EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2020/21 BERN Migros-Kulturprozent-Classics
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E N T- C L A S S I C S L T U R P R O Z MIGROS-K/U21 im Casino Bern 0 P r o g r a mm 2 0 2 Mittwoch, 21. Oktober 2020 – Abo I Mittwoch, 17. März 2021 – Abo I BUDAPEST FESTIVAL ORCHESTRA DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER Iván Fischer (Leitung) BERLIN Alexandre Kantorow (Klavier) Robin Ticciati (Leitung) → Seite 11 Isabelle Faust (Violine) → Seite 31 Sonntag, 15. November 2020 – Abo II SHANGHAI OPERA HOUSE ORCHESTRA Donnerstag, 8. April 2021 – Abo II AND CHORUS EUROPEAN UNION YOUTH ORCHESTRA Xu Zhong (Leitung) David Zinman (Leitung) Zhang Huiyong (Sopran) Valentine Michaud (Saxophon), Shi Yijie (Tenor) Gewinnerin «Ouvertüre» 2019/20 Yu Haolei (Tenor) → Seite 37 → Seite 17 Dienstag, 4. Mai 2021 – Abo I Inhaltsverzeichnis Dienstag, 5. Januar 2021 – Abo II BBC SYMPHONY ORCHESTRA LES SIÈCLES Sakari Oramo (Leitung) Migros-Kulturprozent-Classics . . . . . . . . . . . . . 3 François-Xavier Roth (Leitung) → Seite 43 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4–5 Vilde Frang (Violine) Zum Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . 6–7 → Seite 25 Ouvertüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Konzert 1: Budapest Festival Orchestra . . . . . . . . . . . 10–15 Konzert 2: Shanghai Opera House Orchestra and Chorus . . . . . . . . 16–23 Konzert 3: Les Siècles . . . . . . . . . . . . . . . 24–29 Konzert 4: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin . . . . . . . . . 30–35 Konzert 5: European Union Youth Orchestra . . . . . . . . . . 36–41 Konzert 6: BBC Symphony Orchestra . . . . . . . . . . . . 42–47 Abos und Karten . . . . . . . . . . . . . . . . 48–49 Saalplan Casino Bern . . . . . . . . . . . . . . . . 50–51 Tourneen und Einzelkonzerte . . . . . . . . . . . . . . 52–53 3
V O R W O R T Sehr geehrte Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber Der Streaming-Anbieter Netflix produzierte 2019 täglich mehr als einen Film oder eine Serie. Das höchste künstlerische Niveau gilt auch für unsere Talentförderung. In den «Ouvertüren» Pro Minute werden auf Youtube über 500 Stunden neues Videomaterial publiziert. Im Sekunden- erhalten seit der letzten Saison ausgewählte Nachwuchstalente aus der Schweiz die Chance, rhythmus können wir Neues entdecken – nichtsdestotrotz stehen auf dem Programm ihr Können am Anfang jedes Konzertabends auf der grossen Bühne dem heimischen Publikum der Migros-Kulturprozent-Classics über 100-jährige Meisterwerke der klassischen Musik. zu präsentieren. Dieses musikalische Amuse-Bouche wird den Konzertbesuch auch in dieser Saison abrunden. Aber nicht nur: Wir haben bei den vergangenen «Ouvertüren» die Lautstärke Trotz ihres «hohen Alters» haben diese Œuvres nichts an ihrer Kraft eingebüsst und klassische des Applauses gemessen. Das Talent mit dem grössten Begeisterungssturm aus dem Musik ist heute aktueller denn je. Nach wie vor füllen bekannte Orchester, Solisten und Dirigenten Publikum können Sie in dieser Saison als Hauptsolistin oder -solisten gemeinsam mit dem die grossen Konzerthäuser und berühren das Publikum. Der Konzertausfall in der letzten Saison Orchester geniessen. aufgrund des Coronavirus hat uns eindrücklich vor Augen geführt, dass sich das Erlebnis eines klassischen Konzertes in einem Konzertsaal kaum ersetzen lässt. Ich wünsche Ihnen wunderbare Konzerterlebnisse. 1948 fanden die ersten Klubhaus-Konzerte statt – mit grosser Freude begrüsse ich Sie über ein halbes Jahrhundert später in der Konzertsaison 2020/2021. Das Migros-Kulturprozent lebt heute noch den Grundgedanken von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler: Wir verschaffen der breiten Bevölkerung Zugang zu klassischer Musik auf höchstem künstlerischem Niveau zu moderaten Preisen. Hedy Graber Leiterin Direktion Kultur und Soziales Migros-Genossenschafts-Bund 4 5
G R A M M Z U M P RO Verehrtes Publikum, wie vernetzt unsere moderne Welt ist, wurde uns in der vergangenen Spielzeit auf bestürzende Was wären die Migros-Kulturprozent-Classics ohne zugkräftige Solisten? Im Mittelpunkt unserer Weise bewusst: Der kulturelle Stillstand aufgrund der Corona-Pandemie betraf den gesamten Konzerte stehen diesmal vor allem Geiger wie Frank-Peter Zimmermann, Vilde Frang, Timothy Globus, grosse und kleine Veranstalter ebenso wie gewachsene Institutionen und die freie Chooi und Nikolaj Szeps-Znaider. Den Abschluss der Saison aber bildet ein Projekt, das ganz Szene. Natürlich hoffen wir, dass sich eine derartige Situation nicht so schnell wiederholt – und ohne Solisten auskommt und das es so in der Schweiz wohl noch nie gab: Das BBC Symphony setzen auch in dieser Saison ganz gezielt auf internationale Kooperationen. Orchestra wird sämtliche Sinfonien von Jean Sibelius an drei aufeinanderfolgenden Tagen präsentieren. Und am Dirigentenpult steht kein Geringerer als Sakari Oramo, Landsmann So sind erneut Musiker aus China bei uns zu Gast, um mit uns den 150. Geburtstag des Kompo- von Sibelius und Spezialist für dessen Werke. nisten Franz Lehár zu feiern. Drei Mal wird Lehárs Erfolgsoperette «Das Land des Lächelns» im November zu hören sein, dargeboten von Orchester und Chor der Oper Shanghai, einem der Dass auch die Verbundenheit zur Schweiz nicht zu kurz kommt, dafür sorgt unser bewährtes besten Opernhäuser Asiens. Ansonsten geben sich wieder Künstlerinnen und Künstler aus Programm «Ouvertüre»: Zu Beginn ausgewählter Konzerte bekommen die besten Nachwuchs- ganz Europa die Ehre: vom Budapest Festival Orchestra über das European Union Youth Orchestra künstlerinnen und -künstler unseres Landes die Gelegenheit, sich einem grossen Publikum bis zu François-Xavier Roths «Les Siècles». Besonders freuen wir uns auf das Israel Philharmonic vorzustellen. Nehmen wir dies als Anlass, hoffnungsfroh in die Zukunft zu blicken! Orchestra unter Stardirigent Lahav Shani. 2020 ist Beethoven-Jahr. Auch wir möchten unseren Beitrag hierzu leisten: durch Aufführungen der Sinfonien 3 und 4 unter Vladimir Jurowski und Iván Fischer gleich zu Beginn der Spielzeit sowie des Violinkonzerts, das Isabelle Faust zusammen mit dem DSO Berlin im März interpretieren wird. Hochkarätig auch das Luzern-Gastspiel des Orchestre des Champs-Elysées unter Philippe Herreweghe mit Beethovens Missa Solemnis. Mischa Damev Intendant Migros-Kulturprozent-Classics 6 7
OU V E R T Ü R E Auch in der Saison 2020/21 bieten die Migros-Kulturprozent-Classics ausgewählten Talenten aus der Schweiz zu Beginn zahlreicher Konzerte die Chance, sich dem heimischen Publikum vorzustellen. Nach ihrem Auftritt wird jeweils der Applaus gemessen. Das Nachwuchstalent mit dem stärksten Zuspruch wird in der kommenden Saison als Solist oder Solistin engagiert. Eine «Ouvertüre» also in doppelter Hinsicht: nicht nur als Einstimmung auf den Konzertabend, sondern auch als Türöffner für die Stars von morgen. «Ouvertüre»-Talente der Saison 2019/20 mit der Gewinnerin Valentine Michaud (mehr dazu auf Seite 37) zil © Amélie Kor Besenv al © Gabrielle zener Edouard Mät ichaud Valentine M Chris toph Croisé 9
Konzert 1 – Abo I © Jean-Baptiste Millot Casino Bern Budapest Festival Orchestra Mittwoch, 21. Oktober 2020, 19.30 h Iván Fischer (Leitung) Alexandre Kantorow (Klavier) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Benjamin Britten (1913–1976) Dawn «Four Sea Interludes» aus der Oper Sunday Morning «Peter Grimes» op. 33a (ca. 16') Moonlight Storm Franz Liszt (1811–1886) Adagio sostenuto assai – Allegro agitato assai Konzert für Klavier und Orchester Allegro moderato – Allegro deciso – Nr. 2 A-Dur S 125 (ca. 21') Marziale un poco meno allegro – Allegro animato Pause Ludwig van Beethoven (1770–1827) Adagio – Allegro vivace Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 (ca. 35') Adagio Menuetto. Allegro vivace – Un poco meno allegro Allegro ma non troppo antorow Alexandre K 10 11
PR O G R A M M junge Virtuose sein kompositorisches Vermögen Schumann die 4. Sinfonie von Ludwig van Beet- unter Beweis stellen wollte. 1839 scheint eine hoven. Das war lobend gemeint, doch im Zuge Ko n z e r t 1 erste Version des Stücks vorgelegen zu haben, der heroischen Beethoven-Rezeption hatte es fertig gestellt wurde es aber erst in Liszts Wei- das B-Dur-Werk immer schwerer, sich gegen- marer Zeit. Selbst nach der Uraufführung im über seinen Schwesterwerken, den pathetisch- Benjamin Britten (1913–1976) Der Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Januar 1857, mit Liszt am Dirigentenpult und trotzigen Nrn. 3 und 5, zu behaupten. Alles ist «Four Sea Interludes» aus der Oper Gesellschaft, zwischen Individualität und Anpas- seinem Schüler Hans von Bronsart als Solisten, hier auf klassisches Mass zurückgedrängt, die «Peter Grimes» op. 33a sung bildet die Triebfeder des Geschehens – kam es noch zu Revisionen. formale Anlage ebenso wie die thematische Der Aussenseiter, der zum Mörder wird: Dieses kein Wunder angesichts der Erfahrungen, die Warum diese vielen Überarbeitungen? Neben Gestalt, das Ganze zudem mit einer ordentlichen Handlungsschema liegt nicht nur Bergs «Wozzeck» Europa gerade mit diversen Diktaturen gemacht spieltechnischen und instrumentatorischen Prise Humor gewürzt. und Schostakowitschs «Lady Macbeth von hatte. Es gibt aber noch ein zweites, ebenso Aspekten sind hier vor allem formale Gründe zu Unterschätzen sollte man die Vierte allerdings Mzensk» zugrunde, sondern auch Benjamin wichtiges Thema der Oper: das Meer. Britten, nennen. Schon der junge Liszt strebte nach einer nicht. Hinter ihrer freundlichen Fassade ver- Brittens 1945 uraufgeführter Oper «Peter Grimes». aufgewachsen an der englischen Ostküste, ging Emanzipation vom traditionellen Formenkanon. steckt sich nämlich ein ästhetisches Programm, Wobei unklar bleibt, ob Grimes, der eigenbröt- es darum, «meinem Wissen um den ewigen Dies gelang ihm jedoch nicht auf Anhieb, son- das eine Errungenschaft, die Beethoven von lerische Fischer, seinen Lehrling tatsächlich Kampf der Männer und Frauen, die ihr Leben, dern erst nach einschlägigen Erfahrungen mit seinen Vorbildern Haydn und Mozart übernom- getötet hat. Die Dorfbewohner jedenfalls sind ihren Lebensunterhalt dem Meer abtrotzten, eigenen und fremden Werken, etwa Schuberts men hatte, auf die Spitze treibt: das Denken in davon überzeugt. Als auch der zweite Junge bei Ausdruck zu verleihen». «Wanderer-Fantasie», in der alle Sätze aus einem Polaritäten. Jeder Einzelsatz dieser Sinfonie einem tragischen Unfall stirbt, treiben sie Grimes Dieses Konzept schlägt sich vor allem in den identischen thematischen Kern erwachsen. arbeitet dezidiert mit Kontrasten: Moll gegen in den Tod. insgesamt sechs orchestralen Zwischenspielen Diese Idee prägt auch das Klavierkonzert A-Dur. Dur, Fanfare gegen Melodie (erster Satz), itten der Oper nieder. Vier von ihnen veröffentlichte Es ist einsätzig, besteht aber aus zahlreichen, in Gesang gegen Marsch (zweiter Satz), Zweier- Benjamin Br Britten separat: das zarte Erwachen des Tages Tempo und Charakter unterschiedlichen Abschnit- gegen Dreierrhythmus (dritter Satz), Energie über ruhiger See («Dawn»); Morgenstimmung, ten. Der zu Beginn von den Holzbläsern vorge- gegen Erstarrung (vierter Satz). Und in allen vier in die hinein Kirchenglocken tönen («Sunday stellte Gedanke dient hierbei als roter Faden – Sätzen prallen diese Gegensätze irgendwann Morning»); die geheimnisvolle Sphäre einer nicht im Sinne eines klassischen Hauptthemas, musikalisch aufeinander – nur werden die dar- Mondnacht («Moonlight») sowie eine Sturm- sondern als Erfindungskern, der je nach Umge- aus entstehenden Konflikte, anders als in den szene («Storm»). Diese Naturschilderungen sind bung in neuer Gestalt erscheint. So entspinnt Werken tragischen Charakters, rasch wieder mehr als nur moderne Programmmusik, sie ent- sich im Mittelteil des Konzerts ein zarter Dialog beigelegt, abgelöst durch Witz und Überra- werfen Gegenwelten, frei vom Kampf der Men- zwischen Solocello und Klavier über eben dieses schungseffekte. Dieser Befund spiegelt sich schen um ein gelingendes Miteinander. Thema, während es gegen Ende des Stücks als übrigens in der Entstehungsgeschichte der Vier- Triumphmarsch wiederkehrt. «Mit wenig Bau- ten, die parallel zur Sinfonie Nr. 5 komponiert Franz Liszt (1811–1886) steinen ein musikalisches Gebäude errichten», wurde, gleichsam als deren Alternative. Nicht Konzert für Klavier und Orchester so umriss Liszt sein Verfahren. immer klopft das Schicksal drohend an die Nr. 2 A-Dur S 125 Pforte; manchmal spielt es auch augenzwin- Wenige Werke haben eine so komplizierte Ludwig van Beethoven (1770–1827) kernd Komödie. Entstehungsgeschichte wie das Klavierkon- Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 zert A-Dur von Franz Liszt. Seine Anfänge Eine «griechisch schlanke Maid zwischen zwei reichen in die 1830er-Jahre zurück, als der Nordlandriesen», so charakterisierte Robert 12 13
INTE R P R E T E N Iván Fischer Ein wenig seltsam ist es schon, dass der Ungar Orchestra. Mit dessen Siegeszug durch die inter- Ko n z e r t 1 Iván Fischer im deutschsprachigen Raum erst so nationalen Konzertsäle wurde auch Fischer die spät auf sich aufmerksam machte. Nach einer gebührende Aufmerksamkeit zuteil. Neben Gast- Ausbildung als Pianist, Geiger und Cellist, nach dirigaten in den USA und Grossbritannien über- Kompositions- und Dirigierstudium in Budapest nahm er die musikalische Leitung des Berliner und Wien arbeitete er als Assistent Harnon- Konzerthauses am Gendarmenmarkt. Seine CD- courts in Salzburg, doch sein Durchbruch gelang Einspielungen von Werken Mozarts, Mahlers ihm in England: 1976 Sieg beim Dirigentenwett- und Bartóks errangen zahlreiche Preise, darunter Budapest Festival Orchestra bewerb in London, 1979 Chefposten bei der den Gramophone Award, den Diapason d’Or und In beeindruckender Geschwindigkeit hat sich rikas ebenso zu hören wie im asiatischen Raum. Northern Sinfonia, 1982 Welttournee mit dem eine Grammy-Nominierung. 2006 erhielt Fischer, das Budapest Festival Orchestra vom Projekt Für seine Einspielungen von Werken Mahlers, London Symphony Orchestra. Im Anschluss wid- der auch komponiert, die höchste ungarische orchester für junge Talente zu einem der besten Bartóks und Mozarts gab es zahlreiche Aus- mete sich Fischer verstärkt Aktivitäten in der Auszeichnung für Künstler, den Kossuth-Preis. Klangkörper weltweit entwickelt, der heraus zeichnungen, darunter gleich zwei Grammys. Heimat, v.a. dem Aufbau des Budapest Festival ragende Qualität und Experimentierfreude mit Darüber hinaus ist dem Budapest Festival internationaler Strahlkraft verbindet. Ins Leben Orchestra die «Basisarbeit» wichtig: Es hat nicht Alexandre Kantorow gerufen wurde es 1983 vom Pianisten Zoltán nur Kinder- und Gesprächskonzerte im Pro- 2019 ging Alexandre Kantorows Stern kometen- Seitdem hat er mit renommierten Orchestern Kocsis und dem Dirigenten Iván Fischer, der noch gramm, sondern veranstaltet auch ein eigenes haft auf, als er den renommierten Tschaikowski- wie dem Concertgebouw Amsterdam, dem heute an der Spitze des Orchesters steht. Es ist Musikfest, das Bridging Europe Festival. Und Wettbewerb in Moskau gewann – mit 22 Jahren Mariinsky oder dem Konzerthausorchester Ber- regelmässiger Gast bei den Festivals und Fest- jedes Jahr im Juni spielt es zum Tanz in der und als erster französischer Pianist überhaupt. lin konzertiert. Ausserdem spielte er CDs mit spielen von Salzburg, Edinburgh, London, Luzern, Budapester Innenstadt auf, mit Hunderten Kin- Das Votum von Kritikern und Publikum war so französischer und russischer Klaviermusik ein, Bonn und Prag, war auf den Bühnen Nordame- dern als Mitwirkenden. eindeutig, dass Kantorow zusätzlich mit dem darunter die hochgelobte Aufnahme dreier Grand Prix für die beste Leistung aller Instrumen- Konzerte von Camille Saint-Saëns mit der talisten geehrt wurde. Dabei hatte sich der Diri- Tapiola Sinfonietta unter Leitung seines Vaters gentensohn aus Clermont-Ferrand erst nach dem Jean-Jacques Kantorow. «Er verfügt über Abitur entschlossen, Berufsmusiker zu werden. ebenso viel Kraft wie Sensi- bilität», urteilte das Fach- magazin klassik.com, und die britische Presse verglich Kantorow sogar schon mit dem jungen Franz Liszt. antorow Alexandre K r Iván Fische stra 14 stival Orche 15 Budapest Fe
Konzert 2 – Abo II 150 Jahre Franz Lehár Casino Bern Shanghai Opera House Orchestra Sonntag, 15. November 2020, 17.00 h and Chorus Xu Zhong (Leitung) Zhang Huiyong (Sopran) Shi Yijie (Tenor) Yu Haolei (Tenor) Programm Franz Lehár (1870–1948) Operette «Das Land des Lächelns» (Konzertversion, ca. 120') Pause nach ca. 50' s Lächelns» «Das Land de 16 17
PR O G R A M M Kon z er t 2 Franz Lehár (1870–1948) nen durch. In den Zwanzigerjahren aber, bedingt Das Land des Lächelns auch durch die Erfahrungen des Weltkriegs, Romantische Operette in drei Akten begann sich der Publikumsgeschmack zu wan- Text von Ludwig Herzer und deln. Lehár und seine Librettisten bauten nun Fritz Löhner-Beda nach dem Libretto zunehmend tragische Elemente in ihre Stücke der Erstfassung von Viktor Léon ein: «Paganini» und «Der Zarewitsch» enden mit Als romantische Operette hat Franz Léhar sein Entsagung und Verzicht, schärfen andererseits Erfolgsstück «Das Land des Lächelns» (1929) aber auch das charakterliche Profil ihrer Prota- bezeichnet. Was er damit meinte, wird durch gonisten – die Nähe zur Oper ist unübersehbar. den Vergleich mit der Erstfassung des Werks Im «Land des Lächelns» sind die beiden Haupt- klar. Diese hatte sechs Jahre vorher unter dem figuren von Beginn an unterschiedlich gezeich- Titel «Die gelbe Jacke» Premiere; die Unter- net: hier Lisa, die lebenslustige Tochter aus schiede betreffen weniger die Handlung selbst gutem Wiener Hause, dort Sou-Chong, der als deren dramatischen Kern. In beiden Fällen zurückhaltende Prinz aus dem Fernen Osten. steht der Protagonist, der chinesische Prinz Sou- Was beide eint, ist nicht nur die Liebe, die sie Chong, vor der Frage, ob er seinen Gefühlen füreinander empfinden, sondern auch das Franz Lehár folgen soll oder gesellschaftlichen Pflichten. Wo Geflecht aus sozialen Zwängen, in dem sie in der Erstfassung alles auf ein operettentypi- gefangen sind. Sou-Chong darf keine Auslän Für «Das Land des Lächelns» bzw. für die Erst- sches Happy End zusteuert, gibt es für diesen derin heiraten, Lisa kann nicht aus ihrer euro fassung von 1923 entwickelte Lehár eine ganz zutiefst romantischen Konflikt im «Land des päisch-bürgerlichen Haut. Im zweiten Akt, am eigene Musiksprache mit zahlreichen Exotis- Lächelns» keine Lösung – es endet tragisch. chinesischen Hof, werden diese Differenzen men und schillernden Klangfarben. Einige Arien, Eine Neugewichtung, die nicht von ungefähr offensichtlich, so sehr man sich auch der gegen- darunter das berühmte «Dein ist mein ganzes kam. Léhar, Sohn eines Militärkapellmeisters seitigen Gefühle versichert. Die Trennung ist Herz» aus dem zweiten Akt, schrieb er als Zug- und Schüler von Antonín Dvořák, hatte seine unausweichlich und wird nur dadurch abgemil- nummern für den Startenor Richard Tauber. ersten Erfolge mit heiteren Bühnenwerken dert, dass beide auf treue Weggefährten aus Dank Tauber wurde das Werk, anders übrigens gefeiert. Ob «Die lustige Witwe», «Eva» oder der jeweils eigenen gesellschaftlichen Sphäre als «Die gelbe Jacke», von Beginn an ein grosser «Der Graf von Luxemburg»: Stets setzt sich die bauen können: Lisa auf den ihr ergebenen Grafen Erfolg. Schon ein Jahr nach der Uraufführung in Sprache des Herzens gegen Standeskonventio- Gustav, Sou-Chong auf seine Schwester Mi. Berlin wurde es verfilmt. 18
IN T E R P R E T E N Kon z er t 2 Shanghai Opera Symphony Orchestra and Choir Xu Zhong Neben Beijing hat sich die Küstenstadt Shanghai Schostakowitsch und vielen anderen. Daneben Ein Vermittler zwischen fernöstlicher und euro- übernahm er die künstlerische Leitung des Opern- als eine der kulturellen Metropolen Chinas eta- hat es auch chinesische «Klassiker» wie das päischer Kultur wurde der aus Shanghai stam- hauses von Catania – als erster Chinese in Italien bliert, was sich unter anderem in einer Vielzahl Klavierkonzert «Yellow River» oder das Violin- mende Pianist und Dirigent Xu Zhong einmal überhaupt. Xu Zhong ist Generalmusikdirektor von klassischen Orchestern niederschlägt. Eines konzert «Butterfly Lovers» im Programm. Von genannt. Ersten Klavierunterricht erhielt er noch des Sinfonieorchesters Haifa und Direktor der der renommiertesten ist das Sinfonieorchester seiner gestiegenen Reputation zeugen diverse in der Zeit der chinesischen Kulturrevolution, als Fondazione Arena di Verona. Sein vermutlich der Oper Shanghai, das 1956 gegründet wurde. Auslandstourneen, die das Orchester in den die Musik des Westens weithin verpönt war. wichtigstes Amt aber hat er in seiner Heimat- Unter Gastdirigenten wie Lorin Maazel, Thomas letzten Jahren unternommen hat, unter anderem Später konnte er nach Europa übersiedeln und stadt Shanghai angetreten, als Intendant des Sanderling, Markus Stenz und Jan Latham- nach Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, seine Ausbildung am Pariser Konservatorium dortigen Opernhauses. 2010 wurde er vom fran- Koenig konnte es sich ein breites Repertoire Italien und jüngst auch in die USA. Chefdirigen- fortsetzen. Als Pianist gewann er diverse Preise, zösischen Kulturministerium für seine Verdienste sinfonischer Literatur erarbeiten: Werke von ten sind aktuell Zhang Chengjie, Lin Yousheng u.a. bei Wettbewerben in Tokio, Santander und als Kulturvermittler zum «Chevalier de l’Ordre Beethoven, Tschaikowski, Brahms, Mahler, und Zhang Guoyong. beim Tschaikowski-Wettbewerb Moskau. 2012 des Arts et des Lettres» ernannt. Xu Zhong d Choir 20 rchestra an 21 pera S ymphony O Shanghai O
IN T E R P R E T E N Shi Yijie Shi Yijie zählt zu den renommiertesten chinesi- Venedig und die Oper San Francisco. Shi sang Kon z er t 2 schen Tenören seiner Generation. Er stammt aus unter Dirigenten wie Kent Nagano, Antonio Shanghai, machte aber schon bald im Ausland Pappano und Zubin Mehta. Sein Repertoire Karriere: Studium in Tokyo, Graz-Stipendium, reicht von Mozart (Requiem, «Entführung») über Sieg bei diversen Gesangswettbewerben in Rossini («Il viaggio a Reims», «Guillaume Tell») Österreich, Italien und Deutschland. Nach umju- und Verdi («Falstaff», «Tancredi») bis zu Strauss belten Auftritten beim Rossini Festival in und Janáček. Auch in der Heimat ist der Tenor Pesaro, die auch auf DVD dokumentiert sind, nach wie vor tätig, bevorzugt bei Gastspielen an wurde er von grossen Häusern aus der ganzen den Opernhäusern von Beijing und Shanghai; Zhang Huiyong Welt eingeladen, unter ihnen die New Yorker ausserdem hat er ein Professur für Gesang in Die Sopranistin Zhang Huiyong fungiert aktuell des abendländischen Repertoires, wo sie die Met, die Deutsche Oper Berlin, La Fenice in Hunan und bietet weltweit Masterclasses an. als Leiterin der Solistenabteilung am Opernhaus Violetta («La Traviata»), Micaela («Carmen») Shanghai. Nach ihrem Studium an der Kunst- und Nannetta («Falstaff») gab, als auch in klas- Yu Haolei hochschule von Nanjing bei Prof. Gu Xuezhen sischen chinesischen Opern wie «The Savage Durch zahlreiche Auftritte im In- und Ausland dem Theater Erfurt. Mehrfach war Yu musikali- nahm sie mit Erfolg an mehreren Gesangswett- Land», «The Song of Yanzi» oder «Eighteen konnte sich der Tenor Yu Haolei ein breites scher Botschafter seines Heimatlandes, etwa bewerben teil. So gewann sie beim 9. Nach- Springs». Diese stilistische Vielseitigkeit hat Repertoire an Rollen erarbeiten. Nach seinem bei der Feier zum 60-jährigen Jubiläum der diplo- wuchswettbewerb des chinesischen Staats- Zhang Huiyong auch in etlichen CD-Einspielun- Studium in Shenyang, dem Zentrum der Mand- matischen Beziehungen zwischen China und fernsehens den 3. Preis in der Sparte Belcanto, gen unter Beweis gestellt. Bereits mehrfach schurei, schaffte er 2017 den Sprung nach Europa Indien oder zum Gedenken an das Ende des bei der 3. Austragung des Gesangswettbe- wurde sie von der niederländischen Reisopera durch Aufnahme in das Jette Parker Young Weltkriegs in Singapur und im südkoreanischen werbs der Provinz Jiangsu belegte sie den ers- für Produktionen eingeladen («Hôtel de Pékin», Artists Programm am Londoner Royal Opera Busan (Beethoven, 9. Sinfonie). Gastspiele als ten Platz. Seither hat sie in zahlreichen Bühnen- «Don Pasquale»). House. Es folgten Auftritte in «La Traviata», «Die Mitglied des Opernhauses Shanghai führten werken mitgewirkt, und zwar sowohl im Bereich Fledermaus», «Die lustigen Weiber von Windsor» ihn nicht nur nach Asien, sondern auch nach sowie als Erik in «Der fliegende Holländer», einer Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Estland Koproduktion des Opernhauses Shanghai mit sowie in die Vereinigten Arabischen Emirate. Yu Haolei Shi Yijie ng Zhang Huiyo 22 23
Konzert 3 – Abo II © Marco Borggreve Casino Bern Les Siècles Dienstag, 5. Januar 2021, 19.30 h François-Xavier Roth (Leitung) Vilde Frang (Violine) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Robert Schumann (1810–1856) In kräftigem, nicht zu schnellem Tempo Konzert für Violine und Orchester Langsam d-Moll (ca. 33') Lebhaft, doch nicht zu schnell Pause Modest Mussorgski (1839–1881) Promenade «Bilder einer Ausstellung» Gnomus (arr. Maurice Ravel, ca. 35') Promenade Das alte Schloss Promenade Die Tuilerien Bydło Promenade Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen Samuel Goldenberg und Schmuyle Der Marktplatz von Limoges Catacombae. Sepulcrum Romanum – Cum mortuis in lingua mortua Die Hütte auf Hühnerfüssen Das grosse Tor von Kiew Vilde Frang 24 25
PR O G R A M M Ko n z e r t 3 Robert Schumann (1810–1856) dungen, Zitaten und Erinnerungsfetzen. Ein Spät- Konzert für Violine und Orchester d-Moll werk, ja – aber nicht im Sinne nachlassender Das Schicksal, das Robert Schumanns Violinkon- Kreativität, sondern als Summe eines Lebens, zert erlitt, ist kaum anders als tragisch zu nennen. das sich seiner Endlichkeit nur zu bewusst ist. Ein echtes Spätwerk, entstanden nur wenige Monate vor dem geistigen Zusammenbruch des Modest Mussorgski (1839–1881) Komponisten, wurde es nach seinem Tod von «Bilder einer Ausstellung» Schumanns Witwe Clara und dem Widmungs- (arr. Maurice Ravel) träger Joseph Joachim zurückgehalten; die Für Modest Mussorgski war Kunst vor allem Furcht, es halte nicht das Niveau früherer eines: Mittel zur Kommunikation. Kaum eine Schöpfungen, war zu gross. Und als das Stück Komposition kommt diesem Anspruch so nahe in den 1930ern wiederentdeckt und erstmals wie sein Klavierzyklus «Bilder einer Ausstel- öffentlich aufgeführt wurde, diente es den Nati- lung». Kommuniziert wird hier auf ganz verschie- onalsozialisten als Propagandawerk, das Men- denen Ebenen: zwischen dem Komponisten und delssohns beliebtem Violinkonzert den Rang seinem Freund, dem Maler Viktor Hartmann, ablaufen sollte. Erst durch den unermüdlichen zwischen Musik und Bild, Hörer und Ausführen- Einsatz Yehudi Menuhins und anderer Geiger dem, Geschichte und Gegenwart. Und dieses gelang die Rehabilitation. «Gespräch» wird bis heute weitergeführt, denn Zum Glück, muss man sagen, steht Schumanns noch immer dienen die «Bilder einer Ausstel- Violinkonzert doch würdig neben denen Beet lung» als Ausgangspunkt für neue Kunstpro- sorgski Modest Mus hovens, Mendelssohns und Brahms’. Nicht jekte, seien sie musikalischer, visueller oder obwohl, sondern weil es ganz anders ist als literarischer Art. Zehn Gemälde werden hier mit klanglichen Mit- diese: lyrisch, introvertiert, gleichsam dunkel Eine Bearbeitung war es auch, die dem Werk teln beschrieben: Ruinen, skurrile Gestalten, glühend und von einer Ausdruckstiefe, wie sie zu Weltruhm verhalf. Mussorgski schrieb den spielende Kinder, eine Marktszene. In reiner in keinem anderen Solokonzert des 19. Jahrhun- Zyklus 1874 als Nachklang zu einer Ausstel‑ Abbildfunktion beschränkt sich die Musik aber derts erreicht wird. Äusserlich, in Bezug auf die lung mit Bildern des kurz zuvor verstorbenen nicht, immer schafft sie eigene Welten, die über Satzfolge, die technischen Ansprüche an den Hartmann. Im Druck erschien die Komposition das konkrete Detail hinausgehen. Vom mysti- Solisten und den Wechsel von Moll nach Dur, erst 1886, also posthum. Und es dauerte bis schen Mittelalter über herzzerreissendes Leid erfüllt es die Konventionen. In seinem Inneren zum Jahr 1922, dass Maurice Ravel auf Anre- bis zur Todesnähe reicht der Ausdrucksbogen. dagegen ist es ein subtil revolutionäres Werk gung des Dirigenten Kussewitzki eine Orches- Und dann ist da noch der Betrachter, das lyri- mit einer ganz eigenen Zeitstruktur, mit melodi- terfassung der «Bilder» erstellte und ihnen so sche Ich, das von Bild zu Bild promeniert und die schen Suchbewegungen, gebrochenen Empfin- den Weg in die grossen Konzertsäle bahnte. Eindrücke auf sich wirken lässt. 26 27
INTE R P R E T E N François-Xavier Roth Im Jahr 2020 erhielt François-Xavier Roth den Gastdirigent des London Symphony Orchestra. Ko n z e r t 3 Ehrenpreis der deutschen Schallplattenkritik: Parallel hierzu hat Roth immer wieder versucht, als Musiker, der in seinem Wirkungskreis neue der Szene neue Impulse zu geben, vor allem Massstäbe setzte, wie es in der Jurybegrün- durch die Gründung von «Les Siècles» mit sei- dung heisst. Damit ist die Arbeit des 1971 nen weit gefächerten musikalischen und sozi- geborenen Organistensohnes gut umrissen: alen Aktivitäten. In Paris und Köln initiierte er Nach Flöten- und Dirigierstudium in Paris ver- aufsehenerregende Education-Projekte und diente er sich seine Meriten in London, Cardiff rief Nachwuchsensembles wie das Jeune Les Siècles und Lüttich, bevor er 2011 Chefdirigent des Orchestre Européen Hector Berlioz ins Leben. Als François-Xavier Roth 2003 «Les Siècles» jedem Werk den passenden Klang zu verleihen. renommierten SWR Sinfonieorchesters Baden- Der französische Präsident honorierte dieses gründete, war das nicht einfach ein weiteres Entsprechend breitgefächert ist ihr Repertoire, Baden und Freiburg wurde. Derzeit ist er Gene- Engagement 2017 mit der Ernennung Roths Spezialensemble für klassische Musik, zusam- das vom Barock bis zur Moderne reicht. Ihre ralmusikdirektor der Stadt Köln sowie Erster zum Ritter der Ehrenlegion. mengestellt aus den besten Instrumentalisten CD-Einspielungen mit Werken von Debussy, Frankreichs. Dahinter stand vielmehr die Idee, Strawinski und Ravel heimsten jede Menge Vilde Frang neue Konzertformen zu erkunden: Musik in Auszeichnungen ein, darunter den Jahrespreis «Vilde Frang ist alles ausser Mainstream.» So Korngold und Britten, sie spielt Schönberg, Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen und der deutschen Schallplattenkritik, den Edison brachte SRF das Erscheinungsbild der norwegi- Bartók und Strauss. Trotzdem wird sie mit Pub- Gefängnissen beispielsweise, ergänzt um eine Klassiek sowie den französischen Victoire. «Les schen Geigerin anlässlich ihrer Schweiz-Tournee likumspreisen geradezu überschüttet, vom Grand TV-Show sowie einen Ausbildungsstandort bei Siècles» ist künstlerischer Partner der Philhar- 2014 auf den Punkt. Mit Starallüren und glattem Prix du Disque über den Edison Klassiek und den Paris. Und noch eine Besonderheit: Den Musi- monie de Paris und arbeitet darüber hinaus Geigenglamour hat die 1986 in Oslo geborene Preis der deutschen Schallplattenkritik bis hin kern von «Les Siècles» steht ein Fundus von regelmässig mit verschiedenen Theatern in ganz Frang in der Tat nichts am Hut. Ihre Auftritte und zum Gramophone Award. Und natürlich fusst Instrumenten aus unterschiedlichen Epochen Frankreich zusammen. vor allem ihr Spiel bestechen durch eine Natür- dieses Selbstverständnis auf einer umfassen- zur Verfügung, so dass sie in der Lage sind, lichkeit, die absolut authentisch wirkt. Aus die- den geigerischen Ausbildung. Obwohl Vilde sem Grund kann sie sich auch künstlerische Frang schon mit zehn im Rundfunk debütierte, Wege abseits des Gewohnten leisten: Ihr suchte sie noch lange, bis 2009 nämlich, den Repertoire umfasst Solokonzerte von Nielsen, Kontakt zu Mentoren wie Anne- Sophie Mutter, Kolja Blacher und Ana Chumachenco. Vilde Frang Roth Fran çois-Xavier 28 29 Les Siècles
Konzert 4 – Abo I © Felix Broede Casino Bern Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Mittwoch, 17. März 2021, 19.30 h Robin Ticciati (Leitung) Isabelle Faust (Violine) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Ludwig van Beethoven (1770–1827) Allegro ma non troppo Konzert für Violine und Orchester Larghetto D-Dur op. 61 (ca. 42') Rondo. Allegro Pause Hector Berlioz (1803–1869) Largo – Allegro agitato e appassionato assai Symphonie fantastique Un bal. Valse: Allegro non troppo Episode de la vie d’un artiste op. 14 (ca. 50') Scène aux champs. Adagio Marche au supplice. Allegretto non troppo Songe d’une nuit du Sabbat. Larghetto – Allegro t Isabelle Faus 30 31
PR O G R A M M seiner eigenen Hinrichtung bei, bevor die Sinfo- Verwendung von Harfen in einer Sinfonie, son- nie mit einem Hexensabbat schliesst, zu dem dern auch szenische Elemente, Raumklänge, Ko n z e r t 4 auch die Geliebte kommt. die Sinfonie als «drame instrumental». Als Dass dieses «bizarre Nachtstück» (Heinrich besonders zukunftsträchtig sollte sich seine Heine) nicht bei allen Hörern auf Gegenliebe Erfindung der «idée fixe» erweisen, eines Leit- Ludwig van Beethoven (1770–1827) Paukenschlägen, beantwortet von Holzbläser- stiess, verwundert kaum. Schon bald aber gedankens, der die geliebte Person verkörpert Konzert für Violine und Orchester gesang. Und weil die Streicher erst danach in wurde klar, welche Innovationen Berlioz hier und in allen Sätzen wiederkehrt – von hier D-Dur op. 61 Erscheinung treten, geht es auch um den Gegen- auf den Weg gebracht hatte: nicht nur eine war es nur noch ein kleiner Schritt hin zur Kaum zu glauben, aber eines der beliebtesten satz der Klangfarben. Selbst im burschikosen Vielzahl neuer Klangfarben oder die erstmalige Leitmotivik Wagners. Violinkonzerte der Musikgeschichte, das Ludwig Finale kommt es zu solchen Überraschungen, van Beethovens, schlief zu Lebzeiten seines wenn der Solist mit einzelnen Instrumenten- z Schöpfers einen Dornröschenschlaf. Nach der gruppen (den Bässen, den Geigen, den Hörnern Hector Berlio halbwegs erfolgreichen Uraufführung Ende 1806 usw.) dialogisiert, als wäre das Ganze ein Stück durch den Wiener Geiger Franz Clement, einen Kammermusik. Freund Beethovens, wurde es über viele Jahre hinweg kaum noch gespielt. Erst Mendelssohn Hector Berlioz (1803–1869) und der junge Violinvirtuose Joseph Joachim Symphonie fantastique verhalfen dem Werk 1844 in London zur Rück- Episode de la vie d’un artiste op. 14 kehr auf die Konzertbühne. Hector Berlioz war 24 und als Komponist so gut Warum diese sträfliche Missachtung? Zum wie unbekannt, als er sich in die irische Shake- einen verweigert Beethoven seinem Solisten speare-Darstellerin Harriet Smithson verliebte. allen vordergründigen Glanz – ein Schicksal, Die Nichtbeachtung durch Smithson liess seine das op. 61 mit den Violinkonzerten Schumanns Gefühle immer wieder in ihr Gegenteil, in Ver- und Brahms’ teilt. Zum anderen ist das Stück zweiflung und Hass, umschlagen – bis sich die- gestaltet wie eine Sinfonie: Nicht die Themen ser emotionale Überschuss ein Ventil suchte. selbst sind das Entscheidende, sondern ihr 1830, mit 27 Jahren, komponierte Berlioz eine Potenzial, also das, was sich aus ihnen machen Sinfonie, deren fünf Sätze «Episoden aus einem lässt. Solist und Orchester tragen Melodien Künstlerleben» schildern sollten. vor, die aus den einfachsten Bausteinen zusam- Wie genau er sich diesen Inhalt vorstellte, mengesetzt sind, fast ausschliesslich Tonleitern beschrieb er in einem ausführlichen Programm, und Dreiklänge. Und so verlagert sich die Auf- das den verblüfften Pariser Uraufführungsbesu- merksamkeit auf den Prozess, auf das Spiel der chern ausgehändigt wurde. Demnach gibt sich musikalischen Kräfte. der Künstler im ersten Satz seinen leidenschaft- Und welche Kräfte sind das hier? Eben nicht nur lichen Empfindungen hin, durchlebt im zweiten Solist und Orchester, die einander die Bälle den Rausch einer Ballnacht, um im dritten Ruhe zuwerfen. Sondern auch Rhythmus und Melo- in der Natur zu suchen. Es folgen zwei Traum- die: Das Konzert beginnt mit vier einsamen passagen: Im vierten Satz wohnt der Künstler 32 33
INTE R P R E T E N Robin Ticciati Superlative begleiten den Dirigenten Robin phoniker. Seine besondere Vorliebe für die Oper Ko n z e r t 4 Ticciati von Beginn seiner Karriere an. Mit spiegelt sich in seinen Auftritten an Covent gerade einmal 19 Jahren erhielt der Londoner Garden, der Metropolitan Opera New York und Nachwuchsstar die Arthur-Belgin-Medaille als am Opernhaus Zürich. 2014 trat er sein Amt «Most Outstanding Musician of the Year», drei als Music Director der Glyndebourne Festival Jahre später war er der jüngste Dirigent, der Opera an. Für seine Brahms-Einspielung mit jemals an der Mailänder Scala auftrat. 2006 den Bamberger Symphonikern wurde Ticciati folgte sein Debüt bei den Salzburger Festspie- 2011 zum Nachwuchsdirigenten des Jahres Deutsches Symphonie-Orchester Berlin len mit Mozarts «Il sogno di Scipione». Von 2009 gekürt, auch seine Schumann- und Haydn- Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist das Orchester im Lauf der Zeit sämtliche wich- bis 2018 hatte Ticciati den Chefposten des Scot- Aufnahmen erhielten diverse Preise. Seit 2017 nur einer von mehreren exzellenten Klangkör- tigen Plattenpreise gewonnen, den Grammy tish Chamber Orchestra inne und war bis 2013 ist Ticciati Chefdirigent des Deutschen Sym- pern in der Bundeshauptstadt, kann aber auf ebenso wie den Preis der deutschen Schallplat- zudem Erster Gastdirigent der Bamberger Sym- phonie-Orchesters Berlin. eine eindrucksvolle Historie verweisen. Gegrün- tenkritik, den Grand Prix du Disque, den Diapason det nach dem Zweiten Weltkrieg als Radio- d’Or und viele mehr. Auch einige spektakuläre Isabelle Faust Orchester für den amerikanischen Sektor, ging Uraufführungen sind mit ihm verbunden, Ligetis Unter den grossen Geigerinnen ihrer Genera- Diapason d’Or, und 2017 wählte erneut das es später in die Verantwortung des deutschen Cellokonzert etwa oder das Opern-Oratorium «El tion zählt Isabelle Faust zu den Unbekannteren, Gramophone Magazine ihre Aufnahme mit den Rundfunks über. Zu seinen Chefdirigenten zähl- niño» von John Adams. Überhaupt hat das DSO zumindest beim Publikum. Vielleicht, weil sie Mozart-Konzerten zur Einspielung des Jahres. ten Ferenc Fricsay, Lorin Maazel, Kent Nagano sich immer wieder für zeitgenössische Musik jegliche Starallüren durch künstlerischen Ernst «Ihr Klang hat Leidenschaft, er hat Biss und er und Ingo Metzmacher; seit 2017 wird es von eingesetzt, was ihm in der Vergangenheit schon ersetzt? Die Kritikerzunft jedenfalls verlieh elektrisiert», urteilte die New York Times. Fausts Robin Ticciati geleitet. Für seine Aufnahmen hat diverse Ehrungen einbrachte. der Schwäbin schon lange das Etikett «Welt- künstlerische Bandbreite ist beeindruckend: Sie klasse». 1997 kürte die britische Gramophone reicht vom Barock bis zur Moderne und bezieht sie zur Nachwuchskünstlerin des Jahres, 2002 auch das Spiel auf historischen Instrumenten folgte der Cannes Classical Award. 2012 gab ein. 2014 etwa stellte sie Bachs Gesamtwerk für es für ihre Beethoven/Berg-CD gleich mehrere Violine solo an einem Konzertabend vor. Ihr Ins- Preise, darunter den Echo Klassik und den trument ist die lange verschol- lene «Dornröschen»-Stradivari von 1704. t Isabelle Faus ti Robin Ticcia 34 Berlin 35 -Orchester Symphonie Deutsches
Konzert 5 – Abo II © Priska Ketterer Casino Bern European Union Youth Orchestra Donnerstag, 8. April 2021, 19.30 h David Zinman (Leitung) Valentine Michaud (Saxophon), Gewinnerin «Ouvertüre» 2019/20 Programm Programm mit Schweizer Solistin Valentine Michaud, Gewinnerin «Ouvertüre» 2019/20 Bekanntgabe nach Drucklegung Pause Antonín Dvořák (1841–1904) Allegro con brio Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 (36') Adagio Scherzo. Allegretto grazioso Finale. Allegro ma non troppo David Zinman 36 37
PR O G R A M M Kon z er t 5 řák A ntonín D vo Antonín Dvořák (1841–1904) Im Scherzo unterläuft er sogar die Hörerwartun- Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 gen, indem statt eines rustikalen Volkstanzes Als der Kritiker Louis Ehlert 1878 die «Klänge ein wehmütiger Walzer erklingt; erst ganz zuletzt aus Mähren» von Antonín Dvořák zu Gesicht blitzt kurz ein echtes Volkslied auf, allerdings bekam, geriet er ins Schwärmen: «Eine himmli- versteckt in Oboen und Fagotten. sche Natürlichkeit fluthet durch diese Musik, Dvořák war also keineswegs der «Bauchmusi- daher sie ganz populär ist.» Nun, populär wur- ker», als der er vielen galt, sondern ein Künstler, den in erster Linie diejenigen Werke Dvořáks, der solche Folklorismen gezielt einsetzte. Auch die mit nationalen Tonfällen spielen: die Slawi- die vielfältigen Abweichungen vom klassischen schen Tänze, das Dumky-Trio, die Streichersere- Formenarsenal in der Achten sind Ergebnis nade und die 8. Sinfonie (1889). Freilich wäre es bewusster Planung: Im ersten Satz wird die fatal, Dvořák auf das Klischee vom «böhmischen Überfülle melodischer Einfälle durch das genau Musikanten» zu reduzieren. austarierte Verhältnis von Dur- und Moll-Passa- Das tschechische Kolorit der Sinfonie zum Bei- gen aufgefangen. Und im Finale durchdringen spiel ist eines aus zweiter Hand: Vom melan- sich so unterschiedliche Formkonzepte wie cholischen Beginn über den vexierbildartigen Rondo, Sonatensatz und Variationenzyklus, zweiten Satz bis zum überschäumenden Finale bevor die Wiederkehr der einleitenden Trompe- wählt Dvořák keine originalen Volksmelodien, tenfanfare das Geschehen rundet. sondern ahmt diese in Tonfall und Struktur nach. 38 39
INTER P R E T E N David Zinman «Musik ist eine bessere Welt. Sie drückt die Frühling, mit bestem Kontakt zum Publikum, Ko n z e r t 5 höchsten Ideale der Menschheit aus.» Gemäss neuen Konzertformaten und natürlich mit hoch- diesem Motto hat der Dirigent David Zinman gelobten Einspielungen, etwa den Sinfonien Hörern auf der ganzen Welt klassische Musik Beethovens, Schuberts und Mahlers. Die Liste nähergebracht: direkt, unverfälscht, voller Lei- seiner Auszeichnungen ist beeindruckend, sie denschaft. Bevor der New Yorker 1995 ans Ton- reicht von diversen Grammys über den Jahres- halle-Orchester Zürich wechselte, hatte er sich preis der deutschen Schallplattenkritik bis zum European Union Youth Orchestra in London, Amsterdam, Rochester und Rotterdam Kunstpreis der Stadt Zürich. 2012 wurde Zinman Seit 1976 leistet sich die Europäische Union ein Kontinent, sondern bis nach Asien, Nord- und internationale Meriten erworben. Zwischen 1985 in die American Classical Music Hall of Fame klassisches Orchester aus den besten Nach- Südamerika. Neben dem klassisch-romanti- und 1998 formte er das Baltimore Symphony aufgenommen, und selbstverständlich ist er wuchskräften ihrer Mitgliedstaaten: das Euro- schen Orchesterrepertoire spielt man immer Orchestra zu einem der besten Klangkörper der Ehrendirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich. pean Union Youth Orchestra EUYO. Bewerber wieder auch zeitgenössische Werke, etwa von USA. In Zürich aber erlebte er seinen zweiten durchlaufen einen intensiven Auswahlprozess, Erkki-Sven Tüür oder György Ligeti, der dem das Höchstalter beträgt 24 Jahre. Kein Wunder, Orchester lange persönlich verbunden war. Valentine Michaud dass das EUYO als Sprungbrett für erfolgreiche Chefdirigent ist derzeit Vasily Petrenko, der Mit 16 Jahren siedelte die Westfranzösin h aus ist die Künstlerin bereits aufgetreten; im Musikerkarrieren gilt: Über 90 Prozent seiner langjährige Leiter Bernard Haitink fungiert als Valentine Michaud in die Schweiz über, um September 2020 folgt ihr Debüt mit den Wiener Mitglieder finden später Stellen in Profiorches- Ehrendirigent. Ironie der Geschichte: Die Grün- zunächst an der Musikhochschule Lausanne Philharmonikern unter Gustavo Dudamel. Auch tern. Um als kultureller Botschafter der EU wahr- dung des EUYO geht auf zwei Briten zurück; und dann in Zürich Saxophon zu studieren. Schon im Duo mit der Pianistin Akvile Sileikaite ist genommen zu werden, unternimmt das EUYO nach dem Brexit wurde der Sitz des Orchesters bald stellten sich Erfolge ein: 2016 wurde Michaud äusserst erfolgreich (u.a. Swiss Ambas- jährlich mehrere Tourneen, nicht nur auf dem von London nach Rom verlegt … Michaud ins Nachwuchsprogramm von Migros- sador Award 2019). Besonders am Herzen liegen Kulturprozent-Classics aufgenommen, im selben ihr interdisziplinäre Projekte wie die Trilogie Jahr gewann sie den Holzbläserwettbewerb in «Waiting for Amon», die Tanz, Malerei und Musik Riga sowie 2020 den Credit Suisse Young kombiniert und die 2018 mit dem Zürcher Nico Artist Award. In renommierten Häusern wie Kaufmann Stipendium ausgezeichnet wurde. der Wigmore Hall und dem Wiener Konzert- Ausserdem bringt Valentine Michaud regelmässig neue Kompositionen für ihr Instru- ment zur Uraufführung. ichaud Valentine M an David Zinm Orchestra nion Youth 40 European U 41
Konzert 6 – Abo I © Benjamin Ealovega Alle Sibelius-Sinfonien in Genf, Bern und Zürich Casino Bern BBC Symphony Orchestra Dienstag, 4. Mai 2021, 19.30 h Sakari Oramo (Leitung) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Jean Sibelius (1865–1957) Tempo molto moderato, quasi adagio Sinfonie Nr. 4 a-Moll op. 63 (ca. 38') Allegro molto vivace Il tempo largo Allegro Pause Jean Sibelius Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 (ca. 50') Allegretto Tempo andante, ma rubato Vivacissimo – Lento e suave Finale. Allegro moderato o Sakari Oram 42 43
PR O G R A M M Kon z er t 6 Jean Sibelius (1865–1957) prägt; sowie mit tonalitätssprengenden Ele- Sinfonie Nr. 4 a-Moll op. 63 menten wie Ganztonleitern oder Bitonalität. Als die 4. Sinfonie von Jean Sibelius 1911 in Kein Wunder, dass es diese «vergeistigte» Helsinki zur Uraufführung kam, sorgte sie für (Sibelius) Musik schwer bei den Zeitgenossen erhebliche Irritationen. «Auf die Zuschauer hatte. Heute gilt die Vierte als herausragendes wirkte die 4. Sinfonie wie ein Schock», erinner- Beispiel für einen individuellen sinfonischen ten sich Zeitzeugen, «dieses asketische, karge Beitrag an der Schwelle zur Moderne. Werk blieb unbegreiflich.» Einen «Stilwechsel» hatte Jean Sibelius selbst angekündigt, freilich Jean Sibelius nur in seinem Tagebuch und auch da mit Frage- Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 zeichen in Form einer Selbstvergewisserung. Die 2. Sinfonie zählte schon früh zu den popu- Offenbar hatten seine Begegnungen mit der lärsten Schöpfungen von Jean Sibelius. Mit Musik der Moderne – Debussy, Mahler und ihren einprägsamen Melodien, ihrem anfangs Schönberg, – die er seit der Dritten gemacht pastoralen, zuletzt fast heroischen Ton wirkte hatte, Spuren hinterlassen. sie wie ein Gegenentwurf zur schroffen, her- Zum Auslöser für das neue Werk wurde ein Aus- metischen Vierten. Die hellen, freundlichen flug nach Nordkarelien im Herbst. «Einer der Farben des ersten und dritten Satzes brachte grössten Eindrücke meines Lebens», notierte man mit Sibelius’ Italienaufenthalt 1901 in Ver- Sibelius nach Besteigung des Berges Koli, und: bindung, während dessen ein grosser Teil der «Pläne». Direkt im Anschluss entstanden Skiz- Sinfonie entstand. Die Düsternis des langsa- s Jean Sibeliu zen zu einer Tondichtung mit dem Titel «La Mon- men Satzes dagegen liess sich auf die bedrü- tagne», die dann aber in die Sinfonie eingingen; ckende Situation in Finnland beziehen, das auch ein unvollendetes Orchesterlied nach Poes noch immer unter russischer Herrschaft stand. «The Raven» lieferte Material. Vor allem finnische Kritiker scheuten sich nicht, Sache komplizierter. Dass der Komponist durch den Rückhalt durch die Familie und gleichzeitig Entscheidender als diese Bezüge zu Natur und die Stimmungskurve der Sinfonie in direkte den Süden künstlerisch inspiriert wurde und eine gefährliche Typhus-Erkrankung der Tochter Poesie, zu Aussermusikalischem also, sind die Parallele zur politischen Lage zu setzen: glück- dass diese Inspiration in sein neues Werk ein- Ruth. Politisch war Sibelius natürlich ein Ver- neuen kompositorischen Massnahmen, die es liche Vergangenheit – Klage über die Gegen- floss, gab er selbst zu: Er sei «in dieser Schönheit fechter der finnischen Sache, ohne sich jedoch erlauben, von einem Stilwechsel zu sprechen. In wart – Auflehnung – Befreiung. Vor der Unab- und Wärme ein ganz anderer Mensch gewor- instrumentalisieren zu lassen. Und so ist auch der Vierten arbeitet Sibelius nicht mehr mit The- hängigkeit des Landes (1917) gab es solche den», schrieb er aus Rom. Auf der anderen Seite die 2. Sinfonie, selbst wenn all diese unter- men, sondern mit kurzen Motiven, die er ständig Interpretationen zuhauf, und noch 1945 wurde war sein privates Leben weiterhin von Wider- schiedlichen Erfahrungen in sie eingegangen variiert und fortentwickelt; mit einem Zentral die Zweite als «Finnlands Freiheitskampf» sprüchen durchzogen. Da gab es wachsenden sein sollten, ein autonomes Kunstwerk, das intervall, dem Tritonus, der sämtliche Sätze bezeichnet. Aber wie so oft bei Sibelius ist die künstlerischen Erfolg und dennoch Geldsorgen, seine ganz eigene Geschichte erzählt. 44 45
IN T E R P R E T E N Kon z er t 6 BBC Symphony Orchestra Sakari Oramo Fünf grosse Sinfonieorchester leistet sich die wo es traditionell die First und Last Night Als der Finne Sakari Oramo 1998 Nachfolger von Society zum Dirigenten des Jahres gekürt zu britische BBC, und das in London beheimatete bestreitet. Daneben widmet es sich schwer- Simon Rattle am Pult des City of Birmingham werden. Daneben ist er weiterhin in seiner fin- Symphony Orchestra darf als Flaggschiff des punktmässig der Neuen Musik, mit Uraufführun- Symphony Orchestra wurde, war sein Name nur nischen Heimat tätig, wo er 2006 die West Quintetts gelten. Gegründet 1930, sprechen gen zahlreicher Werke von Schnittke bis Rihm. Fachleuten ein Begriff. Das hat sich nachhaltig Coast Kokkola Opera als alternatives Opern allein die Namen seiner Chefdirigenten Bände: Als Ergänzung hierzu sind die seit 2000 angebo- geändert; längst zählt der aus Helsinki stam- projekt aus der Taufe hob. Zum Dirigieren kam Adrian Boult, Antal Doráti, Colin Davis, Pierre tenen Residencys für Komponisten anzusehen; mende Oramo zu den führenden Dirigenten Oramo interessanterweise nicht auf direktem Boulez, Andrew Davis … 2013 wechselte der die erste hatte Mark-Anthony Turnage inne, weltweit. Nach zehn Jahren in Birmingham Weg; er begann seine Ausbildung während sei- Finne Sakari Oramo ans Pult des Traditions dem John Adams und Oliver Knussen folgten. wechselte er als künstlerischer Leiter zum ner Zeit als Konzertmeister des Finnischen Radio- orchesters; sein Vertrag wurde vor Kurzem bis Zum künstlerischen Portfolio des Orchesters Stockholm Philharmonic Orchestra, 2013 über- sinfonieorchesters. Dort machte er so nach- 2022 verlängert. Dem internationalen Publikum gehören auch Opernaufführungen, Familienkon- nahm er zusätzlich das Chefdirigentenamt des drücklich auf sich aufmerksam, als er für einen ist das BBC Symphony Orchestra vor allem durch zerte sowie Filmmusik. BBC Symphony Orchestra, um nur zwei Jahre erkrankten Dirigenten einsprang, dass man ihm seine Auftritte bei den Londoner Proms bekannt, später von der Londoner Royal Philharmonic schon bald die Orchesterleitung übertrug. o Sakari Oram 46 ra 47 ony Orchest BBC Symph
O S UND K A RT E N ABONNEMENT S- BERN AB.migros-kulturprozent-classics.ch UND EINZELVE RK A U F S P R E IS E www Abo-Preise (6 Konzerte) Abo-Preise (3 Konzerte) Kategorie I CHF 590.– Kategorie I CHF 300.– Kategorie II CHF 500.– Kategorie II CHF 250.– Kategorie III CHF 360.– Kategorie III CHF 180.– Kategorie IV CHF 275.– Kategorie IV CHF 140.– ABONNEMENTSVERKAUF Bitte melden Sie sich schriftlich per Email oder Post im Casino Bern mit folgenden Angaben: Abonnement 3 Konzerte (Abo I) Abonnement 3 Konzerte (Abo II) Name, Adresse, Telefonnummer, Email, Anzahl Abonnemente mit 6 oder 3 Konzerten (Abo I oder 21. Oktober 2020 Budapest Festival 15. November 2020 Shanghai Opera Abo II), Kategorie und allfällige Platzwünsche. Orchestra Symphony Orchestra 17. März 2021 Deutsches Symphonie- 5. Januar 2021 Les Siècles Beratungszeiten Tickets und Abonnement Orchester Berlin Mo–Sa 9.00–12.00 Uhr und 14.00–17.00 Uhr European Union Youth 4. Mai 2021 BBC Symphony Orchestra 8. April 2021 So 10.00–12.00 Uhr und 14.00–17.00 Uhr Orchestra VORVERKAUF EINZELKARTEN Einzelverkaufspreise Der platzgenaue Vorverkauf beginnt am 13. Juli 2020. Kategorie I CHF 130.– Die Karten sind erhältlich unter www.casinobern.ch, telefonisch unter +41 31 328 02 00 Kategorie II CHF 110.– und an sämtlichen Vorverkaufsstellen des Ticketcorner: www.ticketcorner.ch Kategorie III CHF 80.– Kategorie IV CHF 60.– KONTAKT Kategorie V CHF 10.– (Stehplätze) Casino Bern Casinoplatz 1, 3011 Bern Telefon: +41 31 328 02 00 E-mail: migrosclassics@casinobern.ch www.casinobern.ch Last-Minute-Tickets für Studierende und Auszubildende 30 Minuten vor Konzertbeginn bezahlen Studierende und Auszubildende gegen Vorweisung eines gültigen Ausweises CHF 5.– pro Ticket. Gültig für alle Kategorien, soweit verfügbar. Migros-Kulturprozent-Classics akzeptieren die Kulturlegi der Caritas (nur Abendkasse). www.kulturlegi.ch Die Kategorieneinteilung entnehmen Sie bitte dem Saalplan (Seite 49). Billettsteuer und Garderobengebühr inbegriffen. 48 49
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