Fachkräfteindex 2020 Sondernummer: Fachkräftebedarf in der Corona-Krise Blick in vier Branchen und gute Nachrichten zu Lehrstellen - bss-basel.ch

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Fachkräfteindex 2020 Sondernummer: Fachkräftebedarf in der Corona-Krise Blick in vier Branchen und gute Nachrichten zu Lehrstellen - bss-basel.ch
Fachkräfteindex
2020
Sondernummer: Fachkräftebedarf in der Corona-Krise
Blick in vier Branchen und gute Nachrichten zu Lehrstellen

                                  In Zusammenarbeit mit
Fachkräfteindex 2020 Sondernummer: Fachkräftebedarf in der Corona-Krise Blick in vier Branchen und gute Nachrichten zu Lehrstellen - bss-basel.ch
Editorial
    Das Virus ist da. Und der Fachkräftemangel weg?       zeigen deutlich: Im Januar und Februar war die
                                                          Arbeitslosigkeit in manchen Branchen niedriger
    Jahr für Jahr berechnen wir den BSS-Fachkräf-
                                                          als im Vorjahr, dann aber stieg die Arbeitslosig-
    teindex und zeigen so auf, wie sich die Fachkräf-
                                                          keit stark (im Vergleich zum Vorjahr), die Zahl
    tesituation in der Schweiz geändert hat. Courant
                                                          der offenen Stellen ging zurück. Zudem zeigen
    normal wäre gewesen, dass wir diesen Sommer
                                                          wir die Situation bezüglich der Kurzarbeit auf.
    den Fachkräfteindex per Ende 2019 ausweisen.
    Die zeitliche Verzögerung ergibt sich daraus, dass    Mehr noch als Zahlen aber haben Menschen aus
    die Daten zum Beobachtungsjahr erst im Früh-          den Branchen und Firmen zu erzählen. Wir fra-
    ling des nachfolgenden Jahres zur Verfügung           gen daher in den beiden Branchen, die in den
    stehen. Wir hätten also vermeldet: «Fachkräfte-       vergangenen Jahren den höchsten Fachkräfte-
    mangel so hoch wie noch nie.»                         mangel ausgewiesen haben, nach, wie die Fach-
                                                          kräftesituation heute dort ist und was sich nach
    Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Wirtschafts-
                                                          Corona vermutlich ändern wird. Und dann wer-
    lage per Ende 2019 ist nicht in Ansätzen mit der
                                                          fen wir noch einen Blick in zwei Branchen, die in
    Situation heute zu vergleichen. Wir haben daher
                                                          der Corona-Krise ganz besonders gefordert wa-
    Wege gesucht, um aktueller zu sein. Zwei Indika-
                                                          ren: Gesundheit und Versandhandel. Entstanden
    toren sind zeitnah in differenzierter Form verfüg-
                                                          ist so eine Corona-Sondernummer des Fachkräf-
    bar: die Arbeitslosigkeit und die Zahl der offenen
                                                          teindex.
    Stellen, Letztere dank unserem langjährigen Ko-
    operationspartner X28. Für die ersten Monate
                                                          Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre.
    des Jahres 2020 weisen wir daher aktuelle Werte
    dieser beiden Indikatoren aus, ergänzend zum          Wolfram Kägi, Geschäftsführer BSS
    Fachkräfteindex per Ende 2019. Die Ergebnisse

Fachkräfteindex – Veränderungen
    Ende 2019 sah die Wirtschaftslage rosig aus. Ge-         grundsätzlich durch entsprechend qualifizier-
    bremst wurden viele Firmen, so schien es, höchs-         te Erwerbspersonen besetzen lassen.
    tens durch den Fachkräftemangel. Im Jahr 2019
    erreichte der BSS-Fachkräfteindex einen neuen         2. 	Zuwanderungsquote: Anteil der in den letzten
    Rekordwert von 124 Punkten, acht Prozentpunk-              zehn Jahren aus dem Ausland Zugewanderten
    te über dem Wert des Vorjahres, und signalisierte          an den Erwerbstätigen
    damit eine Verschärfung des Fachkräftemangels.
                                                          3. Arbeitslosenquote
    Wie sich die Situation in den letzten Monaten
    verändert hat, zeigen wir in den nachfolgenden        4. Quote der offenen Stellen
    Analysen und Interviews auf. Zunächst aber prä-
    sentieren wir, wie jedes Jahr, den Fachkräftein-      Die Indikatoren werden zu einem Index zusam-
    dex per Ende Vorjahr.                                 mengefasst. Der Wert 100 zeigt die Fachkräftesi-
                                                          tuation im Jahr 2010 an (per Definition). Je höher
    Der Index setzt sich aus vier Indikatoren zusam-
                                                          der Wert, desto grösser ist der Fachkräftemangel.
    men, die gemeinsam das «Indikatorensystem
                                                          Der Anstieg auf den Rekordwert kam primär da-
    Fachkräftebedarf» von BSS bilden:
                                                          durch zustande, dass mehr Stellen ausgeschrie-
    1.	Deckungsgrad: Der Deckungsgrad zeigt auf,         ben wurden und die Arbeitslosenquote abgenom-
        ob sich die Arbeitsplätze in einem Beruf          men hatte (siehe Tabelle auf der letzten Seite).

                                                                                                      Seite 1
Fachkräfteindex Regionen

                                      BS, BL, SO, AG        ZH, ZG
                                                             143          SG, AI,
                                           134
             NE, JU                                                       AR, TG,
              103                                                         GL, SH
                                                                           137
                                                   LU, SZ,
                                                 NW, OW, UR
                                     BE             146
                                     122                                                   GR
                 VD, FR                                                                    168
                  109

                                                                   TI
                                                                   94
                                      VS
       GE                            108
       110

 100 = Fachkräftesituation 2010, ganze Schweiz/Wirtschaft.                                        Index > 100
 Je höher der Wert, desto grösser der Fachkräftemangel.                                           Index < 100

 Fachkräfteindex Branchen
                Information und Kommunikation                                                                 161
     Finanz- und Versicherungsdienstleistungen                                                          132
Verarbeitendes Gewerbe, Herstellung von Waren                                                       131
                                  Verkehr, Lagerei                                                  130
Freiberufliche, wiss. und techn. Dienstleistungen                                                   129
 Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie                                                         127
                                 Baugewerbe, Bau                                                   125
       Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen                                                   125
                   Gesundheit- und Sozialwesen                                                    121
                          Erziehung und Unterricht                                                120
Handel, Instandhaltung und Reparatur Fahrzeuge                                                    119
                       Sonstige Dienstleistungen                                            104
             Land- und Forstwirtschaft, Fischerei                                     87
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialvers.                                78

                                                       Quelle: SAKE (BFS), AVAM (SECO) und jobagent.ch, Auswertungen BSS
Arbeitslosigkeit – Vergleich Vorjahr

                                   120 %
                                                                              Gastgewerbe
                                                                              Baugewerbe
                                   100 %
Veränderung im Vergleich zu 2019

                                                                              Verkehr, Lagerei
                                                                              Sonstige wirtsch. Dienstl.
                                   80 %                                       Erziehung/Unterricht
                                                                              Verarbeitendes Gewerbe
                                   60 %                                       Freiberufliche Tätigkeiten
                                                                              Öffentliche Verwaltung
                                   40 %                                       Handel/Rep. Motorfahrzeuge
                                                                              Sonstige Dienstleistungen
                                                                              Information/Kommunikation
                                    20 %
                                                                              Gesundheit/Soziales
                                                                              Land-/Forstwirtschaft
                                     0%
                                                                              Rest
                                                                              Finanz-/Versicherungsdienstl.
                                   −20 %
                                           Jan.   Feb.   März   April   Mai                     Quelle: SECO

   Normalerweise geht die Arbeitslosigkeit im Frühling etwas zurück. Dieses Jahr war das Gegenteil
   der Fall. Die Auswirkung von Covid-19 auf den Arbeitsmarkt wird durch einen Vergleich mit der Vor-
   jahresperiode besonders deutlich. Die Abbildung stellt die prozentuale Veränderung der Arbeitslosig-
   keit im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat dar. So war die Arbeitslosigkeit im Gastgewerbe im
   Januar 2020 etwas niedriger als im Januar 2019. Ab März ist sie dann aber stark gestiegen und war
   im Mai grob doppelt so hoch wie im Mai 2019, die Abbildung zeigt einen Anstieg von über 100 %. An-
   gestiegen ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zur Vorjahresperiode in allen Branchen.

                                                                                                     Seite 3
Patrick Kessler HANDELSVERBAND.swiss

Im Ansturm gewachsen
   Plötzlich waren die Läden zu. Wer für sein          die Leute gut gefunden und schnell einarbei-
   Homeoffice dringend einen Computerbildschirm        ten können. Das sind hocheffiziente Prozesse.
   benötigte, Druckerpatronen zum Ausdrucken           Schwieriger ist es im Kundendienst. Da muss
   der Homeschooling-Arbeitsblätter oder
   auch gute Joggingschuhe für Sport an       «Fachleute braucht es z. B. im
   der frischen Luft: Alle standen vor ver-
   schlossenen Ladentüren. Die Lösung:        Bereich der Kundenkommunikation,
   Onlinebestellungen. Die erlebten einen
   noch nie da gewesenen Boom, plus 40 %
                                              das sind Hybridthemen zwischen
   im März, plus 70 % im April (jeweils ge-   Technologie und Mensch.»
   genüber der Vorjahresperiode). Patrick
   Kessler, Geschäftsführer von HANDELSVER-            man das Unternehmen verstehen. Einen Custo-
   BAND.swiss, vertritt rund 350 Versandhändler.       mer-Care-Mitarbeiter kann man nicht so schnell
                                                       einarbeiten. Mittelfristig wird man aber auch
   Wie erlebten Sie die letzten Monate?
                                                       neue Fachkräfte benötigen. Unsere Branche hat
   Die Volumina haben die Branche partiell über-       jetzt einen Sprung gemacht. Wir rechnen damit,
   fordert, in puncto Kommissionierung, Lager-         dass wir dieses Jahr insgesamt 20 – 25 % wach-
   logistik, Versand, Post, Transport. Aber auch       sen. Fachleute braucht es z. B. im Bereich der
   Systeme waren überlastet, Webshops sind in          Kundenkommunikation, das sind Hybridthemen
   die Knie gegangen, es gab Probleme mit der Wa-      zwischen Technologie und Mensch. Aber auch in
   renverfügbarkeit. Dazu kamen die Hygienevor-        der Zustellung, in der letzten Meile, bewegt sich
   schriften. Man musste Logistikschichten tren-       jetzt viel.
   nen, sodass, sollte jemand an Corona erkranken,
   nicht alle Mitarbeitenden nach Hause geschickt      Patrick Kessler,
   werden mussten. Mehr Volumina und hygienebe-        Geschäftsführer HANDELSVERBAND.swiss
   dingt weniger Effizienz, das war ein Spagat. Vie-
   le Händler haben von Montag bis Samstag von 5
   Uhr bis 23 Uhr gearbeitet.                          BSS hat sich in den vergangenen Jahren ausführ-
                                                       lich mit dem Versandhandel beschäftigt. Im Mai
   In Ihrer Branche wird man neue Mitarbeitende
                                                       dieses Jahres ist die Studie «Auswirkungen des
   eingestellt haben. Haben Sie Fachleute gesucht?
                                                       wachsenden Versandhandels auf das Verkehrs-
   In dieser Zeit hat man v. a. Aushilfskräfte ge-     aufkommen» (im Auftrag des ASTRA) erschienen;
   sucht. Einzelne Firmen haben das Personal um        sie ist auf unserer Webpage als Download unter
   15 – 20 % hochgefahren. In der Logistik hat man     www.bss-basel.ch/de/ueber-uns/publikationen
                                                       verfügbar.

                                                                                                  Seite 4
Kurzarbeit im März 2020
                                                          Quote Kurzarbeit
                Gastgewerbe
Handel/Rep. Motorfahrzeuge
                 Baugewerbe
   Sonstige Dienstleistungen
    Sonstige wirtsch. Dienstl.
              Verkehr, Lagerei
     Verarbeitendes Gewerbe
    Freiberufliche Tätigkeiten
         Gesundheit/Soziales
 Information/Kommunikation
        Erziehung/Unterricht
Finanz-/Versicherungsdienstl.
        Land-/Forstwirtschaft
      Öffentliche Verwaltung

                                 0%      10 %        20 %        30 %        40 %       50 %         60 %

                                                                                    Quelle: SECO und BFS

Sehr viele Firmen haben derzeit Kurzarbeit angemeldet. Per Anfang Juni stehen die Zahlen zur real
im März abgerechneten Kurzarbeit zur Verfügung. Die Abbildung zeigt, differenziert nach Branchen,
welcher Anteil der Beschäftigten im März von Kurzarbeit betroffen war. Die Betriebe des Gastgewer-
bes erhielten z. B. im März für über 50 % ihrer Mitarbeitenden Kurzarbeitsentschädigung.

Good News
Ein richtig grosses Fachkräfteproblem kommt         der Arbeitswelt zu verdanken, die u. a. mit Berufs-
in vier Jahren auf die Schweiz zu. So jedenfalls    werbung, Lehrstellenmarketing, intensivierter
eine Befürchtung vor einigen Wochen. Die Sorge:     Berufsberatung sowie Mentoring und Coaching
Dieses Jahr finden Corona-bedingt viele Jugend-     geholfen haben. Verschiedene Kantone planen
liche keine Lehrstelle. Für die Schülerinnen und    zudem zusammen mit der Wirtschaft «Last-Mi-
Schüler eine Tragödie. Und für die Wirtschaft in    nute-Lehrstellenbörsen». Eine von Bundesrat
vier Jahren ein Problem, wenn dann später zu        Guy Parmelin eingesetzte nationale Task-Force
wenig neu ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung     «Perspektive Berufslehre 2020» unterstützte da-
stehen. Diesen Monat dann eine ermutigende          bei den Effort von Kantonen und Organisationen
Mitteilung vom Staatssekretariat für Bildung,       der Arbeitswelt, z. B. mit einem monatlichen Mo-
Forschung und Innovation SBFI: Über die ganze       nitoring oder der Lancierung eines Förderschwer-
Schweiz betrachtet, konnten bis Ende Mai bereits    punkts für Projekte, wie Dani Duttweiler, Leiter
fast so viele Lehrverträge wie in der Vorjahres-    des Ressorts Berufsbildungspolitik des SBFI und
periode abgeschlossen werden. Diese gute Nach-      Projektleiter der Task-Force «Perspektive Berufs-
richt mitten in der Corona-Krise ist auch den An-   lehre 2020», auf Anfrage erläuterte.
strengungen der Kantone und der Organisationen

                                                                                                 Seite 5
Eleonora Riz à Porta Universitätsspital Basel

Helden der Corona-Krise
   Das Universitätsspital Basel stand in den letzten   Wie haben Sie die Situation bewältigt?
   Monaten mitten im «Corona-Sturm». Ihr Spital
                                                       Wir konnten die Vorlaufzeit effektiv nutzen: Wir
   betrieb ein Corona-Testzentrum und behandelte
                                                       haben eine strenge Personalplanung vorgenom-
   Corona-Patienten in zwei eigens eingerichteten
                                                       men und für eine optimale Nutzung der internen
   Covid-19-Stationen. Wie erlebten Sie die Zeit?
                                                       Ressourcen – z. B. durch Verschiebungen – ge-
   Es war anspruchsvoll. Einige Patienten waren        sorgt. In der Vorbereitungsphase haben wir unser
   schwer krank. Für die Mitarbeitenden war es         Personal angemessen geschult und auf diese spe-
   dabei z. B. auch anstrengend, den
   ganzen Tag lang Schutzkleidung,        «Beeindruckend war, wie rasch die
   Schutzmaske und Schutzbrille zu
   tragen. Wir mussten gleichzeitig       notwendigen Ressourcen dank der
   für viele organisatorische Fragen
   rasch Lösungen finden. Schön war,
                                          Hilfsbereitschaft und Flexibilität vieler
   die grosse Solidarität von aussen zu   Personen zur Verfügung standen.»
   erleben, und die intensive und sehr
   gute Zusammenarbeit der verschiedenen Berufs-       zielle Situation vorbereitet. Gleichzeitig konnten
   gruppen.                                            wir für bestimmte Fachpersonen auf Ressourcen
                                                       von anderen Spitälern zurückgreifen.
   Hatten Sie genügend Fachkräfte?
                                                       Und gleichzeitig gab es Kliniken mit zu wenig
   Grundsätzlich ja. Aber: Beim Intensivpflege-
                                                       Arbeit?
   personal und bei den Ärztinnen und Ärzten im
   Intensivbereich ist es generell schwierig, genü-    Durch das Verbot der geplanten Eingriffe hatten
   gend Personen mit den entsprechenden Fach-          wir auf manchen Stationen eine Unterauslastung.
   ausbildungen zu finden. Dieser Mangel war           Ein Teil des Fachpersonals, insbesondere der
   während der Corona-Phase nochmals stärker           Pflege, konnte flexibel eingesetzt werden. Andere
   akzentuiert.                                        Mitarbeitende mussten ihre Überstunden kom-
                                                       pensieren.

                                                                                                   Seite 6
Wie haben Sie das Corona-Testzentrum organi-         Sabbaticals, Entlastungsmassnahmen. Wir ver-
 siert?                                               suchen, den Wind, den es in der Gesellschaft jetzt
                                                      gibt, zu nutzen. Es wurde einmal mehr deutlich,
 Im Testzentrum haben wir neben internem Per-
                                                      dass das Fachpersonal im Gesundheitswesen
 sonal auch Medizinstudierende eingesetzt und
                                                      systemrelevant ist, Gesundheitsberufe aber auch
 wurden von Hausärztinnen und -ärzten unter-
                                                      sozusagen krisensicher sind.
 stützt. Beeindruckend war, wie rasch die not-
 wendigen Ressourcen dank der Hilfsbereitschaft
                                                      Eleonora Riz à Porta, Leiterin Human Resources
 und Flexibilität vieler Personen zur Verfügung
                                                      Management, Universitätsspital Basel
 standen.
 Wird die Corona-Erfahrung langfristig etwas
 bei Ihnen verändern?
                                                      BSS arbeitet intensiv zur Frage des Fachkräf-
 Die Situation hat uns motiviert, noch verstärkt      temangels im Gesundheitsbereich, siehe z. B.
 zu überlegen, was wir tun können, damit wir          Michael Lobsiger, Wolfram Kägi (2016): Analy-
 gut ausgebildete Fachleute haben und diese auch      se der Strukturerhebung und Berechnung von
 langfristig bleiben. So erarbeiten wir z. B. jetzt   Knappheitsindikatoren zum Gesundheitsperso-
 für den Intensivbereich ein Massnahmenpaket,         nal. Obsan Dossier 53. Die Studie steht auf unse-
 um den Beruf attraktiver zu gestalten. Mögliche      rer Webpage unter www.bss-basel.ch/de/ueber-
 Themen sind hier andere Arbeitszeitmodelle,          uns/publikationen als Download zur Verfügung.

 Offene Stellen im Jahr 2020
                 25 000
                                                                  Verarbeitendes Gewerbe −25 %
                                                                  Handel/Rep. Motorfahrzeuge −31 %
                                                                  Gesundheit/Soziales −17 %
                 20 000
                                                                  Freiberufliche Tätigkeiten −17 %
Offene Stellen

                                                                  Baugewerbe −12 %
                                                                  Information/Kommunikation −20 %
                 15 000
                                                                  Gastgewerbe −51 %
                                                                  Finanz-/Versicherungsdienstl. −28 %
                                                                  Öffentliche Verwaltung −28 %
                 10 000                                           Erziehung/Unterricht −22 %
                                                                  Rest −17 %
                                                                  Sonstige wirtsch. Dienstl. −22 %
                  5000                                            Verkehr, Lagerei −31 %
                                                                  Sonstige Dienstleistungen −21 %
                                                                  Land-/Forstwirtschaft −19 %
                     0
                          Feb.   März   April         Mai                                     Quelle: X28

 Bei der Zahl der offenen Stellen sind je nach Branche markante Rückgänge zu beobachten, wie z. B.
 in den Branchen «Verarbeitendes Gewerbe» und «Handel/Reparatur Motorfahrzeuge». In der Grafik
 selbst sind die offenen Stellen in Absolutzahlen eingetragen, rechts der Legende zu den Branchen
 dann noch ergänzend die prozentuale Veränderung zwischen Februar und Mai 2020. In der Tat ist der
 prozentuale Rückgang der offenen Stellen in allen Branchen zweistellig, am stärksten ist er mit über
 50 % im Gastgewerbe.

                                                                                                  Seite 7
Marianne Röhricht Swissmem

Zwischen Kurzarbeit und Fachkräftemangel

                          In der MEM-Branche zeig-      können, wird der Fachkräftemangel voraussicht-
                          te der BSS-Fachkräftein-      lich wieder auf ein vergleichbares oder höheres
                          dex in den vergangenen        Niveau als vor der Krise ansteigen. Sollte sich der
                          Jahren den zweitgrössten      Wirtschaftsrückgang in einer langfristigen Krise
                          Fachkräftemangel, nur in      manifestieren, könnte der Druck bezüglich der
                          der ICT-Branche fehlten       Fachkräfte abnehmen.
                          mehr Fachleute. Nun ist
                                                        Was tun Sie als Verband gegen den Fachkräfte-
                          Ihre Branche sehr stark
                                                        mangel derzeit?
                          von der Corona-Krise be-
   troffen. Wechseln Sie von einem Fachkräfteman-       Swissmem ist schon seit längerer Zeit aktiv, um
   gel zu einem Fachkräfteüberschuss?                   dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Diese
                                                        Massnahmen haben einen langfristigen Fokus
   Nein, die Zahl der ausgeschriebenen Stellen ging
                                                        und bleiben derzeit unverändert gültig. Zudem
   zwar zurück. Fachspezialisten, auf welche die
                                                        beobachtet Swissmem die Situation sehr genau
   Unternehmen essenziell angewiesen sind, suchen
                                                        und definiert neue Massnahmen, falls sich dies
   die Firmen aber nach wie vor. Die Krise geht für
                                                        als notwendig erweisen sollte. Der Verband rech-
   manche Firmen ans Eingemachte. Daher wird
                                                        net mit einer langfristigen Erholung und geht
   insgesamt weniger rekrutiert, und die Unterneh-
                                                        deshalb auch von einem erneuten Anstieg des
   men sind bei der Einstellung neuer Mitarbeiten-
                                                        Bedarfs an Fachkräften aus.
   der sehr zurückhaltend.
                                                        Bei der Gewinnung neuer Fachkräfte spielen Ler-
   Suchen Firmen heute anders als vor der Krise?
                                                        nende eine wichtige Rolle. Momentan gibt es kein
   Das ist schon so. Profile werden enger gefasst, es   Indiz, dass die Zahl der Lehrstellen abgenommen
   wird engmaschiger gesucht. Zudem zu bedenken         hat. Swissmem sensibilisiert die Mitglieder, dass
   ist dabei: Auch in unserer Branche haben diver-      die Anstellung von Lernenden sowie die Weiter-
   se Unternehmen Kurzarbeit eingeführt.
   In diesen Fällen ist es selbsterklärend,
   dass kein Personalaufbau erfolgt. Auf
                                               «Die Rekrutierung aus dem
   der anderen Seite hat sich auch das Ver-    Ausland musste man stoppen.»
   halten der Fachkräfte verändert. Wegen
   der allgemeinen Unsicherheit sind die Leute be-      bildung generell wichtig sind und in der momen-
   züglich eines Stellenwechsels zurückhaltend.         tanen Situation erst recht. Aufgrund der Krise
                                                        ist davon auszugehen, dass Berufswechsel auch
   In der Vergangenheit haben Ihre Firmen vie-
                                                        bei älteren Mitarbeitenden häufiger vorkommen
   le Fachspezialisten im Ausland gefunden. Jetzt
                                                        werden. Um solche Wechsel älterer Mitarbei-
   waren die Grenzen wochenlang zu.
                                                        tender zu begleiten, hat der Verband im Raum
   Die Rekrutierung aus dem Ausland musste man          Berner Oberland/Oberwallis ein Pilotprojekt für
   stoppen. Das erschwert die Fachkräftesituation       Umschulungen lanciert.
   zusätzlich.
                                                        Marianne Röhricht, Ressortleiterin Bildung,
   Wird sich durch die Krise bei Ihren Mitgliedern
                                                        Swissmem
   bezüglich Fachkräftemangels langfristig etwas
   ändern?
   Wenn sich die Wirtschaft rasch erholt und die        BSS unterstützt Swissmem regelmässig mit Da-
   Firmen ihre internationale Wettbewerbsfähig-         tenanalysen zum Fachkräftemangel.
   keit z. B. mit digitalen Massnahmen steigern

                                                                                                    Seite 8
Christian Hunziker Swiss ICT

Gefragte Helfer
                          Die ICT-Branche steht seit      wollen vermehrt digitalisieren, z. B. ihren Web-
                          Jahren ganz oben auf der        shop richtig aufbauen.
                          Liste unseres Fachkräfte-
                                                          Was wird sich nach der Corona-Zeit ändern?
                          index, d. h., die Fachkräf-
                          tesituation ist bei Ihnen       Digitalisierung ist ein wichtiger Schritt, der Fir-
                          besonders      angespannt.      men hilft, künftig nicht mehr so verwundbar zu
                          Jetzt haben wir eine ve-        sein. Wir werden daher noch mehr ICT-Fachleute
                          ritable Wirtschaftskrise.       brauchen!
                          Hat sich die Fachkräfte-        Was unternimmt da Ihr Verband?
   situation Ihrer Mitgliedsfirmen jetzt entspannt?
                                                          Mit verschiedenen Programmen, wie der 3L-In-
   Nein, das Fachkräfteproblem ist noch immer da.         formatik AG, geben wir Anreize für lebenslan-
   Wie haben Ihre Mitgliedsfirmen die Corona-
   Phase erlebt?                                                  «Das Fachkräfteproblem
   Firmen, die anderen Firmen auf dem Weg zur
   Digitalisierung helfen, sind total überlastet. Viele
                                                                  ist noch immer da.»
   grosse IT-Projekte wurden hingegen vorüberge-
                                                          ges Lernen und leisten damit u. a. einen Beitrag
   hend gestoppt, man hatte keine Zeit für strategi-
                                                          für den Quereinstieg in die Informatik. Mit dem
   sche Projekte.
                                                          swissICT Booster 50+ fördern wir zudem Infor-
   Auch in der ICT-Branche ist die Arbeitslosigkeit       matikerinnen und Informatiker über 50.
   gestiegen.
                                                          Christian Hunziker,
   Hier gilt es, zu differenzieren zwischen ICT-An-
                                                          Geschäftsführer SwissICT
   bieter- und -Anwenderfirmen. Während Anbieter
   händeringend nach Fachkräften suchen, bauen
   Anwenderfirmen aus anderen Branchen, nebst             BSS beschäftigt sich mit Digitalisierung. Wir
   anderen Jobprofilen, auch Informatiker ab – oder       zeigen die Chancen und Risiken auf, im Bereich
   stellen zurzeit weniger neue ein. Das ist – so ver-    ICT und in vielen anderen Branchen. Gern ver-
   mute ich – eine der Hauptursachen der höheren          weisen wir hier auf unsere Veranstaltung «Wor-
   Arbeitslosigkeit von Informatikern. Ich bin über-      te wirken» im Herbst letzten Jahres. Die Refera-
   zeugt, dass da eine richtig grosse Welle an Arbeit     te finden sich auf unserer Webpage unter https://
   auf uns zukommt. Die grossen strategischen Pro-        www.bss-basel.ch/de/einblicke/worte-sprechen.
   jekte nehmen wieder Fahrt auf, und viele Firmen

                                                                                                      Seite 9
Im Bereich Arbeitsmarkt bietet BSS
folgende Dienstleistungen an:
–	Fachkräftemangel und Fachkräftebedarf: Datenanalysen und Befragungen zur Fachkräfte-
   situation in ausgewählten Branchen und Berufen, Prognosen zum künftigen Fachkräftebedarf,
   Quantifizierung Ausbildungsbedarf
–	Entwicklung Arbeitslosigkeit: Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung auf Bundes- und
   Kantonsebene
–	Integration Arbeitsloser/arbeitsmarktliche Massnahmen: Wirkungsmessungen, Evaluationen,
   Kosten-Nutzen-Analysen, Bedarfsanalysen und Entwicklung von neuen Beschäftigungs- und
   Qualifizierungsmassnahmen
–	Migration: Bedarfsanalysen, Evaluation sowie Wirkungsmessung von Kursen für Migrantinnen
   und Migranten (z. B. für spezifische Teilgruppen wie Asylsuchende, Flüchtlinge und vorläufig
   Aufgenommene), Evaluation sowie Kosten-Nutzen-Analysen von Programmen auf Bundes- oder
   Kantonsebene
–	Entwicklung Erwerbstätigkeit und Lohn: Datenanalysen zur Beteiligung älterer Personen am
   Arbeitsmarkt und zur Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau
–	
  Weiterführende Forschungsarbeiten, u. a. zu den spezifischen Herausforderungen von Stellen-
  suchenden sowie Migrantinnen und Migranten

Ansprechpartner:
Wolfram Kägi, wolfram.kaegi@bss-basel.ch
Für spezifische Themen:
Michael Lobsiger (Fachkräftebedarf), David Liechti (Arbeitsintegration), Mirjam Suri (Migration),
Boris Kaiser und Rahel Felder (Prognosen und Forschung)

                                                                                            Seite 10
Deckungs-        Zuwanderungs-          Arbeitslosen-          Quote der
   Jahr       Index
                            grad               quote                 quote            offenen Stellen

   2010       100            104 %                 10 %               3.7 %                 2.9 %

   2011        110           103 %                 11 %               2.9 %                 3.2 %

   2012        105           103 %                 12 %               2.9 %                 2.6 %

   2013        101           103 %                 12 %               3.2 %                 2.4 %

   2014        105           103 %                 13 %               3.1 %                 2.7 %

   2015        102           103 %                 13 %               3.2 %                 2.6 %

   2016        105           103 %                 13 %               3.3 %                 3.0 %

   2017        110           103 %                 14 %               3.1 %                 3.4 %

   2018        116           103 %                 13 %               2.6 %                 3.6 %

   2019        124           102 %                 14 %               2.3 %                 4.2 %

Weitere Informationen und die detaillierten Zahlen finden Sie
auf unserer Homepage: www.bss-basel.ch/fachkräfteindex.

Der BSS-Fachkräfteindex erlaubt Vergleiche
zwischen Regionen, zwischen Branchen und                        Redaktion: Michael Lobsiger, Wolfram Kägi
zwischen Berufen sowie Vergleiche über die Zeit.                        Layout: Cyril Brühlmann, eigelb.ch
Der Fachkräfteindex wird jährlich aktualisiert.            Download: www.bss-basel.ch/fachkräfteindex

BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG Aeschengraben 9 4051 Basel
T +41 61 262 05 55 contact@bss-basel.ch www.bss-basel.ch
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