Fingerübungen - die-linke-thl.de

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15–2020

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                                                          Debatte: Warum die           Serie: Wie die Thüringer        Porträt: Der Haushälter
                                                          LINKE die Absenkung          PDS-Fraktion 1990 in die        der Linksfraktion im
                                                          des Wahlalters fordert       Parlamentsarbeit startete       Landtag, Ronald Hande
Fraktion im Thüringer Landtag

Fingerübungen
Eine Papierfabrik, ein Obstkonserven-
hersteller, ein Astronomiemuseum
oder ein Feriendorf: Auf seiner Som-
mertour hat Bodo Ramelow dutzende
Ziele fern der städtischen Zentren
besucht. Der Ministerpräsident wollte
sich dabei auch „darüber informieren,
wie die Thüringer mit den Folgen
der Corona-Krise umgehen“, so konnte
man vorab aus Medien erfahren.
   Die Thüringentour ist vorbei, über
viele der Stationen, die Ramelow
dabei besucht hat, konnte man in der
Regionalpresse ausführlich lesen.
Aber auch Politiker*innen anderer
Parteien hatten ihre Sommer-Schlag-
zeilen. Mancher ist dabei als „Urlau-
ber“ bezeichnet worden. Nun wird
man niemandem Ferien missgönnen
wollen, vor allem nicht viel beschäf-
tigten Politiker*innen. Aber es macht
schon einen Unterschied, ob da einer
unterwegs ist, um sein Ohr bei den
Leuten zu haben. Oder ob einer aus
der Ferne Schulnoten für politisches
Betragen anderer Leute gibt.
   Zumal Zeugnisse am Ende nicht von
den Parteien selbst oder Politiker*in-
nen ausgestellt werden, die sich für
Höheres berufen fühlen. Sondern von
den Wähler*innen – und wie die ak-
tuell denken, dafür gibt es Umfragen:
„Ohne und gegen die LINKE kann in
Thüringen nicht regiert werden“, hieß
es zu den jüngsten Zahlen über die
parteipolitische Stimmungslage im
Freistaat: 35 Prozent für die Partei
des Ministerpräsidenten. Solche Wer-
te holt man natürlich nicht mit Som-
mertouren allein. Aber Beliebtheit
wächst offenbar eher durch Zuhören
und nicht so sehr durch erhobene
Zeigefinger. Zumal, wenn diese in die
Höhe gereckt werden aufgrund eines
anderen, politische Empörung über                                 Geschichte
Rechtsradikale und also persönliche
Haltung ausdrückenden Fingers. Sie
wissen schon, worum es geht.
                                                                  im Landtag
   Nun hat es auch zu diesem Fall eine                            Vor 100 Jahren konstituierte
Umfrage gegeben. Und nein, es ist
wahrlich keine Überraschung, dass
                                                                  sich der erste Thüringer
eine drastische Geste des Ministerprä-                            Landtag im Weimarer Fürs-
sidenten auch bei Wähler*innen auf                                tenhaus. An die damaligen
Kritik stößt. Sogar unter denen der ei-                           Abgeordneten erinnert der-
genen Partei kommt das vor. Aber:                                 zeit eine Ausstellung. Zwei
Man kann zu einem ausgestreckten
Mittelfinger eine ablehnende Haltung                              Frauen waren damals dar-
haben, und trotzdem anerkennen,                                   unter: Emma Sachse und
was den Mann ausmacht, der darüber                                Marie Schulz. Ein Schwer-
ausreichend selbstkritische Worte ge-                             punkt über Lebenswege und
funden hat. Das ist etwas anderes, als
sich an dem Thema auch dann noch
                                                                  feministische Politik.
selbst parteipolitisch gesundstoßen zu
                                          Foto: Pixabay

wollen, wenn es für die allermeisten
längst vorbei ist.
Ihre Redaktion
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Linker Ticker
Nach mehreren rechtsradikalen
und rassistischen Angriffen auf
Menschen in Thüringen hat die
Sprecherin für Antifaschismus
und Antirassismus der Linksfrak-
tion, Katharina König-Preuss,
mehr Personal für die Beratungs-
stelle für Betroffene rechter, rassis-
tischer und antisemitischer Ge-
walt, „ezra“, gefordert. „Angesichts
massiver rechter Gewalt mit zahl-
reichen Betroffenen müssen wir
dafür sorgen, dass eine adäquate
Unterstützung für Betroffene auch
gewährleistet werden kann.“ +++
Mit einer klaren Absage hat die
arbeits- und gewerkschaftspoliti-
sche Sprecherin der Linksfraktion,

                                                                                                                                                                         Foto: Ineedawsomepics / Pixabay
Lena Saniye Güngör, auf neuerli-
che Forderungen reagiert, das Ar-
beitsverbot an Sonntagen für den
Einzelhandel in Thüringen auszu-
setzen. Die Profitinteressen einiger
Unternehmer*innen dürften nicht
dazu führen, dass die Belastungen
für Beschäftigte weiter erhöht wer-
den. „Der arbeitsfreie Sonntag ist

                                              „Alle sehr wütend“
in unserer Verfassung verankert
und bedeutet für viele Menschen
im Einzelhandel einen verlässli-
chen freien Tag, an dem sie sich
von oft überlangen Ladenöffnungs-             Der Bund blockiert humanitäre Landesprogramme zur Aufnahme von Geflüchteten
zeiten erholen können“, so Güngör.
+++ Nach dem Tod eines Gefange-               Nach einem gegen das rot-rot-grün re-          Bisher, so die LINKEN-Abgeordnete       Kontingente ermöglicht wurden – mit
nen in der Justizvollzugsanstalt              gierte Land Berlin gerichteten Verbot       Katharina König-Preuss, liege zwar         Zustimmung aus dem Bundesinnenmi-
Tonna hat die Vorsitzende der                 des Bundesinnenministeriums, mehr           noch keine Antwort des Bundesinnen-        nisterium. Etwa für Syrer*innen oder
Strafvollzugskommission, die LIN-             Geflüchtete von den völlig überlasteten     ministeriums bezüglich der Thüringer       spezielle verfolgte Gruppen, wie sie
KE-Abgeordnete Karola Stange,                 griechischen Inseln zu übernehmen,          Landesaufnahmeanordnung vor. Sie           Baden-Württemberg und Brandenburg
rasche Aufklärung gefordert. Die              steuert der Streit um humanitäre Lan-       gehe aber davon aus, „dass auch Thü-       etwa für Jesiden aufgelegt hatten.
Sprecherin für Justiz der Links-              desprogramme auf einen neuen Höhe-          ringen eine entsprechende Ablehnung           Seehofer stellt sich nun auf den
fraktion, Iris Martin-Gehl, kün-              punkt zu. CSU-Ressortchef Horst See-        erhalten wird“. Für diesen Fall sei es     Standpunkt, die Aufnahmeprogramme
digte an, dass sich der zuständige            hofer hatte der Hauptstadt-Koalition        nötig, eine entsprechende Klage gegen      Berlins und Thüringens seien anders zu
Landtagsausschuss mit der Sache               Ende Juli die Zustimmung für die vom        das Bundesinnenministerium zu prü-         bewerten, da diesmal Geflüchtete aus
nach den Plenarferien befassen                Senat beschlossene Initiative verwei-       fen und umzusetzen: „Entsprechende         einem anderen EU-Staat übernommen
werde. +++ Vor dem Hintergrund                gert, 300 Menschen freiwillig und zu-       Rechtsgutachten, die das Vorgehen          werden sollen. Dies kollidiere mit lau-
neuer Zahlen über die verbreitete             sätzlich Zuflucht zu gewähren.              Thüringens und Berlins unterstützen,       fenden Bemühungen, das Dublin-Sys-
Armut von Kindern in der Bundes-                Rot-Rot-Grün in Berlin reagierte mit      liegen längst vor“, so König-Preuss.       tem und die EU-Asylpolitik zu reformie-
republik hat die familienpolitische           deutlicher Kritik. „Das macht uns im        „Der Abschottungspolitik Seehofers         ren, so Seehofer. Doch Kritiker*innen
Sprecherin der Fraktion DIE LIN-              Senat alle sehr wütend“, so der Regie-      muss ein Riegel vorgeschoben werden.       sehen hierin vor allem eine Hinhalte-
KE, Cordula Eger, die rasche Um-              rende Bürgermeister Michael Müller          Auch auf juristischem Weg.“                taktik. Die Behauptung, eine europäi-
setzung einer Kindergrundsiche-               von der SPD im Rundfunk, wo er auch            Der Sprecher für Migrationspolitik      sche Lösung – so denn eine wirklich
rung verlangt. „Der Bund muss                 von einem „politischen Skandal“             der Linksfraktion, Patrick Beier, erneu-   humanitäre Variante angesichts von
endlich handeln“, die Corona-Krise            sprach. Der Berliner LINKEN-Abgeord-        erte ebenfalls die Forderung, Geflüchte-   rechtsautoritären Regierungen und an-
habe diese Situation noch ver-                nete Udo Wolf nannte Seehofers Verwei-      te zusätzlich aufzunehmen. „Thüringen      deren Migrationsgegnern auf EU-Ebene
schärft. Daniel Reinhardt, Spre-              gerung der Aufnahme von Geflüchteten        hat sich stets solidarisch gezeigt und     überhaupt erreichbar scheint – könne
cher für frühkindliche Bildung,               aus den griechischen Lagern durch das       bietet auch aktuell Schutzsuchenden        durch „nationale Alleingänge“ gefähr-
sagte, „aus persönlicher Erfahrung            Land Berlin „unterlassene Hilfeleistung     Platz. Wir haben die Kapazitäten, wir      det werden, sei wenig überzeugend.
weiß ich, was es bedeutet, wenn in            aus allerniedrigsten Beweggründen“.         haben den Willen, Menschen endlich            Zumal die Lage der Menschen in den
der Familie kein Geld für Urlaub,             Und die Berliner Bundestagsabgeordne-       dort rauszuholen.“ Im April hatten un-     Lagern mit solchen taktischen Fragen
Kino oder Ferienlager da ist“. Rein-          te Canan Bayram von den Grünen ad-          ter anderem mehrere Abgeordnete der        nicht zu beantworten ist. Berichte von
hardt wies darauf hin, dass in Thü-           ressierte den CSU-Mann direkt: „Herr        rot-rot-grünen Fraktionen einen Offe-      katastrophalen hygienischen Zustän-
ringen der Familienurlaub bis zum             Seehofer, schämen Sie sich“, die Situati-   nen Brief unterzeichnet. Darin hieß es:    den, Lebensmittelknappheit oder men-
31. Dezember 2020 durch das „Son-             on der Menschen in den griechischen         „Wir wissen, es ist schwierig oder – so    schenunwürdiger Unterbringung hat
derprogram Familienerholung“ ge-              Lagern sei menschenunwürdig. Auch           die Aussage einiger – unmöglich, ohne      es viele gegeben. Die furchtbaren Zu-
fördert wird.                                 die Grünen-Fraktionsvorsitzende im          Zustimmung des Bundes Geflüchtete          stände für die Menschen auf den grie-
                                              Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, wur-      aus Griechenland zu holen. Wir wollen      chischen Inseln sind seit Langem nicht
                                              de deutlich: „Es ist nicht nachvollzieh-    und werden unterstützen, dass auch         nur bekannt, immer wieder wird auch
                                              bar, warum das Bundesinnenministe-          scheinbar Unmögliches versucht wird,       auf eine schnelle und humanitäre Lö-
Impressum                                     rium die Aufnahmebereitschaft enga-         alle rechtlichen Möglichkeiten ausge-      sung gedrängt. Es sei nicht nachvoll-
Herausgeberin:
                                              gierter Bundesländer wie Berlin und         schöpft sowie unkonventionelle Wege        ziehbar, so hat es der Ratsvorsitzende
Fraktion DIE LINKE. im Thüringer Landtag      Thüringen in den Wind schlägt.“             gegangen werden, um Menschen zu            der Evangelischen Kirche in Deutsch-
Jürgen-Fuchs-Straße 1, 99096 Erfurt             Seehofers Veto ist eine Premiere, bis-    retten und ihnen ein würdiges Leben        land, Heinrich Bedford-Strohm, formu-
Redaktion: Olaf Weichler (V.i.S.d.P.)         her wurde einem aufnahmewilligen            zu ermöglichen.“                           liert, warum Seehofer die Hilfsbereit-
Telefon: 0361 377-2620                        Bundesland noch kein formelles Nein            Der „Tagesspiegel“ erinnerte daran,     schaft der rot-rot-grünen Landesregie-
E-Mail: weichler@die-linke-thl.de
www.die-linke-thl.de
                                              des Bundesministeriums übermittelt.         dass Seehofers Staatssekretär Stephan      rungen in Berlin und Thüringen blo-
Redaktionsschluss: 6. August 2020             Die Debatte ist damit aber noch längst      Mayer noch Anfang des Jahres erklärt       ckiere. Jedes zusätzliche Engagement
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und    nicht zu Ende. Auch Thüringen will          hatte, bisher habe das Innenressort ei-    müsse „mehr als willkommen“ sein, so
Materialien übernimmt die Redaktion keine     mehr Geflüchtete von griechischen In-       nem aufnahmewilligen Land noch nie         Bedford-Strohm mit Blick auf Angebote
Haftung. Sie behält sich das Recht der aus-   seln aufnehmen, auch hier hat die rot-      sein Ja verweigert. Verwiesen wird         aus Ländern, Kirchen und Zivilgesell-
zugsweisen Wiedergabe von Zuschriften vor.
Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht   rot-grüne Regierung ein entsprechen-        auch in anderen Zeitungen auf Aufnah-      schaft. „Ich verstehe nicht, warum der
unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.   des Landesprogramm beschlossen.             meprogramme, mit denen zusätzliche         Innenminister hier nicht zustimmt.“ PR
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Ein weiterer wichtiger Baustein
Debatte um Absenkung des Wahlalters: LINKE für mehr Mitbestimmung von jungen Menschen
Es ist inzwischen 50 Jahre her, dass das
Wahlalter auf Bundesebene herabge-
setzt wurde – mit dem Schritt von 21
auf 18 Jahre wollte seinerzeit SPD-
Kanzler Willy Brandt mehr Demokratie
wagen. Anlässlich des Jahrestags Ende
Juli ist nun die Diskussion über eine
mögliche Absenkung des Wahlalters
auf 16 Jahren neu entflammt. Die Links-
partei fordert dies schon länger, die
Grünen ebenso. Und nun sind auch
Stimmen aus der SPD-Spitze in diese
Richtung laut geworden. Aus der Union
hingegen hört man ablehnende Stim-
men.
  Auch Anja Müller hofft nun nicht nur
auf eine ernsthafte Debatte „über den
Ausbau der Demokratie für die jungen
Menschen“. Die Sprecherin für Demo-
kratie in der Thüringer Linksfraktion
setzt darauf, dass eine Absenkung des
Wahlalters auf 16 Jahre auch auf Lan-
desebene in Thüringen bald kommt.
Dies „wäre ein weiterer wichtiger Bau-
stein, damit junge Menschen mitent-
scheiden können“. Ein entsprechendes
Gesetz, welches die rot-rot-grünen Ko-
alitionsparteien in den Landtag einge-
bracht haben, liegt inzwischen im Ver-
fassungsausschuss. Für die Änderung
des Wahlalters auf 16 Jahren wäre die
Koalition auf die CDU angewiesen, da
eine Verfassungsänderung nur mit
Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament er-
folgreich sein kann.
  „Ob die Christdemokraten aber ge-
nau so fortschrittlich sind, wie Willy

                                                                                                                                                                        Foto: dmncwndrlch / Pixabay
Brandt vor 50 Jahren, bleibt zu hoffen“,
sagt Anja Müller. Dass damit nicht un-
bedingt in allen Fällen zu rechnen ist,
demonstrierte die CDU-Landtagsabge-
ordnete Beate Meißner, die mit Blick
auf die Herabsetzung des Wahlalters
von einer „Scheindebatte mit sommer-
lochfüllendem Charakter“ sprach.
  Vielleicht wirken ja neuere wissen-
schaftliche Erkenntnisse in der Union       abstimmen durften, war das ihren Al-       etwa die Schule bereits verlassen ha-          Ein Argument, das im politischen
überzeugend. Müller verweist auf die        tersgenoss*innen im Freistaat ver-         ben. Dies aber führt zum viel wichtige-     Schlagabtausch über das Wahlalter öf-
neueste Ausgabe der Sinus-Jugend-Stu-       wehrt. Ergebnis der Studie: Wählen         ren Punkt: Wem kommen letztlich die         ter zu hören ist: Dies würden ohnehin
die, die zeigt, dass die Jugendlichen       mit 16 habe „großes Potenzial“, sei        positiven Effekte, die sich aus den posi-   nur Parteien vorschlagen, die selbst da-
ernster und besorgter sind als noch vor     „aber kein Selbstläufer“. Man müsse        tiven Impulsen in der Schule oder dem       von profitieren, weil sie – wie etwa die
ein paar Jahren. Das lasse aufhorchen,      insbesondere darauf achten und hin-        eigenen Elternhaus ergeben, zugute?         Grünen – proportional größeren Zu-
so die Abgeordnete, „die Sorge um den       wirken, dass mit der Absenkung des         Wer besucht mit 17 noch die Schule          spruch unter Jüngeren finden. Doch das
sozialen Abstieg und den Übergang ins       Wahlalters nicht auch die soziale Un-      und wohnt zu Hause? Mit höherer             erweist sich meist als Polemik. Christi-
Erwachsenenleben und den Beruf, der         gleichheit der Wahlbeteiligung anstei-     Wahrscheinlichkeit werden dies junge        an Hirte, der neuer CDU-Chef in Thürin-
Klimawandel und der Umweltschutz,           ge, so Faas. Bei der Untersuchung sei      Menschen sein, die das Abitur anstre-       gen werden will, twitterte mit Blick auf
aber auch der erhöhte Leistungsdruck        festgestellt worden, dass es zwar mög-     ben – und die damit ohnehin schon ei-       Forderung nach Absenkung des Wahl-
sowie der notorische Zeitmangel und         lich sei, durch ein niedrigeres Wahlal-    ne höhere Wahrscheinlichkeit haben,         alters, dabei würde es unter anderem
die Angst vor Misserfolgen sind Grün-       ter junge Menschen zu Hause oder in        aus einem politisierten, wahlaffinen        der SPD nur um das „Retten von Wähler-
de, die die Jugendlichen von heute erns-    der Schule mit Politik in Verbindung zu    Umfeld zu kommen.“                          stimmen“ gehen. Worauf der Juso-Chef
ter und besorgter sein lassen“. Für Mül-    bringen, allerdings vor allem „in privi-      Jupp Legrand von der Otto-Brenner-       Kevin Kühnert trocken antwortete: „Ein
ler sind das „genügend Anzeichen, um        legierten heimischen oder schulischen      Stiftung, der Wissenschaftsstiftung der     Blick auf die letzten Wahlergebnisse der
eine Debatte um die Mitbestimmung           Kontexten“. Im Sinne einer gleichmäßi-     IG Metall, die die Studie ermöglicht hat,   SPD sortiert nach Alterskohorten hätte
von jungen Menschen in der Gesell-          gen Beteiligung und damit einer demo-      ist mit Blick auf die Ergebnisse „der An-   Ihre Vermutung unmittelbar widerlegt.“
schaft und im Parlament zu führen“.         kratischen Gleichheit sollten beglei-      sicht, dass die anstehende und überfäl-        Dies gilt auch für Thüringen, wo die
  Für Rückenwind sorgt auch noch ei-        tend zur Absenkung des Wahlalters          lige Reform des Bundestagswahlrechts        Sozialdemokraten bei den Landtags-
ne weitere Studie, in der die Politikwis-   „daher gezielte flankierende Maßnah-       zum Anlass genommen werden sollte,          wahlen 2019 in der Altersgruppe von
senschaftler Thorsten Faas und Arndt        men“ ergriffen werden.                     auch über bestehende Wahlrechtsaus-         18 bis 24 mit gerade einmal 5 Prozent
Leininger von der Freien Universität           In einem FAZ-Beitrag hat Faas die He-   schlüsse neu nachzudenken“. Auf Lan-        weit unterdurchschnittlich abschnit-
Berlin zu dem Ergebnis kommen, es           rausforderung näher erläutert. „Mit ei-    desebene darf bereits in Brandenburg,       ten. Auch die Linkspartei, die zuletzt
gebe „wenig, was gegen eine Absen-          ner Senkung des Wahlalters von 18 auf      Bremen, Hamburg und Schleswig-Hol-          vor allem in größeren Städten neue und
kung des Wahlalters spricht“. Sie ha-       16 Jahren geht also einher, dass das       stein mit 16 gewählt werden. Bei Kom-       jüngere Wählermilieus ansprechen
ben mehrere Tausend junge Menschen          durchschnittliche Erstwahlalter um         munalwahlen gibt es ein Wahlrecht ab        konnte, gilt unter dem Strich in Thürin-
befragt – in Brandenburg und in Sach-       zwei Jahre sinkt. Manche werden aber       16 bereits in elf Bundesländern. Bay-       gen: Die größten Wahlerfolge werden
sen. Während im Märkischen im ver-          trotzdem weiter erst mit 18 oder 19 ihre   ern, Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saar-     bisher in den älteren Jahrgängen ein-
gangenen September auch 16- und             erste konkrete Wahlerfahrung machen        land und Sachsen halten bisher grund-       gefahren. So wie übrigens auch bei der
17-Jährige bei der Landtagswahl mit         – also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie      sätzlich am Wahlrecht ab 18 fest.           CDU im Freistaat. PR
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Gesichter hinter
der Geschichte
Eine Ausstellung über
Abgeordnete des ersten
Thüringer Landtags
Es war das Ende jahrhundertelanger
Kleinstaaterei und der Beginn der
Geschichte Thüringens: Mit der No-
vemberrevolution von 1918 und der
Abdankung der Monarchen kam der
schrittweise und konfliktreiche Pro-
zess zur Bildung eines Freistaates in
Gang. Der trat am 1. Mai 1920 ins
Leben, zunächst noch als „kleinthü-
ringische“ Lösung.
   Doch auch wenn die preußischen
Regionen und Erfurt dem neuen
Land noch fernblieb, so war doch
der Schritt des Jahres 1920 ein gro-
ßer, ein historischer. Er ermöglichte
auch, dass aus den Kleinstaatenpar-
lamenten der einstigen Herzog- und
Fürstentümer eine souveräne Volks-
vertretung werden konnte. Weimar
wurde Landeshauptstadt – in einer

                                                                                                                                                                                      Foto: Lukas Krause
Weimarer Republik, deren Existenz
im März 1920 durch einen rechtsre-
aktionären Putschversuch gefähr-
det war. Auch in Thüringen war es
damals zu blutigen Kämpfen gekom-
men; die Arbeiter*innenschaft mobi-

                                        Scharfe Logik,
lisierte per Generalstreik den Wider-
stand.
   Nur wenige Monate nach dem
Kapp-Lüttwitz-Putsch fanden in Thü-

                                        schlagfertiger Humor
ringen Wahlen statt, die linke USPD
obsiegte mit fast 28 Prozent, die
Mehrheits-SPD erhielt gut 20, die
linksliberale DDP gut 7 Prozent. Da
die drei rechten Fraktionen von         Emma Sachse und Marie Schulz: die ersten beiden Frauen im Thüringer Landtag
Landbund, DVP und DNVP eine Ge-
meinschaft bilden, ziehen die beiden    Vor einigen Wochen hat das Urteil des     Volkszeitung‘ und die Frauenzeitschrift                       waltung, im Ausschuss für Gesetzge-
sozialdemokratischen Fraktionen         Verfassungsgerichtshofes zum rot-rot-     ‚Die Gleichheit‘ weiter und wurde eine                        bung und Sozialpolitik sowie stellver-
nach. Erst im November 1920 konnte      grünen Paritätsgesetz die Debatte um      engagierte Kämpferin für den Sozialis-                        tretend im Gesuchsausschuss tätig.
ein vom Liberalen Arnold Paulssen       mehr gleichberechtigte Teilhabe von       mus, eine unterdrückungsfreie und                                Seit Beginn der Weimarer Republik
geführtes MSPD-DDP-Minderheits-         Frauen in Politik und Parlamenten neu     frauenfreundliche Gesellschaft.“                              hatte Emma Sachse sich für die Bildung
kabinett unter Duldung der USPD         entfacht. Als der erste Thüringer Land-      Nach dem Umzug nach Altenburg                              von Frauengruppen in der SPD enga-
gewählt werden. Während der parla-      tag Ende Juli 1920 im Weimarer Fürs-      1913 trat Emma Sachse in die SPD ein                          giert und war zudem bei der Gründung
mentarischen Sommerpause waren          tenhaus zusammentrat, waren unter         und machte sich dort nicht zuletzt mit                        von Ortsgruppen der Arbeiterwohl-
zuvor vier USPD-Abgeordnete zur         den 56 Parlamentarier*innen gerade        feministischen Themen einen Namen;                            fahrt aktiv. Die AWO war 1919 von der
KPD übergetreten, die nun ebenfalls     einmal zwei Frauen. Emma Sachse von       unter anderem als Gesandte der sozia-                         sozialdemokratischen Reichstagsabge-
mit einer eigenen Fraktion im Land-     den Sozialdemokraten und Marie            listischen Frauen Ostthüringens auf                           ordneten Marie Juchacz in Berlin grün-
tag vertreten war.                      Schulz von der linksliberalen Deut-       einer Reichsfrauentagung der SPD in                           det worden, um eine sozialpolitische
   Wer waren diese Abgeordneten         schen Demokratischen Partei.              Kassel nach Ende des Ersten Welt-                             Interessenvertretung der Arbeiter*in-
des ersten Thüringer Landtags? Da-        Sachse war 1887 in Göttingen in ei-     kriegs. Die Rechte der Frauen blieben                         nenschaft zu ermöglichen, die zugleich
rüber gibt eine aktuelle Ausstellung    ner Arbeiterfamilie als sechstes von      ihr eine Herzensangelegenheit auch                            Alternative zu den kirchlichen Wohl-
im Thüringer Landtag Auskunft.          neun Kindern zur Welt gekommen. Ar-       nach der Wahl in den ersten Thüringer                         fahrtsverbänden sein sollte. Auch in
„Parlamentsarbeit wird von den          mut beherrschte den Alltag. Der Vater     Landtag 1920. Dort profilierte sie sich                       Thüringen bildeten sich in den 1920er
Menschen geprägt“, hat die linke        ungelernter Wegewärter, trugen die        auf vielen Fachgebieten, war später                           Jahren – nicht zuletzt Dank des Engage-
Landtagspräsidentin Birgit Keller       Mutter und die Kinder durch Heimar-       unter anderem Vertreterin der SPD-                            ments von Emma Sachse – zahlreiche
zum Start der Schau gesagt. „Des-       beit zum Lebensunterhalt maßgeblich       Fraktion im Haushaltsausschuss, im                            lokale Gruppen. Wie auch in anderen
halb zeigen wir erstmals die Biogra-    bei. Nach dem Schulunterricht hatte       Ausschuss für Gesetzgebung und Ver-                           Teilen des Landes organisierten sie
fien und Gesichter des ersten Thü-      Emma wie die Geschwister beim Ab-                                                                       „Nähstuben, Volksküchen, Werkstät-
ringer Landtags von 1920. So wer-       wiegen und Einpacken von Seifenpul-                                                                     ten, Beratungsstellen oder Ferienver-
den die Geschichten hinter den Ge-      ver für eine Seifenfabrik zu helfen.                                                                    schickungen und Stadtranderholungen
setzen und Parlamentsakten erleb-       Nach sechs Jahren in der Volksschule                                                                    für Kinder. Verarmte, Invaliden oder
bar. Das macht unsere Ausstellung       arbeitete sie als Kinderwärterin in an-                                                                 Kranke werden in Haushalten der
so spannend.“                           deren Familien und wurde als 15-Jähri-                                                                  Nachbarschaft untergebracht. Die Ak-
   Die auf Tafeln präsentierten Kurz-   ge Dienstmädchen in Leipzig.                                                                            tionen werden fast komplett aus Spen-
biografien der 56 Männer und Frau-        Hier erlebte sie „den diametralen                                                                     den finanziert“, wie es bei der Thürin-
en sind teilweise unvollständig – In-   Gegensatz in den Lebensmöglichkeiten                                                                    ger AWO heute im Rückblick heißt:
teressierte seien eingeladen, noch      zwischen den unterdrückten und den                                                                      „Neben der konkreten Nachbarschafts-
                                                                                                                      © Stadtarchiv Altenburg

bestehende Lücken füllen zu helfen.     herrschenden Klassen“, wie es in einem                                                                  hilfe spielt die Sozialpolitik eine wich-
Die Ausstellung kann von Gruppen        Internetlexikon heißt. In der Messe-                                                                    tige Rolle. AWO-Mitglieder arbeiten in
bis zu zehn Personen im Landtag         stadt lernte Sachse ihren späteren Ehe-                                                                 den Wohlfahrtsausschüssen von Städ-
nach vorheriger Anmeldung oder im       mann kennen, einen Buchdrucker aus                                                                      ten und Gemeinden, als Jugendschöf-
Netz unter www.dein-landtag.de be-      Altenburg. „Sie bildete sich durch die                                                                  fen, in Sozialrentnerausschüssen oder
sichtigt werden. PR                     sozialistische Tagespresse ,Leipziger       Emma Sachse                                                 in den örtlichen Waisenräten.“
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15–2020                                                                                                                                                                                                 5

                                                                                                                                                                                                  www.dein-landtag.de
  Emma Sachse übernahm Ende der                                                                            kerinnen in Deutschland promovieren            1928 legte Schulz ihr Abgeordneten-
1920er Jahre den Vorsitz im AWO-Lan-                                                                       und wurde kurz darauf Lehrerin in            mandat nieder um wieder als Oberstu-
desausschuss des Bezirkes Großthürin-                                                                      Gera.                                        dienrätin an der Zabelschule in Gera zu
gen „und half dabei mit, das Elend vie-                                                                       Doch auch Marie Schulz hatte eine         wirken. Die Repressionen des NS-Re-
ler Arbeiterfamilien zu lindern“. Den                                                                      starke politische Ader. Gemeinsam            gimes erfuhr sie unmittelbar 1933, ein
Widerstand gegen die Nazis konnte das                                                                      mit ihrem Bruder Fritz gehörte sie           Jahr später wurde sie auf der Grundla-
NS-Regime auch durch ihre Festnahme                                                                        1918 zu den Gründungsmitglieder*in-          ge des faschistischen „Gesetzes zur
in „Schutzhaft“ 1933 im Altenburger                                                                        nen der DDP, die aus der Fortschrittli-      Wiederherstellung des Berufsbeamten-
Gefängnis nicht brechen. Sie unter-                                                                        chen Volkspartei hervorgegangen war.         tums“ aus dem Schuldienst verdrängt
stützte nach der Freilassung die anti-                                                                     Schon im Kaiserreich hatte es punktu-        – die NS-Regelung ermöglichte dies bei
                                                                                 © Alfred Ahner Stiftung

faschistische Bewegung, wurde aber                                                                         elle Kooperationen mit den Sozialde-         Beamt*innen, „die nach ihrer bisheri-
1944 erneut von NS-Schergen inhaftiert                                                                     mokraten gegeben. Nun, im Thüringer          gen politischen Betätigung nicht die
und ins KZ Ravensbrück deportiert.                                                                         Landtag, wurden die Fäden wieder             Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs                                                                           aufgenommen: Marie Schulz und Em-            rückhaltlos für den nationalen Staat
nahm Emma Sachse ihre Arbeit für die                                                                       ma Sachse wirkten vor allem bei Ini-         eintreten“.
SPD wieder auf, befürwortete die Ver-        Marie Schulz                                                  tiativen für die Gleichstellung von            Marie Schulz war damals 51 Jahre
einigung von SPD und KPD. Doch das                                                                         Frauen zusammen. 1921 brachten bei-          und starb bald darauf in Hindelang im
Engagement im Landesvorstand der           kleinsten Fraktion „zur redestärksten                          de gemeinsam einen Antrag auf „Zu-           Allgäu. „Ihre männlichen Kollegen er-
Thüringer SED und im Parteivorstand        Politikerin im Landtag von Thüringen                           lassung der Frauen zu juristischen           kannten die kluge, mutige und fleißige
in Berlin währte nicht lange. Nach ei-     und einzigen weiblichen Fraktionsvor-                           Berufen und Tätigkeiten“ ins Thürin-         Parlamentarierin voll an, schätzten ih-
nem halbjährigen Erholungsurlaub           sitzenden“, wie es in der aktuellen Land-                       ger Parlament ein.                           re Zuverlässigkeit in Gesetzesberatun-
1948 „erhielt sie als ehemals führendes    tagsausstellung heißt.                                             Marie Schulz hat nicht zuletzt als Bil-   gen und ihre scharfe Logik“, hieß es
SPD-Mitglied keine bedeutende politi-         Marie Schulz war 1882 in Schlesien                           dungspolitikerin Spuren hinterlassen.        1935 in einem Nachruf, der in der Zeit-
sche Funktion mehr“.                       in der Familie eines lokalpolitisch ak-                         Sie engagierte sich zudem vehement           schrift „Die Frau“ erschien. „Der klaren
  Fast 30 Jahre zuvor war Sachse im        tiven Fabrikdirektors zur Welt gekom-                           gegen den immer stärker werdenden            und gewandten Rednerin schenkte das
Thüringer Landtag auf Marie Schulz ge-     men. Sie konnte die städtische höhere                           Antisemitismus im Thüringen jener            ganze Haus stets seine volle Aufmerk-
troffen, die andere der beiden ersten      Mädchenschule besuchen und machte                               Jahre. „Wir halten den Antisemitismus        samkeit, zumal ihre Ausführungen oft
Parlamentarierinnen im damals noch         das Abitur. Was für ein Kontrast zu                             für eine überaus gefährliche Volks-          recht schlagfertig und humorvoll wa-
„kleinthüringischen“ Freistaat – das       den Lebensumständen der nur fünf                                krankheit“, so formulierte es Schulz         ren.“ PR
preußische Thüringen hatte die Landes-     Jahre jüngeren Emma Sachse. Doch                                einmal, „die sich jetzt im Gefolge des
gründung zunächst nicht mitgemacht.        1897 starb Schulz’ Vater, die Mutter er-                        Krieges zu einer ganz besonderen Höhe        Heike Stange: Die parlamentarische Arbeit
Getagt wurde 1920 im Weimarer „Fürs-       krankte schwer, der Bruder Fritz küm-                           und Gefährlichkeit entwickelt hat.“          von Frauen in Thüringen und ihre politi-
tenhaus“ am Fürstenplatz, der heute        merte sich fortan um die Familie, die                           Auch in Fragen des Urheberrechts             schen Biographien, in: „Jetzt endlich können
                                                                                                                                                        die Frauen Abgeordnete werden!“ Thüringer
Platz der Demokratie heißt. Schulz hatte   nach Freiburg im Breisgau umsiedelte,                           brachte Marie Schulz ihren Sachver-          Parlamentarierinnen und ihre Politik, Schrif-
bereits zuvor im Landtag Reuß als Ab-      wo Hoffnung auf bessere Studienbe-                              stand ein – in der „Literarischen Sach-      ten zur Geschichte des Parlamentarismus in
geordnete gewirkt, im Thüringer Parla-     dingungen für Marie bestand. 1909                               verständigenkammer“ im Thüringi-             Thüringen, Bd. 20, hrsg.v. Thüringer Land-
ment avancierte sie als Vertreterin der    konnte sie als eine der ersten Histori-                         schen Justizministerium.                     tag, Erfurt und Weimar 2003, 256 Seiten.
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        30 Jahre

Im Herbst 1990 konsti-
tuierte sich die erste
PDS-Fraktion im Thürin-
ger Landtag. Seither
sind drei Jahrzehnte ver-
gangen. Die LINKE
ist inzwischen stärkste
Kraft und stellt den
Ministerpräsidenten. In
dieser Serie blicken
wir zurück auf 30 Jahre
PDS- und Linksfraktion.

                                                                                                                                                                        Foto: PR
„Sind Hilfen für die UdSSR geplant?“
Erste Male im Thüringer Landtag: Wie die Linke Liste/PDS 1990 in die parlamentarische Arbeit startete
Kooperation in der Opposition, das war     Tamara Thierbach interessierte sich für       Jörg Pöse, als Vertreter der Vereinig-   „zehn Tage vor Weihnachten, dass wir
in der ersten Legislaturperiode des        die Abwicklung im Gesundheitswesen,         ten Linken auf der offenen PDS-Liste       trotz mancherlei Probleme in relativem
Thüringer Landtags ab 1990 schon an-       die von der CDU-FDP-Koalition als           ins Parlament gekommen, hat 1990 die       Wohlstand feiern können“.
gesichts der Mehrheitsverhältnisse ei-     Chance für die Beseitigung angeblicher      erste Mündliche Anfrage im Thüringer          Das Wörtchen relativ passte hier
ne ein sinnvoller Weg. Und so beantrag-    Überversorgung bezeichnet wurde.            Landtag seitens der damaligen Frakti-      ganz gut, denn auch in der Bundesrepu-
te die Linke Liste-PDS-Fraktion gemein-       Gabi Zimmer erkundigte sich anläss-      on überhaupt gestellt. Das Thema mag       blik, die nun seit knapp drei Monaten
sam mit SPD und Neues Forum/Grüne/         lich des durch die Treuhandanstalt zu       von heute aus betrachtet überraschend      eine „wiedervereinigte“ war, wuchsen
Demokratie Jetzt schon ein paar Wo-        verantwortenden Niedergangs zahlrei-        erscheinen, im historischen Kontext        die Sorgen und Nöte. Politisch war die
chen nach der Konstituierung des Par-      cher Südthüringer Buchhandelsein-           spielte es durchaus eine wichtige Rolle.   Zeit ohnehin eine rasende; kaum hatte
laments eine Aktuelle Stunde: „Lage        richtungen danach, inwiefern die Lan-         „Sind von der Thüringer Landesregie-     der Landtag seine Arbeit im Weimarer
der Hoch- und Fachschulen“.                desregierung auf Bundesebene die Inte-      rung aus Hilfssendungen für die Bürge-     Nationaltheater aufgenommen, ging
   Aber auch darüber hinaus verschloss     ressen der Thüringer Beschäftigten          rinnen und Bürger der UdSSR ge-            auch schon der Wahlkampf zu den Bun-
sich die PDS nicht dem Gemeinsamen,        und der Wirtschaft überhaupt vertrete.      plant?“, erkundigte er sich auf Druck-     destagswahlen am 2. Dezember los.
wo dies nützlich war. Zum Beispiel bei     Die nächste Anfrage von Zimmer hatte        sache 1/37 des Landtags. Durch die So-     Während die PDS in Thüringen dabei
einem der ersten von allen Fraktionen      den Protest zahlreicher Bürger*innen        wjetunion, hieß es damals im „Spiegel“,    8,2 Prozent der gültigen Stimmen er-
getragenen Anträge im Haus – mit dem       „gegen die sozial nicht verträgliche Er-    krieche „die Not, mal fehlt Mehl, mal      zielt, muss im Landtag die Arbeit orga-
die Landesregierung Ende November          höhung der Preise bzw. Gebühren für         Brot, finden sich in den Ladenregalen      nisiert werden. Erste Mitarbeiter*in-
1990 aufgefordert wurde, die Verwen-       Mieten, Wasser, Energie und Müllent-        kaum noch Teigwaren, gilt Kindergrieß      nen werden eingestellt, Räume werden
dung von Recyclingpapier in Landes-        sorgung“ zum Anlass.                        landesweit als Luxus – denn Kinder-        bezogen.
behörden durchzusetzen.                       Klaus Höpcke wollte von der CDU-         nahrung wie auch etwa Medikamente             Unter denen, die von Anfang an da-
   Und wo wir schon bei Premieren          FDP-Koalition wissen, welche Erlöse         fanden im Plan keinen Platz“. Und wei-     bei waren, sind mit Marion Möller und
sind, die auch etwas über lange verfolg-   die Treuhandanstalt beim Verkauf Thü-       ter: „Das Elend der Russen greift den      Andreas Schuster zwei heute immer
te politische Schwerpunkte aussagen:       ringer Betriebe erzielt und wie sie diese   Deutschen ans Herz. Sie sammeln wie        noch an Bord der Fraktion, Möller als
Michael Gerstenbergers erste mündli-       verwendet. Peter Dietls erste mündli-       nie zuvor.“                                Sachbearbeiterin in der Geschäftsstel-
che Anfrage als PDS-Abgeordneter war       che Anfrage als PDS-Fraktionär war            Bis zum Ende des Jahres 1990 er-         le, Schuster als Experte für Haushalt
der Frage gewidmet, wie groß das           dem Schutz der Thüringer Landwirt-          reichte der Spendenstand für die Russ-     und Finanzen. Und auch André Blech-
durch die Treuhandanstalt für Thürin-      schaft gewidmet. Joachim Koch ging es       landhilfe über 150 Millionen D-Mark,       schmidt, später langjähriger Parlamen-
gen verwaltete frühere Industrie- und      bei seiner Premiere um die Frage, ob        meldeten die Zeitungen. Auch in Thü-       tarischer Geschäftsführer, hat damals
Landwirtschaftsvermögen ist und wie        die damals von den Justizministern der      ringen, wie aus der Antwort zu Pöses       angeheuert: als Mitarbeiter von Klaus
viel davon mit welchem Ertrag und wel-     Länder vorgesehene drastische Ein-          Mündlicher Anfrage hervorgeht. „Es         Höpcke. Denn auch die Wahlkreisbüros
chen Arbeitsplatzgarantien bereits ver-    schränkung der Rechtsmittel „dem Wil-       gingen 120 Tonnen Nährmittel, Fleisch-     müssen schnell besetzt werden, um vor
kauft worden sei.                          len der Bevölkerung entsprechen“. Und       konserven sowie Hygieneartikel am          Ort nahe bei den Bürger*innen zu sein.
   Cornelia Geithner, später Nitzpon,      Roland Hahnemann interessierte sich         Sammelplatz Erfurter Interklub ein.        Die haben gerade in jener Zeit viele Fra-
wollte von der Landesregierung in ihrer    für den Stellenabbau in der Thüringer       Auch auf das Spendenkonto bei der Er-      gen, wollen Anliegen zur Kenntnis ge-
allerersten mündlichen Anfrage wis-        Wissenschaft. Allesamt Themen, die          furter Volksbank wurde eine beachtli-      ben, um Hilfe bitten. Kümmern wird zu
sen, was diese gegen die sozial folgen-    auch später wieder und wieder von der       che Summe zur Linderung konkreter          einem Markenzeichen der PDS.
reiche Erhöhung von Nahverkehrstari-       PDS-Fraktion auf die Bühne des Land-        Nöte eingezahlt.“ Ein Staatssekretär
fen in Gera und Erfurt zu tun gedenke.     tags gebracht wurden.                       dankte im Namen der Landesregierung        Nächster Teil: Weiße Armbinden
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15–2020                                                                                                                                                                            7

Verwundbarkeit                                                                            Progressives
der Eigentumslosen                                                                        Mitte-Unten-Bündnis
Zur aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Prokla“                                            Dierk Hirschel über sozial-ökologische Reformpolitik
Die Corona-Krise beschleunigt gesell-      tionsmitteln und Grund und Boden –             Wer aufmerksam Zeitungen liest,             logisch blinder Kapitalismus.“ Was
schaftspolitische Debatten und ver-        und welches profane Interesse damit            kommt an den vielen Meldungen nicht         also tun?
mag bisweilen sogar, ihnen neue Rich-      verbunden ist, sobald dieses eine Grö-         vorbei, in denen neueste Ergebnisse           Hirschels Buch bringt Vorschläge für
tung zu geben. Über die Eigentumsfra-      ße jenseits von kleineren Handwerks-           von Studien zur Ungleichheit vorge-         eine progressive Lösung des Problems
ge wird schon länger leidenschaftlich      betrieben oder dem selbstgenutzten             stellt werden. Ob es nun die klaffende      zusammen. Im Vorwort beschreibt Ex-
gestritten, mit der Pandemie und ihren     Eigenheim erreicht.“                           Lücke zwischen den Wenigen ist, die         ver.di-Chef Frank Bsirske die Stoßrich-
sozialen wie ökonomischen Folgen              Gastredakteurin Sabine Nuss, die            einen übergroßen Anteil am Vermö-           tung: Es gehe um eine sozial-ökologi-
scheint nun aber abermals ein höheres      unlängst mit dem Buch „Keine Enteig-           gen besitzen, und dabei größeren Tei-       sche Reformpolitik, „die die Arbeits-
Plateau erreicht. Da wird öffentlich       nung ist auch keine Lösung“ (Verlag            len der Gesellschaft all die Probleme       und Lebensverhältnisse der Menschen
überlegt, Fleischkonzerne wie Tönnies      Karl Dietz Berlin) hervorgetreten ist,         überhelfen, die entstehen, wenn man         verbessert und dadurch die gesell-
zu enteignen, bei denen allzu offen-       analysiert den Mangel an Resilienz,            vermögenslos ist. Ob es die Ungleich-       schaftlichen Kräfteverhältnisse zu-
sichtlich Arbeitskraft ausgebeutet         also der Tatsache, dass eine reiche Ge-        heit zwischen dem globalen Norden           gunsten eines Mitte-Links-Bündnisses
wird. Da wird öffentlich beraten, wie      sellschaft nicht in der Lage zu sein           und Süden ist, zwischen den Ge-             verändert“, ein „Bündnis von unteren
weit Rettungsverstaatlichungen gehen       scheint, mit einer Pandemie auf der            schlechtern, zwischen Ost und West          und mittleren Arbeitnehmermilieus
sollen, um Unternehmen zu stützen,         Höhe ihrer Möglichkeiten fertigzuwer-          und so weiter – „das 21. Jahrhundert        mit progressiven bürgerlichen Kräften“.
die in die Krise geraten sind. Und         den: „Das ist kein allgemein gesell-           droht ein Jahrhundert der extremen            Es geht also um die Wiederherstel-
schon vor Corona hatten der Berliner       schaftliches Problem, sondern ver-             Ungleichheit zu werden“, so heißt es in     lung und Ausweitung gesellschaftli-
Mietendeckel oder Vorstöße wie jener       weist auf die herrschenden Eigen-              der Ankündigung zum neuesten Buch           cher Macht über die Wirtschaft, eine
von Juso-Chef Kevin Kühnert, der die       tumsverhältnisse, die meist nicht als          von Dierk Hirschel. Der Volkswirt ist       Vorbedingung zum Zurückdrängen
Kollektivierung von Großunterneh-          Ursache für diese sozialen Verwund-            Chefökonom bei der Gewerkschaft             der Folgen von Profitlogik. Denn Ge-
men zur Debatte stellte, für neue Kritik   barkeiten in den Blick geraten.“ Dies          ver.di, zudem sitzt er seit 2012 in der     schichte wird von Menschenhand ge-
an Eigentumsverhältnissen gesorgt.         unternimmt nun die von ihr kuratier-           SPD-Grundwertekommission.                   macht, und ist also auch niemals alter-
   „Die Maßnahmen zur Eindämmung           te „Prokla“-Ausgabe und spart dabei              „Die Klassengesellschaft kehrt zu-        nativlos. Hirschel, der im Rennen um
der COVID-19-Pandemie stürzte viele        die Suche nach Alternativen zur be-            rück – auch in Deutschland“, heißt es       den SPD-Vorsitz war, denkt hier über
Menschen, wie die Ökonomie insge-          stehenden Ordnung nicht aus. Was               beim Bonner Dietz Verlag weiter. Und        die Revitalisierung der Gewerkschaf-
samt, nach kurzer Zeit in eine existen-    können Wirtschaftsdemokratie oder              auch wenn die Frage naheliegt, ob           ten nach, darüber, wie eine gelingende
zielle Krise“, heißt es in einem der       solidarische Ökonomie gegen eine Ei-           denn die Klassengesellschaft in der         Erneuerung der Sozialdemokratie aus-
Texte des Schwerpunkte des aktuel-         gentumslogik ausrichten, in der die            jüngeren Vergangenheit überhaupt            sehen könnte und „warum die Links-
len Ausgabe der „Prokla“. Die Zeit-        „Verwundbarkeit der Eigentumslosen“            weg war, ist an Hirschels Befunden          partei noch gebraucht wird“. PR
schrift für kritische Sozialwissen-        nicht nur zu Zeiten einer Pandemie             vieles richtig: Soziale Spaltung gefähr-
schaft nimmt sich „Die Politische Öko-     zum Ausdruck kommt? PR                         det Demokratie, Raubbau an der Natur
                                                                                                                                      Dierk Hirschel: Das Gift der Ungleichheit.
nomie des Eigentums“ vor und blickt                                                       zerstört Zukunft, Klimawandel, Armut        Wie wir die Gesellschaft vor einem sozial
darauf, „welche Grundfesten die kapi-      Die Politische Ökonomie des Eigentums,         und Kriege zwingen Millionen Men-           und ökologisch zerstörerischen Kapitalis-
talistische Gesellschaftsordnung aus-      Prokla Nr. 199 (2020), Bertz+Fischer Berlin.   schen zur Flucht. „Verantwortlich da-       mus schützen können, Verlag J.H.W. Dietz
machen – Privateigentum an Produk-         Infos und Bezug: prokla.de                     für ist ein entfesselter, sozial und öko-   Nachf. Bonn 2020, 256 Seiten, 22 Euro.

                                                                                                                     Unzitiert
                                                                                                                     Auch aus Steinen, die dir in den Weg
                                                                                                                     gelegt werden, kannst du etwas Schö-
                                                                                                                     nes bauen. Das ist ein kluger Satz.
                                                                                                                     Dass er hier nicht als Zitat steht, hat
                                                                                                                     seinen Grund. Gern wird das Sprich-
                                                                                                                     wort Erich Kästner zugeschrieben,
                                                                                                                     auch Goethe hatte bereits die Ehre,
                                                                                                                     als Urheber genannt zu werden. Doch
                                                                                                                     wie Expert*innen versichern, ist der
                                                                                                                     Satz weder in den Schriften des einen
                                                                                                                     noch des anderen zu finden. Warum
                                                                                                                     die Belege hier nicht wörtlich wieder-
                                                                                                                     gegeben sind sind? Wer weiß, womög-
                                                                                                                     lich würde sich später herausstellen,
                                                                                                                     dass auch diese in Wahrheit so gar
                                                                                                                     nirgendwo standen. Und so bleibt die
                                                                                                                     Wahrheit lieber: unzitiert.
                                                                                                                                                                               Foto: PR
Fingerübungen - die-linke-thl.de
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         Ronald Hande ist 43 Jahre alt,
       verheiratet und hat vier Kinder.
         Seit 2019 ist er haushalts- und
  finanzpolitischer Sprecher und stell-
    vertretender Fraktionsvorsitzender
 der LINKEN im Landtag. Neben Beruf,
       Familie, Gartenarbeit und Sport
   bleibt für die selbst ernannte „Lese-
         ratte“ immer noch Zeit für ein
                             gutes Buch.

E            s ist ein sonniger Dienstag-
morgen im sommerlichen Erfurt. Ei-
gentlich befinden wir uns gerade mit-
ten in einer Wahlkreiswoche, in der die
Abgeordneten aufgrund facettenrei-
cher Termine im Thüringer Umland das
Hohe Haus der Hauptstadt eher selten
zu Gesicht bekommen. Doch für unsere
neue Video-Interview-Reihe „Dialog mit
Sinn“ hat sich Ronald Hande bereitwil-
lig zu uns in den Landtag begeben.
   Gerade noch saß er in seinem Bürger-
büro in Schmalkalden, einer Kleinstadt
mit rund 20.000 Bewohner*innen süd-
westlich des Thüringer Waldes. Sein
Büro wird von Bürger*innen mit ver-
schiedensten Problemen aufgesucht,
seien es Themen wie Straßenausbaubei-

                                                                                                                                                                              Foto: Lukas Krause
träge, Fragen des Sozialrechts oder
Komplikationen mit dem Arbeitgeber.
Hande hilft dort, wo er kann: „Wir ver-
suchen erst einmal gemeinsam, die
Sachlage zu sortieren und Optionen
aufzuzeigen. Als Abgeordneter hat man

                                                „Ein logischer Schritt“
manchmal Möglichkeiten, die andere
Leute vielleicht nicht haben, denn man
kennt viele kommunale Akteur*innen
persönlich und kann dadurch einiges
einfach durch ein Telefonat oder ein            Bundeswehr und Grundeinkommen – Ronald Hande im Gespräch
persönliches Gespräch im Sinne der
Menschen klären.“                             und seine Zweifel bei der Frage nach          Ein weiterer großer Themenkomplex        Schritt.“ Im Gegensatz zu beitragsfnan-
   Auch bei Fragen zu Petitionen vermit-      der Sinnhaftigkeit des Soldatentums         der letzten Monate sei zweifelsohne die    zierten Leistungen wie ALG II, welches
telt Hande allzeit hilfsbereit. Schließlich   nicht mehr mit seinen Überzeugungen         Ausgestaltung des Corona-Hilfspakets       oft nicht ausreiche, um überhaupt die
kann er aufgrund seiner mehrjährigen          vereinbaren und beschloss, politisch        gewesen. Mit Mantelgesetz und Sonder-      elementaren Lebenshaltungskosten ab-
Mitgliedschaft im Petitionsausschuss in       aktiv zu werden. „Ich habe geschaut,        vermögen seien wichtige Maßnahmen          zudecken, sichere das BGE darüber hi-
der vergangenen Legislaturperiode eini-       welche Partei für Frieden und gegen         unternommen worden, um regional an-        nausgehend auch eine kulturelle und
ges an Erfahrung vorweisen. Für den           Auslandseinsätze der Bundeswehr             sässigen Firmen und Solo-Selbstständi-     soziale, gesellschaftliche Teilhabe aller
heutigen Haushalts- und Finanzpolitiker       steht. Da kam für mich nur eine in Fra-     gen eine finanzielle Überbrückung zu       Menschen, egal ob Kind, Arbeitneh-
sei diese Zeit besonders lehrreich gewe-      ge: Die LINKE. Als ich 2007 in die Par-     ermöglichen. Hande gibt zu, „dass wir in   mer*in oder Rentner*in.
sen: „Petitionen sind das Fieberthermo-       tei eintrat, wurde ich direkt mit offenen   der Kürze der Zeit und in diesem ersten       Nicht nur in möglichen Krisenzeiten
meter der Gesellschaft“, sagt er. „Gerade     Armen empfangen.“ Und von da an             Schritt manche Bereiche nicht vollstän-    kann das Grundeinkommen Antworten
als Neuling im Parlamentsgeschehen            ging es über Orts- und Kreisverbände        dig abdecken konnten, auch wenn wir        auf soziale Ungerechtigkeiten liefern,
erhält man dort einen weiten Einblick in      bis in den Thüringer Landtag, in den er     versucht haben, an alle zu denken und      sondern auch auf den zunehmenden
die gesamte Landespolitik, denn der Be-       im April 2015 für Birgit Klaubert, zu       alle zu begünstigen. Dafür gibt es aber    Verlust von Arbeitsplätzen durch die
reich Petitionen ist komplett ressort-        jener Zeit Ministerin für Bildung, Ju-      Möglichkeiten, um noch einmal nachzu-      kaum aufzuhaltende Robotisierung
übergreifend. Ob Kindergarten, Umwelt         gend und Sport, nachrückte.                 steuern. Wenn sich zeigt, dass es an der   und Rationalisierung in vielen Unter-
oder Sozialgesetze. Besonders interes-           „Der Schwerpunkt linker Politik          einen oder anderen Stelle nicht richtig    nehmen und die immer schneller vor-
sant sind die vermeintlich kleinen The-       muss immer auf dem Menschen liegen,         greift, werden wir Nachbesserungen am      anschreitende Transformation der In-
men, die aber für die Leute vor Ort sehr      also dem Menschen als Individuum            Sondervermögen vornehmen.“                 dustrie. Gleichzeitig steigt die Zahl der
groß und bedeutsam sind. Wenn jemand          und nicht als Teil einer Wirtschafts-         Um wirtschaftliche Krisen in Zu-         Menschen, die sich ehrenamtlich enga-
zu mir kommt, möchte ich helfen und           struktur.“ Doch natürlich könne man         kunft sicherer und verlustärmer zu         gieren, schon seit Jahren stetig. Freiwil-
am Ende auch ein möglichst positives          selbst linke Politik auch in Zahlen gie-    meistern, seien auch neue Wege in der      lige, unentgeltliche Arbeit als wichtiger
Ergebnis haben.“                              ßen, was sich besonders bei der Haus-       Finanz- und Gesellschaftspolitik denk-     Stützpfeiler der Gesellschaft kann aber
   Hande spricht besonnen und abge-           haltspolitik widerspiegeln würde. Han-      bar. Ronald Hande ist großer Anhänger      nur dann funktionieren, wenn diejeni-
klärt, wirkt mit seinen 43 Jahren schon       des Aufgabe beinhaltet, durch bedach-       der Idee eines Bedingungslosen Grund-      gen, die sie ausführen, keine eigenen
wie ein alter Hase im Politikbetrieb.         ten und verantwortungsvollen Umgang         einkommens, denn „es hätte uns als         Existenzängste fürchten müssen. Gute
Doch sein Werdegang sei lange Zeit gar        mit den zur Verfügung stehenden             Gesellschaft viele Sorgen und viel Är-     Gründe gäbe es jedenfalls genug, das
nicht vorhersehbar gewesen. „In mei-          Steuermitteln den finanziellen Nährbo-      ger ersparen können. Wir als LINKE         Bedingungslose Grundeinkommen zu
ner Jugend habe ich mit Politik nicht         den zu bereiten, um die Projekte der        planen ein Pilotprojekt, durch das ein     testen und weiter zu erforschen. Die
viel am Hut gehabt. Dann kam meine            Fachpolitiker*innen zu ermöglichen.         bedingungsloses Grundeinkommen ge-         LINKE steht dafür bereit. Lukas Krause
Wehrdienstzeit bei der Bundeswehr.            „Wir Haushaltspolitiker*innen bilden        testet und wissenschaftlich begleitet
Was ich dort gesehen und gefühlt habe,        sozusagen das Back-Office und steuern       werden soll. Auch wenn es ein langer       Dialog mit Sinn: Das komplette Video-
hat in mir Widersprüche hervorgeru-           von dort aus die wirtschaftlichen Rah-      Weg ist, halte ich ihn für einen logi-     Interview zu diesem Artikel finden Sie
fen.“ Irgendwann konnte er das Erlebte        menbedingungen der Politik.“                schen und zukünftig notwendigen            auf linke-thl.de/pr
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