  Empfehlung zur Impfung gegen COVID-19 bei Kindern
  und Jugendlichen von 12 – 17 Jahren

  Inhaltsverzeichnis
  1.     Hintergrund..................................................   9       3.3. Seroprävalenzdaten zu Kindern und
                                                                                      Jugendlichen................................................. 20
  2.   Krankheitsbild...............................................     9
                                                                                 3.4. Fazit zur Epidemiologie von COVID-19
  2.1. Symptomatik einer SARS-CoV-2-
                                                                                      bei Kindern und Jugendlichen im Alter
       Infektion bei Kindern und Jugendlichen......                      9
                                                                                      von 12 – 17 Jahren in Deutschland................ 21
  2.2. Immunantwort nach COVID-19-
       Infektion versus Immunantwort                                             4.     COVID-19-Impfung.......................................            21
       nach COVID-19-Impfung..............................               10      4.1.   Immunobridging..........................................           23
  2.3. Transmission von SARS-CoV-2 bei                                           4.2.   Wirksamkeit..................................................      23
       Kindern und Jugendlichen............................              11      4.3.   Sicherheit......................................................   23
  2.4. Infektionsquelle für SARS-CoV-2-                                          4.4.   Fazit zur Wirksamkeit und Sicherheit
       Infektionen bei Kindern und Jugendlichen...                       11             von Cormirnaty bei Kindern und Jugend­-
  2.5. Risikofaktoren für eine schwere COVID-19-                                        lichen im Alter von 12 – 17 Jahren.................                25
       Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen...                        12      5.     Modellierungsergebnisse der Effekte
  2.6. Pediatric Inflammatory Multisystem                                               einer Impfung für Kinder und Jugendliche
       Syndrome (PIMS).........................................          13             im Alter von 12 – 17 Jahren............................ 26
  2.7. Long-COVID.................................................       13      6.     Akzeptanz bei Eltern und Jugendlichen....... 27
  3.   Epidemiologie von SARS-CoV-2-                                             7.     Impfempfehlung und Fazit........................... 28
       Infektionen und COVID-19-Erkrankungen                                            Referenzen.................................................... 29
       bei 12 – 17-Jährigen Kindern und
       Jugendlichen in Deutschland....................... 15
  3.1. IfSG-Meldedaten.......................................... 15
  3.2. Erhebungsdaten der Deutschen Gesellschaft
       für pädiatrische Infektiologie (DGPI).......... 19

  1. Hintergrund                                                                 2. Krankheitsbild
  Cormirnaty (BioNTech/Pfizer), ein mRNA-Impf-                                   2.1. Symptomatik einer SARS-CoV-2-Infektion
  stoff zur Impfung gegen COVID-19, wurde am                                     bei Kindern und Jugendlichen
  21. Dezember 2020 für ≥ 16-Jährige von der EMA zu-                             Kinder aller Altersgruppen können sich mit SARS-
  gelassen. Es ist bisher der einzige Impfstoff, der im                          CoV-2 infizieren, an COVID-19 erkranken und zu
  Alter < 18 Jahren angewendet werden kann. Seit                                 Überträgern der SARS-CoV-2 werden. Die Inzidenz
  dem 31.05.2021 ist dieser Impfstoff mit identischer                            der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter an.
  Dosierung auch für Kinder und Jugendliche im Al-                               Obwohl schwere COVID-19-Erkrankungen auch im
  ter von 12 – 15 Jahren zugelassen. Die STIKO gibt im                           Kindes- und Jugendalter vorkommen können, zeigt
  Folgenden einen Überblick über die Evidenz, die sie                            der überwiegende Teil einen asymptomatischen
  bei ihrer Entscheidung über die Empfehlung be-                                 oder milden bzw. moderaten Krankheitsverlauf von
  rücksichtigt hat.                                                              ein- bis zweiwöchiger Dauer. Im Rahmen eines sys-
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  tematischen Reviews, der Studien aus China, Iran,           tor- und Gedächtnis-T-Zellen umfasst, unter ande-
  Italien, Malaysia, Spanien, Südkorea, USA und               rem gegen das Spike- und Nukleokapsid-Protein
  ­Vietnam mit Daten von insgesamt 7.480 Kindern              von SARS-CoV-2 gerichtet ist 7 – 9 und für mindestens
   und Jugendlichen im Alter von 0 – 18 Jahren ein-           9 Monate anhält (längster berichteter Beobachtungs­
   schloss, hatten 15% einen asymptomatischen, 42,5%          zeitraum).10 – 11
   einen milden und 39,6 % einen moderaten Infek­
   tionsverlauf; bei 2 % verlief die Erkrankung schwer        Die derzeit in Deutschland zugelassenen und ver-
   und 0,7 % waren kritisch krank.3 Zwei große Stu­           fügbaren COVID-19-Impfstoffe lösen eine T- und
   dien aus England (n = 365.104)4 und Spanien                B-Lymphozyten-basierte Immun­antwort gegen das
   (n = 61.075)5 untersuchten in einer repräsentativen        Spike-Protein von SARS-CoV-2 aus, da sowohl die
   Bevölkerungsstichprobe mittels Antikörpernach-             mRNA- als auch die Vektor-Impfstoffe nur dieses
   weis den Anteil asymptomatischer Fälle und stellten        Oberflächenprotein von SARS-CoV-2 als Antigen
   nahezu identische Werte fest. In England betrug der        nutzen. Die Impfung von immunologisch naiven
   Anteil asymptomatischer Infektionen unter allen            Personen mit e­ inem dieser Impfstoffe bewirkt vor
   Infizierten 32,4 % und in Spanien 33 %.                    allem die Bildung von Spike-Protein-­spezifischen
                                                              Typ 1 T-­Helfer-Zellen und B-Lympho­zyten sowie von
  Viner et al. führten einen Umbrella-Review zur Sym-         neutralisierenden Antikörpern gegen das Spike-­
  ptomatik von COVID-19 bei < 20-Jährigen durch.6 In          Protein. Darüber hinaus werden durch die Impfung
  dieser systematischen Übersicht wurden aus-                 auch CD8+ T-­Lymphozyten aktiviert, wobei dies bei
  schließlich systematische Reviews berücksichtigt,           den Vektor­impfstoffen deutlicher zu sein scheint als
  die über laborbestätigte SARS-CoV-2-Infektionen             bei den mRNA-Impfstoffen.12 – 15
  bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 19
  Jahren berichteten. Insgesamt wurden nach                   Die Impfung von Personen, die eine SARS-CoV-2-­
  ­Abstract- und Volltext-Screening 18 Studien einge-         Infektion durchgemacht haben, führt bereits nach
   schlossen, die wiederum Studien aus China, Italien,        einer Impfung zu einer ausgeprägten T-Zell-, B-Zell-
   Spanien, Südkorea, Malaysia, Singapur, Vietnam,            und Antikörper-Antwort, die durch eine weitere
   dem Iran und den USA einschlossen. Nach den Er-            Impfung weder qualitativ noch quantitativ verän-
   gebnissen, die Daten von > 34.000 Personen be-             dert wird.16 Besonders bemerkenswert hierbei ist,
   rücksichtigten, sind Fieber und Husten, die bei            dass sich die CD4+ T-Zell-Immunantwort nach Imp-
   40 – 60 % der infizierten Kinder und Jugendlichen          fung von Rekonvaleszenten im Vergleich zu naiven
   vorkommen, die vorherrschenden Symptome von                Personen durch eine verstärkte Expression von Ge-
   COVID-19. Die Prävalenz dieser Symptome ist un-            dächtnis-T-Zellmarkern sowie von Markern, die mit
   abhängig vom Alter und oft treten diese beiden             einer verbesserten Migration von T-Lymphozyten in
   Symptome auch gemeinsam auf. Die gängigen                  den respiratorischen Trakt einhergehen, auszeich-
   Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege              net.17 Ebenso war bei Impflingen mit durchgemach-
   wie Schnupfen und Halsschmerzen sind bei                   ter COVID-19-Infektion bereits nach der ersten
   ­COVID-19 im Kindesalter eher ungewöhnlich. An-            Impfung eine markante Gedächtnis-B-Zell-Antwort
    dere Symptome wie Kopfschmerzen, Abgeschlagen-            vorzufinden.18
    heit, Muskelschmerzen und gastrointestinale Symp­
    tome (Erbrechen und Durchfall) traten ebenfalls           Diese Befunde deuten darauf hin, dass eine durch-
    deutlich seltener auf und zeigten sich bei weniger        gemachte Infektion (plus ggf. eine zu einem späte-
    als 10 – 20 % der Erkrankten.                             ren Zeitpunkt durchgeführte Impfung) zu einer ro-
                                                              busten und breiten SARS-CoV-2-spezifischen Im-
  2.2. Immunantwort nach COVID-19-                            munantwort führt. Bei Personengruppen, die nach
  Infektion versus Immunantwort nach                          einer SARS-CoV-2-Infektion nur ein extrem gerin-
  COVID-19-Impfung                                            ges Risiko für eine schwere oder gar tödlich verlau-
  Ungeimpfte rekonvaleszente Personen weisen eine             fende COVID-19-Erkrankung haben und bei denen
  breite B- und T-Zell-Immunantwort auf, die sowohl           gleichzeitig noch keine ausreichenden Sicherheits-
  neutralisierende Antikörper als auch Helfer-, Effek-        daten zur COVID-19-Impfung vorliegen, kann des-
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  halb aus immunologischer Sicht mit der Durchfüh-            seropositiv als Haushalte ohne Kinder. Es wurden
  rung einer zweimaligen COVID-19-Impfung gewar-              aber keine differenzierten Ergebnisse nach Alters-
  tet werden. Es muss darauf hingewiesen werden,              gruppen berichtet.
  dass in den o. g. Studien überwiegend Erwachsene
  eingeschlossen waren.                                       Eine Studie aus Rheinland-Pfalz untersuchte das
                                                              Übertragungsrisiko von COVID-19 in Kitas und
  2.3. Transmission von SARS-CoV-2 bei Kindern                Schulen zwischen August und Dezember 2020.21
  und Jugendlichen                                            Dabei wurde analysiert, zu wie vielen Folgefällen ein
  Ein systematischer Review untersuchte die Suszep-           Indexfall beiträgt. Auf Basis der Meldedaten und den
  tibilität für und Transmission von SARS-CoV-2 unter         Informationen der Kontaktnachverfolgung zeigte
  Kindern und Jugendlichen, verglichen mit Erwach-            sich, dass das Übertragungsrisiko in diesen Einrich-
  senen.19 Es wurden 32 Studien aus 21 Ländern einge-         tungen niedrig ist und dass die sekundäre Erkran-
  schlossen, die Daten von 41.640 Kindern (0 – 13 Jah-        kungsrate) lediglich 1,34% (95%-KI: 1,16 – 1,54) be-
  re) und Jugendlichen (10 – 19 Jahre) und 268.945 Er-        trägt. Außerdem wurde festgestellt, dass eine Über-
  wachsenen auswerteten. Die AutorInnen resümie-              tragung in Schulen durch LehrerInnen häufiger vor-
  ren, dass die Evidenz aus 15  Kontaktnachverfol-            kommt als durch SchülerInnen (Incidence Rate Ratio
  gungsstudien darauf hinweist, dass Kinder eine ge-          3,23; 95%-KI: 1,76 – 5,91) und dass das Übertragungs-
  ringere Suszeptibilität für SARS-CoV-2-Infektionen          risiko in Schulen geringer ist als in Kitas.
  haben als Erwachsene, Jugendliche dagegen ähnlich
  empfänglich sind wie Erwachsene. Die Ergebnisse             An einer weiterführenden Schule in Sachsen wur-
  aus den eingeschlossenen Seroprävalenzstudien wa-           den in einer Seroprävalenzstudie acht Wochen nach
  ren dagegen heterogen. Allerdings wurde in keiner           Bekanntwerden einer SARS-CoV-2-Infektion bei ei-
  Studie eine höhere Seroprävalenz bei Kindern und            nem Schüler erstmalig im November 2020 Seren
  Jugendlichen als bei Erwachsenen beobachtet. Wenn           von 247 SchülerInnen und 55 LehrerInnen und ein
  Kinder getrennt von Jugendlichen untersucht wur-            zweites Mal etwa fünf Wochen später bei 197 Schü-
  den, zeigte sich in den meisten Studien, dass Kinder        lerInnen und 40 LehrerInnen untersucht.22 Die Se-
  niedrigere Seroprävalenzen hatten, während die der          roprävalenz stieg zwischen den beiden Untersu-
  Jugendlichen den Seroprävalenzen der Erwachsenen            chungszeitpunkten von 1,7 % auf 6,8 % an. Das Ver-
  ähnlich waren. Die verfügbaren Studien zur Trans-           hältnis zwischen unerkannten und erkannten
  mission weisen darauf hin, dass Kinder und Jugend-          SARS-CoV-2-Infektionen hat sich zwischen den bei-
  liche eine untergeordnete Rolle bei der Weiterver-          den Erhebungszeitpunkten kaum verändert (0,25
  breitung von SARS-CoV-2 spielen.19                          bzw. 0,33). Es ergaben sich keine Hinweise auf eine
                                                              relevante, unerkannte SARS-CoV-2-Transmission in
  Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die AutorIn-             der Schule. Studienergebnisse wie diese legen nahe,
  nen einer Seroprävalenzstudie aus Sachsen,20 in die         dass es unwahrscheinlich ist, dass Bildungseinrich-
  n = 150 Haushalte eingeschlossen waren. Transmis-           tungen eine zentrale Rolle für das Infektionsgesche-
  sionsraten unter Haushaltsmitgliedern von erwach-           hen in der Pandemie spielen.
  senen IndexpatientInnen wurden mit denen von
  kindlichen und jugendlichen IndexpatientInnen               Einige Studien wurden zu einer Zeit durchgeführt,
  verglichen. Die sekundären Erkrankungsraten                 bevor die ersten ansteckenderen Virusvarianten de-
  (attack rates) von < 18-Jährigen Indexfällen waren          tektiert wurden und zu der bereits Infektionsschutz-
  signifikant niedriger als die von erwachsenen Index-        maßnahmen, Kontaktbeschränkungen und teilwei-
  fällen. In dieser Studie wurden keine Transmissio-          se Schulschließungen bestanden, die die Transmis-
  nen von Indexpersonen im Alter von < 18 Jahren auf          sion beeinflusst haben.
  Kinder und Jugendliche beobachtet, aber eine be-
  trächtliche Anzahl (n = 26) von Transmissionen von          2.4. Infektionsquelle für SARS-CoV-2-
  erwachsenen Indexfällen auf Haushaltskontakte im            Infektionen bei Kindern und Jugendlichen
  Alter von < 18 Jahren. Haushalte mit Kindern und            In einem Survey der Deutschen Gesellschaft für
  Jugendlichen waren signifikant seltener vollständig         ­pädiatrische Infektiologie (DGPI) wurde die Exposi-
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  tion bei 146 COVID-19-PatientInnen im Alter von               Eine Studie in den USA untersuchte ebenfalls Risi-
  12 – 17 Jahren erfragt: 73,3 % hatten sich im Haushalt        kofaktoren für einen schweren Verlauf bei Kindern
  angesteckt, 18,5 % in der Schule, 4,1 % im Kranken-           und Jugendlichen mit SARS-CoV-2-Infektion.24 In
  haus und 4,1 % auf einer Reise oder anderswo                  diese retrospektive Kohortenstudie wurden n = 454
  (persönliche Kommunikation Dr. J. Armann, DGPI                PatientInnen im Alter < 21 Jahren (medianes Alter:
  Survey, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Ju-             11  Jahre) eingeschlossen, die im Zeitraum vom
  gendmedizin am Uniklinikum Dresden).                          15.  März bis 8. Juli 2020 aufgrund einer SARS-CoV-2-
                                                                Infek­tion in der Kinderklinik von Colorado vorstellig
  2.5. Risikofaktoren für eine schwere                          geworden waren. Mithilfe der multivariablen logis-
  COVID-19-Erkrankung bei Kindern und                           tischen Regression wurden Risikofaktoren für einen
  Jugendlichen                                                  schweren COVID-19-Krankheitsverlauf, der eine
  COVID-19 ist in der Regel eine milde Erkrankung               stationäre Therapie erforderlich machte, identifi-
  im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Bei einem             ziert. Das Säuglingsalter (0 – 3 Monate) (OR 7,86;
  geringen Anteil der betroffenen Kinder und Jugend-            95 %-KI: 3,0 – 20,4) und junge Erwachsenenalter
  lichen kann sich ein schwerer Krankheitsverlauf               > 20 Jahre (OR 5,1; 95 %-KI: 1,2 – 20,7) stellte sich im
  entwickeln, der eine intensivmedizinische Versor-             Vergleich zu einem Alter von 11 – 15 Jahren als Risi-
  gung und eventuell eine invasive Beatmung erfor-              kofaktor heraus. Außerdem waren das Vorliegen ei-
  derlich macht. Todesfälle sind im Kindes- und Ju-             ner Vorerkrankung (Asthma (OR 2,17; 95 %-KI:
  gendalter jedoch sehr selten. In einer Kohortenstudie         1,4 – 4,5), gastrointestinale Erkrankungen (OR 2,71;
  wurden im April 2020 Daten von stationär behan-               95 %-KI: 1,3 – 5,17), Diabetes mellitus (OR 6,6; 95 %-
  delten Kindern und Jugendlichen mit PCR-bestätig-             KI: 1,1 – 39,8), Immunsuppression (OR 3,47; 95 %-
  ter SARS-CoV-2-Infektion im Alter < 18 Jahren aus             KI: 1,5 – 8,1), Adipositas (> 95 % Perzentile) (OR 2,48;
  25 europäischen Ländern gesammelt und hinsicht-               95 %-KI: 1,2 – 5,1), schwere Adipositas (> 120 % Per-
  lich prädisponierender Risikofaktoren für einen               zentile) (OR 4,8; 95 %-KI: 1,9 – 12,1) und Frühgeburt-
  schweren Verlauf (Aufnahme auf die Intensivsta­               lichkeit (OR 3,82; 95 %-KI: 2,0 – 7,4) mit Kranken-
  tion) mittels multivariabler logistischer Regression          hausaufnahme assoziiert. Retrospektive Kohorten-
  analysiert.23 Es wurden n = 582 Personen mit einem            studien aus England25 und den USA,26 die Risikofak-
  medianen Alter von 5,0 Jahren (Spanne: 3 Tage bis             toren für einen schweren COVID-19-Verlauf
  18 Jahre) eingeschlossen. Ohne vorbestehende Er-              erwachsener PatientInnen untersuchten, sowie pä-
  krankung waren n = 437 (75 %). Von den übrigen                diatrische Einzelfallberichte27 belegen die Schwere
  n = 145 (25 %) hatten n = 29 eine chronische Lungen­          von COVID-19 bei Patient­          Innen mit Down-­
  erkrankung, n = 27 eine malige Tumorerkrankung,               Syndrom. Die Autoren weisen darauf hin, dass die-
  n = 26 eine neurologische Beeinträchtigung, n = 25            se PatientInnen auch aufgrund der zahlreichen risi-
  eine angeborene Herzerkrankung, n = 10 eine chro-             kobehafteten Komorbiditäten (z. B. schwere angebo-
  mosomale Anomalie und n = 9 eine chronische Nie-              rene Herzfehler, Störungen der Immun- und Lun-
  renerkrankung. Insgesamt hatten n = 17 (3 %) ≥ 2 be-          genfunktion) ein erhöhtes Risiko für einen schweren
  stehende Vorerkrankungen. Eine immunsuppres­                  oder tödlichen Verlauf haben. Das Alter (0 – 3 Monate
  sive Therapie erhielten 5 % und chemotherapeu-                oder > 20 Jahre), Asthma und gastrointestinale Vorer-
  tisch behandelt wurden 4 %. Bei n = 10 trat ein Acute         krankung stellten sich als prädisponierende Faktoren
  Respiratory Distress Syndrom (ARDS) auf und mach-             für eine notwendige unterstützende Beatmung dar.
  te eine maschinelle Beatmung erforderlich. In der             Die Mortalität von C  ­ OVID-19 wird bei 0 – 19-Jährigen
  multivariablen Analyse wurden als prädisponieren-             seit Beginn fortlaufend durch eine englische For-
  de Faktoren für eine intensivmedizinische Versor-             schergruppe in 7  Ländern (USA, UK, Italien,
  gung Alter < 1 Monat (OR 5,6; 95 %-KI: 1,72 – 14,87),         Deutschland, Spanien, Frankreich und Südkorea)
  männliches Geschlecht (OR 2,1; 95 %-KI: 1,6 – 4,21),          untersucht und beträgt 0,17/100.000 Einwohner.28
  Zeichen einer unteren Atemwegsinfektion bei Vor-
  stellung (OR 10,46; 95 %-KI: 5,16 – 21,23) und eine           Auf Grundlage der Daten von 1.501 wegen oder mit
  vorbestehende Erkrankung (OR 3,27; 95 %-KI:                   einer SARS-CoV-2-Infektion hospitalisierten Kin-
  1,67 – 6,42) identifiziert.                                   dern und Jugendlichen in Deutschland, die durch
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  den COVID-19-Survey der DGPI erfasst wurden,                  In einem systematischen Review, der 39 Studien
  wurden Risikofaktoren für eine intensivmedizini-              mit insgesamt 662 PatientInnen mit PIMS ein-
  sche Behandlung ermittelt (in Publikation befindli-           schloss, wurden epidemiologische und klinische
  ches Manuskript Dr. J. Armann et al., Klinik und              Charakteristika von PIMS beschrieben.31 Das mitt-
  Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am                   lere Alter lag bei 9,3 ± 0,5 Jahren und 52,3 % der
  Uniklinikum Dresden). Signifikant erhöhte relative            Kinder und Jugendlichen waren männlich. Etwa die
  Risiken (RR) im vollständig adjustierten Modell hat-          Hälfte der PatientInnen hatte Vorerkrankungen
  ten PatientInnen mit Trisomie 21 (RR: 4,24; 95 %-             oder war übergewichtig. Fieber (100 %), Bauch-
  KI: 1,42 – 12,64), PatientInnen, die zusätzlich zu der        schmerzen/Diarrhoe (74 %) und Erbrechen (68 %)
  SARS-CoV-2-Infektion eine weitere Koinfektion hat-            waren die häufigsten Symptome. Auch Konjunktivi-
  ten (RR: 4,16; 95 %-KI: 2,03 – 8,50), sowie PatientIn-        tiden (52 %) und Exantheme (56 %) wurden häufig
  nen mit einem primären Immundefekt (RR: 2,68;                 beobachtet. Etwa 60 % der PatientInnen wurde we-
  95 %-KI: 1,15 – 6,24). In der bivariaten Analyse wur-         gen einer Schocksymptomatik mit Katecholaminen
  den folgende Risikofaktoren ermittelt: Fettleber              und Infusionen behandelt. Mehr als die Hälfte
  (RR: 7,98; 95 %-KI: 4,09 – 15,55), pulmonale Hyper-           (54 %) der PatientInnen hatte einen auffälligen
  tonie (RR: 7,82; 95 %-KI: 4,24 – 14,43), Zustand nach         Echokardiografiebefund, zumeist mit eingeschränk-
  Herzoperation (RR: 7,82; 95 %-KI: 4,24 – 14,43),              ter linksventrikulärer Funktion. Auch Koronar­
  zyanotische Herzerkrankungen (RR: 6,20; 95 %-KI:              aneurysmen wurden beobachtet. Eine akute Nieren-
  2,92 – 13,16), psychomotorische Retardierungen (RR:           schädigung trat bei 16 % der Fälle auf. Bei den La-
  4,80; 95%-KI: 2,90 – 7,93) und Epilepsie (RR: 2,33;           borbefunden waren die stark erhöhten Entzün-
  95%-KI: 1,09 – 4,94). Von den in Deutschland leben-           dungs- und kardialen Marker auffällig. Ein hoher
  den 4,5 Mio. 12 – 17-Jährigen haben Schätzungen zu-           Anteil (71 %) der PIMS-PatientInnen benötigte eine
  folge ca. 8,4% (n = 379.000) Vorerkrankungen.45               intensivmedizinische Versorgung und eine maschi-
                                                                nelle Beatmung (22 %), 4,4 % sogar eine extrakor­
  2.6. Pediatric Inflammatory Multisystem                       porale Membranoxygenierung (ECMO). Im unter-
  Syndrome (PIMS)                                               suchten PatientInnenkollektiv lag die Sterblichkeit
  Aus vielen von der SARS-CoV-2-Pandemie betroffe-              bei 1,7 %. Klinisch ähnelt das PIMS dem Kawasaki-
  nen Ländern gibt es seit Ende April 2020 Berichte             Syndrom (KS) und dem toxischen Schocksyndrom
  über Kindern mit einem schweren inflammatori-                 (TSS). Allerdings ist das Inflammationsgeschehen
  schen Krankheitsbild. Das sog. Pediatric Inflamma­            beim PIMS in der Regel ausgeprägter als bei KS und
  tory Multisystem Syndrome (PIMS) ist ein seltenes,            TSS, die PatientInnen sind in der Regel älter und
  aber schwerwiegendes Krankheitsbild, das sich in              Schocksymptomatik, Erbrechen, Durchfall und
  der Regel 3 – 4 Wochen nach einer symptomatischen             Bauchschmerzen sind häufiger. Neben der supporti-
  oder asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion ma-                ven Therapie kommen Immunglobuline und im-
  nifestiert und in vielen Fällen mit Schocksymptoma-           munmodulatorische Medikamente zum Einsatz. Das
  tik und in der Regel passagerer kardiorespiratori-            zunächst neue Krankheitsbild wird von den behan-
  scher Insuffizienz einhergeht.29 Die Ätiologie ist un-        delnden ÄrztInnen zunehmend besser verstanden
  klar, zur Häufigkeit gibt es noch keine verlässlichen         und ist inzwischen in den meisten Fällen gut behan-
  Zahlen. Die DGPI definiert PIMS wie folgt:30 Fälle            delbar (persönliche Kommunikation Prof. R. Berner,
  werden als PIMS gewertet, wenn neben (1) Fieber,              Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin
  (2) erhöhte systemische Inflammationsparameter                am Uniklinikum Dresden). In Deutschland ist nach
  (CRP oder PCT), (3) mindestens zwei Organbeteili-             der Erhebung der DGPI bis heute kein Kind oder
  gungen und (4) eine aktuelle (positiver SARS-CoV-2            ­Jugendlicher an PIMS verstorben.30
  PCR- oder Antigen-Nachweis) oder stattgehabte (po-
  sitive SARS-CoV-2-Serologie) SARS-CoV-2-Infek­                2.7. Long-COVID
  tion oder ein SARS-CoV-2-Kontakt nachzuweisen                 Es handelt sich bei Long-COVID nicht um ein ein-
  waren, sowie (5) andere infektiologische Ursachen             heitliches Krankheitsbild. Als Long-COVID bzw.
  ausgeschlossen werden konnten.                                Post-COVID-19-Syndrom werden Krankheitszei-
                                                                chen und Symptome beschrieben, die mehr als
Epidemiologisches Bulletin      23 | 2021       10. Juni 2021                                                   14

  12  Wochen nach Krankheitsbeginn bestehen bzw.                präsentativen Bevölkerungsstichprobe.34 Der Anteil
  mehr als 12 Wochen nach Infektion auftreten, deren            an TeilnehmerInnen, die über Long-COVID mit
  Pathogenese bisher nicht geklärt ist und für die kei-         dem Fortbestehen einer Symptomatik über 12 Wo-
  ne andere Erklärung als die Folge einer SARS-CoV-2-           chen nach Infektion berichteten, war bei den
  Infektion festzustellen ist. Vorläufige Erkenntnisse          25 – 34-Jährigen (18,2 %) am höchsten und bei den
  aus einem Review, das mehrheitlich Studien zum                2 – 11-Jährigen (7,4 %) und 12 – 16-Jährigen (8,2 %)
  Krankheitsbild bei Erwachsenen einschloss, deuten             am niedrigsten. Die Prävalenz von Long-COVID
  darauf hin, dass Long-COVID schwere Auswirkun-                war bei Frauen (14,7 %) höher als bei Männern
  gen auf die psychische Gesundheit, die Lebensqua-             (12,7 %). Zu den häufigsten Symptomen gehörten
  lität, das soziale Leben und das Familien­leben hat.32        Abgeschlagenheit (8,3 %), Kopfschmerzen (7,2 %),
                                                                Husten (7,0 %) und Myalgien (5,6 %).
  Die Symptomatik von Long-COVID ist sehr variabel.
  Häufig sind Erschöpfungszustände (Fatigue), Atem-             Eine Fallserie aus Schweden untersuchte die Lang-
  beschwerden, Geruchs- und Geschmacksstörungen,                zeitfolgen bei 5  Kindern.35 Die Kinder hatten ein
  Konzentrations- und Schlafstörungen, Kopfschmer-              mittleres Alter von 12 Jahren (Spanne 9 – 15 Jahre),
  zen, depressive Verstimmung und Herzrhyth-                    4  waren Mädchen. Alle PatientInnen litten unter
  musstörungen. Die Symptome können über Wo-                    Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit, Herzrhyth-
  chen bis Monate anhalten. Bisher wurden größten-              musstörungen und Thoraxschmerzen, vier litten an
  teils Studien zu Long-COVID bei Erwachsenen pub-              Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Muskel-
  liziert, wohingegen die Datenlage bei Kindern noch            schwäche, Schwindel und Halsschmerzen.
  sehr limitiert ist. Langzeitsymptome werden grund-
  sätzlich auch bei Infizierten beobachtet, die einen           In einer Längsschnittstudie in Sachsen wurden
  milden bzw. wenig symptomatischen COVID-19-                   SchülerInnen der Klassenstufen 8 bis 12 an 14 wei-
  Krankheitsverlauf zeigen. Der Anteil an PatientIn-            terführenden Schulen untersucht und im März/
  nen mit Spätfolgen ist jedoch bei Personen, die im            April 2021 mit einem validierten Fragebogen hin-
  Vorfeld schwer erkrankt waren, höher.                         sichtlich Auftreten und Häufigkeit von Long-
                                                                COVID-Symptomen wie Konzentrations- oder Ge-
  Eine Studie aus Italien berichtete über 129 Kinder,           dächtnisschwierigkeiten, Kopf-, Bauch- oder Glieder-
  deren COVID-19-Erkrankungen zwischen März und                 schmerzen, Fatigue, Schlafstörungen und Stim-
  November 2020 diagnostiziert worden waren.33 Es               mungsschwankungen befragt.36 Von den teilneh-
  waren n = 62 (48,1 %) der Kinder weiblich und das             menden 1.560 SchülerInnen mit einem Altersme­
  mittlere Alter betrug 11 Jahre. Die akute COVID-19-           dian von 15 Jahren waren 1.365 (88%) seronegativ, 188
  Erkrankung war bei n = 33 (25,6 %) asymptomatisch             (12%) seropositiv bzgl. SARS-CoV-2-Antikörper. An-
  und bei n = 96 (74,4 %) symptomatisch verlaufen;              sonsten waren die SchülerInnen den gleichen Be-
  n = 6 (4,7 %) wurden stationär und n = 3 (2,3 %) in-          dingungen von restriktiven Infektionsschutzmaß-
  tensivmedizinisch behandelt. Die Befragung zum                nahmen und Homeschooling ausgesetzt. In keinem
  Heilungsprozess wurde im Mittel 162,5 Tage nach               der abgefragten Merkmale fand sich ein Unterschied
  der Diagnosestellung durchgeführt. Es waren 41,8 %            zwischen seropositiven und sero­negativen Kindern
  vollständig genesen, 35,7 % hatten noch 1 oder 2              bzw. Jugendlichen.
  Symptome und 22,5 % ≥ 3 Symptome: Schlaflosig-
  keit (18,6 %), respiratorische Symptome (14,7 %),             Es gibt bisher keine eindeutigen Hinweise für Risi-
  verstopfte Nase (12,4 %), Abgeschlagenheit (10,8 %)           kofaktoren, die ein Long-COVID begünstigen. Das
  Myalgien (10,1 %) und Gelenkbeschwerden (6,9 %)               weibliche Geschlecht, zunehmendes Alter, beste-
  waren die häufigsten Symptome. Eltern von 12 %                hende Komorbiditäten, die Schwere der durchge-
  der Kinder gaben an, dass die andauernden Symp-               machten COVID-19-Erkrankung und Adipositas
  tome die Kinder deutlich belasteten.                          werden als mögliche Risikofaktoren diskutiert. Au-
                                                                ßerdem wird vermutet, dass eine COVID-19-Erkran-
  Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich unter-             kung, die mehr als 5 verschiedene Symptome auf-
  suchte die Prävalenz von Long-COVID in einer re-              wies, häufiger mit dem Übergang in Long-COVID
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