Familienfreundliche Arbeitszeiten Gestaltungsmöglichkeiten durch die Arbeitszeitrechtnovelle 2018
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Familienfreundliche Arbeitszeiten – Gestaltungsmöglichkeiten durch die Arbeitszeitrechtnovelle 2018 Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in Business an der Fachhochschule Burgenland vorgelegt von Ing. Doris Höfler, MA 1710401046 im Masterstudiengang Human Resource Management und Arbeitsrecht MOEL Betreuer: Assessor Dipl.-Jur. Friedrich Ekkehart Seeber Datum: 18. August 2019
Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit erkläre ich, Doris HÖFLER (PKZ 1710401046), dass ich die vorliegende Masterarbeit ohne fremde Hilfe erstellt und nur die angeführten Quellen verwendet habe. Ich versichere, dass ich bisher keine Masterarbeit oder andere schriftliche Arbeit mit gleichem oder ähnlichem Thema an einer Hochschule als Prüfungsarbeit eingereicht habe. Gleisdorf, am 18.08.2019 (Unterschrift) I
EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG Masterarbeit online Ihre Masterarbeit sollte zur Unterstützung Ihren nachfolgenden StudienkollegInnen leicht zugänglich sein. Die Autorin räumt daher als alleinige Inhaberin aller Rechte am Werk und des Verfügungsrechts über eventuell beiliegende Abbildungen, Fotos, Graphiken, Tabellen etc. der Fachhochschule Burgenland das Recht ein, das Werk in eine Datenbank einzuspeisen und in elektronischer Form online im Internet und durch Bereitstellung zum Download oder Ausdruck zu verbreiten. Die elektronische Version ist mit der gedruckten Version der Masterarbeit weitgehend identisch (kleinere Änderungen im Layout oder die stillschweigende Verbesserung von Tippfehlern und Ähnlichem wird nicht als Änderung verstanden). Soweit Auszüge und deren Übersetzung aus fremden Werken den Umfang eines wissenschaftlichen Zitats überschreiten, wurde die schriftliche Einwilligung des Urhebers/der Urheberin zur Wiedergabe, Übersetzung und Verbreitung im Rahmen der Masterarbeit eingeholt. Insbesondere erklärt die Autorin, dass durch die Herausgabe des Werkes nicht die Ansprüche oder Rechte Dritter oder das Strafgesetz verletzt werden. Der Autorin bleibt es freigestellt, die Masterarbeit anderweitig zu veröffentlichen oder im Internet bereitzustellen. Hiermit erkläre ich mich mit der beschriebenen Online-Veröffentlichung der Masterarbeit durch die FH Burgenland einverstanden. x Ja O Nein Gleisdorf, am 18.08.2019 (Unterschrift) II
Danksagung Danke - meinem Lebensgefährten und meiner Familie, die mir erneut ermöglicht haben, berufsbegleitend zu studieren. Ohne eure Hilfe wäre das nicht möglich gewesen. Danke - meinen Studienkolleginnen und Studienkollegen für die Zusammenarbeit und die großartigen gemeinsamen zwei Jahre. Es hat auch (meistens) viel Spaß gemacht. Danke - meinem Betreuer, Herrn Assessor Dipl.-Jur. Friedrich Ekkehart Seeber, für die Geduld und die Ratschläge, die wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Doris Höfler Gleisdorf, 18. August 2019 III
Kurzfassung Die intensiv diskutierte Arbeitszeitrechtnovelle 2018, die die Einführung des sogenannten ‚12-Stunden-Tages‘ brachte, wurde im Regierungsprogram 2017–2022 mit zwei Begründungen verabschiedet: 1. Flexibilisierung der Arbeitszeit, um international konkurrenzfähig zu bleiben 2. Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit Im Rahmen dieser Masterarbeit wurde der Frage nachgegangen, ob sich durch die Arbeitszeitrechtnovelle 2018 neue Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsvereinbarungen bzw. Einzelvereinbarungen ergeben, um familienfreundliche Arbeitszeiten zu fördern. Familienfreundliche Arbeitszeit wird im Wesentlichen mit Arbeitszeitflexibilisierung gleichgesetzt. Die vorhandenen Arbeitszeitmodelle wie gleitende Arbeitszeit, Elternteilzeit und Pflegeteilzeit sowie die Möglichkeiten von Homeoffice bzw. Telearbeit wurden auf Auswirkungen untersucht, die sich durch die Arbeitszeitrechtnovelle ergeben. Des Weiteren wurden ausgewählte Kollektivverträge auf die Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Normalarbeitszeit bei Gleitzeitvereinbarungen, Verbrauch von Zeitguthaben und Besonderheiten bei der Verteilung der Normalarbeitszeit in den Fokus genommen. Als Resultat haben sich einige aufschlussreiche Anpassungsmöglichkeiten ergeben, jedoch wurden diese lediglich in einer geringen Zahl der analysierten Kollektivverträge realisiert. Eine durchgehende Anpassung an die neuen Regelungen, z. B. die Möglichkeit, 12-Stunden- Normalarbeitszeit bei gleitender Arbeitszeit einzuführen, konnte nicht festgestellt werden. Zur Analyse, welche Änderungen in Bezug auf Arbeitszeiten angestrebt werden, wurden vier aktuelle Studien zum Thema Familienarbeitszeit im Hinblick auf die Erwartungen und Trends untersucht und mit den umgesetzten Änderungen aus der Arbeitszeitrechtnovelle verglichen. Die Erweiterung der Normalarbeitszeit im Rahmen der Gleitzeit auf bis zu 12 Stunden pro Tag wird als wesentliche Gestaltungsmöglichkeit auf betrieblicher Ebene identifiziert. Andere Änderungen, wie das unbegründete Ablehnungsrecht der 11. bzw. 12. Überstunde mildern die negativen Auswirkungen der Erhöhung der Gesamtarbeitszeit, bieten jedoch für Betriebe keine weiteren Gestaltungsmöglichkeiten IV
Die Erweiterung des Personenkreises, für den das AZG keine Anwendung findet, eröffnet umfassende Gestaltungsmöglichkeiten. In Bezug auf familienfreundliche Arbeitszeiten kann dies jedoch nicht als allgemein zu empfehlende Maßnahme betrachtet werden. Wesentliche Verbesserungen zu den Gestaltungsspielräumen für vertragliche Vereinbarungen zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen konnten anhand der durchgeführten Analyse der die Arbeitszeitrechtnovelle 2018 nicht konstatiert werden. Außerhalb der zentralen Fragestellung konnten jedoch wiederholt einzelne Verbesserungen zum Thema familienfreundliche Arbeitszeiten festgestellt werden. V
Abstract The 2018 amendment to the Austrian legislation that regulates working time was introduced following the government programme for 2017-2022 with the following two justifications: 1. The newly provided flexibility in working hours would enable Austria to stay competitive internationally, and 2. These working hours would improve the compatibility of family, work and leisure. This master's thesis examined whether the 2018 amendment of the working time regulations opened up new possibilities for company or individual agreements in order to promote family-friendly working hours. Family-friendly working hours are essentially equated with flexible working hours. The available working time models, such as flexible working hours, parental leave and part- time care, together with the possibilities of a home office and teleworking, were examined in order to detect the influence on the 2018 amendment of working time regulations. Furthermore, a selection of collective agreements was analysed in order to ascertain the influence of the implementation of the new legal requirements with regard to normal working hours for flex-time agreements, the use of time credits, and special features in the distribution of normal working hours. This resulted in the discovery of some interesting adjustments, but these were only performed in a few of the collective agreements analysed. A continuous adaptation to the new regulations, such as the established possibility of 12 hours of normal working time within a working shift, could not be confirmed. In order to determine which changes in working hours are desired, four recent studies on family working time were analysed and compared with the new regulations from the 2018 amendment of working time regulations. The extension of normal working hours in the context of flex-time to up to 12 hours per day was identified as an essential instrument at the company level. Other changes, such as the unfounded right of refusal of the 11th and 12th overtime working hours, mitigate the negative effects of increasing total working time, but do not provide any further opportunities at the company level. VI
The expansion of the group of people to whom the working time regulations do not apply opens up extensive options for configurations in agreements. However, this cannot be regarded as a generally recommended measure with regard to family-friendly working hours. The analysis conducted was unable to confirm significant improvements in terms of freedom of choice with regard to contractual agreements between employers and employees. In addition to the main topic of this master’s thesis, small improvements were found in relation to the topic of family-friendly working hours. VII
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung ................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung ........................................................................................ 1 1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage ............................................................... 4 1.3 Aufbau und Forschungsmethode ................................................................ 4 2 Familienfreundliche Arbeitszeit ............................................................... 7 2.1 Definition familienfreundlicher Arbeitszeit ................................................... 7 2.2 Arbeitszeitflexibilisierung ........................................................................... 9 2.2.1 Definition und Rechtsquellen ..................................................................... 9 2.2.2 Verteilung und Lage der Arbeitszeit ...........................................................10 2.2.3 Regelungen durch Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung zur Normalarbeitszeit.....................................................................................12 2.2.4 Gleitende Arbeitszeit ................................................................................13 2.2.5 Teilzeitarbeit ...........................................................................................16 2.2.5.1 Elternteilzeit ..........................................................................................17 2.2.5.2 Pflegeteilzeit .........................................................................................18 2.3 Homeoffice/Telearbeit ..............................................................................19 3 Arbeitszeitrechtnovelle 2018 ................................................................ 21 3.1 Änderungen bei gleitender Arbeitszeit .......................................................21 3.1.1 Erweiterung der Normalarbeitszeit ............................................................22 3.1.2 Normalarbeitszeit vs. angeordnete Überstunden .........................................23 3.1.3 Bestehende Gleitzeitvereinbarungen ..........................................................26 3.2 Höchstgrenzen der Arbeitszeit...................................................................27 3.3 Ablehnungsrecht für die 11. und 12. Überstunde ........................................30 3.4 Erweiterung des Personenkreises, für den das AZG keine Anwendung findet .33 3.5 Umsetzung der Neuerungen zu Gleitzeit und Höchstarbeitszeit in Kollektivverträgen ....................................................................................37 4 Familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung ............................................ 42 4.1 Erwartungen und Trends für familienfreundliche Arbeitszeiten .....................43 4.2 Die Arbeitszeitrechtnovelle 2018 und ihre Umsetzung vs. Trends sowie aktuelle Daten zur Arbeitszeit in Familien ...................................................47 4.3 Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten .......................................................50 5 Ergebnisse und Schlussfolgerungen ...................................................... 55 6 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................... 58 VIII
7 Verzeichnisse ........................................................................................ 60 7.1 Literaturverzeichnis ................................................................................. 60 7.2 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. 63 7.3 Abbildungsverzeichnis .............................................................................. 63 7.4 Tabellenverzeichnis ................................................................................. 63 8 Anhang .................................................................................................. 64 IX
1 Einleitung 1.1 Problemstellung Arbeitszeitregelungen in Österreich sind in zahlreichen Bereichen restriktiver, als es die Europäische Arbeitszeitrichtlinie vorgibt. Das Regierungsprogramm 2017–2022 beinhaltet daher eine von der Wirtschaft geforderte Flexibilisierung der Arbeitszeit, mit der es ermöglicht werden soll, Arbeitsspitzen in Unternehmen besser abzudecken und im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Gleichzeitig soll mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit optimiert werden.1 Im September 2018 ist eine Arbeitszeitrechtnovelle in Kraft getreten, mit der diese Anpassungen realisiert werden sollen.2 In den Medien wurde nach Bekanntwerden der Änderungspläne vor allem die Erhöhung der maximalen Arbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche intensiv diskutiert und von ArbeitnehmerInnenvertretern kritisiert. Es bestehen besonders für die Umsetzung dieser Änderungen in der Praxis noch zahlreiche Fragen. Hierzu gehört z. B. die Frage, wie Regelungen zur maximalen Arbeitszeit in den Kollektivverträgen und den Betriebsvereinbarungen angepasst bzw. geändert werden. Der Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen für eine maximale Wochenstundenanzahl von 48 im Durchschnitt bleibt unverändert bestehen. Beschlossen wurde eine unbegründete Ablehnungsmöglichkeit der 11. und 12. Arbeitsstunde pro Tag. Eine Überprüfung, ob Benachteiligungen durch die unbegründete Ablehnung entstehen, scheint jedoch schwer durchführbar. Ein Änderungsbedarf besteht bei Gleitzeitvereinbarungen, soweit eine Umsetzung der neuen Gesetzeslage von den Betrieben gewünscht und von den Kollektivvertragspartnern zugelassen wird.3 Eine weitere Änderung, die mit der Novelle in Kraft getreten ist, betrifft eine Erweiterung der Ausnahmen für Personen, für die das AZG nicht zur Anwendung kommt. Nahe Angehörige von BetriebsinhaberInnen gehören danach nicht mehr zu diesem 1 Quelle: 138 ff. 2 Vgl. Ihradská in Rauch/Ihradská/Noga, AZG Neu Novelle 2018 zum Arbeitszeitrecht (2018) 1 ff. 3 Vgl. Schrank, Arbeitszeit-Betriebs- und -Einzelvereinbarungen Auswirkungen der Arbeitszeitnovellierung – Anwendungsprobleme? Anwendungschancen?, Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht 2018/5, 268. 1
Personenkreis. Auch die Gruppe der leitendenden Angestellten wurde erweitert, für die das AZG keine Anwendung findet. Es stellt sich die Frage, inwieweit die genannten Änderungen im Arbeitszeitrecht eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit bewirken sollen. Hierzu werden in den Medien häufig längere, zusammenhängende Freizeitblöcke erwähnt. Weiters wird die Ad-hoc-Wahl, ob eine Auszahlung der Überstunden oder die Umwandlung in Zeitausgleich von ArbeitnehmerInnen gewünscht wird, als Vorteil für alle Überstunden genannt, die 10 Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche überschreiten.4 Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird in einer Studie von Hajek Public Opinion Solutions aus dem Jahre 2014 nach der Bezahlung als zweitwichtigstes Entscheidungskriterium bei der Jobauswahl angeführt.5 Um diese Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu bewältigen, ist für Frauen die Teilzeitarbeit eine häufig gewählte Arbeitsform. Um sich der Kinderbetreuung zu widmen, reduzieren Männer im Vergleich dazu die Arbeitszeit selten. Die am häufigsten gewählte Form ist folgende: Der Vater übt eine Vollzeitbeschäftigung aus, die Mutter nimmt nach dem Mutterschutz eine Karenz in Anspruch und arbeitet im Anschluss in einer Teilzeitbeschäftigung, bis die Kinder im Teenageralter sind oder auch über diesen Zeitraum hinaus. Die Aufteilung der Erwerbsarbeit, wie z. B. eine Vollzeiterwerbstätigkeit der Frau in Kombination mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit des Mannes oder eine Teilzeiterwerbstätigkeit beider Partner, waren in Österreich mit ca. 4 % auch im Jahr 2016 relativ selten anzutreffen. Obwohl eine Steigerung von 2 % seit 2006 verzeichnet werden kann, sind die absoluten Zahlen nach wie vor gering. An der traditionellen Rollenverteilung hat sich im Berufsleben nach den zuvor genannten Zahlen der Statistik Austria in den vergangenen Jahren wenig geändert. Die Anzahl der erwerbstätigen Frauen ist zwischen 1996 und 2016 um 10,6 Prozentpunkte von 65,6 % auf 76,2 % gestiegen. Eine Änderung der Verteilung der Arbeitszeit von Eltern konnte jedoch bis dato nicht gezeigt werden. 6 4 Quelle: 138 ff. 5 Vgl. Mantler, Telearbeit – Worauf ist bei der Vereinbarung zu achten?, ARD 6478/5/2015 (3). 6 Quelle: 2
Das Ergebnis einer FORBA-Studie, die im Auftrag der Arbeiterkammer im April 2018 veröffentlicht wurde, zeigt, dass Eltern die Erwerbsarbeit besser aufteilen wollen. Teilzeitbeschäftigte Frauen wünschen sich eine höhere Arbeitszeit, vollzeitbeschäftigte Frauen und Männer würden wiederum ihre Arbeitszeit gerne verringern.7 Die im vergangenen Jahr in Kraft getretene Arbeitszeitrechtnovelle wird von der Arbeiterkammer als negativer Einfluss auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeführt. Befürchtet wird u. a., dass dadurch die Rolle des Vaters als alleiniger Familienernährer weiter festgeschrieben wird. Als Grund für diese Vermutung wird angeführt, dass es für Mütter komplizierter ist, eine Vollzeitbeschäftigung anzunehmen, wenn Überstunden im zulässigen maximalen Ausmaß mit der Kinderbetreuung nicht vereinbar sind. Unternehmen wollen sich familienfreundlich präsentieren und auf diese Weise attraktiv für qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erscheinen.8 Hier entsteht ein Spannungsfeld zwischen den rechtlichen Möglichkeiten und den Interessen der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Es stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, die Vorteile der Arbeitszeitrechtnovelle aus Unternehmenssicht zu nutzen und dabei die Belange von ArbeitnehmerInnen mit Familie optimal zu berücksichtigen. Weiter ist zu klären, wie die Arbeitszeitrechtnovelle in den ersten Monaten umgesetzt wurde bzw. welche Auswirkungen sie auf Kollektivverträge und auf Betriebsvereinbarungen und einzelvertragliche Vereinbarungen hat. 7 Vgl. Stadler/Mairhuber, Arbeitszeit von Paaren – Aktuelle Verteilung und Arbeitszeitwünsche, 3/2017 . 8 Quelle: . 3
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage Abgeleitet aus dem in Kapitel 1.1 beschriebenen Spannungsfeld soll in dieser Arbeit folgende Forschungsfrage beantwortet werden: Welche Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsvereinbarungen bzw. Einzelvereinbarungen ergeben sich aus der Arbeitszeitrechtnovelle 2018, um familienfreundliche Arbeitszeiten zu fördern? Behandelt werden die Themengebiete familienfreundliche Arbeitszeit sowie das Arbeitszeitrecht, hier insbesondere die Änderungen, die sich aus der Arbeitszeitrechtnovelle 2018 ergeben. Es sollen jene Bereiche untersucht werden, die zur Gestaltung von Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen relevant sind. Anhand aktueller Statistiken und Studien zum Thema Familienarbeitszeit in Österreich sollen die Erwartungen und Trends identifiziert und die Gestaltungsmöglichkeiten darauf abgestimmt werden. Eine vollständige Darstellung der Arbeitszeitrechtnovelle 2018 oder eine Auflistung aller Maßnahmen für familienfreundliche Betriebe sind nicht das Ziel der Arbeit. 1.3 Aufbau und Forschungsmethode Für die Antwort auf die Forschungsfrage wird zu Beginn eine Definition des Begriffs familienfreundliche Arbeitszeit erarbeitet, im nächsten Schritt werden die für das Thema relevanten Bereiche des Arbeitszeitrechts betrachtet. Dabei wird vor allem auf die Arbeitszeitrechtnovelle 2018 und ihre Auswirkungen eingegangen. Es sollen die Bereiche untersucht werden, die für das Gestalten von Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen relevant sind. Anhand aktueller Statistiken und Studien zum Thema Familienarbeitszeit in Österreich sollen die Erwartungen und Trends identifiziert und die Gestaltungsmöglichkeiten darauf abgestimmt werden. Anhand der Analyse von vier aktuellen Studien bzw. Forschungsberichten zu diesem Thema werden die Handlungsfelder für Betriebe ermittelt und Handlungsempfehlungen erarbeitet zum Gestalten von Betriebsvereinbarungen und einzelvertraglichen Regelungen zur Arbeitszeit. Die Auswahl der Studien erfolgte nach drei Kriterien: 4
Aktualität, Relevanz des Themas sowie Berücksichtigung von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnenseite. Folgende vier Studien wurden ausgewählt: Wernhart et al., Familienzeit – Wie die Erwerbsarbeit den Takt vorgibt: Perspektiven zu einer Neugestaltung der Arbeitszeit (Forschungsbericht / Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien, 25), (2018) Stadler/Mairhuber, Arbeitszeit von Paaren – Aktuelle Verteilung und Arbeitszeitwünsche, 3/2017 Bock-Schappelwein et al., Österreich 2025: Arbeitszeitverteilung in Österreich Analyse und Optionen aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (2017) Wernhart et al., Auswirkungen familienfreundlicher Maßnahmen auf Unternehmen: Eine Untersuchung bei auditierten Unternehmen (Working Paper / Österreichisches Institut für Familienforschung, 89) (2018) Zur Untersuchung der Studien wird eine strukturierte Inhaltsanalyse gewählt. Dabei werden die Textmaterialien (in diesem Fall die genannten Studien) unter bestimmten Kriterien untersucht, um spezifische Aspekte hervorzuheben.9 Diese Art der Inhaltsanalyse wird gewählt, um in erster Linie die Aspekte des Arbeitszeitrechts in Zusammenhang mit Familienfreundlichkeit in den Fokus zu nehmen. Das Studienmaterial wird durch die Strukturierung unter zwei Aspekten aufgearbeitet und inhaltlich strukturiert. Die Inhaltsanalyse wird in Anlehnung an das Ablaufmodell einer strukturierten Inhaltsanalyse von Mayring durchgeführt.10 Ihre Ergebnisse werden in dieser Arbeit verwendet zur Identifizierung der aktuellen Trends und Erwartungen der ArbeitnehmerInnen sowie ArbeitgeberInnen in Zusammenhang mit Arbeitszeit und Familienfreundlichkeit. Des Weiteren werden die Ergebnisse herangezogen zum Erarbeiten der Gestaltungsmöglichkeiten von Betriebsvereinbarungen und einzelvertraglichen Regelungen. 9 Vgl. Ebster/Stalzer, Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler3 (2008) 204. 10 Vgl. Mayring, Qualitative Inhaltsanalyse11 (2010) 95 f. 5
Für die Ermittlung des Norminhalts der in dieser Arbeit relevanten Gesetze bzw. Kollektivverträge werden vier Interpretationsmethoden angewendet. Dabei handelt es sich um die grammatikalische, die systematisch-logische, die historische und die objektiv-teleologische Interpretation.11 Insbesondere die Interpretation der Änderungen durch die Gesetzesnovelle und die Auswirkungen auf Kollektivverträge und auf Betriebsvereinbarungen sowie einzelvertragliche Vereinbarungen werden mithilfe der genannten Interpretationsmethoden dargestellt. Die Auswirkungen auf Bereiche wie Elternteilzeit und flexible Arbeitszeitmodelle können dadurch analysiert und die Gestaltungsmöglichkeiten für eine möglichst familienfreundliche Arbeitszeit ausgearbeitet werden. Abbildung 1: Grafische Darstellung des Forschungsdesigns (eigene Darstellung) 11 Vgl. Kerschner, Wissenschaftliche Arbeitstechnik und Methodenlehre für Juristen6 (2014) 35 f. 6
2 Familienfreundliche Arbeitszeit 2.1 Definition familienfreundlicher Arbeitszeit Unter familienfreundlicher Arbeitszeit wird die Summe aller Maßnahmen in Bezug auf Arbeitszeiten verstanden, die Müttern und Vätern ermöglichen, Familienpflichten bestmöglich mit dem angebotenen Arbeitszeitmodell zu kombinieren. Diese Definition leitet sich aus den in diesem Kapitel beschriebenen Erkenntnissen her. Familienfreundliche Rahmenbedingungen in Unternehmen herzustellen, ist mit einer Reihe sich Maßnahmen möglich, die sich gegenseitig ergänzen. Diese umfassen die Einführung von Telearbeit, flexible Arbeitszeitmodellen, das Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen, Veranstaltungen für die gesamte Familie oder die Integration der Familienpflichten in die Arbeitsorganisation, z. B. durch Regelungen bei der Urlaubsvergabe für Familien mit schulpflichtigen Kindern. Die häufig umgesetzten familienfreundlichen Maßnahmen können in Anlehnung an das Audit berufundfamilie in Handlungsfeldern zusammengefasst werden. Daraus lassen sich konkrete Maßnahmen ableiten, von denen einige beispielhaft im Folgenden aufgelistet sind:12 • Arbeitszeit wie gleitende Arbeitszeit, Tauschbörsen für Dienste innerhalb von Abteilungen, Teilzeitmodelle, Schichtbetrieb • Arbeitsorganisation (z. B. Job-Sharing, familienfreundliche Urlaubsplanung, Sonderurlaube) • Arbeitsort (z. B. Telearbeit, Homeoffice) • Integration des Themas Familienfreundlichkeit in die Unternehmensgrundsätze und die Umsetzung in Bereichen wie Führung, Recruiting, Arbeitsorganisation • Auszeitenmanagement für längere Abwesenheiten wie Karenz, Papamonat, unbezahlte Urlaube etc. sowie Unterstützung beim Wiedereinstieg • Finanzielle Unterstützung, wie Zuschüsse und Geschenke zu persönlichen Anlässen, Nutzung der Infrastruktur der ArbeitgeberInnen, Darlehen für MitarbeiterInnen, Wahlmöglichkeit beim Überstundenausgleich zwischen Freizeit und Prämie • Angebot von Kinderbetreuung durch ArbeitgeberInnen oder die finanzielle Unterstützung dabei 12 Vgl. Mertinz, Familienfreundlichkeit im Betrieb – Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus Arbeitgebersicht, ecolex 2015/3, 225 f (224). 7
Arbeitszeitflexibilisierung ist in diesem Zusammenhang das wesentliche Instrument für familienfreundliche Arbeitszeiten. Das bedeutet eine möglichst frei wählbare Arbeitszeit in Lage und Dauer sowie die Möglichkeit einer zumindest temporären Reduktion der Arbeitszeit. Unter Familienfreundlichkeit wird neben dem Ermöglichen der Kindererziehung trotz Berufsausübung auch die Pflege anderer Angehörigen verstanden. Eine steigende Anzahl pflegebedürftiger Personen durch den demographischen Wandel, die von erwerbstätigen Personen betreut werden, macht auch die Pflege von Angehörigen zu einem Thema, dessen Bedeutung in der Arbeitswelt zunimmt.13 Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hängt nicht nur von arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen und Rahmenbedingungen ab. Arbeitsorganisation, Unternehmenskultur und Recht können als Spannungsfeld betrachtet werden, in dem sich die Personalverantwortlichen in einem Unternehmen bewegen, wenn Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geplant werden.14 Familienfreundliche Arbeitgeber stellen unabhängig von der Arbeitszeit die tatsächlich erbrachte Leistung in den Vordergrund. Die Übertragung der Verantwortung über die Arbeitszeit auf Arbeitnehmerinnen ist im österreichischen Arbeitsrecht jedoch nicht enthalten. Ein im Arbeitsrecht kritisch betrachtetes Arbeitszeitmodell, die Vertrauensarbeitszeit, kommt diesem Ansatz am nächsten.15 In dieser Arbeit geht es in erster Linie um die arbeitszeitrechtlichen Rahmenbedingungen. Eine isolierte Betrachtung der rechtlichen Gegebenheiten ist nicht möglich, daher werden auch politische, kulturelle und organisatorische Aspekte betrachtet, soweit dies als sinnvoll und notwendig angesehen wird. Im Idealfall sollten diese Maßnahmen ohne Benachteiligungen bei der Karriereplanung, Gehaltserhöhungen etc. angewendet werden können, um von familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen zu sprechen. 13 Vgl. Behrens et al., Familie – Beruf – Karriere Daten, Analyse und Instrumente zur Vereinbarkeit (2018) 1. 14 Vgl. Rieder/Mertinz/Wenzl, Familienfreundlichkeit im Betrieb (2014) 2 ff. 15 Vgl. Mertinz, Familienfreundlichkeit im Betrieb – Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus Arbeitgebersicht, Ecolex 3/2015, 225. 8
2.2 Arbeitszeitflexibilisierung Unter dem Begriff Arbeitszeitflexibilisierung werden verschiedene Arbeitszeitmodelle zusammengefasst. Die Grundidee ist Arbeitszeit, die über die Normalarbeitszeit von 40 Stunden hinausgeht, in bestimmten begrenzten Zeiträumen durch kürzere Arbeitszeiten zu einem anderen Zeitpunkt und ohne Zuschlag wieder abzubauen. Diese Schwankungen richten sich meist nach den betrieblichen Erfordernissen. Formen von Zeitkonten sind Jahresarbeitszeitmodelle und Bandbreitenmodelle mit schwankender Normalarbeitszeit. Bei der sogenannten Gleitzeit hingegen obliegt es grundsätzlich dem Mitarbeiter bzw. der Mitarbeiterin, darüber zu entscheiden, wann Stunden aufgebaut und wann diese wieder abgebaut werden.16 2.2.1 Definition und Rechtsquellen Im Arbeitszeitrecht wird unter Flexibilisierung die Summe jener Mechanismen verstanden, mit denen ein Arbeitsvertrag an die konkreten Verhältnisse und Erfordernisse im Unternehmen angepasst werden kann. Es werden zwei Bereiche unterschieden:17 • die Verteilungsflexibilität (die Verteilung einer generell fixierten Arbeitszeit) • die Ausmaßflexibilität (die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu erhöhen oder zu reduzieren) Gesetzliche Bestimmungen zur Arbeitszeit sind in erster Linie im Arbeitszeitgesetz (AZG) und im Arbeitsruhegesetz (ARG) enthalten. Weitere Regelungen zur Arbeitszeit sind in den jeweils gültigen Kollektivverträgen und auch in Betriebsvereinbarungen möglich. Teilweise sind zum Gesetz abweichende Regelungen realisierbar, sofern durch die sogenannten Zulassungsnormen eine abweichende Regelung ermöglich wird.18 Als Arbeitszeit wird im Sinne des § 2 Abs 1 AZG die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen verstanden. Als Beginn wird die Aufnahme der vereinbarten Arbeit oder der Zeitpunkt beschrieben, zu dem der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin zur 16 Vgl. Klein in Gärtner/Klein/Lutz (Hrsg.), Arbeitszeitmodelle. Handbuch zur Arbeitszeitgestaltung4 (2017) 47. 17 Vgl. Tomandl, Möglichkeiten der Arbeitszeit-Flexibilität für ArbeitgeberInnen in Risak (Hrsg.), Wie bewältigt das Recht Moderne Formen der Arbeit? (2016) 60. 18 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/365–6/366. 9
Erbringung der Arbeit zur Verfügung steht. Wegzeiten und Vorbereitungszeiten können auch zur Arbeitszeit zählen, dies hängt jedoch ab von der Tätigkeit und den kollektivvertraglichen bzw. einzelvertraglichen Regelungen.19 2.2.2 Verteilung und Lage der Arbeitszeit Die Lage der Arbeitszeit definiert sich über den täglichen Beginn und das Ende der Arbeit sowie die Aufteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf die Arbeitstage in einer Woche.20 Die Definition einer Normalarbeitszeit pro Tag bzw. pro Woche dient zur Abgrenzung der Überstundenarbeit.21 Laut § 3 AZG ist die tägliche Normalarbeitszeit mit 8 Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche begrenzt, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist. In §§ 4–5a sowie §§ 18 und 19a AZG sind die Möglichkeiten beschrieben, die tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit auszuweiten. In den meisten Fällen ist die Zulässigkeit im gültigen Kollektivvertrag bzw. in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen.22 Die Lage der Normalarbeitszeit und ihre Änderung ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, soweit sie nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt wird (§ 19c Abs 1 AZG). Vorteil aus Unternehmenssicht für die Verlängerung der Normalarbeitszeit ist die Reduzierung von Überstunden und des daraus resultierenden Überstundenzuschlags. Längere Arbeitszeiten werden somit für den Arbeitgeber günstiger.23 Eine Änderung der Verteilung der Normalarbeitszeit kann jedoch auch Vorteile für die Mitarbeiterin und den Mitarbeiter bringen. Es wird z. B. die Möglichkeit von Fenstertagen geboten.24 Des Weiteren sehen einige Kollektivverträge zudem eine Reduktion der wöchentlichen Normalarbeitszeit vor.25 Im AZG wurden in den vergangenen Jahren mehr Möglichkeiten geschaffen, vom starren Modell der Normalarbeitszeit abzuweichen. Dadurch soll eine Flexibilisierung der Normalarbeitszeit zur Anpassung an die Bedürfnisse von ArbeitnehmerInnen und 19 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/368–6/370. 20 Vgl. ebd., Rz 6/368–6/376. 21 Vgl. Auer-Mayer in AZG4 § 3 AZG Rz 1. 22 Vgl. ebd., § 3 AZG Rz 3. 23 Vgl. ebd., § 3 AZG Rz 4. 24 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/386. 25 Vgl. Auer-Mayer in AZG4 § 3 AZG Rz 6. 10
ArbeitgeberInnen ermöglicht werden. Der Gesetzgeber hat hierzu in erster Linie die Kollektivvertragsparteien bevollmächtigt. Die Kollektivvertragsparteien können wiederum ihre Zulassungsbefugnis laut § 1a AZG auf die betriebliche Ebene (Betriebsvereinbarung) weitergeben. Direkte Regelungen in Einzelvereinbarungen zur Änderung der Normalarbeitszeit sind nur in wenigen Fällen möglich. Diese sind nachfolgend aufgelistet:26 • Die tägliche Normalarbeitszeit kann zur Erreichung einer längeren Freizeit abweichend aufgeteilt und auf ein Maximum von 9 Stunden ausgeweitet werden (§ 4 Abs 2 AZG). • Eine ähnliche Regelung ist durch die Möglichkeit von Fenstertagen vorgesehen. • Ohne eine zuvor genannte Zweckbindung ist die Ausdehnung der Normalarbeitszeit nur im Handel möglich (§ 4 Abs 4 AZG). Für alle anderen Abweichungen ist eine Erlaubnis nach dem AZG, im Kollektivvertrag bzw. in einer Betriebsvereinbarung notwendig.27 Die elternbedingte Änderung der Lage der Arbeitszeit ist eine weitere Möglichkeit, für ArbeitnehmerInnen die Gestaltung der Arbeitszeit an die familiäre Situation anzupassen. ArbeitnehmerInnen können nach der Geburt eines Kindes – unabhängig von Karenz oder Teilzeitbeschäftigung – die Lage der Arbeitszeit ändern und Betreuungspflichten nachzukommen. Der Anspruch auf diese elternbedingte Änderung der Lage der Arbeitszeit richtet sich nach den Regelungen zur Elternteilzeit § 15p MSchG bzw. § 8h VKG.28 26 Vgl. Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 (2017) 163 f. 27 Vgl. Auer-Mayer in AZG4 § 3 AZG Rz. 9. 28 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz. 7/230–7/232. 11
2.2.3 Regelungen durch Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung zur Normalarbeitszeit Folgende Inhalte können durch Kollektivverträge und in Betriebsvereinbarungen29 zur Lage, Höhe und Verteilung der Normalarbeitszeit geändert werden: Verringerung der wöchentlichen Normalarbeitszeit: Die in § 3 Abs 1 AZG definierte Normalarbeitszeit von 40 Stunden kann im Kollektivvertrag verringert werden. Nach § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG ist die Regelungskompetenz für Kollektivverträge hier gegeben. Als Folge daraus entstehen beim Überschreiten der verringerten Normalarbeitszeit bis zur Normalarbeitszeit laut AZG Differenzstunden. Die Rechtsfolge wird im Kollektivvertrag definiert; möglich ist eine Abgeltung als Überstunde bzw. durch einen im Kollektivvertrag festgelegten Zuschlag. Überstundenarbeit im Sinne des § 6 AZG und somit auch zuschlagspflichtige Überstunden liegt jedoch erst bei einer Überschreitung der gesetzlich festgelegten Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden vor. Weiter besteht das Recht des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, diese Differenzstunden oder Mehrarbeitsstunden – analog zur Vorgehensweise bei Überstunden – aus berücksichtigungswürdigen Gründen abzulehnen.30 Begrenzung der Lage der Arbeitszeit: Die Lage der Arbeitszeit kann durch den Kollektivvertrag festgelegt werden. Demnach kann bestimmt werden, dass die Normalarbeitszeit nicht vor bzw. nicht nach einer bestimmten Uhrzeit beginnen darf.31 29 Eine abweichende längere Normalarbeitszeit wird vom AZG durch die Regelung in einer Betriebsvereinbarung teilweise ermöglicht. Entweder direkt, entsprechend der Regelungen in § 4 Abs 2 und 8 AZG bzw. § 4b Abs 2 oder es wird die Regelungskompetenz auf den Kollektivvertrag übertragen. Auer-Mayer in AZG4 § 3 AZG Rz 8. 30 Vgl. Auer-Mayer in AZG4 § 3 AZG Rz. 6. 31 Vgl. Auer-Mayer in AZG4 § 3 AZG Rz. 7. 12
Erhöhung bzw. andere Verteilung der Normalarbeitszeit:32 1) Der Kollektivvertrag kann eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 10 Stunden zulassen (§ 4 Abs 1 AZG). 2) Zur Erreichung einer längeren Freizeit, die mit der wöchentlichen Ruhezeit oder einer Ruhezeit gem. § 12 AZG zusammenhängen muss, kann die Normalarbeitszeit an einzelnen Tagen regelmäßig gekürzt und auf die übrigen Tage verteilt werden. 3) Zur Einarbeitung von Werktagen in Verbindung mit Feiertagen (Fenstertage) laut § 4 Abs 3 AZG 4) Eine andere ungleichmäßige Verteilung der Normalarbeitszeit innerhalb einer Woche kann auch durch Betriebsvereinbarung (in Betrieben ohne Betriebsvereinbarung durch das Arbeitsinspektorat) zugelassen werden, wenn es die Art des Betriebes erfordert (§ 4 Abs 2 AZG). 5) Verteilung der Normalarbeitszeit auf 4 Arbeitstage (sogenannte 4-Tage- Woche) 6) Erhöhung der Durchrechnungszeiträume in verschiedenen Branchen, wobei in einzelnen Wochen die Normalarbeitszeit auf bis zu 50 Stunden erhöht wird und in einem definierten Durchrechnungszeitraum jedoch nicht mehr als die gesetzlich festgelegten 40 Stunden Normalarbeitszeit geleistet werden dürfen. Zeitschulden und Zeitguthaben aus diesen Arbeitszeitverteilungen nach § 4 Abs 4 und 6 AZG können seit der Arbeitszeitrechtnovelle 2018 und der damit erfolgten Abänderung des Abs 7 durch die dort enthaltenen Bestimmungen mehrmals in den nächsten Zeitraum übertragen werden.33 7) Eine Umverteilung der Normalarbeitszeit im Schichtbetrieb ist ebenso möglich. Um bei einem vollkontinuierlichen Schichtbetrieb einen Schichtwechsel zu ermöglichen, darf die Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden ausgeweitet werden. Durch eine Betriebsvereinbarung kann diese Ausdehnung auch für den Schichtwechsel am Wochenende vorgenommen werden bzw. kann in einzelnen Wochen die Normalarbeitszeit auf 56 Stunden erweitert werden.34 2.2.4 Gleitende Arbeitszeit Eine weitere Möglichkeit, die Verteilungsflexibilität der Arbeitszeit zu erhöhen, ist die gleitende Arbeitszeit. Bei einer gleitenden Arbeitszeit werden keine starr vorgegeben Beginn- und Endzeiten der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit vom Unternehmen vorgegeben. Im Rahmen einer definierten Bandbreite (Gleitzeit) können die 32 Anm: Die hier erstellte Zusammenfassung der wesentlichen Punkte für diese Arbeit, es handelt sich um keine vollständige Aufzählung der Möglichkeiten; branchenspezifische Punkte wurden nicht genannt, für eine vollständige Liste wird auf § 4 AZG verwiesen. 33 Vgl. Ihradská in Rauch/Ihradská/Noga, AZG Neu Novelle 2018 zum Arbeitszeitrecht, ASoK Arbeits- und Sozialrechtskartei 2018/22, 14. 34 Vgl. Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 (2017) 165. 13
ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitszeit frei einteilen. In zahlreichen Fällen wird jedoch eine Kernzeit definiert, zu der alle MitarbeiterInnen anwesend sein müssen, um einen geregelten Betrieb zu ermöglichen. Die Gleitzeit muss in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden bzw. in Betrieben ohne Betriebsrat durch schriftliche Einzelvereinbarung mit jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin. Die tägliche Normalarbeitszeit darf generell 10 Stunden nicht überschreiten.35 Mit der Arbeitszeitrechtnovelle 2018 wurde jedoch in § 4b Abs 4 AZG folgende Regelung eingeführt: Die tägliche Normalarbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden ist zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit den Ruhezeiten nicht ausgeschlossen ist. Die wöchentliche Normalarbeitszeit darf innerhalb der Gleitzeitperiode die wöchentliche Normalarbeitszeit gemäß § 3 AZG im Durchschnitt nur so weit überschreiten, wie Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben vorgesehen sind. Die Auswirkungen der Änderung der maximalen Normalarbeitszeit werden im Kapitel 3 zur Arbeitszeitrechtnovelle 2018 detaillierter betrachtet. Eine Erläuterung zum Thema Betriebsvereinbarungen über die Arbeitszeit wird nachfolgend beschrieben: In § 29 ArbVG ist eine Betriebsvereinbarung wie folgt definiert: „Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen, die vom Betriebsinhaber einerseits und dem Betriebsrat36 andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag Betriebsvereinbarungen vorbehalten ist.“ Betriebsvereinbarungen, die den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage und Dauer von Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage betreffen, sind sogenannte erzwingbare Betriebsvereinbarungen, die in § 97 Abs 1 Z 1 bis 6a ArbVG geregelt sind. Kommt keine Einigung zwischen BetriebsinhaberIn und Betriebsrat zustande, kann die Schlichtungsstelle 35 Vgl. Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 (2017) 167. 36 Anm: Der Betriebsrat ist das Interessenvertretungsorgan der ArbeitnehmerInnen auf Betriebsebene. In § 40 ff ArbVG sind die Voraussetzungen für eine Bestellung sowie die notwendigen Organe der Arbeitnehmerschaft definiert. 14
(§ 97 Abs 2 ArbVG) hinzugezogen werden, wenn zu diesem Zeitpunkt der zu regelnde Gegenstand nicht im Kollektivvertrag enthalten ist. Eine etwaige Entscheidung der Schlichtungsstelle gilt als Betriebsvereinbarung.37 Die häufigste und bedeutendste Anwendung von Betriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit ist die Gleitzeitvereinbarung. Wenn ein Betriebsrat besteht, muss diese zwingend erstellt werden.38 Die Betriebsvereinbarung muss dem in § 4b Abs 3 AZG genannten Mindestinhalt entsprechen. Ist in einem Betrieb kein Betriebsrat vorhanden, kann eine einzelvertragliche Regelung mit den MitarbeiterInnen vereinbart werden. Die Anforderungen an den Mindestinhalt sind denen der Betriebsvereinbarung gleich.39 Mindestinhalte einer Gleitzeitvereinbarung gemäß § 4b Abs 3 AZG sind: • die Dauer der Gleitzeitperiode • der Gleitzeitrahmen • das Höchstmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächste Gleitzeitperiode • Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit. 37 Vgl. David/Knell, Betriebsvereinbarungen kompakt (2016) 32. 38 Vgl. Risak/Jöst/Patka, Praxishandbuch Gleitzeit (2008) 31. 39 Vgl. ebd., 68 f. 15
2.2.5 Teilzeitarbeit Die Reduktion der Arbeitszeit, die sogenannte Teilzeit, ist in der österreichischen Arbeitswelt von erheblicher Bedeutung. Die Anzahl der in Österreich Beschäftigen, die eine reduzierte Arbeitszeit in ihrem Arbeitsverhältnis haben, ist in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gestiegen. 2017 waren 29,1 % der unselbständig Erwerbstätigen teilzeitbeschäftigt, 80,5 % davon waren Frauen. Abhängig von der Perspektive kann eine Reduktion der Arbeitszeit von Vorteil oder von Nachteil sein. Dadurch wird ermöglicht, Beruf und familiäre Betreuungspflichten zu vereinbaren; auch ArbeitgeberInnen können durch Teilzeitarbeit-Arbeitskräfte flexibler einplanen. Aus Sicht der MitarbeiterInnen ist der erheblichste Nachteil das geringere Einkommen und die schlechteren Chancen bei Beförderungen bzw. der Karriereplanung sowie finanzielle Einbußen bei Pensionszahlungen.40 Teilzeit ist in § 19d AZG geregelt und liegt dann vor, wenn die nach Arbeitsvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche bzw. durch Kollektivvertrag festgelegte Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet. Das Ausmaß und die Lage der Teilzeitarbeit sowie die Änderungen müssen vertraglich vereinbart sein, soweit diese nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt sind. Die Verteilung der Arbeitszeit kann auch ungleichmäßig auf verschiedene Wochentage vereinbart werden, Änderungen des Ausmaßes bedürfen der Schriftform. Eine einseitige Änderung der Lage der Teilzeitarbeit kann nur bei Vorliegen der gleichen Kriterien wie bei Vollzeitbeschäftigten erfolgen. Werden mehr Stunden erbracht als vereinbart, dann liegt gemäß § 19d Abs 3 AZG Mehrarbeit vor, für die generell ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % zu berücksichtigen ist. Dieser kann im Kollektivvertrag – auch zum Nachteil der MitarbeiterInnen – abweichend geregelt sein. Weitere Ausnahmen von der Zuschlagspflicht für Mehrarbeitsstunden sind in § 19d Abs 3b–3e genannt. Stunden, die über die festgelegte Normalarbeitszeit hinausgehen, sind als Überstunden zu bewerten gemäß § 10 Abs 3 AZG.41 In den folgenden beiden Unterkapiteln sind die Sonderformen der Teilzeit näher erläutert. 40 Vgl. Hörmann, Besonderheiten der Teilzeitarbeit, JAP 2/2018/2019, 102 (102). 41 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/413–Rz 6/414. 16
2.2.5.1 Elternteilzeit Im Ergebnis (=Reduktion oder Änderung der Lage der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit) gibt es keinen Unterschied zu einer ‚normalen‘ Teilzeitbeschäftigung. Für Eltern, soweit sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, besteht jedoch ein gesetzlicher Anspruch; zudem haben Eltern weitere andere Vorteile im Vergleich zu der zuvor beschriebenen Teilzeitbeschäftigung. Für die Elternteilzeit kommen §§ 15h–15p MSchG sowie §§ 8–8h VKG zur Anwendung. Die allgemeinen Bestimmungen des § 19d AZG finden im Wesentlichen keine Anwendung.42 Elternteilzeit kann in Anspruch genommen werden längstens bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres des Kindes bzw. bis zu einem etwaigen späteren Schuleintritt, wenn die Voraussetzungen für Elternteilzeit gemäß § 15h Abs 1 MSchG bzw. § 8 VKG erfüllt sind: • Das Dienstverhältnis besteht zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre. • Die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer ist zu diesem Zeitpunkt in einem Betrieb mit mehr als 20 Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen beschäftigt. • Die wöchentliche Normalarbeitszeit wird um mindestens 20 % reduziert, darf jedoch 12 Stunden nicht unterschreiten. Für eine Inanspruchnahme einer Elternteilzeit nach §§ 15h und 15i MSchG bzw. §§ 8 und 8a muss das Kind im gemeinsamen Haushalt leben (§ 15j MSchG bzw. § 8b VKG). Die Teilzeitbeschäftigung kann frühestens nach Ende der Schutzfrist begonnen werden (sowohl für die Mutter als auch für den Vater). Eine Teilzeitbeschäftigung kann auch später angetreten werden. Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin muss schriftlich 3 Monate vor Antritt über Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeit informiert werden. Pro Kind kann Elternteilzeit einmal beansprucht werden. Der Anspruch auf Elternteilzeit wird durch eine Karenz, die der Teilzeit vorausgeht, nicht verkürzt. Ebenso hat die gleichzeitige Inanspruchnahme einer Elternteilzeit durch Vater 42 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz. 6/442. 17
und Mutter keinen Einfluss auf Dauer oder Anspruchsvoraussetzungen. Die detaillierte Ausgestaltung der Rahmenbedingungen obliegt der Vertragsgestaltung zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen. 43 Wenn ein Betrieb weniger als 21 MitarbeiterInnen hat, kann durch eine fakultative Betriebsvereinbarung ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung festgelegt werden. Sämtliche Bestimmungen der gesetzlich festgelegten Elternteilzeit sind in diesem Fall analog anzuwenden.44 In einem Betrieb mit weniger als 21 MitarbeiterInnen bzw., wenn keine Betriebsvereinbarung vorhanden ist, haben ArbeitnehmerInnen die Möglichkeit, eine Teilzeitbeschäftigung mit den ArbeitgeberInnen direkt zu vereinbaren. Diese Möglichkeit besteht auch, wenn das Dienstverhältnis noch keine 3 Jahre vor Antritt der Elternteilzeit besteht und somit kein gesetzlicher Anspruch gegeben ist. Die vereinbarte Teilzeitbeschäftigung ist bis zum Ablauf des 4. Lebensjahres des Kindes möglich.45 Während der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit besteht ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz bis zum Ablauf des 4. Lebensjahres des Kindes. Wenn die Teilzeitbeschäftigung über diesen Zeitraum hinausgeht, kann im Falle einer Kündigung aufgrund der Teilzeitbeschäftigung wegen Motivkündigung angefochten werden.46 Gibt es keine Einigung über die Elternteilzeit zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, ist ein Verfahren zur Durchsetzung der Elternteilzeit einzuleiten. Dies ist ein mehrstufiges Verfahren zur Entscheidung ob ein Anspruch auf Elternteilzeit besteht oder nicht.47 2.2.5.2 Pflegeteilzeit Es gibt eine Reihe weiterer Sonderbestimmungen, die eine Arbeitszeitverkürzung aus bestimmten Anlässen regeln. Auch bei diesen Formen der Teilzeitbeschäftigung besteht in einigen Fällen ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz. Für diese Masterarbeit wird die Pflegeteilzeit als relevant erachtet und im Folgenden erläutert. 43 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 7/202–7/203. 44 Vgl. ebd., Rz 7/205. 45 Vgl. ebd., Rz 7/206. 46 Vgl. Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 (2017) 148. 47 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 7/225. 18
Mit der Vereinbarung von Pflegeteilzeit gemäß § 14 AVRAG soll dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin ermöglicht werden, die Pflege von nahen Angehörigen zu übernehmen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Pflegeteilzeit. Mit der Vereinbarung entsteht aber ein Rechtsanspruch auf Auszahlung des aliquoten Pflegekarenzgeldes nach § 21c BPGG. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Pflegeteilzeit sind denen für eine Pflegekarenz gleich (§ 14c AVRAG). Zu den wesentlichen Voraussetzungen gehören:48 • Das Dienstverhältnis muss ununterbrochen bereits 3 Monate bestanden haben. • Die Vereinbarung muss schriftlich erfolgen und Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitarbeit beinhalten. • Die Pflegeteilzeit muss zum Zweck der Pflege eines nahen Angehörigen vereinbart werden und der pflegebedürftigen Person muss mindestens Pflegegeld der Stufe 3 bzw. bei demenziell erkrankten Personen oder Minderjährigen Pflegegeld der Stufe 1 zuerkannt worden sein. Die Dauer der Pflegeteilzeit beträgt mindestens 1 Monat bis maximal 3 Monate pro pflegebedürftigem Angehörigen. 2.3 Homeoffice/Telearbeit Zusammengefasst wird unter Homeoffice bzw. Telearbeit die Verlagerung eines Teils der Arbeitszeit an einen anderen Ort verstanden; meist handelt es ich dabei um die eigene Wohnung.49 Ein Vorteil der Arbeit von zuhause aus ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen. Für zahlreiche Eltern ist aktuell meist eine Teilzeitbeschäftigung die optimale Option, um die Verpflichtungen im beruflichen und privaten Umfeld zu erfüllen.50 Dies bringt jedoch finanzielle Nachteile, Hindernisse beim beruflichen Aufstieg und den späteren Pensionsansprüchen mit sich. Telearbeit kann auch für die ArbeitgeberInnenseite Vorteile bringen: Auf diese Weise kann z. B. Büroraum eingespart werden. In österreichischen Gesetzen ist Telearbeit nicht geregelt. Die Rechtsgrundlage bildet ein 2002 von den europäischen Sozialpartnern abgeschlossenes Rahmenabkommen; dabei handelt es sich um eine nicht verbindliche 48 Vgl. Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/413 - Rz 6/454– 6/456. 49 Vgl. OV, Fragen und Antworten zur Telearbeit, PVP 2011/53 (179). 50 Vgl. Busch-Heizmann/Rastetter/Rinke, Geschlechterungleichheit in Erwerbsorganisationen, Arbeit 2018, 49 (50). 19
Regelung. Die Wirtschaftskammer Österreich erstellte im Jahr 2005 gemeinsam mit der Industriellenvereinigung und dem Verband der öffentlichen Wirtschaft einen Leitfaden zur Telearbeit, der jedoch ebenfalls unverbindlich ist und den Unternehmen nur als Richtlinie dient.51 Homeoffice bzw. Telearbeit kann vor allem in den Fällen angewendet werden, in denen die Arbeit auch von zuhause aus erledigt werden kann. Hierzu muss die die notwendige Arbeitsumgebung vorhanden sein: Zudem müssen der Zugriff auf Dateien via Internet und eine telefonische Erreichbarkeit gegeben sein. Telearbeit ist von der Heimarbeit nach dem Heimarbeitsgesetz zu trennen. ArbeitgeberInnen sehen einen erheblichen Nachteil bei Telearbeit häufig in der mangelnden Kontrollmöglichkeit der ArbeitnehmerInnen.52 Es wird daher eine Vertrauensbasis zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn vorausgesetzt. Ebenso muss die Arbeit als solche dafür geeignet sein, von zuhause aus erledigt werden zu können. Das sind vor allem Arbeiten, bei denen das Ergebnis im Nachhinein kontrolliert werden kann. Die Tätigkeit z. B. von RezeptionistInnen wird daher nicht für Telearbeit geeignet sein. Veränderungen in der Nutzung von Homeoffice hat es in den vergangenen Jahren kaum gegeben. Der Anteil der Personen, die die Hälfte oder mehr der Arbeitstage im Referenzzeitraum zuhause gearbeitet haben, lag 2006 bei 5,82 %, 2014 waren es 6,38 % und 2016 lediglich 6,07 %. Stärker gestiegen ist der Anteil derer, die an weniger als der Hälfte der Arbeitstage zuhause gearbeitet haben. Dieser Anteil stieg von 7,86 % im Jahr 2006 auf 10,11 % im Jahr 2016.53 In Kollektivverträgen gibt es zunehmend Regelungen für die Rahmenbedingungen zur Vereinbarung von Telearbeit. Auch die Wirtschaftskammer bietet zur Gestaltung der Rahmenbedingungen bei Telearbeit auf ihrer Homepage nützliche Informationen. Sofern nicht die tatsächlichen Umstände die Voraussetzungen für ein freies Dienstverhältnis erfüllen, handelt es sich auch bei TelearbeiterInnen um angestellte ArbeitnehmerInnen, auf die alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen voll anzuwenden sind.54 51 Vgl. Mantler, Telearbeit - Worauf ist bei der Vereinbarung zu achten?, ARD 6478/5/2015 (3) 52 Vgl. Thöny-Maier, Teleworking (Stand 30.6.2019, Lexis Briefings in lexis360.at). 53 Vgl. Wernhart et. al., Familienzeit - Wie die Erwerbsarbeit den Takt vorgibt: Perspektiven zu einer Neugestaltung der Arbeitszeit (Forschungsbericht / Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien, 25), (2018) 51. 54 Vgl. Thöny-Maier, Teleworking (Stand 30.6.2019, Lexis Briefings in lexis360.at). 20
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