Fachseminarreihe Komorbidität Cannabis und Co(-morbidität) - Folien von Dr. Jean Hermanns

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Fachseminarreihe Komorbidität Cannabis und Co(-morbidität) - Folien von Dr. Jean Hermanns
Fachseminarreihe Komorbidität
 Cannabis und Co(-morbidität)
    Folien von Dr. Jean Hermanns
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Was haben diese drei Personen gemeinsam?

    Nietzsche                  Freud                 Baudelaire
Sie haben Cannabis geraucht und „die menschliche Psyche erforscht“.
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…und später ?
Was hat sich geändert ?

         Von der Jugendkultur
          der 60-/70iger Jahre
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…zu einer großen Gruppe psychiatrischer Patienten:
Merkmale jung, männlich, …, abhängig, z.T. verrückt
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Aktuelle Zahlen

       Problematischer Konsum bei
                   ca. 20 %
        aller Cannabiskonsumenten
   (Konsum an mehr als 20 von 30 Tagen im Monat)

10 % aller Cannabiskonsumenten bezeichnen
          sich selbst als abhängig !
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Was hat sich geändert ?
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Veränderung der Konsumgewohnheiten

• Applikationsformen
• Substanzqualität
• Konsummuster
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Veränderung…
der Applikationsformen
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Substanzqualität
moderate Zunahme des THC-Anteil im
Haschisch
Hochzüchtung des THC-Anteils durch
Hochleistungsgewächshäuser
Genmanipulation noch ungesichert
„Wegzüchtung“ von teilweise antagonistisch
wirkenden Cannabinoiden (z.B. Cannabidiol)
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Konsummuster und -motivation

•   „Pegel“kiffer
•   von der Peace- zur „Kick“-Droge
•   „Eimer“-Rauchen
•   Kombination mit anderen Halluzinogenen
Typische psychische Wirkungen des Kurzzeitkonsums I

       Euphorie
      gehobene Stimmung, grundlose
       Heiterkeit, Gelassenheit
      als Folge Ausgelassenheit, Fröhlich-keit,
       Lach- und Witzellust
      auch Gefühl der Erfüllung und
       Zufriedenheit
      gelegentlich vorher kurze Phase
       ängstlicher, agitierter Verstimmung
Typische psychische Wirkungen des Kurzzeitkonsums II

          Verminderter Antrieb
         globale Passivität und Apathie
         Empfinden einer „wohligen Mattigkeit“
         Gefühl der Leichtigkeit
         gleichzeitig verlangsamte Bewegungen
         frgl. verminderte Aggressivität
Typische psychische Wirkungen des Kurzzeitkonsums III

        Denkstörungen:
       o bruchstückhaftes Denken
       o Herabsetzung der gedanklichen
         Speicherungsfähigkeit
       o Verlust der Erlebniskontinuität
       o Ordnung des Denkens nach assoziativen
         Gesichtspunkten (erhöhte Phantasie)
       o ideenflüchtiges Denken
       o Abnahme abstrakt-schlussfolgender
         Denkprozesse zugunsten bildhaft-konkreter
         Vorstellungen
Zweiphasiger Ablauf des Cannabisrausches

1. Phase der Stimulation: verstärkte Wahrnehmung,
   Euphorie, Angst
2. Phase der Sedierung: Dämpfung, Beruhigung,
   Schläfrigkeit

Erklärung für
 Unterschiedlichkeit der Konsummotivation
 „Doppelwirkung“ motiviert doppelt
 differentielle Wirkung bei Psychotikern
THC-Konsum und Angst
THC-Konsum und Angst –   viele Fragen offen!   (1)

• Widerspruch Angstentstehung und
  Stressminderung ??
• stresslösende bzw. anxiolytische Wirkung von
  Cannabis unbestritten
Haschisch macht
 gleichgültig ---
aber das ist mir
 egal !
THC-Konsum und Angst –   viele Fragen offen!   (1)

• Widerspruch Angstentstehung und
  Stressminderung ??
• stresslösende bzw. anxiolytische Wirkung von
  Cannabis unbestritten
• selbst manche Psychotiker nutzen Cannabis als
  Mittel gegen den Stress der Psychose
• aber: insbesondere zu Beginn des Rausches ist
  ängstliche Erregung ein häufiges Phänomen (10-
  30 Minuten)
• Funktion von Cannabis als Auslöser von
  Angsterkrankungen zudem ebenso unstrittig
THC-Konsum und Angst –   viele Fragen offen!         (2)

• häufigste Störung: akute Angstreaktion/
  Panikattacke (Leweke, 2004; Solowij & Grenyer, 2004)
• vor allem bei naiven Usern
• bei einigen daraufhin kein weiterer
  Cannabiskonsum (Thomas, 1996)
• ebenso bei hohen Dosen (Bong, Eimer-
  Rauchen)
THC-Konsum und Angst –   viele Fragen offen!   (2)
viele Fragen offen! (3)
         THC-Konsum und Angst –

•   ebenso bei oralem Konsum, selbst bei geringen
    Dosen
•   bei oralem Konsum Umwandlung in sog. aktiven
    Metaboliten 11-Hydroxy-THC, der stärker als THC
    wirkt
•   in der Folge häufig Entwicklung einer
    Panikstörung ohne weiteren Cannabiskonsum
•   bei längerfristig Cannabis Konsumierenden
    fanden sich Häufungen von Angstsymptomen im
    Sinne einer generalisierten Angststörung und
    sozialer Ängste (außerhalb der Intoxikation) (Patton
    et al., 2002)
viele Fragen offen! (3)
       THC-Konsum und Angst –

•   prospektive Studie mit einer Kohorte von 1600
    Teenagern: bis zu 3-fach höherer Wert an
    Angstsymptomen bei Cannabisusern
•   kein umgekehrter Effekt nachweisbar
•   deutlicher Gendereffekt, d.h. bei Mädchen/
    Frauen ausgeprägter
•   d.h. 1 von 8 adoleszenten Männern, aber 1
    von 2 adoleszenten Frauen weisen unter
    Cannabiskonsum erhöhte Angstsymptome auf
    (Patton et al., 2002)
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (1)

• Grundprinzip der Cannabiswirkung: Sog.
  präsynaptische Hemmung der Ausschüttung
  von Neurotransmittern
• nachgewiesen für Dopamin, Glutamat, Nor-
  adrenalin, Acetycholin, Serotonin und GABA
• Prinzip: „Schotten dicht“
THC-Konsum und Angst –         Neurobiologie   (1)

• Grundprinzip der Cannabiswirkung: Sog.
  präsynaptische Hemmung der Ausschüttung von
  Neurotransmittern
• nachgewiesen für Dopamin, Glutamat,
  Noradrenalin, Serotonin und GABA
• Prinzip: „Schotten dicht“
• bes. ausgeprägte Wirkung durch Reduktion der
  Ausschüttung von Glutamat und Noradrenalin
  (Sedierung, „wohlige Mattigkeit“)
• auch (indirekte) Verringerung der Cortisolaus-
  schüttung im Hirn (Stressminderung)
  (Rodriguez de Fonseca et al., 1997)
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (2)

• nicht nur Hemmung von Erregung (DSE)…
• …sondern auch Hemmung von Hemmung (DSI)
• d.h. die Ausschüttung auch des Neurotrans-
  mitters GABA wird reduziert
• d.h. deren Funktion bei der Kontrolle von (z.B.
  ängstlicher) Erregung wird vermindert
• Wichtig: die GABA-Hemmung setzt schneller ein
  als die spätere (und stärkere) Glutamat-
  Hemmung
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (3)

• keine ‚normale‘ Regulation von Erregung und
  Hemmung zu Beginn des Cannabisrausches
• ‚Selbstberuhigungssystem‘ funktioniert
  schlechter  wo ist die GABA ?
• Gefühl der Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit in
  alltäglichen Situationen
• z.B. beim Autofahren, bes. nachts
• überängstliche Reaktion auf die durch Cannabis
  verursachten vorübergehenden körperlichen
  Veränderungen (analog Panikstörung)
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (4)

Zwischenergebnis:
  Zweiphasiger Verlauf des Cannabisrausches
  bzw. das unterschiedliche Tempo der
  Verminderung des Neurotransmitterausstoßes
  kann unterschiedliche Wirkungen von Cannabis
  bzgl. Angst bzw. Stresserleben erklären:
1. Phase der Stimulation: verstärkte
   Wahrnehmung, Euphorie, Angst
2. Phase der Sedierung: Dämpfung, Beruhigung,
   Schläfrigkeit
Äußere Reize

 Körperliche              Wahrnehmung
  Empfindungen

Physiologische               Gedanken
  Veränderungen              („Gefahr“)

                  Angst

        Sichtbares Verhalten
Äußere Reize

          Körperliche              Wahrnehmung
           Empfindungen

 THC-
         Physiologische               Gedanken
Konsum
           Veränderungen              („Gefahr“)

                           Angst

                 Sichtbares Verhalten
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (7)

• das einzige Gegenmittel gegen Angst (außer
  GABA) ist…
• … die Kognition
• … ist bekanntermaßen durch eine
  Cannabisintoxikation auch beeinträchtigt
Denkstörungen unter akuter
              Cannabisintoxikation
 bruchstückhaftes Denken
 Herabsetzung der gedanklichen Speicherungsfähigkeit
  (Arbeitsgedächtnis)
 Verlust der Erlebniskontinuität bzw. Veränderung des
  Zeitsinns (Kleinhirn)
 Ordnung des Denkens nach assoziativen Gesichts-
  punkten (erhöhte Phantasie)
 ideenflüchtiges Denken
 Abnahme abstrakt-schlussfolgender Denkprozesse
  zugunsten bildhaft-konkreter Vorstellungen
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (7)

• in neuropsychologischer Hinsicht insbesondere
  Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und
  Exekutivfunktionen erheblich behindert
• und damit (kognitive) Angstbewältigung durch
• z.B. Aufmerksamkeitswechsel
• Abgleich mit früheren Erfahrungen („Es geht
  bald vorbei!“)
• (bewusste) Unterdrückung von automatisierten
  Angstreaktionen
Teilergebnis aus Ricklinger
 THC-Konsum und Angst –
          Cannabis & Psychose -Studie
• Nachweis erheblicher Beeinträchtigungen der
  Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und
  Exekutivfunktionen bei schwer von Cannabis
  abhängigen Patienten (im Cleanstatus)
• die Störungen des Arbeitsgedächtnisses und
  der kognitiven Flexibilität zeigten sich genauso
  stark ausgeprägt wie bei schizophrenen
  Patienten
• und damit u.U. längerfristig die (kognitive)
  Angstbewältigung
THC-Konsum und Angst –   klinische Aspekte   (1)

• Fallbeispiel ‚Kiffen in Amerika‘
• Fallbeispiel ‚Kiffen und Kater‘
Prävalenz von Depression bei
               Cannabiskonsum
• Studie von Patton, 2002 (Australien)
• Risiko der Entwicklung von Angst und depressiven
  Störungen deutlich erhöht bei höherfrequentem
  Konsums
• Gender-Aspekt: deutlich mehr Frauen mit täglichem
  Cannabiskonsum leiden an depressiven Symptomen
• Cannabis als Selbstmedikation eher selten (siehe auch
  Degenhardt et al. 2003)
• Zusammenhang früher Beginn des Konsums und
  späterer Depression eher unklar
• Frage nach gemeinsamen (ursächlichen) Faktor
Cannabis und Depression
• Cannabis kann direkt depressive Stimmungslagen
  auslösen, bes. bei sog. naiven Nutzern, ansonsten nach
  oraler Einnahme
• andererseits werden positive Wirkungen von Cannabis
  bei (tiefen) depressiven Verstimmungen im Rahmen z.B.
  einer bipolaren Depression berichtet („Beschwichtiger
  des Kummers“)
• Cannabis bewirkt eine signifikante psychomotorische und
  Verlangsamung der Informationsverarbeitung
• Cannabiskonsumenten berichten einen reduzierten
  Drang zu körperlichen Aktivität und
  Konzentrationsminderung
• beides erleben „normale“ Depressive eher als
  Verstärkung der Symptomatik
• auch gibt es Berichte von Cannabis konsumierenden
  Depressiven, dass es bei höherer Dosis zu einer
  Verstärkung der Depression kommen kann
Die „Big Three“ der Depression

            dauerhaftes Stimmungstief

sich nicht freuen können       Antriebsdefizit
Amotivationales Syndrom
                  - Symptomatik
•   Teilnahmslosigkeit
•   Passivität
•   Gleichgültigkeit
•   Antriebsverminderung
•   Einbuße an sozialer Kompetenz
•   Schwunglosigkeit
•   Demotivierung
•   depressive Verstimmung
•   Affektlabilität
•   Verminderung von Kritikfähigkeit
•   Rückzug
Psychosen

   toxische Psychosen
   Cannabispsychosen
   schizophrene Psychosen
Cannabis und Psychose: Art und
    Weise des Zusammenhangs

Verursachung akuter psychotischer Symptome,
sog. toxische Psychose,
z.B. Wahrnehmungsveränderungen,
Halluzinationen, Verwirrtheit, „Paranoia“,
Wahnphänomene, kurzzeitige Amnesie,
Depersonalisation/Derealisation
d.h. zum ganz normalen Cannabisrausch kann
psychotisches Erleben gehören
endet mit Beendigung des Rausches/der
Drogenwirkung
gfs. Behandlung bei akuter Angst/Verwirrtheit etc.
nötig (medikamentös, „talking down“)
Cannabis und Psychose: Art und
     Weise des Zusammenhangs
Verursachung dauerhafterer psychotischer Symptome auch
nach Ende des Rausches, sog. drogeninduzierte Psychose,
meist geringere Ausprägung der Symptome, z.B. dauerhafte
Depersonalisation/Derealisation, Wahrnehmungsveränderungen
verbunden mit Verunsicherung, Rückzug, Angst
auch nach langem, hochfrequentem Konsum
hält Wochen bis Monate an, bei Cannabisabstinenz
verschwindet es meist
es bleiben ohne Behandlung (Psychotherapie, Psychoedukation,
medikamentöse Therapie) oft nachhaltige Verunsicherungen,
Depressionen und sozialer Rückzug
Behandlung in jedem Fall nötig (auch wegen Gefahr von
Fehlhandlungen)
Cannabis und Psychose: Art und
    Weise des Zusammenhangs
Auslösung einer schizophrenen Erkrankung
dauerhafte psychotische Symptome, häufig immer
wiederkehrend auch ohne Cannabiskonsum
meist erhebliche Beeinträchtigung durch die Krankheit,
ausgeprägter Wahn, Stimmenhören, Denkstörungen, Angst etc.
nach Akutphase häufig Rückzug, Verunsicherung, Apathie,
intellektuelle Beeinträchtigungen
Voraussetzung: Anfälligkeit für schizophrene Psychosen
(Vulnerabilität)
negative Rauscherfahrung nicht erforderlich,
auch bei naiven Nutzern, Alter meist jünger
meist längerfristige psychiatrisch-psychotherapeutische
Behandlung und Rehabilitation erforderlich
Warum gerade Cannabis ?
     Ein bisschen Neurobiologie !
körpereigenes Cannabis
Funktion im Sinne einer Verringerung der
Reizweiterleitung bei Reizüberflutung
bei Cannabiszufuhr von außen erhebliche Einengung
der Wahrnehmung
Einzelreize bekommen mehr Bedeutung
darüber hinaus auch Hemmung hemmender Aktivität
ausgelöste Angst (Körperwirkungen von Cannabis)
färbt psychotische Phänomene negativ (im Gegensatz
zu z.B. LSD)
Neurobiologie   Psychose & Cannabis
• unterschiedliches Tempo der Hemmung der Ausschüttung der
  verschiedenen Neurotransmitter: Erklärung für besondere
  ‚Potenz‘ von Cannabis bei der Psychoseauslösung !?
• hierbei bes. Rolle der Angst bzw. der Fehlattribution von
  Erregung
• der Effekt der Glutamathemmung , der zu einer massiven
  Entspannung führt, überspielt auch bei Psychotikern den Effekt
  der GABA-Hemmung
• die Paranoia bleibt aber („entspannte Paranoia“)
• die Dopaminausschüttung im limbischen System wird auch
  durch glutamaterge Bahnen gesteuert, eine Verminderung der
  Glutamatausschüttung führt zu einer Erhöhung des
  Dopaminspiegels dort (analog NMDA-(Glutamat-)Rezeptor-
  Hypofunktionstheorie der Schizophrenie n. Olney & Farber,
  1995)
THC-Konsum und Angst –   Neurobiologie   (5)

GABA moduliert auch die Dopaminausschüttung
• …Erhöhung generell im limbischen System (
  präpsychotische und psychotische Symptome)
• durch die fehlende GABA (in der Amygdala) werden
  diese Symptome zudem überängstlich verarbeitet
  (im Gegensatz z.B. zu LSD)
• hohes Angstniveau fördert Entwicklung paranoider
  Vorstellungen, was die Angst wiederum erhöht,
• und behindert die Attribution auf den Cannabis-
  konsum (bes. bei naiven Nutzern)
Epidemiologie Cannabis und Schizophrenie II-
 Die Studie von Hambrecht und Häfner 1996
• N=232 schizophrene Pat. unmittelbar nach erster
  psychotischer Episode
• 27,5% vor, 34,6% parallel, 37,9% nach Episode
  Konsum von Cannabis
• Erklärung durch Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell
  der Schizophrenie
• Vor        „Vulnerabilitätsgruppe“
• Parallel  „Stressgruppe“
• Danach  „Copinggruppe“
Psychose

                                                 S        D
                                  S      D                               Schwelle
                          D
                          D

          S       D       S                      V        V             Normaler
                                  V      V
                                                                       Psychischer
                                                                         Zustand
V         V       V       V

    V = biologische Vulnerabilität; S = Stressoren; D = halluzinogene Drogen
Epidemiologie Cannabis und
          Psychose III
• Andreasson-Studie: 2,4 fach höheres Risiko einer
  Psychose bei Cannabis-Konsum, bei „heavy users“
  6fach
• Bei psychosevulnerablen Personen kam es häufiger
  zur klinischen Manifestation der Schizophrenie (v.Os
  et al. 2002)
• Übersicht (Arseneault 2004) folgert ein 2-3fach
  erhöhtes Risiko bei Cannabiskonsum in der
  Adoleszenz, an Schizophrenie oder
  schizophrenieformer Störung zu erkranken
Cannabis und manifeste Schizophrenie II
Erste Rauschphase:
• Verstärkung Positiv-Symptomatik (Wahn,
  Halluzinationen etc.)
• Verringerung Negativ-Symptomatik (Anhedonie,
  Rückzug etc.)

Zweite Rauschphase:
• Verminderung Positiv-Symptomatik
• Differentielle Wirkung auf Minussymptomatik
   Verschlechterung Antriebsdefizit, kog.
  Funktionen, Wahrnehmung
   Verbesserung Depression
Dopaminhypothese der Schizophrenie
       (n. Davison&Neale)

            Dr. Jean Hermanns, Dipl. Psych., Dipl.
           Soz.päd.:Bewältigung der Schizophrenie
Warum kiffen Schizophrene (noch)?

…weil sie süchtig sind????
Verhaltensanalyse
Abhängigkeits- und Funktionsanalyse des
Suchtmittelkonsums
unmittelbare Beteiligung der Betroffenen
Klärung der unterschiedlichen Einflussfaktoren auf
Konsum/Rückfälligkeit
kommt kognitiven Beeinträchtigungen der
komorbiden KlientInnen entgegen
…
…
„Warum kiffen Ihre komorbiden
 KlientInnen (weiter) ?“
Gruppenarbeit: Durchführung einer
  (vereinfachten) Verhaltensanalyse

           S - O - (R) - C
1. Gruppe      S (ituation/Stimulus)
 „äußere“ Auslöser, Angebot, Einflüsse der peer-
 Gruppe, Gelegenheiten, Anlässe etc.

 d.h. welche äußeren Stimuli motivieren Ihre
 komorbiden KlientInnen zu weiterem
 Cannabiskonsum?
2. Gruppe      O    (rganismus)

   „innere“ Auslöser und Zustände, d.h. die Krankheit,
   Symptome, Gedanken, Gefühle, Selbstbild,
   organismische Zustände, aber auch „Appetit“ etc.

   d.h. welche inneren Auslöser, Zustände und
   Kognitionen motivieren Ihre komorbiden
   KlientInnen zum weiteren Cannabiskonsum ?
Psychose & Sucht

3. Gruppe       C (Konsequenzen)
  pos. und neg. Folgen und Konsequenzen des
  Verhaltens, d.h. Verstärker, Erfolg, ‚Wirkung‘ auf
  bestimmte Symptome, Misserfolg im inneren
  Erleben oder direkt im sozialen Kontakt

  d.h. welche (auch antizipierten) Konsequenzen
  motivieren Ihre komorbiden KlientInnen zum
  weiteren Cannabiskonsum ??
Was sagt motivational interviewing
  (über erfolgreiche Therapie)? - einige Beispiele -

 Pat. muss sich seinem Selbstbild/Selbsterleben
  verstanden fühlen
 …er muss einen Vorteil der Therapie für sich erkennen
  und erleben
 …er muss sich als Mensch anerkannt und verstanden
  fühlen
 er muss Änderungskompetenz aufweisen und sich
  dessen bewusst sein (Selbstwirksamkeitsüberzeugung)
 Pat. muss selbstmotivierende Aussagen treffen und
  sich selbst auf Änderungen verpflichten
 …
Grundlagen von motivational interviewing

Intrinsische Motivation und
 Ambivalenz
 "Eigenmotivation zur Veränderung
 wird gefördert, wenn die Motive pro
 Veränderung gestärkt und gleich-
 zeitig die Motive kontra Veränderung
 wertgeschätzt werden !" (Veltrup)
(dies geschieht in Phase I des MI)
Grundlagen von motivational interviewing

- Techniken des MI -
Förderung von Änderungsbereitschaft I

         Offene Fragen
         Aktiv zuhören
         Bestätigen
         Verstärkung selbstmotivierender
         Aussagen
Grundlagen von motivational interviewing

                                    Offene Fragen
Geschlossene Fragen                 „Wie würden Sie Ihren
                                       Alkoholkonsum einschätzen ?“
„Wollen Sie Ihren Alkoholkonsum
   aufgeben ?“                      „Wie würden Sie Ihren
                                       Alkoholkonsum ändern wollen ?“
„Wieviel Alkohol konsumieren Sie
   täglich ?“                       „In welcher Weise machen Sie sich
                                       Gedanken über Ihren
„Sind Sie bereit, sich an alle         Kokainkonsum?“
   Bedingungen zu halten, die ich
   Ihnen vermittelt                 "Wie würde Ihr Leben in 5 Jahren
                                       aussehen, wenn Sie nicht mehr
  habe ?“                              abhängig sein würden ?"
…                                   "Wie würden Sie Ihren Konsum am
                                       liebsten ändern ?"
                                    Was stimmt Sie optimistisch, dies
                                       schaffen zu können ?"

                                    …
Grundlagen von motivational interviewing

 Aktiv zuhören
Allgemein:
   nonverbale Aufmerksamkeit
  die 3 „V“: Vermitteln, dass man am
              anderen interessiert ist
             Verstehen, was der andere meint
             Verspüren, was der andere sagt
  Reflexionen gestalten
Grundlagen von motivational interviewing

Anhaltendes aktives Zuhören

Einfaches Wiederholen
Neuphrasieren (leichte Änderung)
Paraphrasieren (erweiterte Neuformulierung)
Reflexion der Gefühle
Grundlagen von motivational interviewing

Bestätigen
 Anerkennen des bisherigen Bemühens

 Verständnis für die Ambivalenz und die
 Notlage

 Bewunderung für die Lebens-(Arbeits-)
 leistung
Grundlagen von motivational interviewing

Bestätigen

… hier gilt ganz besonders: Nur
 selbstbildkompatible Information
 wird verwertet (und wirkt !).
„Kiffen ist doch geil !!“

   MI bei Cannabis
missbrauchenden oder
Cannabis abhängigen
    Schizophrenen
Motivierende Gesprächsführung
        (Miller&Rollnick, 1991)

•   „Express empathy“
•   „Develop discrepancy“
•   „Avoid argumentation“
•   „Roll with resistance“
•   „Support self-efficacy“
MI bei „kiffenden“ Schizophrenen
     “Express empathy“

• aktives Ausdrücken des Verständnisses bzgl.
  Konsumwunsch trotz Psychose
• Auf das Fehlen von coping-Mechanismen
  verstehend hinweisen
• Problem der Auffälligkeit wegen
  Verhaltensänderung ansprechen
• Bedauern, bedauern, bedauern
MI bei „kiffenden“ Schizophrenen
                  „develop discrepancy“

• „Beamtenmikado“
• Problem der Ermöglichung der Erfahrung einer erneuten
  psychotischen Episode
• Problem der Aktualisierung von „Wunschzielen“ („was kann ich
  mit Psychose schon noch erreichen ?“
• Zur Verfügung Stellung von Informationen über Psychosen und
  Cannabiswirkung (Psychoedukation in Gruppen mit gleichsam
  Betroffenen)
• Möglichst kein gleichzeitiges Experiment bzgl. Cannabis-Konsum
  und Absetzen der Medikamente
MI bei „kiffenden“ Schizophrenen
             „avoid argumentation“

• keine Konfrontation weder bzgl.Cannabis-
  Konsum noch bzgl. Fehlverhalten bzgl. Psychose
• „Totschlagargumente“ fördern nur Reaktanz
• es muss ein wirklicher Dialog entstehen
• am effektivsten sind die Argumente gleichsam
  Betroffener
MI bei „kiffenden“ Schizophrenen
                 „roll with resistance“

• Frage nach Abhängigkeit oder Missbrauch stellt sich
  bei Schizophrenen nicht
• Subjektive Kontrollüberzeugung bzgl. des
  Cannabiskonsums als Widerstand nicht frontal
  angehen, sondern „umschiffen“
• Leugnung der Psychose ebenfalls als Widerstand
  erkennen
• Psychoedukation: Eingehen auf unterschiedliche Art
  der psychotischen Reaktion auf Cannabis
MI bei „kiffenden“ Schizophrenen
       „support self-efficacy“
• Hinweis auf eine gewisse Kontrollmöglichkeit
  der Psychose
• Entwicklung weniger gefährlicher coping-
  Mechanismen (Alkohol und Benzos sind
  effektiver und weniger Psychose trächtig)
• …
Psychoedukation Psychose & Sucht -
 Grundlagen: Was muss berücksichtigt werden ?

• Grundprinzipien der Psychoedukation
• störungsspezifische Besonderheiten hinsichtlich
  Wissenserwerb/Lernen und Motivation
• Inhalte der Psychosen-Psychoedukation (bekannt !?)
• Inhalte der Sucht-Psychoedukation (wohl weniger
  bekannt)
• spezifische Psychose und Sucht - Elemente
Was ist Psychoedukation nicht ?
• vornehmlich Informationsgabe/-vermittlung
• power-point- oder Folienvortrag
• nur an "harten" Fakten orientiert
  (Medikamente, Biologie)
• reiner Wissenserwerb auf Seiten der
  Betroffenen ohne Berücksichtigung der
  eigenen Erfahrungen
• auch kein Psychose-Seminar (dort Blickwinkel
  der Betroffenen im Mittelpunkt)
Elemente/Funktionen der Psychoedukation

• Informationsvermittlung (Symptomatik der
  Störung, Ursachen, Behandlungskonzepte etc.)
• emotionale Entlastung (Verständnis fördern,
  Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen
  etc.)
• Unterstützung einer medikamentösen
  und/oder psychotherapeutischen
  Behandlung
• Förderung der Selbsthilfekompetenzen
  (Erkennen von und Reaktion auf Krisen-
  situationen)
Psychoedukation Psychose und Sucht:
 Inhalte Sucht - Was muss man "drauf" haben ?
• psychotrope Wirkung gebräuchlicher Suchtmittel
• bes. Alkohol, Opiate, Kokain, Cannabis sowie sog.
  Bio- und Designerdrogen
• Kriterien Suchtmittelmissbrauch und -abhängig-
  keit
• moderne Suchtentstehungs- und Aufrecht-
  erhaltungsmodelle (Marlatt&Gordon,
  Bühringer/Küfner)
• neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur Sucht,
  insbesondere der Prozess der Neuroadaption
• Grundlagenwissen MI bzw. zur Förderung von
  Änderungsmotivation
Teufelskreismodell der Sucht
  nach Küfner&Bühringer (hier am Bsp. Alkohol)

Alkoholkonsum
Intrapsychischer Teufelskreis
Neurobiologischer Teufelskreis
Psychosozialer Teufelskreis

Erhöhter Anreiz und Automatisierung
des Alkoholkonsums
Psychoedukation Psychose und Sucht:
    Inhalte Psychose und Sucht - Was muss man
                  "drauf" haben ?
•   Art und Wirkungsweise Psychose auslösender
    Substanzen
•   Pathophysiologie substanzbedingter
    Psychoseauslösung
•   Unterscheidung toxische, drogeninduzierte
    und endogene/schizophrene Psychose
•   Wirkung von Suchtmitteln bei manifester
    Psychose
Ablauf (vereinfacht)
• Entree/Begrüßung
• Teilnehmerbeteiligung (gfs. Vorstellung der
  Hausaufgaben)
• Faktensammlung
• Kommentar/weitergehende Erläuterung
• persönliche Relevanz herstellen
• Hausaufgaben
• Verabredung/Verabschiedung
D'Amelio et al: Psychoedukation Schizophrenie und Sucht
 Sitzung 1:

 Was will ich hier erreichen? – Sich auf Kurs bringen
 Sitzung 2:

 Ich (mit und besser) ohne Drogen – Wirkungen und
     Auswirkungen von Drogenkonsum

 Sitzung 3:

 Bin ich wirklich süchtig? – Kriterien für Missbrauch und
     Abhängigkeit von Drogen
 Sitzung 4:

 Warum auch noch Öl ins Feuer gießen? – Fakten zu
     Drogenkonsum und Psychose
 Sitzung 5:

 Was mich in große Gefahr bringt! – Identifikation von
     Hochrisikosituationen und Alarmsignalen
D'Amelio et al: Psychoedukation Schizophrenie und Sucht
  Sitzung 6:
  Einmal schadet nicht? – Schadensbegrenzung bei erneutem
      Drogenkonsum
  Sitzung 7:
  Zur schnellen Erinnerung! – Erstellung einer persönlichen
      Notfallkarte und Benennung einer Vertrauensperson
  Sitzung 8:
  Alles, was mir gut tut – Gesundheitsförderliche Aktivitäten,
      Hobbys und Vorlieben
  Sitzung 9:
  Wirklich? Kurs halten! – Abstinenz lohnt sich
  Sitzung 10:
  Beste Wünsche fürs Leben – Ausklang und Verabschiedung
D'Amelio et al: Psychoedukation Schizophrenie und Sucht
 Sitzung 4:
 Warum auch noch Öl ins Feuer gießen? – Fakten zu
   Drogenkonsum und Psychose

 Kommentar/weiterführende Erklärung
  Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell Psychose-
   ausbruch mit Schwellenkonzept
  Drogenkonsum und medikamentöse Rezidiv-
   prophylaxe
  Wirkung verschiedener Substanzen/Drogen auf
   dopaminerges System (bei vorbestehender Psychose)
D'Amelio et al: Psychoedukation Schizophrenie und Sucht
 Sitzung 5:
 Was mich in große Gefahr bringt! – Identifikation von
   Hochrisikosituationen und Alarmsignalen

 Teilnehmerbeteiligung
  Vorausgehende Erläuterung Hochrisikosituationen mit
  Differenzierung in Verhaltensweisen, Gedanken und
  Gefühle (stammt aus der Verhaltensanalyse) als
  Alarmsignale
  individuelle Sammlung von Hochrisikosituationen und
  Alarmsignalen (entspricht S und O aus dem S-O-R-C-
  Modell)
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