Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften Studiengang Agrarwirtschaft
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften Studiengang Agrarwirtschaft Bachelor-Studienarbeit „Fleischkonsum in Deutschland und seine Alternativen – am Beispiel von In-vitro-Fleisch und Insekten“ urn:nbn:de:gbv:519-thesis2020-0033-5 Erstprüfer: Prof. Dr. Michael Harth Zweitprüfer: Prof. Dr. Theodor Fock von Judith Bogen Neubrandenburg 03. Juli 2020
Inhaltsverzeichnis I. Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................... 3 II. Tabellenverzeichnis ..................................................................................................................... 4 III. Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ 5 1. Einleitung .................................................................................................................................... 6 1.1. Problemstellung................................................................................................................... 6 1.2. Zielsetzung .......................................................................................................................... 6 1.3. Vorgehensweise ................................................................................................................... 7 2. Fleischkonsum in Deutschland.................................................................................................... 7 2.1. Entwicklung des Fleischkonsum ......................................................................................... 7 2.2. Fleischkonsum und Nachhaltigkeit ..................................................................................... 9 2.3. Fleischkonsum und die Gesundheit ................................................................................... 11 2.4. Perspektiven für den Fleischkonsum ................................................................................. 13 3. Alternativen zum klassischen Fleisch ....................................................................................... 16 3.1. In-vitro-Fleisch als Fleischalternative ............................................................................... 16 3.1.1. Forschung und Entwicklung.......................................................................................... 17 3.1.2. Methode der Produktion ................................................................................................ 18 3.1.3. Vorteile .......................................................................................................................... 19 3.1.4. Nachteile........................................................................................................................ 20 3.1.5. Akzeptanz in der Gesellschaft ....................................................................................... 21 3.2. Insekten als Nahrungsmittel und Fleischersatz ................................................................. 24 3.2.1. Methoden für die Insektenzucht .................................................................................... 24 3.2.2. Aufzucht und Verarbeitung von Insekten in Deutschland ............................................. 27 3.2.3. Inhaltsstoffe von Insekten ............................................................................................. 29 3.2.4. Vorteile .......................................................................................................................... 30 3.2.5. Nachteile........................................................................................................................ 32 3.2.6. Akzeptanz in der Gesellschaft ....................................................................................... 33 4. Hypothesen ................................................................................................................................ 35 5. Studien....................................................................................................................................... 35 6. Diskussion der Hypothesen ....................................................................................................... 37 7. Fazit ........................................................................................................................................... 49 8. Literaturverzeichnis................................................................................................................... 52 9. Anhang ...................................................................................................................................... 55 2
I. Abkürzungsverzeichnis Mrd. = Milliarden BMEL = Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft t = Tonne kg = Kilogramm g = Gramm mg = Milligramm μg = Mikrogramm CO2äq = Kohlenstoffdioxid-Äquivalent CO² = Kohlenstoffdioxid m² = Quadratmeter kcal = Kilokalorie FAO = Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen IVF = In-vitro-Fleisch TK = Techniker Krankenkasse 3
II. Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Versorgung mit Fleisch in Deutschland im Kalenderjahr 2018 .............................. 55 Tabelle 2: Versorgung mit Fleisch in Deutschland im Kalenderjahr 2015 .............................. 56 Tabelle 3: Versorgung mit Fleisch in Deutschland im Kalenderjahr 2000 .............................. 57 Tabelle 4: Inhaltsstoffe verschiedener Fleischsorten ............................................................... 58 4
III. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Herstellungsprozess von In-vitro-Fleisch.......................................................... 59 Abbildung 2: Unterschiede der Ernährung in den Altersgruppen ........................................... 60 Abbildung 3: Selbsteinschätzungen der Kochkünste .............................................................. 60 Abbildung 4: Was gefällt, ist auch realistisch ......................................................................... 61 5
1. Einleitung 1.1. Problemstellung In der heutigen Zeit spielen Medien eine zunehmend große Rolle in unserem Leben. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln in vielen, teilweise auch sehr unterschiedlichen Lebensbereichen. Der Gesellschaft werden Trends, wie beispielsweise eine gesündere Ernährung oder der Naturschutz aufgezeigt und vorgelebt, wobei das Bewusstsein für die Bedeutung und Notwendigkeit der Themen für jeden einzelnen in der Gesellschaft gestärkt wird (Bogen 2020). Themen denen derzeit große Aufmerksamkeit in den Medien zukommen, sind die zukünftige steigende Weltbevölkerungsanzahl, bewusstere und umweltfreundlichere Ernährung der Menschen sowie der Klimawandel (Bogen 2020). Laut Prognose der Weltbevölkerungsprojektionen der Vereinten Nationen soll die Weltbevölkerung in den nächsten 30 Jahren von 7,7 Mrd. (stand 2019) bis auf 9,7 Mrd. Menschen im Jahr 2050 ansteigen. (United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division 2019: 1) Diese Zahl wirft einige Fragen auf, so beispielsweise „Wie können so viele Menschen mit ausreichend Fleisch und tierischen Produkten versorgt werden, ohne dass der Großteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Nutztieraufzucht verwendet werden muss?“ oder „Wie kann die Natur und Umwelt möglichst geschont und erhalten bleiben, trotz des höheren Ressourcenbedarfs?“ (Bogen 2020). Um diese Fragen bzw. Probleme zu lösen werden Alternativen gesucht, erforscht und in der Gesellschaft erprobt. Zu den bisher bekanntesten und bedeutendsten Ernährungsalternativen gehören der Vegetarismus, der Veganismus, der Fleischersatz durch Insekten, sowie das In-vitro-Fleisch, dass sich bisher noch im Entwicklungsstadium befindet. Die letzten beiden Möglichkeiten sollen den Konsumenten, die nicht auf Fleisch verzichten möchten, kostengünstige und ressourcensparende Alternativen zu dem immer teurer werdenden Fleisch von Tieren bieten (Bogen 2020). 1.2. Zielsetzung In der folgenden Arbeit sollen Daten und Fakten zu dem Thema „Fleischkonsum in Deutschland und seine Alternativen – am Beispiel von In-vitro-Fleisch und Insekten“ erfasst und erläutert werden. Weiterhin sollen Hypothesen aufgestellt und anhand Studien beurteilt werden (Bogen 2020). Ziel dieser Arbeit ist die Erörterung der Frage, ob ein vollständiger Verzicht auf Fleisch in Deutschland vorstellbar ist und Fleischersatz durch In-vitro-Fleisch und Insekten denkbare 6
Alternativen aus gesellschaftlicher, umweltschonender und logistischer Sicht wären (Bogen 2020). 1.3. Vorgehensweise In der folgenden Arbeit werden ein wichtiger Aspekt der Ernährung und dessen Ersatzmöglichkeiten betrachtet und erläutert. Im zweiten Kapitel wird zunächst der Fleischkonsum in Deutschland erörtert. Darunter fällt auch der Vergleich des Fleischkonsums der letzten Jahre sowie die Darstellung der Zusammenhänge von Fleischkonsum mit der Nachhaltigkeit, sowie der Gesundheit der Menschen. Abschließend werden Zukunftsvermutungen für den Fleischkonsum in Deutschland dargelegt (Bogen 2020). Im dritten Kapitel sollen zwei mögliche Ersatzalternativen für herkömmliches Fleisch beleuchtet werden. Diese Alternativen beziehen sich auf In-vitro-Fleisch, auch Laborfleisch genannt, und auf den Fleischersatz durch Insekten. Für beide Ersatzmöglichkeiten werden zunächst Definitionen gefunden und allgemeine Fakten geklärt. Anschließend folgt die Erläuterung zu den Methoden der Aufzucht und Produktion, die Klärung der jeweiligen Vor- und Nachteile beider Fleischersatzmöglichkeiten sowie die Prüfung der Akzeptanz in der Gesellschaft (Bogen 2020). In den nachfolgenden Kapiteln werden Hypothesen, basierend auf den zuvor genannten Themen, benannt und mittels Studien untersucht. Im letzten Kapitel wird eine kurze Zusammenfassung der gesamten Arbeit erstellt und abschließende Worte gefunden (Bogen 2020). 2. Fleischkonsum in Deutschland In der heutigen Zeit steht der Konsum von Fleisch zunehmend in der Kritik und wird oft durch andere Lebensmittel ersetzt. Es ist bereits eine zurückgehende Verzehrmenge von Fleisch und Kartoffeln sowie eine Zunahme des Verzehrs von Gemüse, Obst und Milchprodukten zu erkennen. Jedoch ist nach wie vor eine fleischbetonte Mischkost die durchschnittliche und typische Ernährung in Deutschland (Haccius 2017: 4). 2.1. Entwicklung des Fleischkonsum Immer wieder wird behauptet, dass die Bevölkerungszahlen steigen und der Pro-Kopf- Fleischverbrauch sinken wird. Bei so vielen Zukunftsspekulationen stellt sich die Frage, ob es diese Veränderungen auch schon in den letzten Jahren gegeben hat. 7
Im Jahr 2018 betrug die Bevölkerung in Deutschland 82,89 Millionen Einwohner, wogegen es in den Jahren 2015 und 2000 nur 81,46 Millionen Einwohner waren. Bei diesem Vergleich ist ein leichter Anstieg um 1,43 Millionen Einwohner zu erkennen (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2019). Weiterhin ist eine Veränderung im Fleischkonsum zu beobachten. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 7.343,64 t Fleisch einschließlich Knochen verbraucht und insgesamt 4.985,31 t durch die Menschen verzehrt. Pro Kopf gesehen waren es 88,60 kg Flesch im gesamten Verbrauch und 60,15 kg für den menschlichen Verzehr. Die beliebteste Fleischart der Deutschen war mit 49,50 kg Pro-Kopf-Verbrauch das Schweinefleisch, gefolgt von Geflügelfleisch mit 22,17 kg und Rind- und Kalbfleisch mit 14,10 kg pro Kopf, siehe Tabelle 1 (Seite 55) (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2019). Im Vergleich zu den Vorjahren ist eine leichte Veränderung zu erkennen. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 7.283.53 t und pro Kopf 89,87 kg Fleisch verbraucht. Der Verzehr durch die Menschen lag abzüglich der Masse an Knochen und Sehnen bei insgesamt 4.974,53 t Fleisch und pro Kopf bei 61,07 kg, siehe Tabelle 2 (Seite 56) (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2017). Dagegen wurde im Jahr 2000 deutlich mehr Fleisch mit einer Menge von insgesamt 7.451,73 t und 91,48 kg pro Kopf verbraucht. Davon wurden abzüglich von Knochen und Sehnen insgesamt 5.011,74 t und 61,53kg pro Kopf von den Menschen verzehrt, siehe Tabelle 3 (Seite 57) (Statistisches Bundesamt, Thünen- Institut, BLE 2017). Trotz des deutlich sinkenden Fleischkonsums in Deutschland gibt es nach wie vor Menschen, die nicht auf Fleisch und Wurstwaren verzichten wollen. Laut dem Ernährungsreport 2019 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aßen im Jahr 2018 nur 28 % von insgesamt 1.000 befragten Verbrauchern täglich Fleisch und Wurst. Deutliche Unterschiede beim Fleischverbrauch sind auch zwischen den Geschlechtern und den Regionen in Deutschland zu erkennen. Während von den befragten Männern 39 % täglich Fleisch konsumierten, waren es bei den Frauen nur 18 %. Bei dem Vergleich der Regionen zeigte sich, dass im Osten von Deutschland 43 % der Befragten täglich Fleisch zu sich nahmen, hingegen im Westen nur 26 % (BMEL 2019: 8). Auch diese Zahlen veränderten sich im Laufe der Jahre. Laut BMEL Ernährungsreport 2016 verzehrten im Jahr 2015 mit 34,5 % von 1.000 Befragten noch deutlich mehr Teilnehmer täglich Fleisch und Wurst als im Jahr 2018. Männer (47 %) aßen deutlich mehr Fleisch als Frauen (22 %) (BMEL 2015: 7). Weitere Unterschiede in der Entwicklung des Fleischkonsums der letzten Jahre lassen sich auch in den Bereichen der Bruttoeigenerzeugung, dem Import und Export von Fleisch und 8
Fleischwaren sowie im Selbstversorgungsgrad finden. Im Jahr 2018 betrug die Bruttoeigenerzeugung in Deutschland 8.489,57 t im Jahr, wovon 4.271,77 t ins Ausland exportiert wurden. Da knapp die Hälfte der Fleischerzeugnisse exportiert wurde, mussten zur Deckung des Fleischbedarfs 2.892,07 t wieder nach Deutschland importiert werden. Insgesamt betrug der Selbstversorgungsgrad im Jahr 2018 in Deutschland 115,60 %. Daraus lässt sich schließen, dass die Eigenversorgung in Deutschland gedeckt ist und Importe nicht zwingend notwendig sind (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2019). Im Vergleich zu 2018 fielen die Zahlen im Jahr 2015 ähnlich aus. In diesem Jahr betrug die Bruttoeigenerzeugung in Deutschland 8.747,55 t und war somit etwas höher als 2018. Ähnlich verhielt es sich beim Export und Import. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 4.344,55 t Fleisch ins Ausland exportiert und 2.633,63 t Fleisch aus dem Ausland importiert. Der Selbstversorgungsgrad betrug 120,24 %. Damit war bereits im Jahr 2015 die Eigenversorgung von Fleisch in Deutschland gegeben (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2017). Im Vergleich zu den Jahren 2018 und 2015, welche ähnlich ausfielen, ist im Jahr 2000 ein deutlicher Unterschied zu erkennen. Im Jahr 2000 betrug der Bruttoeigenerzeugung 6.641,66 t und war somit deutlich geringer als in den Jahren danach. Weitere Unterschiede sind im Export und im Import zu erkennen. Der Export betrug 1.361,23 t und war geringer als der Import mit 2.225,88 t. Der Selbstversorgungsgrad betrug nur 89,13 %, wodurch im Jahr 2000 die Eigenversorgung des Fleischbedarfs in Deutschland nicht gegeben und das Land auf Importe angewiesen war (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2017). Im Gesamtvergleich lässt sich erkennen, dass sich die Verbrauchs- und Verzehrmengen von Fleisch, die Erzeugungs- und Handelsmengen, wie Import und Export, sowie der Selbstversorgungsgrad in den Jahren 2018 und 2015 auf ähnlichem Niveau befinden. Aber ein geringer fallender Trend von 2015 zu 2018 zu verzeichnen ist. Werden die Zahlen dieser recht nah beieinander liegenden Jahre mit dem Jahr 2000 verglichen, ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen. Der Verbrauch und der Verzehr von Fleisch und Fleischwaren waren höher, die die Eigenerzeugungs- und Exportmenge jedoch geringer als in den anderen Jahren. Auch der Selbstversorgungsgrad war deutlich geringer, woraus sich eine erhebliche Verbesserung der Produktion und der wirtschaftlichen Lage schließen lässt. 2.2. Fleischkonsum und Nachhaltigkeit Oftmals werden in den Medien die Themen Fleischkonsum und Nachhaltigkeit miteinander in Verbindung gebracht. Die Thematik der Fleischerzeugung wird häufig mit ressourcenintensiver 9
Produktion sowie negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Ernährung der Weltbevölkerung in Verbindung gebracht (Gregersen 2017: 6). Ein Beispiel für die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Umwelt sind die Treibhausgasemissionen während der Produktion, des Transportes und der Lagerung. Aus der jährlichen Treibhausgasemissionen entfallen pro Person aus dem Konsum von Schweinefleisch rund 224 kg CO2äq und 90 kg CO2äq aus dem Konsum von Rindfleisch. Dagegen fallen aus dem Konsum von Brot 52 kg CO2äq und von Kartoffeln nur 13 kg CO2äq an (Baumgarten et al. 2018: 140). Bei der Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch werden 7-28 kg CO2äq und bei einem Kilogramm Mischbrot nur 0,7 kg CO2äq freigesetzt (Baumgarten et al. 2018: 142). Zu erkennen ist, dass der Anbau und die Produktion von Gemüse und Teigwaren, wie Brot, deutlich emissionsärmer ist als die von Fleisch. Ein Grund dafür sind die hohen Anteile an Methanemissionen, die bei der Verdauung von Rindern im Darm entstehen (Baumgarten et al. 2018: 142). Ein weiteres Beispiel für die ressourcenintensive Produktion und die negativen Auswirkungen von tierischen Produkten ist der hohe Flächenbedarf für die Viehwirtschaft. „Über die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die Deutschland für seine Ernährung benötigt, werden für den Anbau von Viehfutter zur Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern genutzt“ (Baumgarten et al. 2018: 140). Im Jahr 2008 wurden allein für die Erzeugung von tierischen Nahrungsmitteln pro Kopf 1.380 m² der Fläche in Anspruch genommen. Dagegen waren es im Jahr 2015 nur 1.348 m² der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die genutzt wurden. Im Vergleich gesehen, ist ein Rückgang von 2,3 % der für die Erzeugung tierischer Nahrungsmittel benötigten Fläche zu erkennen (Baumgarten et al. 2018: 141). Die ressourcenintensive Produktion von tierischen Lebensmitteln lässt sich jedoch nicht nur anhand der benötigten Fläche beurteilen. Auch am Flächenbedarf bezogen auf die Energiegewinnung gemessen an m² je 1.000 kcal. Für 1.000 kcal Rindfleisch werden 12,5 m² und für Schweinefleisch 2,5 m² landwirtschaftliche Nutzfläche benötigt. Dagegen weisen Produkte pflanzlicher Herkunft, wie Brot mit einem Wert von 1,2 m² je 1.000 kcal und Kartoffeln mit 0,2 m² je 1.000 kcal, einen deutlich geringeren Flächenbedarf je 1.000 kcal auf als Fleischerzeugnisse (Baumgarten et al. 2018: 143). Vergleichend lässt sich feststellen, dass Lebensmittel pflanzlicher Herkunft einen deutlich geringeren Flächenbedarf aufweisen als Lebensmittel tierischer Herkunft und somit ihr Flächen-Fußabdruck geringer ausfällt. Zwei weitere Beispiele von Problematiken des Fleischkonsums, die häufig in Verbindung mit Nachhaltigkeit gebracht werden, sind das Tierwohl und die Verschwendung von Lebensmitteln. Das Thema des Tierwohls bezieht sich überwiegend auf die Forderungen der Gesellschaft nach 10
artgerechten Haltungsbedingungen mit möglichst modernen Produktionsformen unter optimalen Bedingungen im Einklang mit der Natur (Gregersen 2017: 6). Die zweite Problematik bezieht sich auf die Verschwendung von Lebensmittel. Besonders die Verschwendung von Fleisch und Wurstwaren gewinnt immer mehr an Bedeutung, da diese häufiger davon betroffen sind als andere Lebensmittel. Bei diesem Problem könnten schnell Lösungen gefunden werden, beispielsweise durch die Anpassung des Verpackungsdesigns an die Menge, wodurch die Menge von nicht mehr verwertbaren Resten verkleinert werden kann (Gregersen 2017: 6). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Problematik von Fleischkonsum und Nachhaltigkeit im größten Teil auf die Herstellung und die Produktion von Fleisch und Fleischwaren bezieht. Die Themen, die dazu gehören, betreffen die Treibhausgasemissionen, das Tierwohl, den Flächenbedarf für die Viehwirtschaft sowie den Flächenbedarf für die Energiegewinnung. Dies sind Probleme, die nur schwer und langsam geändert und verbessert werden können. Das letzte Problem liegt in der Verschwendung von Lebensmitteln. Dieses Problem kann leichter gelöst werden, da Hersteller und Konsumenten gleichermaßen zur Verantwortung gezogen werden können und es auf das Handeln jedes Einzelnen ankommt. 2.3. Fleischkonsum und die Gesundheit Häufig wird der Verzehr von Fleisch mit einer hohen Proteinzufuhr, aber auch mit chronischen Krankheiten und negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper in Verbindung gebracht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt nicht mehr als 300-600 g Fleisch und Wurst pro Woche zu sich zu nehmen, damit eine gesunde und ausgewogene Ernährung gegeben ist (Baumgarten et al. 2018: 140) Die Deutschen verzehrten im Jahr 2018 im Durchschnitt pro Kopf 60,15 kg Fleisch und Wurst ohne Knochen. Das sind pro Woche rund 1,14 kg und ist damit doppelt so viel wie empfohlen wird (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2019). Ein zu hoher Fleischkonsum, wie er bei einem Großteil der deutschen Bevölkerung gegeben ist, kann sich negativ auf den Körper und die Gesundheit auswirken. Verschiedene Studien belegen, dass ein sehr hoher Fleischkonsum Ursache verschiedener chronische Krankheiten, wie Herz- und Kreislauferkrankungen, Darmerkrankungen und Übergewicht sein kann. Weiterhin erhöht ein übermäßiger Fleischkonsum das Krebsrisiko, sowie das Risiko von Gefäßerkrankungen (Befuss 2019). Ebenfalls negativ auf die Gesundheit auswirken kann sich, laut der Verbraucherzentrale NRW e.V. (2018), der Puringehalt von Fleisch. Sie unterstreichen dies mit der Aussage: „Beim Abbau von Purinen entsteht Harnsäure. Diese kann bei einigen 11
Personen nicht in ausreichender Menge ausgeschieden werden, so dass der Gehalt im Blut ansteigt und sich Harnsäurekristalle in Gelenken und Geweben ablagern (Gicht). Schmerzhafte Entzündungen und Nierenschäden können die Folge sein.“ (Verbraucherzentrale NRW e.V. 2018). Weiterhin wird empfohlen, dass Betroffene die purinreiche Haut von Geflügel, sowie Innereien meiden sollen, da diese ein besonders hohen Gehalt aufweisen (Verbraucherzentrale NRW e.V. 2018). Des Weiteren belegen zahlreiche Studien, dass rotes Fleisch, wie Rinder- und Schweinefleisch, deutlich ungesünder sind, als andere Fleischsorten wie Geflügel, da ihr Fettgehalt deutlich höher ist als Geflügelfleisch ohne Haut (Befuss 2019). Obwohl ein übermäßiger Fleischkonsum negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, sollte nicht vollständig auf Fleisch verzichtet werden, da es reich an Proteinen, ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen ist. Fleisch ist im Allgemeinen als ausreichender und hochwertiger Proteinlieferant bekannt. Je 100 g enthalten Rinder- und Schweinefleisch 22 g und Hühnerfleisch 20 g hochwertige Proteine, was rund ein Fünftel ihrer Masse ausmacht. Hochwertige Proteine sind für den menschlichen Körper nötig, da sie notwendige Aminosäuren in einem ausgewogenen Verhältnis und in gut verwertbarer Form enthalten (Verbraucherzentrale NRW e.V. 2018). Weiterhin enthält Fleisch Fette, wie beispielsweise ungesättigte Fettsäuren, die für den Körper wichtig sind, da er diese nicht selbst produzieren kann. Je 100 g Schweinefleisch enthält 2-10 g Fett, die sich in 0,9-4,2 g gesättigte und 1,2-5,1 g ungesättigte Fettsäuren unterteilen. Einen ähnlichen Fettgehalt liefert das Rindfleisch. Es enthält je 100 g Fleisch 2-8 g Fett, wovon 0,8- 3,6 g gesättigte und 1,0-4,0 g ungesättigte Fettsäuren sind. Hähnchenfleisch mit Haut enthält je 100 g 10 g Fett, wogegen reine Putenbrust nur 2 g Fett enthält. Diese unterteilen sich in 0,5 g gesättigte und 1,1 g ungesättigte Fettsäuren, siehe Tabelle 4 (Seite 58). Zu erkennen ist, dass mageres Geflügelfleisch deutlich weniger Fette enthält als das sogenannte rote Fleisch (Verbraucherzentrale NRW e.V. 2018). Ein weiteres Argument für die Vorteile von Fleisch für die menschliche Gesundheit, sind die enthaltenen Vitamine. Fleisch enthält überwiegend B-Vitamine, die sich in Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B6 (Pyridoxin) und Vitamin B12 unterteilen. Das höchste Gehalt an Thiamin, auch als Vitamin B1 bekannt, lässt sich in Schweinefleisch finden. Dort sind auf 100 g Schweinefleisch 0,80 mg Thiamin und nur 0,30 mg Pyridoxin sowie 1,5 μg Vitamin B12 zu finden. Die an Pyridoxin (Vitamin B6) reichste Fleischart ist das Hähnchenfleisch. Dort sind auf 100 g 0,50 mg Pyridoxin, 0,08 mg Thiamin und 0,4 μg Vitamin B12 enthalten. Das Rindfleisch ist die Fleischart mit dem höchsten Gehalt an Vitamin B12. Dort sind 4,4 μg Vitamin B12, sowie 0,21 mg Thiamin und 0,17 mg Pyridoxin enthalten (Verbraucherzentrale 12
NRW e.V. 2018). Vergleichend lässt sich feststellen, dass alle drei Fleischarten deutlich unterschiedliche Vitamingehalte aufweisen. Ein weiterer Vorteil von Fleisch sind die enthaltenen Mineralstoffe. Die wichtigsten in Fleisch enthaltenen Mineralstoffe sind Eisen und Zink. Da das in tierischen Lebensmitteln enthaltene Eisen besonders gut für den menschlichen Körper verwertbar und auch Zink in einer ausreichenden Menge verfügbar ist, stellt Fleisch eine gute Mineralstoffquelle dar. Den höchsten Mineralstoffgehalt bietet das Rindfleisch. In ihm sind je 100 g 2,0 mg Eisen und 4,5 mg Zink vorhanden. Da das Rindfleisch den höchsten Mineralstoffgehalt beinhaltet, kann mit ihm rund ein Fünftel des Eisen- und rund die Hälfte des Zinkbedarfs eines Erwachsenen Menschen gedeckt werden. Einen nicht ganz so hohen Gehalt an Eisen und Zink bietet das Schweinefleisch. Dort sind je 100 g 1,4 mg Eisen und 2,1 mg Zink enthalten. Die geringste Menge bietet das Hähnchenfleisch. Es enthält je 100 g nur 0,7 mg Eisen und 1,0 mg Zink. Eine möglichst vollständige Abdeckung des Eisens- und Zinkbedarfs ist wichtig, da diese Mineralstoffe unter anderem zu einem normalen Energiestoffwechsel, dem Sauerstofftransport im Körper, einem normalen Säure-Basen-Stoffwechsel, sowie zu einem normalen Kohlenhydrat-Stoffwechsel beitragen (Verbraucherzentrale NRW e.V. 2018). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Konsum von Fleisch sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben kann. Fleisch ist wichtig für den Körper und die Gesundheit, da in ihm zahlreiche Proteine, ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, sowie Mineralstoffe enthalten sind. Jedoch ist ein zu hoher Fleischkonsum, wie er bei den meisten Menschen in Deutschland gegeben ist, ungesund und schädigend für die Gesundheit. Gründe dafür sind die teilweise hohen Gehalte an gesättigten Fettsäuren und Purin. Folgen eines dauerhaft zu hohen Fleischkonsum können chronische Erkrankungen, wie beispielsweise Herz- und Kreislauferkrankungen sein. Um alle benötigten Nährstoffe abzudecken, aber auch um chronische Krankheiten vorzubeugen, sollte auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Mischkost geachtet werden. 2.4. Perspektiven für den Fleischkonsum Wie in den vorherigen Kapiteln erläutert wurde, ist Fleisch nach wie vor ein wichtiges Lebensmittel was von vielen Menschen gerne verzehrt wird. Im Jahr 2018 verbrauchten die deutschen pro Kopf 88,60 kg Fleisch, was 2,88 kg weniger ist als noch 18 Jahre zuvor (Statistisches Bundesamt, Thünen-Institut, BLE 2017). Dennoch ist der pro Kopf Fleischverbrauch doppelt so hoch wie die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Höchstmenge an Fleischprodukten. Des Weiteren wird oftmals Kritik bezüglich 13
der Nachhaltigkeit und den gesundheitlichen Folgen gegenüber Fleisch und deren Konsum geäußert (Bogen 2020). Die verschiedenen Zukunftsvermutungen jedes einzelnen gehen weit auseinander und reichen von einen weiterhin anhaltenden hohen Fleischkonsum bis hin zu einer teilweisen vegetarischen oder veganen Ernährung der Bevölkerung, die durch gesellschafts- und gesundheitsorientiertem Konsum geprägt ist. Die ersten Zukunftsvermutungen gehen in Richtung des weiterhin bestehenden hohen Fleischkonsums, welcher jedoch von Fleischalternativen abgelöst werden kann. Die Zukunftsinstitut GmbH (2014) behauptet, dass die traditionelle Viehzucht weiterhin ein bedeutender Schwerpunkt der Agrarproduktion bleiben wird. Sie begründen ihre Aussage folgend: „Laut Schätzungen der UN-Landwirtschaftsorganisation soll die Fleischproduktion von derzeit 229 auf 465 Millionen Tonnen im Jahr 2050 noch weiter gesteigert werden, mit […] gravierenden Umweltfolgen“ (Zukunftsinstitut GmbH 2014). Weiter argumentieren sie, dass sich trotz steigender Fleischproduktion vier alternative Szenarien abzeichnen, die das Tempo der wachsenden Fleischproduktion verlangsamen und den hohen Fleischkonsum teilweise senken können. Diese Szenarien unterteilen sich in das erste Szenario, welches für ein geringeren Fleischkonsum, jedoch für eine höhere Fleischqualität steht. In diesem Szenario soll die Gesellschaft pro Woche weniger, dafür qualitativ hochwertigeres Fleisch verzehren. In dem zweiten Szenario soll die hohe und ressourcenintensive Fleischproduktion durch In-vitro Fleisch abgelöst werden. Da in der In-vitro-Methode in Laboren künstliches Fleisch aus einzelnen Muskelstammzellen nachgezüchtet wird, ist diese Methode deutlicher ressourcen- und umweltschonender als die traditionelle Fleischproduktion. Das dritte Szenario soll die ressourcenintensive Fleischproduktion durch eine ressourcenschonendere Produktion von industriell gezüchteten Insekten ersetzen. Diese industriell gezüchteten Insekten sollen als verarbeitets Lebensmittel und Fleischersatz etabliert werden. In dem vierten und letzten möglichen Szenario sollen sämtliche Fleischprodukte durch pflanzliche Produkte ersetzt werden. So könnten die tierischen Inhaltsstoffe in Fleisch- und Wurstwaren durch pflanzliche Inhaltsstoffe ausgetauscht werden (Zukunftsinstitut GmbH 2014). Auch die Autorin Julia Reinhardt (2017) vertritt die Meinung, dass Fleisch trotz zahlreichen Alternativen weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Ernährung bleiben wird. Sie verleiht ihrer Auffassung mit der folgenden Aussage Nachdruck: „Auch unser Fleischkonsum wird sich zukünftig ändern. Ein Teil der Bevölkerung wird sich vegetarisch oder vegan ernähren, einige die insekten-Küche für sich entdecken […], für den Großteil wird Fleisch jedoch weiterhin integraler Bestandteil der Ernährung bleiben“ (Reinhardt 2017: 4). 14
Weitere Zukunftsperspektiven gehen in die Richtung gesellschafts- und gesundheitsorientierter Konsum sowie platz- und ressourcensparende Produktionen. Laut der Nestlé Zukunftsstudie, welche sich mit dem Konsum und Konsumverhalten der Gesellschaft im Jahr 2030 auseinandersetzt, wird das Konsumverhalten der Deutschen durch gesellschaftliches Verhalten und gesundheits- und nachhaltigkeitsorientiertem Konsum bestimmt sein (Angerer et al. 2015: 27). Sie unterstreichen ihre Ergebnisse mit der Aussage: „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Interesse und die Reflexion des Themas Ernährung in Deutschland weiter wächst. Der ethische, kollaborative und gesundheitsorientierte Konsum wird wichtiger. Die Orientierung an Werten, Gesundheit und Gemeinschaft ist nachhaltig bei den Deutschen verankert. In Zukunft werden die Konsumenten nach reflektierter und anspruchsvoller als heute sein. Das trifft selbst auf die Menschen zu, die bei ihrer Ernährung bislang vor allem auf Schnelligkeit und Menge achteten, wie die „Maßlosen“ unter den Nestlé Ernährungstypen“ (Angerer et al. 2015: 27). Eine weitere Analyse der möglichen Zukunftsperspektiven bietet der BMEL-Ernährungsreport 2019. Für diesen Bericht wurden im Jahr 2018 1.000 Personen zu ihrem Konsumverhalten und den möglichen Zukunftsperspektiven befragt (BMEL 2019: 30). In die Befragung zu dem Thema, was die richtige Lösung für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sei, stimmten 84 % der Befragten für eine Reduzierung der Lebensmittelabfälle. Für die Reduzierung des Fleischkonsums stimmten mit 74 % deutlich mehr als die Hälfte der Befragten. Knapp über die Hälfte der Befragten (55 %) stimmten für neue Formen der Landwirtschaft. Ein Beispiel dieser neuen Produktionsformen könnte das sogenannte Vertical Farming sein. Bei dieser Form der Landwirtschaft könnten die bisher flächenintensive pflanzliche und tierische Produktionen in mehrstöckige Gebäude verlegt werden, wodurch sich die Grundstücksfläche deutlich verringern würde. Dagegen stimmten mit 44 % knapp die Hälfte aller Befragten für weltweite Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft. Mit dem geringsten Anteil von 29 % aller Befragten wurde für die Möglichkeit der Ernährungssicherung durch alternative Fleischarten, wie Insekten oder In-vitro Fleisch, gestimmt. Aus der Befragung des Ernährungsreport 2019, ist zu erkennen, dass ein Großteil der Befragten bereit ist, sein Konsumverhalten zu reduzieren und mehr auf die Nachhaltigkeit zu achten (BMEL 2019: 25). Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass es verschiedene Perspektiven für den Fleischkonsum in der Zukunft gibt. Einige Aussagen zeigen, dass auch in der Zukunft weiterhin ein hoher Fleischkonsum eine bedeutende Rolle für die Ernährung der Gesellschaft spielen wird. Dagegen sprechen sich andere, für eine gesundheits- und nachhaltigkeitsorientierte Ernährung der Gesellschaft in der Zukunft, aus. 15
3. Alternativen zum klassischen Fleisch Laut Prognose der Vereinten Nationen (siehe Kapitel 1.1) soll die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 9,7 Mrd. Menschen ansteigen (United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division 2019: 1). Um diese Vielzahl an Menschen zu ernähren, müssen deutlich mehr Lebensmitteln produziert werden als bisher. Jedoch würde eine drastische Erhöhung der Produktion von tierischen Lebensmitteln massive Auswirkungen auf die Umwelt haben. Um negative Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren und zu vermeiden, müssen Alternativen zum herkömmlichen Fleischkonsum gefunden und durchgesetzt werden, da auf diese Weise ein Anstieg der Fleischproduktion vermieden werden kann (Böhm et al. 2017: 3). 3.1. In-vitro-Fleisch als Fleischalternative In-vitro-Fleisch, auch Laborfleisch genannt, ist ein Fleischstück, dass künstlich im Labor hergestellt wird. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags beschreiben das In-vitro-Fleisch wie folgt: „Fleisch aus der Petrischale, sog. In-vitro-Fleisch (IVF), wird in der Literatur und von einzelnen Interessengruppen, […] auch als kultiviertes Fleisch, Kulturfleisch (cultured meat) bzw. als safe meat, clean meat, victimless meat bezeichnet. Andererseits finden sich auch Bezeichnungen wie Laborfleisch, Kunstfleisch, tissue-engineered meat, tubesteak, test-tube meat oder auch frankenmeat“ (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 2018: 4). Die zum heranzüchten des In-vitro-Fleisches genutzte Methode stammt ursprünglich aus der Medizin und wird dort beispielsweise zum Züchten von künstlichen Hauttransplantaten und Herzklappen genutzt (Beinlich 2019). In den folgenden Kapiteln 3.1.1 und 3.1.2 wird die Entwicklung und Umsetzung dieser Methode näher erläutert. Damit sich In-vitro-Fleisch als Fleischalternative etablieren kann, muss es massentauglich so- wie marktfähig gemacht werden. Um diese Ziele zu erreichen, haben sich einige Unternehmen und gemeinnützige Organisationen die Entwicklung und Bekanntmachung dieser Fleischalter- native zur Aufgabe gemacht (Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt 2017). Ein Unternehmen, dass dieses Ziel verfolgt, ist Mosa Meat. Dieses Start-Up-Unternehmen, welches 2016 von Mark Post und Peter Verstrate in den Niederlanden gegründet wurde, soll das Projekt Cultured Beef der Universität Maastricht ergänzen, die Finanzierung sichern und die Forschung beschleunigen. Ein weiteres Unternehmen ist das in den USA gegründete Start-Up- Unternehmen Memphis Meats. Das seit 2015 existierende Start-Up konnte im Bereich der Entwicklung bereits kleine Erfolge verzeichnen. So stellten sie im Jahr 2016 das erste 16
Fleischbällchen und 2017 das erste In-vitro-Geflügel vor. Modern Meadow ist ebenfalls ein in den USA gegründetes Start-Up-Unternehmen, dass sich mit der Entwicklung von künstlich erschaffenen tierischen Produkten beschäftigt. Das von Gabor Forgacs und Andras Forgacs gegründete Unternehmen hat sich auf In-vitro-Leder spezialisiert und versucht dies mit umweltschonenden Methoden umzusetzen. Auch das israelische Start-Up-Unternehmen SuperMeat und die japanische Organisation Shojinmeat Project befassen sich mit der Entwicklung der nachhaltigen Produktion und der preiswerten Herstellung in industriellen Maßstäben von In-vitro-Fleisch (Böhm et al. 2017: 18). 3.1.1. Forschung und Entwicklung In-vitro-Fleisch ist eine Fleischalternative, die sich bisher noch in der Entwicklung befindet. Der erste in-vitro-Burger wurde im Jahr 2013 von dem niederländischen Forscher und Professor für Physiologie Mark Post vorgestellt. Kostenpunkt für diese Entwicklung lag bei 250.000 €. Der erste In-vitro-Burger wurde in London von Testessern verzehrt, die ihn zunächst als akzep- table und gut schmeckende Fleischalternative beurteilten, es jedoch etwas zu trocken fanden. Infolge dieser Beurteilung werden aktuell neben Muskelzellen auch Fettzellen in das In-vitro- Fleisch gezüchtet, die das Fleisch zarter und saftiger machen sollen (Beinlich 2019). Weitere Entwicklungen wurden von dem Unternehmen Memphis Meats vorgestellt. Das Start-Up prä- sentierte im Jahr 2016 das erste In-vitro-Fleischbällchen und im Jahr 2017 das erste In-vitro- Hühnerfleisch. An der Entwicklung des ersten In-vitro-Fischfilets arbeitet währenddessen das amerikanische Start-Up Finless Foods. Ihr erstes Projekt ist die künstliche Produktion vom ro- ten Thunfisch, da diese Art weltweit unterfischt ist. Die Herstellung von In-vitro-Fischfilets wird in größeren Mengen einfacher umsetzbar sein als die von anderen Fleischarten, da Fisch- zellen im Gegensatz zu Fleischzellen, welche Körpertemperatur zum Wachsen benötigen, le- diglich nur Zimmertemperatur brauchen und somit Energie eingespart werden kann (Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, 2017). Trotz stetiger Forschungen und neuer Entwicklungen gibt es bisher noch kein Verfahren In- vitro-Fleisch im größeren Maßstab und kostengünstig herzustellen. Laut Böhm et al. (2017: 4) seien zu der Produktion von massentauglichen In-vitro-Fleisch noch einige Fragen ungeklärt und Bereiche nicht ausreichend erforscht. Eine Frage die im Forschungsstand im Jahr 2017 bereits geklärt wurde, ist die Frage nach der geeignetsten Zellart für die Herstellung von In- vitro-Fleisch. Schon nach kurzer Zeit der Forschung stand fest, dass Muskelstammzellen am besten für die künstliche Zucht von Fleisch geeignet seien, da sie sich häufig und schnell teilen können und so weniger Stammzellentnahmen bei Tieren durchgeführt werden müssen (Böhm 17
et al. 2017: 4). Ein weiterer Bereich, der erforscht wird, ist das Nährmedium, was zum Wachs- tum der Zellen benötigt wird. Laut dem Forschungsstand von 2017 war das fetale Kälberserum als Nährmedium für das Wachstum der Zellen am besten geeignet. Jedoch hat es einige bedeu- tende Nachteile, zu denen eine sehr teure und dem Tierwohl entgegenstehende Entnahme des fetalen Kälberserums vom Tier gehören. Dies entspricht nicht dem Sinn des Forschungsziels, eine tierschonende Fleischalternative zu suchen und entwickeln. Daher wird nach tierfreien Al- ternativen, wie beispielsweise Nährmedien aus synthetischen Pilzen, gesucht (Böhm et al. 2017: 4). Ein weiterer Bereich in denen offene Fragen bestehen, sind die Bioreaktoren. In ihnen sollen die notwendigen Umgebungsbedingungen für die wachsenden Zellen geschaffen wer- den. Für die Herstellung von In-vitro-Fleisch in größeren Mengen müssen Bioreaktoren mit größeren Kapazitäten geschaffen werden, die trotzdem der erhofften Entlastung der Umwelt nicht entgegenwirken und weniger Energie verbrauchen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss noch die Frage, ob wenige große oder mehrere kleine Bioreaktoren besser geeignet wären, be- antwortet werden (Böhm et al. 2017: 4-5). Ein Bereich der kaum noch Fragen aufwirft, sind die Zellgerüste. Im Forschungsstand von 2017 war bereits bekannt, dass Zellkulturen etwa nur 0,5 mm dick werden und eine Herstellung von verarbeiteten Gerichten, wie beispielsweise In- vitro-Nuggets oder -Frikadellen, einfacher sei, als die Herstellung von größeren Fleischstücken, wie Steaks. Grund dafür ist das langsame Wachstum und die aufwendige Herstellung der grö- ßeren Fleischstücke. Für die Herstellung von verarbeiteten Fleischgerichten könnten die Zellen einfach zu größeren Zellverbänden zusammengepresst und mittels geeigneten und essbaren Ge- rüstmaterial, wie Schwämmen und Membranen aus pflanzlich und chemisch hergestellten Chi- tin oder Collagen, stabilisiert und beim Wachstum unterstützt werden (Böhm et al. 2017: 5). Trotz noch offener Fragen und stetiger Forschungen sind die Investoren von In-vitro-Fleisch optimistisch und vermuten, dass die ersten In-vitro-Produkte bald markttauglich sind und ab dem Jahr 2021 auf dem Markt kommen könnten (Böhm et al. 2017: 5). 3.1.2. Methode der Produktion In-vitro-Fleisch ist im Labor künstlich hergestelltes Fleisch, dass als Alternative zum herkömm- lichen Fleisch genutzt werden soll. Die zu Herstellung von In-vitro-Fleisch genutzte Methode nennt sich Tissue Engineering und leitet sich von den englischen Wort tissue, was in deutsch Gewebe bedeutet, ab. Diese Methode befasst sich mit der künstlichen Herstellung von Geweben durch Kultivierung von Zellen und wird größtenteils in der regenerativen Medizin eingesetzt, wo sie sich mir der Erneuerung von funktionsgestörten Zellen und Organen und zerstörten Ge- webe beschäftigt (Böhm et al. 2017: 3). 18
Zu Herstellung von In-vitro-Fleisch werden zunächst Stammzellen aus Embryos oder Muskelstammzellen aus dem Gewebe eines lebenden Tiers mittels einer Biopsie entnommen und anschließend in einer Nährlösung aus fetalem Kälberserum durch Zellvermehrung vervielfältigt. Da die Gewinnung des Kälberserums ein teurer und für das Tier schmerzhafter Prozess ist, wird an Nährstoffalternativen wie Algenextrakten geforscht (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 2018: 6). Der Autor Georg Beinlich (2019) beschreibt die Gewinnung des fetalen Kälberserums wie folgt: „Ein grundlegendes Problem ist die Nährstofflösung, in der das Fleisch wächst. Bisher nutzen die Forscher fötales Kälberserum (FKS). Um das zu gewinnen, benötigt man Schlacht-Kühe, die gerade tragend sind. Deren Föten wird das Blut aus den noch schlagenden Herzen entnommen. Das daraus gewonnene Serum ist besonders wachstumsfördern und galt lange als unverzichtbar in der Zellkulturtechnik. Wegen der Methode für seine Gewinnung ist es ethisch aber höchst umstritten.“ Im nächsten Schritt entwickeln sich die entnommenen Stammzellen zu Muskelzellen und an- schließend zu Muskelfasern. Der Schritt zur Entwicklung der Muskelfasern geschieht, indem die vorgezüchteten Muskelzellen in einem Bioreaktor auf Trägerschichten verankert und weiter herangezüchtet werden. Diese Träger bestehen beispielsweise aus Polysacchariden oder Poly- merstrukturen aus Kollagen und sollten porös sein, damit eine Diffusion der in der Nährlösung bestehenden Inhaltsstoffe zu den Muskelzellen möglich ist. Durch das stetige Wachstum der Muskelfasern entstehen mehr Zellschichten und eine Zellmasse, die die Nachdiffusion bei ein- zelnen Zellen erschweren. Um eine stetige Nachdiffusion und somit dem Wachstum von dicke- ren Muskelstrukturen zu gewährleisten, müssen während des Muskelwachstums auch Blutge- fäße gebildet werden, die die einzelnen Muskelzellen mit den Inhaltsstoffen der Nährlösung versorgen (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 2018: 6-7). Damit ein In- vitro-Burger endstehen kann, werden ungefähr 20.000 Muskelfasern benötigt, siehe Abbildung 1 (Seite 59) (Böhm et al. 2017: 3). 3.1.3. Vorteile In-vitro-Fleisch stellt eine denkbare Fleischalternative dar, da dessen Herstellung einige Vorteile gegenüber der herkömmlichen Fleischproduktion bietet. Ein bedeutender Vorteil, den die Herstellung von In-vitro-Fleisch bietet, ist, dass sie größtenteils ohne Tiere auskommt und die Massentierhaltung somit überflüssig machen könnte. Durch einen geringeren Bedarf an tierischen Fleischwaren müsste demnach auch weniger Fläche für die Haltung und für den Futteranbau von landwirtschaftlichen Nutztieren aufgebracht werden (Reinhardt, 2017: 4). 19
Weitere Vorteile der Produktion von In-vitro-Fleisch bestehen in der Einsparung von Wasser und der Entstehung von Treibhausgasen, da bei der herkömmlichen Fleischproduktion deutlich mehr Wasser benötigt und größere Mengen an Treibhausgase ausgestoßen werden als bei der In-vitro Produktion (Reinhardt, 2017: 4). Auch der Autor Georg Beinlich (2019) hat diese Vorteile in seinem Artikel „Wo bleibt das tierfreie Fleisch aus der Petrischale?“ erkannt. Er schreibt dazu „In-vitro-Fleisch, so die Hoffnung, soll nicht nur die Massentierhaltung überflüssig machen, es könnte auch Ressourcen sparen und die Umwelt schonen“ (Beinlich 2019). Weiterhin schreibt Beinlich (2019) „[…] Die herkömmliche Rindermast benötigt zur Herstellung von einem Kilo Fleisch circa die acht- bis zehnfache Menge an vegetarischen Proteinen, Soja zum Beispiel. „Unsere Nährlösung ist sehr viel effektiver als die herkömmliche Futterverwertung in Mastbetrieben. Wir benötigen nur das Zweieinhalbfache an vegetarischen Input“, erklärt Marc Post“. Ein weiterer Vorteil von In-vitro-Fleisch ist, dass bei der Herstellung des Fleisches unter kon- trollierten Laborbedingungen der Fettgehalt reduziert und somit eine vermeintlich gesündere Fleischalternative hergestellt werden kann. Weiterhin könnten zusätzliche Nährstoffe, wie bei- spielsweise Vitamine oder Omega-3-Fettsäuren, im Fleisch angereichert und somit ein positiver Effekt auf die Gesundheit garantiert werden (Böhm et al. 2017: 10). Noch ein bedeutender Vorteil dieser Fleischalternative ist die Reduzierung von Zoonosen, sprich die Übertragung von Krankheiten vom Tier auf den Mensch als auch vom Mensch auf das Tier. Die Reduzierung von Zoonosen kann am meisten gewährleistet werden, wenn bei der Herstellung von In-vitro-Fleisch auf tierische Komponenten, wie fetales Kälberserum, verzich- tet und nicht-tierische Alternativen genutzt werden, da das fetale Kälberserum und andere tie- rische Komponenten ansteckende Krankheiten enthalten könnten (Böhm et al. 2017: 11). 3.1.4. Nachteile Trotz einiger Vorteile, die die Herstellung und Nutzung von In-vitro-Fleisch bietet, gibt es auch zahlreiche Nachteile. Die ersten Nachteile sind, dass die Herstellung von In-vitro-Fleisch bisher noch sehr teuer ist und das künstlich gezüchtete Fleisch bisher noch nicht sonderlich gut bzw. noch sehr trocken schmeckt (Reinhardt, 2017: 4). Der Autor Georg Beinlich (2019) berichtet, wie schon im Kapitel 3.1.2 beschrieben, jedoch von Maßnahmen zur Beseitigung dieser Nachteile. Er schreibt in seinem Artikel: „Aktuell züchtet Mark Post deswegen neben Muskelzellen auch Fettzellen. Sie sollen das Laborfleisch zarter machen: "Wir erwarten, dass das Fleisch besser schmeckt und auch eine bessere Konsistenz hat, weil es saftiger ist. Wir 20
schätzen, dass ein Hamburger ungefähr zehn, elf Euro kosten wird. In zwei bis drei Jahren könnte es soweit sein."“ (Beinlich 2019). Ein weiterer Nachteil, der bei der Herstellung von In-vitro-Fleisch und der damit verbundenen Ablösung der herkömmlichen Fleischproduktion entstehen könnte, ist die Frage danach, wie die Landwirtschaft ohne Nutztiere und die von ihnen verursachten Nährstoffe, wie beispielsweise Gülle, funktionieren soll. Julia Reinhardt (2017: 4) schreibt dazu: „[…] und die Frage, wie eine Landwirtschaft ohne Tiere funktionieren und wie Nährstoffkreisläufe aufrecht erhalten werden sollen, sei an dieser Stelle erst einmal dahingestellt […]“. Noch ein weiterer Nachteil ist, dass die Herstellung von In-vitro-Fleisch sich überwiegend nur für Rindfleisch lohnt, da im Vergleich zur herkömmlichen Rindermast bei der In-vitro Herstel- lung deutlich mehr Fläche und Wasser eingespart und deutlich weniger Treibhausgase ausge- stoßen werden als bei anderen Tierarten, wie Schweine und Geflügel. Ein weiteres Problem, das gelöst werden muss, ist, dass bei der In-vitro Herstellung deutlich mehr Energie bzw. Strom benötigt wird als bei der herkömmlichen Fleischproduktion. Um dieses Problem zu lösen und den Energieaufwand zu optimieren, ist bisher, wie schon im Kapitel 3.1.2 erwähnt, die Frage, ob mehrere kleine oder wenige große Bioreaktoren energiesparender sind, noch offen (Böhm et al. 2017: 5). Weiterhin ethisch stark umstritten, ist die Nutzung von fetalem Kälberserum als Nährstofflösung, da dessen Gewinnung sehr teuer und nicht im Sinne des Tierwohls ist. Jedoch verliert dieses Problem immer mehr an Bedeutung, da bereits an Alternativen für Nährstofflösungen aus pflanzlichen Stoffen geforscht wird (Beinlich 2019). Weitere Probleme, die noch gelöst werden müssen, sind zum einen die Frage, ob der Einsatz von Antibiotika, die zur Ausbildung von resistenten Krankheitserregern bei der herkömmlichen Fleischherstellung führen können, bei der In-vitro-Herstellung aufgegeben werden kann. Zum anderen ist die Frage, ob die durch verzehrtes herkömmliches Fleisch verursachten gesundheitlichen Probleme durch den Verzehr von In-vitro-Fleisch gemindert oder behoben werden können. Darüber hinaus ist offen, ob bei einem übermäßigen Konsum von In-vitro- Fleisch ähnliche gesundheitliche Probleme auftreten können wie bei herkömmlichen Fleischwaren (Böhm et al. 2017: 11). 3.1.5. Akzeptanz in der Gesellschaft In-vitro-Fleisch ist eine recht junge Fleischalternative, die sich noch in der Entwicklungsphase befindet. Sie bietet einige bedeutende Vorteile, jedoch genau so viele bedeutende Nachteile, die sich stark unterscheiden. 21
So unterschiedlich wie die Vor- und Nachteile sind, sind auch die Meinungen der Gesellschaft über In-vitro-Fleisch. Eine Meinung geht in die Richtung, dass die Herstellung von In-vitro- Fleisch das Ende der Nachteile der industriellen Landwirtschaft sein könnte. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt (2017) schreibt dazu: „“Sobald es sauberes Fleisch gibt, das preislich mit konventionell hergestelltem Fleisch konkurrieren kann, wird das der Anfang vom Ende aller Leiden sein, die mit der industriellen Landwirtschaft in Verbindung stehen“, prophezeit Bruce Friedrich, Leiter des Good Food Institute. Ob das zutrifft, hängt auch von den VerbraucherInnen ab.“. Eine andere Meinungsrichtung verweist auf die Nutzung des fetalen Kälberserums, welches als Nährstofflösung für die Herstellung von In-vitro-Fleisch verwendet wird. Da die Gewinnung des Kälberserums nicht im Sinne des von der Gesellschaft geforderten Tierwohls steht, ist ihre Nutzung stark kritisiert und ethisch umstritten (Beinlich 2019). Zur Feststellung der Meinungen und der Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber In-vitro-Fleisch führte das Karlsruher Institut für Technologie eine Umfrage durch. Im Rahmen dieser Umfrage wurden Experten und Stakeholder aus verschiedenen Bereichen, wie Wissenschaft und Politik, befragt. Das Ergebnis dieser Umfrage fällt recht unterschiedlich aus. Einige Befragten teilten die Vision einer besseren Welt mit In-vitro-Fleisch. Einige anderen der Befragten meinten, dass In-vitro-Fleisch eine verbesserte Fleischversion ohne negative Auswirkungen darstellen könnte. Weiterhin meinen einige Befragten, dass die Herstellung von künstlichen Fleischwaren eine Gesellschaft ohne Tierausbeutung verheißen könnte. Diese Meinungen lassen auf eine positive Meinung und Akzeptanz der Experten und Stakeholder gegenüber In-vitro-Fleisch schließen. Jedoch stellten ein Großteil der Befragten die Herstellung und Nutzung von dieser Fleischalternative in Frage und betrachteten die Thematik skeptisch, da sie andere Lösungsmöglichkeiten für die Probleme der heutigen Fleischproduktion und deren Konsum befürworten. Weiterhin sind sich alle Befragten einig, dass eine Vielfallt an Lösungen, wie beispielsweise Insekten, Algen oder In-vitro-Fleisch, notwendig ist und eine Kombination der verschiedenen Lösungsansätzen positive Auswirkungen haben könnte (Böhm et al. 2017: 12- 13). Ein Vertreter einer Umweltorganisation merkte an, dass eine vermehrte Nutzung von In-vitro- Fleisch und die damit geminderte herkömmliche Fleischproduktion zu einer zunehmenden Entfremdung von Konsumenten und Tierproduktion führen könnte und die Fleischproduktion weiter industrialisiert werden würde. Weiterhin wurde von einem Vertreter eines ökologischen Anbauverbandes erwähnt, dass In-vitro-Fleisch den Konsum von Fleisch ankurbeln und steigern könnte, da durch eine künstliche Fleischalternative der Verzehr von Fleisch moralisch unbedenklich werden und der Respekt gegenüber Fleisch und Tieren verloren gehen könnte. 22
Sie können auch lesen