ERINNERUNGS RAUM - SOPHIA SCRIVANO I WORKSHOP RAUM EVA HAUCK I JESSICA RIDOLFI 03.01.2020 I HESE 2019 INNENARCHITEKTUR & SZENOGRAFIE - FHNW
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ERINNERUNGS RAUM SOPHIA SCRIVANO I WORKSHOP RAUM EVA HAUCK I JESSICA RIDOLFI 03.01.2020 I HESE 2019 INNENARCHITEKTUR & SZENOGRAFIE
INHALT TEXT DRITTES ZIMMER/EIGENES ZIMMER_ A1 KOHLEZEICHNUNGEN_ PAPIERMODELL_ MODELLERARBEITUNG_ REALITÄT_ FANTASIE_ TABAK_ GRUNDRISS & SCHNITT_ MODELL_ COLLAGE_ FAZIT_
drittes zimmer / eigenes zimmer Meine Familie ist oft umgezogen. Weswegen ich in den letzten 20 Jahren verschiedenste Zimmer und Häuser mein Eigen nannte. Aber mein drittes Zimmer blieb mir. Nicht weil es für Aussenstehen- de spannend oder speziell wäre, sondern weil es mein erstes ganz eigenes Zimmer war. Bevor ich das enge rechteckige Zimmer bezog, gehörte es meinem Vater. Mein Vater ist leidenschaftlicher Raucher, und so roch es die ersten paar Monate nach meinem Einzug immer etwas nach Tabak. In der Nacht schien der Geruch stärker aus dem Holzboden aufzusteigen und lullte mich in den Schlaf. Gegenüber von der Holztüre stand mein riesiger Holzschrank. Dieser Holzschrank aus der IKEA war zu dieser Zeit viel magischer. Ich war felsenfest überzeugt, dass der Eingang zu einer anderen Welt in meinem Zimmer stand. Neben dem Kleiderschrank stand farblich passend ein hölzernes Hochbett, auch von IKEA. Um dieses Hochbett zu erklimmen, musste man eine schräg gestellte Leiter hinaufkraxeln, auf welcher ich einmal meinen Vater ankotze. Oben angekommen, hatte man das Gefühl, die Decke würde einen erdrücken, so nahe war man ihr. Aber ich hing fluoreszierende Sterne an ihr auf und so war ich in der Nacht dem Himmel näher als bei Tag. Unter dem Bett hing eine bunte Hängematte und weiter unten, auf dem Boden, war mein grösster Schatz: Meine Verkleidungen. Vom alten Hochzeitskleid meiner Mutter bis hin zum Hexenhut war alles unbezahlbar in dem alten Reisekoffer. Hinter dem Hochbett standen am Fenster mein blau bemalter Schreibtisch und einige Regale, vollgestopft mit Büchern. Am Tag sah man aus diesem Fenster in die Krone eines Laubbaumes, doch in der Nacht wusste ich, dass vor dem Fenster Dinosaurier dahin stampften und mich beim Schlafen beobachten. Dieses Zimmer wird mir immer in Erinnerung bleiben, denn es war das erste Zimmer, in welchem ich träumte.
A1 KOHLEZEICHNUNGEN
PAPIERMODELL
MODELLERARBEITUNG Nun stellte sich die Frage, wie übersetzte ich diese Kohlezeich- nungen und Papiermodelle um. Das Zimmer an sich fühlte sich wie mein Reich an, mein Rück- zugsort. Aber gleichzeitig erinnere ich mich an die vielen (Alb-) Träume und Fantasien, die ich dort hatte. Diese sind ein ge- nauso grosser Bestandteil der Erinnerung, wie das Zim- mer selber. Charakteristisch für das Zimmer war auch der Tabakgeruch, den ich bis heute überall wiedererkenne. Mein Ziel war es, den Kontrast zwischen Wirklichkeit und Fantasie meines Kinder-Ichs darzustellen. Die Überlegung der zwei Welten führte mich zur Erkenntnis, dass Realität und Fantasie nicht weiter voneinander entfernt sein kön- nen. Aber gleichzeitig sind sie miteinander verstrickt und nicht voneinander trennbar. Mir war wichtig, dieses Gegensätzliche zu materialisieren aber gleichzeitig dieses Zusammenspiel nicht zu verlieren. Weiterhin stellte ich für mich fest, dass ich die Realität, bezie- hungsweise mein Zimmer, als etwas fassbares und hartes darstel- len wollte. Denn das Zimmer gab es zu einem Zeitpunkt wirklich. Die Fantasie war für mich etwas sehr ungreifbares, etwas spiele- risches, buntes und bewegtes. Des weiteren wollte ich irgendwie diesen Tabakgeruch wieder in meinem Modell aufnehmen.
REALITÄT drittes zimmer/eigenes zimmer wurde wie ein Tetrisspiel aus Holz zusammengebaut. Ich stellte mir vor, wie gross die Möbel im Zim- mer im Bezug zu einander waren und baute so ein „Gefühlsmo- dell“ des Zimmers. Es ist nicht betretbar, weil ich das statische und fassbare des Zimmers unterstreichen wollte. Holz als Material fühlte sich richtig an, weil alle Möbel im Zimmer aus hellem Holz bestanden.
FANTASIE Fantasie ist bunt und bewegt und nie gleich für mich. Auf der Su- che nach einem passenden Material für dieses Unfassbare bin ich auf Bügelperlen gestossen. Da es sich bei meinem Erinnerungs- raum um mein Kinderzimmer handelt, fand ich Bügelperlen sehr passend, denn als Kind spielte ich gerne mit diesen und kannte das Material. Weiterhin sind Bügelperlen verformbar und bunt. Für das Projekt versuchte ich die Perlen zusammen zu schmel- zen und so neue Figuren zu formen. Dies stellte sich schwieriger heraus als gedacht, denn der Versuch die Bügelperlen in einem Topf zu schmelzen missglückte. Doch nach einigen Versuchen mit Heissluftföhn und Bügeleisen erzielte ich spannende Resultate. Um den Fantasieteil noch ungreifbarer zu machen, befestigte ich Murmeln in die Bügelperlen. Die Murmeln erinnern mich an glanz- volle, unfassbare Traumfragmente. Wenn man träumt, weiss man oft naher nicht was man geträumt hat. Aber die Erinnerung daran bleibt einem wie auf der Zunge kleben. Die Murmeln schimmern dieses Versprechen in den leicht rosaroten Tönen wieder, finde ich.
TABAK Der Tabakgeruch des Zimmers war mir sehr wichtig. Aber nicht Zigarettenrauch, sondern der Geruch von Schnitttabak. Um diesen Tabakgeruch zu gewinnen, erfand ich die „Tabakbutter“, angelehnt an dem Prinzip der Cannabisbutter. Hier mein Tabakbutterrezept: Zutaten • 7 Gramm Schnitttabak • 125 Gramm Butter • 1 Liter Wasser Rezept Wasser in einem Topf aufkochen und Butter darin zer- schmelzen lassen. Tabak so fein wie möglich schneiden und beigeben. Mindestens drei Stunden kochen und immer genügend Flüssigkeit (Wasser) dem Topf beifügen, der Boden sollte mit bis zu 4 cm Wasser befüllt sein. Sobald das Gebräu genug stinkt: abkühlen lassen. Die Butter ist fertig, wenn sie sich als Schicht oben auf der Tabakflüssigkeit verhärtet. Nicht zum Verzehr geeignet! Ich habe anschliessend mit der Tabakbutter das Zimmer aus Holz angestrichen. Leider verflog der Tabakgeruch sehr schnell, sobald die Butter aufgetragen wurde. Lackierungsexperimente auf Holz v.l.n.r. Gips, Tabakflüssigkeit (TF) mit Tabakbutter (TB), TB mit Lasur, TB mit Acryl, TB, TF, Lasur, Acryl
GRUNDRISS & SCHNITT Grundriss 1:6 Schnitt 1:12
MODELL
COLLAGE
FAZIT Im Grossen und Ganzen bin ich zufrieden mit meinem Ergebnis. Ich finde ich habe mein Ziel erreicht, die beiden Welten aus meiner Erinnerung darzustellen. Der Kontrast von Realität und Fantasie ist gut zur Geltung gekommen, wie auch das Kindliche des Rau- mes blitzt durch die Arbeit immer wieder durch. Für die kommenden Projekte werde ich eine kompaktere Form des Models bevorzugen, es war immer mühsam das Modell auf- und abzuhängen und die Fäden zu entwirren (was ich beim letzten Ab- bau komplett aufgegeben habe und alle Fäden durchschnitt, wie man auf dem rechten Foto sieht). Was ich weiterhin besser machen könnte, wäre zum Beispiel mehr auf die Atmosphäre des Raumes eingehen, versuchen dieses schmale kleine Zimmer mit dem Tabakgeruch darzustellen. Anstatt mich auf die Traumwelt/Fantasiewelt meines jüngeren Selbst zu fokussieren. Aber schlussendlich hat mich genau die Tatsache fasziniert, dass es nicht nur ein einfaches Zimmer war, sondern ein Zimmer voller Fantasie, Tagträumen und Albträumen.
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