Soziale und ökologische Aus-wirkungen einer Senkung der EEG-Umlage - Forum ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Studie im Auftrag von Germanwatch, BUND und Klima-Allianz Deutschland Soziale und ökologische Aus- wirkungen einer Senkung der EEG-Umlage Isabel Schrems, Florian Zerzawy, Carolin Schenuit und Im Auftrag von Swantje Fiedler unter Mitarbeit von Marie Neubert Juni 2021 Alexander Mahler, Matthias Runkel, Damian Ludewig, Björn Klusmann und Florian Zerzawy • Juni 2017
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 2 von 45 Herausgeber Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) Schwedenstraße 15a 13357 Berlin Tel +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de - foes@foes.de Über das FÖS Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. durchgeführt, konkrete Konzepte entwickelt und (FÖS) ist ein überparteilicher und unabhängiger politi- durch Konferenzen, Hintergrundgespräche und Bei- scher Think Tank. Wir setzen uns seit 1994 für eine Wei- träge in die Debatte um eine moderne Umweltpolitik terentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer eingebracht. Das FÖS setzt sich für eine kontinuierli- ökologisch-sozialen Marktwirtschaft ein und sind ge- che ökologische Finanzreform ein, die die ökologische genüber Entscheidungsträger*innen und Multiplika- Zukunftsfähigkeit ebenso nachhaltig verbessert wie tor*innen Anstoßgeber wie Konsensstifter. Zu diesem die Wirtschaftskraft. Zweck werden eigene Forschungsvorhaben Bildnachweise Foto Titelseite: © Kerry Kay-Smith – stock.adobe.com Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 3 von 45 Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund und Ziel der Studie ................................................................................................................................. 7 2 Ist der Strom in Deutschland zu teuer? ..................................................................................................................... 7 2.1 Strompreis privater Haushalte ................................................................................................................................................... 7 2.1.1 Strompreis ist in knapp 30 Jahren real um 7 Ct/kWh gestiegen ................................................................................ 7 2.1.2 Strompreise für Haushalte stellen im EU Vergleich durchschnittliche Belastung dar ................................ 9 2.2 Strompreise der Industrie ......................................................................................................................................................... 10 2.2.1 Deutsche Industrie profitiert von umfassenden Entlastungen............................................................................ 10 2.2.2 Durchschnittliche Strompreise der Industrie heute auf ähnlichem Niveau wie real vor knapp 30 Jahre 11 2.2.3 Energiestückkosten in Deutschland unter dem EU-Durchschnitt ..................................................................... 12 2.2.4 Gute Wettbewerbsbedingungen in Deutschland ..................................................................................................... 13 3 Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage.................................................................................................... 14 3.1 Auswirkungen auf Klimaschutz .............................................................................................................................................. 14 3.1.1 Stromverbrauch: sinkende Preise, steigende Nachfrage ............................................................................................. 14 3.1.2 Sektorkopplung: verbesserte Wirtschaftlichkeit auch anders zu erreichen ................................................... 16 3.1.3 Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor: Kein Effekt auf EEG-Zubau, schlechtere Wirtschaftlichkeit von Eigenverbrauch ........................................................................................................................................... 20 3.1.4 Zwischenfazit: CO2-Preis wichtiger als pauschale Senkung der EEG-Umlage ............................................. 21 3.2 Reduzierung des administrativen Aufwands: Pflichten entfallen nur bei vollständiger Abschaffung ..... 22 3.3 Die Senkung der EEG-Umlage ist „teuer“: Auswirkungen auf den Bundeshaushalt ...................................... 23 3.3.1 Was kostet eine Senkung der EEG-Umlage? ............................................................................................................. 23 3.3.2 Haushaltsverhandlungen: mögliche Unsicherheiten für den Ausbau erneuerbarer Energien ............. 24 3.3.3 Beihilferecht könnte Einfluss des Gesetzgebers beschränken ........................................................................... 24 3.4 Soziale Auswirkungen einer EEG-Umlage-Senkung: entlastet alle, aber nicht zielgenau........................... 25 4 Alternative Verwendung von Einnahmen aus der CO2-Bepreisung: stärkere soziale oder ökologische Wirkung ................................................................................................................................................................................. 27 4.1 Klimaprämie .................................................................................................................................................................................... 27 4.1.1 Klimaprämie sichert einheitliche Rückzahlung für die gesamte Bevölkerung .................................................. 27 4.1.2 Klimaprämie entlastet ärmere Haushalte stärker als eine Senkung der EEG-Umlage ............................. 28 4.1.3 Klimaprämie erhält Anreiz zur Vermeidung von CO2-Emissionen .................................................................... 28 4.1.4 Klimaprämie auch für Unternehmen möglich ............................................................................................................. 29 4.2 Gezielte Investitionen für sozialen Ausgleich .................................................................................................................. 29 4.2.1 Kompensationen für Haushalte mit besonderer Belastung .................................................................................. 29 4.2.2 Zielgerichtete Kompensation entlastet einkommensschwache Haushalte stärker ................................... 29 4.2.3 Erhöhung von Wohngeld und Leistungen der sozialen Mindestsicherung kann soziale Härten abfedern ........................................................................................................................................................................................................ 30 4.3 Gezielte Investitionen in Klimaschutz ................................................................................................................................ 30 4.3.1 Zuschüsse für effiziente Haushaltsgeräte bzw. Geräteaustauschprogramme fördern Energieeffizienz bei einkommensschwachen Haushalten ........................................................................................................................................ 30 4.3.2 Investitionen im Wärmebereich wirken zielgenau ..................................................................................................... 31 4.3.3 Investitionen im Verkehrsbereich treiben Verkehrswende voran ....................................................................... 31 4.3.4 Zwischenfazit ............................................................................................................................................................................. 32 5 Einbettung in den Kontext der erforderlichen Entwicklung von Energiewende und Klimaschutz ............32 5.1 Klimaschutz: Umsetzungsgeschwindigkeit als entscheidender Faktor ............................................................... 32 5.1.1 Direktelektrifizierung bringt große Effizienzgewinne................................................................................................... 32 5.1.2 Verursachergerechtigkeit und Umsetzungsgeschwindigkeit abwägen ......................................................... 33 5.1.3 Leistungsfähige Infrastruktur ist Voraussetzung für rasche Umsetzung......................................................... 33 5.2 Vom Strommarkt zum Energiemarkt – mit einer Gesamtreform der Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte 33 5.2.1 CO2-Preisinstrumente wirken unzureichend, Vorteil für Erneuerbare Energie zu gering ...................... 34 Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 4 von 45 5.2.2 Ausgangslage und Zielsetzung sind komplex und erfordern gesamthaften Maßnahmenmix .............. 34 5.2.3 Umfang und Struktur der Strompreisbestandteile ................................................................................................... 34 5.2.4 Netzentgelte: Steigender Kostentrend verändert Kostenanteile beim Strompreis ................................... 35 5.3 Differenzierter Regelungsrahmen für Energieeffizienz nötig ................................................................................... 35 5.3.1 Hohe Preise befördern nicht allein sparsamen Verbrauch .................................................................................... 35 5.3.2 Strategie anpassen: Instrumentenmix für Energieeffizienz etablieren ............................................................ 35 5.4 Fehlinvestitionen vermeiden, Kosten nach Klimaschutz-Wirksamkeit verlagern ........................................... 35 5.4.1 Doppelter Verlust: Lock-in Investitionen vermeiden ............................................................................................... 36 5.4.2 Bedarf: Schnellstmöglich ein konsistentes Gesamtkonzept................................................................................. 36 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................................ 37 Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 5 von 45 Zusammenfassung In der öffentlichen Debatte ist häufig das Argument dem Fünffachen der Programmausgaben des BMU- zu hören, dass der Strompreis in Deutschland sowohl Haushalts von rund 2,2 Mrd. Euro. Die Förderung von für private Haushalte als auch für die Wirtschaft zu Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung hoch sei. Im Klimapaket der Bundesregierung 2019 der KfW Förderbank (5,8 Mrd. Euro) bzw. Zuschüsse wurde deshalb bereits eine (Teil-) Verwendung der zur Ladeinfrastruktur (0,8 Mrd. Euro) fallen 2021 CO2-Bepreisungseinnahmen für eine anteilige Fi- deutlich geringer aus. Daher stellt sich die Frage, in- nanzierung der EEG-Umlage beschlossen, im Rah- wiefern dieses signifikante Finanzvolumen aus öf- men des Konjunktur- und Zukunftspakets 2020 fentlichen Mitteln zielführend eingesetzt wird. wurde dieser Finanzierungbeitrag über Zuschüsse des Bundeshaushalts erhöht. Von verschiedenen Neben dem hohen Finanzbedarf einer EEG-Umla- Akteuren wird aber eine weitere Senkung der EEG- gesenkung fällt auch die Klimaschutzwirkung am- Umlage oder anderer staatlich regulierter Bestand- bivalent aus: teile des Strompreises gefordert. ▪ Geringere Energieeffizienz: Eine Senkung des Strompreises würde voraussichtlich die Strom- Ziel der Studie ist es, die Argumente für eine Senkung nachfrage im Vergleich zu einem Szenario ohne der EEG-Umlage kritisch zu prüfen und mögliche Strompreissenkung erhöhen und damit dem Ziel Auswirkungen aufzuzeigen, welche in der öffentli- der Energieeffizienz entgegenwirken. chen Diskussion oftmals wenig Beachtung finden. ▪ Verbesserte Sektorkopplung: Finanzielle An- Die Senkung der EEG-Umlage ist eine sehr kost- reize zur Förderung von Sektorkopplungs-Tech- spielige Politikmaßnahme, deren soziale und öko- nologien sind auf verschiedenen Ebenen möglich logische Auswirkungen nach dem Gießkannen- und sollten in einem ausgewogenen Instrumen- prinzip wirken. Mit den gleichen Finanzmitteln tenmix erfolgen. Ein wichtiges Instrument für die könnten andere Maßnahmen stärker auf die Ziele Verbesserung der Sektorenkopplung ist ein wirk- Klimaschutz und Minderung von sozialer Un- samer CO2-Preis für fossile Energieträger. Eine gleichheit einzahlen. Durch die Auswirkungen der pauschale Senkung der EEG-Umlage ist eine von Corona-Krise und dem weiteren Anstieg der CO2- mehreren Möglichkeiten, um die Wirtschaftlich- Bepreisung werden die sozialen Aspekte wichtiger keit von sektorenkoppelnden Technologien zu für die Frage der Einnahmenverwendung. verbessern. Handlungsoptionen, die mit geringe- ren Kosten für den Bundeshaushalt verbunden Die Belastung privater Haushalte durch Stromkos- wären, sind z.B. im Bereich der Elektromobilität ten liegt in Deutschland nicht über dem europäi- eine Reform der Kfz-Steuer oder eine emissions- schen Durchschnitt. Denn neben den absoluten bezogene Zulassungssteuer. Die Zielgenauig- Strompreisen sind die unterschiedlichen Einkom- keit ist bei spezifischen Förderinstrumenten mensniveaus zu berücksichtigen. Bei Unternehmen deutlich größer, wie z.B. bei einer Erhöhung der liegen die Energiestückkosten insgesamt unter Förderung für Investitionen in E-PKW, in Ladein- dem europäischen Durchschnitt. Für die energiein- frastruktur und in effiziente Wärmepumpen. Sie tensive Industrie gelten zudem umfassende Ausnah- adressieren zudem genauer wesentliche Hemm- meregelungen bei der EEG-Umlage und anderen nisse in diesen Bereichen. Gleichzeitig können Strompreisbestandteilen wie z.B. den Netzentgelten. bei zielgenauen Förderinstrumenten Mitnahme- Eine pauschale Aussage wie „Die Strompreise in effekte und unerwünschte „Nebenwirkun- Deutschland sind zu hoch“ entspricht daher nicht gen“ verringert werden. Diese bestehen bei einer den Tatsachen. Darüber hinaus profitiert die Wirt- pauschalen Absenkung der EEG-Umlage vor al- schaft von der hervorragenden Stromversorgungssi- lem darin, dass Effizienzanreize sinken und ein cherheit in Deutschland. vermeidbarer Anstieg des Stromverbrauches über die gewünschten Sektorenkopplungs-An- wendungen hinaus zu erwarten ist. Die Kosten einer EEG-Umlagesenkung sind im Ver- gleich mit anderen Posten der Bundeshaushalte so- ▪ Eine pauschale Absenkung des Endkundens- wie anderen Klimaschutzausgaben sehr hoch. Die ca. trompreises würde auch den Ausbau der erneu- 10,8 Mrd. Euro, die 2021 in die Senkung der EEG- erbaren Energien beim Eigenstromverbrauch Umlage fließen, entsprechen in etwa dem gesamten und für Akteure, die ihre Kunden direkt belie- Etat des BMWi-Haushalts (10,1 Mrd. Euro) und fast fern wollen, im heutigen Strommarktdesign Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 6 von 45 unattraktiver machen. Denn damit sinkt die Dif- Die Reformaufgabe ist also komplex. Die Verengung ferenz zwischen den Erzeugungskosten der je- von politischer Kommunikation und Handeln auf weiligen Anlage und dem eingesparten bzw. er- den Faktor EEG-Umlage ist irreführend. Sie sugge- zielbaren Strompreis – und damit die Rentabilität riert, dass dadurch das wesentliche Problem gelöst von so finanzierten Anlagen. sei und problematisiert gleichzeitig allein die Kosten der erneuerbaren Energien – beides ist nicht der Fall. Die Finanzierung der EEG-Umlage aus dem Bun- deshaushalt stellt ein relevantes Risiko für den Ausbau der erneuerbaren Energien dar. Die gegen- wärtige Finanzierungssicherheit der EEG-Umlage, die den Bau neuer EE-Anlagen refinanziert, würde entfallen. Stattdessen entstünde eine Abhängigkeit von jährlichen Haushaltverhandlungen im Bundes- tag. Darüber hinaus wird das EEG durch die staatli- chen Zuschüsse auf das EEG-Umlage-Konto bei der EU beihilfepflichtig. Damit nimmt sich der Ge- setzgeber bei der Ausgestaltung der Finanzierung der EE-Anlagen wichtigen Gestaltungsspielraum, den er bisher hatte. Alternative Verwendungen der Einnahmen der CO2-Bepreisung wirken sozial und ökologisch zielgerichteter als eine pauschale Senkung der EEG-Umlage. Zwar wirkt auch die EEG-Umlagesen- kung progressiv, d.h. Haushalte mit niedrigen Ein- kommen werden relativ stärker entlastet als solche mit hohem Einkommen, eine Klimaprämie würde är- mere Haushalte jedoch noch stärker entlasten. Ge- zielte Förderungen im Wärme- und Verkehrssektor, sowie andere Klimaschutzmaßnahmen würden di- rekt zu einer Reduktion der CO2-Emissionen beitra- gen. Eine wesentliche politische Aufgabe für die nächste Legislaturperiode ist eine Gesamtreform des Ener- giemarktdesigns, also der Kostenverteilung und fi- nanziellen Anreize im Energiesektor, damit diese klar und zielgenau wirken. Klimapolitische Zielstel- lungen, wie der Emissionsminderungsbeitrag von Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verbrauch, müssen zu zentralen Regelungselementen wer- den. Die Zusammensetzung der Steuern und Abga- ben sowie Entgelte (z.B. die Netzentgelte) und Um- lagen (z.B. die EEG-Umlage) in allen Energiesekto- ren (Strom, Wärme und Verkehr) muss dafür refor- miert werden. Eine weiterhin verlässliche Finanzie- rung für einen beschleunigten Ausbau der erneu- erbaren Energien ist dabei besonders wichtig, ebenso eine stabile, verteilungsgerechte und aus- lastungsbezogene Finanzierungsbasis für die Energienetze. Zeitvariable Tarifkomponenten können Anreize für Flexibilisierung der Nachfrage schaffen, die Sekto- renkopplung verbessern und den Systemkosten- anstieg dämpfen. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 7 von 45 1 Hintergrund und Ziel der Studie liegt. Bei Unternehmen liegen die Energiestückkos- ten unter dem europäischen Durchschnitt. Für die In der öffentlichen Debatte ist häufig das Argument energieintensive Industrie gelten zudem umfas- zu hören, dass der Strompreis in Deutschland sowohl sende Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage für private Haushalte als auch für die Wirtschaft zu und anderen Strompreisbestandteilen wie z.B. den hoch sei. Im Klimapaket der Bundesregierung 2019 Netzentgelten. wurde deshalb bereits eine (Teil-) Verwendung der Dieses Kapitel unterzieht diese Aussage, dass der CO2-Bepreisungseinnahmen für eine anteilige Fi- Strompreis in Deutschland zu hoch sei, einer kriti- nanzierung der EEG-Umlage beschlossen, im Rah- schen Prüfung. Dazu werden zunächst die Strom- men des Konjunktur- und Zukunftspakets 2020 preise für private Haushalte in Deutschland mit den wurde dieser Finanzierungbeitrag über Zuschüsse Preisen in anderen europäischen Ländern verglichen. des Bundeshaushalts erhöht. Um die Situationen in den verschiedenen Ländern zu Anlass dafür war, dass aufgrund der stark gesunke- berücksichtigen, wird zudem der Anteil der durch- nen Börsenpreise und des gesunkenen Stromver- schnittlichen Stromrechnungen am mittleren Ein- brauches während der Corona-Krise der EEG-Umla- kommen betrachtet. Eine differenzierte Betrach- gebetrag ohne Gegenmaßnahme gestiegen wäre. tung der tatsächlichen Kostenbelastung ist in der Die eingesetzten knapp 20 Mrd. € verhindern damit Diskussion um „zu hohe“ Strompreise elementar. einen spürbaren Anstieg der EEG-Umlage und füh- Daher wird auch im Fall der Industriestrompreise un- ren zu deren leichten Senkung gegenüber dem Jahr tersucht, inwiefern die Strompreise in Deutschland 2020. 1 Von verschiedenen Akteuren wird aber eine eine reale Belastung der deutschen Wirtschaft dar- weitere Senkung der EEG-Umlage oder anderer stellen. Dabei werden ebenfalls internationale Unter- staatlich regulierter Bestandteile des Strompreises suchungen von Wirtschaftsstandortsfaktoren sowie gefordert. Befragungen deutscher Industrieunternehmen be- Ziel der Studie ist es, die Argumente für eine Sen- rücksichtigt. kung der EEG-Umlage kritisch zu prüfen und mög- liche Auswirkungen aufzuzeigen, welche in der öf- fentlichen Diskussion oftmals wenig Beachtung fin- 2.1 Strompreis privater Haushalte den. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Studie die 2.1.1 Strompreis ist in knapp 30 Jahren Höhe des Strompreises in Deutschland sowie die real um 7 Ct/kWh gestiegen Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage auf Innerhalb der letzten knapp 30 Jahre sind die Strom- den Klimaschutz, Bundeshaushalt und die Vertei- preise für private Haushalte in Deutschland real um lungswirkungen untersucht. Zudem werden alter- etwa 7Ct/kWh gestiegen. Dies entspricht der Ent- native Verwendungsmöglichkeiten für Einnahmen wicklung der Preise anderer Energieträger wie Erd- aus einer CO2-Bepreisung dargestellt. Abschlie- gas und Fernwärme. ßend werden weitere energiewendebezogene As- pekte diskutiert, welche für die Diskussion des Sach- Abbildung 1 stellt die reale (d.h. inflationsbereinigte) verhalts relevant sind. Entwicklung des Strompreises für private Haushaltes (inklusive aller Steuern und Abgaben) in Deutsch- land von 1991 bis 2019 dar. Über diesen Zeitraum ist 2 Ist der Strom in Deutschland zu der Strompreis von etwa 22,60 Ct/kWh (1991) auf teuer? 29,66 Ct/kWh (2019) gestiegen. Das Basisjahr für die Preisbereinigung stellt 2015 dar2. Nominal stieg der Die Strompreise in Deutschland stellen im internati- Preis von 14,80 Ct/kWh im Jahr 1991 auf 31,24 onalen bzw. europäischen Vergleich weder für pri- Ct/kWh im Jahr 2019) (BMWi 2020a). vate Haushalte noch für die Industrie eine hohe Be- Die Entwicklung des Strompreises über die letzten lastung dar. Unsere Analyse zeigt, dass der Anteil der knapp 30 Jahre war von verschiedenen Faktoren ge- Stromkosten am Einkommen bei privaten Haushal- prägt. ten in Deutschland im europäischen Durchschnitt 1 Ohne Bundeszuschuss oder andere Maßnahmen wäre wird die EEG-Umlage 2021 insgesamt um 3,15 die EEG-Umlage 2021 auf 9,65 Ct/kWh gestiegen Ct/KWh gesenkt (50Hertz et al. 2020). 2 (50Hertz et al. 2020). Die Einnahmen aus dem na- Die Inflationsbereinigung erfolgte mit Hilfe der Zeitreihe tionalen CO2-Preis senken die EEG-Umlage in des Verbraucherpreisindex für Deutschland des Sta- diesem Jahr um 1,37 Ct/kWh (BMU 2021). Mit den tistischen Bundesamts. Das Basisjahr für die Preis- zusätzlichen Mitteln aus dem Konjunkturpaket bereinigung stellt 2015 dar. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 8 von 45 ▪ Im Jahr 2000 lagen die Strompreise auf einem ▪ Mit dem Strompreis wird zudem die Konzessi- historischen Tiefstand. Grund dafür war, dass sich onsabgabe, die KWK-Umlage zur Förderung die Erzeugungspreise nach der Liberalisierung der Kraft-Wärme-Kopplung, die StromNEV des Strommarktes im Jahr 1998 teilweise an kurz- §19-Umlage sowie die Offshore-Netzumlage fristigen Grenzkosten orientierten und längerfris- erhoben (BDEW 2021). tige Kosten nicht mit abdeckten (BMWi/BMU Derzeit machen Steuern und Umlagen rund die 2006). In den folgenden Jahren sind die Erzeu- Hälfte des Strompreises privater Haushalte aus gungspreise jedoch wieder deutlich angestiegen. (rund 51,4%) (BDEW 2021). Dieser Anteil ist auch Die kumulierten Kosten für Erzeugung, Trans- deswegen so hoch, weil unter anderem durch die Di- port und Vertrieb lagen 2008 wieder auf dem rektvermarktung der Erneuerbaren der Kostenblock Niveau von 1998 (Leipziger Institut für Energie Erzeugung und Vertrieb sinkt (und die EEG-Umlage GmbH 2019). Seitdem ist dieser Kostenbestand- steigt). Die Stromverbraucher*innen, die die volle teil (die Kosten für Beschaffung und Vertrieb – EEG-Umlage zahlen, subventionieren also die von die Kosten für Netzentgelte werden seit 2006 Verbraucher*innen, die keine oder eine sehr redu- gesondert ausgewiesen) nominal auf einem zierte EEG-Umlage zahlen. Dieser Aspekt allein recht gleichbleibenden Niveau (BDEW 2021). macht rund 1,5 Ct/kWh der EEG-Umlage aus. ▪ Die Kosten für Netzentgelte betragen seit der Abbildung 1: Entwicklung des Strompreises für Einführung im Jahr 2006 zwischen rund 6 und 8 private Haushalte in Deutschland (real 2015) Ct/kWh und machen mit 20-25% einen ver- 1991-2019 (Stromverbrauch: 325 kWh pro Monat; gleichsweise großen Anteil des gesamten Strom- inkl. aller Steuern und Abgaben) preises aus. Seit 2012 sind die Netzentgelte no- minal stetig angestiegen (BDEW 2021). 35 Die Einführung bzw. Umgestaltung verschiedener 30 Steuern und Abgaben hatte zudem erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Strompreises. 25 in ct/kWh ▪ Im Rahmen der Ökologischen Steuerreform im 20 Jahr 1999 wurde die Stromsteuer eingeführt. 15 Seit 2003 liegt diese bei 2,05 Ct/kWh (BDEW 10 2021). Die Einnahmen werden überwiegend zur Reduzierung der Rentenversicherungsbeiträge 5 verwendet. 0 1995 1997 1991 1993 1999 2001 2003 2005 2009 2013 2007 2011 2015 2019 2017 ▪ Im Jahr 2000 wurde die EEG-Umlage einge- führt. Mit dieser Umlage werden Stromkund*in- nen an dem durch das Erneuerbare-Energien- Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von (BMWi Gesetz (EEG) geförderten Ausbau der Erneuer- 2020a) baren Energien beteiligt. Diese ist seit der Ein- führung von 0,19 Ct auf 6,76 Ct im Jahr 2020 Abbildung 2 zeigt, dass sich die Strompreise für pri- deutlich angestiegen (BDEW 2021). Obwohl vate Haushalte real seit 1991 in ähnlicher Weise ent- die EEG-Umlage für den Ausbau erneuerbarer wickelt haben wie die Preise der anderen Energie- Energien verwendet wird, stellt sie nicht die tat- träger. Während die Preise für leichtes Heizöl über sächlichen Kosten des Ausbaus erneuerbarer den betrachteten Zeitraum stärker geschwankt sind, Energien dar. Diese liegen niedriger, da es sich sind die Preise für Strom, Erdgas und Fernwärme auf bei der EEG-Umlage um einen rechnerischen einem ähnlichen Niveau angestiegen (BMWi 2019). Wert handelt, in den noch weitere Faktoren, u.a. die Börsenstrompreise und die Begünstigung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die industrieller Stromverbraucher, einfließen (siehe FÖS 2012). Strompreise privater Haushalte in den letzten Jah- ren gestiegen sind – jedoch nicht stärker als bei an- ▪ Im Jahr 2007 wurde zudem die Mehrwert- deren Energieträgern. Die Steigerung der Strom- steuer, welche auf den gesamten Netto-Preis preise ist zudem nur teilweise auf die steigende erhoben wird, von 16% auf 19% erhöht. EEG-Umlage zurückzuführen. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 9 von 45 Abbildung 2: Entwicklung der Energiepreise privater Haushalte 1991-2018 Quelle: (BMWi 2019) ▪ Durchschnittlich zahlten private Haushalte in Eu- ropa einen Strompreis von 21,26 Ct/kWh (Eurostat 2.1.2 Strompreise für Haushalte stellen im 2020a). EU-Vergleich durchschnittliche Belastung dar Beeinflusst werden die Strompreise in den europäi- schen Ländern von verschiedenen Faktoren wie der Obwohl die nominalen Strompreise in Deutschland auf geographischen Lage, dem nationalen Energiemix den ersten Blick vergleichsweise hoch ausfallen, stellen sowie den nationalen Steuern und Abgaben. Natio- sie im europäischen Vergleich für private Haushalte nal unterschiedliche Steuern und Abgaben machen nur eine durchschnittliche Belastung dar. Um beurtei- dabei den größten Unterschied zwischen den europä- len zu können, wie günstig oder teuer Strom in einem ischen Ländern aus. In Deutschland liegt der Anteil von bestimmten Land ist, muss neben dem absoluten Steuern und Umlagen mit rund 51,4% (BDEW 2021) Strompreis die Kaufkraft (bzw. das zur Verfügung deutlich über dem europäischen Durchschnitt (rund stehende Einkommen) der Haushalte berücksichtigt 36,6%) (Strom-Report 2020a). werden. Um jedoch beurteilen zu können, ob private Haushalte Betrachtet man den absoluten Strompreis für private durch vergleichsweise hohe Strompreise in Deutsch- Haushalte scheint dieser im europäischen Vergleich in land auch stärker belastet werden, werden in Abbil- Deutschland sehr hoch auszufallen: dung 5 die Endkundenstrompreise verschiedener eu- ▪ Im ersten Halbjahr 2020 war der durchschnittliche ropäischer Länder dem jeweiligen Median des Net- Strompreis privater Haushalte mit einem Stromver- toäquivalenzeinkommens gegenübergestellt. brauch zwischen 2.500 kWh und 5.000 kWh (in- Der Anteil der Stromrechnung am klusive aller Steuern und Abgaben) in Deutschland Medianeinkommen liegt mit 3,3% in der zweithöchste der 27 EU-Mitgliedsstaaten (30 Deutschland genau im europäischen Ct/kWh), während der Preis in Bulgarien am nied- Durchschnitt (ebenfalls 3,3%) (siehe rigsten ausfiel (10 Ct/kWh). Tabelle 5 im Anhang). Dabei ist jedoch zu beachten, Bei einem normierten durchschnittlichen Stromver- dass bei den Stromverbräuchen erhebliche Unter- brauch von 2.500 kWh/a in allen europäischen Län- schiede zwischen den europäischen Ländern beste- dern, läge der Anteil der Stromrechnung am Haus- hen, welche sich direkt auf die durchschnittliche haltseinkommen in Europa bei durchschnittlich 3,1%. Höhe der Stromrechnungen auswirken. So beein- Der Anteil in Deutschland läge auch hier nur leicht flusst sowohl der wirtschaftliche Entwicklungsstan- über dem europäischen Durchschnitt mit 3,2%. dard des jeweiligen Landes, die klimatischen Bedin- Einen weitaus höheren Anteil am Einkommen macht gungen und die für das Heizen verwendete Energie- die Stromrechnung für Haushalte in Bulgarien (6,6%) form, wieviel Strom in den verschiedenen Ländern oder Portugal aus (5,7%) (jeweils bei einem normier- verbraucht wird (Eurostat 2020b). ten Stromverbrauch von 2.500 kWh/a). Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 10 von 45 Das bedeutet: auch wenn die Strompreise in Belastung dar. In Bulgarien wenden Haushalte einen Deutschland absolut vergleichsweise hoch ausfal- doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für die len, stellen sie im europäischen Vergleich für die Stromrechnung auf, obwohl dort die Strompreise Haushalte aber nur eine durchschnittliche sehr niedrig sind (Trinomics B.V. 2020). Abbildung 3: Endkundenstrompreis und durchschnittliche Stromrechnung (normiert) als Anteil des Medianeinkommens im europäischen Vergleich (2019) 350 10,0 300 9,0 250 8,0 7,0 in €/MWh 200 in % 6,0 150 5,0 100 4,0 3,0 50 2,0 0 1,0 EU27 Litauen Luxemburg Irland Dänemark Italien Estland Lettland Ungarn Zypern Spanien Polen Rumänien Finnland Österreich Niederlande Malta Slowenien Belgien Deutschland Kroatien Slowakei Portugal Schweden Frankreich Griechenland Bulgarien Tschechische Republik Stromrechnung als Anteil des Medianeinkommens (%) Endverbraucher Strompreis (€/MWh) Quelle: (Trinomics B.V. 2020) 2.2 Strompreise der Industrie Ausnahmeregelungen bzw. Ermäßigungen beste- hen bei folgenden staatlich regulierten Preisbe- 2.2.1 Deutsche Industrie profitiert von standteilen (siehe (Ecofys/Fraunhofer - ISI 2015; umfassenden Entlastungen FÖS et al. 2019)): Die Höhe der effektiven Strompreise für deutsche ▪ Netzentgelte: Die Höhe der Netzentgelte ist ab- Unternehmen variiert je nach Abnahmemengen und hängig von dem Stromverbrauch und der -profilen und ist stark von Entlastungen bei staat- Höchstlast. Eine Ermäßigung kann ab einem Jah- lich regulierten Steuern, Abgaben und Umlagen resverbrauch von 10 GWh beantragt werden. Die geprägt. Mindestsätze für ermäßigte Netzentgelte hän- Grundsätzlich profitieren insbesondere energiein- gen von den Benutzungsstunden des Unterneh- tensive Unternehmen von umfassenden Ausnah- mens ab. Der Mindestsatz liegt dabei bei 10% des meregelungen, da die Privilegien in vielen Fällen bei veröffentlichen Netzentgeltes. höherer Abnahmemenge, -kontinuität und Stromin- ▪ Stromsteuer: Das produzierende Gewerbe, tensität deutlich höher ausfallen. Die Ermäßigungen landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Be- wurden im Laufe der Zeit eingeführt, um die Belas- triebe können einen reduzierten Satz in Höhe von tungen der deutschen Industrie durch Energiekos- 1,54 Ct/kWh (statt 2,05 Ct/kWh) beantragen ten zu begrenzen. In einigen Fällen (wie bei der EEG- (wenn dies zu einer Ersparnis von mindestens Umlage) führt dies zu höheren Belastungen bei 250€ pro Jahr führt). Durch den Spitzenaus- nicht-begünstigten Unternehmen und Privat- gleich kann der Steuersatz darüber hinaus um bis haushalten, die dadurch beispielsweise eine um ca. zu 90% reduziert werden. 1,5 Ct/kWh höhere EEG-Umlage zahlen müssen. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 11 von 45 ▪ EEG-Umlage: Gemäß der „Besonderen Aus- beziehen (Sachverständigenrat für Umweltfragen gleichsregelung“ können Unternehmen des pro- 2016). duzierenden Gewerbes und der Schienenbah- Die tatsächlich gezahlten Stromkosten der deut- nen bei einer bestimmten Stromintensität schen Industrieunternehmen weisen also eine sehr (Stromkosten im Vergleich zur Bruttowertschöp- große Bandbreite auf (siehe Abbildung 4). Für in- fung des Unternehmens) ab einem Verbrauch dustrielle Großabnehmer mit einem Stromverbrauch über 1 GWh pro Jahr einen ermäßigten Satz in von 100.000 MWh reichte diese im Jahr 2020 von Höhe von 15% des Regelsatzes bezahlen (höchs- 4,5 Ct/kWh (bei maximal möglicher Entlastung) bis tens 0,5% der Bruttowertschöpfung). Nach den zu 17,2 Ct/kWh (ohne Möglichkeit zur Nutzung von Berechnungen des BDEW (2021) ist 2021 rund Entlastungsregelungen) (BDEW 2021). 44% des Stromverbrauchs der Industriebe- triebe bei der EEG-Umlage privilegiert, d.h. er Abbildung 5: Bandbreite der Strompreise der unterliegt einer geminderten EEG-Umlage in Industrie im Jahr 2020 Höhe von 0,05 bis 1,35 Ct/kWh. 22% des Strom- verbrauchs der Industrie wurde zudem aufgrund von Selbstverbrauch aus eigenen Stromerzeu- gungsanlagen anteilig oder vollständig von der EEG-Umlage befreit. Demzufolge werden nur 34% des Stromverbrauchs der Industriebetriebe mit der vollen EEG-Umlage belegt (BDEW 2021). ▪ Konzessionsabgabe: Sondervertragskunden zahlen einen Höchstbetrag von 0,11/kWh. Je nach Gemeindegrößte beträgt die Konzessions- abgabe ansonsten zwischen 1,32 und 2,39 Ct/kWh (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2021). ▪ KWKG-Umlage/ §19 StromNEV-Umlage/ Offshore-Haftungs-Umlage: Ab einem Jahres- verbrauch von 100 MWh (KWKG-Umlage) bzw. 1 GWh (§19 StromNEV-Umlage und Offshore- Quelle: (BDEW 2021) Haftungs-Umlage) zahlen Unternehmen einen Satz in Höhe von 0,055 Ct/kWh (KWK-Umlage) bzw. 0,05 Ct/kWh (§19 StromNEV-Umlage und 2.2.2 Durchschnittliche Strompreise der Offshore-Haftungs-Umlage). Wenn die Strom- Industrie heute auf ähnlichem kosten im Vorjahr mehr als vier Prozent des Um- Niveau wie real vor knapp 30 Jahre satzes ausmachten, kann die Umlage in bestimm- Die realen durchschnittlichen Strompreise der In- ten Branchen weiter auf 0,025 Ct/kWh sinken. dustrie 3 lagen 2018 auf einem ähnlichen Niveau 2021 liegt der volle Satz der KWKG-Umlage bei wie vor knapp 30 Jahren. Das zeigt eine Analyse der 0,254 Ct/kWh, der §19 StromNEV-Umlage bei durchschnittlichen Strompreis der Industrie nach 0,432 Ct/kWh und der Offshore-Haftungs-Um- Daten des BMWi (2020a). lage bei 0,395 Ct/kWh (jeweils bei einem Jahres- Noch deutlicher als bei der Betrachtung der Ent- verbrauch unter 1 Mio. kWh) (Bundesnetzagen- wicklung der Strompreis für private Haushalte fällt in tur 2021). Abbildung 6 der historische Tiefstand der Strom- Zudem variieren die Preise der Strombezugskos- preise nach der Liberalisierung des Strommarktes im ten nach Abnahmemengen und -profilen. Stromin- Jahr 2000 auf. Der darauffolgende Anstieg ist, wie tensive Unternehmen haben in der Regel geringere im Falle der Strompreis für private Haushalte, vor al- Strombezugskosten je Megawattstunde als der lem der Einführung bzw. Umgestaltung der ver- Durchschnitt, da sie ihren Strom direkt an den Strom- schiedenen staatlich regulierten Strompreisbe- börsen (EEX Terminhandel bzw. EPEX Spotmarkt) standteilen geschuldet (BDEW 2021).4 4 3 Die Inflationsbereinigung erfolgte mit Hilfe der Zeitreihe Welche Ermäßigungen bzw. Ausnahmeregelungen bei des Verbraucherpreisindex für Deutschland des der Berechnung der Durchschnittserlöse durch Statistischen Bundesamtes. Das Basisjahr für die das BMWi (2020a) berücksichtigt werden, wird in Preisbereinigung stellt 2015 dar. den Datensätzen nicht näher erläutert. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 12 von 45 Allerdings wäre der Börsenpreis für Strom ohne das Vergleich am höchsten aus (Ecofys/Fraunhofer ISI EEG und das KWKG spürbar höher, was insbeson- 2014). dere für diejenigen Unternehmen relevant ist, die bei Um zu beurteilen, inwiefern die Industrie in Deutsch- den entsprechenden Umlagen begünstigt sind land durch Strompreise übermäßig belastet wird, (BMU 2013). sind Energiestückkosten ein aussagekräftiger In- Die Preise der Strombezugskosten (inkl. Netzent- dikator. Diese stellen die Kosten des Energieeinsat- gelt und Vertrieb) sind für Großabnehmer mit einem zes pro Einheit Bruttowertschöpfung dar (Sachver- Jahresverbrauch von 70 bis 150 Mio. kWh seit 2011 ständigenrat für Umweltfragen 2016). Von den Ge- stetig zurückgegangen. Betrugen diese 2011 noch samtkosten für Energie machen Stromkosten gut 7,24 Ct/kWh lagen sie im 1. Halbjahr 2020 bei 4,34 zwei Drittel aus (BMWi 2020b). Ct/kWh. Bei kleineren Unternehmen blieb dieser Die Energiestückkosten im Verarbeitenden Ge- Kostenfaktor dagegen relativ konstant (8,98 Ct/kWh werbe haben im dargestellten Zeitraum von 1995 bis im Jahr 2012; 9,17 Ct/kWh im Jahr 2021) (BDEW 2011 in Deutschland von 1995 bis 2011 im Verhältnis 2021). zur Bruttowertschöpfung leicht zugenommen (von 7,9% im Jahr 1995 auf 9,4% im Jahr 2011) (Germes- Abbildung 6: Durchschnittliche Strompreise der hausen/Löschel 2015; Sachverständigenrat für Um- Industrie (real 2015) 1991-2018 weltfragen 2016). Bis 2019 sind die Energiestück- kosten jedoch wieder auf 7,6% gesunken (BMWi 14 2020b) – und damit auf ein niedrigeres Niveau als 12 noch 1995. Damit liegen diese weiterhin unter dem 10 europäischen Durchschnitt, welcher 2019 rund in ct/kWh 8 8,1% betrug (BMWi 2020b). 6 Von den gesamten Energiestückkosten in Höhe von 4 7,6% machten im Jahr 2019 in Deutschland die 2 Stromstückkosten rund 5,4% aus. In der EU27 be- 0 trug der Durchschnitt in diesem Jahr rund 5,5% 1997 1991 1993 1995 1999 2005 2007 2015 2017 2001 2003 2009 2011 2013 (BMWi 2020b). In Abbildung 7 wird deutlich, dass die Energiestück- Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von BMWi kosten im Verarbeitenden Gewerbe in Deutsch- (2020a); Basisjahr für Preisbereinigung: 2015 land stets unter dem durchschnittlichen Wert der anderen europäischen Mitgliedsstaaten liegen. Sie befinden sich auf einem ähnlichen Niveau wie die 2.2.3 Energiestückkosten in Deutschland Energiestückkosten in den USA oder Großbritan- unter dem EU-Durchschnitt nien. Im Vergleich fallen die Kosten in China und Ja- Die tatsächlich gezahlten Strompreise der Industrie pan deutlich höher aus (Germeshausen/Löschel werden nicht amtlich erfasst, sodass ein Vergleich 2015). mit Industriestrompreisen in anderen Ländern schwer möglich ist. Die Betrachtung von häufig zi- Abbildung 7: Energiestückkosten im tierten Eurostat-Daten führt zu einer Überschätzung Verarbeitenden Gewerbe in % der der Industriestrompreise in Deutschland, da dabei Bruttowertschöpfung des Sektors die Ausnahmeregelungen bei Steuern, Abgaben und Umlagen nicht berücksichtigt werden und auch Ei- genstromerzeugung und –verbrauch nicht erfasst wird (FÖS 2014; Sachverständigenrat für Umweltfra- gen 2016). Ein Vergleich der Stromkosten für die stromintensiven Branchen Aluminium, Kupfer, Stahl, Papier, Textil und Grundstoffchemie in Deutschland mit jenen in anderen Ländern (Frankreich, Nieder- lande, Großbritannien, USA und Korea) von Fraun- hofer ISI und Ecofys zeigt, dass die Preise in Deutschland mit Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage und Steuer meist im Mittelfeld lie- gen. Jedoch profitieren auch kleinere Unternehmen Quelle: (Germeshausen/Löschel 2015) von verschiedenen Begünstigungen. Ohne Ermäßi- gungen fallen die Strompreise in Deutschland im Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 13 von 45 2.2.4 Gute Wettbewerbsbedingungen in Im Report werden wettbewerbsentscheidende Fak- Deutschland toren von 141 Ländern verglichen, welche fast 100% der weltweiten Produktion liefern. Im aktuellen Re- Strom- bzw. Energiekosten sind nur ein Kriterium bei port aus dem Jahr 2019 belegt Deutschland den 7. der Standortwahl. Weitere Produktionsbedingun- Platz (Platz 1: Singapur, Platz 2: USA). Besonders po- gen sowie politische und soziale Rahmenbedingun- sitiv schneidet Deutschland hinsichtlich der Innova- gen (wie z.B. Qualität und Kosten von Arbeitskräften, tionsfähigkeit (u.a. angemeldete Patente, wissen- Qualität und Zuverlässigkeit der Infrastruktur) beein- schaftliche Publikationen) und der makroökonomi- flussen die Wettbewerbsfähigkeit in einem Land schen Stabilität (Inflationsrate, Staatsverschuldung) ebenso maßgeblich. im Land ab. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen begrün- Auch laut einer Befragung deutscher Industrieunter- det die gute Positionierung Deutschlands im interna- nehmen durch den DIHK im Jahr 2017 wird Deutsch- tionalen Wettbewerb mit der Spezialisierung auf land u.a. insbesondere aufgrund hoher Energiever- qualitativ hochwertige und wertschaffende Pro- sorgungssicherheit, hoher Qualifikation von Fach- dukte. Daher sei die deutsche Industrie weniger ab- kräften, Verfügbarkeit von Zulieferunternehmen, hängig von steigenden Energiekosten als in anderen Dienstleistern vor Ort und Rechtssicherheit im inter- Ländern wie China, deren Industrie von energiein- nationalen Vergleich positiv bewertet (DIHK 2017). tensiverer und weniger wertschöpfender Produktion geprägt ist (Sachverständigenrat für Umweltfragen Die Qualifikation von Arbeitskräften in Deutsch- 2016). land lässt sich beispielsweise an den kognitiven Kom- petenzen von Arbeitskräften approximieren.5 Hierfür Im Verarbeitenden Gewerbe machten 2015 die wird der Durchschnitt der PIAAC Scores für Lese- Energiekosten insgesamt nur rund 2% der Gesamt- und Mathematikkompetenz (der PIAAC-Befragung ausgaben des Gewerbes aus. Personalkosten ent- aus dem Jahr 2010) betrachtet. Deutschland liegt sprachen dagegen rund 19% der Gesamtkosten des dabei im internationalen Vergleich auf Platz 3 hin- Gewerbes (VDI 2018). ter Japan und Tschechien. Vergleicht man die Zahl Die Kosten von Arbeitskräften sind in Deutschland der Schuljahre, welche Arbeitskräfte absolviert ha- im internationalen Vergleich relativ hoch. In ben, belegt Deutschland sogar den ersten Platz (IfW Deutschland lagen die Arbeitskosten im Verarbei- Kiel 2020). tenden Gewerbe 2015 bei durchschnittlich 38,99 € Auch die Qualität und Zuverlässigkeit der Infra- pro geleisteter Stunde und damit weit oben im in- strukturen ist in Deutschland sehr hoch. Das lässt ternationalen Vergleich (Platz 6). sich besonders gut am Beispiel der Stromversorgung Noch höher sind die Arbeitskosten pro Stunde nur in illustrieren. Deutschland belegt bei der Zuverlässig- der Schweiz (58,12 Euro), Norwegen (49,28 Euro), keit der Stromversorgung im internationalen Ver- Belgien (43,20 Euro), Dänemark (42,77 Euro) und gleich mit einer durchschnittlichen Strom-Unterbre- Schweden (41,14 Euro). In der USA liegen die durch- chungsdauer von 12,0 Minuten pro Jahr (2019) einen schnittlichen Kosten für Arbeitnehmer in diesem Ge- der Spitzenplätze. Hier setzt sich Deutschland insbe- werbe dagegen bei rund 33,96 Euro, in Japan bei sondere positiv von den USA ab, die mit 110,0 Minu- 22,88 Euro und in China bei lediglich 6,19 Euro (IWK ten (2017) den letzten Platz im internationalen Ran- 2016). Da die Kosten für Arbeitskräfte in diesem Ge- king belegen (VDE FNN 2020). Geringere Unterbre- werbe einen deutlich größeren Anteil an den Ge- chungszeiten sind insbesondere für stromintensive samtkosten ausmachen als die Energie- und Strom- Industrie von großer Bedeutung, da Ausfallzeiten kosten, ist davon auszugehen, dass sie eine deutlich hier potenziell hohe Kosten verursachen können höhere Relevanz für die Standortwahl haben. (DUH 2013). Doch obwohl sowohl die Kosten für Arbeitskräfte als auch die für Strom/Energie in Deutschland ver- gleichsweise hoch ausfallen, zeigen die Ergebnisse des jährlich erscheinenden „Global Competitive- ness Report“ des World Economic Forums, dass Deutschland im internationalen Vergleich ein sehr attraktiver Wirtschaftsstandort ist (World Economic Forum 2019). 5 Andere Indikatoren berücksichtigen beispielsweise Bil- Ausmaß der beruflichen Weiterbildung oder digi- dungsausgaben, die formale Schulbildung, tale Kompetenzen. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 14 von 45 3 Auswirkungen einer Senkung 3.1.1 Stromverbrauch: sinkende Preise, steigende Nachfrage der EEG-Umlage Empirisch zeigt sich beim Stromverbrauch privater Haushalte (Abbildung 8), die rund ein Viertel des ge- 3.1 Auswirkungen auf samten Stromverbrauches verursachen, dass in den Klimaschutz ersten Jahren nach der Strommarktliberalisierung 1998 der Stromverbrauch pro Kopf trotz leicht stei- Eine Senkung der EEG-Umlage führt zu einer Sen- gender Strompreise von 1.602 kWh im Jahr 2000 auf kung des Strompreises für die Endverbraucher*in- 1.743 kWh im Jahr 2006 angestiegen ist. Das kann nen, die bisher EEG-Umlage zahlen. Dies führt einer- auch darauf zurückgeführt werden, dass im Haus- seits zu einer steigenden Stromnachfrage und zu- haltsbereich in der Zeit viele neue Anwendungen auf sätzlichen Emissionen, solange der Strom nicht voll- den Markt kamen (z.B. Konsumelektronik), die den ständig CO2-frei erzeugt wird. Es erhöht damit auch Stromverbrauch gesteigert haben. den notwendigen Zubau von erneuerbaren Energien. Der nominale Strompreis stieg in dieser Zeit von 14,92 Ein schnellerer Ausbau wird dadurch nicht erreicht, Ct/kWh auf 18,91 Ct/kWh. Nach einer Plateauphase im Gegenteil verschlechtert sich die Rentabilität der sinkt der Stromverbrauch jedoch seit 2011, verbun- Eigenversorgung. Andererseits verbessert sich die den mit einem relativ starken Anstieg der nominalen Wirtschaftlichkeit von Sektorkopplungstechnolo- Strompreise: ein Indiz, dass Preise wirken und Ver- gien, was sich positiv auf die Klimabilanz auswirken braucher*innen möglicherweise zunehmend sensi- kann. Für die Förderung effizienter Sektorkopplung bel auf Strompreisänderungen reagieren. Damit stehen jedoch auch zielgenauere Instrumente bereit. scheinen die steigenden Strompreise eine größere Lenkungswirkung hin zu einem sparsameren Um- Hintergrund gang mit Strom entfaltet zu haben. Einschränkend ist Von zahlreichen Akteuren werden Strompreissen- anzumerken, dass auch andere Faktoren (z.B. Ener- kungen als vorteilhaft für den Klimaschutz und auch gieverbrauchskennzeichnung, Ökodesign-Vorga- als notwendig zur Erreichung der klimapolitischen ben, Aufklärungskampagnen, Förderung der Ab- Ziele dargestellt: schaffung von Nachtspeicherheizungen etc., vgl. ▪ Eine Strompreissenkung würde Stromanwen- (BMWi 2020c)) zum Rückgang des Stromver- dungen in den Sektoren Wärme und Verkehr, z.B. brauchs in den letzten Jahren beigetragen haben Wärmepumpen und Elektroautos, wirtschaftlicher und der Effekt somit nicht alleine auf die Preissteige- machen. Dadurch werden zusätzliche Klimaschutz- rungen zurückgeführt werden kann. wirkungen erwartet (vgl. CO2 Abgabe e. V. 2019, dena 2020, Agora Energiewende 2017) Abbildung 8: Entwicklung des Strompreises und ▪ Eine Strompreissenkung würde zudem den Aus- des Pro-Kopf-Stromverbrauchs bau von erneuerbaren Energien im Stromsektor be- 2000-2019 schleunigen (CO2 Abgabe e.V. 2018). ct/kWh kWh/a 1.800 35 Diese Thesen sind jedoch nicht unumstritten; im Fol- 30 1.700 genden wird untersucht, wie stark eine Strompreis- 25 senkung zur Erreichung der eigentlichen Ziele tat- 1.600 20 sächlich beitragen würde. Dafür werden der Status 1.500 15 Quo und wahrscheinliche Auswirkungen von niedri- geren Strompreisen auf die Fallbeispiele Wärme- 1.400 10 pumpe (Haushaltsanwendung) und Elektromobilität beschrieben. Zudem werden die Auswirkungen auf den Ausbau erneuerbarer Energien erörtert. Eine Strompreis in ct/kWh umfassendere Diskussion zu Energiewende und Kli- Pro-Kopf-Stromverbrauch (kWh/a) maschutz (big picture) erfolgt in Kapitel 5 Zunächst werden jedoch die Auswirkungen auf den Stromver- Quelle: eigene Darstellung, Daten aus (BMWi 2020a). Hinweis: Da brauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen die Achsen sehr unterschiedliche Größenordnungen auf- dargestellt. weisen, wurde für die Abbildung ein Skalenbereich für den Pro-Kopf-Stromverbrauch von 1.400 bis 1.800 kWh/a und für den Strompreis von 10 bis 35 Ct/kWh gewählt. Mögliche Effekte einer Absenkung der EEG-Um- lage auf den Stromverbrauch Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Soziale und ökologische Auswirkungen einer Senkung der EEG-Umlage • Seite 15 von 45 Wie stark eine Absenkung des Strompreises bzw. der durch eine höhere Auslastung der Braunkohlekraft- EEG-Umlage zu einem Mehrverbrauch an Strom werke erfüllt würde, könnten sogar knapp 22 Mio. t führt, lässt sich ökonomisch auf Grundlage von Prei- CO2 mehr ausgestoßen werden (FÖS 2019). Für die selastizitäten abschätzen. Dabei werden andere Ein- Nettobilanz bei den CO2-Emissionen ist es also ent- flussfaktoren (wie zum Beispiel Effizienzvorgaben) scheidend, inwiefern der zusätzliche Stromver- und Wechselwirkungen mit anderen Instrumenten brauch den Verbrauch fossiler Energien erhöht. ausgeklammert und nur der Preisimpuls betrachtet. Langfristig sind für die Erzeugung dieser zusätzli- Sinkende Strompreise führen demnach aufgrund chen Strommengen zusätzliche Ökostromanlagen der Preiselastizität der Stromnachfrage ceteris pari- notwendig. bus (unter sonst gleichen Bedingungen) zu einem Abbildung 9: Anstieg der Stromnachfrage steigenden Stromverbrauch. Zwar ist die Strom- (private Haushalte und GHD) bei nachfrage sowohl bei privaten Haushalten als auch einer Strompreissenkung, obere bei Unternehmen kurzfristig relativ unelastisch, d.h. Bandbreite (TWh/a) Preisänderungen wirken sich im bestehenden mo- natlichen Abrechnungssystem nur wenig auf den TWh/a 30 25,4 Stromverbrauch aus (FÖS/Energy Brainpool 2018). 23,6 25 21,4 Langfristig werden durch Preisimpulse jedoch In- vestitionen in Stromeffizienz ausgelöst (z.B. bei 20 Pumpensystemen in Gewerbe, Industrie oder bei 15 Heizungssystemen, bei privaten Haushalten z.B. der 10 Kauf eines effizienten Kühlschranks oder Waschma- schine,). Diese führen dazu, dass mit steigenden Prei- 5 sen weniger Strom verbraucht wird. Umgekehrt hat 0 das zur Folge, dass bei sinkenden Preisen tendenziell 2023 2024 2025 mehr Strom verbraucht wird. Quelle : FÖS 2019. Auswirkungen bei Absenkung des Strompreises Eine Berechnung des FÖS (FÖS 2019) zu Effekten um 6,7 Ct/kWh im Jahr 2023, 7,8 Ct/kWh im Jahr 2024 und einer Strompreissenkung aus den Einnahmen der 8,7 Ct/kWh im Jahr 2025 und einer Preiselastizität von -0,4 (d.h. eine 10%-ige Preisänderung bewirkt eine Nachfrage- CO2-Bepreisung zeigt mögliche Effekte. Im schlech- änderung um 4%) testen, also preissensibelsten Fall, wäre mit einer Preiselastizität von - 0,4 (vgl. DIW 2019; Hamenstädt Sektorkopplungseffekte sind in den Berechnun- 2008; Prognos 2013)6 im Jahr 2025 mit einem An- gen mittels Elastizitäten nicht berücksichtigt. Die stieg der jährlichen Stromnachfrage um mehr als Sektorkopplung führt zu einem weiteren Anstieg des 25 TWh bei privaten Haushalten und im Sektor Ge- Stromverbrauches. In Abhängigkeit des Strommi- werbe, Handel, Dienstleistungen (GHD)7 zu rechnen. xes für diesen zusätzlichen Stromverbrauch sowie Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Ana- der Effizienz der eingesetzten Sektorkopplungs- lyse des DIW. Bei einer Strompreissenkung von 6,05 technologien führt dies zu einem mehr oder weniger Ct/kWh (ohne Mehrwertsteuer) kommen die Be- starken Rückgang der Gesamtemissionen, da die rechnungen zu einem Mehrverbrauch der o.g. Ver- direkten Emissionen durch den Verbrauch fossiler brauchergruppen in Höhe von maximal knapp 23 Energien im Wärme- und Verkehrssektor entspre- TWh im Jahr 2023 (DIW 2019b). chend sinken. Auch andere Einflussfaktoren wie Abhängig von der Entwicklung des Strommixes bspw. Effizienzvorgaben können dazu führen, dass kann das dazu führen, dass im Strombereich im Jahr die zusätzlichen Emissionen geringer ausfallen. 2025 zusätzliche CO2-Emissionen von bis zu 11 Mio. tCO2 entstehen. Falls die erhöhte Nachfrage nicht durch mehr erneuerbaren Strom, sondern z.B. 6 Die Preiselastizität der Stromnachfrage wird in der Litera- wenn eine 10%-ige Preisänderung zu einer Nach- tur als überwiegend unelastisch bewertet (Hamen- frageänderung um 10% führen würde (die Elastizi- städt 2008). Insbesondere in der kurzen Frist führt tät wäre in diesem Fall -1). ein Preisanstieg kaum zu einer Senkung der Nach- 7 Für die Industrie wurde der Fortbestand geltender Aus- frage. Auch langfristig ist die Stromnachfrage ver- nahmeregelungen bei der EEG-Umlage ange- gleichsweise unelastisch. Dies drückt sich auch in nommen, weshalb keine Auswirkungen auf den in- der Elastizität von -0,4 aus. Eine 10%-ige Preisän- dustriellen Stromverbrauch abgeschätzt wurden. derung bewirkt eine Nachfrageänderung um le- diglich 4%. Eine elastische Nachfrage läge vor, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Sie können auch lesen