Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19 - De Gruyter

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Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19 - De Gruyter
BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis 2020; 44(3): 552–559

Meinung

Katja Thiele* und Britta Klagge

Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und
Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19
https://doi.org/10.1515/bfp-2020-2023                                              gen haben würde. Neben Kindertageseinrichtungen und
                                                                                   Schulen gehörten Öffentliche Bibliotheken in vielen deut-
Zusammenfassung: Die Corona-Krise hat weitreichende                                schen Bundesländern zu den ersten Einrichtungen, die
Konsequenzen für den Betrieb kommunaler Einrichtungen                              geschlossen wurden. Durch die gravierenden Einschrän-
in ganz Europa. Besonders die freiwilligen Einrichtungen                           kungen des öffentlichen Lebens sind sie plötzlich zu „men-
der kulturellen Bildung wie Öffentliche Bibliotheken, die                          schenleere[n] Räume[n], [zu] unheimliche[n] Ikonen der
jenseits der formalen Bildung einen Beitrag zur Bildungs-                          Pandemie“1 geworden. Trotz sukzessiver Lockerungsmaß-
gerechtigkeit leisten, wurden geschlossen. Öffentliche Bi-                         nahmen ab Mai 2020 blieben die meisten Bibliotheken vor-
bliotheken mussten ihre Dienstleistungen und Angebote                              erst geschlossen. Ähnliche Entwicklungen können auch in
anpassen und neue Formate entwickeln. Der Beitrag zeigt                            anderen Ländern Europas beobachtet werden. Dies liegt
die aktuellen Entwicklungen in Deutschland und Europa                              einerseits daran, dass die Kommunen die Maßnahmen
auf und beleuchtet die Folgen für die Bildungsgerechtig-                           zur Lockerung nur nach und nach umsetzen können.
keit in Städten und Kommunen.                                                      Andererseits – und das ist vielleicht viel alarmierender –
                                                                                   wurde durch die jüngsten Entwicklungen die im Zuge von
Schlüsselwörter: Öffentliche Bibliotheken; Covid-19; Bil-
                                                                                   Digitalisierung und kommunaler Finanzknappheit bzw.
dungsgerechtigkeit; dritte Orte
                                                                                   Austerität seit vielen Jahren geführte Debatte über die
                                                                                   Notwendigkeit des physischen Raums von Bibliotheken
Public Libraries as Third Places and Educational Justice in
                                                                                   wieder entfacht.
the Face of Covid-19
                                                                                        Öffentliche Bibliotheken sind dritte Orte der non-for-
Abstract: The Corona crisis has far-reaching consequences                          malen Bildung.2 Jenseits von Zuhause (erster Ort) und
for the provision of local public services throughout Euro-                        Schule oder Arbeitsplatz (zweiter Ort) tragen sie zu Begeg-
pe. This particularly applies to voluntary services within                         nung und Austausch von Menschen bei. Damit stellen sie
the cultural sector, which contribute to educational justice                       eine zentrale Unterstützungsstruktur für Bildungsgerech-
beyond formal education. Despite the easing up of lockup                           tigkeit und gesellschaftliche Teilhabe dar. Die Schließung
measures from May 2020, public libraries remained closed                           Öffentlicher Bibliotheken ist besonders für diejenigen in
and had to adapt their services and develop new formats.                           unserer Gesellschaft ein Problem, für die die eigenen vier
The article analyses the current developments in Germany                           Wände nicht die erforderlichen Bedingungen für die er-
and Europe and highlights the consequences for educa-                              folgreiche Teilhabe an Bildungsprozessen bieten. Es ist
tional justice at the local level.                                                 zwar noch zu früh, um einzuschätzen, welche gesellschaft-
                                                                                   lichen Auswirkungen die Ausbreitung der Krankheit Co-
Keywords: Public libraries; Covid-19; educational justice;
                                                                                   vid-19 in der globalen Entwicklung der nächsten Dekade
third places
                                                                                   (n) haben wird. In Bezug auf Öffentliche Bibliotheken lässt
                                                                                   sich jedoch bereits jetzt erkennen, dass Covid-19 die Ent-
                                                                                   wicklungen der letzten Jahre beschleunigt und negative
1 Einleitung                                                                       Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe in Öffent-
                                                                                   lichen Bibliotheken hat.
Als sich das Coronavirus im März 2020 in Deutschland                                    Vor dem Hintergrund der Frage um Bildungsgerech-
ausbreitete, wurde schnell deutlich, dass dies weitreichen-                        tigkeit stellt der Beitrag die Relevanz Öffentlicher Bi-
de Konsequenzen für den Betrieb öffentlicher Einrichtun-

*Kontaktperson: Katja Thiele, kthiele@uni-bonn.de                                  1 Schuster (2020).
Prof. Dr. Britta Klagge, klagge@uni-bonn.de                                        2 Aabø und Audunson (2012).

  Open Access. © 2020 Katja Thiele und Britta Klagge, publiziert von De Gruyter.             Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons
Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19     553

bliotheken als dritte Orte heraus und beleuchtet im An-                  der Kommunen bzw. der kommunalen Bibliotheksdienste
schluss an Überlegungen in den Bibliotheks- und Infor-                   ab. Da in vielen Großstädten die lokale Bibliotheksland-
mationswissenschaften sowie der Stadt-, Wirtschafts- und                 schaft aus mehreren Bibliothekseinrichtungen besteht, die
Bildungsgeographie, welchen Einfluss die aktuellen Maß-                  ein gemeinsames Netz bilden, gibt es zumindest in den
nahmen auf die Bildungsgerechtigkeit in den Kommunen                     größeren Städten meist wieder einzelne Öffentliche Biblio-
haben.                                                                   theken, die Dienste vor Ort anbieten. Diese Dienste sind
                                                                         jedoch stark reduziert, beispielsweise auf die Abgabe und
                                                                         Ausleihe von analogen Medien wie Büchern, CDs etc. In
2 Entwicklung von                                                        vielen Kommunen werden neue Dienste für die kontaktlose
                                                                         Rückgabe und Ausleihe von physischen Bibliotheksmate-
  Stadtbibliotheken im Kontext                                           rialien eingerichtet (Abb. 1).6 Für Personen, die den Risiko-
  der Covid-19-Pandemie                                                  Gruppen angehören, gibt es in einigen Kommunen zusätz-
                                                                         lich die Möglichkeit, einen Bücherlieferdienst in Anspruch
Anfang März 2020 kam es im Zuge der Maßnahmen gegen                      zu nehmen. Diese neuen Infrastrukturen verursachen un-
die Ausbreitung des Corona-Virus in ganz Europa zur                      vorhergesehene Kosten für Medien und Technik, Personal
Schließung von Bibliotheksgebäuden für die Öffentlich-                   und digitale Sicherheit, für die zusätzliche Mittel in den
keit.3 Die europäische Nicht-Regierungs-Organisation NA-                 kommunalen Haushalten bereitgestellt werden müssen.
PLE (National Authorities on Public Libraries in Europe)
hat daraufhin am 30. April einen Bericht über die aktuel-
len Maßnahmen veröffentlicht.4 Der Bericht zeigt, dass
sich die Entwicklungen in den 20 Mitgliedsländern ähneln
und die lokale Politik jeweils vor den gleichen Herausfor-
derungen steht. Die drei wichtigsten Entwicklungen wer-
den im Folgenden zusammengefasst:
     (1) Die Schließung eines Großteils der physischen Ein-
richtungen Öffentlicher Bibliotheken in Europa war eine
                                                                         Abb. 1: Eröffnung der neuen Abgabe- und Abholstation der
der ersten Maßnahmen im Zuge der staatlichen Eindäm-                     Zentralbibliothek in Bonn im Mai 2020 (Foto: Britta Klagge)
mungsstrategien.5 Der Schwerpunkt der Services liegt seit-
her auf dem Ausbau digitaler Angebote (siehe Punkt 2). Die
Rückkehr zum Modell der offenen Bibliothek als physi-                    (2) Die Aussetzung des physischen Zugangs zu Öffent-
scher Ort, der besucht werden kann, stellt sich als große                lichen Bibliotheken geht zweitens mit einem weiteren Aus-
Herausforderung dar. Die Möglichkeiten der Öffnung hän-                  bau digitaler Dienste und der verstärkten Nutzung sozialer
gen stark von den örtlichen Gegebenheiten (Raumkapazi-                   Medien als Plattform der Öffentlichkeitsarbeit einher.7 Bi-
tät, Personalsituation etc.) und den Sicherheitskonzepten                bliotheken haben im Zuge der Digitalisierung immer wie-
                                                                         der mit dem Problem der Sichtbarkeit ihrer Angebote zu
                                                                         kämpfen und die Mitarbeiter müssen sich die Frage stellen,
3 Die dargestellten Entwicklungen beziehen sich auf die Mitglieds-
                                                                         wie sie Nutzer erreichen (können). Sie haben in den letzten
länder der Organisation NAPLE, d. h. die Länder Belgien (Flandern),
Kroatien, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich,
                                                                         zwei Jahrzehnten vielerorts mit Erfolg an der Entwicklung
Deutschland, Griechenland, Irland, Litauen, Norwegen, Niederlande,       neuer Inhalte und Formate gearbeitet, wobei insbesondere
Polen, Portugal, Schottland, Slowenien, Spanien, Schweden und die        Investitionen in ansprechende Architektur und Innenein-
Schweiz. Über ähnliche Entwicklungen in Großbritannien berichtet         richtung sowie in moderne Technologien, Medienangebote
die Organisation CILIP (Chartered Institute of Library and Information   sowie ein weitreichendes und vielfältiges Veranstaltungs-
Professionals), s. Poole (2020). Zusätzlich zu diesen Daten wurden (im
                                                                         und Kursprogramm die Sichtbarkeit Öffentlicher Bibliothe-
Rahmen des am Geographischen Institut der Universität Bonn ange-
siedelten DFG-Projektes Öffentliche Bibliotheken im Spannungsfeld        ken erhöht haben. Da die physische Ausleihe derzeit nur
von Finanzknappheit und kommunaler Daseinsvorsorge) Interviews mit       eingeschränkt möglich ist, wird mehr denn je auf die (Wei-
Personen in Bibliotheksverwaltungen in Deutschland, England und          ter-)Entwicklung von Online-Diensten gesetzt, und es lässt
Schweden geführt und ein Webinar zum Thema Corona und Biblio-            sich seit März 2020 auch eine sprunghafte Steigerung der
theken besucht, das von der Kulturpolitischen Gesellschaft und dem
Deutschen Bibliotheksverband am 02.06.2020 durchgeführt wurde,
https://kupoge.de/corona-und-bibliotheken/.
4 NAPLE (2020).                                                          6 NAPLE (2020) 5 f.
5 NAPLE (2020) 2 f.                                                      7 NAPLE (2020) 7 ff. und 12.
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Akzeptanz bei den Nutzern verzeichnen. Dazu beigetragen                dass Öffentliche Bibliotheken während des Corona-Lock-
haben eine Reihe von veränderten Rahmenbedingungen,                    downs in einigen kleinen Kommunen häufig die einzig ver-
beispielsweise die Online-Ausleihe von elektronischen Me-              bliebenen und online erreichbaren Kultur- und Bildungs-
dien (E-Books, E-Magazine etc.) über eigene Plattformen,8              einrichtungen waren bzw. sind. Von den zuständigen
die Lockerung der Beschränkungen für den Zugang zu                     Kommunen werden die Online-Auftritte der Öffentlichen
digitalen Inhalten (kostenlose Nutzung oder Senkung von                Bibliotheken dabei gezielt genutzt, um die Bevölkerung
Hürden) und die Aufstockung von Lizenzen. Hinzu kommt                  anzusprechen und ihr gesicherte Informationen zu den
die Entwicklung eigener Streaming-Dienste (für Filme,                  Entwicklungen rund um Covid-19 zur Verfügung zu stellen.
Serien oder zum Live-Streamen von Veranstaltungen)                     Von besonderer Relevanz, vor allem im Zusammenhang
und völlig neuer multimedialer Inhalte (z. B. Videotutori-             mit Fake News (u. a. zu Covid-19), ist die Vermittlung von
als,9 Podcasts,10 Online-Sprachkurse, digitale Storytelling-           Medienkompetenz durch Öffentliche Bibliotheken – eine
Workshops, Gaming-Angebote oder Buchempfehlungen                       Aufgabe, der sich die Bibliotheken allerdings in sehr unter-
auf YouTube11). Im kürzlich erschienenen Sonderheft Bi-                schiedlicher Intensität widmen.
bliotheken des Magazins für Medien, Marketing & Kommuni-                    (3) Im Zuge der Corona-Entwicklungen verändert sich
kation beschreibt Deeg den damit verbundenen Wandel                    drittens die Arbeitswelt der Bibliotheksbeschäftigten ganz
von Bibliotheken hin zu mehr Service- und Kundenorien-                 erheblich. Dies zeigt sich auch im Bibliotheksalltag.14 Der
tierung (statt Bestandsorientierung). Bibliotheken werden              Großteil des Personals in Öffentlichen Bibliotheken muss
damit selbst zu Entwicklern von besonderen Angeboten                   plötzlich von zu Hause arbeiten und von dort innovative
und Events statt nur Medien zu verleihen.12 Um Nutzern                 Ideen entwickeln. Wo Arbeit vor Ort möglich ist, werden
auch weiterhin In-formationen über Kultur- und Hilfsange-              unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Corona-
bote zugänglich zu machen, werden in Zeiten von Corona                 Schutzverordnungen Pläne entwickelt, um einen Teil der
außerdem Webseiten, Mailinglisten und soziale Medien                   Mitarbeiter wieder in den Bibliotheken arbeiten zu lassen
genutzt. Auch, wenn Bibliotheken bereits seit mehr als                 und im Rahmen einer schrittweisen Öffnung Angebote vor
10 Jahren im Bereich sozialer Medien aktiv sind, werden                Ort anzubieten (Abb. 2), beispielsweise im Schichtbetrieb.15
Plattformen wie Facebook oder Twitter durch die Corona-                Während es in Europa bisher nur in wenigen Fällen zum
Krise zum wichtig(st)en Medium im Austausch mit den                    Abbau von Personal kam (etwa in Finnland durch Nicht-
Nutzern – einerseits, um die Nutzer überhaupt zu errei-                verlängerung von zeitlich befristeten Verträgen), wird aus
chen, und andererseits, um die Sichtbarkeit der Bibliothek             einigen Ländern (u. a. SE, NO, FR, IE, GB, DE) vom Abzug
als öffentliche Einrichtung zu erhöhen.13 Interessant ist,             der Bibliotheksmitarbeiter von der Bibliotheksarbeit hin zu
                                                                       anderen Covid-19-bezogenen Aktivitäten berichtet.16 In
                                                                       England und Deutschland werden diese Mitarbeiter bei-
8 In Spanien hat das Angebot virtueller Plattformen für den elektro-
                                                                       spielsweise als Unterstützung der Gesundheitsbehörden
nischen Verleih (bspw. eBiblio, eFilm, Tumblebooks) zu einem ra-
schen Anstieg der Nutzerzahlen geführt, NAPLE (2020) 9.                bei der Isolation und Versorgung gefährdeter Personen
9 Stellvertretend sei auf ein auf der Video-Plattform YouTube ver-     eingesetzt oder übernehmen Telefondienste der kommuna-
öffentlichtes Video der Stadtbibliothek Frankfurt am Main verwiesen,   len Verwaltungen.17 Vor diesem Hintergrund ist in Teilen
in der der Nao-Robotor die neuen Regeln für die Stadtbibliotheken      der Belegschaft die Sorge vorhanden, dass in Folge der
erklärt, https://www.youtube.com/watch?v=m24G8M3qnX4&t=3s.
                                                                       Corona-Krise ein Teil des Personals auf diesem Wege ver-
10 In den letzten Jahren sind im deutschen Bibliotheksbereich einige
Podcasts entstanden: M (Münchner Stadtbibliothek), BibCast (Stadt-
                                                                       loren gehen könnte.18 Diese Sorge ist insofern berechtigt,
bibliothek Chemnitz), BücherRausch (Städtische Bibliotheken Dres-      als dass diese Maßnahmen mit Entwicklungen korrespon-
den).
11 Die britischen Organisationen CILIP und Libraries Connected bie-
ten seit der Corona-Krise den gemeinsamen Dienst National Shelf        chen interaktiven Chat archiviert und gebündelt werden, um den
Service (tägliche E-Book-Empfehlungen von Bibliothekaren) auf ih-      Bibliotheksalltag und die Debatten in Deutschland abzubilden.
rem YouTube-Kanal an: https://www.youtube.com/channel/UCPUIql          14 NAPLE (2020) 4 f.
JM0aieXdq-LxKDvWA/live.                                                15 In Herten testet die Stadtbibliothek seit April 2020 das Modell der
12 Deeg (2020).                                                        Bibliothek to go. Vorher per Telefon oder E-Mail bestellte Medien
13 Auf Twitter gibt es derzeit eine ganze Reihe von Hashtags, un-      können dort in einem extra Bereich der Bibliothek kontaktlos abge-
ter denen die aktuellen Entwicklungen in Deutschland sowohl            holt werden. Vgl. Beitrag auf dem YouTube-Kanal von cityInfo.TV
unter Bibliothekspersonal als auch Nutzern rege diskutiert wer-        https://www.youtube.com/watch?v=EDgXIv3_BbE.
den: #BibchatDE, #BibliothekenSindDa, #twittothek, #LiteraturGe-       16 NAPLE (2020) 5, Poole (2020), eigene Interviews zwischen April
sucht, #BibatHome, #LibraryTwitter, #wirbibliotheken. Zu dem           und Juli 2020.
TwitterAccount @BIBChatDE gehört zudem eine eigene Webseite            17 Poole (2020), eigenes Interview im Mai 2020.
https://www.bibchat.de/, auf der die Diskussionen zum wöchentli-       18 NAPLE (2020) 4, Vgl. Anm. 3 zu Webinar.
Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19 - De Gruyter
Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19         555

dieren, die im Kontext der kommunalen Finanzknappheit                    von ihren privaten oder beruflichen Kontexten sowie den
und dem verstärkten Bedürfnis nach Kosteneffizienz be-                   damit verbundenen Rollen und Privilegien ermöglicht.
reits seit längerem zu beobachten sind.19 Um ihre Kosten zu              Eine für die Stadtgeographie hilfreiche Weiterentwicklung
senken, sind Bibliotheken darüber hinaus zunehmend auf                   des Begriffes von thirdspace im Sinne von place (konkre-
eine Kooperation untereinander sowie mit weiteren Ein-                   ter Ort) bietet der Stadtsoziologe Oldenburg. Er versteht
richtungen in den Bereichen Bildung und Gesundheit an-                   thirdplace als einen Ort der Öffentlichkeit außerhalb des
gewiesen.20 Dabei setzen sie neben dem Teilen von Res-                   eigenen Zuhauses (firstplace) sowie des Ortes, an dem
sourcen, Diensten und Aufgaben auch vermehrt auf das                     Lohnarbeit oder Schule bzw. Ausbildung stattfindet (se-
Teilen von Personal.21 Hinsichtlich der Folgen der Corona-               condplace). Nur an einem solchen Ort, der niedrigschwel-
Krise bleibt abzuwarten, inwiefern diese Entwicklungen zu                lig für alle Menschen zugänglich ist und Kommunikation
einem Personalabbau führen.                                              und kollaboratives Arbeiten ermöglicht, sei eine neutrale
                                                                         Begegnung zwischen Fremden möglich.25 Nur dort könne
                                                                         auch das Gefühl von gesellschaftlicher Teilhabe und Ver-
                                                                         änderung entstehen.26
                                                                              Auch Öffentliche Bibliotheken können in Anlehnung
                                                                         an Aabø und Audunson und Elmborg als dritte Orte der
                                                                         Begegnung verstanden werden – sowohl für die Begeg-
                                                                         nung mit Literatur, Technik und ‚neuen‘ Medien als auch
                                                                         für die Begegnung mit Menschen.27 Sie sind gerade nicht
                                                                         nur Ausleihstation, sondern soziale Treffpunkte und Kom-
                                                                         munikationsorte im Stadtteil – und damit Orte zum ‚In-
                                                                         Gesellschaft-sein‘ und auch zur Partizipation am öffent-
                                                                         lichen Leben. Kommunen bieten ihren Bewohnern durch
                                                                         Öffentliche Bibliotheken zudem einen öffentlich zugäng-
                                                                         lichen Raum, der nicht-kommerziell ist und niedrigschwel-
                                                                         lige Bildungs- und Kulturangebote schafft. In vielen Städ-
                                                                         ten hat sich die Bibliothek im Zuge der Digitalisierung
Abb. 2: Stadtbibliothek in Lohr am Main im Juni 2020 (Foto: Britta
Klagge)
                                                                         außerdem zu einem Ort entwickelt, der die Vernetzung
                                                                         unter den Nutzern stärkt und gleichzeitig eine Kultur des
                                                                         Mit- und Selber-Machens im Sinne der DIY-/DIT-Bewe-
                                                                         gung(en) fördert.28
3 Öffentliche Bibliotheken als dritte                                         Durch ihren öffentlichen Auftrag richten sich Öffent-
  Orte                                                                   liche Bibliotheken mit diesen Angeboten an die Gesamt-
                                                                         heit der Bevölkerung unabhängig von ihrem Einkommen
Angesichts der beschriebenen Herausforderungen im                        und ihrer Herkunft, und damit auch an einkommens-
Spannungsfeld von Digitalisierung und kommunaler Aus-                    schwache bzw. vulnerable Bevölkerungsgruppen. Dazu
terität haben Öffentliche Bibliotheken in den letzten Jahr-              gehören beispielsweise Geflüchtete oder Obdachlose, die
zehnten verstärkt daran gearbeitet, ihre Angebote sicht-                 hier Zugang zum lokalen Bildungssystem finden können,
barer zu machen sowie ihr Image und ihre Rolle als drit-                 sowie Alleinerziehende und ihre Kinder, die in der Coro-
te Orte zu stärken.22 Der Begriff des dritten Ortes geht                 na-Krise besonders belastet sind. Öffentliche Bibliotheken
zurück auf die in den Sozial- und Kulturwissenschaf-                     ergänzen so Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Er-
ten diskutierten Konzepte von third space und thirdspace                 wachsenenbildung29 und dienen der Bildungsgerechtig-
von Bhabha23 und Soja.24 Gemeint ist ein Raum, der durch                 keit und Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnis-
seine Offenheit die Begegnung von Menschen unabhängig                    sen.30 Im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe können

19   Düren et al. (2017) 477 f.                                          25   Oldenburg (1989) 20 ff.
20   Knoche (2018) 79 f., 90 f.                                          26   Elmborg (2011) 342 ff.
21   Thiele (2020) 112.                                                  27   Aabø und Audunson (2012) 141, Elmborg (2011) 345 f.
22   Aabø und Audunson (2012), Hvenegaard Rasmussen (2016).              28   Hvenegaard Rasmussen (2016), Kurzeja et al. (2020) 163 ff.
23   Bhabha (1994).                                                      29   Schüller-Zwierlein und Stang (2010) 521 f.
24   Soja ([1996] 2007).                                                 30   Birdi et al. (2008) 580 f.
556           Katja Thiele und Britta Klagge

Öffentliche Bibliotheken als Orte mit einer Art Start-Infra-      richtungen eröffnen Zugänge zu Bildungsprozessen und
struktur betrachtet werden, an denen Menschen Hilfe su-           andersherum. Auf der lokalen Ebene bieten non-formale
chen (können). Die Leistungen, die Bibliotheken ihren             Bildungsorte wie Öffentliche Bibliotheken zentrale Unter-
Nutzern bieten, sind vielfältig und reichen vom Druckser-         stützungsstrukturen besonders für diejenigen, denen die
vice bis hin zu Hilfestellungen bei der Suche nach Jobs,          formalen Lernorte nicht ausreichen. In Anlehnung an die
Kontaktstellen in der Stadtverwaltung oder bei der Recher-        Differenzierung von Bildungsräumen nach ihrer Funktion
che zu einer Hausarbeit für die Schule oder Universität. Im       für das lebenslange Lernen36 sind Orte der Öffentlichkeit
Zuge der Übertragung immer neuer Aufgaben an Biblio-              sogar entscheidend für die Herstellung von Chancen-
theken seit den 1970er Jahren und im Kontext von Digitali-        gleichheit, weil nur dort Begegnungen außerhalb der eige-
sierung oder dem Zuzug von Geflüchteten – zum Beispiel            nen familiären Herkunftskontexte stattfinden (Tab. 1).37
Veranstaltungsorganisation, soziale Bibliotheksarbeit und
Sprachkurse für Geflüchtete – sind sie außerdem Anlauf-           Tab. 1: Vier-Säulen Modell des Lebenslangen Lernens
stelle für Menschen mit Problemen aller Art und nicht-
kommerzieller Aufenthaltsort. „[F]or connecting vulnerab-         Säule         Bildungsräume und -orte           Hauptaufgabe /
                                                                                                                  primäres Ziel
le people to mainstream society“31 spielen Öffentliche
Bibliotheken bzw. ihre physische Präsenz und Zugänglich-          Learning      non-formal       Privatsphäre     Selbstwirksamkeit,
keit deshalb besonders in benachteiligten Stadtquartieren         to be                          (firstplace)     Solidarität, soziale
                                                                                                                  Kompetenzen,
und diversen Nachbarschaften eine wichtige Rolle.
                                                                                                                  Ästhetik
                                                                  Learning      formal           Schule           formales Lernen
                                                                  to know                        (secondplace)
4 Bildungsgerechtigkeit und dritte                                Learning      non-formal       Arbeitsplatz     Erwerb von höheren
                                                                  to do                          (secondplace)    Qualifikationen und
  Orte                                                                                                            Kompetenzen
                                                                  Learning to non-formal         Orte der         Unterstützung der
Schon nach wenigen Wochen des Unterrichtens von Kin-              live together                  Öffentlichkeit   Lernkompetenzen,
dern in den eigenen vier Wänden wurde deutlich, dass                                             (thirdplace)     Verständnis anderer
die Corona-Krise existierende Bildungsungleichheiten ver-                                                         Personen und
                                                                                                                  Kontexte, Erlernen
stärkt und der Bildungserfolg mehr denn je von der sozia-
                                                                                                                  sozialer Kompeten-
len Herkunft abhängt.32 Der spätestens seit den ersten                                                            zen, Erfahrung
PISA-Studien Anfang der 2000er Jahre umkämpfte Begriff                                                            gesellschaftlicher
der Bildungsgerechtigkeit spielt bei der Bewertung der                                                            Teilhabe und
Auswirkungen der Corona-Krise eine zentrale Rolle, denn                                                           Demokratie
Bildung bewegt sich „im Spannungsfeld zwischen Vertei-
lungs-, Teilhabe- und Anerkennungsgerechtigkeit“33 und            Eigene Zusammenstellung in Anlehnung an den Begriff des dritten
                                                                  Ortes basierend auf Eckert und Tippelt
gilt als eines der wichtigsten „Vehikel zur Verbesserung
der Chancen“34 auf dem Arbeitsmarkt und für Teilhabe an
Gesellschaft. Als Einflüsse auf den Lernerfolg werden die         Trotz aller Debatten über die Möglichkeiten des Ausbaus
Lernatmosphäre und die gezielte Unterstützung von Lern-           digitaler Angebote von Bibliotheken sind auch analoge
prozessen an non-formalen Orten der (kulturellen) Bil-            dritte Orte wichtig, an denen man sich begegnen, treffen
dung besonders betont.35                                          und austauschen kann.38 Öffentliche Bibliotheken vermit-
     Während Bildung und Kultur in der lokalen Verwal-            teln Lese-, Lern-, Recherche- und Medienkompetenzen,
tung häufig getrennt abgebildet sind – Bibliotheken gehö-         das Verständnis anderer Personen, Erfahrungen und Kon-
ren als Kultureinrichtungen nicht zur formalen Bildung            texte und ermöglichen das Erlernen sozialer Kompetenzen.
und dem entsprechenden Ressort – lassen sich die Berei-           Sie leisten damit einen Beitrag für konkrete Bildungspro-
che in der Praxis kaum voneinander trennen. Kulturein-            zesse und für die Erfahrung von gesellschaftlicher Teilha-
                                                                  be und Demokratie. Die Bedeutung dieser sozialen Funk-

31   Birdi et al. (2008) 579.
32   Hurrelmann und Dohmen (2020), Huebener und Schmitz (2020).
33   Stojanov (2011) 27.                                          36 Nugel (2016) 16 ff.
34   Kraus (2008) 8.                                              37 Eckert und Tippelt (2017) 51.
35   Huebener und Schmitz (2020) 5.                               38 U. a. Freytag und Jahnke (2015).
Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19   557

tionen Öffentlicher Bibliotheken hat im Zusammenhang                    liche Verantwortung abgegeben. Das an physischen Orten
mit den Fragen der digitalen Teilhabe in den letzten Jahren             vorhandene Angebot wird bezogen auf die Fläche gerin-
sogar noch zugenommen. Die Diskussion um ein Recht auf                  ger, hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit sporadischer
digitale Teilhabe als Daseinsvorsorge wird deshalb auch                 sowie insgesamt weniger systematisch und zuverlässig.
auf Bundesebene intensiv geführt. Dabei wird explizit be-               Die permanente Versorgung im Sinne einer auf den Aus-
tont, dass das deutsche Grundgesetz eine digitale Dimensi-              gleich von Bildungsungleichheiten ausgerichteten öffent-
on enthält, insofern, als dass der Zugang zu digitalen                  lichen Daseinsvorsorge war dadurch bereits vor der durch
Infrastrukturen und die Beteiligung an der Fortentwick-                 die Covid-19-Pandemie ausgelösten Veränderungen in
lung von Informationstechnik heute zentrale Elemente der                Gefahr. Die Corona-Krise hat die Herausforderungen für
Teilhabe an Gesellschaft im Allgemeinen sind.39                         Öffentliche Bibliotheken der letzten Jahre nun an die Ober-
                                                                        fläche gespült und droht die Situation der Bildungsgerech-
                                                                        tigkeit in den Kommunen in den folgenden drei Punkten zu
5 Gefahr des Verlusts dritter Orte                                      verschärfen:
                                                                        – Die Umstellung auf Online-Angebote und die Entwick-
Öffentliche Bibliotheken sind Einrichtungen der kom-                         lung eigener Angebote erfordert finanzielle Mittel für
munalen Daseinsvorsorge. Trotz der Bedeutung der öf-                         den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Hierbei stehen
fentlichen Daseinsvorsorge für den Abbau von sozia-                          Bibliotheken in Konkurrenz zu Einrichtungen der for-
len Ungleichheiten haben entsprechende Investitionen in                      malen Bildung (v. a. Schulen), die die gleichen Heraus-
Deutschland in den letzten 15 Jahren abgenommen.40 Dies                      forderung haben.
gilt besonders für die kommunale Ebene, wo ein Großteil                 – Da sich die soziale Interaktion zwischen Menschen nur
der Leistungen der Daseinsvorsorge erbracht wird.41 Hier                     sehr bedingt ins Digitale verlagern lässt, ist durch die
sind seit Anfang der 2000er-Jahre die Nettoinvestitionen                     Beschränkung auf digitale Angebote ein Großteil des
sogar negativ geworden, und es wurde „eine besonders                         sozialen Angebots (persönliche Hilfe, Lesenachmit-
rigide Form der Sparpolitik betrieben“42, die in der (geo-                   tage und andere Veranstaltungen etc.) in den Stadt-
graphischen) wissenschaftlichen Literatur auch als kom-                      teilen nicht umsetzbar. Die Kommunen gehen in der
munale oder urbane Austerität beschrieben wird.43 Die                        Fläche stattdessen zurück zum Modell der Thekenbü-
Umsetzung „immer neuer Haushaltskonsolidierungspro-                          cherei und die Bedeutung des dritten Ortes und seine
gramme“ beschreibt Heinz als Folge dieser Entwicklung.                       sozialen Funktionen, die über Jahre hinweg von Ver-
Unter den Kürzungen der letzten zwei Jahrzehnte leiden                       antwortlichen in der Kulturpolitik und -verwaltung
vor allem freiwillige Leistungen der Kommunen, d. h. ihre                    sowie in den Bibliotheken betont und gefördert wur-
Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Diese sind, im Gegen-                     den, rücken dadurch in den Hintergrund.
satz zu Orten der formalen Bildung, keine Pflichtaufgabe                – Wenn jedoch der physische dritte Ort wegfällt, wer-
und stehen besonders unter Druck.44                                          den die Verantwortung für die Bildung weiter ins Pri-
     Auch Öffentliche Bibliotheken sind vielerorts von                       vate verlagert und soziale und regionale Disparitä-
Sparprogrammen betroffen. Als Folge arbeiten sie stärker                     ten verschärft. Die Vermittlung von Lese-, Recherche-
effizienz- und kostenorientiert und reduzieren insbesonde-                   und Medienkompetenzen sowie sozialer Kompetenzen
re Präsenzdienste und Öffnungszeiten.45 Außerdem wer-                        kann von den meisten Eltern nicht übernommen wer-
den dezentrale Einrichtungen in der Fläche zugunsten                         den; insbesondere funktioniert sie unter ungleichen
zentralisierter Einrichtungen ausgedünnt oder gar ge-                        Bedingungen (bzgl. technischer Ausstattung, fami-
schlossen, und es wird verstärkt auf ehrenamtliche Un-                       liärer Ressourcen) nicht für alle Schüler gleich gut.
terstützung gesetzt.46 Einerseits führt dies zu einer Aktivie-               Auch Erwachsene sind von den Maßnahmen betrof-
rung der Nachbarschaft, andererseits wird dadurch öffent-                    fen. Durch kreative Formate und kostenlose Angebote
                                                                             werden zwar neue Nutzer angesprochen, es ist aber
                                                                             nicht bekannt und fraglich, inwiefern ‚digitale Rand-
39   Ringwald et al. (2019) 13.                                              gruppen‘ erreicht werden (können). Begünstigt wer-
40   Mattert et al. (2017) 19 f., 36.                                        den dadurch einkommensstarke Gruppen, digital af-
41   Mattert et al. (2017) 19.                                               fine Menschen und jüngere Altersgruppen.
42   Mattert et al. (2017) 35.
43   Peck (2015).
44   Heinz (2018).
                                                                        Die Diskussion über mögliche negative Folgen der Ein-
45   Düren et al. (2017).                                               dämmungsmaßnahmen während der Corona-Krise auf Öf-
46   Thiele (2020).                                                     fentliche Bibliotheken wird zusätzlich durch die Debatte
558          Katja Thiele und Britta Klagge

über die finanziellen Folgen der durch die Corona-Krise        Bibliothek unter den Bedingungen einer anhaltenden Co-
ausgelösten Rezession befeuert. Die Steuerschätzung des        rona-Pandemie (oder ähnlichen Ereignissen, also mit Ab-
Bundesfinanzministeriums von Mai 2020 geht davon aus,          standsregeln, Desinfektion, Tracking) zugänglich machen
dass die Steuereinnahmen im Jahr 2020 um knapp 100             und als lebendigen Ort erhalten. Beispiele hierfür gibt es
Milliarden Euro niedriger ausfallen als 2019.47 Zudem wer-     bisher vor allem in den Stadtbibliotheken der Großstädte
den sowohl auf Ebene des Bundes als auch auf Ebene der         (Zentralbibliothek in Köln), die über ausreichend große
Länder und Kommunen hohe Schulden aufgenommen,                 Räumlichkeiten verfügen und Veranstaltungen mit Ab-
um mit dem geliehenen Geld die Corona-Folgen zu kom-           stand durchführen können.
pensieren. Das bedeutet, dass in den Kommunen in den
kommenden Jahren die finanziellen Spielräume noch ge-
ringer werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass          Literaturverzeichnis
dies wiederum negative Auswirkungen auf die Investitio-
nen in die öffentliche Infrastruktur hat und eine neue Spar-   Aabø, Svanhild; Audunson, Ragnar (2012): Use of library space and
phase vor allem die freiwilligen Leistungen wie Öffentliche         the library as place. In: Library & Information Science Research,
                                                                    34 (2), 138–49.
Bibliotheken treffen wird.
                                                               Bhabha, Homi K. (1994): The location of culture. London, New York:
                                                                    Routledge.
                                                               Birdi, Briony; Wilson, Kerry; Cocker, Joanne (2008): The public library,
6 Fazit                                                             exclusion and empathy: a literature review. In: Library Review, 57
                                                                    (8), 576–92.
Trotz aller digitalen Angebote sind besonders die sozialen     Bundesregierung Deutschland (2020): Steuerschätzung: Die Corona-
                                                                    Krise ist finanziell zu bewältigen. Verfügbar unter https://www.
Funktionen von Öffentlichen Bibliotheken und die damit
                                                                    bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/steuerscha
verbundenen physischen Orte von großer Bedeutung für                etzung-1753004.
gesellschaftliche Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit in        Deeg, Christoph (2020): Die Gamified-Corona-Zukunftsbibliothek
unseren Städten und Kommunen. Dies gilt besonders für               Sind Bibliotheken der digitalen Herausforderung gewachsen? In:
diejenigen Teile der Bevölkerung, die in ihrem Alltag nicht         Magazin für Medien, Marketing & Kommunikation. Sonderheft
                                                                    Bibliotheken – Digital Publishing Report, 50–54. Verfügbar unter
über eine entsprechende private digitale und soziale Infra-
                                                                    https://digital-publishing-report.de/wp-content/uploads/dpr/
struktur verfügen. Vor dem Hintergrund der Corona-be-
                                                                    ausgaben/dpr_SH_Bibliotheken_2020.pdf#dpr_SH_Bibliotheke
dingten Schließung von Bibliotheken nimmt die bereits               n_2020.indd%3A.29371 %3A157.
zwei Jahrzehnte andauernde Debatte um die Notwen-              Düren, P.; Landøy, A.; Saarti, J. (2017): New public management and
digkeit des physischen Raums erneut Fahrt auf. Im                   libraries: a success story or just an excuse for cost reduction. In:
Spannungsfeld von Digitalisierung und kommunaler Fi-                Library Management, 38 (8/9), 477–87.
                                                               Eckert, Thomas; Tippelt, Rudolf (2017): Learning Regions – Learning
nanzknappheit beschleunigt die Krise seit Längerem zu
                                                                    Cities – Learning Communities: Auf dem Weg zur Gestaltung
beobachtende Entwicklungen. Der in den letzten Jahren               regionaler Bildungsräume? In: Bildungsgerechtigkeit, hg. v.
viel gepriesene dritte Ort scheint angesichts der Corona-           Thomas Eckert und Burkhard Gniewosz, 49–64. Wiesbaden:
Krise in den Hintergrund zu rücken und die Bibliothek als           Springer Fachmedien GmbH.
physischer Ort wird wieder auf das Verleihen von Medien        Elmborg, James K. (2011): Libraries As the Spaces Between Us: Recog-
                                                                    nizing and Valuing the Third Space. In: Reference & User Services
reduziert. Während Öffentliche Bibliotheken ihren Bil-
                                                                    Quarterly, 50 (4), 338–50.
dungsauftrag in Teilen auch durch digitale Services auf-
                                                               Freytag, Tim; Jahnke, Holger (2015): Perspektiven für eine konzeptio-
fangen können, kann der physische Ort der Begegnung                 nelle Orientierung der Bildungsgeographie. In: Geographica
nur sehr bedingt ersetzt werden. Durch den Fokus auf                Helvetica, 70, 75–88.
Online-Angebote droht die Gewährleistung ihrer sozialen        Heinz, Werner (2018): Kommunen unter Druck. Transformation
Funktionen gefährdet zu werden. Diese Gefahr steigt vor             kommunaler Handlungs- und Gestaltungsspielräume im Kontext
                                                                    der neoliberalen Globalisierung. Publikation der Bundeszentrale
allem deshalb, weil Bibliotheken zu den freiwilligen Leis-
                                                                    für politische Bildung. Bonn. Verfügbar unter https://www.bpb.
tungen der Kommunen gehören und im Zuge der kom-                    de/politik/innenpolitik/stadt-und-gesellschaft/216893/trans
munalen Finanzknappheit bereits seit Jahren Einspar-                formation-kommunaler-handlungsspielraeume.
potenziale identifiziert und reduzierte Modelle erprobt        Huebener, Mathias; Schmitz, Laura (2020): Corona-Schulschließun-
wurden. Zu begegnen ist dieser Gefahr nur durch neue                gen: Verlieren leistungsschwächere SchülerInnen den
                                                                    Anschluss? In: DIW aktuell, 30, 06.04.2020. Verfügbar unter http
kreative Bibliothekskonzepte, die den physischen Raum
                                                                    s://www.diw.de/de/diw_01.c.758261.de/publikationen/diw_ak
                                                                    tuell/ 2020_0030/coronaschulschliessungen__verlieren_leistu
                                                                    ngsschwaechere_schuelerinnen_den_anschluss.html.
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Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19       559

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Kurzeja, Matti; Thiele, Katja; Klagge, Britta (2020): Makerspaces –
                                                                                                  Geographisches Institut
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     zur Vernetzungsaktion #wirbibliotheken von Katrin Schuster
     (Direktion Münchner Stadtbibliothek) auf dem Blog der
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