Europäische Retailbanking-Studie 2019 - ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT - DREI WEGE FÜR MEHR PROFITABILITÄT - zeb Consulting
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FINANCIAL SERVICES Europäische Retailbanking-Studie ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT – DREI WEGE FÜR MEHR PROFITABILITÄT 2019
2 ZUSAMMENFASSUNG Zurück-in-die-Zukunft-Retailbanking Europäische Retailbanken haben in den vergangenen Studie erläutern, einen gesicherten Zugang zu Profitabi- Jahren zunehmend behauptet, ihr Geschäft kunden- lität bieten. Unsere drei Wege sind: zentriert ausgerichtet zu haben. Doch bislang zeigen Kunden keinerlei Wertschätzung für diese Mühen und Anstrengungen. Ihrer Meinung nach stehen bei Banken A. der „Trusted Advisor“: Filialbanken müssen ihre klas- die Unternehmensinteressen an erster Stelle; zudem sische Kompetenz als Berater des Vertrauens (Trusted seien sie nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Kunden Advisor) für ihre Kunden wiederentdecken. Big Data zu verstehen. Folglich sehen es Kunden auch nicht ein, und neue Technologien auf Basis künstlicher Intelli- für Dienstleistungen und Produkte extra zu bezahlen. So genz bieten beispiellose Möglichkeiten für Banken, versiegt eine klassische Ertragsquelle der Banken mehr um mit modernsten Beratungsprozessen über meh- und mehr und sie geraten darüber hinaus durch das an- rere Kanäle hinweg „zurück in die Zukunft“ zu gehen. haltende Niedrigzinsumfeld immer weiter unter Druck. B. der „B2B Product Specialist“: Direktbanken können Der Großteil der Analysen zu Bankkunden sind quantita- anhand ihrer Größenvorteile Kosteneinsparungen er- tive Untersuchungen von Marktforschungsunternehmen, zielen und branchenführender Produktspezialist mit die sich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert haben. europäischer Reichweite werden. Zusätzlich zu ihrem Über die Gründe, warum das kundenzentrierte Bank- B2C-Geschäft können sie mit B2B-Partnerschaften geschäft bislang erfolglos verläuft, liegen jedoch kaum punkten. Informationen vor. Retailbanken leiden unter stagnie- renden Erträgen und der starken Konkurrenz von neuen C. der „Ecosystem Player“: Wenn sie ihre Hausaufga- Marktteilnehmern, die den Banken zunehmend das Kun- ben gemacht haben und ihre Größenvorteile sowie dengeschäft streitig machen. umfangreichen Kundennetzwerke wirksam einsetzen, können Filial- und Direktbanken vom „Trusted Advi- Bei zeb sind wir der Ansicht, dass es eines komplett sor“ oder „B2B Product Specialist“ zu Hauptakteuren anderen Ansatzes bedarf, um das Verhalten der Bank- in aufstrebenden digitalen Ökosystemen werden. kunden sowie die Gründe für die geringe Wertschätzung Banken können ihren Kunden komplette Customer von Banken zu verstehen. In Zusammenarbeit mit dem Journeys anbieten und dabei ihre Netzwerkeffekte deutschen Marktforschungsunternehmen pfuenf haben ausschöpfen, indem sie Partnerschaften eingehen wir eine qualitative Befragung deutscher Retailkunden sowie ihre klassischen Bankdienstleistungen durch verschiedenen Alters, Geschlechts, Bildungsgrads und bankfremde Angebote ergänzen. Berufsstands durchgeführt. Unser Ziel war es, herauszu- finden, was der Kunde von einer kundenzentrierten Bank In der diesjährigen Europäischen Retailbanking-Studie erwartet, und anhand dieser Einblicke strategische Wege wurden zudem mittels Modellierung und Berechnung für Banken hin zur Profitabilität zu ermitteln. die möglichen Auswirkungen auf die GuV-Rechnung von Filial- und Direktbanken ermittelt, die die im Folgenden Wir glauben, dass unsere Umfrageergebnisse für alle beschriebenen Wege einschlagen. In allen Fällen konnte großen europäischen Retailbanking-Märkte von Bedeu- ein deutlich positiver GuV-Effekt festgestellt werden, von tung sind, denn selbst ein Jahrzehnt nach der globalen 19 Prozent („Trusted Advisor“) über 23 Prozent („B2B Finanzkrise leiden Banken in den genannten Märkten Product Specialist“) bis hin zu 25 Prozent („Ecosystem immer noch unter einer schlechten öffentlichen Wahr- Player“). Unsere Forschungsarbeit liefert damit praxiser- nehmung. Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, probte Lösungen für Banken, deren Zieleingabe „lang- dass die drei kundenzentrierten Wege, die wir in dieser fristige und nachhaltige Profitabilität“ lautet. Dr. Olaf Scheer Dr. Florian Forst Mariia Nykytiuk Senior Partner Partner Manager
3 INHALT Zusammenfassung 2 1 Der Kunde steht immer an letzter Stelle 4 Eine Frage des Vertrauens: die Umfrageergebnisse 5 Hohe Erwartung, gleichbleibende Enttäuschung 6 2 Stillstand im europäischen Retailbanking-Markt 8 Ein Perspektivenwechsel muss her 9 3 Zukunftsfähiges Retailbanking 10 A. Der „Trusted Advisor“ 11 B. Der „B2B Product Specialist“ 12 C. Der „Ecosystem Player“ 13 Fazit 15 Über zeb 17 Abbildungsverzeichnis 18 Ansprechpartner 19
4 1 DER KUNDE STEHT IMMER AN LETZTER STELLE Retailbanken in der Kundenwahrnehmung Inwieweit sind europäische Retailbanken wirklich kunden- Kunden Banken ihr Versprechen, kundenzentriert zu zentriert? Diese Frage stellen sich Banken oft genug, doch arbeiten, selten einhalten. Außerdem haben Kunden immer aus der Perspektive „Kunde gleich Bankkunde“. das Gefühl, dass Banken ihre Unternehmensinteres- sen an erste Stelle setzen, die Kundenbedürfnisse Dieser Ansatz lässt unserer Meinung nach jedoch einen kaum verstehen und nicht in der Lage sind, auf diese zentralen Aspekt über die Art und Weise, wie Kunden Bedürfnisse abgestimmte Produkte und Dienstleistun- Retailbanken betrachten, außer Acht: Kunden haben gen anzubieten geschweige denn effektiv mit Kunden heute die Macht, sich das beste verfügbare Produkt zu kommunizieren. Demzufolge halten Kunden wenig oder die beste verfügbare Dienstleistung von einer vom Preis-Leistungs-Verhältnis von Banken und sind Reihe von Wettbewerbern auszusuchen. Unsere Un- nicht bereit, für Produkte und Dienstleistungen extra zu tersuchung hat ergeben, dass laut einem Großteil der bezahlen. Unsere Umfrage Gemeinsam mit dem auf Konsumgüter spezialisierten deutschen Marktforschungsunternehmen pfuenf haben wir eine Umfrage zur Haltung von Kunden gegenüber Retailbanken und Bankdienstleistungen durchgeführt. Befragt wurden dafür 64 Retailkunden (m/w) aus Berlin, Bochum, Hamburg und Mannheim mit einer repräsen- tativen Auswahl an beruflichen Hintergründen und Ausbildungen. Zu diesem Zweck haben wir sowohl moderierte Gruppengespräche als auch detaillierte Einzelinterviews mit den Teilnehmern durchgeführt, die in vier Altersklassen eingestuft wurden: Baby-Boomer (Jahrgänge 1946 bis 1964) Gen X (Jahrgänge 1965 bis 1976) Gen Y (Jahrgänge 1977 bis 1995) Gen Z (Jahrgänge ab 1996) Die Kunden wurden zu ihrem Allgemeinwissen zu Banken, Bankprodukten und -dienstleistungen sowie ihrer Erfahrung mit Banken im Alltag befragt. Die Fragen deckten ein breites Themenspektrum ab. Wir wollten wissen, welche Unterschiede es zwischen den Generationen bezüglich ihrer Werte und Einstellung zum Thema Geld sowie ihrer Verbraucherpräferenzen gibt. Dazu haben wir Kunden gefragt, was ihnen spontan zu Banken einfällt, was sie über Marken und Alleinstel- lungsmerkmale bestimmter Banken wissen, wie gut sie die Details von Bankprodukten kennen und wie sie die Qualität von Beratung und Leistung sehen. Zudem haben wir mit den Befragten darüber gesprochen, was sie zum Verbleib bei ihrer Bank oder einem Wechsel zur Konkurrenz bewegt hat.
5 Eine Frage des Vertrauens: Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Einstellung die Umfrageergebnisse von Kunden zu Banken und Bankdienstleistungen über unterschiedliche Altersgruppen hinweg von einer Reihe In der Werbung reden Retailbanken regelmäßig darü- ineinandergreifender funktionaler und emotionaler Fak- ber, den Kunden bei der Verwirklichung ihrer Träume toren beeinflusst wird. helfen zu wollen, an ihrer Seite zu sein und die Nutzung von Bankdienstleistungen so einfach wie möglich zu Zu den funktionalen Faktoren zählen die Erwartung eines machen. Im eklatanten Widerspruch dazu steht, was umfassenden Produktangebots, eines Rund-um-die- Kunden über Banken sagen. „Alles ist kompliziert, in- Uhr-Zugangs zu Bankdienstleistungen über verschiedene transparent und schwierig“, berichtet eine 67-jährige Kanäle, eines gerechtfertigten Kosten-Nutzen-Verhält- Rentnerin aus Bochum dem Umfrageteam. „Ich fühle nisses, eines technologisch fortgeschrittenen Bankge- mich von meiner Bank nicht wertgeschätzt“, erzählt schäfts und kompetenter Bankberater. Die emotionalen eine 47-jährige berufstätige Mutter aus Berlin. „Sie in- Faktoren beinhalten das Vertrauen gegenüber Finanzins- teressieren sich nicht für mich und es geht ihnen nicht tituten, die Einhaltung erklärter Werte, die Sicherheit von darum, was mir wichtig ist.“ Bankgeschäften und Kundendaten sowie ein personali- siertes Bankerlebnis. Berater sollen kompetent und glaubwürdig sein, doch meistens möchten sie nur irgendetwas verkaufen Kunden beantworteten mehrere Fragen zu Bankberatung, Situationen mit Bedarf an Bankbera- tung, Wünschen und Erfahrungen mit Bankberatung Ist am Wohle des Kunden interessiert Will das Produkt um jeden Preis verkaufen Motivation & Antrieb Leistet bei jeglichen finanziellen Fragen zuverlässi- Informiert nicht immer sorgfältig über Transakti- ge Unterstützung onsdetails, z. B. versteckte Gebühren Fachkompetenz Empathisch und persönlich Ehrgeizig und aufdringlich Soziale Kompetenz Während der Geschäftszeiten meistens schwie- Bei Bedarf über alle Kanäle verfügbar rig zu erreichen Verfügbarkeit Quelle: zeb.research Abbildung 1: Beratungskompetenz
6 Im Großen und Ganzen scheinen Welten zwischen den mit Händlern der Konsumgüterindustrie knüpften. In die- Erwartungen der Kunden an ihre Banken und deren ge- ser Hinsicht setzten sie Banken mehr oder weniger mit Su- fühlter Realität zu liegen. Unter den Kunden herrscht bei- permärkten gleich. So waren sie beispielsweise der Mei- spielsweise weitgehende Einigkeit darüber, dass ihnen nung, dass Retailbankfilialen ihre Öffnungszeiten und die Banken auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen Verfügbarkeit ihrer Berater an die Zeiten anpassen sollten, anbieten sollten. Doch die Umfrageteilnehmer beschwer- in denen der Kunde üblicherweise aktiv ist. Darüber hin- ten sich mehrfach über Banken, die sie gefühlt zu einem aus sollten Remote-Kanäle und Callcenter augenblicklich Abschluss von Produkten drängten, die ihnen kaum von verfügbar sowie die Qualität der Dienstleistung und Bera- Nutzen waren. Entsprechend erwarten Kunden, dass der tung in allen Bankkanälen dauerhaft hoch sein. Preis, den sie für Bankprodukte und -dienstleistungen be- zahlen, durch den Mehrwert der gebotenen Lösungen und Erfahrungen gerechtfertigt wird. Der Großteil der Befragten Hohe Erwartung, hatte jedoch den Eindruck, dass Banken ihnen nichts an- gleichbleibende Enttäuschung bieten, wofür sie bereit wären, zu bezahlen. Den Befragten zufolge waren die meisten Bankberater Die überwiegende Mehrheit der Kunden möchte, dass ehrgeizig und aufdringlich und nur daran interessiert, die Beziehung zu ihrer Bank auf Vertrauen basiert. Unse- um jeden Preis einen Produktabschluss zu erzielen. ren Umfrageergebnissen zufolge werden Banken jedoch Dabei hatten sie es hin und wieder versäumt, auf mög- zumeist mit den jüngsten Missmanagementskandalen liche Gebühren und Kosten hinzuweisen. Allgemein und dem Wunsch nach Profitmaximierung in Verbindung galten Berater als schwer erreichbar während der Ge- gebracht. schäftszeiten. Trotz bankeigener Positionierungen und Marketingakti- In der Umfrage wurde nach den Auslösern gefragt, die vitäten fällt es Kunden schwer, die Alleinstellungsmerk- die Teilnehmer dazu verleiten könnten, die Bank zu male verschiedener Banken zu unterscheiden. Auch in wechseln. Dazu zählten: puncto Kommunikation klafft eine Lücke zwischen der • Gebühren: hohe Gebühren für Kontoführung und verbraucherfreundlichen Botschaft, die die Banken Geldabhebungen am Automaten vs. gebührenfreie übermitteln wollen, und der Empfängerseite, auf der Girokontoführung oder Kreditkarte sowie Geldabhe- Kunden die Botschaft entweder nicht hören oder falsch bungen im In- und Ausland verstehen. • Zugang: schlechte Erreichbarkeit in der Filiale oder online vs. breiter Zugang zu Filialen und Geldauto- Die Befragten hatten Schwierigkeiten, Bankprodukte so- maten, reibungslose Funktionsweise, benutzerfreund- wie dazugehörige Geschäftsbedingungen für komplexe liche Apps, sofortige Überweisungen und aktuelle Angebote wie Immobilienfinanzierung, Bancassurance, Kontostände Altersvorsorge sowie Spareinlagen und Geldanlage zu • Beratung: Mangel an Wissen oder Kompetenz vs. verstehen. kompetente und verständliche Beratung für den indi- viduellen Kunden zu allen Belangen Da die Kunden nicht verstanden, was ihnen verkauft werden sollte, waren schließlich die Kosten im Sinne Warum wechseln Kunden dann nicht häufiger die Bank? von Preis und Gebühren ausschlaggebend für die Kau- Die Befragten gaben an, dass ein Kontoumzug zu fentscheidung. Gleichzeitig äußerten sich die Teilneh- schwierig erschien und die Alternativen nicht als besser mer besorgt über mögliche „versteckte“ Gebühren. Im empfunden wurden. Gegensatz dazu empfanden sie Alltagsprodukte wie Girokonten, Kredit- und Debitkarten als leicht nachvoll- Die Konsequenz sind unzufriedene Kunden, die nicht ziehbar und benötigten dafür kaum Erläuterungen oder einsehen, für Bankprodukte und -dienstleistungen zu Engagement seitens der Bank. Folglich sahen sie in die- bezahlen, die ihnen ihrer Meinung nach wenig oder gar sen Produkten jedoch auch wenig Mehrwert. keinen Mehrwert liefern. Unsere Umfrage hat ergeben, dass den meisten Bankunden zufolge grundlegende An- Die meisten Befragten gaben an, dass sie ihre Anforde- gebote wie Girokonten, Überweisungen und Geldabhe- rungen an die Verfügbarkeit von Banken an die Erfahrung bungen am Automaten kostenlos sein sollten. Sie sehen
7 zwar, dass Zusatzprodukte wie elektronische Safes oder Umfrage ermittelten Problemen: unzufriedene Kunden, Multi-Banking nette Optionen sind, finden diese aller- die Banken misstrauen und sich weigern, für Produkte dings nicht überzeugend genug, um dafür eine Gebühr und Dienstleistungen zu bezahlen, die für sie wenig oder zu bezahlen. Diese Eindrücke und Erfahrungen traten in keinen Mehrwert haben. allen Altersgruppen der Umfrage auf. Angesichts der sich verstärkenden strukturellen Proble- Obgleich wir für die Umfrage deutsche Bankkunden be- me in der Branche müssen Banken in Europa daher ihr fragt haben, glauben wir, dass die Ergebnisse für alle Geschäftsmodell ändern, um wahrhaft kundenzentriert großen Bankmärkte in Europa gelten. Über alle Regionen zu agieren und das Vertrauen und die Treue ihrer Kunden hinweg stehen Retailbanken vor denselben, in unserer zurückzugewinnen. Unterschiedliche Bedürfnisse, aber ähnliche Erfahrungen mit Banken innerhalb der Generationen Generation Z Generation Y Generation X Baby-Boomer Meist Meist Meist Beziehung Emotional funktional funktional emotional zu Banken & funktional getrieben getrieben getrieben tägliche Bankgeschäfte tägliche Bankgeschäfte, Benötigte tägliche Kredite, tägliche Bankgeschäfte Lösungen Bankgeschäfte einfache Kredit- und Spareinlagen, Investitionen, Finanzplanung Investitionsgeschäfte Altersvorsorge alles online bevorzugt Onlinebanking Bevorzug- häufiger Filialbesuch alles online Bankbesuch bei Bankbesuch bei te Kanäle mit Servicefragen Schwierigkeiten Schwierigkeiten Bera- kaum Bedarf an persönlicher Kontakt persönlicher Kontakt tungsbe- (bzw. Erfahrung mit) selten Bedarf an Berater für Beratung für Beratung darf Bankberater benötigt/bevorzugt benötigt/bevorzugt Quelle: zeb.research Abbildung 2: Generationenspezifische Erwartungen
8 2 STILLSTAND IM EUROPÄISCHEN RETAILBANKING-MARKT Unsere neueste Analyse der europäischen Retailban- Aus diesem Gesamtbild stechen einige nationale Markt- king-Daten hat zwei klare Aussagen ergeben: trends heraus. Für Großbritannien prognostizieren wir in • In allen wichtigen Märkten stagnieren die klassischen den kommenden fünf Jahren eine Halbierung der Erträ- Ertragspools im Retailbanking oder gehen gar zurück. ge aus Hypothekendarlehen. Italien wird weiterhin stark • Nichtbanken bringen sich in das Retailbanking-Ge- unter der Staatsschuldenkrise leiden, die wiederum den schäft ein und bauen ihre Anteile stetig aus. Risikoaufschlag auf Anleihen erhöhen wird. In den meisten europäischen Ländern erleben Retail- Zudem wurden bei den Ausgaben privater Haushalte in banken aufgrund sinkender Kredit- und Einlagenmargen den verschiedenen Ländern, die im Rahmen der dies- in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld einen Ertrags- jährigen Europäischen Retailbanking-Studie untersucht stillstand. Organisches Wachstum von Kredit- und Ein- wurden, erhebliche Unterschiede festgestellt. lagenvolumen verspricht nur leichte Milderung für die angespannte Situation der Banken. In Schweden, Großbritannien und den Niederlanden ist Wohneigentum sehr verbreitet, damit stellen Hypothe- Sofern Retailbanken in den wichtigsten Bankenmärkten kenschulden einen großen Anteil der Haushaltsausga- in Europa ihr Geschäftsmodell nicht radikal umbauen, ben dar. Darüber hinaus sind schwedische Haushalte im sehen unsere Prognosen eher düster aus. Vergleich sehr investitionsfreudig, während bei Kunden aus Großbritannien hoch verzinste Überziehungskredite Auf Grundlage aktueller Trends erwartet zeb einen her- einen großen Teil ihrer Ausgaben ausmachen. Für die ben Rückgang der Einlagenerträge von mehr als 40 Pro- kommenden Jahre gehen wir davon aus, dass sich auf- zent in den nächsten fünf Jahren. Banken in südeuropä- grund der vorherrschenden politischen Unsicherheit in ischen Ländern setzt das Niedrigzinsumfeld besonders Großbritannien die Haushaltsausgaben dort am stärks- zu. In Spanien erwarten wir einen Rückgang der Erträ- ten reduzieren werden. Am anderen Ende des Spektrums ge aus dem Kreditgeschäft von 18,6 Mrd. EUR im Jahr erwarten wir von 2017 bis 2022 ein stabiles Wachstum 2017 auf 16,3 Mrd. EUR im Jahr 2022, in Italien von der polnischen Haushaltseinnahmen und damit höhere 11,1 Mrd. EUR auf 10,3 Mrd. EUR. Ausgaben für Finanzprodukte. Ertragspools im europäischen Retailgeschäft rückläufig – Margenentwicklung als Haupttrigger1) in MRD. EUR –6% 288 Deutschland 271 44 259 256 Österreich 6 42 5 Schweiz 14 41 5 39 5 16 16 14 16 14 17 15 Schweden Großbritannien 85 74 64 55 Niederlande 12 14 15 15 32 30 30 31 Frankreich Italien 37 32 31 35 Spanien 34 34 34 9 10 33 10 12 Polen 2015 2017 2018+ 2022+ 1) Versicherungsbezogene Produkte aufgrund unzureichender Datenverfügbarkeit in den untersuchten Ländern nicht berücksichtigt Quelle: Bloomberg, Unternehmensberichte, Deutsche Bundesbank, EZB, Europäische Kommission, Eurostat, Riksbank, SNB, zeb.research Abbildung 3: Länderspezifische Entwicklung der Ertragspools, 2015–2022+
9 Ungeachtet dieser nationalen Unterschiede werden an- • Zahlungsverkehr: ungefähr ein Drittel des Neuge- haltende Niedrigzinsen dafür sorgen, dass Erträge aus schäfts, zumeist Girokonten – nach Vergleich und Ab- Produkten mit entsprechendem Gebührenaufkommen schluss durch Intermediäre innerhalb der gesamten Ertragspools im Bankgeschäft • Wertpapiere: circa ein Viertel des Neugeschäfts – an Bedeutung gewinnen werden. überdurchschnittlich hohe Margen und hohe Volumi- na an Fondszertifikaten steigern den Marktanteil von Intermediären. Ein Perspektivenwechsel muss her • Einlagen: über ein Sechstel der Sichteinlagen trotz der allgemeinen Unbeliebtheit des Produkts aufgrund Diese Zahlen und Entwicklungen geben ausreichend von Negativzinsen Grund zur Besorgnis, aber das ist nur ein Teil des Prob- • Kredite: nahezu ein Sechstel Neugeschäftsanteil – lems. Um das ganze Ausmaß der Gefahr, die von Inter- jedes dritte Hypothekendarlehen wurde durch einen mediären aus dem Nichtbankensektor für europäische Intermediär verkauft. Retailbanken ausgeht, abzuschätzen, bedarf es einer neuen Sichtweise sowie dem Aufbau wahrhaft kunden- Was derzeit in Deutschland geschieht, spielt sich in ganz zentrierter Geschäftsmodelle. Europa ab: von der Bausparkasse bis hin zum Preisver- gleichsportal, Nichtbanken bauen ihre Marktanteile aus. Unsere Recherche zum Neugeschäftsanteil, den Nicht- Zu den nennenswerten Beispielen zählen CHECK24 und banken im Jahr 2017 in Deutschland erwirtschaftet ha- Verivox in Deutschland sowie das Preisvergleichsportal ben, zeigt die stetige Zunahme dieser Wettbewerbsbe- MoneySavingExpert.com in Großbritannien. drohung. Demnach haben Online- sowie Offline-Broker und verschiedene Marktplatz- und Preisvergleichsporta- Wie können europäische Retailbanken diese Herausfor- le beinahe ein Fünftel des Neugeschäfts für sich verein- derung bewältigen? nahmt. Zu den Beispielen zählen: Große Unterschiede bei den Ausgaben für Bankgeschäfte von Privathaushalten in den untersuchten Ländern1) in TSD. EUR 4,2 4,2 3,1 3,1 2,7 2,0 1,9 1,8 1,8 1,8 1,4 1,2 1,2 1,2 1,0 0,9 1,0 1,0 0,9 0,7 Deutschland Österreich Schweiz Schweden Großbritannien Niederlande Frankreich Italien Spanien Polen 2017 2022+ 1) Versicherungsbezogene Produkte aufgrund unzureichender Datenverfügbarkeit nicht berücksichtigt Quelle: Bloomberg, Unternehmensberichte, Deutsche Bundesbank, EZB, Europäische Kommission, Eurostat, Riksbank, SNB, zeb.research Abbildung 4: Retailbanking-Ausgaben je Land und Haushalt, 2017 & 2022+
10 3 ZUKUNFTSFÄHIGES RETAILBANKING Drei Wege zur Profitabilität Die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb der nächsten Diese beginnt generell in der Filiale und kann dann zehn Jahre das grundlegende Produkt- und Dienstleis- über andere Kanäle weiterverfolgt werden. Banken, die tungsangebot klassischer Filialbanken an Bedeutung diesen Weg einschlagen werden, können ihren Kunden verlieren wird, ist entsprechend hoch. Gleiches gilt für einen möglichen signifikanten Mehrwert liefern und die- deren physischen Netzwerke, die sehr wahrscheinlich se damit als langfristiger „Trusted Advisor“ in allen Le- weiterhin schrumpfen werden. bensphasen begleiten. Wir sehen beispielsweise die Zukunft der Geldauszah- Direktbanken können anhand ihrer Größenvorteile im In- lung nicht mehr bei Banken, sondern komplett bei an- und Ausland Kosteneinsparungen erzielen und damit zu- deren Dienstleistern wie Tankstellen und Supermärkten. sätzlich zu ihrem B2C-Kerngeschäft zu „B2B Product Speci- Das Beratungsgeschäft und die entsprechenden Erträge alists“ mit B2B-Partnerschaften werden. Sowohl etablierte aus einfachen Produkten werden an die neuen, alterna- Direktbanken als auch ihre ambitionierten Herausforderer tiven Finanzdienstleister übergehen. werden eine moderne und ansprechende Marke, einen wachsenden Kundestamm und die zugehörigen Daten so- Das einzige Produkt aus dem bisherigen Angebot von wie Rund-um-die-Uhr-Zugang und modernste Technologie Filialbanken, das potenziell Ertragswachstum verspricht, benötigen und mittels Größenvorteile und Kosteneinspa- ist die ganzheitliche Beratung zu komplexen Produkten. rungen optimierte Betriebsabläufe schaffen müssen. Filiale als Basis für die nächste Stufe der Beratung – Direktbanken mit Ausweitung auf B2B-Angebot oder Ökosystem möglicher nächster Sprung A „Trusted Advisor“ C „Ecosystem Player“ Kernkompetenz: Kernkompetenz: modernste Beratung Abdeckung kompletter Customer Jour- über alle Kanäle neys, auch über Bankgeschäfte hinaus, Filialbank und Sondierung von Netzwerkeffekten Assets: Kundenvertrauen, Markentreue, Assets: wachsender Kundenstamm Größenvorteile durch breite Kunden- netzwerke und Partnerschaften B „(B2B) Product Specialist“ Kernkompetenz: branchenbeste Produktlösungen Direktbank Assets: europäische Reichweite, B2B-Partnerschaften Quelle: zeb.research Abbildung 5: Mögliche Entwicklungswege
11 Wenn sie diese Aufgaben meistern, können Filial- und Informationen angereichert werden, die der Bankberater Direktbanken vom „Trusted Advisor“ oder „Product Speci- während der Kundentermine sowie in den beruflichen alist“ zum „Ecosystem Player“ werden, indem sie sich ihre und sozialen Netzwerken des Kunden gesammelt hat. Größenvorteile und Kundennetzwerke zunutze machen. Als „Ecosystem Player“ können Banken ihren Kunden eine Ist diese Anfangsrecherche vollständig durchgeführt, durchgehende Customer Journey bieten, indem sie mithil- sind Banken in der Lage, langfristige „Trusted Advisors“ fe von B2B-Partnerschaften ihr Produkt- und Dienstleis- zu werden, also genau jene Rolle einzunehmen, die sich tungsangebot um bankfremde Angebote ergänzen. die Kunden laut unserer Marktforschung von ihren Ban- ken wünschen. Das ultimative Erfolgsrezept für „Trus- ted Advisors“ sind datenbasierte Einblicke und digitale A. Der „Trusted Advisor“ Werkzeuge, um die Beratung auf jede Lebensphase des Kunden auszurichten und dabei den Kundenverantwort- Heutzutage zählen zu den wichtigsten Assets von Fili- lichen in seinen Kundengesprächen zu unterstützen. albanken üblicherweise eine bekannte Marke, ein eta- blierter Kundenstamm, ein umfangreiches physisches Digitales Marketing ist beispielsweise ein geeignetes Netzwerk, ausreichend finanzielle Mittel sowie eine Mittel, um die Interaktion des Kunden mit der Bank beachtliche Menge an Kundenprodukt- und Transakti- auszubauen und damit Möglichkeiten für persönliche onsdaten. Mit diesen Assets sind Filialbanken bestens Gespräche zu schaffen. Aus dieser Kundenbindung ent- ausgestattet, um ihre herkömmliche Rolle als „Trusted stehen zusätzlich spezifische Daten zur weiteren Analyse Advisor“ wiederzuentdecken, insbesondere in einer Zeit, und Personalisierung der Beratung sowie günstige Gele- in der Big Data, KI und andere aufstrebende Technolo- genheiten, um den Kunden online in Richtung Cross-Sel- gien Banken in die Lage versetzen können, auf die tat- ling-Angebote zu „schubsen“. sächlichen und individuellen Kundenbedürfnisse ausge- richtete Premiumberatung zu leisten. Mithilfe der Gamifizierung können Kundenverantwortli- che den Wiederholungseffekt der Beratung vermeiden Data Analytics gilt als einer der wichtigsten Hebel, um und mit den Kunden im Gespräch bleiben. Durch Einbin- die speziellen Bedürfnisse und Wünsche der unter- dung einer Spiele-App in das Beratungstool wird durch schiedlichen Zielgruppen zu verstehen und ihnen auf jede Aktion des Kundenverantwortlichen ein Spiel ausge- dieser Grundlage über ihren gewünschten Bankzugang löst. Die Leistung wird regelmäßig belohnt und verstärkt personalisierte Empfehlungen und Leistungen anzubie- somit das gewünschte Verhalten. KI-basierte Technologi- ten. Die Analyse eines Kundenprofils sowie der zugehöri- en ermöglichen eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit für gen Produkt- und Transaktionsdaten kann durch andere den Kunden mittels Chatbots und virtueller Assistenten. Kompetenz Hebel Ganzheitlich – tiefes Ver- Data Analytics Gamifizierung ständnis der durch Lebens- Tools und Algorithmen für ein umfas- Spielebasierte Elemente zur stil und Beruf geprägten sendes Verständnis von Kundendaten Einbindung und Motivation von speziellen Bedürfnisse des zur Angebotspersonalisierung Beratern Kunden Integriert – Dialog über alle Digitales Marketing KI Bankkanäle Zentrale Unterstützung zur Erhöhung Technologiebasierte digitale hinweg, Kunde bestimmt der digitalen Interaktion mit dem Kun- Kundenprozesse Modalität und Zeit den vor und nach Produktabschluss Einheitlich – Prozesse und Digitale Beratungswerkzeuge Gesprächsagenda für jeden Praktische Unterstützung für struktu- Touchpoint mit dem Kunden rierten Kundendialog Quelle: zeb Abbildung 6: „Trusted Advisor“ – Kompetenz und Hebel
12 Der Kundenverantwortliche muss entsprechend weniger Anhand dieser Daten kann der Berater Jana die passen- Zeit für wiederkehrende Aufgaben aufbringen. den Produkte für ihre aktuelle Lebensphase und lang- fristigen Wünsche für die Zukunft anbieten. In diesem Aufbau eines langfristigen Beratungsverhältnisses Fall könnte er Jana aufgrund ihres Wunsches, die Welt zu Wenn sich Filialbanken von den Möglichkeiten neuer bereisen, eine Kreditkarte mit Reiseversicherung emp- Technologien mitreißen lassen, können sie schnell den fehlen, sowie einen Bausparvertrag, um ihr in 10 Jahren Kunden aus den Augen verlieren. Wir haben den ent- eine bessere Finanzierung eines Hypothekendarlehens gegengesetzten Ansatz angewandt und uns in einer frei zu sichern. Dazu käme eine bessere private Altersvor- erfundenen Fallstudie vorgestellt, wie Banken eine lang- sorge für Ärzte und eine Berufshaftpflichtversicherung. fristige Beziehung als „Trusted Advisor“ aufbauen kön- Der Berater ist damit für alle Phasen in Janas Customer nen. Jana ist 28 Jahre alt, Single, und hat gerade ihren Journey gewappnet und kann mithilfe relevanter Produk- ersten Job als plastische Chirurgin in einem Münchner te die Kundenbeziehung ausbauen und Absatzmöglich- Stadtkrankenhaus begonnen. Bevor sie in die Familien- keiten für spätere Lebensphasen schaffen. planung einsteigt und irgendwann hoffentlich eine eige- ne Praxis für plastische Chirurgie eröffnet, möchte sie noch die Welt erkunden. B. Der „B2B Product Specialist“ Jana erzählt ihrem Bankberater, dass sie derzeit zur Miete Als „B2B Product Specialist“ optimiert man das ent- wohnt und über Einlagen in Höhe von 15.000 EUR verfügt, sprechende Produktportfolio sowie die IT-Plattform und allerdings weder Zeit noch das nötige Wissen hat, sich um legt den Schwerpunkt auf digitalen Vertrieb. Banken ihre Finanzen zu kümmern. Sie zahlt in eine staatliche Al- können dadurch neue Erträge aus der Kundenakquise tersvorsorge für Ärzte ein und benötigt eine Versicherung, und Neubepreisung ihrer Kernprodukte sowie aus Lizenz- die sie bei Patientenklagen im Falle von ärztlichen Kunst- und Bearbeitungsgebühren von Geschäftspartnern für fehlern absichert. In der Zwischenzeit hat der Bankberater Banking-as-a-Service-Leistungen generieren. Die weite- auf Grundlage des Durchschnittsgehalts für Ärzte zu Be- re Digitalisierung und Verschlankung von Prozessen und rufsbeginn im Münchner Raum herausgefunden, dass ihr Betriebsabläufen wird mittelfristig für Kosteneinsparun- Gehalt bei circa 50–60.000 EUR liegt. gen sorgen. „Product Specialist“ profitiert durch Fokussierung und Upscaling Überblick „Product Specialist“ Retailkunden „Product Specialist“ B2B-(Plattform-)Partner Direktvertrieb an Produktwissen und Vertrieb an Retailkunden Retailkunden Technologieplattform über Partner (unter eigener Marke/Herstellermarke) Tägliche Spareinlagen Bankgeschäfte Investitionen Plattform Verbraucher- Hypothek finanzierung Filial- basierte Universal- bank Plattform Quelle: Website Starling Bank, zeb.research Abbildung 7: „Product Specialist“ – Übersicht und Erfolgsfaktoren
13 Reine Direktbanken können nur über Größenvorteile Portfolio an B2B-Kunden, darunter befinden sich aktuell zu „Product Specialists“ werden. In einem beträchtlich zumeist kleinere FinTech-Unternehmen. Diese B2B-Kun- standardisierten internationalen Marktumfeld wird es den profitieren von der EU-Vollbanklizenz der Starling schwierig, ohne stabile B2B-Partnerschaften zur Schaf- Bank und können über sofort einsatzbereite Konto- und fung von Volumina und wettbewerbsfähigen Preisen eu- Zahlungslösungen unter ihrem Markennamen Bank- ropaweite Größenvorteile zu erzielen. dienstleistungen anbieten. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Konzentration auf eine Starling befindet sich zwar noch in der Aufbauphase, einzige Produktgruppe, was wiederum zu funktionaler doch verfolgt eindeutig den Weg eines „Product Spe- Überlegenheit sowie Kosteneffizienz führt. Rein digitale cialist“. Sie ist sowohl Eigentümer von Bankprodukten „Product Specialists“ müssen entscheiden, ob alle Pro- und -dienstleistungen als auch Marktplatz für Angebote duktkomponenten intern bereitgestellt oder ob einzelne von B2B-Partnern. Starling konzentriert sich eindeutig Komponenten durch Drittanbieter zur Verfügung gestellt auf ihr Kerngeschäft des alltäglichen digitalen Bankings werden sollen. Typisch für diese Drittanbieterrolle wäre für Retailkunden und kleine Unternehmen und kann ein spezialisiertes FinTech-Unternehmen, das Teile der gleichzeitig europaweit Banking-as-a-Service-Leistun- Wertschöpfungskette wie beispielsweise die Risikozeich- gen anbieten. Über diesen Weg kann Starling zusätzliche nung abdeckt. Ertragspools wie Vermittlungs- und Lizenzgebühren von B2B-Partnern ausschöpfen. Um mit anderen klassischen Banken und Produktspezi- alisten mithalten zu können, muss man innovativ sein. Zusätzliche „schlüsselfertige Dienstleistungen“ wie Pro- C. Der „Ecosystem Player“ duktmarketing und Kundenkontaktzentren für Retail- kunden vergrößern darüber hinaus den Marktvorteil. Filial- und Direktbanken können durch Nutzung ihrer Grö- Für Direktbanken empfiehlt sich die Entwicklung von ßenvorteile und umfangreichen Kundennetzwerke in auf- Technologieplattformen, die API-basierte, unmittelbar strebenden Banking-Ökosystemen die Rolle eines „Eco- betriebsbereite Lösungen für eine einfache Aufnahme system Player“ einnehmen. Als Plattforminhaber können von Geschäftspartnern und schnelle Einführung neuer Banken neue Erträge aus dem dort entstehenden Traffic Produkte bieten. Vollständig digitalisiert sorgt die Bereit- und der Kundenakquise über weitreichende Partnernetz- stellung für mehr Kosteneffizienz und Skalierbarkeit. werke erzielen. Zudem lassen sich darüber bankspezifi- sche als auch bankfremde Produkte und Dienstleistun- Die 2014 gegründete Starling Bank hat früh gezeigt, wie gen mittels Cross-Selling verkaufen und Provisionen von eine Direktbank zusätzlich zu ihrem Kerngeschäft – dem Drittanbietern erwirtschaften, deren Produkte auf dem Retailbanking – B2B-Absatzmöglichkeiten erschließen bankeigenen Marktplatz zur Verfügung gestellt werden. kann. Kürzungen im Bereich Netzwerk und Personal führen trotz Investitionskosten für IT-Plattform, digitale Bereitstellung Von Mitte 2017 bis Mitte 2019 hat sich die Kunden- und Data Analytics zu einer Nettoersparnis. zahl der Starling Bank auf circa 200.000 Kunden ver- fünffacht. Das monatliche Transaktionsvolumen lag bei Wenn also Direktbanken nicht erst „Product Specialists“ ungefähr 200 Mio. GBP. Einerseits wächst die Bank werden wollen, können sie den direkten Weg hin zum schnell, andererseits fehlt es ihr als eigenständige und „Ecosystem Player“ gehen und durch Kundennetzwerke rein digitale Retailbank an Größenvorteilen, daher baut und B2B-Partnerschaften Größenvorteile erzielen. sie B2B-Partnerschaften auf. Sowohl Filial- als auch Direktbanken benötigen eine be- Das B2C-Geschäft von Starling läuft über eine Han- stehende primäre Bankbeziehung mit einem vorhandenen dy-App für das alltägliche Bankgeschäft. Gleichzeitig Kundenstamm oder alternativ einen wesentlichen Anteil bietet Starling einen Marktplatz zur Einbindung zusätzli- am Kundenvermögen. Zudem sollten sie für eine oder cher Angebote. Die Kunden erhalten dort von mehreren mehrere Produktgruppen klare Vorteile sowie verlässliche Finanz- und Handelspartnern unterschiedliche Angebo- digitale Kompetenzen aufweisen, anhand derer sie ein te – von der Altersvorsorge hin zu Kundentreuekarten. Banking-Ökosystem aufbauen und entsprechend die Netz- Darüber hinaus verfügt die Bank über ein wachsendes werkeffekte aus den Größenvorteilen ausschöpfen können.
14 Erfolgreiche „Ecosystem Players“ leiten mittels hoch Retailkategorien mehr als 200 APIs, anhand derer sie entwickelter Datenanalysen Informationen aus zahlrei- ihre Angebote auf dem DBS-Marktplatz an den Kunden chen Datenquellen und Touchpoints mit Kunden ab. bringen können. Diese können dann wiederum von der Bank und ihren Geschäftspartnern monetarisiert werden. Darüber hin- Eine typische Customer Journey bei DBS beginnt mit aus besitzen sie ein stabiles Netzwerk aus Lieferanten einem zentralen Bankprodukt der DBS Bank und geht für bankspezifische sowie bankfremde Produkte und dann über zu anderen Angeboten aus den Portfolios so- Dienstleistungen, eine API-basierte Plattform für hohe wohl der Bank als auch der anderen Geschäftspartner. Skalierbarkeit und einfache Integration von Geschäfts- Ein Kunde, der eine Immobilie erwerben möchte, erhält partnern sowie ein agiles Betriebsmodell für ein dauer- beispielsweise Zugang zum Wohnbau-Marktplatz der haftes und konsistentes Produkt- und Kundenerlebnis DBS und damit zu Angeboten von Verkäufern, Brokern auf höchstem Niveau. und anderen Immobilienmarktplätzen. Zur besseren Kalkulation ihres Finanzierungsbedarfs können Kunden Die DBS Bank mit Sitz in Singapur ist ein ausge- auch auf den bankeigenen Immobilienfinanzierungs- zeichnetes Beispiel für einen „Ecosystem Player“, der planer zurückgreifen, den DBS ebenfalls zur Verfügung Customer Journeys komplett abdeckt und sich über stellt. Im nächsten Schritt schlägt DBS mögliche Finan- Partnerschaften und Zugang zu anderen Retail-Ver- zierungsoptionen vor. Nach dem Kauf haben Kunden triebskanälen Netzwerkeffekte zunutze macht. DBS ist Zugriff auf weitere, immobilienspezifische Dienstleis- eine Universalbank mit circa 5 Mio. Retailkunden in 18 tungen, darunter Umzugshilfen und Hausreinigung. DBS Märkten in Asien und Großbritannien und einem Er- kann somit in jeder Phase der Kundenreise Zugang zu gebniswachstum im Jahresvergleich von 28 Prozent im Ertragspools erhalten, die über das Kerngeschäft der Jahr 2018. Die Plattform der Bank ist bestens etabliert Bank hinausgehen, beispielsweise durch Vermittlungs- und bietet ihren Wirtschaftspartnern in 20 Bank- und gebühren von Partnern. Überblick Ökosystem-Struktur Bestandskunden Ökosystem-Betreiber Partner Neukunden Zugang zu bankspezifischem Bank als Anbieter von Ergänzende Angebote durch Traffic durch und bankfremdem Angebot Marktplatz und Diensten Drittanbieter Partnerschaften Devisenmakler Versicherung Händler Autohändler Börsenhändler Altersvorsorgeplaner Rechtsdienstleistungen Architekten Broker Quelle: Website DBS Bank, Investor Relations, zeb.research Abbildung 8: „Ecosystem Player“ – Struktur und Erfolgsfaktoren
15 FAZIT Drei Wege zur Profitabilität Die Ergebnisse unserer Umfrage unter Bankkunden Wir ziehen jedoch ein optimistischeres Fazit. Sofern es legen den Schluss nahe, dass die Zukunft der Retail- sowohl Filial- als auch Direktbanken schaffen, in einem banken düster aussieht. In ganz Europa sind sie daran Ökosystem, in dem ihre herkömmlichen Ertragspools gescheitert, ihre wichtigste Zielgruppe – ihre Kunden – stagnieren oder gar verschwinden werden, ihre Kunden- davon zu überzeugen, dass sie wirklich kundenzentriert zentriertheit komplett neu zu erfinden, könnte die Zu- agieren. kunft durchaus profitabel werden. Die strategische Ausrichtung auf einen der aufgezeigten Wege wirkt sich positiv auf die GuV-Rechnung aus in % Modellbank „Trusted Advisor“ „Product Specialist“1) „Ecosystem Player“ CIR 76 63 61 60 GuV-Effekt Basis 19 23 25 gesamt 100 Basis Ertragseffekt 10 9 17 100 Basis Kosteneffekt –9 –13 –8 100 1) Zu Simulationszwecken wurde dieselbe Datengrundlage verwendet. Es wurde daher angenommen, dass eine Universalbank in zwei Schritten zum „Product Specialist“ werden kann: im ersten Schritt erfolgt eine Netzwerkreduktion und Aktualisierung der IT-Plattform, im zweiten Schritt der Ausbau der Geschäftstä- tigkeiten hin zu B2B Quelle: zeb Abbildung 9: Finanzielle Auswirkungen
16 • Filialbanken sind bestens ausgestattet, um wieder in Für alle drei vorgeschlagenen Wege konnte ein be- ihre klassische Rolle als „Trusted Advisor“ zurückkeh- trächtlich positiver Effekt auf die GuV-Rechnung der ren zu können. Mithilfe der neuen Technologien wird einzelnen Banken verzeichnet werden: „Trusted Advi- es für sie einfacher sein als je zuvor, die Beratung auf sor“ (19 Prozent für die Filialbank), „B2B Product Spe- die speziellen Kundenbedürfnisse zuzuschneiden und cialist“ (23 Prozent für die Direktbank) und „Ecosystem langfristig auszurichten. Ihre Größenvorteile bilden Player“ (25 Prozent für beide Banken). die Grundlage für die Weiterentwicklung zu einem wichtigen „Ecosystem Player“. Das Ergebnis ist unmissverständlich. Retailbanken müs- • Diese Größenvorteile lassen sich von Direktbanken sen einen dieser Wege einschlagen, ansonsten laufen im Handumdrehen aufbauen. Durch die Ermittlung sie Gefahr, dass neue Wettbewerber, einschließlich und Nutzung strategischer B2B-Partnerschaften mit Nichtbanken, ihnen einen immer größeren Teil des Kun- anderen Branchenakteuren und Händlern sind sie als dengeschäfts entziehen. Ihnen bleibt nichts anderes „B2B Product Specialist“ preislich konkurrenzfähig. übrig, als den richtigen Ausschilderungen zu folgen, um • Tatsächliche Kundenzentrierung haben Filial- und den derzeitigen Stillstand hinter sich zu lassen und die Direktbanken – ähnlich wie ihre stärksten B2B-Part- Möglichkeiten auszuschöpfen, die die aufstrebenden di- ner – dann erreicht, wenn sie erfolgreiche „Ecosystem gitalen Ökosysteme im Banking bieten. Players“ geworden sind. Ihre Kundenbeziehungen werden auf all den Elementen basieren, die gemäß unserer Kundenumfrage fehlen: von Vertrauen bis hin zur Erreichbarkeit. Unsere Analyse zeigt, dass jeder dieser Wege eine Rückkehr zu langfristiger und anhaltender Profitabilität ermöglicht. Wir haben die finanziellen Auswirkungen auf zwei imaginäre Filial- und Direktbanken, die die re- levanten Pfade einschlagen, in einem Modell simuliert. Als Baseline wurde die Filialbank mit einer starken Aus- richtung auf das Retailgeschäft, einem breiten nationa- len Netzwerk sowie einem Hauptschwerpunkt auf den Heimatmarkt ausgestattet. Für die Direktbank haben wir die Filialen und zugehörigen Kosten entfernt und sie ent- sprechend als reine Onlinebank abgebildet.
17 ÜBER ZEB zeb ist eine auf den Finanzdienstleistungssektor spezi- Unsere Practice Groups decken die Fachgebiete Ge- alisierte Strategie- und Managementberatung, die in schäftsstrategiemodelle, Betriebsmodelle und Finan- Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Italien, Lux- ce-and-Risk-Modelle ab. Sie basieren auf den Prinzipien emburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Po- der Zusammenarbeit und Vernetzung und ermöglichen len, Russland, Schweden, der Schweiz, der Ukraine und es uns in Kombination mit einer durchgängigen Kunden- den USA 18 Standorte unterhält. Mit mehr als 1.000 orientierung, als führende Experten Themen umfassend Mitarbeitern ist zeb die führende Beratungsgesellschaft und schnell zu entwickeln. Wir sind der Überzeugung, für nationale Banken, Privatbanken, Sparkassen, Volks- dass herausragende Branchenkenntnisse unerlässlich und Raiffeisenbanken sowie Versicherungen. sind, um passgenaue Lösungen und Konzepte zu erar- beiten. Als größte europäische Managementberatung zeb verfügt über das notwendige Rüstzeug, um die an- für Financial Services setzen wir auf einen Umsetzungs- stehenden Herausforderungen zu analysieren, zu be- prozess, der von strategisch-intellektueller Expertise und werten und solide Projektkonzepte zu entwickeln und exzellenter Handwerklichkeit getragen wird. umzusetzen. Unser Ziel sind nicht nur exakte Lösungen, sondern auch ein nachhaltiger Erfolg, der sich messen Von der Idee bis zur Tat! lässt und langfristig besteht. AKTUELLE STUDIEN VON ZEB BANKING BANKING European Banking Study Towards banking-as-a-service NAVIGATING THE ROAD AHEAD – MARKET TRENDS & STRATEGIC OPTIONS CLOUD-BASED SERVICE MODELS AND THE TRANSFORMATION OF BANKING FOR EUROPEAN BANKS European Banking Study Towards banking-as-a-service 2018 Markttrends und strategische Antwort auf die Frage: Ist jetzt der richti- Optionen für europäische Banken ge Zeitpunkt, um Ihre Unternehmensak- tivitäten in die Cloud zu verlagern? FINANCIAL SERVICES European zeb.digital pulse check 3.0 DIGITAL PERFORMANCE INDICATOR FOR EUROPEAN BANKS. Asset Management Study European Asset Management Study zeb.digital pulse check 3.0 THE DISCOMFORT ZONE – DEFINING A DISTINCTIVE STRATEGY FOR EUROPEAN ASSET MANAGERS 2019 MOBILE ANALYTICS CLOUD SOCIAL Jenseits der Komfortzone – individuelle Misst den digitalen Reifegrad des DATA PROVIDED BY MORNINGSTAR Strategien für europäische Asset Manager europäischen Bankensektors Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an publications@zeb.de
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Beratungskompetenz 5 Abbildung 2: Generationenspezifische Erwartungen 7 Abbildung 3: Länderspezifische Entwicklung der Ertragspools, 2015–2022+ 8 Abbildung 4: Retailbanking-Ausgaben je Land und Haushalt, 2017 & 2022+ 9 Abbildung 5: Mögliche Entwicklungswege 10 Abbildung 6: „Trusted Advisor“ – Kompetenz und Hebel 11 Abbildung 7: „Product Specialist“ – Übersicht und Erfolgsfaktoren 12 Abbildung 8: „Ecosystem Player“ – Struktur und Erfolgsfaktoren 14 Abbildung 9: Finanzielle Auswirkungen 15 Disclaimer: Diese Publikation wurde ausschließlich zur allgemeinen Orientierung erstellt und berücksichtigt nicht die individuellen Anlageziele oder die Risikobereitschaft der Leserin/des Lesers. Die Leserin/der Leser sollte keine Maßnahmen auf Grundlage der in dieser Publikation enthaltenen Informationen ergreifen, ohne zuvor spezifischen professionellen Rat einzuholen. zeb.rolfes.schierenbeck. associates gmbh übernimmt keine Haftung für Schäden, die sich aus einer Verwendung der in dieser Publikation enthaltenen Infor- mationen ergeben. Ohne vorherige schriftliche Genehmigung von zeb.rolfes.schierenbeck.associates gmbh darf dieses Dokument nicht in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, vervielfältigt, verbreitet oder übermittelt werden. © zeb rsa GmbH 2019. ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
ANSPRECHPARTNER Jens Kuttig Dr. Gabor David Friedenthal Dr. Maciej Meder Senior Partner Managing Director Italy Managing Director Poland Managing Director Netherlands Via Santa Maria Segreta, 6 ul. Krolewska 18 Barbara Strozzilaan 101 20123 Mailand 00-103 Warschau 1083 HN Amsterdam Italien Polen Niederlande Phone +39.02.72275.208 Phone +48.22.3787.462 Phone +31.20.2409.071 E-Mail gabor-david.friedenthal@zeb.eu E-Mail mmeder@zeb.pl E-Mail jens.kuttig@zeb-consulting.com Dr. Florian Forst Alexander Nefedov Norman J. Karrer Partner Deutschland Managing Director Russia Partner Taunusanlage 19 Testovskaya St., 10 Gutenbergstraße 1 60325 Frankfurt 123112 Moskau 8002 Zürich Deutschland Russland Schweiz Phone +49.171.2240862 Phone +7.495.545.4289 Phone +41.44.56097.71 E-Mail florian.forst@zeb.de E-Mail anefedov@zeb.com.ru E-Mail norman.karrer@zeb.ch Bertrand Lavayssière Frank Farrell Managing Partner UK Senior Manager Sweden 107 Cheapside Biblioteksgatan 11 EC2V 6DN London 111 46 Stockholm Vereinigtes Königreich Schweden Phone +44.20.7796869.9 Phone +46.8.52743.329 E-Mail bertrand.lavayssiere@zeb.co.uk E-Mail frank.farrell@zeb.se Arnd Heßeler Ulrich Hoyer Executive Manager Luxembourg Partner 37A, Avenue John F. Kennedy Praterstraße 31 1855 Luxemburg 1020 Wien Luxemburg Österreich Phone +352.273.561.305 Phone +431.5226370.0 E-Mail arnd.hesseler@zeb.lu E-Mail uhoyer@zeb.at Wir möchten uns bei Sonja Lemmer, Oliver Rosenthal, Darius Wirtz und allen weiteren beteiligten Kollegen für ihren wertvollen Beitrag und Einsatz zu dieser Studie bedanken. Wenn Sie mit uns über die nächstjährige Ausgabe der Studie sprechen oder dazu beitragen möchten, wenden Sie sich bitte per E-Mail an Dr. Florian Forst (florian.forst@zeb.de). #RBS19 www.zeb.de/retailbanking
zeb | xxx | x | xx | DE | xxK | xx.xx zeb Hammer Straße 165 48153 Münster Deutschland Phone +49.251.97128.0 Fax +49.251.97128.101 E-Mail muenster@zeb.de www.zeb.de 360° BERATUNG FÜR FINANCIAL SERVICES – VON DER IDEE BIS ZUR TAT
Sie können auch lesen