Feministische Antworten auf sexualisierte Gewalt - Medica ...

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Feministische Antworten
auf sexualisierte Gewalt
Unser Programmcheck zur Bundestagswahl 2021

                                                              BUNDE
                                                                       S
                                                             TA G S W A -
             # A U F D IE
             AG EN DA
                                                                       HL
                                                                202 1

  Sexualisierte und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt haben in
  der Corona-Pandemie weltweit zugenommen – auch in Deutschland. Und
  auch insgesamt wurden die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Pan-
  demie von der Politik nur unzureichend in den Blick genommen.

  Gleichzeitig bekommen anti-feministische und populistische Politiken Zulauf.
  Eine Folge davon: Immer mehr Regierungen in Europa wenden sich von der
  Istanbul-Konvention ab, einem der wichtigsten Abkommen zum Schutz von
  Frauen vor Gewalt.

  Doch Frauenrechte sind nicht verhandelbar! Wir benötigen eine Politik, die
  die Rechte von Frauen und Mädchen auch in Krisen gewährleistet und
  geschlechtsspezifische Gewalt wirksam bekämpft – im In- und auch im Aus-
  land. Die kommende Bundesregierung hat die Chance, mit konkreten Maß-
  nahmen ein Programm für eine geschlechtergerechte Zukunft zu gestalten.

  Welche Konzepte haben die Parteien, um Frauenrechte zu stärken und Frauen
  vor Gewalt zu schützen? Wir haben die Wahlprogramme der im Bundestag
  vertretenen, demokratischen Parteien auf wichtige frauenpolitische Themen
  geprüft. Programme von Parteien, die eine rassistische und sexistische
  Grundhaltung vertreten, wurden nicht berücksichtigt.
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1.   Schutz vor Gewalt:

Treten die Parteien dafür ein, die Istanbul-Konvention
umfassend umzusetzen?

Die CDU/CSU erwähnt die Istanbul-Konvention nicht. Sie trifft auch keine Aussage zu den
strukturellen Ursachen von Gewalt gegen Frauen oder zu Frauenhäusern. Allerdings fordert
sie für Betroffene von sexualisierter und häuslicher Gewalt eine vertrauliche Spurensicherung,
ohne dass dafür ein Verfahren eingeleitet werden muss.

Die SPD benennt nicht explizit strukturelle Ursachen von Gewalt gegen Frauen, bekennt sich
aber zu den Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention. So soll es unter anderem einen
Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz geben. Zudem will die SPD das Hilfsangebot aus-
bauen und Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Femizide einrichten. Sie will die Konvention
EU-weit ratifizieren lassen.

Die FDP benennt nicht explizit strukturelle Ursachen von Gewalt gegen Frauen, bekennt sich
aber zu den Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention. Die Spurensicherung nach sexuali-
sierter Gewalt soll unabhängig von einer Anzeige kostenfrei erfolgen. Es soll Weiterbildungen
für Polizei und Justiz geben. Zwar wird kein Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt erwähnt,
Frauenhäuser sollen aber ausgebaut und bundesweit einheitlich finanziert werden.

Die Linke bekennt sich zur Umsetzung der Istanbul-Konvention und erkennt Gewalt gegen
Frauen als strukturelles Problem an. Sie benennt ausführlich Maßnahmen zur Bekämpfung
von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Es wird kein Rechtsanspruch auf
Schutz erwähnt, Beratungsstellen und Frauenhäuser sollen aber angemessen finanziert sowie
Behörden und medizinisches Personal „sensibilisiert werden”.

Bündnis 90/Grüne wollen die Istanbul-Konvention umsetzen und erkennen Gewalt gegen
Frauen als strukturelles Problem an. Sie benennen ausführlich Maßnahmen zur Bekämpfung
von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Unter anderem treten sie für einen
Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz ein und fordern eine anonyme Spurensicherung
nach sexualisierter Gewalt sowie Schulungen für Polizei und Justiz. Zudem soll eine Monito-
ring-Stelle eingerichtet werden, die getroffene Maßnahmen überprüft.
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                                       2. Gegen Diskriminierung:

                                       Treten die Parteien dafür ein, die Istanbul-Konvention diskri-
                                       minierungsfrei umzusetzen und zum Beispiel auch geflüchtete
                                       Frauen und LGBTIQ* explizit zu schützen (Art. 4 Absatz 3)?

                                       Die CDU/CSU erwähnt die Istanbul-Konvention nicht und fordert dementsprechend auch
                                       keine Maßnahmen.

                                       Die SPD tritt für einen nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie und
                                       Gewalt gegen LGBTIQ* ein. Die SPD will sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen,
                                       dass diese Diskriminierungen geächtet werden.

                                       Die FDP bekennt sich zu einem Aktionsplan gegen Gewalt an LGBTIQ*.

                                       Die Linke fordert, alle Formen von Gewalt gegen LGBTIQ* umfassend zu bekämpfen. Zudem
                                       fordert sie einen barrierefreien Zugang zu Beratungsangeboten unabhängig vom Aufenthalts­
                                       titel, ein unabhängiges Aufenthaltsrecht für von Partnerschaftsgewalt betroffene Frauen sowie
                                       eine Auflösung der Massenunterkünfte für Geflüchtete.

                                       Bündnis 90/Grüne treten dafür ein, dass intersektionale Schutzkonzepte entwickelt, Frauen-
                                       häuser barrierefrei gestaltet und Schutzräume für LGBTIQ* eingerichtet werden. Geflüchtete
                                       Frauen sollen bei Gewalt einen eigenen Aufenthaltstitel erhalten.
Foto: © Huseyin Aldemir/Shutterstock
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                                        3. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung:

                                        Treten die Parteien für einen sicheren und legalen Schwanger-
                                        schaftsabbruch ein und in der Folge dafür, dass die Paragrafen
                                        218 und 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden?

                                        Die CDU/CSU erwähnt die Paragrafen 218/219a sowie generell den Zugang zu Schwanger-
                                        schaftsabbrüchen nicht.

                                        Die SPD tritt dafür ein, §219a abzuschaffen. Zudem stellt die SPD in Hinblick auf die Paragrafen
                                        218ff. fest, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht ins Strafrecht gehören, sie formuliert aber
                                        keine Alternativen. Krankenhäuser sollen Abbrüche als Grundversorgung anbieten.

                                        Die FDP tritt dafür ein, §219a abzuschaffen. Eine Konfliktberatung soll auch online durchgeführt
                                        werden können, Beratung flächendeckend zur Verfügung stehen.

                                        Die Linke tritt dafür ein, dass die Paragrafen 218 bis 219b gestrichen und laufende Verfahren
                                        nach §219a eingestellt werden. Öffentliche Krankenhäuser sollen Abbrüche als Grundver-
                                        sorgung anbieten. Schwangerschaftsabbrüche sollen in die Ausbildung von Ärzt:innen aufge-
                                        nommen werden.

                                        Bündnis 90/Grüne treten dafür ein, Abbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln, ins-
                                        besondere §219a soll „schnellstmöglich“ gestrichen werden. Die Durchführung von Schwanger-
                                        schaftsabbrüchen soll in die Ausbildung von Ärzt:innen aufgenommen werden. Zudem soll es
                                        mehr Beratungsstellen geben.
Foto: © Esther Wahlen/medica mondiale
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                                          4. Gegen den Hass:

                                          Treten die Parteien dafür ein, frauenfeindliche Straftaten als
                                          Hasskriminalität zu erfassen?

                                          Die CDU/CSU tritt dafür ein, dass frauenfeindliche Straftaten in der Kriminalstatistik erfasst
                                          werden. Das Themenfeld Hasskriminalität wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.

                                          Die SPD erwähnt die Erfassung von frauenfeindlichen Straftaten als Hasskriminalität nicht.

                                          Die FDP erwähnt die Erfassung von frauenfeindlichen Straftaten als Hasskriminalität nicht, tritt
                                          aber dafür ein, Gewalt gegen LGBTIQ* in die Kriminalstatistik aufzunehmen.

                                          Die Linke erwähnt die Erfassung von frauenfeindlichen Straftaten als Hasskriminalität nicht,
                                          tritt aber dafür ein, Hasskriminalität gegen LGBTIQ* zu erfassen.

                                          Bündnis 90/Grüne treten dafür ein, die Kriminalstatistik im Hinblick auf Hasskriminalität gegen
                                          Frauen zu erweitern.
Foto: © Christopher Penler/Shutterstock
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                                        5. Feministische Außenpolitik:

                                        Treten die Parteien dafür ein, dass der Nationale Aktionsplan
                                        (NAP) 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ umgesetzt wird?

                                        Die CDU/CSU erwähnt die Resolution oder den NAP 1325 nicht.

                                        Die SPD tritt dafür ein, die Resolution 1325 „konsequent“ umzusetzen und weiterzuentwickeln.

                                        Die FDP tritt dafür ein, den NAP 1325 „ambitioniert“ umzusetzen und benennt in diesem Zu-
                                        sammenhang sexualisierte Gewalt in Kriegen. Frauen sollen stärker in Schlüssel- und Führungs-
                                        positionen bei den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und im Bund vertreten sein.

                                        Die Linke bekennt sich zur Umsetzung der Resolution 1325 und einer feministischen Außen-
                                        politik und fordert, die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen und ihre Rolle in Konflik-
                                        ten zu berücksichtigen.

                                        Bündnis 90/Grüne wollen die Umsetzung der Agenda 1325 innerhalb Deutschlands und inter-
                                        national vorantreiben. Frauen und andere marginalisierte Gruppen sollen mindestens gleich-
                                        berechtigt in multinationale Verhandlungen einbezogen werden. Zudem fordern die Grünen,
                                        dass regelmäßig Analysen für einzelne Länder erstellt und ausreichend finanzielle Mittel für
                                        die Belange von Frauen und Mädchen eingeplant werden. Für eine feministische Außenpolitik
                                        sollen verbindliche Leitlinien erstellt werden.
Foto: © Joaquin Corbalan/Shutterstock
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               6. Aktivist:innen unterstützen:

               Treten die Parteien dafür ein, dass Frauenrechtsverteidiger:in-
               nen in Konfliktregionen finanziell und politisch unterstützt
               werden?

               Die CDU/CSU erwähnt Aktivist:innen nicht.

               Die SPD tritt nach eigenen Worten dafür ein, multilaterales Handeln wiederzubeleben und
               zu stärken, auch in Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen.
               Frauenrechtsverteidiger:innen in Konfliktregionen werden jedoch nicht explizit erwähnt.

               Die FDP möchte Visaerleichtungen für zivilgesellschaftliche Akteur:innen aus einigen spezifi-
               schen Länderkontexten schaffen. Sie geht jedoch nicht direkt auf Frauenrechtsverteidiger:in-
               nen aus Konfliktregionen ein.

               Die Linke bekennt sich dazu, die Zivilgesellschaft im Rahmen der Außenpolitik zu fördern und
               zu unterstützen, nimmt jedoch keinen expliziten Bezug auf Frauenrechtsverteidiger:innen in
               Konfliktregionen.

               Bündnis 90/Grüne erkennen an, dass Aktivist:innen weltweit bedroht sind und geschützt
               werden müssen. Sie wollen Anlaufstellen im Ausland einrichten und humanitäre Visa gewähren,
               gehen allerdings nicht explizit auf Frauenrechtsverteidiger:innen aus Konfliktregionen ein.
Foto: © EMMA
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7.   Kein Krieg auf meinem Körper:

Treten die Parteien dafür ein, dass Frauen und Mädchen vor
sexualisierter Kriegsgewalt geschützt werden und dass für
Überlebende langfristige Unterstützungsstrukturen aufgebaut
werden - einschließlich Zugang zu Dienstleistungen für sexuelle
und reproduktive Gesundheit?

Die CDU/CSU erwähnt weder sexualisierte Kriegsgewalt noch sexuelle und reproduktive
Rechte explizit, erkennt aber das Recht auf Selbstbestimmung und Familienplanung als Teil
der Entwicklungszusammenarbeit an.

Die SPD erwähnt sexualisierte Kriegsgewalt nicht explizit, will sich aber global für die Stärkung
sexueller und reproduktiver Rechte einsetzen.

Die FDP tritt nach eigenen Worten dafür ein, dass sexualisierte Kriegsgewalt als Form der
Kriegsführung geächtet wird und will sexuelle und reproduktive Rechte international voran-
bringen.

Die Linke bekennt sich zur Umsetzung der Resolution 1325, geht jedoch nicht dezidiert auf
sexualisierte Kriegsgewalt ein. Die Linke möchte die Umsetzung der sexuellen und reprodukti-
ven Rechte zu einem Ziel deutscher Entwicklungszusammenarbeit machen. Sie tritt weiter
dafür ein, die Bundeswehr und zivile Friedenseinsätze abzurüsten sowie Rüstungsexporte
zu stoppen.

Bündnis 90/Grüne wollen sexualisierte Gewalt international „entschieden eindämmen“ und
treten für den Schutz sexueller und reproduktiver Rechte in der Entwicklungszusammenar-
beit und Außenpolitik ein. Dazu gehört auch der Zugang zu Verhütung. Die Grünen wollen die
Trauma-Arbeit unter anderem mit Kindern in Kriegskontexten stärken.
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Hintergründe zu den Fragen und zu unseren Forderungen
finden Sie in unserem Forderungspapier zur Bundestagswahl
2021: bit.ly/BTW21_medicamondiale

   #A U FD I E
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                                              © medica mondiale, September 2021

                                              Herausgeberin: medica mondiale,
                                              Hülchrather Str. 4, 50670 Köln
                                              V.i.S.d.P.: Monika Hauser

                                              Layout: Kontext Kommunikation
                                              Gestaltungslinie: Franziska Becker
                                              Key Visual: Nicole Riegert
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