Fachkräfteindex 2020 Sondernummer: Fachkräftebedarf in der Corona-Krise Blick in vier Branchen und gute Nachrichten zu Lehrstellen - bss-basel.ch
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Fachkräfteindex 2020 Sondernummer: Fachkräftebedarf in der Corona-Krise Blick in vier Branchen und gute Nachrichten zu Lehrstellen In Zusammenarbeit mit
Editorial Das Virus ist da. Und der Fachkräftemangel weg? zeigen deutlich: Im Januar und Februar war die Arbeitslosigkeit in manchen Branchen niedriger Jahr für Jahr berechnen wir den BSS-Fachkräf- als im Vorjahr, dann aber stieg die Arbeitslosig- teindex und zeigen so auf, wie sich die Fachkräf- keit stark (im Vergleich zum Vorjahr), die Zahl tesituation in der Schweiz geändert hat. Courant der offenen Stellen ging zurück. Zudem zeigen normal wäre gewesen, dass wir diesen Sommer wir die Situation bezüglich der Kurzarbeit auf. den Fachkräfteindex per Ende 2019 ausweisen. Die zeitliche Verzögerung ergibt sich daraus, dass Mehr noch als Zahlen aber haben Menschen aus die Daten zum Beobachtungsjahr erst im Früh- den Branchen und Firmen zu erzählen. Wir fra- ling des nachfolgenden Jahres zur Verfügung gen daher in den beiden Branchen, die in den stehen. Wir hätten also vermeldet: «Fachkräfte- vergangenen Jahren den höchsten Fachkräfte- mangel so hoch wie noch nie.» mangel ausgewiesen haben, nach, wie die Fach- kräftesituation heute dort ist und was sich nach Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Wirtschafts- Corona vermutlich ändern wird. Und dann wer- lage per Ende 2019 ist nicht in Ansätzen mit der fen wir noch einen Blick in zwei Branchen, die in Situation heute zu vergleichen. Wir haben daher der Corona-Krise ganz besonders gefordert wa- Wege gesucht, um aktueller zu sein. Zwei Indika- ren: Gesundheit und Versandhandel. Entstanden toren sind zeitnah in differenzierter Form verfüg- ist so eine Corona-Sondernummer des Fachkräf- bar: die Arbeitslosigkeit und die Zahl der offenen teindex. Stellen, Letztere dank unserem langjährigen Ko- operationspartner X28. Für die ersten Monate Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. des Jahres 2020 weisen wir daher aktuelle Werte dieser beiden Indikatoren aus, ergänzend zum Wolfram Kägi, Geschäftsführer BSS Fachkräfteindex per Ende 2019. Die Ergebnisse Fachkräfteindex – Veränderungen Ende 2019 sah die Wirtschaftslage rosig aus. Ge- grundsätzlich durch entsprechend qualifizier- bremst wurden viele Firmen, so schien es, höchs- te Erwerbspersonen besetzen lassen. tens durch den Fachkräftemangel. Im Jahr 2019 erreichte der BSS-Fachkräfteindex einen neuen 2. Zuwanderungsquote: Anteil der in den letzten Rekordwert von 124 Punkten, acht Prozentpunk- zehn Jahren aus dem Ausland Zugewanderten te über dem Wert des Vorjahres, und signalisierte an den Erwerbstätigen damit eine Verschärfung des Fachkräftemangels. 3. Arbeitslosenquote Wie sich die Situation in den letzten Monaten verändert hat, zeigen wir in den nachfolgenden 4. Quote der offenen Stellen Analysen und Interviews auf. Zunächst aber prä- sentieren wir, wie jedes Jahr, den Fachkräftein- Die Indikatoren werden zu einem Index zusam- dex per Ende Vorjahr. mengefasst. Der Wert 100 zeigt die Fachkräftesi- tuation im Jahr 2010 an (per Definition). Je höher Der Index setzt sich aus vier Indikatoren zusam- der Wert, desto grösser ist der Fachkräftemangel. men, die gemeinsam das «Indikatorensystem Der Anstieg auf den Rekordwert kam primär da- Fachkräftebedarf» von BSS bilden: durch zustande, dass mehr Stellen ausgeschrie- 1. Deckungsgrad: Der Deckungsgrad zeigt auf, ben wurden und die Arbeitslosenquote abgenom- ob sich die Arbeitsplätze in einem Beruf men hatte (siehe Tabelle auf der letzten Seite). Seite 1
Fachkräfteindex Regionen BS, BL, SO, AG ZH, ZG 143 SG, AI, 134 NE, JU AR, TG, 103 GL, SH 137 LU, SZ, NW, OW, UR BE 146 122 GR VD, FR 168 109 TI 94 VS GE 108 110 100 = Fachkräftesituation 2010, ganze Schweiz/Wirtschaft. Index > 100 Je höher der Wert, desto grösser der Fachkräftemangel. Index < 100 Fachkräfteindex Branchen Information und Kommunikation 161 Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 132 Verarbeitendes Gewerbe, Herstellung von Waren 131 Verkehr, Lagerei 130 Freiberufliche, wiss. und techn. Dienstleistungen 129 Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie 127 Baugewerbe, Bau 125 Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen 125 Gesundheit- und Sozialwesen 121 Erziehung und Unterricht 120 Handel, Instandhaltung und Reparatur Fahrzeuge 119 Sonstige Dienstleistungen 104 Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 87 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialvers. 78 Quelle: SAKE (BFS), AVAM (SECO) und jobagent.ch, Auswertungen BSS
Arbeitslosigkeit – Vergleich Vorjahr 120 % Gastgewerbe Baugewerbe 100 % Veränderung im Vergleich zu 2019 Verkehr, Lagerei Sonstige wirtsch. Dienstl. 80 % Erziehung/Unterricht Verarbeitendes Gewerbe 60 % Freiberufliche Tätigkeiten Öffentliche Verwaltung 40 % Handel/Rep. Motorfahrzeuge Sonstige Dienstleistungen Information/Kommunikation 20 % Gesundheit/Soziales Land-/Forstwirtschaft 0% Rest Finanz-/Versicherungsdienstl. −20 % Jan. Feb. März April Mai Quelle: SECO Normalerweise geht die Arbeitslosigkeit im Frühling etwas zurück. Dieses Jahr war das Gegenteil der Fall. Die Auswirkung von Covid-19 auf den Arbeitsmarkt wird durch einen Vergleich mit der Vor- jahresperiode besonders deutlich. Die Abbildung stellt die prozentuale Veränderung der Arbeitslosig- keit im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat dar. So war die Arbeitslosigkeit im Gastgewerbe im Januar 2020 etwas niedriger als im Januar 2019. Ab März ist sie dann aber stark gestiegen und war im Mai grob doppelt so hoch wie im Mai 2019, die Abbildung zeigt einen Anstieg von über 100 %. An- gestiegen ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zur Vorjahresperiode in allen Branchen. Seite 3
Patrick Kessler HANDELSVERBAND.swiss Im Ansturm gewachsen Plötzlich waren die Läden zu. Wer für sein die Leute gut gefunden und schnell einarbei- Homeoffice dringend einen Computerbildschirm ten können. Das sind hocheffiziente Prozesse. benötigte, Druckerpatronen zum Ausdrucken Schwieriger ist es im Kundendienst. Da muss der Homeschooling-Arbeitsblätter oder auch gute Joggingschuhe für Sport an «Fachleute braucht es z. B. im der frischen Luft: Alle standen vor ver- schlossenen Ladentüren. Die Lösung: Bereich der Kundenkommunikation, Onlinebestellungen. Die erlebten einen noch nie da gewesenen Boom, plus 40 % das sind Hybridthemen zwischen im März, plus 70 % im April (jeweils ge- Technologie und Mensch.» genüber der Vorjahresperiode). Patrick Kessler, Geschäftsführer von HANDELSVER- man das Unternehmen verstehen. Einen Custo- BAND.swiss, vertritt rund 350 Versandhändler. mer-Care-Mitarbeiter kann man nicht so schnell einarbeiten. Mittelfristig wird man aber auch Wie erlebten Sie die letzten Monate? neue Fachkräfte benötigen. Unsere Branche hat Die Volumina haben die Branche partiell über- jetzt einen Sprung gemacht. Wir rechnen damit, fordert, in puncto Kommissionierung, Lager- dass wir dieses Jahr insgesamt 20 – 25 % wach- logistik, Versand, Post, Transport. Aber auch sen. Fachleute braucht es z. B. im Bereich der Systeme waren überlastet, Webshops sind in Kundenkommunikation, das sind Hybridthemen die Knie gegangen, es gab Probleme mit der Wa- zwischen Technologie und Mensch. Aber auch in renverfügbarkeit. Dazu kamen die Hygienevor- der Zustellung, in der letzten Meile, bewegt sich schriften. Man musste Logistikschichten tren- jetzt viel. nen, sodass, sollte jemand an Corona erkranken, nicht alle Mitarbeitenden nach Hause geschickt Patrick Kessler, werden mussten. Mehr Volumina und hygienebe- Geschäftsführer HANDELSVERBAND.swiss dingt weniger Effizienz, das war ein Spagat. Vie- le Händler haben von Montag bis Samstag von 5 Uhr bis 23 Uhr gearbeitet. BSS hat sich in den vergangenen Jahren ausführ- lich mit dem Versandhandel beschäftigt. Im Mai In Ihrer Branche wird man neue Mitarbeitende dieses Jahres ist die Studie «Auswirkungen des eingestellt haben. Haben Sie Fachleute gesucht? wachsenden Versandhandels auf das Verkehrs- In dieser Zeit hat man v. a. Aushilfskräfte ge- aufkommen» (im Auftrag des ASTRA) erschienen; sucht. Einzelne Firmen haben das Personal um sie ist auf unserer Webpage als Download unter 15 – 20 % hochgefahren. In der Logistik hat man www.bss-basel.ch/de/ueber-uns/publikationen verfügbar. Seite 4
Kurzarbeit im März 2020 Quote Kurzarbeit Gastgewerbe Handel/Rep. Motorfahrzeuge Baugewerbe Sonstige Dienstleistungen Sonstige wirtsch. Dienstl. Verkehr, Lagerei Verarbeitendes Gewerbe Freiberufliche Tätigkeiten Gesundheit/Soziales Information/Kommunikation Erziehung/Unterricht Finanz-/Versicherungsdienstl. Land-/Forstwirtschaft Öffentliche Verwaltung 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % Quelle: SECO und BFS Sehr viele Firmen haben derzeit Kurzarbeit angemeldet. Per Anfang Juni stehen die Zahlen zur real im März abgerechneten Kurzarbeit zur Verfügung. Die Abbildung zeigt, differenziert nach Branchen, welcher Anteil der Beschäftigten im März von Kurzarbeit betroffen war. Die Betriebe des Gastgewer- bes erhielten z. B. im März für über 50 % ihrer Mitarbeitenden Kurzarbeitsentschädigung. Good News Ein richtig grosses Fachkräfteproblem kommt der Arbeitswelt zu verdanken, die u. a. mit Berufs- in vier Jahren auf die Schweiz zu. So jedenfalls werbung, Lehrstellenmarketing, intensivierter eine Befürchtung vor einigen Wochen. Die Sorge: Berufsberatung sowie Mentoring und Coaching Dieses Jahr finden Corona-bedingt viele Jugend- geholfen haben. Verschiedene Kantone planen liche keine Lehrstelle. Für die Schülerinnen und zudem zusammen mit der Wirtschaft «Last-Mi- Schüler eine Tragödie. Und für die Wirtschaft in nute-Lehrstellenbörsen». Eine von Bundesrat vier Jahren ein Problem, wenn dann später zu Guy Parmelin eingesetzte nationale Task-Force wenig neu ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung «Perspektive Berufslehre 2020» unterstützte da- stehen. Diesen Monat dann eine ermutigende bei den Effort von Kantonen und Organisationen Mitteilung vom Staatssekretariat für Bildung, der Arbeitswelt, z. B. mit einem monatlichen Mo- Forschung und Innovation SBFI: Über die ganze nitoring oder der Lancierung eines Förderschwer- Schweiz betrachtet, konnten bis Ende Mai bereits punkts für Projekte, wie Dani Duttweiler, Leiter fast so viele Lehrverträge wie in der Vorjahres- des Ressorts Berufsbildungspolitik des SBFI und periode abgeschlossen werden. Diese gute Nach- Projektleiter der Task-Force «Perspektive Berufs- richt mitten in der Corona-Krise ist auch den An- lehre 2020», auf Anfrage erläuterte. strengungen der Kantone und der Organisationen Seite 5
Eleonora Riz à Porta Universitätsspital Basel Helden der Corona-Krise Das Universitätsspital Basel stand in den letzten Wie haben Sie die Situation bewältigt? Monaten mitten im «Corona-Sturm». Ihr Spital Wir konnten die Vorlaufzeit effektiv nutzen: Wir betrieb ein Corona-Testzentrum und behandelte haben eine strenge Personalplanung vorgenom- Corona-Patienten in zwei eigens eingerichteten men und für eine optimale Nutzung der internen Covid-19-Stationen. Wie erlebten Sie die Zeit? Ressourcen – z. B. durch Verschiebungen – ge- Es war anspruchsvoll. Einige Patienten waren sorgt. In der Vorbereitungsphase haben wir unser schwer krank. Für die Mitarbeitenden war es Personal angemessen geschult und auf diese spe- dabei z. B. auch anstrengend, den ganzen Tag lang Schutzkleidung, «Beeindruckend war, wie rasch die Schutzmaske und Schutzbrille zu tragen. Wir mussten gleichzeitig notwendigen Ressourcen dank der für viele organisatorische Fragen rasch Lösungen finden. Schön war, Hilfsbereitschaft und Flexibilität vieler die grosse Solidarität von aussen zu Personen zur Verfügung standen.» erleben, und die intensive und sehr gute Zusammenarbeit der verschiedenen Berufs- zielle Situation vorbereitet. Gleichzeitig konnten gruppen. wir für bestimmte Fachpersonen auf Ressourcen von anderen Spitälern zurückgreifen. Hatten Sie genügend Fachkräfte? Und gleichzeitig gab es Kliniken mit zu wenig Grundsätzlich ja. Aber: Beim Intensivpflege- Arbeit? personal und bei den Ärztinnen und Ärzten im Intensivbereich ist es generell schwierig, genü- Durch das Verbot der geplanten Eingriffe hatten gend Personen mit den entsprechenden Fach- wir auf manchen Stationen eine Unterauslastung. ausbildungen zu finden. Dieser Mangel war Ein Teil des Fachpersonals, insbesondere der während der Corona-Phase nochmals stärker Pflege, konnte flexibel eingesetzt werden. Andere akzentuiert. Mitarbeitende mussten ihre Überstunden kom- pensieren. Seite 6
Wie haben Sie das Corona-Testzentrum organi- Sabbaticals, Entlastungsmassnahmen. Wir ver- siert? suchen, den Wind, den es in der Gesellschaft jetzt gibt, zu nutzen. Es wurde einmal mehr deutlich, Im Testzentrum haben wir neben internem Per- dass das Fachpersonal im Gesundheitswesen sonal auch Medizinstudierende eingesetzt und systemrelevant ist, Gesundheitsberufe aber auch wurden von Hausärztinnen und -ärzten unter- sozusagen krisensicher sind. stützt. Beeindruckend war, wie rasch die not- wendigen Ressourcen dank der Hilfsbereitschaft Eleonora Riz à Porta, Leiterin Human Resources und Flexibilität vieler Personen zur Verfügung Management, Universitätsspital Basel standen. Wird die Corona-Erfahrung langfristig etwas bei Ihnen verändern? BSS arbeitet intensiv zur Frage des Fachkräf- Die Situation hat uns motiviert, noch verstärkt temangels im Gesundheitsbereich, siehe z. B. zu überlegen, was wir tun können, damit wir Michael Lobsiger, Wolfram Kägi (2016): Analy- gut ausgebildete Fachleute haben und diese auch se der Strukturerhebung und Berechnung von langfristig bleiben. So erarbeiten wir z. B. jetzt Knappheitsindikatoren zum Gesundheitsperso- für den Intensivbereich ein Massnahmenpaket, nal. Obsan Dossier 53. Die Studie steht auf unse- um den Beruf attraktiver zu gestalten. Mögliche rer Webpage unter www.bss-basel.ch/de/ueber- Themen sind hier andere Arbeitszeitmodelle, uns/publikationen als Download zur Verfügung. Offene Stellen im Jahr 2020 25 000 Verarbeitendes Gewerbe −25 % Handel/Rep. Motorfahrzeuge −31 % Gesundheit/Soziales −17 % 20 000 Freiberufliche Tätigkeiten −17 % Offene Stellen Baugewerbe −12 % Information/Kommunikation −20 % 15 000 Gastgewerbe −51 % Finanz-/Versicherungsdienstl. −28 % Öffentliche Verwaltung −28 % 10 000 Erziehung/Unterricht −22 % Rest −17 % Sonstige wirtsch. Dienstl. −22 % 5000 Verkehr, Lagerei −31 % Sonstige Dienstleistungen −21 % Land-/Forstwirtschaft −19 % 0 Feb. März April Mai Quelle: X28 Bei der Zahl der offenen Stellen sind je nach Branche markante Rückgänge zu beobachten, wie z. B. in den Branchen «Verarbeitendes Gewerbe» und «Handel/Reparatur Motorfahrzeuge». In der Grafik selbst sind die offenen Stellen in Absolutzahlen eingetragen, rechts der Legende zu den Branchen dann noch ergänzend die prozentuale Veränderung zwischen Februar und Mai 2020. In der Tat ist der prozentuale Rückgang der offenen Stellen in allen Branchen zweistellig, am stärksten ist er mit über 50 % im Gastgewerbe. Seite 7
Marianne Röhricht Swissmem Zwischen Kurzarbeit und Fachkräftemangel In der MEM-Branche zeig- können, wird der Fachkräftemangel voraussicht- te der BSS-Fachkräftein- lich wieder auf ein vergleichbares oder höheres dex in den vergangenen Niveau als vor der Krise ansteigen. Sollte sich der Jahren den zweitgrössten Wirtschaftsrückgang in einer langfristigen Krise Fachkräftemangel, nur in manifestieren, könnte der Druck bezüglich der der ICT-Branche fehlten Fachkräfte abnehmen. mehr Fachleute. Nun ist Was tun Sie als Verband gegen den Fachkräfte- Ihre Branche sehr stark mangel derzeit? von der Corona-Krise be- troffen. Wechseln Sie von einem Fachkräfteman- Swissmem ist schon seit längerer Zeit aktiv, um gel zu einem Fachkräfteüberschuss? dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Diese Massnahmen haben einen langfristigen Fokus Nein, die Zahl der ausgeschriebenen Stellen ging und bleiben derzeit unverändert gültig. Zudem zwar zurück. Fachspezialisten, auf welche die beobachtet Swissmem die Situation sehr genau Unternehmen essenziell angewiesen sind, suchen und definiert neue Massnahmen, falls sich dies die Firmen aber nach wie vor. Die Krise geht für als notwendig erweisen sollte. Der Verband rech- manche Firmen ans Eingemachte. Daher wird net mit einer langfristigen Erholung und geht insgesamt weniger rekrutiert, und die Unterneh- deshalb auch von einem erneuten Anstieg des men sind bei der Einstellung neuer Mitarbeiten- Bedarfs an Fachkräften aus. der sehr zurückhaltend. Bei der Gewinnung neuer Fachkräfte spielen Ler- Suchen Firmen heute anders als vor der Krise? nende eine wichtige Rolle. Momentan gibt es kein Das ist schon so. Profile werden enger gefasst, es Indiz, dass die Zahl der Lehrstellen abgenommen wird engmaschiger gesucht. Zudem zu bedenken hat. Swissmem sensibilisiert die Mitglieder, dass ist dabei: Auch in unserer Branche haben diver- die Anstellung von Lernenden sowie die Weiter- se Unternehmen Kurzarbeit eingeführt. In diesen Fällen ist es selbsterklärend, dass kein Personalaufbau erfolgt. Auf «Die Rekrutierung aus dem der anderen Seite hat sich auch das Ver- Ausland musste man stoppen.» halten der Fachkräfte verändert. Wegen der allgemeinen Unsicherheit sind die Leute be- bildung generell wichtig sind und in der momen- züglich eines Stellenwechsels zurückhaltend. tanen Situation erst recht. Aufgrund der Krise ist davon auszugehen, dass Berufswechsel auch In der Vergangenheit haben Ihre Firmen vie- bei älteren Mitarbeitenden häufiger vorkommen le Fachspezialisten im Ausland gefunden. Jetzt werden. Um solche Wechsel älterer Mitarbei- waren die Grenzen wochenlang zu. tender zu begleiten, hat der Verband im Raum Die Rekrutierung aus dem Ausland musste man Berner Oberland/Oberwallis ein Pilotprojekt für stoppen. Das erschwert die Fachkräftesituation Umschulungen lanciert. zusätzlich. Marianne Röhricht, Ressortleiterin Bildung, Wird sich durch die Krise bei Ihren Mitgliedern Swissmem bezüglich Fachkräftemangels langfristig etwas ändern? Wenn sich die Wirtschaft rasch erholt und die BSS unterstützt Swissmem regelmässig mit Da- Firmen ihre internationale Wettbewerbsfähig- tenanalysen zum Fachkräftemangel. keit z. B. mit digitalen Massnahmen steigern Seite 8
Christian Hunziker Swiss ICT Gefragte Helfer Die ICT-Branche steht seit wollen vermehrt digitalisieren, z. B. ihren Web- Jahren ganz oben auf der shop richtig aufbauen. Liste unseres Fachkräfte- Was wird sich nach der Corona-Zeit ändern? index, d. h., die Fachkräf- tesituation ist bei Ihnen Digitalisierung ist ein wichtiger Schritt, der Fir- besonders angespannt. men hilft, künftig nicht mehr so verwundbar zu Jetzt haben wir eine ve- sein. Wir werden daher noch mehr ICT-Fachleute ritable Wirtschaftskrise. brauchen! Hat sich die Fachkräfte- Was unternimmt da Ihr Verband? situation Ihrer Mitgliedsfirmen jetzt entspannt? Mit verschiedenen Programmen, wie der 3L-In- Nein, das Fachkräfteproblem ist noch immer da. formatik AG, geben wir Anreize für lebenslan- Wie haben Ihre Mitgliedsfirmen die Corona- Phase erlebt? «Das Fachkräfteproblem Firmen, die anderen Firmen auf dem Weg zur Digitalisierung helfen, sind total überlastet. Viele ist noch immer da.» grosse IT-Projekte wurden hingegen vorüberge- ges Lernen und leisten damit u. a. einen Beitrag hend gestoppt, man hatte keine Zeit für strategi- für den Quereinstieg in die Informatik. Mit dem sche Projekte. swissICT Booster 50+ fördern wir zudem Infor- Auch in der ICT-Branche ist die Arbeitslosigkeit matikerinnen und Informatiker über 50. gestiegen. Christian Hunziker, Hier gilt es, zu differenzieren zwischen ICT-An- Geschäftsführer SwissICT bieter- und -Anwenderfirmen. Während Anbieter händeringend nach Fachkräften suchen, bauen Anwenderfirmen aus anderen Branchen, nebst BSS beschäftigt sich mit Digitalisierung. Wir anderen Jobprofilen, auch Informatiker ab – oder zeigen die Chancen und Risiken auf, im Bereich stellen zurzeit weniger neue ein. Das ist – so ver- ICT und in vielen anderen Branchen. Gern ver- mute ich – eine der Hauptursachen der höheren weisen wir hier auf unsere Veranstaltung «Wor- Arbeitslosigkeit von Informatikern. Ich bin über- te wirken» im Herbst letzten Jahres. Die Refera- zeugt, dass da eine richtig grosse Welle an Arbeit te finden sich auf unserer Webpage unter https:// auf uns zukommt. Die grossen strategischen Pro- www.bss-basel.ch/de/einblicke/worte-sprechen. jekte nehmen wieder Fahrt auf, und viele Firmen Seite 9
Im Bereich Arbeitsmarkt bietet BSS folgende Dienstleistungen an: – Fachkräftemangel und Fachkräftebedarf: Datenanalysen und Befragungen zur Fachkräfte- situation in ausgewählten Branchen und Berufen, Prognosen zum künftigen Fachkräftebedarf, Quantifizierung Ausbildungsbedarf – Entwicklung Arbeitslosigkeit: Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung auf Bundes- und Kantonsebene – Integration Arbeitsloser/arbeitsmarktliche Massnahmen: Wirkungsmessungen, Evaluationen, Kosten-Nutzen-Analysen, Bedarfsanalysen und Entwicklung von neuen Beschäftigungs- und Qualifizierungsmassnahmen – Migration: Bedarfsanalysen, Evaluation sowie Wirkungsmessung von Kursen für Migrantinnen und Migranten (z. B. für spezifische Teilgruppen wie Asylsuchende, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene), Evaluation sowie Kosten-Nutzen-Analysen von Programmen auf Bundes- oder Kantonsebene – Entwicklung Erwerbstätigkeit und Lohn: Datenanalysen zur Beteiligung älterer Personen am Arbeitsmarkt und zur Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau – Weiterführende Forschungsarbeiten, u. a. zu den spezifischen Herausforderungen von Stellen- suchenden sowie Migrantinnen und Migranten Ansprechpartner: Wolfram Kägi, wolfram.kaegi@bss-basel.ch Für spezifische Themen: Michael Lobsiger (Fachkräftebedarf), David Liechti (Arbeitsintegration), Mirjam Suri (Migration), Boris Kaiser und Rahel Felder (Prognosen und Forschung) Seite 10
Deckungs- Zuwanderungs- Arbeitslosen- Quote der Jahr Index grad quote quote offenen Stellen 2010 100 104 % 10 % 3.7 % 2.9 % 2011 110 103 % 11 % 2.9 % 3.2 % 2012 105 103 % 12 % 2.9 % 2.6 % 2013 101 103 % 12 % 3.2 % 2.4 % 2014 105 103 % 13 % 3.1 % 2.7 % 2015 102 103 % 13 % 3.2 % 2.6 % 2016 105 103 % 13 % 3.3 % 3.0 % 2017 110 103 % 14 % 3.1 % 3.4 % 2018 116 103 % 13 % 2.6 % 3.6 % 2019 124 102 % 14 % 2.3 % 4.2 % Weitere Informationen und die detaillierten Zahlen finden Sie auf unserer Homepage: www.bss-basel.ch/fachkräfteindex. Der BSS-Fachkräfteindex erlaubt Vergleiche zwischen Regionen, zwischen Branchen und Redaktion: Michael Lobsiger, Wolfram Kägi zwischen Berufen sowie Vergleiche über die Zeit. Layout: Cyril Brühlmann, eigelb.ch Der Fachkräfteindex wird jährlich aktualisiert. Download: www.bss-basel.ch/fachkräfteindex BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG Aeschengraben 9 4051 Basel T +41 61 262 05 55 contact@bss-basel.ch www.bss-basel.ch
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