MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt

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MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
JUNI 2015                                                                   JAHRGANG 57

        MINERALÖL IN DEUTSCHLAND
                            NATURWISSENSCHAFT UND TECHNIK IM UNTERRICHT

            4   3   2   1

     ENTSTEHUNG                  FÖRDERUNG            VERARBEITUNG        NUTZUNG
MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
Z E I T B I L D W I S S E N 		   MINERALÖL

INHALT

                                 04
                                                  14

    18
                                                         22

03 Vorwort                                   28 Arbeitsblatt 1: Die Entstehung von Erdöl
04 Zahlen und Fakten                         29 Arbeitsblatt 2:
06 Ein ganz besonderer Stoff                      Die atmosphärische Destillation
12   Die Entstehung von Erdöl                30 Arbeitsblatt 3: Der Ölpreis
14 Wo ist mein Öl?                           31   Arbeitsblatt 4:
16   Unter Druck                                  Biokraftstoffe – eine Alternative?
18   Tanker, Trassen, Tankstellen            32 Arbeitsblatt 5:
20 Höchst raffiniert!                             Energie, Wachstum und CO2
22 Cracker und Coker                         33 Arbeitsblatt 6: Oktanzahl und Verzweigung
24 Interview                                 34 Glossar
26 Hinweise für Lehrkräfte                   35 Impressum, Fotonachweis,
                                                  Lösungshinweise
                                             36 Lesetipps, Linktipps

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MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
VORWORT

Liebe Lehrerinnen und Lehrer,

Mineralöl ist vielleicht der wichtigste Rohstoff unserer modernen Welt und zeichnet
sich durch eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten aus. Als Kraftstoff für den
Verkehr, als Energieträger für Industrie, Gewerbe und Haushalte, als Schmierstoff
sowie als Rohstoff für die chemische Industrie ist Mineralöl aus unserem Leben
nicht wegzudenken.

Kein anderer Energieträger lässt sich vergleichsweise so einfach transportieren
und kein anderer Rohstoff so einfach verarbeiten und so vielfältig verwenden wie
Mineralöl. So wurde Öl seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zu einem der
größten Handelsgüter der Welt und hat zur Entwicklung der modernen Gesell-
schaft so viel beigetragen wie kaum ein anderes Wirtschaftsgut.

Mineralöl spielt im Energiemix der Bundesrepublik nach wie vor eine bedeutende
Rolle. Und dies wird voraussichtlich auch in den nächsten Jahrzehnten so bleiben.
Gleichzeitig waren und sind die Diskussionen um die Nutzung von Mineralöl oft
sehr kontrovers.

Das vorliegende Zeitbild WISSEN „Mineralöl in Deutschland“ ist Teil der Bildungs-
reihe des Zeitbild Verlags zu Fragen der künftigen Energieversorgung. Es liefert
Ihnen aktuelle Daten und Fakten sowie Hintergründe und Meinungen. Es soll dazu
beitragen, dass Ihre Schülerinnen und Schüler sich durch eine kritische Auseinan-
dersetzung mit dem großen Themenkomplex Erdöl bzw. Mineralöl sachkundig an
der gesellschaftlichen Debatte um die zukünftige Nutzung von fossilen Energieträ-
gern beteiligen können.

Ihre Zeitbild-Redaktion

                                                                            3
MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
Z E I T B I L D W I S S E N 		          MINERALÖL

Mineralöl
                                                                        PRIMÄRENERGIEVERBRAUCH
                                                                        in Deutschland, 2013
                                                                        Quelle: AG Energiebilanzen

                                                                                                      0,8
                                                                                                     ANDERE
                                                                        7,6                                   33,6
                   in Zahlen                                            KERNENERGIE                           MINERALÖL

                                                                        11,8
                                                                        BRAUNKOHLE

                                                        2013
                                                                        10,4                          %
                                                   Import-              ERNEUERBARE
                                                    kosten
                                                    Rohöl
                                                                        12,9                                      22,9
                                                  55,3                  STEINKOHLE                                ERDGAS

                                                    Mrd.
                                                    Euro

ROHÖLVERSORGUNG
in Deutschland, 2013

93,2
Mio. Tonnen

90,6
Mio. Tonnen
Importmenge
(97 %)

                                                                                                              2013
2,6
Mio. Tonnen
heimische                                                        Quelle: BAFA, LBEG
Produktion (3 %)

                                                                                                              2013

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MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
ENTWICKLUNG DES KRAFTSTOFFVERBRAUCHS
in Deutschland, 2013
Quellen: MWV, Statista

Inlandsabsatz von Ottokraftstoff                      Inlandsabsatz von Dieselkraftstoff           Inlandsabsatz von leichtem Heizöl

 1990                                        2013     1990                                  2013   1990                                         2013
 31,3 Mio. t                            18,4 Mio. t 21,8 Mio. t                      34,8 Mio. t   31,8 Mio t                            19,8 Mio. t

BEDEUTUNG DES MINERALÖLSEKTORS FÜR DIE BESCHÄFTIGUNG IN DEUTSCHLAND
in Tausend
Quelle: HWWI 2014, Zahlen gerundet

                  Mineralöl-
                  verarbeitung
                  240
                                         30 direkt        210 indirekt/induziert
                                                                                                       Indirekte Arbeitsplätze entstehen durch

                  Großhandel                                                                           Auftragsvergaben der Mineralölwirtschaft an
                                                                                                       Zulieferer und Dienstleister. Induzierte Arbeits-
                  120                                                                                  plätze entstehen aufgrund von Einkommens-
                                         50 direkt           70 indirekt/induziert                     effekten, durch gesteigerten Konsum der
                                                                                                       direkt und indirekt Beschäftigten im regionalen
                  Einzelhandel
                                                                                                       Umfeld der Mineralölwirtschaft.
                  160
                                         120 direkt                                    40 indirekt/induziert

WIE VIEL ÖL STECKT IN ALLTAGSPRODUKTEN?
Quelle: BP Deutschland

     68 g                   29 g                 99 g                 0,6 l                2,4 l              0,5 l                   0,4 l

PET-FLASCHE              PLASTIKTÜTE            HANDY            SCHUHSOHLE           FERNSEHER      TASCHENRECHNER                  HEMD

Steuerabgaben der Mineralölwirtschaft:
Mineralölsteuer bzw. Energiesteuer                                                   39,4 Mrd. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2013

Umsatz in der Mineralöl verarbeitenden
Industrie in Deutschland                                                             93,7 Mrd. Euro
Quelle: Stat. BA, VCI

                                                                                                          5
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Ein ganz
besonderer Stoff
Erdöl ist noch immer der wichtigste Rohstoff der Industrienationen. Keine
andere Ressource hat für die Entwicklung der modernen Welt so viel beigetragen
wie das „schwarze Gold“. Was vor Millionen von Jahren unter enormem Druck
und mithilfe von Bakterien entstand, ist heute aus unserem Leben nicht mehr
wegzudenken – unser Lebensstil basiert zu großen Teilen auf Erdöl.

                                                                                                               56 %
Deutschland zählt zu den führenden Volkswirtschaften           Maisstärke, Zuckerrüben oder Pflanzenöl         VERKEHR
der Welt und ist damit auch einer der größten Ölverbrau-       enthalten. Bisher werden diese pflanzlichen
cher. Tag für Tag nutzen die 80 Millionen Menschen in          Kohlenstoffquellen noch sehr wenig zur
Deutschland rund 250.000 Tonnen Mineralöl, insgesamt           Herstellung von Kunststoffen,
sind das über 90 Millionen Tonnen im Jahr. Der überwie-        Lacken, Schmierstoffen
gende Teil, über 80 Prozent, wird zur Energieerzeugung         und Feinchemikalien
eingesetzt: Benzin und Diesel als Treibstoffe für Fahrzeu-     genutzt. Forscher
ge und Maschinen, Kerosin als Flugzeugtreibstoff und           weltweit arbeiten
Heizöl für die Wärmeversorgung zu Hause.                       mit Hochdruck
    Bestandteile des Rohöls werden für die Herstellung         daran, dass nach-
von nahezu allen chemischen Erzeugnissen verwendet.            wachsende Roh-
Für die chemische Industrie ist Rohöl von großer Bedeu-        stoffe in naher
tung, es dient als Ausgangsmaterial für die Herstellung        Zukunft auch in
einer großen Palette von chemischen Erzeugnissen. Alle         großtechnischem
Produkte, die Kunststoffe enthalten, basieren auf dem          Maßstab nutzbar und
aus dem Rohöl raffinierten Mineralöl. Sei es die Wohn-         bezahlbar werden. Im Mo-
zimmercouch, die Innenausstattung des Autos, Teppich-          ment ist noch nicht abzusehen,
böden, Haushaltsgeräte, Folien, Matratzen, Kreditkarten,       wie sich dieses Forschungsfeld in den
Computergehäuse, Farben, die Rahmen von Kunststoff-            nächsten Jahren entwickeln wird. Weitere
fenstern, Textilien und sogar die Zahnbürste. Pflegemittel     Alternativen, die das Erdöl ersetzen können, werden
und Kosmetika wie Seife, Haarspray, Waschmittel, Sham-         seit einigen Jahren intensiv erforscht. Zu diesen Alter-
poo, Vaseline und sogar viele Arzneimittel enthalten Stof-     nativen gehören auch die Biotreibstoffe. Der Anbau
fe, die aus Erdöl hergestellt wurden. Der Erdölanteil einer    und die Verarbeitung von Mais, Raps, Zuckerrohr oder
Aspirintablette zum Beispiel beträgt rund 30 Prozent. So-      Palmöl wurden in den letzten Jahren weltweit intensi-
gar Windkraftanlagen enthalten Stoffe, die ursprünglich        viert, um daraus Biodiesel und Bioethanol herzustellen
aus Erdöl gewonnen wurden. Sie sind in den Verbund-            und damit fossile Treibstoffe zu ersetzen beziehungs-
werkstoffen der Rotoren enthalten. Es gibt kaum einen          weise zu ergänzen. Sie sollen dabei helfen, die Kohlen-
anderen Rohstoff, der das moderne Leben so geprägt hat         stoffdioxid-Emissionen des Verkehrs zu mindern; auch
wie das Erdöl.                                                 die Abhängigkeit von Erdölimporten soll so reduziert
  Erdöl enthält viel Kohlenstoff und ist daher ein wichtiger   werden. Ob die Biotreibstoffe letztendlich ökologisch
Ausgangsstoff für die Industrie. Kohlenstoff ist aber auch     und sozial verträglich sind, wird derzeit in Fachkreisen
in nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel in Holz,         und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.

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MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
ENERGIEVERBRAUCH
                                                                                          NACH SEKTOREN
                                                                                                                        Haushalte,
                                                                                                                        Gewerbe, Handel,
                                                                                          Industrie      Verkehr        Dienstleistungen

                                                                                           29 %           29 %           42 %
                                                                                          Quelle: AG Energiebilanzen (2012)

                              WOFÜR BRAUCHEN WIR                                                     ENERGIEVERBRAUCH
                              MINERALÖL?                                                             INDUSTRIE

                                                                                          nach Energieträgern, 2012 in %

                                                                                          Steinkohle                                    11,4
                                                                                          Braunkohle                                     2,8

                      2%                   20 %                                           Mineralöl
                                                                                          Gase
                                                                                                                                         3,8
                                                                                                                                       36,2
                      SONSTIGE
                      (u. a. Stromer-
                                           CHEMISCHE
                                           INDUSTRIE                 22 %                 Strom
                                                                                          Fernwärme
                                                                                                                                       31,2
                                                                                                                                         6,5
                      zeugung, Bitumen,                              HEIZUNG              Sonstige*                                      8,1
                      Schmierstoffe)
                                                                                          Quelle: AG Energiebilanzen
                                                                                          * Regenerative Energien wie Holz, Torf und
                                                                                            andere Festbrennstoffe

                                                                                                     ENERGIEVERBRAUCH
                                                                                                     HAUSHALTE,
                                                                                                     GEWERBE, HANDEL,
                                                                                                     DIENSTLEISTUNGEN

                                                                                          nach Energieträgern, 2012 in %

                                                                                          Steinkohle                                     1,3
                                                                                          Braunkohle                                    0,5
                                                                                          Mineralöl                                    20,8
                                                                                          Gase                                          35,1
                                                                                          Strom                                        26,0
                                                                                          Fernwärme                                      7,0
                                                                                          Sonstige*                                      9,3

                                                                                          Quelle: AG Energiebilanzen
                                                                                          * Regenerative Energien wie Holz, Torf und andere
                                                          Quelle: Eigene Berechnungen;
                                                                                            Festbrennstoffe; Solar-/Umweltwärme
                                                          Bafa (Mineralöldaten 2013)

ERDÖL                                                                                                ENERGIEVERBRAUCH
Erdöl ist ein Stoffgemisch,   ROHÖL                                                                  VERKEHR
das hauptsächlich aus Koh-    Das aus Lagerstätten
lenwasserstoffen besteht.     gewonnene Erdöl wird           MINERALÖL                    nach Energieträgern, 2012 in %
Entgegen der landläufigen     als Rohöl (engl. „Crude        Erdöle bzw. deren
Meinung liegt Erdöl nicht     Oil“) bezeichnet. Es wird      flüssige Derivate. Oft als   Mineralöl                                    93,0
in Form von unterirdischen    sowohl an Land (Onshore-       Gegensatz zu tierischen      Strom                                         2,0
Seen vor, sondern befin-      Förderung) wie auch auf        oder pflanzlichen Ölen       Bio-Kraftstoffe                               5,0
det sich fein verteilt in     See (Offshore-Bohrung)         bzw. synthetischen Ölen
                                                                                          Quelle: AG Energiebilanzen
den Poren und Klüften der     gewonnen – teilweise bis       gleicher Zusammen-
                                                                                          * Motorenbenzin, Diesel, Flugkraftstoffe, Autogas
umgebenden Gesteine.          in sehr große Tiefen.          setzung benutzt.

                                                                                                7
MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
Z E I T B I L D W I S S E N 		             MINERALÖL

Deutschland verfügt nur über geringe hei-
mische Erdölvorkommen und importiert
daher den größten Teil des Rohöls, den                                                              10,4 %                            12,1 %
wir verbrauchen. Russland ist Deutschlands                                                          GROSSBRITANNIEN                   NORWEGEN
größter Ölversorger, gefolgt von Norwegen
und Großbritannien. Aus diesen drei Liefer-
gebieten bezieht Deutschland über
55 Prozent seiner Ölimporte.
Die restlichen 45 Prozent des
importierten Rohöls stammen
aus aller Welt. Die Importe aus
den ehemaligen Hauptlie-
ferländern am Persischen
Golf und auf der arabischen Halbinsel
sind seit der Ölkrise von 1973 beständig
zurückgegangen, ohne dass Versorgungs-
schwierigkeiten aufgetreten wären.
                                                                                                 1,3 %
DEUTSCHLAND                                                                                      ÄGYPTEN
IMPORTIERT RUND

97 %
SEINES ÖLBEDARFS

                                                                                                                8,1 %
                                                                                                                NIGERIA
      DIE GRÖSSTEN ÖLLIEFERANTEN
      DEUTSCHLANDS 2013                                                                                                                         2,7 %
                                                                                                                                                SAUDI-
          Weltkarte mit farbigem Eintrag: Deutschlands Öllieferländer 2013
                                                                                                                                                ARABIEN
          Quelle: BAFA, MWV

                                                                                                         2,9 %                  7,3 %
                                                                                                         ALGERIEN               LIBYEN

KONVENTIONELLES               NICHT-KONVENTIO-                  SCHIEFERÖL                       ÖLSAND                         TIEFSEEÖL
ERDÖL                         NELLES ERDÖL                                                       (TEERSAND)
Der überwiegende Teil des Mit dem Begriff „nicht-konven- Schieferöl wird aus Tonge-              Sandstein mit einem Anteil     Erdölvorkommen in meh-
heute geförderten Erdöls      tionell“ werden alle Rohölar-     stein gefördert, das organi-     an zähflüssigen Schwer- und reren hundert Metern Was-
wird dem konventionel-        ten bezeichnet, für deren         sches Material enthält. Das      Schwerstölen, die zum Teil     sertiefe, vor allem an den
len Erdöl zugerechnet.        Gewinnung erhöhter Aufwand        Gestein wird im Tagebau ab-      oberflächennah bzw. im         Küsten von Brasilien, Nigeria,
Aufgrund der geografisch      notwendig ist. Die Weiter-        gebaut und auf rund 500° C       Tagebau gefördert werden.      Angola und Indonesien
günstigen Lage der Vor-       entwicklung der Techniken         erhitzt. Der Nettoenergieer-     Die Trennung von Sand und      sowie im Golf von Mexiko.
kommen und der guten          ermöglicht eine Verringerung      trag und die Ökobilanz von       Öl ist aufwendig, führt aber   Da die Förderung sehr teuer
Fließfähigkeit, kann das Öl des Aufwandes und die Ver-          Schieferöl ist ungünstiger als   zu einem für die Raffinerie-   und aufwendig ist, wird es
verhältnismäßig einfach       besserung der Ökobilanzen, so     bei anderen Ölvorkommen,         verarbeitung gut geeigneten    oft zu den nicht-konventio-
gefördert werden.             dass die Grenzen fließend sind.   wird aber ständig verbessert.    synthetischen Rohöl.           nellen Vorkommen gezählt.

                          8
MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
BESTÄTIGTE RESERVEN STEIGEN                     potenzial der derzeit bekannten Ölvorkom-
                                   Erdöl ist für die Energieversorgung der      men liegt nach Berechnungen der BGR bei
                                Welt von großer Bedeutung und wird es aller     653 Milliarden Tonnen. Das bedeutet: Erdöl

        34,7 %                  Voraussicht nach noch für lange Zeit bleiben.
                                Während in Deutschland der Energiever-
                                                                                wird auch in den nächsten Jahrzehnten aus-
                                                                                reichend zur Verfügung stehen. Zwei Drittel
        RUSSLAND                brauch und damit auch der Ölbedarf tenden-      der heute bekannten Erdölreserven befinden
                                ziell abnimmt, steigt die Nachfrage nach Öl     sich in der Region der arabischen Halbin-
                                weltweit an. Neue Untersuchungen zeigen:        sel. Saudi-Arabien allein verfügt über rund
                                Noch nie waren die sicheren Ölreserven so       ein Viertel der weltweiten Vorräte. Weitere
                                hoch wie heute. Das belegen Daten der Bun-      große Ölvorkommen befinden sich im Irak,
                                desanstalt für Geowissenschaften und Roh-       in den Emiraten, Kuwait und Iran. Bedeuten-
                                stoffe (BGR). Nach Analysen der BGR haben       de Vorkommen wurden auch in Mittel- und
                                sich die weltweit bestätigten Ölreserven in-    Südamerika (v. a. in Mexiko und Venezuela)
                                nerhalb der vergangenen zwölf Jahre um bei-     erschlossen, sowie rund um das Kaspische
                                nahe die Hälfte erhöht – trotz eines enorm      Meer und in Afrika – hier insbesondere in
                                gestiegenen globalen Verbrauchs. Neue För-      Algerien, Libyen, Nigeria und Angola. Zahl-
                                dertechniken helfen dabei, die Ausbeute aus     reiche kleinere Ölfelder finden sich rund um
                                bestehenden Feldern zu erhöhen und neue         den Globus. Die europäischen Reserven sind
                                Vorkommen zu erschließen. Das Gesamt-           hauptsächlich in der Nordsee zu finden.

                   7,9 %
                   KASACHSTAN                                                   RESERVEN
                                                                                  Quellen, die heute mit vorhandenen techni-
                                                                                schen und wirtschaftlichen Mitteln mit Sicher-

                                9,2 %
                                                                                heit gefördert werden können. Es müssen drei
                                                                                Bedingungen erfüllt sein: Bohrungen haben
                                SONSTIGE                                        das Vorkommen bestätigt und mit heutiger
                                                                                Technik und bei heutigen Preisen ist es wirt-
                                                                                schaftlich förderbar.

                                WELTWEITE RESERVEN                              RESSOURCEN
                                UND RESSOURCEN                                     Ölvorräte, die geologisch bekannt sind, aber
                                Quelle: BGR (2014)                              noch nicht durch Bohrungen bestätigt wurden
                                                                                und derzeit nicht wirtschaftlich gewinnbar
4,1 %                                                                           sind. Zu den Ressourcen gehören sowohl kon-
ASERBAIDSCHAN                                  653 Mrd. Tonnen                  ventionelle Lagerstätten als auch nicht-konven-
                                                   Gesamt                       tionelle Vorkommen. Ressourcen können zum
                                600                                             Beispiel mit innovativen Technologien zu neuen
                                                                                Reserven entwickelt werden.

                                                                                NEUE ENTWICKLUNGEN
                                400           435 Mrd. Tonnen
                                                Zusätzliche                        Nach Einschätzung von Fachleuten werden
POLARES ÖL
                                                Ressourcen                      die Ölvorräte der Welt aus heutiger Sicht vor al-
                                                                                lem wegen der nicht-konventionellen Quellen
Wegen der klimatischen                                                          ausreichen, um auch einen steigenden Bedarf
                                200
Bedingungen in der Nähe                                                         für mehr als 100 Jahre zu decken. Neben der
des 66. Breitengrades                                                           Entdeckung und Erschließung neuer Felder
(Fördergebiete in Alaska                       218 Mrd. Tonnen                  sind es vor allem die technisch-wissenschaft-
und Sibirien), ist die För-                        Sichere                      lichen Fortschritte, die das Ende des Ölzeit-
                                   0               Reserven
derung von Erdöl in diesen                                                      alters, gegenüber den Annahmen von vor 20
Regionen sehr teuer und                                                         Jahren, weit in die Zukunft verschoben haben.
                                                175 Mrd. Tonnen
aufwendig. Es wird daher oft
                                               Gesamtverbrauch
                                                                                Neue Explorations- und Produktionstechniken
zu den nicht-konventionellen                    19. Jhdt. bis 2013              ermöglichen die Erdölförderung auch in bisher
Lagerstätten gerechnet.                                                         schwerer zugänglichen Lagerstätten.

                                                                                       9
MINERALÖL IN DEUTSCHLAND - ENTSTEHUNG - Gunvor Raffinerie Ingolstadt
Z E I T B I L D W I S S E N 		         MINERALÖL

Erdöl ist kein chemisch reiner Stoff, es ist     In Deutschland wurde die erste Bohrung          damals häufig genutzten Waltran. Anfang
ein Stoffgemisch. Erdöl stellt mit mehreren      nach Erdöl im Jahr 1856 durchgeführt. Auf-      des 20. Jahrhunderts läutete die Entwicklung
hundert Komponenten eine der komple-             sehen erregte kurz danach der Fund größe-       des Automobils ein neues Zeitalter ein. Aus
xesten Mischungen an organischen Stoffen         rer Öllagerstätten in Pennsylvania (USA), es    Erdöl wurde Benzin destilliert und als Kraft-
dar, die natürlicherweise auf der Erde vor-      war der Beginn des weltweiten Siegeszugs        stoff für Automobile genutzt.
kommen. Erdöl besteht aus Verbindungen,          des Erdöls. Leuchtöle, besonders Petroleum,        Weltweit gibt es Dutzende verschiedener
die sich ganz oder überwiegend aus den           schufen neue Lichtquellen, sie ersetzten den    Rohölsorten. Sie unterscheiden sich nach
Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff zu-
sammensetzen – die Kohlenwasserstoffe.
Erdöl besteht daher zu 83 bis 87 Gewichts-
prozent aus Kohlenstoff und zu 11 bis 15                    WELCHE FARBE HAT ERDÖL?
Gewichtsprozent aus Wasserstoff. Diese
                                                            Farbe und Konsistenz von Erdöl variieren von transparent und dünnflüssig bis tief-
Verbindungen bilden, je nach Anzahl der in
                                                            schwarz und dickflüssig. Erdöl hat aufgrund der Schwefelverbindungen einen charak-
ihnen enthaltenen Kohlenstoffatome, leicht-
                                                            teristischen Geruch, der zwischen angenehm bis abstoßend liegen kann. Farbe, Konsis-
flüssige, schwerflüssige bis feste Sub-
                                                            tenz und Geruch sind je nach geografischer Herkunft des Erdöls sehr unterschiedlich.
stanzen. Je nach Fördergebiet sind
unterschiedliche Mengen an
Schwefel (bis zu 6 Prozent)
und Spuren von Stickstoff,
Sauerstoff und Metallen im
Erdöl enthalten.

  Erdöl gelangt bisweilen als zähe schwarze
Masse an die Erdoberfläche und bildet asphalt-
artige Stoffe. Schon vor Tausenden von Jahren
nutzten die Menschen dieses Naturprodukt.
Steinzeitjäger befestigten mit klebrigem Bitu-
men (manchmal auch Pech oder Teer genannt)
ihre Pfeilspitzen. In Mesopotamien wurde
Teer benutzt, um Boote abzudichten. Persi-
sche Bogenschützen tauchten ihre Pfeile in
Bitumen und zündeten sie an.

   Im 19. Jahrhundert begann die eigentliche
Erschließung der Erdöllagerstätten. Am An-
fang stand die Suche nach einem guten Lam-
penbrennstoff. Schon lange war bekannt, dass
bei Bohrungen nach Wasser gelegentlich Erd-
öl in die Bohrlöcher einsickerte. Also begann
man, direkt nach Öl zu bohren. Mitte der
1840er-Jahre erfolgte am Kaspischen Meer,
im heutigen Aserbaidschan, die erste indust-
                                                         HAUPTGRUPPEN DER KOHLENWASSERSTOFFE
rielle Ölbohrung der Welt.
                                                         PARAFFINE (ALKANE)
                                                         Gesättigte Kohlenwasserstoffe mit geraden (Normal-Paraffine)
                                                         und verzweigten (Iso-Paraffine) Ketten.

                                                            Kohlenstoffatom (C)      Wasserstoffatom (H)

                                                                                                                              usw.
                                                          Methan       Ethan           Propan                  Hexan
                                                           CH4          C2H6            C3H8                   C6H14

                        10
dem Ort der Lagerstätte, der Dichte, dem        und saure Rohöle mit höherem Schwefelge-           lität. Aus diesen Rohölen werden bevorzugt
 Schwefelgehalt und der Zähflüssigkeit des       halt. Gradmesser für die Qualität der einzel-      Benzin- und Dieselkraftstoffe sowie Heizöle
 Öls. Aufgrund der Dichte wird zwischen          nen Rohölsorten sind letztendlich die Dichte       gewonnen; sie sind deshalb auch teurer als
 leichten Ölen, Ölen mittlerer Dichte und        und die Zähflüssigkeit des Rohöls. Leichte         andere Rohölsorten. Einige Rohölsorten haben
 schweren Rohölen unterschieden. Raffinerien     Rohöle sind fließfähiger und der Schwefelge-       eine so hohe Dichte, dass aus ihnen fast nur
 trennen zudem nach dem Schwefelgehalt in        halt ist in der Regel geringer. Je leichter und    Produkte wie Bitumen und Schmierstoffe ge-
 süße Rohöle mit geringerem Schwefelgehalt       süßer ein Rohöl ist, desto höher ist die Qua-      wonnen werden können.

 ERDÖLSORTEN AUF DEM WELTMARKT
 Auf dem globalen Erdölmarkt werden mehr als 30 Sorten angeboten. Für die Beobachtung der Preis-
 entwicklung sind aber nur wenige Sorten wichtig, die sogenannten Referenzsorten. Die Mengenangabe
 erfolgt in Barrel (Fass, ca. 159 Liter). 7,3 Barrel entsprechen ungefähr 1 Tonne Erdöl.

         WEST TEXAS                                      DER OPEC-KORB                                  DUBAI FATEH
         INTERMEDIATE – WTI                              Er gilt als Referenzmarke für die 12 wich-     Das im Mittleren Osten geförderte
         Das nordamerikanische Öl ist das meist-         tigsten Rohölsorten der OPEC-Mitglie-          Rohöl ist ein weiteres Referenzöl
         gehandelte Referenzöl, mit sehr niedri-         der. Meist sind es Rohölsorten mittlerer       für die asiatisch-pazifische Region,
             gem Schwefelgehalt und geringer             Dichte, mit mittlerem Schwefelgehalt. Es       wohin es auch hauptsächlich ex-
                 Dichte, ein typisches süßes             gibt deutliche Unterschiede zwischen           portiert wird. Es weist eine mittlere
                  Rohöl. Es eignet sich vor allem        den einzelnen Sorten. Algerisches Öl ist       Dichte und einen höheren Schwe-
                  für die Herstellung von Benzin.        ein süßes, leichtes Rohöl mit geringer         felgehalt auf, ist also ein mittleres,
                  Der niedrige Schwefelgehalt            Dichte und niedrigem Schwefelgehalt,           saures Rohöl.
                  macht das Öl sehr beliebt.             Öl aus Kuwait ist ein leichtes Rohöl mit
                                                         höherem Schwefelanteil. Öl aus Venezue-
                                                         la ist ein sehr schwefelhaltiges Schweröl.     URALS
                    BRENT CRUDE                          Die OPEC-Öle sind meist qualitativ nicht       So heißt das russische Referenzöl.
                    Es repräsentiert 15 verschie-        so hochwertig wie Brent oder gar WTI.          Leichte Rohölsorten aus Sibirien werden
                    dene Ölsorten, die aus den                                                          beim Transport in den Pipelines mit
                    Fördergebieten in der Nord-                                                         sauren und schweren Rohölsorten aus
                    see gewonnen werden. Es              TAPIS                                          dem Wolgagebiet/Baschkirien gemischt
                    wird allgemein als süßes Rohöl       Das Öl wird in Malaysia gefördert, es          und die Qualität des Öls so auf einen
                    bezeichnet, weist allerdings         gilt als das Referenzöl Asiens. Tapis          Durchschnittswert gebracht – eine Roh-
                    einen etwas höheren Schwe-           ist ein sehr leichtes Rohöl mit sehr           ölsorte eher mittlerer Qualität. Es ist in
                    felgehalt als WTI auf und hat        geringem Schwefelgehalt, Tapis ist             der Regel preisgünstiger als die Sorten
                    eine mittlere Dichte.                eine teure Rohölsorte.                         Brent und WTI.

 OLEFINE (ALKENE)                                          NAPHTENE                                AROMATEN
 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe,                          Gesättigte Kohlenwasserstoffe           Grundgerüst der Aromaten ist der besonders
 reaktionsfreudiger als Paraffine und                      mit Ringen aus meist fünf, sechs        stabile Benzolring aus sechs Kohlenstoffato-
 daher Grundstoffe für chemische                           oder sieben Kohlenstoffatomen           men mit drei Doppel- und drei Einfachringen.
 Weiterverarbeitung                                                     (auch Cyclo-Paraf-                        Aromaten sind beständig
                                                                            fine genannt);                            gegen Temperaturen,
                                                                              zeichnen                                  besitzen gute Klopffes-
                                                                               sich durch                                tigkeit in Motoren und
                                                  usw.                         Kältebestän-                              sind Ausgangsstoffe für
Ethen         Propen                    Hexen               Cyclohexan                                   Benzol
 C2H4                                                           CH             digkeit aus.               CH            die chemische Industrie.
               C3H6                     C6H12                     6   12                                   6    6

                                                                                                           11
Z E I T B I L D W I S S E N 		            MINERALÖL

                   Die Entstehung
                   von Erdöl
                   Um der Entstehung des Erdöls auf die Spur zu kommen, müssen wir
                   mehr als 250 Millionen Jahre in der Zeit zurückreisen. Die Dino-
                   saurier standen damals am Anfang ihrer Entwicklung. Das Erdöl, das
                   heute weltweit gefördert wird, stammt überwiegend aus dieser Zeit.

                   Vor allem in flachen tropischen und subtropischen Meeres-        dem Entstehungsgestein, dem sogenannten Muttergestein,
                   buchten lebten massenhaft Algen, Plankton und andere win-        vollzog sich im Laufe von Jahrmillionen. Dabei fanden mehre-
                   zige Wasserbewohner. Diese sanken nach ihrem Absterben auf       re komplexe Abläufe gleichzeitig und in verschiedenen Stufen
                   den Meeresboden und bildeten dort über Jahrmillionen enor-       hintereinander statt. Die wesentlichen Schritte waren stets
                   me Ablagerungen. Herrschte Sauerstoffmangel in der Tiefe,        eine Aufspaltung des organischen Materials der abgestorbenen
                   konnte die abgestorbene Biomasse nicht verwesen, sie faulte.     Lebewesen in einfache organisch-chemische Verbindungen
                   Das war der Anfang der langen Verwandlung von Plankton in        und eine teilweise Wiederanlagerung dieser Verbindungen
                   das „Schwarze Gold“. Die abgestorbene Biomasse, vermischt        untereinander zu komplexeren Molekülen. Voraussetzung für
                   mit feinen Sandkörnern und Tonteilchen, bildete unter Luftab-    diese Prozesse waren hohe Temperaturen, die dann gege-
                   schluss eine Faulschlammschicht. Immer wieder wurden auf         ben waren, wenn das Muttergestein durch Überlagerung
                   diese Faulschlammschichten weitere Sedimente abgelagert.         mit anderem Gesteinsmaterial in größere Tiefen gelangte und
                   Wenn sich pro Jahr eine Schicht von nur einem Millimeter Dicke   dort durch die natürliche Wärme aus dem Erdinneren langsam
                   bildete, wurde daraus in einer Million Jahren ein Sediment-      aufgeheizt wurde. Fachleute nennen das die „Reifung“ des
                   paket von 1.000 Metern Mächtigkeit. Die Schichten sanken         Muttergesteins. Für die Bildung von Erdöl liegt die optimale
                   langsam in immer tiefere Bereiche der Erdkruste. Unter dem       Temperatur zwischen 65° C und 120° C, wie sie in einer Tiefe
                   hohen Druck, den die darüber liegenden Schichten erzeugten,      von 2.000 bis 4.000 m herrscht.
                   wurden die Sedimentlagen allmählich zu Gestein gepresst.            Im Laufe der Erdgeschichte faltete sich die Erdkruste wie-
                      Mit zunehmender Mächtigkeit der Sedimentschichten und         derholt. Der Druck der darüber liegenden oder auch seitlich
                   dem damit verbundenen Anstieg von Druck und Temperatur           liegenden Gesteinsschichten presste aus dem Muttergestein
                   in der Tiefe entstanden in den feinen Poren des Gesteins aus     das Erdöl heraus. Es wanderte durch Klüfte und Spalten in po-
                   den organischen Reststoffen durch chemische Prozesse flüssige    röse Speichergesteine wie Kalk- oder Sandstein. Da Erdöl eine
                   Kohlenwasserstoffe – das Erdöl. Die Bildung von Erdöl aus        geringere Dichte hat als das Wasser und andere Substanzen

                Mikroorganismen                                               Gliedertiere                 Fische      Landpflanzen Insekten

  PHASEN DER
ERDÖLBILDUNG
   MIO. JAHRE    4600                                     600                  550                 500                  450                 400

      URZEIT                                    ERDURZEIT                                                                       ERDALTERTUM
                                                                       570
                   12
ENTSTEHUNG VON ERDÖL

                                         BILDUNG VON                                         im Gestein, wanderte es weiter nach oben. Diese
                                         FAULSCHLAMM                                         Wanderung durch das poröse und durchlässige
                                                                                             Gestein – auch Migration genannt – setzte sich
                                         Meeresbereich mit geringer oder
                                                                                             so lange fort, bis sie durch ein unterirdisches Hin-
                                         fehlender Tidenströmung
                                                                                             dernis aufgehalten wurde. Dies konnte z. B. eine
                                                                                             undurchlässige Schicht aus Salz, Mergel oder Ton
                                                                                             sein. Das Öl sammelte sich in den Poren des Spei-
                                                                                             chergesteins wie das Wasser in den Poren eines
                                                            Abgestorbene Lebewesen
                                                                                             Schwammes. Es war in eine sogenannte geologi-
                                                            sinken auf den Meeresgrund.
                                                                                             sche Falle geraten.
                                                            Sauerstoffarmer Bereich
                                                                                               So bildeten sich abbauwürdige Konzentrationen
                                                            Enstehung von Faulschlamm        von Erdöl – die Lagerstätten. Diese Lagerstätten
                                                                                             können heute angebohrt und das wertvolle Erdöl
                                                                                             gefördert werden. Wurde die Aufwärtsbewegung
                                                                                             des Öls nicht durch ein Hindernis aufgehalten,
                                                             BILDUNG                         so gelangte das Öl an die Erdoberfläche und die
                                                             DES ERDÖLS                      flüchtigen Bestandteile des Erdöls verdampften.
                                                                                             Häufig bildete sich dann an der Austrittsstelle ein
                                                                                             asphaltartiger Belag. Zu sehen sind solche Phäno-
                                                                                             mene zum Beispiel in Los Angeles (USA), auf der
                                                                                             Insel Trinidad oder am Golf von Suez in Ägypten.

                                                                         Ablagerungen z. B. aus Sand und Ton sowie tektonische
                                                                         Vorgänge drücken den Faulschlamm in größere Tiefen.

                                                                         Druck und Temperatur nehmen zu. Es kommt zur Umwandlung
                                                                         der Kohlenwasserstoffverbindungen, Erdöl und Erdgas entstehen.

                                                                           BILDUNG VON
                                                                           LAGERSTÄTTEN
                                               Lagerstättenbildung                                           Feinstruktur eines
                                                                                                             Speichergesteins

                                                                                                                 Gesteinskorn
        Poröse
                                                                                                                 Haftwasserfilm
        Gesteinsschichten
                                                                                                                 um Gesteinskörner
                                                                                                                 freies und schwach
    Undurchlässige                                                                                               gebundenes Wasser
    Gesteinsschicht         Erdgas     Erdöl
                                                                                                                 Erdöl
                                                                                                                 Gesteinszement

Reptilien        Nadelbäume   Dinosaurier         Säugetiere     Vögel         Blütenpflanze     Aussterben                     Menschen
                                                                                                der Dinosaurier

 350              300            250                  200                150              100                  50                     0

                                                             ERDMITTELALTER                                   ERDNEUZEIT

                                                                                                    13
Z E I T B I L D W I S S E N 		         MINERALÖL

WO IST MEIN ÖL?
  Wenn Erdöl auf dem Weg nach oben auf eine undurchläs-      Durchlässigkeit des Speichergesteins groß genug ist, um
sige Gesteinsschicht stieß und nicht weiterwandern konn-     eine wirtschaftliche Förderung zu erlauben. In den Lager-
te, sammelte es sich unter dieser Deckschicht an. War das    stätten tritt Erdöl meist gemeinsam mit Erdgas und salzigem
Gestein durch Bewegungen der Erdkruste verformt, konnte      Bodenwasser auf. Aufgrund der Dichteunterschiede befindet
das nach oben wandernde Öl an den höchsten Stellen der       sich das Erdgas oberhalb des Erdöls (Gaskappe), das Boden-
Verformungen eine Lagerstätte bilden. Eine Ansammlung        wasser unterhalb des Erdöls (Randwasser). Geologen unter-
von Erdöl wird jedoch nur dann als Lagerstätte bezeichnet,   scheiden drei Haupttypen von Lagerstätten: die Antiklinale,
wenn ausreichende Mengen vorhanden sind und die              den Salzdom und die Verwerfung.

TYPEN VON LAGERSTÄTTEN

ANTIKLINALE                                     SALZDOM                                          VERWERFUNG
Rund 80 Prozent der bestätigten Erdölre-        Beim Aufwölben haben Salzstöcke erdöl-           Diese Lagerstätten (rund 1 Prozent
serven der Welt liegen unter dem Scheitel       und erdgashaltige poröse Speichergesteine        der Welterdölreserven) sind durch
eines Sattels oder einer Antiklinale. Hier      zur Seite gedrängt und emporgehoben.             tektonische Brüche in der Erd-
haben sich die Gesteinsschichten emporge-       Erdöl und Erdgas sammelten sich dann an          rinde entstanden, bei denen sich
wölbt und Erdöl sowie Erdgas sammelten          den Rändern der Salzstöcke (3 Prozent der        undurchlässige Gesteinsschichten
sich in diesen porösen Schichten unter der      Welterdölreserven). Einige deutsche Erdöl-       neben poröse Speichergesteine
„umgestülpten Schüssel“.                        vorkommen liegen an Salzstockrändern.            geschoben haben.

SUCHEN UND FINDEN                                            Bohrungen bis zu 3.000 m Tiefe
  Mithilfe von Hightech-Messgeräten spüren Geologen            Nach Auswertung der seismischen Untersuchungen zeigt
Gesteinsformationen im Untergrund auf, die möglicher-        eine Versuchsbohrung, ob eine Gesteinsformation tatsäch-
weise Erdöl enthalten könnten. Die weitaus wichtigste        lich Erdöl enthält. Ist die Probebohrung erfolgreich, müs-
Methode bei der Suche nach Öl ist die Reflexionsseis-        sen Größe, Qualität und Ergiebigkeit der neu entdeckten
mik. Durch kleine Sprengungen oder durch schwere             Lagerstätte untersucht werden. Erst wenn feststeht, dass
Rüttelgeräte werden zahlreiche Erschütterungswellen          die Ausbeutung des Vorkommens kommerziell lohnend ist,
ausgelöst, diese pflanzen sich, je nach Beschaffenheit       werden die ersten Produktionsbohrungen angelegt.
des Untergrundes, mit unterschiedlicher Geschwindig-            Die meisten Bohrungen werden senkrecht in die Tiefe
keit fort und werden an den Grenzflächen zwischen ver-       getrieben. Moderne Bohrtürme arbeiten vorwiegend mit
schiedenen Gesteinsschichten gebeugt oder reflektiert.       dem Rotary-Verfahren. Dabei wird der Bohrmeißel über
Hochempfindliche Messgeräte an der Erdoberfläche,            ein drehendes Bohrgestänge mit 60 bis 120 Umdrehungen
die Geofone, registrieren die abgelenkten und zurück-        pro Minute angetrieben. Je nach Härte des Gesteins dringt
geworfenen Wellen.                                           der Meißel nur wenige Dezimeter oder viele Meter pro
  Computer verarbeiten die Messdaten und liefern anschlie-   Tag vor. Zum Wechseln des Meißels, das bei hartem Gestein
ßend ein dreidimensionales Bild des Untergrundes in meh-     recht häufig erforderlich sein kann, muss das gesamte Bohr-
reren tausend Metern Tiefe. Seismische Untersuchungen        gestänge aus der Bohrung gezogen werden. Meißelwechsel
können an Land und auf See durchgeführt werden.              können bei einer Bohrung bis zu 3.000 Meter Tiefe mehr

                        14
Messgeräte (Geofone)                                       Messwagen                       Bohrturm

                                                                                                                            Bohrturm

                                              kleine Sprengungen

                                        Reflexionsseismik

                                                                                                      Richtbohrung

als hundert Mal erforderlich sein. Damit das Bohrloch        (offshore), wie z. B. im Persischen Golf, im Kaspischen Meer
offen bleibt und sich das Bohrgestänge nicht festklemmt,     oder in der Nordsee. Bohrungen auf dem Meer erfolgen
wird die Bohrung abschnittsweise verrohrt.                   von schwimmenden oder am Meeresboden verankerten
    Man beginnt mit weiten Rohren, durch die dann Rohre      Bohrplattformen. Die Technik gleicht im Prinzip der Bohr-
mit geringerem Durchmesser geschoben werden. Die Ver-        technik am Festland, allerdings sind Aufwand und Kosten
rohrung gleicht also einem Teleskop. Durch das hohle Bohr-   wesentlich höher.
gestänge wird eine Spülflüssigkeit gepumpt. Sie kühlt und       Manchmal ist es von großem Vorteil, wenn man „um die
schmiert den Meißel, schützt die Bohrung dort vor dem        Ecke bohren kann“. Solche Richtbohrungen sind möglich,
Einsturz, wo sie noch nicht verrohrt ist und verhindert      weil das Bohrgestänge über eine ausreichende Flexibilität
durch ihr Gewicht den Ausbruch von unter Druck stehen-       verfügt. Richtbohrungen erreichen in der Regel die ölfüh-
dem Erdöl, wenn die Bohrung auf eine Lagerstätte stößt.      renden Schichten in einem weiten Umkreis; die Bohrungen
Am oberen Ende der Bohrung ist eine Sicherheitseinrich-      können heute sogar über eine längere Strecke horizontal
tung montiert, der sogenannte Blow-Out-Preventer. Er ver-    verlaufen. Mit der Technik der Horizontalbohrungen kann
schließt die Bohrung, sobald der Druck in ihr plötzlich      die Förderleistung gegenüber senkrechten Bohrungen
steigt und ein Ausbruch von Erdöl – ein Blow-Out – droht.    deutlich gesteigert werden, weil die ölführenden Gesteins-
Viele wichtige Erdölvorkommen befinden sich nicht auf        schichten horizontal auf ganzer Länge erfasst werden und
dem Festland (onshore), sondern unter dem Meeresboden        nicht nur lokal durch eine senkrechte Bohrung.

                                                                                                         15
Z E I T B I L D W I S S E N 		              MINERALÖL

UNTER DRUCK
   Die Erdölförderung lässt sich in drei Phasen unterteilen: die Primär-,        ist die Förderung jedoch wesentlich aufwendiger und kostspieliger.
die Sekundär- und die Tertiärförderung. Anfangs fließt das Erdöl aufgrund        Welche Bohrinseltypen eingesetzt werden, hängt von der Tiefe des
des natürlichen Lagerstättendrucks noch selbsttätig zum Bohrloch und             Meeres ab. Offshore-Bohrungen erfolgen von schwimmenden oder
steigt an die Erdoberfläche. Mit der Zeit lässt der Druck in der Lagerstätte     am Meeresboden verankerten Hubinseln, Plattformen oder Halbtau-
jedoch nach, das Öl fließt nicht mehr von allein. Jetzt kommen Pumpen            chern aus. Hubinseln kommen in Küstengebieten bis zu einer Tiefe
zum Einsatz; diese sogenannten Pferdeköpfe kennt jeder aus Hollywood-            von ca. 60 m zum Einsatz. Sie ragen so weit über die Wasseroberflä-
filmen. Eruptivförderung und Pumpenförderung werden zur Phase der                che hinaus, dass sie vom Seegang nicht erreicht werden. Plattformen
Primärförderung gezählt.                                                         können bis zu einer Meerestiefe von 300 m eingesetzt werden. Halb-
   Bei der Sekundärförderung nutzt man das in vielen Lagerstätten enthaltene     taucher werden von Pontons getragen, von Stahlseilen stabilisiert
Erdgas. Wird es ins Gestein rund um das Förderrohr gepresst, vermischt sich      und am Meeresboden verankert. Damit sind sie mobil einsetzbar. Mit
das Gas mit dem im Untergrund vorhandenen Öl, die Mischung steigt                Halbtauchern werden bis zu 3.000 m Wassertiefe erreicht. Bohrschiffe
dann ohne weitere Unterstützung im Bohrloch auf. Lässt der Druck im              können in sehr tiefen Gewässern eingesetzt werden. Ein Antriebssys-
Inneren der Lagerstätte weiter nach, wird Wasser eingepresst, das noch           tem sorgt dafür, dass das Schiff seine Bohrposition beibehält und nicht
vorhandene Öl wird nach oben ins Förderrohr gedrückt. Durch die Einlei-          durch die Meeresströmung abtreibt. Die Dimensionen der Förder-
tung von heißem Dampf und die Zugabe von Hilfsstoffen wird die Fließfä-          plattformen sind riesig. Die größten Halbtaucher sind so breit wie drei
higkeit des Öls verbessert; das Erdöl gelangt leichter zum Förderrohr. Dies      Fußballfelder und höher als die Türme der Frauenkirche in München.
ist die Tertiärförderung. Auch das sogenannte Fracking wird genutzt, um
die Ausbeute aus Öllagerstätten zu erhöhen. Dabei wird der Druck im              ERDÖL AUS DEUTSCHLAND
Untergrund so weit erhöht, dass das Muttergestein bricht und Spalten               Die wichtigsten Erdölfördergebiete Deutschlands liegen im
bildet, die durch spezielle Zusätze in der Fracking-Flüssigkeit offen gehalten   Norddeutschen Becken. Aus den Ölfeldern in Schleswig-
werden. Damit kann dann mehr Öl zum Bohrloch fließen. Diese Methode              Holstein und Niedersachsen werden jährlich ungefähr
hat insbesondere in den USA zu einer drastischen Erhöhung der Förder-            90 Prozent der deutschen Gesamtproduktion gefördert. Daneben
mengen und der Reserven geführt. Die Menge der Ölimporte der USA hat             wird noch an einigen Stellen in Rheinland-Pfalz und in Bayern geför-
sich zwischen 2005 und 2013 um mehr als ein Viertel verringert. In den           dert. Die Gesamtmenge der Förderung von Erdöl in Deutschland betrug
feinen Poren des Gesteins wird ein Teil des Erdöls zurückgehalten. Mit           2013 etwas mehr als 2,6 Millionen Tonnen, das ist ungefähr drei Prozent
heutiger Technik lassen sich bislang üblicherweise bis zu 50 Prozent des im      des deutschen Ölbedarfs. Im Wattenmeer Schleswig-Holsteins befindet
Gestein gespeicherten Erdöls gewinnen.                                           sich das größte in Deutschland bekannte Ölvorkommen. Dort steht, sie-
                                                                                 ben Kilometer vor der Küste, Deutschlands einzige Offshore-Bohrinsel.
DRAUSSEN AUF DEM MEER                                                            Die Anlage fördert rund 1,5 Mio. Tonnen Erdöl jährlich, etwa die Hälfte
  Viele Erdölvorkommen befinden sich unter dem Meeresboden. Es                   des in Deutschland geförderten Erdöls. Seit einigen Jahren wird die Lager-
kommen dieselben Techniken wie bei Bohrungen auf dem Festland                    stätte zusätzlich vom Festland aus angebohrt. Diese Bohrung verläuft in
zur Anwendung, aufgrund der schwierigeren Umweltbedingungen                      2.000 m Tiefe über acht Kilometer waagerecht durch den Meeresboden.

GRÖSSENVERGLEICH
               BRANDENBURGER                        FRAUENKIRCHE                                               HALBTAUCHER
                    TOR                               MÜNCHEN
150 m

100 m

50 m

                           16
SICHER FÖRDERN
                                  Bei der Suche nach und der
                              Förderung von Öl besteht die Ge-
                              fahr, dass Verschmutzungen von
                              Boden und Gewässern eintreten.
                              Zum Beispiel können schon gerin-
                              ge Mengen Rohöl große Mengen
                              Grundwasser für die Trinkwasser-
                              gewinnung unbrauchbar machen.
                              Verschmutzungen dieser Art tre-
                              ten bei der Ölsuche und der Öl-
                              gewinnung mittlerweile nur noch
                              sehr selten auf, da lang erprobte
                              und ausgefeilte technische und
                              organisatorische Maßnahmen da-
                              rauf abzielen, das Öl vollständig
                              zu gewinnen – also Ölaustritte zu
                              verhindern. Wegen der potenziell
                              viel größeren Auswirkungen von
                              Unfällen auf die Umwelt muss bei
                              Offshore-Bohrungen mit beson-
                              ders hohen Sicherheitsstandards
                              gearbeitet werden.

BOHRSCHIFF   PLATTFORM            HUBINSEL

                         17
Z E I T B I L D W I S S E N 		        MINERALÖL

Tanker, Trassen,
Tankstellen
Bevor Rohöl auf seine Reise zu den Raffinerien geht, muss es aufbereitet werden.
Das Rohöl wird von Lagerstättenwasser und Sand getrennt, das abgetrennte
Wasser über Injektionsbohrungen zur Druckerhaltung wieder in die Lagerstätte
eingepresst. Anschließend verwirbelt ein Gasabscheider das Gemisch aus Rohöl
und Gas, hierbei entweicht das Erdgas. Es wird aufgefangen und kann als
Energieträger verwertet oder ebenfalls in die Lagerstätte eingepresst werden, um
mehr Öl zu fördern. Zum Schluss werden die letzten Wasserreste sowie die
Salzrückstände aus dem Öl herausgefiltert. Das so gereinigte Rohöl lagert bis
zum Weitertransport in Öltanks an der Förderstelle.

Tankschiffe besitzen heute eine doppelwandige   transportieren. Der Aufbau der Tanker stabili-
Außenwand, der Laderaum ist durch Schotten      siert das Schiff und trägt wesentlich zur Sicher-
in mehrere Tanks untergliedert. So können die   heit bei. Die größten Supertanker können bis zu
Schiffe gleichzeitig verschiedene Rohölsorten   400.000 Tonnen Öl aufnehmen.

                 Satellitennavigation                           Freier Laderaum mit
                                                                inerten Gasen* gefüllt

                                                                                            *Als Inertgase bezeichnet man Gase, die sehr reakti-
                                                                                            onsträge (inert) sind. Zu den Inertgasen gehören z. B.
                                                                                            Stickstoff, Kohlenstoffdioxid und sämtliche Edelgase
                                                                                            (Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon, Radon).

                                                      Treibstofftank in
                                                      geschützter Innenlage

18
GUTE REISE                                                                                            PIPELINES
   Von den Erdölfeldern der Welt bis zu den         welt meist erheblich. Daher erhalten Unfälle
Raffinerien in Europa und in Deutschland ist        mit Öltankern immer eine sehr hohe Auf-
es meist ein langer Weg. Rohöl aus außereuro-       merksamkeit in der öffentlichen Berichter-        Die einfachste Methode ist es, das Rohöl
päischen Förderländern gelangt in der Regel         stattung. Gemessen an den riesigen Mengen,        durch lange Rohrleitungen (Pipelines)
per Pipeline zum nächstgelegenen Erdölha-           die Tag für Tag über die Meere transportiert      von der Sammelstelle im Ölfeld direkt
fen. Von dort aus übernehmen Öltanker den           werden, ist die Unfallrate jedoch sehr klein.     zur Raffinerie zu leiten. Das lohnt sich
Transport über die Weltmeere. In Europa ist                                                           jedoch nur bei sehr großen Ölmengen
der niederländische Hafen Rotterdam der             TRANSPORT ÜBER LAND                               und einer günstigen Entfernung. Ein
wichtigste Ölumschlaghafen und -handels-              Pipelines gelten wegen ihrer Unabhängigkeit     gutes Beispiel hierfür ist die Pipeline
platz. Von dort erfolgt der Weitertransport zu      von allen Störungen an der Oberfläche als das     „Druschba“ (Freundschaft). Sie lie-
den über ganz Deutschland verteilten Raffine-       sicherste Transportmittel für Rohöl. Die Lei-     fert russisches Öl aus Sibirien nach
rien und Zwischenlagern, vor allem per Pipe-        tungen sind mit aufwendigen Sicherungssyste-      Deutschland. Jährlich erreichen uns so
line, gelegentlich aber auch mit dem Schiff.        men versehen und werden ständig überwacht.        etwa zwanzig Millionen Tonnen Öl, das
                                                    Der Transport von Mineralölprodukten über         entspricht ungefähr einem Fünftel des
TRANSPORT AUF SEE                                   Schiene und Straße unterliegt den Bestim-         hiesigen Gesamtbedarfs.
   Der sichere Transport von Hunderttausen-         mungen für den Transport gefährlicher Güter.
den von Tonnen Rohöl über die Weltmeere             Dank strenger Sicherheitsbestimmungen und
ist eine große Herausforderung. Im Laufe der        ausgefeilter Technik kommt es nur sehr selten
Jahre wurden immer strengere Standards für          zu Unfällen. In Wasserschutzgebieten mahnen
                                                                                                      DRUSCHBA
Bau, Unterhalt und Betrieb von Öltankern            spezielle Verkehrszeichen Fahrzeugführer,
erlassen. Zuständig für die Sicherheitsstan-        die wassergefährdende Stoffe wie z. B. Heizöl
dards der Tankerfahrt ist die International         geladen haben, zu besonderer Vorsicht oder
Maritime Organization (IMO), eine Unter-            verbieten sogar die Durchfahrt solcher Fahr-
organisation der UNO. Unglücke auf See              zeuge. Mineralöl darf in Wasserschutzgebieten
sind sehr selten, sollte es aber zu einer Havarie   auf keinen Fall in den Erdboden gelangen, weil
kommen, sind die Auswirkungen auf die Um-           schon geringe Ölmengen Geruch und Ge-
                                                    schmack des Trinkwassers beeinträchtigen.                     Leuna
                                                                                                       Deutschland
                                                    TANKSTELLEN
                                                       Seit den 1990er-Jahren sind in Deutschland
                                                    alle unterirdischen Lagertanks an Tankstellen
                                                    mit Doppelwänden versehen. Auffangwannen
                                                    an den Füllstellen, Leckanzeigesysteme und
                                                    Füllsicherungen bieten zusätzliche Sicherheit
                                                    und gewährleisten, dass ein Leck rasch fest-
                                                    gestellt und der Schaden eingegrenzt werden
                                                    kann. Gleichzeitig wurden die Tankstellen
                                                                                                      Die Erdölpipeline „Druschba“ (deutsch:
                                                    mit einem Fahrbahnbelag versehen, der ver-
                                                                                                      „Freundschaft“) wurde von 1959–1964
              Ballastwasser
                                                    hindern soll, dass kleine Kraftstoffreste, die
                                                                                                      errichtet. Sie verbindet die russischen
              mit Doppelhülle                       versehentlich aus der Zapfpistole verschüttet
                                                                                                      Ölfelder mit den europäischen Raffi-
                                                    werden, in das Erdreich gelangen. Die moder-
                                                                                                      nerien und hat eine Transportkapazität
                                                    nen „Saugrüssel“ wiederum sorgen dafür, dass
                                                                                                      von 2,5 Mio. Barrel pro Tag. Die Pipeline
                                                    gesundheitsschädliche Benzindämpfe aus dem
                                                                                                      endet in Leuna/Sachsen.
                                                    Fahrzeugtank beim Tanken eingesaugt werden.

             LAGERUNG IN TANKS
               Tankanlagen mit Heizöl und Diesel (über 10.000 Liter) müssen regelmäßig durch
             Sachverständige geprüft werden. Diese Pflicht gilt für alle, auf deren Grundstück sich
             derartige Tanks oder Anlagen befinden. Um die Überfüllungen von Lagerbehältern zu
             verhindern, sind elektrisch gesteuerte Sicherungen für die Behälter vorgeschrieben.
             Behälter müssen doppelwandig sein oder, falls einwandig, einen Auffangraum haben.

                                                                                                         19
Z E I T B I L D W I S S E N 		            MINERALÖL

Höchst
raffiniert!
Mineralöl ist sowohl ein Energieträger als auch ein wichtiger Rohstoff und zeichnet
sich durch eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten aus. Tausende verschiedener
Produkte basieren auf Mineralöl als Ausgangsstoff. Wie aber wird aus Erdöl diese
Vielzahl von Produkten gewonnen? Die Antwort hierauf findet sich in der Raffinerie.
Mit dem Eintreffen des Rohöls in der Raffinerie beginnt der weite Aufgabenbereich
der Mineralölverarbeitung. An seinem Ende stehen diejenigen gasförmigen,
 flüssigen und festen Produkte, die uns in allen Bereichen des täglichen Lebens                                       Dampf

begegnen. Der grundlegende Verarbeitungsprozess in einer Raffinerie ist die
Rohöldestillation. Dabei wird das Rohöl in verschiedene Fraktionen zerlegt.
                                                                                                                      Dampf
ATMOSPHÄRISCHE DESTILLATION                                VAKUUMDESTILLATION
  Das Rohöl wird zunächst aus Lagertanks über einen           Rohöl enthält sehr große Moleküle, die auch bei         Trenn-
Entsalzer und anschließende Wärmetauscher in einen         350° Celsius noch flüssig bleiben, aber dann begin-        böden
Röhrenofen gepumpt und dort auf 350° - 370° Celsius        nen, sich zu zersetzen. Sie bilden den atmosphäri-
erhitzt, wobei das Rohöl zum größten Teil verdampft.       schen Destillationsrückstand. Dieser Rückstand am
Das Dampf-Flüssigkeits-Gemisch wird dann bei at-           unteren Ende des Turmes kann zu schwerem Heizöl
mosphärischem Druck in den unteren Teil des ersten         weiterverarbeitet werden oder wird nochmals erhitzt      Röhrenofen
Destillationsturms geleitet. Dieser ist in seinem Innern   und in einen weiteren Destillationsturm mit vermin-
durch zahlreiche Zwischenböden – die sogenannten           dertem Druck (ca. 50hPa) geleitet. Im Vakuumturm
Trennböden – stockwerkartig unterteilt. Der Dampf          verdampfen schwerere Kohlenwasserstoffe, da sie bei
steigt im Destillationsturm nach oben, wird dort abge-     verringertem Druck bereits bei niedrigeren Tempe-
kühlt, sodass die größten Moleküle im Dampf wieder         raturen sieden. Weil im Vakuum über der Flüssigkeit
in den flüssigen Zustand übergehen: So entsteht die        „viel Platz“ verfügbar ist, zeigen die Moleküle in der
erste Fraktion – das „schwere Mitteldestillat“ (Leichtes   Flüssigkeit beim Verdampfen weniger Widerstand
Heizöl und Diesel). Die kleineren Moleküle bleiben im      und verdunsten bereits bei niedrigeren Temperatu-
Dampf und entweichen weiter nach oben, wo sich der         ren. Zusätzlich wird Wasserdampf eingedüst, um die
Vorgang wiederholt. Daher spricht man hier von der         Kohlenwasserstoffmoleküle, die sich über der Flüssig-
fraktionierten Destillation. Nach diesem Prinzip wird      keit im Dampf befinden, nach oben mitzureißen, da-
das Rohöl in die Fraktionen „schweres Mitteldestillat“,    mit sie nicht wieder in den Rückstand gelangen. Bei
„leichtes Mitteldestillat“ (Flugkraftstoff), Rohbenzin     der Vakuumdestillation gewinnt man Vakuumgasöl
und Gase getrennt. Die Bezeichnungen „schwer“ und          sowie leichtes und schweres Wachsdestillat. Aus den
„leicht“ beziehen sich dabei auf die Dichte der Fraktio-   Fraktionen können Schmieröle oder schweres Heizöl
nen: Je grösser die Moleküle sind, desto höher ist ihre    entstehen und feste Stoffe wie z.
Dichte, desto schwerer ist ein Liter der abgetrennten      B. Kerzen. Der Rückstand der
Flüssigkeit. Da sich der Prozess bei normalem Druck        Vakuumdestillation kann zu Rohöl
abspielt – dem Atmosphärendruck –, wird diese Trenn-       Bitumen verarbeitet und dann
methode „Atmosphärische Destillation“ genannt. Der         im Straßenbau oder als Dach-
schwere Rückstand verbleibt am Boden der Kolonne.          pappe verwendet werden.

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FRAKTIONIERTE DESTILLATION VON ROHÖL

         ATMOSPHÄRISCHE DESTILLATION                  VAKUUMDESTILLATION

                       Fraktionen, Siedebereich

                            Gase,                                  Fraktionen
                            Chemie-
                            rohstoffe
Z E I T B I L D W I S S E N 		     MINERALÖL

CRACKER UND COKER                                        DIE KETTEN BRECHEN
   Das Verhältnis der einzelnen Produkte zu-               Raffinerien produzieren in der Regel einen Überschuss an schwerem Heizöl. Da dieser
einander, die aus einem bestimmten Rohöl                 Überschuss abgebaut werden muss, werden mittels Konversionsanlagen schwere Heizöl-
erzeugt werden, ist durch die Destillation nur           produkte in Benzine und Gase umgewandelt. Schwere und lange Kohlenwasserstoff-
in engen Grenzen veränderbar. Man spricht                moleküle werden in leichte und kürzere Ketten umgeformt, indem man die langen
daher von Koppelproduktion. Um die Markt-                Moleküle spaltet. Man nennt diesen Vorgang auch Cracken – abgeleitet von dem
nachfrage abzubilden, muss die Menge an                  englischen Wort „crack“ – zerbrechen oder spalten.
schwerem Heizöl vermindert und gleichzeitig                Man unterscheidet grundsätzlich drei Verfahrensarten beim Cracken. Die optimale
die Produktion an Benzinen und/oder Die-                 Verfahrenskombination richtet sich nach den vorhandenen Rohölen, den gewünsch-
selkraftstoff bzw. leichtem Heizöl vergrößert            ten Produkten und den wirtschaftlichen Voraussetzungen, denn die Investitions-
werden. Deshalb werden zusätzliche Anlagen               und Betriebskosten der verschiedenen Crackverfahren sind höchst unterschiedlich.
eingesetzt, in denen die weniger erwünschten             Die Verarbeitungskosten sind um so höher, je weiter die Ausbeuteanteile an leichten
schweren Bestandteile des Rohöls in leichtere            Produkten steigen. Die verschiedenen Crackverfahren gehen von unterschiedlichen
umgewandelt werden können.                               Einsatzprodukten aus: Destillate (Vakuumgasöl, Wachsdestillat) aus der Vakuumde-
                                                         stillation sind das bevorzugte Einsatzprodukt für den katalytischen Cracker und den
                                                         Hydrocracker, während der Vakuumrückstand in thermischen Crackern und im
TYPISCHER AUSSTOSS                                       Coker (vom engl. Wort Coke=Koks) eingesetzt wird.
EINER RAFFINERIE
Quelle: MWV

                                                         THERMISCHES CRACKEN
                                                          Das älteste und einfachste Konversionsverfahren ist das thermische Cracken. Hohe
                                                         Temperaturen bringen die großen Moleküle in so starke Schwingungen, dass die Bin-
                                                         dungen zwischen den einzelnen Kohlenstoffatomen zerbrechen. Temperatur – etwa
                                                         500° C – und Verweilzeit im Crackofen werden so gewählt, dass ein möglichst hoher
                                                         Umwandlungseffekt erreicht wird. Ergebnis des Crackens ist – wie bei der Rohöl-
                                                         destillation – eine Produktpalette, die von Gasen über Benzin und Mitteldestillat bis
                                                         zu schwerem Destillationsrückstand reicht.
         ohne Konversion
                                                         KATALYTISCHES CRACKEN
                                                           Ein wesentlich höheres Umwandlungsergebnis als beim thermischen Cracken
                                                         erreicht man mit dem katalytischen Cracken. Der Spaltvorgang erfolgt ebenfalls bei
                                                         etwa 500° C, aber in Gegenwart eines Katalysators (Aluminiumsilikate). Ergebnis des
                                                         katalytischen Crackens ist ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen, das vom gasförmigen
                                                         Methan bis zum Schweröl reicht.
mit thermischer Crackanlage
                                                         HYDROCRACKEN
                                                            Das technisch eleganteste, zugleich aber auch aufwendigste Konversionsverfahren
                                                         ist das Hydrocracken. Es handelt sich hierbei um ein katalytisches Spaltverfahren in
                                                         Gegenwart von Wasserstoff bei einem Druck von 100 bis 150 bar, das eine sehr weitge-
                                                         hende Umwandlung des Einsatzproduktes ermöglicht. Wenn die Kohlenwasserstoff-
                                                         ketten zerbrechen, sind die neuen Kettenenden extrem reaktiv. Bei den Folgereaktionen
                                                         können diese sich mit großen Molekülen zusammenschließen – zu noch größeren
         mit Hydrocracker
                                                         Produkten. Befinden sich aber sehr viele Wasserstoffmoleküle in der Reaktionsmi-
                                                         schung, werden diese bevorzugt an die Kettenenden angelagert und die Ausbeute an
                                                         niedrig siedenden Produkten steigt.

                                                         COKEN
                                                            Vakuumdestillation und thermische Crackverfahren erzeugen Destillationsrück-
                                                         stände, die schwerer sind als das normale schwere Heizöl. Solche Rückstände können
mit katalytischer Crackanlage                            hohe Anteile von Schwefel-, Stickstoff- und Metallverbindungen enthalten, die eine
                                                         katalytische Verarbeitung stark behindern würden. Diese schweren Rückstandsöle
                                                         können jedoch in einer weiteren Konversionsanlage, dem Coker, unter Druck in
                                                         einen Ofen geleitet und auf etwa 500° C erhitzt, in Gase, Benzine und Mitteldestillate
   Benzin               Mitteldestillate
                                                         umgewandelt werden. Der Petrolkoks, der dabei ebenfalls entsteht, findet zum
   Heizöl schwer        Sonstige Produkte                Beispiel bei der Herstellung von Aluminium Verwendung.

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