Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe - Endbericht - BBO Jugendhilfe
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Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe Endbericht
Evaluation der Impressum: Berliner Beratungs- und Autoren: Dr. Florian Straus Ombudsstelle Jugendhilfe Dr. Renate Höfer Gerhard Hackenschmied Herausgeber: Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe (BRJ) e. V. Endbericht Gestaltung und Layout: Anne Völkel Projekt: Berliner Beratungs- und Ombudsstelle (BBO) Jugendhilfe Mariendorfer Damm 38 12109 Berlin www.bbo-jugendhilfe.de 1. Ausgabe, Januar 2020
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1: Die Evaluation der Modellphase der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe.... 4 Kapitel 4: Bekanntheit und Akzeptanz der BBO Jugendhilfe in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe (bei den Fachkräften).............................................................. 66 1. Zur Entstehung der Evaluationsstudie.................................................................................................... 4 2. Vorstudie zur Evaluation – 2014/2015..................................................................................................... 4 1. Wie bekannt ist die BBO Jugendhilfe in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe?............................. 67 3. Zur Durchführung der Evaluationsstudie – 1.1. Grad der Kenntnis..................................................................................................................................... 67 Design und Methoden............................................................................................................................... 6 1.2. Direktes und indirektes Wissen zur BBO Jugendhilfe.........................................................................69 4. Zum Evaluationsbericht........................................................................................................................... 10 2. Information der Klientel über die Möglichkeit ombudschaftlicher Beratung ................................ 70 3. Wünsche an die Informationspolitik der BBO Jugendhilfe................................................................. 71 Kapitel 2: Ombudschaftliche Beratung durch die BBO Jugendhilfe in der Modellphase....................... 11 4. Wunsch nach Fortbildung....................................................................................................................... 73 5. Wie akzeptiert ist die Arbeit einer unabhängigen BBO Jugendhilfe?.............................................. 74 1. Frau Geiger und die Suche nach einer geeigneten Maßnahme für Joshua......................................12 1.1. Beratungszeitraum, Beteiligte und Beratungsthema...........................................................................13 6. Beschwerdeverfahren – Haltung und Praxis........................................................................................ 78 1.2. Verlauf der Beratung – Episode 1 (März 2015 – Juli 2015)....................................................................13 6.1. Interne Beschwerdeverfahren – Trägerebene .................................................................................... 79 1.3. Verlauf der Beratung – Zweite Episode (Mitte Februar 2016).............................................................18 6.2. Interne Beschwerdeverfahren – Ebene Jugendamt...........................................................................80 1.4. Retrospektive Bewertung des Falls durch die Beteiligten ................................................................18 7. Fazit.............................................................................................................................................................81 2. Djamal und die Suche nach einer geeigneten Integrationshilfe für einen über 18-Jährigen.........21 2.1. Beratungszeitraum, Beratungsbeteiligte und Beratungsthema........................................................21 2.2. Beratungsverlauf – Episode 1 (August 2016 – Oktober 2016).............................................................21 Kapitel 5: Entwicklungsperspektiven zur Berliner Beteiligungs- und Beschwerdekultur 2.3. Beratungsverlauf – zweite Episode (Mitte Februar 2017).................................................................. 22 in der Kinder- und Jugendhilfe..........................................................................................................82 2.4. Retrospektive Bewertung des Falls - Bewertung durch die Beteiligten ......................................... 23 1. Vor dem Modellversuch – Entwicklungen bis 2012/2014 .................................................................. 82 3. Frau Werner und das Warten hat ein Ende........................................................................................... 25 1.1. Allgemeine Entwicklungen...................................................................................................................... 82 3.1. Beratungszeitraum, Beratungsbeteiligte und Beratungsthema....................................................... 25 1.2. Berliner Entwicklungen ........................................................................................................................... 87 3.2. Verlauf der Beratung ............................................................................................................................... 27 3.3. Retrospektive Bewertung des Falls – Bewertung durch die Beteiligten ........................................ 28 2. Die Modellphase 2014 – 2017 der BBO Jugendhilfe............................................................................90 2.1. Allgemeine Entwicklungen......................................................................................................................90 4. Frau Müller beschwert sich – Komplexleistung BBO Jugendhilfe.....................................................30 2.2. Berliner Entwicklungen............................................................................................................................90 4.1. Beratungszeitraum, Beratungsbeteiligte und Beratungsthema.......................................................30 4.2. Vorgeschichte...........................................................................................................................................30 3. Perspektiven nach 2020..........................................................................................................................96 4.3. Verlauf der Beratung durch die BBO Jugendhilfe – Vermittlung.......................................................34 3.1. Allgemeine Entwicklungen......................................................................................................................96 4.4. Verlauf der Beratung durch die BBO Jugendhilfe – Unterstützung bei der Beschwerde............. 37 3.2. Berliner Entwicklungen............................................................................................................................96 4.5. Retrospektive Bewertung des Falls – Bewertung durch die Beteiligten ........................................39 4. Fazit.......................................................................................................................................................... 100 5. Was ist ein typischer Beratungsfall?.....................................................................................................45 Kapitel 6: Was bewirkt die BBO Jugendhilfe? – Fazit und Empfehlungen..............................................102 Kapitel 3: Die Perspektive der Klienten........................................................................................................ 46 1. Zur Charakteristik der BBO-Beratungsleistung.................................................................................. 102 1. Bedarf und Nachfrage – Braucht es eine BBO Jugendhilfe?..............................................................46 2. Erfolgsfaktoren gelingender Ombudschaft am Beispiel der BBO Jugendhilfe............................. 103 2. Profitieren die Klient*innen von der Beratung der BBO Jugendhilfe?.............................................48 3. Die Arbeit der BBO Jugendhilfe unter der Perspektive Effekte und Wirkung............................... 105 2.1. Erwartungen der Klient*innen................................................................................................................48 3.1. Die BBO Beratung unter der Perspektive der erreichten Effekte................................................... 105 2.2. Bewertung des Beratungsverlaufs und der Berater*innen...............................................................49 3.2. Förderung von Fähigkeiten – Stärkung der Handlungsbefähigung?...............................................107 2.3. Allgemeine Zufriedenheit mit dem erreichten Ergebnis....................................................................50 2.4. Was war besonders hilfreich?.................................................................................................................51 4. Ausblick und Perspektiven.................................................................................................................... 108 2.5. Nicht oder nur teilweise „erfolgreiche“ Fälle .......................................................................................61 3. Fazit............................................................................................................................................................65 Literaturverzeichnis........................................................................................................................................111 2 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 3
Kapitel 1: Die Evaluation der Modellphase der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe 1. Zur Entstehung der Evaluationsstudie Die Berliner Beratungs- und Ombudsstelle In dem mit dem Berliner Senat geschlossenen Diese Ergebnisse wurden mit den Mitarbeiter*in- zur Weiterfinanzierung, sondern auch für die Jugendhilfe (BBO Jugendhilfe) nahm im April Vertrag wurde zudem auch vereinbart, dass das nen der BBO, des BRJ e. V. und dem Beirat des fortlaufende Optimierung des Projektverlaufs der 2014 ihre Arbeit auf. Aufgabe dieses vom Berli- Modellprojekt wissenschaftlich evaluiert wird. Zur Modellprojekts diskutiert, ebenso wie der vom BBO Jugendhilfe genutzt werden. ner Senat und den Bezirken finanzierten Modell- Vorbereitung der Evaluation hat der Trägerverein IPP erarbeitete Vorschlag für die Rahmenbedin- projekts ist es, wie ausführlich im ersten Teil die- Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe (BRJ) e. V. gungen der Hauptstudie und die darin formulier- ses Berichts (in Abschnitt 2) beschrieben, über noch im Jahr 2014 beim IPP eine Expertise in Auf- ten zentralen Evaluationskriterien. (3) Methoden- und Perspektiventriangulation: Rechte und Verfahren in der Jugendhilfe aufzu- trag gegeben. Diese hat, im Sinne einer Mach- In der Durchführung der Evaluation gibt es meh- klären, um junge Menschen und ihre Familien in barkeitsstudie, die Rahmenbedingungen für die rere methodische Zugänge und eine Verschrän- Konfliktfällen im Bereich der erzieherischen Hilfen Hauptstudie geklärt und einen Vorschlag für die Rahmenbedingungen kung von quantitativen und qualitativen Verfah- zu unterstützen. Angeboten wird eine unabhän- zentralen Evaluationskriterien erarbeitet. Insgesamt fünf Standards für die Hauptstudie ren. Auch wenn die Perspektive der Klient*innen gige, für die Betroffenen kostenfreie und vertrau- wurden definiert. im Vordergrund steht, sollen zugleich weitere liche Beratung. Perspektiven der insgesamt beteiligten Perso- (1) Es braucht ein definiertes Erhebungs nen/Institutionen mit einbezogen werden. profil, das zugleich offen und flexibel ist: 2. Vorstudie zur Evaluation – 2014/2015 Die Evaluationsschritte sollten klare Vorgaben (4) Zeitraum zwei Jahre: zur Zielsetzung und zum Ablauf der Evaluation Die Hauptstudie soll so rechtzeitig beginnen, Das IPP hat zwischen Oktober 2014 und April Die inhaltlichen Ergebnisse wurden unter fol- enthalten, zugleich aber so offen sein, dass auch dass die Erhebungs- und Auswertungsschritte 2015 diese Expertise zur Machbarkeit einer Eva- genden drei Fragestellungen ausgewertet und neue Entwicklungen/Fragen mit aufgenommen über einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten luationsstudie erstellt (vgl. Straus et al. 2015). gebündelt dargestellt (vgl. Straus et al. 2015): werden können. Dies gilt auch für das geplante möglich sind. Bei der Überlegung, wie eine sinnvolle, erfolgs- methodische Design. versprechende Evaluation erstellt werden kann, • Braucht es in der Jugendhilfe in Berlin eine (5) Finanzierung: war schnell deutlich, dass der klassische Weg eigene unabhängige Institution ombudschaft- (2) In der Evaluation werden formative und Es wurde ein optionales Modell vorgeschlagen, einer Expertisenerstellung nicht ausreicht. Dafür licher Beratung, um die Partizipationsrechte summative Aspekte verknüpft: in dem je nach den zur Verfügung stehenden fehlte die notwendige Basis langjähriger Erfah- und Rechtsansprüche der jungen Menschen Die Ergebnisse sollen nicht nur für die abschlie- finanziellen Mitteln unterschiedliche Module und rungen, definierter Kriterien und eines ausrei- und ihrer Personensorgeberechtigten (PSB) ßende Modellbewertung und die Entscheidung Umfänge definiert sind. chend belegten und immer wieder bestätigten durchzusetzen? Wissensstands. So neu wie das Modell, so wenig Evaluationskriterien existieren bislang einschlägige Forschungsarbei- • Welche Erwartungen der verschiedenen Zudem wurden in der Diskussion der Expertise Die Beteiligungs- und Beschwerdekultur in der ten zum Beschwerde- und Informationsbedarf in Beteiligten sind mit der (Beratungs-)Arbeit auch drei Evaluationskriterien und deren inhalt- Berliner Kinder- und Jugendhilfe entwickelt sich der Kinder- und Jugendhilfe. der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle liche Priorität festgelegt: fachlich weiter. (Erfolgskriterium Weiterentwick- Jugendhilfe verbunden? Anhand welcher Kri- lung Berliner Beteiligungs- und Beschwerdekultur Um das vermutete vielschichtige Erwartungs terien würde man einen Erfolg festmachen? Es gibt eine ausreichende Zahl von Nutzer*in- – Priorität 3). profil1 adäquat verstehen zu können, wurden ins- nen, die von den Angeboten der BBO Jugend- gesamt 16 Personen aus unterschiedlichen insti- • Wo liegen mögliche Probleme, potenzielle hilfe profitieren (Erfolgskriterium Erfolg und Die Suche nach den für die Finanzierung not- tutionellen Kontexten und aus dem Kreis der Ziel- Fehlentwicklungen? Was könnte den Erfolg Zufriedenheit der Nutzer*innen – Priorität 13). wendigen Mitteln erwies sich schwieriger als gruppe interviewt.2 des Modells gefährden? ursprünglich gedacht. Schließlich stellte der Ber- Die BBO Jugendhilfe wird zu einer bekannten, liner Senat die notwendigen Mittel zur Verfügung akzeptierten Einrichtung der Berliner Jugend- und die Evaluation konnte zum spätest mög hilfelandschaft, die weiter unabhängig im lichen Zeitraum mit einer Laufzeit von zwei Jahren 1 Damit folgen wir auch einem Standard für gute Evaluationen: „Die Perspektiven und Annahmen der Beteiligten und Be- Jugendhilfesystem verankert ist (Erfolgskriterium starten. Die zur Verfügung gestellten Ressourcen troffenen, auf denen die Evaluation und die Interpretation der Ergebnisse beruhen, sollen so beschrieben werden, dass Bekanntheit und Akzeptanz – Priorität 2). ermöglichten die Realisierung der Basisoption4. die Grundlagen der Bewertungen klar ersichtlich sind.“ (DeGEval, 2008, 5) 2 In Klammer die Zahl der in der Vorstudie interviewten Personen. • betroffene Jugendliche/PSB (2) • Vertreter*innen der lokalen Jugendämter (3) • Vertreter*innen von freien Trägern (2) • Vertreter*innen des Senats (3) • Mitarbeiter*innen der Ombudsstelle (3) 3 Die Kriterien sind nicht gleichgewichtig, sondern wie beschrieben priorisiert worden. • Vertreter*innen des Trägervereins (2) 4 Die weiteren Optionen hätten in einer Erhöhung der Fallzahlen und vor allem der Gruppendiskussionen (Validierungs- • ausgewählte Expertin (1) workshops) bestanden. 4 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 5
3. Zur Durchführung der Evaluationsstudie – men der Fallanalysen 45 ein- bis dreistündige Diese Fälle wurden aus den Jahren 2015 bis Interviews geführt. Die Interviews6 wurden tran- 2017 ausgewählt. Ziel der Zufallsauswahl war Design und Methoden skribiert und mittels MAXQDA ausgewertet. es, die Gesamtstichprobe möglichst gut abzu- bilden. Die Hauptstudie begann zum 1.1.2016. Das IPP fonds Jugendhilfe e. V. – BRJ e. V., beauftragt, die Der quantitative Teil unserer Studie beinhaltete wurde, wie bereits in der Vorstudie vom Träger externe Evaluation der BBO Jugendhilfe nach drei eigenständige Teilmodule: • Insgesamt 703 Fachkräfte der Berliner Kinder- der BBO Jugendhilfe, dem Berliner Rechtshilfe- den Vorgaben der Expertise durchzuführen. und Jugendhilfe wurden zu ihrem Wissen über • Die von der BBO Jugendhilfe mit externer Un- und zu ihrer Akzeptanz der BBO Jugendhilfe terstützung entwickelte Falldatenbank wurde schriftlich befragt. Hier handelte es sich um Design und Durchführung der Evaluationsstudie zu zwei Zeitpunkten unserer Studie einer Se- eine Vollerhebung bei allen 12 Jugendämtern kundäranalyse unterzogen, das erste Mal für auf der Ebene der mit HzE-Fällen befassten Die oben als Standard genannte Methoden- und Perspektiventriangulation wurde in folgende sechs den Zwischenbericht im April 2017 und das RSD Mitarbeiter*innen und um eine Erhebung Erhebungsmodule übersetzt: zweite Mal zum Ende der Evaluation. Insge- auf der Ebene der mit HzE-Fällen befassten samt konnten 384 vollständige Datensätze se- Fachkräfte aus zufällig ausgewählten 35 Ein- kundär analysiert werden. richtungen von freien Trägern.7 Quantitative Erhebungen Qualitative Erhebungen • Ergänzend wurden weitere 51 Klient*innen telefonisch mittels eines standardisierten Die quantitativen Daten wurden mittels SPSS Auswertung der Befragung von Befragung von 6 Fallstudien (A) 6 Fallstudien (B) Falldokumentation Nutzer/innen Fachkräften in der mit PSB/Jugendlichen, mit PSB/Jugendlichen, Fragebogens zur Bewertung ihrer Erfah- ausgewertet. Im Folgenden werden die einzelnen (PSB/Jugendliche/ Jugendhilfe BBO-Fachkräften BBO-Fachkräften rungen mit der BBO Jugendhilfe interviewt. Module noch einmal ausführlicher beschrieben. Sekundäranalyse Vormünder) Focus: Beratungsverlauf Focus: Ergebnis/Wirkung Retrospektiv Jugendämter und 1) Sekundäranalysen von Falldaten aus der Datenbank der BBO N= 51 Telefon- freie Träger Prozessbegleitend, Inter- Retrospektiv: 6-12 Monate interviews views zeitlich nahe an der nach Ende der Beratung 372 Freie Träger + Beratung (N=13 Interviews) (N=15 Interviews) Grundlage der Sekundäranalyse sind die Aufzeich- konsequenterweise noch einmal nachjustiert, 331 Jugendämter nungen der BBO-Mitarbeiter*innen zu den einzel- d. h. sowohl neue Beschreibungsitems wurden 384 vollständige (+ 16 Fälle = 703 4 Fallstudien (C) nen Fällen. Dazu wurde bereits im ersten Jahr des hinzugenommen als auch vorhandene geändert. Datensätze aus Quali) Fachkräfte mit PSB/Jugendlichen/Fachkräften der Jugendämter, Modellprojekts mit externer Unterstützung eine Dadurch sind nicht alle Daten über alle drei Jahre freien Trägern, BBO-Fachkraft Datenbank entwickelt. Dies war deswegen not- vergleichbar. Aus datenschutzrechtlichen Grün- wendig, weil die am Markt erhältlichen EDV-Un- den werden in der Datenbank der BBO Jugend- Focus: Vermittlungsprozess terstützungen für Falldaten auf die Belange einer hilfe zudem keine weitergehenden Sozialdaten Retrospektiv, kurz nach Ende des Vermittlungsprozesses Beratungs- und Ombudsstelle nicht ausreichend wie schulische Bildung, berufliche Stellung, Ein- (N= 16 Interviews) angepasst waren. Genutzt wurden die bisherigen kommen etc. erfasst. Es werden allgemeine Daten internen statistischen Erfassungskriterien der erhoben, welche Personengruppen mit welchen ombudschaftlichen Beratung des BRJ e. V. Den- Anliegen über welche Wege zur BBO Jugendhilfe Abschließende Gruppendiskussion noch bedeutete dies in der Konsequenz, dass gekommen sind, sowie zum Alter und Geschlecht Berliner Beteiligungs- und Beschwerdekultur diese neue Datenbank noch in einem Entwick- der betroffenen jungen Menschen, usw. lungsstadium war. Die erste Version wurde 2016 Abbildung 1: Gesamtdesign Evaluationsstudie Im Mittelpunkt des qualitativen Teils stehen 16 vier Fallanalysen (Typ C) steht der Vermittlungs- 2) Standardisierte Telefonbefragung von Klienten ausführliche Fallanalysen. Jeweils sechs dieser prozess zwischen mehreren Beteiligten. Hier Fallstudien haben den Fokus entweder auf den wurden zusätzlich zu den Klient*innen und den Um die qualitativen Aussagen aus den Fallana- Einbezogen wurde eine aus der Datenbank gezo- Beratungsverlauf (Typ A) oder auf das Ergeb- BBO-Mitarbeiter*innen auch noch weitere Betei- lysen auch quantitativ einschätzen zu können, gene Zufallsauswahl von Klient*innen, die im Jahr nis des Beratungsprozesses (Typ B) gelegt. Bei ligte (RSD-Mitarbeiter*innen, Fachkräfte aus Ein- war ursprünglich eine schriftliche Befragung von 2016 und Anfang 2017 beraten wurden. Fälle aus allen dieser zwölf Fallanalysen wurden sowohl richtungen, Vormünder) qualitativ interviewt.5 Im Klient*innen geplant. Nachdem diese sich aber dem Jahr 2014 und 2015 wurden nicht einbezo- die Klient*innen als auch die jeweiligen BBO- Durchschnitt wurden bei Typ C 4 Personen pro aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht reali- gen, weil die konkrete Beratung zu lange zurück- Berater*innen interviewt. Im Mittelpunkt von Fall interviewt. Insgesamt wurden somit im Rah- sieren ließ, wurde eine Telefonbefragung durch- lag und es folglich zu Verzerrungen aufgrund von geführt. Die Interviews wurden zwischen Mai und Erinnerungsproblemen kommen kann. September 2017 geführt. 5 Die Auswahl der Fälle für die Interviews erfolgte entlang der Datenbank (strukturierte Zufallsauswahl) und über von Mit- arbeiter*innen des IPP mit den BBO-Mitarbeiter*innen durchgeführten Vorinterviews zu Fällen. Bei etwa zwei Drittel der 6 Methodisch handelt es sich um problemzentrierte qualitative Interviews mit stark narrativen Anteilen. vorgeschlagenen Fälle gelang es, auch das Einverständnis der Klient*innen zu einem Interview zu realisieren. Bei einem 7 Von 752 möglichen Mitarbeiter*innen aus den Jugendämtern wurden 331 erreicht. Abzüglich Krankheit und strukturbe- Drittel scheiterte das Interview an Terminabsagen bzw. Verweigerung seitens der Klientel. Hier wurde dann auf Nachrü- dingten Ausfällen bedeutet dies eine Rücklaufquote von 55 Prozent. Von 890 möglichen Mitarbeiter*innen bei den freien ckerfälle zurückgegriffen. Trägern wurden 372 erreicht. Abzüglich Krankheit und strukturbedingten Ausfällen bedeutet dies einen Rücklauf von 57 Prozent. 6 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 7
Aus Datenschutzgründen wurde folgender keit. Deswegen wurden dann auch alle Fälle aus Es handelte sich um eine anonymisierte Befra- Berlin arbeiten, wurden 58 Einrichtungen zufäl- Zugangsweg gewählt: Das IPP erstellte eine dem zweiten Quartal 2017 mit einbezogen. Nicht gung der RSD-Mitarbeiter*innen, die selbst mit lig gezogen. Bei diesen wurde telefonisch die zufallsgesteuerte Liste8 von Klient*innen und die auszuschließen ist, dass der Zugangsweg9 einen HzE-Fällen befasst sind (Vollerhebung). Deshalb Teilnahmebereitschaft und die Zahl der im HzE- BBO Jugendhilfe klärte deren Bereitschaft. Dies leichten Einfluss auf den Bildungshintergrund und wurde vor der Befragung die Zahl der in Frage Bereich arbeitenden Mitarbeiter*innen geklärt. erwies sich als ein aufwändiges Verfahren, weni- die Bewertung hat. Der folgende Vergleich zeigt, kommenden Mitarbeiter*innen geklärt. Ent- Dabei zeigte sich, dass 12 Einrichtungen aufgrund ger weil viele Klient*innen die Befragung verwei- dass es insgesamt doch eine gute Entsprechung sprechend viele Fragebögen wurden dann an aktueller Entwicklungen baten, nicht in die Befra- gert haben (unter 8 Prozent der Angerufenen), zwischen der Falldatenbank und den telefonisch das jeweilige Jugendamt verteilt. Beim Rücklauf gung einbezogen zu werden, 11 waren zu einer als vielmehr wegen ihrer schwierigen Erreichbar- interviewten Personen gibt. wurde dann nochmals geklärt, wie viele Mitarbei- Befragung nicht bereit. Letztlich wurde in 35 ter*innen aufgrund von Krankheit oder anderen Einrichtungen die Befragung durchgeführt. Der Gründen den Fragebogen nicht ausfüllen konn- Befragungszeitraum war Juni/Juli 2017. Von 890 Alle Fälle ten. möglichen Mitarbeiter*innen in diesen 35 Ein- Kriterium Telefon-IV Entsprechung (2016-2017) richtungen wurden 372 erreicht (Ausschöpfung 1 - Jahr der Inanspruch- 2016 2016 Sehr gut Von 752 möglichen Mitarbeiter*innen wurden 331 42 Prozent). Nimmt man nur die Daten jener Trä- nahme 2017 2017 erreicht (Ausschöpfungsgrad 44 Prozent). Auf- ger, die die verschlossenen Einzelfragebögen als Bis 12 Bis 12 grund der starken Fallbelastung bzw. des knap- Paket zurück geschickt haben, betrug der Rück- Gut Kindes/Jugendlichen 13 - 18 13 - 18 pen Personalstands konnten in vier Bezirken nur lauf 57 Prozent.12 Männlich Männlich Sehr gut Teile der RSD-Mitarbeiter*innen befragt werden. Kindes/Jugendlichen Weiblich Weiblich Abzüglich der krankheits- und strukturbedingten Beide Befragungen liefern auch aufgrund der Junger Mensch Junger Mensch 11,6 % Mutter Mutter 28,5 % Ausfälle11 beträgt die Rücklaufquote 55 Prozent. positiven Rücklaufquote ein gutes Bild zur Ein- Vater Vater 3,4 % schätzung der Fachkräfte, sind aber in einem 4 - Status des Klientels Angehörige Angehörige 5,3 % Befriedigend Befragung der Mitarbeiter*innen von freien strengen Sinn nicht repräsentativ. Pflegeeltern Pflegeeltern 8,2 % 30,4 % Trägern Sonstige Sonstige 14,0 % Aus einer Liste des Berliner Senats an freien Trä- Leistungsgewährung Leistungsgewährung gern bzw. Institutionen, die im HzE-Bereich in 5 – Kontext der Anfrage Gut Leistungserbringung Leistungserbringung Tabelle 1: Zur Aussagekraft/“Repräsentativität“ der Telefon-Interviews 4) Die Gruppendiskussion Wie die Spalte rechts zeigt, gibt es eine ausrei- der Klient*innen gibt es eine kleine Abweichung. Ziel der Gruppendiskussion war es, zum einen Daran teilgenommen haben acht Expert*innen. chende Entsprechung zwischen der Verteilung in Hier wurden mehr selbst betroffene Klient*innen den bisherigen Verlauf der Berliner Beteiligungs-, Erste Zwischenergebnisse wurden im Februar der Datenbank sowie bei den faktisch durchge- (Mütter, Väter, Angehörige …) erreicht, als die Ver- Ombuds- und Beschwerdekultur nachzuzeich- 2017 dem Beirat vorgestellt und in einem Zwi- führten Telefoninterviews. Lediglich beim Status teilung aus der Datenbank erwarten ließ. nen, und zum anderen ein zukünftiges Anforde- schenbericht im April 2017 (Straus, Höfer, Hacken- rungsprofil zu skizzieren. Dazu wurde eine Grup- schmied 2017) auch dem Auftraggeber übermit- pendiskussion mit Leitungs- und Fachkräften der telt. Die dort dargestellten Ergebnisse bildeten 3) Schriftliche Befragung von Fachkräften in der Jugendhilfe öffentlichen und freien Jugendhilfe und Fach- eine Grundlage für die Entscheidung des Berliner politiker*innen geplant. Aufgrund terminlicher Senats zur Weiterfinanzierung (siehe dazu Teil 1, Ziel war es, zum Zeitpunkt der Befragung den Befragung der Mitarbeiter*innen aus den Probleme konnte diese erst im März 2018 geführt Abschnitt 3.3.). Grad der Bekanntheit, der Akzeptanz und des Jugendämtern werden. Ansehens bzw. des Rufs des Modellprojekts zu Diese wurde in zwei Befragungsrunden durchge- erheben. Beurteilen sollten dies jene Mitarbei- führt. Alle 12 Jugendämter haben sich mit einer ter*innen, die bei HzE-Fällen selbst in der Fall- Befragung einverstanden erklärt. Die erste Befra- arbeit stecken. Befragt wurden Mitarbeiter*innen gungsrunde fand zwischen 12/2016 und 01/2017 aus den Jugendämtern und von freien Trägern. und die zweite zwischen 06/2017 bis 09/2017 Zielmarke war, zwischen 600 und 800 Befragte zu statt.10 erreichen und beide Gruppen annähernd gleich vertreten zu haben. 8 Auswahlkriterien für die Zufallsauswahl waren die in der Tabelle aufgelisteten Kriterien: Jahr der Inanspruchnahme, Alter des betroffenen Jugendlichen, Geschlecht des betroffenen Jugendlichen, Status der Klient*innen und der Kontext der Anfrage. 9 Der Zugangsweg – Die BBO klärt die grundsätzliche Bereitschaft und das Einverständnis der Weitergabe der Telefon- daten, und das IPP führt dann das Interview durch – könnte dazu geführt haben, dass wir etwas weniger Personen mit einfachem Bildungshintergrund in der Befragtenpopulation haben, als in der Gesamtklientel vertreten war. Dadurch, dass 11 Es wurde beim Rücklauf erhoben, wie viele Mitarbeiter*innen durch Krankheit verhindert waren, oder auch, ob tatsäch- die BB,O hier keine Daten erhebt, ist dies nicht nachprüfbar. Denkbar wäre auch, dass sich Klient*innen mit Beratungsab- lich alle Teilregionen teilnehmen konnten. Es gab Fälle, bei denen beispielsweise aufgrund einer EDV- Umstellung und der bruch und negativer Einschätzung durch die von der BBO geführte Akquise gar nicht akquirieren ließen. Allerdings haben damit verbundenen Arbeitsbelastungen ganze Regionen keine Fragebogen ausgefüllt haben. wir in der Befragtengruppe den gleichen Anteil an Abbrecher*innen, wie ihn auch die BBO-Datenbank zeigt. 10 Die Teilung in zwei Wellen hatte das Ziel, bereits für den Zwischenbericht im April 2017 noch erste Daten zur Einschätzung 12 85 Teilnehmer*innen haben die Fragebogen einzeln an das IPP geschickt. Bei diesen ist kein Rückschluss auf den Träger der BBO Jugendhilfe durch die Jugendämter einfließen lassen zu können. und somit auch keine Rücklaufkontrolle möglich. 8 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 9
4. Zum Evaluationsbericht Jedes der Kapitel 3 bis 5 ist der Beantwortung die Komplexität der verschiedenen Fallkonstella- eines der drei Evaluationskriterien gewidmet: tionen nachgezeichnet. In diesem Kapitel finden sich u. a. auch die statistischen Beschreibungen • In Kapitel 3 geht es um die Frage, ob es eine zur Zielgruppe, dem rechtlichen Hintergrund der ausreichende Zahl von Nutzer*innen der Be- Fälle sowie zum realisierten Beratungssetting. ratungsstelle gibt und inwieweit diese von der Beratung der BBO Jugendhilfe profitieren. Kapitel 6 schließlich komprimiert die bisherigen Ergebnisse unter einer Effekte- bzw. Wirkungs- • In Kapitel 4 steht die Perspektive der Fachkräf- frage. Beantwortet werden vier Fragen: te im Zentrum. Geklärt werden soll, inwieweit es der BBO Jugendhilfe gelungen ist, zu einer • Was ist das Typische an der Beratungsleistung bekannten und auch akzeptierten Einrichtung der BBO Jugendhilfe? der Berliner Kinder- und Jugendhilfelandschaft zu werden. • Woraus erklärt sich die positive Bewertung der Klient*innen? • In Mittelpunkt von Kapitel 5 steht die Entwick- lung der Berliner Beteiligungs-, Beratungs- und • Welche Effekte und Wirkungen kennzeichnen Ombudschaft. Beantwortet wird die Frage die Beratungsarbeit der BBO Jugendhilfe? nach der Weiterentwicklung der Diskurse und Umsetzungen. • Mit welchen Herausforderungen sollte die BBO Jugendhilfe sich auseinandersetzen, um auch Diesen drei Kapiteln vorgeschaltet ist das Kapi- in Zukunft erfolgreich weiterarbeiten zu kön- tel 2. Anhand von vier Fällen wird die Arbeit der nen? BBO Jugendhilfe exemplarisch dargestellt sowie Abkürzungen/Sprachgebrauch BBO Jugendhilfe: Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe BRJ e. V.: Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e. V. Expert*innen: Gemeint sind jene Fachkräfte der Kinder und Jugendhilfe, die in der Vorstudie befragt wurden und jene, die am Workshop beteiligt sind. Aus Gründen der Anonymität werden hier keine wei- teren Differenzierungen vorgenommen. Selbstbetroffene Klient*innen: Dazu zählen alle Klient*innen, die in eigener Sache sich an die BBO Jugendhilfe gewandt haben: Jugendliche, junge Erwachsene ebenso wie Mütter, Väter, Großeltern und andere Verwandte von Kindern und Jugendlichen, die in der Jugendhilfe betreut werden, sowie Pflege- eltern. Fachkräfte als Klient*innen: Hier sind jene Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendhilfe oder angrenzen- den Feldern gemeint, die sich stellvertretend für von ihnen betreute Klient*innen an die BBO Jugend- hilfe gewandt habe. Direktes Wissen: Wissen über die BBO Jugendhilfe das man über Fälle oder Vorträge von BBO Mitarbei- ter*innen erworben hat. Indirektes Wissen: Wissen über die BBO Jugendhilfe, das man über Berichte von Dritten (Vorgesetzte, Kolleg*innen) oder aus Medien erworben hat. PSB: Personensorgeberechtigte Personen 10
Kapitel 2: Ombudschaftliche Beratung durch die BBO Jugendhilfe in der Modellphase Die folgenden Falldarstellungen sollen die Hinweise, worin der Erfolg dieser neuen Bera- Arbeitsweise der BBO Jugendhilfe verdeutlichen. tungsleistung in der Jugendhilfe besteht. Zusätz- Sie ergänzen die Fallbeispiele aus Teil 1. Dort wur- lich finden sich zu den Falldarstellungen auch die den exemplarisch Fälle entlang der Phasen des statistischen Beschreibungen der Zielgruppe, Hilfeverlaufs aus Sicht der Berater*innen der BBO dem rechtlichen Hintergrund der Fälle sowie zum Jugendhilfe dargestellt. Im Mittelpunkt der fol- realisierten Beratungssetting. Die Auswahl folgt genden Fallanalysen stehen die Beteiligten und zudem der Logik der Fallstudien, wie wir sie in ihre Perspektiven zum Fall. Sie geben auch erste Kapitel 1 dargestellt haben. Frau Geiger, eine nicht sorgeberechtigte Djamal, ein 18-jähriger Flüchtling, für den seine Mutter eines 14-jährigen stationär unterge- ehrenamtlichen Helfer*innen trotz erreichter brachten Sohnes, die mit dem Setting der Volljährigkeit eine jugendhilfefinanzierte Einzel- Unterbringungen nicht einverstanden ist. fallhilfe suchen. Frau Werner, eine 29-jährige Pflegemutter, Frau Müller, eine 43-jährige „soziale Mutter“, die sich in ihrer Tätigkeit als Pflegemutter vom die Konflikte mit der Vormundin hat und sich Jugendamt nicht ausreichend unterstützt mit ihrem 17-jährigen Sohn über eine stationäre sieht. Unterbringung beschwert. Dies sind vier Beispiele von über vierhundert Fäl- Des Weiteren geht es auch um die Frage, ob len, die in der BBO Jugendhilfe im Modellzeitraum es so etwas wie ein typisches Beratungsset- 2014 bis 2017 beraten wurden. Diese Fälle ver- ting gibt und wodurch sich dieses auszeichnet. deutlichen gut das Spektrum der Beratung durch Die Ergebnisse werden erste Hinweise für das die BBO Jugendhilfe. Im Mittelpunkt stehen vier fachliche Anforderungsprofil liefern, das für den Fragen: Beratungsansatz der BBO Jugendhilfe Berlin als Voraussetzung gelten kann. Darüber hinaus geht • Welche Praxisformen einer ombudschaftlichen es in diesem Abschnitt um eine zunächst fallbe- Beratung haben sich entwickelt und lassen zogene Einschätzung des Erfolgs ombudschaftli- sich an den Fällen13 erkennen? cher Beratung. • Wie sehen typische Beratungsverläufe aus? • Wer gehört zur Klientel, die die BBO Jugend- hilfe in Anspruch nimmt? • Was sehen die Klient*innen als Erfolg/Miss- erfolg in ihrem Fall? Im Hintergrund der Beratung steht der Arbeitsauftrag der BBO Jugendhilfe Im Konzept der BBO Jugendhilfe wurden zu Beginn freien Jugendhilfe über die (Weiter-)Entwicklung des Modellzeitraums zwei Aufgabenfelder fest- einer Beschwerdekultur in der Berliner Kinder- geschrieben; zum einen die Beratungsarbeit für und Jugendhilfe. Im Zentrum der Beratungspro- Ratsuchende bei Konflikten und Beschwerden im zesse stehen, laut Konzept, die Information, Bera- Bereich der Leistungsgewährung sowie der Leis- tung und Vermittlung bei Konflikten zwischen tungserbringung und zum anderen der fachliche den Hilfe beantragenden jungen Menschen und Austausch mit den Akteuren der öffentlichen und ihren Familien auf der einen Seite sowie den pro- 13 Diese und alle folgenden Fälle wurden anonymisiert bzw. pseudonymisiert. Bei der Pseudonymisierung werden die Namen durch Pseudonyme ersetzt. Die Anonymisierung verändert zusätzlich personenbezogene Daten derart, dass diese nicht mehr genau mit den Daten der/des Interviewten übereinstimmen. „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 11
fessionellen Fachkräften der Jugendhilfe auf der den Positionen der Ratsuchenden und des Berlin 2016 BBO Jugendhilfe 14/17 anderen Seite. Ausgangspunkt für die Einleitung Jugendamtes sowie der freien Träger zu ver- eines Beratungsprozesses ist somit stets die mitteln, und unterstützt bei der Durchsetzung Angaben in Angaben in absolute Zahlen absolute Zahlen Klärung, ob der Fall von der BBO übernommen eines vorhandenen Rechtsanspruchs. Prozent Prozent werden kann: unter 6 Jahre 499 8,8 41 11,0 • Überleitung in regelhafte Beschwerdever • Fälle, für die die BBO zuständig ist: Hilfen zur fahren: Widerspruchsverfahren, Dienstauf- 6 bis 12 Jahre 1293 22,8 58 15,5 Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII), Eingliederungs sichtsbeschwerden, Petitionsmöglichkeiten. hilfe für seelisch behinderte Kinder und Ju- 12 bis 18 Jahre 2731 48,2 175 46,9 gendliche (§ 35a SGB VIII), Hilfen für junge Neben Beratungsfällen im Bereich der Hilfen zur 18 Jahre und älter 1145 20,2 99 26,5 Volljährige (§ 41 SGB VIII) oder gemeinsame Erziehung gibt es als zweiten Bereich die gezielte Wohnformen für Mütter/Väter (§ 19 SGB VIII); Weiterverweisung bei den sogenannten Lotsen Tabelle 2: Alter der Kinder / Beendete Hilfen (ohne Fälle nach § 28) 15 fällen. Hier übernimmt die BBO Jugendhilfe keine • Fälle, für die die BBO nicht zuständig ist: Beratungsaufgabe im engeren Sinne, sondern Wie auch in der Berliner Kinder- und Jugendhil- vor allem die 17- und 18-Jährigen, die fast 61,7 Pro- Familiengerichtliche Verfahren, Schlichtung vermittelt die Anfragenden an die zuständi- festatistik für 2016 ist der Anteil der männlichen zent ausmachen. Die Gruppe der 12- bis 16-Jäh- von Konflikten außerhalb der Leistungsgewäh- gen Stellen. Das vielfältige Anfragenspektrum Jugendlichen bei der BBO Jugendhilfe höher. Das rigen ist mit 25,5 Prozent sogar noch größer als rung und -erbringung von Individualhilfen im erfordert die genaue Zuordnung zu möglichen Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen die der über 18-Jährigen mit 12,8 Prozent. Der Bereich der Hilfen zur Erziehung, § 13 SGB VIII Beratungsangeboten und umfasst zeitinten- Jugendlichen ist mit 59 zu 41 Prozent annähernd Geschlechtervergleich bei den „Selbstmelder*in- (Jugendberufshilfe), allgemeine Jugendbera- sive Recherchen nach aktuell geeigneten Bera- identisch mit den Angaben der Berliner Kinder- nen“ weist ebenfalls einen höheren Anteil der tung. tungsangeboten. Hier geht es beispielsweise um und Jugendhilfe mit 58 zu 42 Prozent. männlichen Jugendlichen/jungen Erwachsenen Anfragen zu materiellen Hilfen aus dem Bereich auf (57,4 Prozent männlich zu 42,6 Prozent weib- In den Beratungen selbst geht es vor allem um der Existenzsicherung sowie um Sorge- und Nimmt man nur die Jugendlichen/jungen lich). drei Aspekte: Umgangsstreitigkeiten. Hinzu kommen noch Erwachsenen, die sich selbst melden, sind es nicht fallbezogene Anfragen von Einrichtungen • Orientierungsberatung: Aufklärung über und Institutionen. Alle nachfolgenden Analy- Rechte, Rechtsansprüche und Verfahrens sen werden sich auf das Kerngeschäft der BBO 1.1. Beratungszeitraum, Beteiligte und Beratungsthema wege; Jugendhilfe, die Beratungsfälle, beziehen. Dies gilt auch für die vier Fallanalysen sowie für die Die Beratung von Frau Geiger und ihrem Sohn jugendlichen Sohn und der Vormundin bzw. dem • Vermittlung: Bei Konflikt- und Beschwerdefäl- aufgeführten statistischen Zahlen. begann Ende März 2015. Der Beratungszeitraum Jugendamt aufgrund unterschiedlicher Vorstel- len mit Bezug auf Individualhilfen der Kinder- erstreckte sich zunächst bis Anfang Juli 2015. lungen über die geeignete Maßnahme für Joshua. und Jugendhilfe versucht die BBO, zwischen Dann kam es während des Beratungsprozesses Da es dabei auch um ein Anliegen im HzE-Bereich zu einer längerfristigen Kontaktunterbrechung, einer nicht sorgeberechtigten Mutter ging, wur- bevor sich die Mutter im Februar 2016 erneut an den auch sorgerechtliche Fragestellungen the- 1. Frau Geiger und die Suche nach einer geeigneten die BBO Jugendhilfe wandte. Hierdurch erhielt die matisiert. Beteiligt am Beratungsprozess waren BBO Jugendhilfe auch eine Rückmeldung über neben Frau Geiger und Joshua, die Vormundin, Maßnahme für Joshua den Ausgang der ersten Beratung. die Mitarbeiterin des Jugendamtes sowie ver- schiedene Einrichtungsvertreter*innen. Das auch In diesem Fall hat sich die Mutter eines 14-jähri- ziehen. Persönliche Gespräche werden gemein- Im Mittelpunkt des Beratungsprozesses stand noch beteiligte Familiengericht war nicht in den gen Jungen zwar an die BBO Jugendhilfe gewandt, sam mit den anmeldenden Personen und den ein Konflikt zwischen Frau Geiger bzw. ihrem Beratungsprozess der BBO Jugendhilfe involviert. aber auch der Sohn Joshua wurde in den Bera- Kindern/Jugendlichen geführt. tungsprozess mit einbezogen. Die Interviewzitate stammen aus den jeweiligen Interviews mit Mut- Die Statistik der BBO Jugendhilfe über alle Fälle 1.2. Verlauf der Beratung – Episode 1 (März 2015 – Juli 2015) ter und Sohn sowie aus einem Interview mit der zeigt, dass es auch einen erheblichen Anteil an zuständigen Mitarbeiterin der BBO Jugendhilfe. Kindern unter 12 Jahren gibt (26,5 Prozent). Die- Anlass der telefonischen Kontaktaufnahme anderen grenzverletzenden Verhaltens ange- Alle Interviews wurden im Januar 2017 geführt.14 ser fällt jedoch leicht niedriger aus, als ihn die von Frau Geiger war, dass der damals 15-jäh- zeigt. Die Vormundin und die zuständige Jugend- Berliner Kinder- und Jugendhilfestatistik für 2016 rige Joshua wieder bei ihr wohnte. Plötzlich und amtsmitarbeiterin wollten ihn wegen der Vorfälle In der BBO-Jugendhilfe ist es Standard, Kinder ausweist. In etwa dreiviertel der Fälle sind die ohne Abstimmung mit der Vormundin und dem in einer spezialisierten therapeutischen Wohn- und Jugendliche, die in das Beratungsanliegen betroffenen Jugendlichen älter als 12 Jahre und Jugendamt wurde er aus seiner Jugendhilfeein- gruppe unterbringen – eine Maßnahme, mit der involviert sind und altersentsprechend entschei- etwas mehr als jede/r Vierte ist 18 Jahre und älter. richtung entlassen, nachdem es durch ihn zum Frau Geiger überhaupt nicht einverstanden war. dungsreif sind, in den Beratungsprozess einzube- wiederholten Mal zu einem massiv grenzverlet- Dieses Bespiel führte ihr erneut vor Augen, wie zenden Verhalten gekommen war. Bereits vor- wenig Einfluss sie als Mutter ohne Sorgerecht her hatte ihn ein/e Jugendliche/r wegen eines hat. 15 Statistischer Bericht Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen, Hilfe für junge Voll- 14 In der Logik der Fallanalysen gehört dieser Fall zur Gruppe B (Retrospektive Analysen). jährige in Berlin 2016 (K V 2 - j / 16). Hier wurden nur beendete Fälle in den Hilfen, die am jungen Menschen orientiert sind, verglichen: §§ 27, 29, 30, 32, 33, 34, 35, 35a. Fälle nach § 28 wurden zur besseren Vergleichbarkeit in der Berechnung nicht berücksichtigt. 12 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 13
sein. Sie wurde darüber informiert, dass dadurch und Mitgestaltung eine nichtsorgeberechtigte Frau Geiger: Doch, letztendlich, das hat mich immer so frustriert, dass letztendlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei der Vor- Mutter hat. Die BBO Jugendhilfe hat die beiden nur sie [die Vormundin] die Entscheidungskraft hatte, dass alles nach ihrem Plan ging, mundin liege und diese jederzeit die Herausgabe Ratsuchenden dahingehend begleitet, ihre Mit- oder auch von der Sachbearbeiterin vom Jugendamt. Die Möglichkeit, dass (mein des Sohnes über das Familiengericht oder direkt wirkungsmöglichkeiten bei der Hilfegestaltung Sohn) nach Hause (kommt) bestand gar nicht. Sie möchte das nicht. Und … Also es auch mit Hilfe der Polizei einfordern könne. Um zu stärken. war schon, ja, frustrierend, weil, wie gesagt, ich mir da auch gewünscht hätte, dass die in keine für ihren Sohn und sie krisenhaft zuge- nicht für alles zuständig ist: ob er zum Arzt …, ob er Medikamente kriegt also oder The spitzte Situation zu geraten, wurde ihr empfohlen, Nach der Hilfeplankonferenz wurde die BBO rapie oder …I: Sie haben sich nicht ernstgenommen gefühlt?Frau Geiger: Nee, ernst den Kontakt und Austausch mit der Vormundin Jugendhilfe von Frau Geiger telefonisch darüber genommen schon, aber, ja, so hilflos eigentlich, weil man wusste: Okay, sie hat da eh aufrecht zu erhalten und nicht unterzutauchen, informiert, dass die Vormundin sich weiter gegen den längeren Daumen, und man hat nirgends die Möglichkeit, da Unterstützung zu wie die Mutter angesichts der für sie bedrängen- eine Rückführung aussprach, jedoch der Thera- erhalten. den Ausweglosigkeit überlegte. Zusätzlich wurde peut der vom Jugendamt vorgeschlagenen Ein- ihr geraten, die vom Jugendamt vorgeschlagene richtung die Vorfälle für eine Aufnahme in seiner Einrichtung anzuschauen und gleichzeitig mit der Einrichtung als zu geringfügig erachtete. Gleich- Jugendamtsmitarbeiterin und der Vormundin zeitig erfuhr die BBO Jugendhilfe, dass sich Frau Frau Geiger fand ihre Sichtweise zu den Vorfäl- auch nur ansatzweise Verständnis. Andererseits darüber ins Gespräch zu kommen, welche Vor- Geiger, gleich nach den ersten Anschuldigungen len viel zu wenig berücksichtigt und wollte auf gestatteten beide, dass Joshua einstweilen bei aussetzungen es für eine Rückführung gäbe und des grenzverletzenden Verhaltens an hierauf alle Fälle die Unterbringung in dieser vorgeschla- der Mutter lebte, bis ein freier Einrichtungsplatz wie die Zwischenzeit bis zur Aufnahme bzw. dem spezialisierte Institutionen gewandt und sich genen spezialisierten Einrichtung verhindern. In zur Verfügung stehen würde. In ihrer Not und als Finden einer anderen Lösung gestaltet werden um (ambulante) Therapiemöglichkeiten für ihren dieser konflikthaften Situation beschloss Frau Hilferuf verschickte Frau Geiger schon im Vor- könne. Sohn bemüht hatte. Geiger, für den wohl schon länger bestehenden feld des Kontakts zur BBO Jugendhilfe eine Viel- und mit ihrem Sohn geteilten Wunsch nach einer zahl von Schreiben an unterschiedliche Stellen Die BBO Jugendhilfe berät nicht zu sorgerecht- Im persönlichen Beratungsgespräch, das ca. Rückführung zu kämpfen. Ebenso strebte sie und kontaktierte einige auch persönlich. Hierbei lichen Fragestellungen und hat daher in die- zwei Wochen nach dem Erstkontakt mit Frau Gei- die Wiedererlangung des Sorgerechts an. Hier- wurde sie auf die BBO Jugendhilfe aufmerksam. sem spezifischen Fall zu diesem Anliegen auch ger und Joshua16 in den Räumen der BBO Jugend- für zeigten, aus Sicht von Frau Geiger, weder die nicht beraten. Allerdings war Ziel des zweiten hilfe geführt wurde, ging es dann einerseits Vormundin noch die Jugendamtsmitarbeiterin Gesprächs, im Rahmen der ombudsschaftlichen darum abzuklären, inwieweit sich die Vorstellun- Beratung, Frau Geiger und Joshua darüber auf- gen von Frau Geiger mit den Vorstellungen ihres zuklären welche Möglichkeiten der Einbeziehung Sohnes deckten. „Ich hab‘ mir das aus dem Internet gesucht. Also ich hab’ wirklich (gefühlt) eine vier stellige Anzahl von Schreiben verschickt an Frauenbeauftragte, Kinderhilfswerke, Einrichtungen, Träger …, letztendlich, ja, auch an den Senat, also wirklich ganz viele I: Ah ja. Also vielleicht noch mal zu dem Gespräch: Du sagst, das war gut. Was kann Stellen verschickt. Und das war so eine Art Hilferufbrief, wo sich dann auch ein paar ich mir unter gut vorstellen? gemeldet hatten; und ich glaube, da hatte mir jemand auch den Tipp gegeben oder Joshua: Ja. Die haben mal zugehört und uns geholfen, auf unsere Fragen eingegan ich habe im Internet selber rausgegoogelt, dass es die Ombudschaft gibt. Und dann gen … rief ich an, und man hatte auch ganz kurzfristig für mich Zeit, das war wirklich super I: Haben sie auch dich gefragt, was du willst? klasse, weil bei mir eilte es damals … Also da war die Not irgendwie ganz schlimm.“ Joshua: Ja, ja, natürlich. Es ging ja um mich. (Frau Geiger) Andererseits war es wichtig, weitere Informa- die aktuelle Lebenssituation von Mutter und Zum Ablauf der Beratung: und Rechte benannt, Gespräche vor- und nach- tionen für eine zielgerichtete Beratung zu erhal- Sohn darstellt und welche Zukunftsperspektiven Nach dem telefonischen Erstgespräch, in dem bereitet und das weitere Vorgehen abgestimmt ten. Hierzu gehörte z. B. die Klärung der Fragen, bestehen. die Beratungsmodalitäten erklärt und das Anlie- wurden. Durch diesen intensiven Austausch wie es zu dem Sorgerechtsentzug kam, wie sich gen von Frau Geiger mitsamt Hintergrundinfor- erhielt die BBO Jugendhilfe fortlaufend wichtige mationen aufgenommen wurden, zeigte sich (Hintergrund-)Informationen und Frau Geiger Frau Geiger als aktive Klientin und sorgende neben einer rechtlichen Aufklärung eine situative „Und irgendwann war ihr auch klar irgendwie, sie muss die Karten auf den Tisch legen, Mutter, die gegenüber Jugendamt, Vormundin und lösungsorientierte Unterstützung. so. Ich hab‘ ihr gesagt, je genauer und offener Sie über die Hintergründe reden, umso und Einrichtungen eigenständig auftrat. Mit der gezielter kann ich Sie beraten. Manchmal ist das den Ratsuchenden klar, und manch BBO Jugendhilfe sprach sie jeden einzelnen ihrer Informationen und Klärung des Beratungs mal muss man das auch mal besonders hervorheben.“ (Beraterin BBO Jugendhilfe) Schritte ab. Somit nutze Frau Geiger die Beratung wunsches: über den gesamten Beratungszeitraum auch im Schon bei den Telefongesprächen zur Vorberei- Sinne eines Coachings. tung einer Hilfeplankonferenz, die zwei Tage nach dem Erstkontakt stattfand und an der Frau Geiger Konkret bedeutete dies, dass in zahlreichen Tele- ohne Begleitung der BBO Jugendhilfe teilnehmen fonaten und vielen E-Mail Kontakten jeweils der wollte, wurde Frau Geiger darüber aufgeklärt, 16 Es gab bereits vor dem persönlichen Beratungsgespräch telefonische Kontakte mit dem Jugendlichen, um seine Sicht- aktuelle Stand ausgetauscht wurde, ihre Pflichten was es für sie bedeutet, nichtsorgeberechtigt zu weise abzuklären. 14 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 15
Hintergrund Sorgerechtsentzug: von Vernachlässigung. Allerdings lebte Joshua ob aufgrund der begrenzten mütterlichen Ein- hilfe empfahl der Mutter, ihre Kontakte zu dieser Das Sorgerecht wurde Frau Geiger 2008 ent- zunächst noch mit Unterstützung einer sozialpä- flussnahme nicht doch die Fremdunterbringung Einrichtung gegenüber der Vormundin auch kon- zogen. Frau Geiger hatte damals massive psy- dagogischen Familienhilfe bei ihr. Zu einer ersten für beide eine sinnvollere Maßnahme darstellen kret nachzuweisen, damit diese eine tatsächli- chische Symptome und ein Alkoholproblem. Als Fremdunterbringung nach einer Inobhutnahme würde als die Rückführung. che Einschätzung der Bemühungen vornehmen Mutter erschien sie nicht mehr dauerhaft zuver- kam es dann gegen ihren Willen 2010, als ihr Sohn könne. Des Weiteren sollte sie der Vormundin lässig, und bei ihrem Sohn zeigten sich Anzeichen zehn Jahre alt war. Suche nach weiteren Lösungsmöglichkeiten: Im genau darlegen, wie sie und ihr Sohn diesen Vorfeld einer weiteren Hilfeplankonferenz, die zweiten Anlauf des gemeinsamen Zusammenle- Anfang Juni 2015 erneut in der Einrichtung für bens künftig bewältigen möchten. I: Haben Sie damals verstanden, dass das Jugendamt diesen Schritt gegangen ist? Jungen mit grenzverletzendem Verhalten ange- Frau Geiger: Nein. Dass ich Fehler gemacht habe in dem Fall, ja. Also ich meinte, ich setzt war, kam es abermals zu einem regen Tele- Begleitung beim zweiten Hilfeplangespräch: bin bereit, mit ihm mich zusammen unterbringen zu lassen, aber man soll uns bitte fon- und E-Mailkontakt von Frau Geiger mit der Da diesmal Frau Geiger und ihr Sohn die Beglei- nicht trennen oder, ja, eine andere Form der Hilfe finden; und Joshua wollte ja auch BBO Jugendhilfe. Jetzt wollte die Vormundin tung der BBO Jugendhilfe beim Hilfeplange- nicht weg und … Ja. Also wir hatten ja auch noch irgendwie die Oma im Hintergrund. eine baldige Unterbringung erreichen. Frau Gei- spräch wünschten, wurde vereinbart, dass Frau Also es war schon, ein Gefühl der Hilflosigkeit. Damals kannte ich mich ja auch noch ger hatte sich zwischenzeitlich bei einer Einrich- Geiger dies vorher ankündigt. In der Hilfeplankon- nicht so gut aus. Also ich bin auch in gezielte Fallen gelaufen, hatte ich zumindest tung informiert, die Wohnungen für psychisch ferenz unterstützte dann die Mitarbeiterin der das Gefühl. Ich wusste juristisch einfach gar nicht Bescheid und ich hätte bestimmt kranke Erwachsene in Verbindung mit sozialpä- BBO Jugendhilfe Frau Geiger und ihren Sohn in anders reagiert, wenn ich, ja, da informierter gewesen wäre. Die Ombudsstelle gab‘s dagogischer Familienhilfe anbietet. Auch dieser der Formulierung ihrer Positionen, was von bei- damals ja noch nicht. Initiative von Frau Geiger stand die Vormundin den positiv wahrgenommen wurde. I: Genau. Also Sie haben sich auch nicht wirklich gut informiert gefühlt. zunächst ablehnend gegenüber. Die BBO Jugend- Frau Geiger: Nee, gar nicht. Also vom Vormund wurde ich teilweise sogar wirklich fehl informiert, juristisch. Joshua: Ich hatte den Eindruck die (die Vormundin, die Einrichtung) haben mal zuge hört und sind auf unsere Fragen eingegangen. Es war auch viel ruhiger. Jeder hat sei nen Part geredet, und, ja, da ist der Vormund zu dem Schluss gleich gekommen, dass Diese erste Unterbringung wurde 2012 mit der trotz dieser insgesamt schwierigen Ausgangsi- ich bei meiner Mutter jetzt, also noch wohnen darf. Rückführung in den Haushalt der Mutter beendet. tuation gelingen kann, dass die Vormundin und I: Okay. Du hast jetzt betont, das ist ruhig verlaufen. Verlaufen Hilfeplangespräche Ihr Sohn lebte dann wieder für ca. 1,5 Jahre bei das Jugendamt einem gemeinsamen Weg mit sonst anders? Frau Geiger. Aufgrund der Leistungsverschlech- der Klientin und ihrem Sohn zustimmen können. Joshua: Na, sonst wird viel durcheinander geredet, jeder will seine Partei bestärken. terung und sozialer Auffälligkeiten in der Schule Daher wurden die notwendigen Grundvoraus- I: Wie haben Sie denn, jetzt noch mal, diese Helferkonferenz erlebt? folgte dann eine zweite Fremdunterbringung in setzungen für eine Rückführung angesprochen Frau Geiger: Das war angenehmer, weil ich mich ein bisschen gestärkter gefühlt hatte jener Einrichtung, in der er bis zu seiner „Entlas- wie z. B. das Finden einer geeigneten Wohnung, durch jemanden, der mich auch ein bisschen vertreten hat so von der Argumentation sung“ im März 2015 untergebracht war. die Gewährleistung des weiterhin regelmäßigen oder auch mal unsere Schwierigkeiten mit eingebracht hat und auch gehört wurde, Schulbesuchs und einer therapeutischen Versor- dass Joshua sich wieder dran gewöhnt hat, zu Hause zu sein, und auch nach Hause Aufklärung über Handlungsspielräume: gung des Sohnes. Es wurde zudem besprochen, will. Also da wäre ich manchmal verloren gewesen, nervlich und so und man fühlt sich Bei der Erörterung der aktuellen Lebenssituation ob beide als Hilfe in der ungeklärten Situation die da schon sonst ziemlich allein. wurde im Beratungsgespräch mit Frau Geiger konkrete Unterstützung des Jugendamtes anfra- und Joshua deutlich, dass: gen und annehmen würden, wie beispielsweise eine begleitende Familienhilfe. • schon aufgrund der aktuell bestehenden Die Funktion der BBO-Jugendhilfe-Mitarbeiterin richtung zu prüfen, um das sich die Kindesmutter beengten Wohnsituation der Mutter – die Als Teilziel galt es, den Kontakt von Mutter und in der Hilfekonferenz war zum einen wie oben bemüht hatte. Mutter lebte als Untermieterin in einem Sohn zur Vormundin aufrecht zu erhalten und zu von Frau Geiger beschrieben, die Sichtweise der WG-Zimmer – weder das Jugendamt noch die verbessern. Die zuständige JA-Mitarbeiterin war Klientin in der Situation des Hilfeplangesprächs Kurz nach dieser Hilfeplankonferenz wurde dann Vormundin einer Rückführung momentan zu- zu dieser Zeit nicht erreichbar. Als erster Schritt einzubringen. Zum anderen hatte die Anwesen- die BBO Jugendhilfe von Frau Geiger über das stimmen können, wurde vereinbart, dass Frau Geiger und ihr Sohn heit aus Sicht von Joshua auch den Effekt einer weitere Vorgehen der Vormundin informiert. • eine Zwischenregelung auch zur finanziellen bald einen Gesprächstermin bei der Vormundin Versachlichung der Atmosphäre. Es ging darum, Diese hatte auf der einen Seite den Einrichtungs- Versorgung ihres Sohnes gefunden werden wahrnehmen und sich danach wieder bei der im weiteren Verfahren Transparenz herzustellen, vorschlag von Frau Geiger genauer geprüft und musste, da Frau Geiger in einer schwierigen BBO Jugendhilfe melden sollten. Nachdem sich um das Finden einer von allen getragenen Lösung gleichzeitig einen Antrag auf Herausgabe des Kin- finanziellen Situation lebte, die Vormundin auch nach diesem Gespräch wei- zu fördern. So signalisierte z. B. die Fachkraft der des vor dem Familiengericht gestellt, allerdings • ihr Sohn während des bisherigen Aufenthalts terhin ablehnend gegenüber den Vorstellungen Einrichtung zu Beginn der Konferenz zunächst mit dem Zusatz, davon vorerst keinen Gebrauch bei seiner Mutter mehrere kleine Diebstähle von Frau Geiger und ihrem Sohn geäußert hatte, eine prinzipielle Aufnahmebereitschaft, um im zu machen. Bereits bei der Hilfekonferenz hat die begangen hatte und eine Anzeige gegen ihn wurden in weiteren telefonischen Beratungsge- weiteren Gesprächsverlauf aber darauf hinzuwei- Vormundin darauf verwiesen, dass sie die Ver- vorlag. sprächen u. a. die Thematik des Aufenthaltsbe- sen, dass sie keine Jugendlichen gegen ihren Wil- antwortung für eine zweite Rückführung nicht stimmungsrechts vertieft, der negative Einfluss len aufnehme. Zudem konnte im gemeinsamen alleine übernehmen wolle und überlege, ggf. eine Ein wichtiges Ziel des Beratungsgesprächs war der Strafanzeige auf die Rückführung erörtert Gespräch erreicht werden, dass die Vormundin Entscheidungsfindung über das Familiengericht auch, nach Möglichkeiten zu suchen, wie es und ebenso kritisch mit Frau Geiger besprochen, zustimmte, das kombinierte Angebot der Ein- herbeiführen zu lassen. 16 „Evaluation der Berliner Beratungs- und Ombudsstelle Jugendhilfe“; Abschlussbericht IPP 17
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