ZUR UMSETZUNG DER ISTANBUL-KONVENTION IN BEZUG AUF GEFLÜCHTETE FRAUEN UND MÄDCHEN IN DEUTSCHLAND - Flüchtlingsrat ...
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ZUR UMSETZUNG DER ISTANBUL-KONVENTION IN BEZUG AUF GEFLÜCHTETE FRAUEN UND MÄDCHEN IN DEUTSCHLAND Schattenbericht für GREVIO Herausgegeben von PRO ASYL Bayerischer Flüchtlingsrat Flüchtlingsrat Brandenburg Hessischer Flüchtlingsrat Flüchtlingsrat Niedersachsen Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt Prof. Dr. Sabine Hess, Universität Göttingen
IMPRESSUM 2 Impressum: Autorinnen: Johanna Elle, Andrea Kothen Redaktion: Ivana Domazet, Simone Eiler, Anna Hartnagel Laura Müller, Nicole Viusa Wir bedanken uns für die Expertise bei: Anke Achhammer, Helen Deffner, Michelle Kerndl-Özcan, Prof. Dr. jur. Susanne Nothhafft, Lena Ronte, Benita Suwelack, Meral Zeller Titelfoto: © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst Veröffentlicht im Juli 2021 Herausgeber:innen Zu den Herausgeber:innen Förderverein PRO ASYL e.V. – PRO ASYL ist die unabhängige Stimme für die Menschen- Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge rechte und den Schutz von Flüchtlingen deutschlandweit Postfach 160624, 60069 Frankfurt am Main und in Europa. Der Verein realisiert Hilfsmaßnahmen für Tel.: 069 - 24 23 14 - 0, Email: proasyl@proasyl.de Flüchtlinge, Einzelfall- und Rechtshilfe sowie Projekte, www.proasyl.de Dokumentationen und Recherchen. Er organisiert politi- Ansprechpartnerinnen: Andrea Kothen, Nicole Viusa sche Kampagnen, leistet Informations- und Öffentlichkeits- Bayerischer Flüchtlingsrat e.V. arbeit und ist mit nationalen und internationalen Hilfs- Geschäftsstelle, Westendstr. 19 Rgb, 80339 München und Menschenrechtorganisationen vernetzt. Die Arbeit der Tel.: 089 - 76 22 34, Email: kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de Organisation wird durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und www.fluechtlingsrat-bayern.de Stiftungszuwendungen finanziert. Ansprechpartnerin: Simone Eiler Die Landesflüchtlingsräte sind vernetzt und Mitglieder Flüchtlingsrat Brandenburg e.V. in der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Rudolf-Breitscheid-Str. 164, 14482 Potsdam PRO ASYL. Sie sehen es als staatliche Aufgabe an, Flücht Tel.: 0331 - 71 64 99 lingen unter seriöser Beachtung ihrer Fluchtgründe und Email: info@fluechtlingsrat-brandenburg.de humanitären Nöte, großzügige Aufnahme, effektiven www.fluechtlingsrat-brandenburg.de Schutz, nachhaltige Integration und eine selbst bestimmte Ansprechpartnerin: Lotta Schwedler Zukunftsperspektive einzuräumen. Hessischer Flüchtlingsrat e.V. Leipziger Straße 17, 60487 Frankfurt am Main Die Landesflüchtlingsräte sind gemeinnützige Vereine, Tel.: 069 - 076 987 10, Email: hfr@fr-hessen.de die in ihren Bundesländern Beratung, Projektarbeit und www.fr-hessen.de politische Arbeit leisten. Sie verstehen sich als unabhängi- Ansprechpartnerin: Anna Hartnagel ge Vertretungen von in den Bundesländern engagierten Unterstützungsgruppen, Solidaritätsinitiativen und Flücht- Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. lingsselbstorganisationen. Röpkestraße 12, 30173 Hannover Tel.: 0 511 - 98 24 60 30, Email: nds@nds-fluerat.org Im Forschungsprojekt der Georg-August Universität www.nds-fluerat.org Göttingen unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Hess Ansprechpartnerin: Laura Müller (Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie) Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. wurden als Teil des Forschungsverbundes »Gender, Landsberger Straße 1, 06612 Halle (Saale) Flucht, Aufnahmepolitiken. Prozesse vergeschlechtlichter Tel.: 0345 - 44 50 25 21, Email: info@fluechtlingsrat-lsa.de In- und Exklusionen in Niedersachsen« genderspezifische www.fluechtlingsrat-lsa.de Ankunfts- und Aufnahmepolitiken beforscht. Ansprechpartnerin: Helen Deffner Die Forschung, welche die unsichere Situation von ge Universität Göttingen flüchteten Frauen sowie verschiedene (Unterstützungs‑) Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie Maßnahmen für geflüchtete Frauen seit 2017 untersucht Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen hat, fließt maßgeblich in diesen Bericht ein. Tel.: +49 551 39 253 55 www.gender-flucht.uni-osnabrueck.de/projekt/ forschungsverbund.html Prof. Dr. Sabine Hess (Leitung) Email: shess@uni-goettingen.de Johanna Elle (Wissenschaftliche Mitarbeiterin) Email: jelle@gwdg.de
3 INHALT Zu den Herausgeber:innen 2 EINLEITUNG: Bekämpfung und Prävention von Gewalt im Asyl- und Aufnahmeverfahren geflüchteter Frauen und Mädchen 5 1. UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 8 a) Sammelunterbringung als gesetzlich gewünschte Unterbringungsform 8 Schutzräume / Extraeinrichtungen / alternative Einrichtungen 10 Trennung und Wegweisung des Täters 10 Sammelunterbringung in Zeiten der Corona-Pandemie 11 b) Gewaltschutzkonzepte und Mindeststandards in Ländern und Kommunen 13 Gewaltvorfälle in der Praxis 14 Heterogene Ländervorgaben 14 Monitoring, Evaluation und Weiterentwicklung von Standards 15 2. GESCHLECHTSSPEZIFISCHE AUFNAHME- UND ASYLVERFAHREN 18 a) Identifizierung besonderer Schutzbedürftigkeit in der Erstaufnahme 19 b) Staatliche Asylverfahrensberatung (AVB) 21 c) Gendersensible Anhörung 23 Sonderbeauftragte und weibliche Anhörer:innen 23 Dolmetscher:innen 24 Anwesenheit von Familienmitgliedern 24 Ansprechen von frauenspezifischer Gewalt in der Anhörung 25 Glaubhaftigkeit und Nachweispflichten 25 d) Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe 27 Ablehnungen 27 Verfolgung als soziale Gruppe 28 Strukturelle Gewalt gegen Frauen als Privatsache 29 Ausschlussgrund interne Fluchtalternative 29
INHALT 4 3. GESUNDHEITLICHE VERSORGUNG 31 a) Das AsylbLG als einschränkendes Recht 32 Eingeschränkte Leistungen nach dem AsylbLG 32 Heterogene Praxis 33 Krankenscheine und Gesundheitskarte 33 Mangelnde Gesundheitsversorgung in der Erstaufnahme 33 b) Versorgungsdefizite in Spezial- und Regelversorgung 35 Fehlende Kapazitäten in der psychologischen Versorgung 35 Defizite in der medizinischen und psychologischen Regelversorgung 35 c) Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung 37 Kostenübernahme für Sprachmittlung 37 Dolmetscher:innenpools 37 d) Weitere Aspekte für die Gesundheit von geflüchteten Frauen 39 4. BERATUNG UND UNTERSTÜTZUNG 40 a) Zugangshindernisse zu Fach- und Regeldiensten 41 Mangelnde Kapazitäten bei den Fachdiensten 41 Finanzierung 41 Mehrsprachigkeit/Sprachmittlung 42 Aufsuchende Angebote 42 Niederschwellige Erreichbarkeit 42 Zugangsbarrieren in den sozialen Regeldiensten 42 Sozialarbeiterische Betreuung von Geflüchteten 43 b) Spezifische rechtliche Hindernisse 44 Zuweisungssystem 44 Wohnsitzauflage und Residenzpflicht 44 Deutschkurs 46 Bildung und Arbeitsmarkt 46 Sozialleistungen 47 5. FRAUEN AUF DER FLUCHT UND AN EUROPAS GRENZEN 48 Quellenverzeichnis 50
EINLEITUNG 5 EINLEITUNG: BEKÄMPFUNG UND PRÄVENTION VON GEWALT IM ASYL- UND AUFNAHME VERFAHREN GEFLÜCHTETER FRAUEN UND MÄDCHEN 2017 wurde in Deutschland die Konvention des Europarats Der vorliegende Bericht geht der Frage nach, inwieweit die zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zentrale Verpflichtung der Istanbul-Konvention, der Schutz und häuslicher Gewalt – im Weiteren: Istanbul-Konvention von Frauen 1 und Mädchen vor Gewalt und ihre Bekämp- (IK) – ratifiziert. Im Februar 2018 trat sie in Kraft und gilt seit- fung, in Bezug auf geflüchtete Menschen in Deutschland her im Rang eines Bundesgesetzes sowie als Internationales umgesetzt ist. Recht, das eine völkerrechtskonforme Auslegung des natio- nalen Rechts verlangt. »In dem Bestreben, ein Europa zu Im Jahr 2020 waren in Deutschland rund 42 % aller Asyl schaffen, das frei von Gewalt gegen Frauen und häuslicher antragsteller:innen weiblich. 2 Hauptherkunftsland ist mit Gewalt ist«, wie es in der Präambel heißt, haben die Unter- großem Abstand Syrien, danach folgen Länder wie Irak, zeichnerstaaten in Art. 1 folgenden Zweck festgelegt: Somalia, Eritrea, Afghanistan und andere. Dabei handelt es sich überwiegend um langjährige Kriegs- und Krisenge- biete. Frauenrechte im Allgemeinen sowie die körperliche Artikel 1 IK – Zweck des Überein und seelische Unversehrtheit von Frauen im Speziellen sind kommens in einem solchen Umfeld besonders gefährdet. In vielen Bürgerkriegen gehören systematische Vergewaltigungen (1) Zweck dieses Übereinkommens ist es von Frauen und Mädchen zur Kriegsstrategie. Physische, a Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen sexualisierte wie auch psychische und strukturelle Gewalt und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu gegen Frauen und Mädchen ist dort vielfach alltägliche verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen; Praxis. Eine Vielzahl von Frauen flieht aufgrund von indivi- dueller geschlechtsspezifischer Verfolgung. Dazu gehören b einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von etwa Zwangsverheiratungen, Femizide, Genitalbeschnei- Diskriminierung der Frau zu leisten und eine echte dung / »Female Genital Mutilation/Cutting« (FGM/C), häus Gleichstellung von Frauen und Männern, auch durch liche Gewalt, Zwangsprostitution und Frauenhandel. die Stärkung der Rechte der Frauen, zu fördern; c einen umfassenden Rahmen sowie umfassende Die Situation geflüchteter Frauen und Mädchen muss aber politische und sonstige Maßnahmen zum Schutz nicht nur aufgrund der bereits im Herkunftsland erlittenen und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt ge- Gewalt besondere Beachtung finden. Ihre Lebenswirklich- gen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwerfen; keit ist an vielen Stationen ihres Lebens, in vielerlei Hin- sicht und von verschiedenen Täter:innen früher und aktuell von Gewaltverhältnissen geprägt. Wissenschaftler:innen sprechen in diesem Zusammenhang von einem Gewalt kontinuum. 3 Dies betrifft die Situation im Herkunftsland oft nicht weniger als den monate- oder jahrelangen Flucht- weg. Und es endet nicht mit der Ankunft in Deutschland. 1 Frauen und Mädchen inklusive Menschen, die als solche gelesen werden, 2 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. 2021. Aktuelle Zahlen. Ausgabe sind unverhältnismäßig stark von geschlechtsspezifischer Gewalt und häus- Dezember 2020. licher Gewalt betroffen, so führen es auch die Staaten in der Präambel der 3 Vgl. Krause, Ulrike. 2018. Gewalterfahrungen von Geflüchteten. In: State-of- Istanbul-Konvention aus. Auch Transpersonen und Menschen, die sich nicht Research Papier 03, Verbundprojekt ›Flucht: Forschung und Transfer‹, Os- im binären Geschlechtersystem wiederfinden, sind von geschlechtsspezi- nabrück: Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) fischer Gewalt und Diskriminierung betroffen. In diesem Bericht wird die der Universität Osnabrück / Bonn: Internationales Konversionszentrum Schreibweise mit einem Doppelpunkt in der Wortmitte verwendet, die das Bonn (BICC), Juni 2018. https://flucht-forschung-transfer.de/wp-content/up- binäre System symbolisch aufzubrechen versucht und alle Betroffenen mit- loads/2017/05/State-of-Research-03-Gewalterfahrungen-von-Flüchtlingen- einschließt. Gleichzeitig wird weitestgehend von Frauen gesprochen, um zu Ulrike-Krause-1.pdf [Zugriff am 2.6.2021] zeigen, dass Gewalt gegen Frauen als solche benannt werden muss.
EINLEITUNG 6 Geflüchtete Frauen und Mädchen sind oft Gewalt ausge- Schließlich sind es, bei allen positiven Bestrebungen, die setzt und haben schwierigeren Zugang zu Unterstützung rechtlichen, institutionellen und strukturellen Bedingun- bei Gewaltvorfällen. Sie sind eine Gruppe, die besonderer gen des Umgangs mit geflüchteten Menschen, unter denen Aufmerksamkeit bedarf, wenn es um den Schutz von Frau- die Möglichkeiten des Gewaltschutzes von vornherein be- en vor Gewalt geht. schränkt sind, und die sogar von Gewalt geprägt sind oder Gewalt befördern. Dies beginnt beim Versuch, Zugang zum Die Istanbul-Konvention unterstreicht diese Tatsache inso- Asylverfahren in Europa zu erhalten. Als traumatische Ge- fern, als sie in den Artikeln 59 bis 61 spezifische Regelungen walterfahrung für Frauen können sich etwa die Durchfüh- im Bereich Asyl und Migration trifft. In Artikel 4 Absatz 3 rung von rechtswidrigen Push-Backs an den Grenzen Euro- werden die Staaten verpflichtet, die Rechte der Konvention pas und die zwangsweise Verbringung in libysche Haftlager diskriminierungsfrei für alle Frauen und Mädchen zu ge- gestalten oder das Festhalten von Schwangeren und Frau- währleisten – ausdrücklich unabhängig davon, welchen en mit Babys in überfüllten Zeltlagern am Rande Europas. asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Status die Betroffenen Die europäische Flüchtlingspolitik steht häufig zumindest innehaben: mittelbar in der Einflusssphäre der deutschen Bundesregie- rung. Artikel 4 Abs.3 IK Die von staatlicher Gewalt geprägten Verhältnisse enden für geflüchtete Frauen und Mädchen nicht mit der Ankunft (3) Die Durchführung dieses Übereinkommens durch in Deutschland: Auch die vergleichsweisen besseren Bedin- die Vertragsparteien, insbesondere von Maßnah- gungen innerhalb Deutschlands, vor allem die Unterbrin- men zum Schutz der Rechte der Opfer, ist ohne Dis- gung in Sammellagern, setzen und befördern gewaltvolle kriminierung insbesondere wegen des biologischen Verhältnisse, innerhalb derer auch gute und engagierte oder sozialen Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, Maßnahmen des Gewaltschutzes, wie etwa Notfallpläne der Sprache, der Religion, der politischen oder für Sammelunterkünfte, notgedrungen beschränkt bleiben sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen müssen. Wir gehen daher im Folgenden immer wieder auf Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen die in Deutschland staatlich verantworteten Bedingungen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, der sexuel- und Regeln der Flüchtlingsaufnahme grundsätzlich ein, len Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des die Frauen und Mädchen in spezifischer Weise und häufig Alters, des Gesundheitszustands, einer Behinde- mit dramatischeren Folgen, in ihren Rechten und Möglich- rung, des Familienstands, des Migranten- oder keiten beeinflussen. Flüchtlingsstatus oder des sonstigen Status sicher- zustellen. Dabei konzentrieren wir uns auf einige zentrale Bereiche, in denen Frauen als (potenziell) Betroffene von Gewalt Unterstützung brauchen und in denen geschlechtsspezifi- Die Bundesrepublik Deutschland hat im August 2020 sche Gewalt verhindert und bekämpft werden muss: ihren ersten Bericht zur Umsetzung der Konvention veröf- Unterbringung und Gewaltschutz (Kap.1), geschlechter- fentlicht: GREVIO. Erster Staatenbericht der Bundesrepublik sensible Asyl- und Aufnahmeverfahren (Kap.2), Gesund- Deutschland 2020 (im Weiteren: Staatenbericht). Dazu lässt heitliche Versorgung (Kap.3) sowie Beratung und Unter- sich zunächst konzedieren, dass es – wie dort dargestellt – stützung (Kap. 4). Abschließend nimmt ein kurzes Kapitel viele ambitionierte Initiativen, Konzepte und Standards die europäische Dimension in den Blick, die wir im Rah- gibt. Innerhalb Deutschlands werden Gewaltschutzmaß- men dieser Arbeit allerdings nur anreißen können. Aus den nahmen auf Regierungsebene insbesondere durch das Erkenntnissen der Kapitel werden ableitend Empfehlun- Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und vor allem zivilge- gen formuliert und am Ende des Textes noch einmal zu- sellschaftlich durch zahlreiche engagierte Nichtregierungs- sammengefasst. organisationen und Akteur:innen vor Ort vorangetrieben. Es gibt hier positive Entwicklungen, die zeigen, dass das Die Verfasserinnen dieses Berichts sind Expertinnen von Thema Gewaltschutz und Vulnerabilität stärker in den Flüchtlingsräten aus den Bundesländern Bayern, Branden- Fokus gerät, dass personell und finanziell aufgestockt wur- burg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, von de. Da sich die Umsetzung der IK »an einen Vertragsstaat der bundesweit tätigen Organisation PRO ASYL und dem in all seinen Teilen« (Bund, Länder, Kommunen) richtet, Forschungsprojekt »Gender, Flucht, Aufnahmepolitiken« gestaltet sich die Umsetzung allerdings komplex, unüber- der Universität Göttingen. sichtlich und auch an wichtigen Stellen lückenhaft. De facto entstehen im Zuständigkeitsgeflecht Leerstellen und Grundlage dieses Berichts sind die vielfältigen und praxis- Qualitätsunterschiede und nicht alle Projektmaßnahmen nahen Erfahrungen und Perspektiven von Institutionen wurden verstetigt, so dass am Ende viele Frauen und Mäd- aus der Arbeit mit Geflüchteten, der psychosozialen Arbeit chen von den vorhandenen guten Ideen und Initiativen und der frauenpolitischen Arbeit. Die angeführten Zitate erst spät oder gar nicht profitieren können. entstammen einer 2020 von den Flüchtlingsräten durch geführten, bundesweit angelegten Abfrage bei Unterstüt-
EINLEITUNG 7 zungs- und Informationsstrukturen für geflüchtete Frauen, zugnahme darauf und ggf. auch auf bestehende Unter- wie Frauenberatungsstellen, Psychosozialen Beratungs schiede hätte den Rahmen dieser Arbeit überfordert. Auch stellen und Institutionen der Geflüchtetenarbeit mit insge- die intensivere Auseinandersetzung mit speziellen Flucht- samt 65 Antwortbögen aus 16 Bundesländern. Es handelt gründen und Umständen wie Femizide, Zwangsverheira- sich um eine qualitativ konzipierte und ausgewertete Um- tung, weibliche Genitalbeschneidung, Menschenhandel frage, mit der Einblicke in die Praxis ermöglicht und die vor- etc. musste unterbleiben, ebenso wie die explizite Ausein- handenen grundlegenden Einschätzungen überprüft andersetzung mit rassistischer Diskriminierung und Gewalt werden, aber keine validen quantitativen Aussagen zu be- sowie die Situation illegalisierter Frauen und Mädchen. stimmten Umständen getroffen werden können. Im Haupt- Wir verweisen an dieser Stelle ausdrücklich auf den Parallel- teil werden Aussagen mit direkten Zitaten aus der Befra- bericht von LebKom, Lessan, Terre des Femmes und End- gung illustriert, diese sind kursiv markiert. Forderungen und FGM zu weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C) 4, den Empfehlungen, die sich aus dem Text ergeben, sind einge- Bericht des Bündnis Istanbul-Konvention 5 und den Schat- rückt und mit einem Pfeil > versehen. tenbericht von DaMigra, deren Einschätzungen wir weitest- gehend teilen. Dies gilt insbesondere für den Appell zur Bezogen auf den gesamten Bereich der Migrations- und Rücknahme der deutschen Vorbehalte gegen Artikel 59 Asylpolitik stellt dieser Bericht weder eine vollständige Abs.2 und 3. 6 noch abschließende Bestandsaufnahme der deutschen Umsetzung der Istanbul-Konvention dar. Weitgehend Wir danken GREVIO für die Gelegenheit, dass wir als ausgeklammert bleibt etwa die spezifische Situation von NGO unsere Expertise und Empfehlungen vorbringen LSBTI*-Menschen, die von der Istanbul-Konvention fraglos können, damit auch geflüchtete Frauen und Mädchen erfasst sind. Ihre Ansprüche und Bedarfe dürften sich in in Deutschland entsprechend der Istanbul-Konvention Vielem der hier beschriebenen decken. Eine explizite Be- vor Gewalt geschützt werden. 4 LebKom / Terre des Femmes / Lessan / End FGM. 2020. Gemeinsamer 6 Die dort angesprochenen Problematiken betreffen zwar auch geflüchtete Schattenbericht Deutschland. Deutsche Fassung: https://www.frauenrechte. Frauen, etwa wenn sie vom Aufenthaltsrecht ihres gewalttätigen Partners de/images/downloads/fgm/2020/TDF_LebKom_Lessan_End_FGM_EU_GRE- abhängig sind. Da sie in dieser Situation aber wenig von der Situation ande- VIO_Schattenbericht_-_Deutschland.pdf rer Migrantinnen unterscheidet, bleiben derartige Probleme in diesem Be- 5 Bündnis Istanbul-Konvention. 2021. Alternativbericht zur Umsetzung des richt ausgeklammert. Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. https://www.buendnis-istan- bul-konvention.de/alternativbericht-buendnis-istanbul-konvention-2021/
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 8 1. UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ Mit der Istanbul-Konvention verpflichtet sich die Bundes diese eingehalten und wird ihre Einhaltung überprüft? republik Deutschland, auf allen staatlichen Ebenen alles Der Handlungsrahmen soll dabei nicht aus den Augen dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft, Betrof verloren werden: Dass geflüchtete Frauen – die vielfach fenen Schutz und Unterstützung geboten und Gewalt ver- schweren Menschenrechtsverletzungen erlebt, Folter, hindert wird. Unter diesem Aspekt stehen auch Flüchtlings- Krieg und Verfolgung überlebt oder sexualisierte Gewalt unterkünfte, die seit 2015 in großer Zahl neu entstanden erfahren haben – überhaupt verpflichtet sind, in Sammel- sind, im Blickpunkt. Das Bundesministerium für Familie, unterkünften zu leben, ist keine Naturnotwendigkeit, son- Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat sich im Rahmen dern eine politische Entscheidung. Wären Geflüchtete statt- der »Initiative zum Schutz von geflüchteten Menschen in dessen in Wohnungen untergebracht, würden sich viele Flüchtlingsunterkünften« in Zusammenarbeit mit der Zivil Fragen für ihren Gewaltschutz innerhalb der Unterkünfte gesellschaft das Thema Gewaltschutz in den Unterkünften überhaupt nicht stellen. Einige Gewaltvorfälle würden gar auf die Fahne geschrieben, Mindeststandards entwickelt und nicht erst eintreten. Nur aufgrund der Existenz von Sam- zahlreiche Pilotprojekte im Bereich Gewaltschutz ange- melunterkünften muss man sich die Frage stellen, ob ein schoben und unterstützt. 7 umfassender Schutz vor allen Formen von Gewalt in dieser Struktur überhaupt gewährleistet werden kann und welche Dass das Thema Gewaltschutz und Vulnerabilität im Zu- Auswirkungen die Bedingungen dort zudem auf die psychi- sammenhang mit geflüchteten Frauen politisch in den sche Gesundheit von Menschen haben, die Gewalterfah- Fokus genommen wird, personelle und finanzielle Ressour- rungen mitbringen und diese Erfahrungen noch nicht ver- cen für einen aktiven Gewaltschutz aktiviert werden, ist zu arbeiten konnten. begrüßen. Die Erfolge und die Praxis des Gewaltschutzes in Unterkünften für Geflüchtete sind gleichwohl kritisch Bevor wir uns mit der Praxis von Gewaltschutz in Sammel- zu beleuchten. Wir gehen im Wesentlichen den folgenden unterkünften auseinandersetzen, werden wir zunächst dar- Fragen nach: Wie gestalten sich die gesetzlichen und legen, dass die Sammelunterbringung für einen effektiven administrativen Vorgaben, um Frauen und Mädchen in Gewaltschutz geflüchteter Frauen nicht nur eine Hürde Sammelunterkünften vor Gewalt zu schützen? Gibt es darstellt, sondern sogar das Gegenteil bewirkt, nämlich besondere Schutzräume für geflüchtete Frauen? Gibt es gewaltfördernd ist. Mindeststandards, normierte Konzepte, Regeln? Werden a) SAMMELUNTERBRINGUNG ALS GESETZLICH GEWÜNSCHTE UNTERBRINGUNGSFORM Geflüchtete Frauen müssen sich, wie alle Asylsuchenden, betrifft Menschen mit »offensichtlich unbegründet« ab zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen, auch Anker-/ gelehnten Asylanträgen, solche aus den so genannten Ankunftszentren genannt, begeben. Dort werden sie »sicheren Herkunftsstaaten« oder Menschen im Dublin-Zu- durch Personal der Länder erkennungsdienstlich behan- weisungsverfahren. Als »sichere« Herkunftsländer gelten delt, m edizinisch erstversorgt, untersucht und verpflich- derzeit Senegal, Ghana, Albanien, Bosnien und Herzegowi- tend vor Ort untergebracht. Sie leben dort auf einem na, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien sowie Serbien. Gelände zusammen mit mehreren Hundert bis mehr als Frauen aus diesen Staaten sind von einer Dauerunterbrin- tausend Menschen. gung in der Erstaufnahme stärker betroffen, aber auch solche Frauen, deren Gewalterfahrungen im Asylverfahren Die Pflicht von Asylsuchenden, in den zentralisierten nicht (ausreichend) thematisiert werden konnten oder Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen, wurde 2015 zu- nicht geglaubt wurden (siehe dazu ausführlich Kapitel 2). nächst von maximal drei auf sechs Monate, 2019 auf bis zu Lediglich Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach 18 Monate im Regelfall verlängert. Dieser Zeitraum kann spätestens sechs Monaten von der Kommune unterge- noch einmal auf bis zu 24 Monate gestreckt und soll für be- bracht werden. Für alleinstehende Frauen bzw. Frauen stimmte Gruppen sogar ganz entfristet werden. Letzteres ohne Kinder gilt dies aber nicht. 7 Die Web-Adresse der Bundesinitiative: https://www.gewaltschutz-gu.de/
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 9 Diese Unterbringung in großen Erstaufnahmeeinrichtun- zu sein; das enge Zusammenleben bzw. Teilen von Gemein- gen ist stark reglementiert: Sie ist verbunden mit einem schaftsräumen mit ihnen fremden Männern; das Fehlen mindestens neunmonatigen Arbeitsverbot, Zugang zu sicherer Rückzugsorte, weil Zimmer nicht abschließbar sind Bildung und Deutschkursen besteht für viele Frauen nicht oder das Personal diese Grenze nicht respektiert; die feh- (siehe dazu Kapitel 4b). Die Möglichkeit der Selbstversor- lende Ruhe; schlechte hygienische Bedingungen; offen gung mit Lebensmitteln ist stark eingeschränkt, selbst zu zugängliche Sanitärräume, die potenziell Übergriffe ermög- kochen zumeist nicht erlaubt. Die entmündigenden Bedin- lichen; und Vieles mehr. gungen und das verordnete Nichtstun in der Erstaufnahme stellen von Gewalt betroffene Frauen, die vor dem Hinter- Manches davon lässt sich mit Geld und Engagement zwei- grund ihrer Erfahrungen um die Wiedergewinnung von fellos verbessern – ein Auszug aus der Sammelunterkunft Selbstbestimmung und Normalität kämpfen, vor besonde- in eine eigene Wohnung würde nahezu alle beschriebenen re Herausforderungen. Probleme auf einen Schlag beheben. Solange noch kein Aufenthaltsrecht besteht, erlaubt aber die zuständige Aus- In einem offenen Brief schildert eine asylsuchende Frau aus länderbehörde häufig keinen Auszug. Wenn doch, ist die einem bayerischen ANKER-Zentrum ihr Lebensgefühl: Wohnungssuche für eine geflüchtete Frau ausgesprochen schwierig. Gründe dafür sind ein Mangel an günstigem »Die Unterbringung in unserem Zentrum ist ein Horror, Wohnraum und Diskriminierung auf dem Wohnungs- denn wir leben mit fünf Frauen pro Zimmer, ohne jegliche markt. 10 Privatsphäre, mit einer sehr prekären sanitären Situation, zumal sich einige Frauen während ihrer Aufenthalte in Dass Sammelunterbringungen strukturell gewaltfördernd Libyen oder Marokko als sexuelle Sklavinnen mit übertrag sind, führt selbst das Bundesministerium für Familie, Senio- baren Krankheiten angesteckt haben. … Die Lebensbedin ren, Frauen und Jugend (BMFSJF) in ihrem Mindeststan- gungen hier sind unmenschlich, zu viel Stress verbunden dardkonzept für Unterkünfte aus: »Flüchtlingsunterkünfte mit der Schwierigkeit für uns, in diesem ›Gefängnis‹ zu sind für viele asylsuchende Menschen, die nach Deutschland leben, fast zwei Jahre lang, ohne etwas zu tun, ohne zu kommen, der zentrale Lebensmittelpunkt. Trotz enormer An arbeiten, ohne die Möglichkeit zu studieren oder andere strengungen von Politik, Behörden und Zivilgesellschaft wer Aktivitäten auszuüben.« 8 den die Bedarfe und Rechte von geflüchteten Menschen in den Unterkünften noch nicht ausreichend beachtet. Oft leben Auch nach Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung leben die Geflüchteten über sehr lange Zeiträume in einem wenig viele geflüchtete Frauen weiterhin in sogenannten »Ge- menschenwürdigen, nicht familien- und kindgerechten Um meinschaftsunterkünften«, was vom Gesetzgeber so ge- feld, in dem sie nicht immer vor Gewalt, Missbrauch und Aus wollt ist (§ 53 AsylG). Dort erhalten die Frauen in der Regel beutung geschützt sind und in dem ihre gesellschaftliche Teil keine Fremdversorgung mit Essen mehr und unterliegen habe sowie ihre Entwicklungs- und Integrationsmöglichkeiten auch nicht zwingend einem Arbeitsverbot. Sie erhalten erheblich eingeschränkt oder gar nicht vorhanden sind.“ 11 allerdings auch keine systematische Unterstützung bei Deutschlernen, Ausbildung oder Arbeitssuche. Der Aufent- Auch das Institut für Menschenrechte schreibt: »Untätig- halt in kommunalen Unterkünften geht mit im Vergleich keit und Isolation führen zu einer angespannten Situation. zu den Sozialhilfesätzen (SGB II, XII) deutlich reduzierten Frauen und Mädchen haben in den Unterkünften wenig Sozialleistungen einher. Nicht selten befinden sich die Schutz- oder Rückzugsräume. Frauenspezifische soziale Netz Unterkünfte in Gegenden weitgehend ohne Infrastruktur. werke haben sie häufig durch die Flucht verloren. Familien Die Lebensbedingungen in den Unterkünften werden von zusammenhänge und Partnerschaften sind in diesem Kontext NGOs und Wissenschaft seit vielen Jahren massiv kritisiert. 9 stark belastet. Diese Bedingungen tragen dazu bei, dass Insbesondere für traumatisierte Frauen führen diese Um- Frauen geschlechtsspezifische Gewalt durch Partner, Mitbe stände zu Unsicherheit, starken Ängsten und Belastungen: wohner, Wachschutz oder anderes Personal erfahren.« 12 Die durch Mehrbettzimmer fehlende Möglichkeit, allein 8 Anker Watch (Website). 2020. Offener Brief einer Bewohnerin aus dem 11 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). ANKER-Zentrum Geldersheim. https://www.anker-watch.de/brief-einer-be- 2018. Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flücht- wohnerin-aus-dem-anker-zentrum-geldersheim/ lingsunterkünften. S.3. Berlin. https://www.gewaltschutz-gu.de/fileadmin/ 9 Vgl. etwa Johansson, Susanne. 2016. Was wir über Flüchtlinge (nicht) wissen. user_upload/PDFs/2018-11-08Mindeststandards3.Auflage.pdf S.31 f. Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen 12 Rabe, Heike und Britta Leisering. 2018. Analyse: Die Istanbul-Konvention für Integration und Migration (SVR). Berlin. https://www.svr-migration.de/ – Neue Impulse für die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt. wp-content/uploads/2017/07/SVR-FB_Fluechtlinge_wissen.pdf Deutsches Institut für Menschenrechte. S. 31. Berlin. https://www.institut- 10 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. 2020. Rassistische Diskriminie- fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/ANALYSE/ rung auf dem Wohnungsmarkt: Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage. Analyse_Istanbul_Konvention.pdf Berlin. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/ DE/publikationen/Umfragen/umfrage_rass_diskr_auf_dem_wohnungs- markt.pdf;jsessionid=9B27EE0576BF86ECA7CF0C348C0C5B66.2_cid341?__ blob=publicationFile&v=10
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 10 Probleme bereiten nicht zwingend nur große und unüber- Gruppen von bes. Schutzbedürftigen untergebracht, auch sichtliche Einrichtungen mit sehr vielen Menschen, sondern z.B. psychische erkrankte Männer oder männliche Famili teilweise auch kleinere Einrichtungen, die wenig Raum bie- enangehörige von schwerkranken Frauen.« (Beratungs ten, um Mituntergebrachten aus dem Weg zu gehen, und stelle, Brandenburg) in denen es wenige Betreuungs- oder Ansprechpersonen gibt. Besonders im ländlichen Raum, wo oft auch keine »Es gibt in der [Erstaufnahmeeinrichtung] zwar einen ab anderen Begegnungsorte zur Verfügung stehen, die ge- getrennten Bereich für Frauen, diese müssen aber trotzdem sellschaftliche Isolation höher ist und Austauschpart in die Bereiche des Camps, in denen auch Männer wohnen, ner:innen fehlen, ist die Situation für geflüchtete Frauen wenn sie beispielswiese essen möchten, ihre Leistungen ab und Mädchen häufig sehr angespannt. holen, etc. Es gibt auch Einzelfälle, in denen Securities mit Personen, von denen Bedrohung ausgeht, in Kontakt sind.« Schutzräume / Extraeinrichtungen / (Beratungsstelle, Hessen) alternative Einrichtungen Trennung und Wegweisung des Täters Weil und solange es Sammelunterkünfte für Geflüchtete gibt, deren Ausgestaltung insbesondere dem Schutzbedarf Auch im Fall von häuslicher Gewalt zeigen sich Flüchtlings- vieler Frauen nicht gerecht wird, muss es spezielle Schutz- unterkünfte als Räume geringerer Sicherheit. So unterläuft räume im Sinne von eigenen Häusern oder Wohntrakten / die Situation in Flüchtlingsunterkünften die Prämissen des Fluren für weibliche Geflüchtete geben. Gewaltschutzes meist dann, wenn für den sofortigen und effektiven Schutz eine räumliche Trennung von Täter und Eine separate Unterbringung kann das Sicherheits- und Opfer notwendig wird. In Artikel 52 und 53 der Istanbul- Freiheitsgefühl von betroffenen Frauen stärken. Vielerorts Konvention werden Maßnahmen klar definiert, um im Fall scheint es solche separaten Frauen-Unterkünfte zu geben, von geschlechtsspezifischer Gewalt Täter und Opfer zu so sind sie etwa im Gewaltschutzkonzept des Landes trennen beziehungsweise den Täter wegzuweisen und so Niedersachsen für die Erstaufnahmeeinrichtung vorge- die betroffene Frau effektiv zu schützen. Entsprechende schrieben, allerdings nur teilweise – und ungenügend rechtliche Maßnahmen sind in den Polizeigesetzen der sicher – in Form eines separaten Stockwerks umgesetzt. Länder und dem Gewaltschutzgesetz des Bundes bereits verankert. Es gibt sie aber längst nicht in allen Bundesländern und oft nicht in den Kommunen. Überdies erübrigen sich in Die Wegweisung des Täters gilt auch für Personen in Unter- den definierten »Schutzräumen« oder »Schutzhäusern« künften für Geflüchtete. Die definierten Maßnahmen bie- die Probleme einer Sammelunterkunft nicht. Die von uns ten auch Mitarbeitenden in Unterkünften im Rahmen des befragten Berater:innen beklagen vor allem mangelnde Hausrechts die Möglichkeit, Hausverbote gegen gewalt Kapazitäten – zu wenig Schutzhäuser, aber auch offenkun- tätige Personen zu erteilen. Dies ist rechtlich allerdings nur dig mangelhafte Konzepte. unzureichend ausdefiniert, was zu sehr unterschiedlicher Handhabung in der Praxis führt und geflüchteten Frauen »Es gibt Frauenunterkünfte … Jedoch sind die Kapazitäten keinen verlässlichen Schutz bietet. 13 Der Erfolg hängt ab hier ausgeschöpft und Wartezeiten sehr lang.« (Therapie vom Ausmaß der Unterstützung und Ressourcen der Be- einrichtung, Bayern) troffenen sowie dem Wissen um das Thema in den zustän- digen Behörden und den Unterkünften: »In Städten eher als im ländlichen Raum. In Stuttgart Unterkünfte mit Security und Frauenflur…. Selbst in ent »Kontakt- und Näherungsverbote für die Täter sind in sprechenden Unterkünften [gibt es] teils zu wenig Sensibili Unterkünften z.T. schwer umzusetzen.« (Beratungsstelle, tät für das Thema Gewalt an Frauen.« (Fachberatung für Rheinland-Pfalz) geflüchtete Frauen, Baden-Württemberg) Es kommt vor, dass Wegweisungen nur für kurze Zeit erfol- »Ja, Unterkünfte, die aber schlecht ausgestattet sind und gen, oder eine Trennung nur innerhalb der Unterkunft vor- beispielsweise Männer als Securities haben.« (Therapie genommen wird, wobei ein großes Risiko besteht, dass sich einrichtung, Berlin) Täter und Betroffene begegnen. Auch ist die Anonymität der Frauen – und damit ein sicherer Ort – in den Unterkünf- »Es gibt in den Erstaufnahmeeinrichtungen ein ›Schutz ten kaum garantiert: haus‹ mit 215 Plätzen. Hier werden allerdings verschiedene 13 Vgl. Rabe, Heike. 2015. Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – upload/Publikationen/Policy_Paper/Policy_Paper_32_Effektiver_Schutz_ auch in Flüchtlingsunterkünften. Deutsches Institut für Menschenrechte. vor_geschlechtsspezifischer_Gewalt.pdf S. 17. Berlin. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 11 »Wenn es eine Identifizierung von z. B. häuslicher Gewalt ständigen Behörden der Bundesländer 2020/21 mit Kollek- gegeben hat, ist die Erfahrung, dass sehr schnell Konse tivquarantänen, die ganze Häuser mit teils mehreren quenzen bzgl. der gemeinsamen Unterbringung gezogen hundert Bewohner:innen umfassten. 16 Die Quarantäne werden. Allerdings gibt es in einigen Fällen nach Separie regelungen wurden von den Bewohner:innen als intranspa- rung vom Täter dann akute Bedrohungslagen für die rent und nicht nachvollziehbar erlebt, führten häufig zu Frauen, die nicht ausreichend geschützt werden, da ihr chaotischen Zuständen und erschienen aus epidemiologi- Aufenthaltsort bekannt ist.« (Beratungsstelle, Schleswig- scher Sicht als nicht zielführend. Gleichzeitig kritisierten Holstein) die Bewohner:innen unterkunftsinterne Hygienekonzepte zur Bekämpfung des Virus als unzureichend 17. Zahlreiche »Unterkunftspersonal nicht ausreichend geschult, teil- Unterkünfte wurden über mehrere Wochen komplett abge- weise sogar Schutz des Täters … Komplizenhaft (…) schottet – Neuinfektionen führten immer wieder zu einer rechtswidrige Herausgabe von Adresse (durch Personal, Verlängerung der Kollektivquarantäne. Aufgrund dieses Behörden etc.) (Beratungsstelle, Berlin) Vorgehens sind von Gewalt betroffene Frauen wie alle Bewohner:innen von Geflüchtetenunterkünften erheblich Nicht nur ist das Fernhalten des Täters in Sammelunter- häufiger und länger einer Quarantänesituation und den künften schwer umzusetzen – die betroffene Frau ist auch damit einhergehenden psychischen Folgen ausgesetzt. gehindert, selbst in eine andere, sichere Unterkunft umzu- ziehen. Grund dafür ist, dass Frauen, die noch kein Aufent- Neben dem erhöhten Infektionsrisiko ist die verstärkte haltsrecht erworben haben, sowohl der Unterkunft als Isolation und Belastungssituation besorgniserregend. auch dem Wohnort verpflichtend zugewiesen sind und ein Während der Pandemie wurde und wird Sozialdiensten Umzug beantragt und von den Behörden erlaubt werden und Ehrenamtlichen teilweise oder vollständig der Zugang muss. Dies hindert gewaltbetroffene Frauen auch daran, zu den Unterkünften verwehrt. Für von Gewalt betroffene sich Zugang zu Beratung und Hilfe zu verschaffen, und ver- Frauen verringern sich dadurch Beratungsangebote und ursacht selbst bei der Schutzsuche in einem Frauenhaus die Chance auf vertrauensvolle Ansprechpersonen erheb- oder einer Schutzwohnung Probleme (siehe dazu ausführ lich. Die wegfallende Kinderbetreuung und geschlossene licher Kapitel 4 b). Schulen bedeuten für Frauen, denen vielfach die Familien- arbeit zugewiesen wird, weitere Belastungen, in für eine Sammelunterbringung in Zeiten der kindgerechte Erziehung schwierigen Umständen. 18 Auf- Corona-Pandemie grund fehlender WLAN-Abdeckung in den Unterkünften konnten auch Online-Angebote für Sprach- und Fortbil- Die Corona-Pandemie hat die Bedingungen für Frauen in dungskurse nicht besucht und Homeschooling nicht um der Sammelunterbringung besonders verschärft. Denn gesetzt werden. 19 dort können die einfachsten Hygieneregeln nicht eingehal- ten werden: »Wer mit vielen anderen Menschen in Mehr- Insgesamt steigt der Druck auf Familienzusammenhänge bettzimmern lebt und Küchen, Waschräume und Toiletten und Partnerschaften: Eine gesamtgesellschaftliche Studie teilt, ist einem massiv erhöhten Infektionsrisiko ausge zu Beginn der Pandemie verweist auf ein erhöhtes Risiko setzt.« 14 Ein Ansteckungsrisiko von 17 % in einer Unterkunft häuslicher Gewalt, in Quarantäne zu Hause, bei finanziellen ab einem ersten nachgewiesenen Fall von SARS‐CoV‐2 ist Sorgen oder bei schlechter psychischer Gesundheit (z.B. als hoch einzustufen. 15 Depression und Angst) eines oder beider Elternteile wäh- rend COVID-19 20. Auch der Jahresbericht des Hilfetelefon Entgegen wissenschaftlichen Empfehlungen, vor allem verweist auf die steigenden Beratungsanfragen. 21 des staatlichen Robert-Koch-Instituts, reagierten die zu- 14 Vgl. Bayerischer Flüchtlingsrat. 4.2.2021. Pressemitteilung: Corona Pandemie 18 Vgl. beispielhafte Erzählungen mit Fotos aus der Landeserstaufnahmeein- wütet in bayerischen Unterkünften. https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/ richtung Ellwangen: UNICEF. 2020. Unter Quarantäne: spielen, essen, schlafen corona-pandemie-wuetet-in-bayerischen-unterkuenften/ in einem einzigen Zimmer. 15 Vgl. Kompetenznetz COVID-19. 2020. Factsheet: SARS‐CoV‐2 in Aufnah 19 Vgl. Flüchtlingsrat Niedersachsen. 2020. Schulcomputer für Einkommens- meeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete. schwache Haushalte. https://www.nds-fluerat.org/43650/aktuelles/schul- https://www.gewaltschutz-gu.de/die-initiative/details-2-08-2020/factsheet- computer-fuer-einkommensschwache-haushalte/ sars-cov-2-in-aufnahmeeinrichtungen-und-gemeinschaftsunterkuenften- 20 Vgl. Steinert Prof. Dr., Janina. 2020. Gewalt an Frauen und Kindern in fuer-gefluechtete-kompetenznetz-covid-19-2020 Deutschland während COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen: Zu- 16 Vgl. Bayerischer Flüchtlingsrat. 23.11.2020. Pressemitteilung: Corona in sammenfassung der Ergebnisse. Technischen Universität München (TUM) Geflüchtetenunterkünften https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/corona- und Dr. Cara Ebert vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. in-gefluechtetenunterkuenften/ und 12.06.2020. Pressemitteilung: Robert- https://www.hfp.tum.de/globalhealth/forschung/covid-19-and-domestic- Koch-Institut empfiehlt Schutz Geflüchteter-nichts passiert. https://www. violence/ fluechtlingsrat-bayern.de/robert-koch-institut-empfiehlt-schutz-gefluechte- 21 Bundesweites Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen: https://www.hilfetele- ter-nichts-passiert/ fon.de/index.php?id=318 17 Vgl. z.B. Bericht einer Geflüchteten zu den Aufnahmebedingungen, Pande- mie Maßnahmen und Kollektivquarantäne auf der Website My home is not safe: https://myhomeisnotsafe.wordpress.com/2021/01/20/even-animals- are-not-treated-like-that/
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 12 Geflüchtete Frauen sind über einen langen Zeitraum in Sammelunterkünften unter Empfehlung gebracht. Sowohl die Erstaufnahmeeinrichtungen/ANKER-Zentren als auch die so genannten »Gemeinschaftsunterkünfte« sind strukturell konflikt- und gewaltfördernd. Zudem werden Frauen daran gehindert, selbstbestimmt für die eigene Sicherheit zu sorgen. Ungeachtet der Bemühungen um einen besseren Gewaltschutz in Sammelunter- künften sind diese grundsätzlich nicht als verpflichtende Wohnform für von Gewalt betroffene Frauen geeignet. Wir empfehlen: > Die Zeit in der Erstaufnahme für Geflüchtete sollte gesetzlich auf maximal vier Wochen beschränkt werden. > Die Wohnungsunterbringung von Geflüchteten muss Vorrang haben vor der Unterbringung in Sammel- unterkünften. Der gesetzliche Auftrag zur Gemeinschaftsunterbringung muss aufgehoben werden. Auch Städte und Gemeinden haben über die allgemeinen politischen Maßnahmen die Voraussetzungen dafür zu schaffen (z.B. Förderung sozialen Wohnungsbaus) > In vorhandenen Sammelunterkünften müssen die verantwortlichen Länder bzw. Kommunen ein strategisches Auszugsmanagement sicherstellen, das alle Bewohner:innen dabei unterstützt, geeignete Wohnungen zu finden.
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 13 b) GEWALTSCHUTZKONZEPTE UND MINDESTSTANDARDS IN LÄNDERN UND KOMMUNEN Solange die Unterbringung in Sammelunterkünften den Einige überregionale Initiativen sind als sehr positive und Modus Operandi der Unterbringung von Geflüchteten unterstützende Entwicklungen zum Gewaltschutz für ge- darstellt, sind Gewaltschutzkonzepte und -standards not- flüchtete Frauen zu werten. Allerdings mangelt es an einer wendig. In den letzten Jahren hat sich der Gewaltschutz flächendeckenden Anwendung und entsprechenden Ver- in Unterkünften für Geflüchtete in Deutschland deutlich pflichtung der Länder, die Angebote zu nutzen. weiterentwickelt. Zu nennen ist hier beispielsweise die dezentralen Be Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und ratungs- und Unterstützungsstruktur für Gewaltschutz Jugend (BMFSFJ) hat die »Initiative zum Schutz von ge in Flüchtlingsunterkünften« (DeBUG). Vom Bund werden flüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften« ins sieben Multiplikator:innen gefördert. Jene haben eine Leben gerufen. Hier wurden unter anderem in Zusammen- beratende Funktion und erstellen keine Schutzkonzepte. arbeit mit UNICEF und zahlreichen Organisationen »Min Die Aufgabe, Gewaltschutzkonzepte zu entwickeln und deststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen zu implementieren, hängt damit im Wesentlichen von den in Flüchtlingsunterkünften 22« entwickelt. Ziel ist es, diese Möglichkeiten, dem Willen und der Kompetenz der in den Mindeststandards in allen Unterkünften für Geflüchtete in einzelnen Einrichtungen Beschäftigten ab. Dies gestaltet Deutschland umzusetzen. Als »Leitlinien für die Erstellung, sich wiederum unterschiedlich vor dem Hintergrund der Umsetzung und das Monitoring von einrichtungsinternen landeseigenen rechtlichen oder nichtverbindlichen Vor Schutzkonzepten in jeder Form von Flüchtlingsunterkünf- gaben zum Gewaltschutz. 24 ten« sowie als »Orientierung für die (Weiter-) Entwicklung von länderspezifischen bzw. kommunalen Schutzkonzep- Ein weiteres Beispiel ist beSAFE, ein Modellprojekt zur Ent- ten« sind sie jedoch rechtlich nicht verbindlich und haben wicklung und Erprobung eines Konzepts zur Identifizierung lediglich Empfehlungscharakter. 23 besonderer Schutzbedarfe bei der Aufnahme von Geflüch- teten 25. Es ist von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Mit dem Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folter- Ausreisepflicht sind im August 2019 mit § 44 Abs. 2a und opfer (BAfF e.V.) in Kooperation mit dem psychosozialen § 53 Abs. 3 Asylgesetz (AsylG) bundesgesetzliche Regelun- Beratungszentrum für LSBTI*-Personen »Rosa Strippe e.V.« gen zum Schutz vulnerabler Personengruppen in Aufnah- entwickelt worden 26. Auch dieses soll lediglich ein unver- meeinrichtungen und Sammelunterkünften in Kraft getre bindliches Angebot werden, das auf Länderebene genutzt ten. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass die Bundesländer werden kann. Maßnahmen treffen sollen, um bei der Unterbringung Asylbegehrender den Schutz von Frauen und schutzbe- Ein wichtiger Bestandteil von Gewaltschutzkonzepten in dürftigen Personen zu gewährleisten. Die Länder regeln Unterkünften ist, dass sie an ein niedrigschwelliges, funk und vollziehen die Unterbringung vor allem in den landes- tionierendes Beschwerdeverfahren angebunden sind, eigenen Erstaufnahmeeinrichtungen selbst. Für die an- zu dem Bewohner:innen und Mitarbeitende anonym Zu- schließende Unterbringung nach der Zuweisung auf die gang haben. Hier hat die Frauenhauskoordination in An Städte und Gemeinden haben die Bundesländer die dies- lehnung an ein Pilotprojekt eine sehr gute Handreichung bezüglichen Aufgaben oft den Kommunen übertragen. entwickelt. 27 Von einer flächendeckenden Nutzung kann Die Praxis ist dementsprechend vielfältig und unübersicht- aber wohl (noch) keine Rede sein. lich – und lückenhaft. 22 Vgl. BMFSFJ (Hg.). 2018. Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten 24 Informationen zum Projekt DeBUG: https://www.gewaltschutz-gu.de/projek- Menschen in Flüchtlingsunterkünften. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/ te/debug publikationen/mindeststandards-zum-schutz-von-gefluechteten-menschen- 25 Informationen zum Projekt besafe: https://www.gewaltschutz-gu.de/projek- in-fluechtlingsunterkuenften/117474 (english version: Minimum Standards te/besafe-besondere-schutzbedarfe-bei-der-aufnahme-von-gefluechteten- for the Protection of Refugees and Migrants in Refugee Accommodation erkennen Centres: https://www.bmfsfj.de/blob/121372/ab3a1f0c235a55d3b37c81d- 26 Weiteren Projekte der Bundesinitiative: https://www.gewaltschutz-gu.de/ 71f08c267/minimum-standards-for-the-protection-of-refugees-and-mig- projekte/uebersicht rants-in-refugee-accommodation-centres-data.pdf 27 Vgl. Frauenhauskoordinierung. 2019. Beschwerdeverfahren für geflüchtete 23 Vgl. BMFSFJ (Hg.). 2018. Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Unterkünften: Empfehlungen und Material zur Umsetzung. Menschen in Flüchtlingsunterkünften, S. 9 https://www.gewaltschutz-gu.de/ www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/Publikationen/ fileadmin/user_upload/PDFs/2018-11-08Mindeststandards3.Auflage.pdf Handreichung_BM/FHK_Handreichung_BM_fuer_gefluechtete_Menschen_ web.pdf
UNTERKÜNFTE UND GEWALTSCHUTZ 14 Gewaltvorfälle in der Praxis »Es gibt solche Fälle (Belästigung, Vergewaltigung), eine Häufigkeit ist uns nicht bekannt.« (Therapieeinrichtung, In unserer Befragung hatten nahezu alle befragten Bera- Nordrhein-Westfalen) tungseinrichtungen Kenntnis von konkreten Gewaltvor fällen in Unterkünften für Geflüchtete. Sie machen in ihrer »Ja bekannt sind: häusliche Gewalt, Prostitution, sexuali Gesamtheit deutlich, dass Gewaltschutz in der Praxis auch sierte Gewalt, psychische Gewalt.« (Beratungsstelle, aktuell häufig nicht funktioniert 28 – im Folgenden eine Bayern) Auswahl: »Häufigkeit unklar, sexuelle Belästigung [gibt es] auf jeden »Ja. [Es gibt Gewaltvorfälle in den Unterkünften.] Häus- Fall, die Frauen haben große Angst davor, auch in Bezug liche Gewalt. Und vereinzelt auch sexualisierte Gewalt.« auf ihre Kinder, besonders bei Gemeinschaftsduschen, (Therapieeinrichtung Berlin) Küchen, Toiletten, teilweise Duschräume im UG, nicht ab schließbar….« (Therapieeinrichtung, Rheinland-Pfalz) »Im Erdgeschoss klopfen Leute nachts ans Fenster; Bedrohung und Übergriffe durch gewalttätige Ehemänner Heterogene Ländervorgaben und Ex-Männer« (Therapieeinrichtung, Baden-Württem berg) Die Gewaltschutzkonzepte der Länder sind jedoch völlig »Die Dunkelziffer ist sehr hoch. (…) Vergewaltigungen, unterschiedlich in der Qualität und der Rechtsverbindlich- versuchte Vergewaltigungen, sexuelle Belästigungen & keit. Dies zeigt eine aktuelle Studie von UNICEF und dem Übergriffe, Körperverletzungen jeglicher Art, häusliche Deutschen Institut für Menschenrechte: Für Landeseinrich- Gewalt, psychische Gewalt, Stalking. Es gibt Berichte tungen werden rechtsverbindliche Gewaltschutzkonzepte von Übergriffen auch durch das Sicherheitspersonal.« von den meisten Bundesländern angegeben. Manche Bun- (Beratungszentrum, Brandenburg) desländer haben Gewaltschutzanforderungen in die Ver- träge mit Betreiber:innen von Unterkünften aufgenommen. »Ja! Sexualisierte und häusliche Gewalt; bekommen wir Andere (Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen, Schles- oft mit. Während Corona vermehrt.« (Fachberatungsstelle, wig-Holstein und Thüringen) setzen dagegen auf einrich- Baden-Württemberg) tungsspezifische Gewaltschutzkonzepte und haben keine landesweiten verbindlichen Vorgaben. »Alleinstehende Frauen beklagen sich außerdem häufig über anzügliche Bemerkungen und Anmache durch Be Bezogen auf kommunale Einrichtungen für geflüchtete wohner« (Therapieeinrichtung, Rheinland-Pfalz) Menschen gibt es rechtlich verbindliche Gewaltschutzvor- gaben nur in Bayern, Brandenburg und Thüringen. Baden- »Klient:innen berichten von ungewolltem Eindringen von Württemberg und Bremen geben lediglich Mindeststan- Security-Personal in private Zimmer, da Räume nicht abge dards (vor allem für die räumlichen Anforderungen) vor. schlossen werden können; keine Wahrung der Privatsphäre Berlin sieht Gewaltschutzkonzepte als Teil von Betreiber- möglich!« (Therapieeinrichtung, Sachsen) verträgen vor, Hamburg plant Ähnliches. Die restlichen »Diverse Vorfälle aus den letzten Jahren in zahlreichen Bundesländer verzichten auf eine rechtliche Regulierung, GUs bekannt (…) teils verbale Gewalt durch Einrichtungs unterstützen aber häufig zumindest die Kommunen gezielt leitungen, oft wurden männliche Bewohner handgreiflich bei der Erarbeitung von Gewaltschutzkonzepten. 29 (Schläge, Androhung von Schlägen, Entblößung der Ge schlechtsteile, Übergriffe in Sanitäranlagen, Einstieg durch Beispiel Bayern: Das »Bayerische Schutzkonzept der geöffnete Fenster, u.v.m.)« (Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt) Unterbringungsverwaltung zur Prävention von Gewalt« gilt für alle bayerischen Asylunterkünfte. Es handelt sich »Uns ist ein Fall bekannt, in dem [eine] Frau Gewalt durch jedoch lediglich um ein administratives Rahmenkonzept, Ehemann und andere Bewohnerin in Unterkunft erlitten die dortigen Vorgaben und Maßnahmen seien einrich hat – sie gab an, dass Security nicht einschritt, auch nicht tungsspezifisch umzusetzen. Durch eingesetztes Gewalt als sie diese um Hilfe bat; weiterhin berichten Klientinnen schutzpersonal wurde bereits in einigen Anker-Einrich von verbaler Gewalt aufgrund von Religionszugehörigkeit tungen und neun Gemeinschaftsunterkünften ein solches und sexueller Gewalt durch andere Heimbewohner*innen, einrichtungsinternes Gewaltschutzkonzept erstellt. Dies Anzahl statistisch nicht erhoben.« (Therapieeinrichtung, wurde in einer schriftlichen Anfrage an den Bayerischen Sachsen) Landtag aufgelistet, öffentlich zugänglich sind sie nicht. 28 Zahlreiche Vorfälle wurden auch in der Umfrage zu diesem Bericht genannt. 29 Vgl. Unicef und DIMR. 2020. Zusammenfassung: Gewaltschutz in Unterkünf- Ein weiteres Beispiel: http://www.truth24.net/frauen-in-fluechtlingsunterku- ten für geflüchtete Menschen – Eine kinderrechtliche Analyse von UNICEF enften-klagen-ueber-gewalt-und-willkuer/ Deutschland und dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) basie- rend auf einer Befragung der 16 Bundesländern. S.3. https://www.gewalt- schutz-gu.de/fileadmin/user_upload/PDFs/i0051-studie-text-data.pdf
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