Paralympics Zeitung HEAVY METAL - Deutsche Frauen rocken - Tagesspiegel
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MONTAG, 19. MÄRZ 2018 Paralympics Zeitung In Kooperation mit der HEAVY METAL Deutsche Frauen rocken SOMBREROS IM SCHNEE Die Exoten der Spiele
ANZEIGE INHALT 4 | AUF EINEN BLICK Skurril, sportlich, schön: Die besten Momente der Spiele Der Heraus- 6 | KOPF AN KOPF Beim Ski alpin waren forderung die deutschen Frauen ganz vorne gewachsen. 7 | VERTRAUEN IST BESSER Biathletin Clara Klug und ihr Guide sind ein starkes Team 8 | KOREAS UMDENKEN Wie das Land mit Menschen mit Behinderung umgeht 9 | BESONDERE NÄHE Wolfgang Schäuble über Athleten im Behindertensport 10 | EINE DER JUNGS Lena Schröder spielt als einzige Frau Para Eishockey 12 | ICE IN THE SUNSHINE Top-Thema der Spiele? Natürlich das Wetter! 13 | FANLIEBLING Wie Snowboarden zum Publikumshit wurde 14 | ASIATISCHES TRIPLE Jetzt rufen Tokio und Peking zu den kommenden Spielen Nah am Wasser. Nachdem Biathlet Martin Fleig über Foto: Jan Woitas/dpa 15 km die Goldmedaille geholt hatte, brach er in Freudentränen aus. Mit dem Nationalen Förderer der Deutschen Paralympischen Impressum Herausgeber: Stephan-Andreas Projektleitung: Tanja Peuker Mannschaft. Casdorff, Lorenz Maroldt Projektmitarbeit: Ulrike Gersten, Chefredaktion: Ronja Ringelstein Tong-Jin Smith Redaktion: Benjamin Apitius Projektberatung: Annette Kögel Reporter: Joanna Bartlett, Salome Social Media Team: Maxie Berblinger, Benjamin Brown, Borchert, Ann-Kathrin Hipp (Ltg.), Sooyeon Jo, Sun Kim, Marie Menke, David Hock, Amrei Zieriacks; Jana Rudolf, George Simonds, Lea Die Paralympics Zeitung ist ein Stratmann, Jisu Yon Fotoredaktion: Thilo Rückeis Gemeinschaftsprojekt vom Artdirektion: Julia Schneider, Tagesspiegel und der Deutschen Sabine Wilms Gesetzlichen Unfallversicherung. Layout: Barbara Paschmann Titel: Die fünffache Medaillen- Herstellung: Marco Schiffner Gewinnerin Andrea Rothfuss. Anzeigen: Nadja Holzmaier Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 3 Foto: Francois Guillot/AFP EDITORIAL Foto: Jan Woitas/dpa Foto: promo Medien sind die Botschafter Herausforderungen und Erfolge Gib niemals auf Seit den ersten Spielen 1960 sind die Paralym- Pyeongchang war eine riesige Herausforde- Die Geschichte meiner Flucht von Syrien nach pics zum weltweit wichtigsten Sportereignis ge- rung. Zumal wegen des wechselnden Klimas, Berlin ist bekannt: Wie der Motor versagt hat worden, das soziale Inklusion vorantreibt. Die- aber auch weil dieser Teil des asiatischen und meine Schwester Sara, zwei Männer und ser Erfolg beruht nicht nur auf einer wachsen- Raums Winterspiele bisher nicht kannte. Kri- ich aus dem Boot gestiegen sind, um es durch den globalen Beteiligung oder auf immer bes- tisch ist zu sehen, dass Prinzipien von Umwelt- die Wellen zu steuern, bis wir sicher auf Les- seren sportlichen Leistungen, sondern ist auch schutz und Nachhaltigkeit verletzt wurden. bos ankamen. Später wurde ich zu Olympia auf eine zunehmende Medienberichterstattung Das deutsche Team war wieder eine wunder- nach Rio eingeladen – eine unglaubliche Erfah- zu den einzelnen Spielen zurückzuführen. bare Mischung von Weltklasseathleten und rung, die ich nie vergessen werde. Jeder, der Para-Sport erlebt hat, weiß, wie Nachwuchstalenten. Und das Schönste: Wir ha- Für einen Athleten ist immer das Ziel, zu gewin- sehr die Auftritte von Para-Athleten die Wahr- ben die Friedensbotschaften der Olympischen nen. Sei es eine Medaille oder Ehre, oder eine nehmung von Menschen mit Behinderung ver- Spiele fortgesetzt. Die Konfrontation zwischen persönliche Herausforderung zu überwinden. ändern können. Studien, die nach London 2012 Nord- und Südkorea ist praktisch stehengeblie- In meinem Fall bedeutet es, dass ich immer durchgeführt wurden, belegen, dass jeder ben. Sport hat einen kleinen Beitrag zum Welt- besser schwimmen möchte. Ich habe einen Dritte seine Einstellung gegenüber Behinderun- frieden geliefert. Noch nie fanden bei Winter- Traum und ich werde dafür hart kämpfen. In gen aufgrund der Paralympics verändert hat. spielen so viele Nationen zusammen. Dass die Bezug auf mein Leben denke ich immer: „Ich Eine breite Medienberichterstattung hat dabei „Paralympics Zeitung“ wieder dabei war, ist werde niemals aufgeben.“ für diesen Erfolg eine entscheidende Rolle ge- nicht nur schöne Tradition, es würde etwas feh- Die olympische Philosophie besagt, jeden Men- spielt. Indem der Fokus auf den Fähigkeiten von len, wenn es nicht so wäre. Sie trägt ja seit je- schen zu respektieren, ungeachtet seiner Para-Athleten liegt, statt auf den wahrgenom- her zum Austausch der Kulturen bei. Rasse, Nationalität, Religion und seines Ge- menen Einschränkungen, können die Medien zu schlechts. Um andere Menschen zu verstehen, einer inklusiven Gesellschaft beitragen. FRIEDHELM JULIUS BEUCHER, sollten wir ihnen zuhören. Und so lautete mein Für Pyeongchang 2018 waren mehr als 800 Me- Präsident des Deutschen Rat an Athleten, die zum ersten Mal bei den Pa- dien aus 32 Ländern akkreditiert, ein Rekord Behindertensportverbandes ralympics angetreten sind: Versucht, dieses be- für Paralympische Winterspiele. sondere Gefühl der paralympischen Bewegung Die Arbeit der Medien in der Welt, die über die für euer ganzes Leben zu behalten. Gebt nie- Mehr Artikel und Videos unter: Paralympischen Spiele berichten, unterstützt tagesspiegel.de/paralympics mals auf und bleibt euch selbst treu. Wenn ihr dabei die Bemühungen des Internationalen Pa- und dguv.de/pz Probleme habt, sucht nach Lösungen. Es gibt ralympischen Komitees, ihren Traum einer in- immer eine Lösung, auch wenn sie manchmal klusiveren Gesellschaft für Menschen mit Be- Unser Social Media Team riskant erscheint. Ihr seid nicht allein. Seht hinderungen durch Para-Sport wahrzumachen. berichtete live aus Pyeongchang. euch nach Menschen um, die euch helfen kön- Folgen Sie uns auf: nen. Jeder braucht einmal Hilfe, auch ich. facebook.com/ParalympicsZeitung ANDREW PARSONS, twitter.com/parazeitung Präsident des Internationalen Paralympi- instagram.com/ParalympicsZeitung YUSRA MARDINI schen Komitees snapchat.com/add/parazeitung Sonderbotschafterin des UN Flüchtlingshilfs- werks und Olympiateilnehmerin in Rio 2016 Jal–isseoyo, Korea! Wir verabschieden uns aus einem Pyeongchang, das sich von vielen Facetten gezeigt hat. Für die zehn Jungjournalisten aus drei Nationen und das Social Media Team startete die Arbeit bei eisigen Temperatu- ren und Schnee, um eine Woche später bei 20 Grad in T-Shirts und mit reichlich Sonnencreme auf den Pressetribünen die Wettkämpfe zu verfolgen. Die gut besuchten Spiele mit überschwänglich feiernden koreanischen Fans standen im Gegensatz zu den Eindrücken an der nordkoreanischen Grenze. Bei einer Tour zur Demilitarisierten Zone konnte die Gruppe einen Blick in das Land werfen, das hier nah ist und doch so fern zu sein scheint. So kamen politische Themen – die im Sport eigentlich nichts zu suchen haben – doch immer wieder auf. Für die Nachwuchskräfte, die zu den Botschaftern von Vielfalt und In- klusion wurden, und ihr begleitendes Team waren es spannende und unvergessliche Spiele. Ronja Ringelstein Foto: Thilo Rückeis
4 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Tage der Einheit Bei den Winterspielen in Pyeongchang werben die Gastgeber für ein vereintes Land. Die begeisterten Zuschauer und die starken Athleten machen die zweiten Paralympics in Südkorea zu einem großen Erfolg Foto: Simon Bruty/AFP Para-llel. Beim Ski Alpin räumten die Italiener Giacomo Bertagnolli (links) und sein Guide Fabrizio Casal voll ab. Mit seiner Sehbehinderung gewann der 19-Jährige zweimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze. Foto: Ann-Kathrin Hipp Folklore und Frieden. Auf den Fanfesten zeigten sich die Südkoreaner von ihrer traditionellen Seite, in den Stadien warben sie mit ihren Fähnchen für ein vereintes Korea. Foto: Thomas Lovelock/AFP Kanada nicht sein! Das hatte sich das Eishockey-Team von Südkorea anders Foto: Thilo Rückeis vorgestellt, gegen den Weltmeister war im Halbfinale Schluss. Für die dritte Medaille reichte es dennoch. La Grande Dame. Mit sechs Medaillen Foto: Ed Jones/AFP war Andrea Eskau die erfolgreichste deutsche Athletin.
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 5 Sonne, Mond, Medaillen. Bibian Mentel Alles ist möglich (Niederlande) wollte sie nach ihrem doppelten Snowboard-Gold alle küssen. 30 Sekunden vor Schluss führte Kanada im Para- Eishockeyfinale mit 1:0 gegen die USA. Es sollte die letzte Medaillenentscheidung der diesjährigen Paralympics sein. Das Endspiel war aufgeladen worden mit der Gold-Sehnsucht der stolzen Eishockey-Nation Kanada, die von den männlichen und weiblichen Olympia-Kollegen vor ein paar Wochen nicht erfüllt werden konnte. Die Sekunden verstrichen, die Herzen klopften. Der Titelverteidiger aus den USA gab nicht auf, erzielte den Auslgeich und traf in der Verlängerung sogar auch zum Sieg. Schläger segelten durch die Luft, Helme kugelten über das Eis. Auf ihren Schlitten fielen sich die US-Spieler in die Arme, im Hintergrund die ent- täuschten Kanadier. Es war der Schlusspunkt ereig- nisreicher Winterspiele, die eine tolle Werbung für den Behindertensport darstellten. Auch die deutsche Mannschaft sorgte in den vergangenen Tagen für einige Höhepunkte. Da war Dreifaches Glück. Die deutschen der spannende Zweikampf in der Alpin-Mannschaft Skifahrerinnen Anna Schaffelhuber, Anna-Lena Forster und Momoka Muraoka zwischen der jungen Anna-Lena Forster und ihrem aus Japan bei der Siegerehrung. einstigen Idol Anna Schaffelhuber, der unzähmbare Erfolgshunger von Fahnenträgerin Andrea Eskau, der mit insgesamt sechs Medaillen erfolgreichsten Deutschen, oder der Goldlauf von Biathlet Martin Fleig, der die erste deutsche Einzelmedaille eines Mannes seit acht Jahren feiern konnte. Die Flamme war noch nicht erloschen, da richteten sich die Gedanken schon an die Zukunft. Bei den Snowboard-Rennen, die in Pyeongchang eindeutig zu den stimmungsvollsten Events zählten, wollen auch die Deutschen vielleicht schon in Peking vertreten sein, ein Trainer wurde jüngst verpflichtet. Auch die Eishockeymannschaft der Deutschen will dann wieder dabei sein. Im Sport ist alles möglich. Das zeigte auch das Finale am Sonntag. Fotos: Imago (2), Thilo Rückeis (3) Cool and the Gang. Ob Eishockeyspieler Tyler Carron oder Snowboarderin Amy Purdy — Team USA gab immer eine gute Figur ab.
6 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG A ls Anna Schaffelhuber am ers- vier Silbermedaillen geholt, das ist su- ten Wettkampftag der Paralympi- per!“, sagte die 28-Jährige, der ewig Kopf schen Spiele in Pyeongchang zweite Platz sei kein Fluch. über die Ziellinie fuhr, konnte Dass die deutschen Medaillengewinnerin- sie noch nicht sicher wissen, dass es er- nen in unterschiedlichen Kategorien an- neut für Gold reichen würde. Die Monoski- traten, ist eine Besonderheit der Paralym- fahrerin war in der Abfahrt als erste ge- pics. Im Para Ski alpin gibt es je nach Be- an Kopf startet und musste die Läufe ihrer sechs hinderung getrennte Wettkämpfe: Sehbe- Konkurrentinnen abwarten, bevor endgül- hinderung, stehend und sitzend. Die Ath- tig feststand: 1:33.26 – Gold! leten erhalten innerhalb ihrer Wettkampf- „Ich wollte in Pyeongchang unbedingt klasse Klassifizierungen, nach denen Gold holen, das habe ich geschafft“, ihre Zeit unterschiedlich schnell läuft. So sagte die 25-Jährige. Der Druck sei abge- wird in den Rennen in der Abfahrt, dem fallen, den sie sich nach ihren fünf Gold- Im Ski alpin holte Deutschland Super-G, der Super Kombination, dem medaillen in Sotschi gemacht hatte. Es zehn Medaillen. Anna Schaffelhuber Slalom und dem Riesenslalom sicherge- ging erfolgreich weiter: Ein Sieg im Su- stellt, dass der Wettkampf fair ist. per-G und die Silbermedaille in der Su- und Anna-Lena Forster bringen Jede Kategorie hat ihre Besonderheiten. per Kombination. Die Athletin ist zur Me- Beim Wettbewerb der Sportler mit Sehbe- daillengarantie geworden. jeweils zweimal Gold nach Hause hinderung war es im Jeongseon Alpine Beim Ski alpin holten die deutsche Mann- Centre zwar voll, und doch vollkommen schaft insgesamt zehn Medaillen, alle still. Während des Rennens kommunizie- von ihnen wurden von den deutschen ren die Skifahrer über Bluetooth Head- Frauen geholt. Monoskifahrerin sets mit ihrem Guide, der dicht vor Anna-Lena Forster brachte es zu Gold in ihnen fährt und sie mit Kommandos die der Super Kombination, ihr erster para- Piste hinunterführt. Das Maskottchen lympischer Sieg nach zwei Silber- und ei- der Spiele, Bandabi, erinnerte die Zu- schauer über eine Leinwand daran, still Schaffelhuber fiel es zu sein, bis Fahrer und Guide die Ziellinie überquert hatten. sichtlich schwer, In den anderen beiden Kategorien durf- ten die Fans aus aller Welt aber lautstark sich über die Silberne anfeuern und jubeln – und das taten sie zu freuen auch und sorgten für gute Stimmung. Das sah auch der deutsche Monoskifah- ner Bronzemedaille 2014 in Russland, zu rer Thomas Nolte so, der begeistert dem ihr Schaffelhuber gratulierte. Und sagte, dass es bei den paralympischen doch hatte man das Gefühl, dass die Sil- Wettkämpfen mehr Fans gegeben habe, bermedaille für Schaffelhuber eine Ent- als wenige Wochen zuvor bei Olympia. täuschung war. Es fiel ihr sichtlich BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE, schwer, sich für ihre Teamkollegin zu SUN KIM, 21 JAHRE freuen. Am letzten Wettkampftag machte Forster den Slalom perfekt, holte ihr zweites Gold. Das hatte Schaffelhuber, die den vierten Platz belegte, bereits vo- MEDAILLENSPIEGEL rausgesehen. Im Ziel umarmte sie Fors- nach dem letzten Wettkampftag ter herzlich. Die beiden Athletinnen der Klassifizie- rung „Sitzend“ waren nicht die einzigen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa 1. USA 13 15 8 Medaillenträgerinnen des deutschen 2. Neurale Athleten 8 10 6 Teams. Andrea Rothfuss, im deutschen Medaillengarantie. 3. Kanada 8 4 16 Team „Silberfuss“ getauft, holte vier Sil- Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber 4. Frankreich 7 8 5 bermedaillen und einmal Bronze. „Wir holte zweimal Gold, einmal Silber. 5. Deutschland 7 8 4 sind bei den Paralympics und ich habe 6. Ukraine 7 7 8 Sombreros im Schnee Bei allen Paralympischen Spielen ent- ter und Logistiker. Sogar seinen Monoski Ayayayay! deckt man ein paar Nationalitäten, bei de- baute sich Velasquez selbst. „Ich bin su- Wenn man der einzige Athlet ist, nen man sich fragt: Wie haben die in per flexibel, ich bin Mexikaner, ich kann darf man bei der den Schnee gefunden? Auch dieses Jahr mich an alles anpassen“, sagt er. Das gilt Eröffnungsfeier auch waren ein paar Exoten dabei. auch für die Kälte, an die er sich langsam definitiv die Flagge Sie sind die Neuen: Nordkorea und gewöhnt: „Am Anfang war es schrecklich tragen. So auch Georgien haben zum ersten Mal je zwei und jetzt ist es einfach nur schlecht!“ Un- Arly Velazquez Athleten zu den Winter-Paralympics ge- terstützt wird er bei seinem inzwischen aus Mexiko. schickt, auch Tadschikistan hat sein para- dritten paralympischen Abenteuer von lympisches Debüt mit einem Langläufer Freunden, einem Assistenten, einem Phy- gegeben. Ein Wintersportler aus den Tro- siotherapeuten und einem Trainer und Ski- Foto: Thilo Rückeis pen, nach dem man auch in Zukunft Aus- techniker. Es war nicht immer so. Es gebe schau halten sollte, ist der brasilianische keine Winterkultur in Mexiko und Velas- Cristian Ribera. Mit 15 Jahren war er der quez erhalte keine Hilfe von einem Natio- jüngste Teilnehmer, und mit dem sechs- nalen Paralympischen Komitee wie die ten Platz im Langlauf erbrachte er Brasi- meisten Athleten anderer Nationen. liens beste Leistung bei Winterspielen. Seine Sommer verbringt er in Mexico City suchte er, einen neuen Sport zu finden, bis nicht gleich ins Training einsteigen Nicht so erfolgreich, aber der wohl facet- beim Handbiken, die Winter beim Skifah- er 2009 in Kanada Ski fuhr: „Ich wusste so- konnte, ist er mit seinem 17. Platz im Su- tenreichste unter den Winterathleten aus ren in Park City, Utah, USA. Letztes Jahr fort, dass das etwas für mich war. Ich ging per-G in Pyeongchang zufrieden. „Ich dem Warmen, ist der 29 Jahre alte Arly Ve- trainierte und bestritt er Rennen in ganz zurück nach Mexiko, verkaufte meine Sa- möchte das Team vergrößern. Ich will lasquez, aus Mexiko-Stadt. Er ging als ein- Europa – allesamt selbst organisiert. Wie chen, verkaufte mein Auto, kaufte einen nicht, dass das alles wegschmilzt, wenn ziger Mexikaner an den Start. Dabei ist er kommt ein Mexikaner zum Skifahren? Ve- Lastwagen, fuhr ihn 14 Stunden bis zur ich in den Ruhestand gehe.“ Noch setzt er nicht nur Monoskifahrer, sondern auch lasquez ist seit einem Mountainbike-Un- Grenze und begann mein Training in sich aber nicht zur Ruhe: Er blickt auf Pe- sein eigener Teammanager, Marketinglei- fall querschnittgelähmt. Danach ver- Utah.“ Da er nach einem Unfall in Sotschi king 2022. JOANNA BARTLETT, 26 JAHRE
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 7 terschied zwischen einer sauberen Runde und einem schweren Unfall machen. An ihrem ersten Wettkampftag in Pyeong- chang ist es warm, der Schnee ist zu weich. Als Härtl sich zu Klug umschaut, stürzt er und sie fällt über ihn, später missglückt eine Stockübergabe. „Den zweiten habe ich daneben geballert, kopf- mäßig unnötig“, sagt Klug über ihre Leis- tung beim Schießen. Für die Vize-Welt- meister reicht es nur für Platz sechs. Im letzten Wettkampf hatte Klug Atemnot – holte trotzdem Bronze Zwei Tage später reibt sich Klug vor dem Rennen die Oberschenkel mit Schnee ein – es ist noch wärmer geworden. Das Duo bewegt sich trotzdem sicher auf der Loipe, nur ein Schuss geht daneben. Das kostet Klug 20 Euro für die gemeinsame Foto: Jan Woitas/dpa Kaffeekasse, spornt sie aber auch an. Auf den letzten Metern ist ihnen die Bronze- medaille sicher – als Klug beinahe ste- Im Gleichschritt. Clara Klug folgt Martin Härtls Kommandos. Geht ein Schuss daneben, zahlt sie 20 Euro in die Kaffeekasse. henbleibt. Das Jubeln der Zuschauer und die Windböen verschlucken Härtls Rufe, W Doppelt und sie glaubt, schon hinter der Ziellinie ährend Martin Härtl von drei zu sein. Im letzten Moment brüllt er auf, auf eins herunterzählt, ver- Klug läuft weiter, bevor sie im Ziel er- stärken ein Mikrofon an sei- schöpft in den Schnee fällt. Es ist die nem Kragen und ein um erste Medaille für beide. fährt besser seine Hüfte geschnallter Verstärker Am letzten Wettkampftag hat Klug Sauer- seine Worte. Beim Startsignal blickt er stoffnot. Atemlos signalisiert sie Härtl in sich zu Clara Klug um, die ihm dicht folgt. der ersten Runde abzubrechen, aber er „Ho-op, ho-op“, ruft er mit jedem Schritt. führt sie zielstrebig unter den Rufen der Seine Stimme ist angespannt, als das Zuschauer in den Schießstand. „Nach- Duo im Schießstand ankommt und Klug dem Martin keine Anstalten machte, sich Kopfhörer aufsetzt. Der Ton, den die Er ist ihr Auge, sie schießt nach Gehör: meine Bitte aufzuhören anzunehmen, Athletin darüber hört, ist am höchsten, Biathletin Clara Klug und ihr Guide dachte ich, ich laufe, bis ich umfalle“, wenn ihr Gewehr das Zentrum der Ziel- sagt sie später. Was sie sich selbst nicht scheibe anvisiert. Genau dann abzudrü- Martin Härtl sind in der Loipe eins zutraut, traut er ihr zu: Klug schießt fehler- cken erfordert Konzentration, denn se- frei, souverän holen sie die zweite Bronze- hen kann sie ihr Ziel nicht. medaille. Bei der Verkündung zittern sie Im Biathlon treten Athleten mit Sehbehin- und Klug steckt Härtl einen Taschenwär- Infrarotsignal derung und sehende Begleitläufer ge- Zielscheiben mer zu, aber sie strahlen vor Glück. meinsam an. Härtl ist nicht nur Spitzen- Der Sport ist absolute Teamarbeit. Doch Quelle und Abbildung: Allianz Kopfhörer sportler, er ist ebenso Klugs Auge. Dafür Begleitläufer gibt es bislang nicht viele, muss die Kommunikation stimmen: Ein auch weil ihre Leistungen oft im Schatten 10 m Distanz „Hop“ steht für geradeaus, „rechts – des anderen Sportlers stehen. „Clara Wandler kann nicht ohne mich, ich kann nicht drei“ angelehnt an ein Ziffernblatt für eine scharfe Rechtskurve. Auch muss Die Athleten schießen mit Hilfe eines Infrarotsystems, ohne Clara“, sagt Härtl dazu. An die Para- Härtl erkennen, wozu die Athletin fähig das dem sehbehinderten Schützen ermöglicht, mit dem Gehör zu zielen. lympics seien sie so erwartungslos wie ist. Die Pulsuhr, die er trägt, zeigt des- Dabei sendet die Zielscheibe ein Infrarotsignal aus, welches in möglich herangegangen, für ihre Zukunft ein Tonsignal umgewandelt wird. Je näher der Gewehrlauf das Zentrum halb nicht seinen, sondern Klugs Puls an. der Zielscheibe anvisiert, desto höher wird der Ton. haben sie es sich jedoch zum Ziel gesetzt, „Man muss sich grün sein“, sagt Clara dass dieTeamleistung anerkannt wird. Klug, denn ein falsches Wort kann den Un- MARIE MENKE, 20 JAHRE ANZEIGE WIR SIND Sport ist nicht nur wichtig für eine erfolgreiche © WM 2018 Rollstuhlbasketball gGmbH / Melanie Schober & Martina Peters DABEI! Rehabilitation, er fördert auch die Inklusion. Deshalb unterstützt die gesetzliche Unfallversicherung die Rollstuhl-Basketball Weltmeisterschaft 2018 in Hamburg. Kommen Sie vorbei und fiebern Sie mit! 16.- www.2018wbwc.de
8 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Koreas Umdenken Behinderung wurde stützung, wobei sich die Höhe nach dem Einkommen richtet. Wer eine Behinde- Behinderung in der Öffentlichkeit“, sagt Eugene Kim, die in der Hauptstadt Seoul Nicht-Regierungs-Organisation „Accessi- ble Korea“ setzt sich seit über zehn Jah- in der koreanischen rung auf Level eins bis drei hat, bekommt lebt und studiert. Die 20-Jährige ist über- ren für eine rollstuhlfreundlichere Infra- auch andere Zuschüsse, beispielsweise zeugt, dass Korea umdenken müsse. Das struktur in ihrem Heimatland ein. Nicht Gesellschaft lange für mögliche Gerichtsverfahren. bedeute für sie, alle Menschen als einen nur in diesem Punkt nehme sie viele posi- ausgeblendet – das Um Diskriminierung zu bekämpfen, setzt die koreanische Regierung am Arbeits- Teil der Gesellschaft zu sehen und spe- zielle Bedürfnisse anzuerkennen. tive Entwicklungen wahr, die Südkorea durch die Paralympics erreichten. Durch soll sich nun bessern platz auf eine Quotenregelung: Beschäf- die Leistungen der Athleten verändere tigt ein Unternehmen mehr als 50 Arbeit- Bis vor Kurzem fand sich der Blickwinkel auf Menschen mit U nehmer, müssen drei Prozent aller Ange- Behinderung: mehr Wertschätzung und m einen Anhänger von Maskott- stellten eine registrierte Behinderung ha- Inklusion kaum statt Interesse. „Eine Einzelperson startete chen Bandabi zu ergattern, ste- ben – andernfalls werden Bußgelder ver- etwa eine Petition für mehr Liveübertra- hen Familien geduldig Schlange. hängt. Trotz allerlei Regulierungen stößt Die neu entfachte Begeisterung vieler Ko- gung im Fernsehen, die wurde super an- Kleinkinder stapfen mit einem das System an seine Grenzen. Der Diskri- reaner für den paralympischen Sport genommen und sogar umgesetzt“, sagt Eis in der einen, mit der Koreaflagge in der minierung im Alltag können weder Quote könnte dafür sprechen, dass dieses Um- Hong. Für die Gründerin sind die aktuel- anderen Hand wedelnd über das weitläu- noch Gesetze entgegenstehen. Dass Men- denken gerade stattfindet. „Bis ins letzte len Entwicklungen zukunftsweisend: „Es fige Gelände zwischen Eishockey- und schen mit Behinderung oft gar unsicht- Jahrzehnt hinein fand Inklusion in Korea ist noch nicht optimal, aber Korea verän- Curling-Stadion. Wie die Großen bejubeln bar erscheinen, fällt auch jungen Leuten kaum statt. Allgemeines Bewusstsein dert sich. Und Pyeongchang wird da nach- sie wenig später die Athleten, auf den auf: „Im Vergleich zu England oder den über das Thema existierte nicht“, sagt wirken.“ SOOYEON JO, 20 JAHRE, Schultern ihrer Eltern sitzend. USA sehe ich hier seltener Menschen mit Sooyeon Jane Hong. Die Gründerin der LEA STRATNMANN, 18 JAHRE Mit über 320 000 Tickets wurden bei kei- nen anderen Winter-Paralympics mehr Karten verkauft als bei den diesjährigen. Am Austragungsort Pyeongchang scheint Koreas Begeisterung für Para Sport über alle Generationen hinweg an- gekommen – und damit Akzeptanz und Diskriminierungen gibt es noch immer häufig Wertschätzung gegenüber Menschen mit Behinderung. Trotzdem betreffen laut dem Jahresbericht der „National Human Rights Commission of Korea“ weiterhin mehr als die Hälfte aller Beschwerden wegen Diskriminierung explizit Men- schen mit Behinderung. Erst im Juli 2017 endete ein fünfjähriger Sitzstreik in einer der größten Metro-Sta- tionen der Hauptstadt Seoul. Sich beim Streik abwechselnde Aktivisten forderten die Reformation des ihrer Ansicht nach starren Systems, nach dem Menschen mit Behinderung in Südkorea klassifiziert werden. Die seit 1988 existierenden Kate- gorien ordnen Koreaner nach strengen Foto: Jung Yeon-je/AFP medizinischen Kriterien in Level zwischen eins und sechs ein. Je nach Levelzugehö- rigkeit erhalten Menschen mit Behinde- rung unterschiedliche finanzielle Unter- Freude auf den Rängen. In Pyeongchang klappte es mit der Begeisterung für Behindertensport. Wir wollen den Behindertensport stärken Die Paralympics 1988 in Seoul wa- sechs Monaten auf 500 000 an. Auch die und ihren Nachwuchssportlern genutzt ren die ersten Paralympischen Einstellung von Behinderten in öffentli- werden. Ich denke, dass die Paralympics Spiele überhaupt, die in derselben Stadt chen Einrichtungen und Unternehmen auch eine Rolle spielen können für die und in denselben Wettkampfstätten wie hat sich etabliert, ein Sozialgesetz für be- Stärkung des inklusiven Sports. Denn bei die Olympischen Spiele stattfanden. Auch hinderte Menschen wurde verabschiedet. den Spielen konnte eine breite Öffentlich- der Name „Paralympics“ für die Spiele Ich denke, dass es die Bedeutung und keit die Attraktivität des Sports erleben. wurde erstmals offiziell anerkannt. Da- Rolle des paralympischen Sports ist, eine Der Name des diesjährigen Austragungs- mals wollten Behinderte in Korea ihr Han- Gesellschaft zu schaffen, in der Andersar- orts spielt auch eine Rolle. Denn er setzt dicap verstecken, und die Sichtweise der tigkeit anerkennt und respektiert wird, in sich aus den Wörtern Frieden (Pyeong) Bevölkerung auf behinderte Menschen der Vielfalt akzeptiert wird und in der Be- und Wohlstand (Chang) zusammen. Ich war sehr eingeschränkt. Die Leiden- hinderte und Nichtbehinderte zusammen- gehe davon aus, dass die Winterspiele für Foto: dpa Picture-Alliance/Yonhap schaft, die die paralympischen Athleten leben und sich gegenseitig achten. positive Veränderungen in unserer Gesell- an den Tag legten, hat dies verändert. Durch die Ausrichtung der Paralympics schaft sorgen, indem mehr Menschen Nach den Paralympics in Seoul haben sollte auch in diesem Jahr in Pyeong- Wintersport betreiben und die Botschaft viele Menschen mit Behinderung in Ko- chang die Basis des Behindertensports von Harmonie, gegenseitigem Respekt rea den Mut entwickelt, sich offen in der weiter gestärkt und der Ausbau der Infra- und Verständnis übermittelt wird. Auch Do Jong-hwan, 63, ist Minister für Kultur, Gesellschaft zu zeigen. Während vor den struktur für den Behindertenbreiten- hoffe ich, dass sie, wie der Name „Pye- Sport und Tourismus in Südkorea. Spielen die Zahl der registrierten Perso- sport vorangetrieben werden. Die Sport- In seinem Gastbeitrag für die „PZ“ ongchang“ besagt, als Spiele des Frie- nen mit Behinderung bei etwa 90 000 Per- anlagen können auch nach Ende der beschreibt er die Entwicklung dens und Wohlstands Korea in der sonen lag, stieg sie in den folgenden Spiele von den Nationalmannschaften des Behindertensports in dem Land. Welt bekannt machen.
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 9 Herr Schäuble, Sie waren früher passionierter Skifah- rer. Haben Sie sich auch mal an der para-athletischen Variante versucht? Ich habe mir das zwar bei den Paralympischen Winter- spielen in Turin angesehen, aber ich habe mich nie dazu überreden lassen. Das ist mir zu kalt und zu nass. Und wenn ich im Schnee liege, wie komme ich dann wieder hoch? Ich war schon 48, als ich Rollstuhlfahrer wurde. Im Rollstuhl Ski zu fahren, war da nicht mein dringendstes Bedürfnis. Ganz davon abgesehen, dass Kälte für Quer- schnittgelähmte nicht so furchtbar angenehm ist. Ich bin eigentlich froh, wenn der Winter wieder vorbei ist. Die Paralympics wurden in diesem Jahr in Südkorea ausgetragen. Was verbinden Sie mit dem Land? Wir empfinden natürlich die Sorge um den Frieden auf der koreanischen Halbinsel. Da kann Südkorea wenig dazu, aber Nordkorea eine große Menge. Es geht ja nicht nur um den olympischen Frieden, sondern darum, dass die Kriegsgefahr beherrscht und der Diktator in Nordkorea einigermaßen zur Zurückhaltung gebracht wird. Das ist aber leicht gesagt und schwer getan. Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behinder- tensportverbandes, hat gefordert, nur noch Länder als Austragungsort zu wählen, die Menschenrechte und Umweltstandards respektieren. Was halten Sie davon? Im Prinzip ist das richtig. Aber wir sehen andererseits, dass in vielen Ländern, in denen das einigermaßen ge- währleistet ist, die Bevölkerung nicht mehr bereit ist, die immensen Investitionen für die Spiele zu tragen. Das Olympische Komitee hat zunehmend Probleme, über- Foto: Thilo Rückeis haupt Bewerber zu finden. Die Verantwortlichen müs- sen sich Gedanken machen, ob es sinnvoll ist, den Auf- wand so weit zu treiben, dass es in freiheitlichen, rechts- staatlichen Demokratien nicht mehr möglich ist, die Be- Zu nass, zu kalt. Für Wolfgang Schäuble, 75, ist Wintersport nur etwas zum Zuschauen. völkerung zu überzeugen, dass man das haben will. „Alle Menschen Bei den Paralympics wird immer wieder auch von den positiven Effekten für das Gastgeberland gesprochen. Wie wirken sich die Spiele auf eine Gesellschaft aus? Die Paralympischen Spiele haben eine ungeheure Wir- sind behindert“ kung. Viele, die sich sonst nicht mit den Problemen und Chancen von Behinderten beschäftigen, setzen sich plötzlich damit auseinander. Sonst erfahren Behinderte das Jahr über nicht so viel Aufmerksamkeit von der Öf- fentlichkeit und den Medien. Deswegen sind die Para- lympics ausgesprochen hilfreich für das, was wir Inklu- sion nennen. Sie selbst sitzen seit mehr als 25 Jahren im Rollstuhl. Bundestagspräsident gibt genauso Doping. Behinderte sind keine besseren Menschen. Das gilt leider auch für mich. Wie entwickelte sich Inklusion seitdem in Deutschland? Wolfgang Schäuble Ich bin immer privilegiert gewesen. Ich war damals In- Fühlen Sie sich Para-Athleten dennoch besonders nah? nenminister, als ich in den Rollstuhl kam und habe seit- sitzt seit mehr als Na klar. Wenn man im Rollstuhl sitzt, dann hat man na- dem entsprechende Unterstützung und Aufmerksam- keit gehabt. Ich kann eigentlich mit meinen Erfahrun- 25 Jahren im Rollstuhl. türlich ganz spontan eine andere Beziehung zu solchen Menschen. Wenn ich jemand anderen im Rollstuhl sehe, gen wenig für Behinderte sprechen. Das habe ich im- Mit der „Paralympics dann habe ich sofort das Gefühl, dass es da ein größeres mer abgelehnt. Durch meine Person haben aber viele Maß an Gemeinsamkeiten gibt. Das ist ganz logisch. Menschen begriffen, dass Behinderte zwar bestimmte Zeitung“ sprach er Probleme haben, aber genauso leistungsfähig und ge- Im Sport zählt vor allem das Leistungsprinzip. Sollten nauso viel oder wenig tüchtig und sympathisch sind wie über seine sportliche nicht gerade die Paralympics zeigen, dass es um mehr andere auch. Manchmal sage ich zu anderen Behinder- Leidenschaft und geht als um Zeiten und Weiten? ten: „Eigentlich sind alle Menschen behindert. Der Un- Generell war ja das alte olympische Prinzip: Teilnahme terschied ist nur, wir Behinderte wissen es wenigstens. warum behinderte ist wichtiger als Sieg. Aber Teilnahme heißt nicht, dass Andere wissen es nicht und glauben, dass sie völlig un- nicht jeder versucht, seine persönliche Bestleitung zu eingeschränkt sind.“ So ist menschliches Leben nie- Menschen nicht bringen. Die menschliche Existenz beruht ja ein Stück mals. Aber zu wissen, dass körperliche oder seelische die besseren sind weit darauf, dass man versucht aus dem, was einem ge- Benachteiligungen und Behinderungen mit dem Wert geben ist, möglichst viel zu machen. Im Streben danach des Menschen nichts zu tun haben, das ist der entschei- steckt ja auch ein Stück weit Erfüllung. dende Punkt. Und das macht eine Gesellschaft mensch- licher. Sie selbst haben Ihre sportliche Leidenschaft im Hand- biken gefunden. Sie haben einmal gesagt, Behindertensportler seien Mit dem Handbike fahre ich gerne, weil man was für Vorbilder, weil sie der Gesellschaft deutlich machen, sein Herz-Kreislauf-System tun muss. Die ersten Jahre „dass jeder Mensch eine eigene unverwechselbare bin ich mit dem Rollstuhl spazieren gefahren. Als ich Würde hat“. Sind Behindertensportler andere Vorbil- das Handbiken entdeckt habe und das praktikabel war, der als Sportler ohne Behinderung? fand ich das eine sehr gute Möglichkeit, um sich an der Ich beobachte es bei Behindertensportlern, die ich ken- frischen Luft zu bewegen und sich physisch und psy- nen gelernt habe: Die haben einen ungeheuren Willen, chisch zu erholen. Jetzt habe ich mir auch ein E-Bike eine ungeheure Disziplin. Je größer die Herausforderun- zugelegt. In meinem vorgerückten Alter darf ich das. Ich gen für Menschen sind, desto stärker strengen sie sich soll mich schon anstrengen, aber nicht zu viel. Und das an. Trotzdem sind Behinderte, wie alle anderen auch, geht ganz gut. Menschen mit Fehlern. Es wird genauso betrogen, es DIE FRAGEN STELLTE ANN-KATHRIN HIPP
10 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Agitos Foundation bezuschusst und seit 2014 in Europa und Nordamerika durch- geführt. So sollen mehr Frauen mit einer Behinderung an den Sport herangeführt werden. Bislang hätten nur die Eis- hockey-Nationen Kanada und USA ausrei- chend Athletinnen, um eigene Frauen-Teams für Paralympics zu bilden. In Pyeongchang erfuhr Lena Schröder große mediale Aufmerksamkeit, viele fragten sich, ob sie aufgrund ihres Ge- FÜR SCHRÖDER GIBT ES KEINE EXTRAS – AUßER EINER DUSCHE schlechts einen Sonderstatus im Team habe. „Der einzige Unterschied zwischen mir und meinen Teamkollegen ist, dass ich im Gegensatz zu ihnen eine Einzeldu- sche habe. Ansonsten bin ich eine von Mitten drin. Foto: Bob Martin/AFP den Jungs. Ich habe es aufgrund meiner Lena Schröder konzentriert Leistung in das Team geschafft – nicht, sich auf die Taktik. weil ich eine Frau bin.“ Wenn sie mit den Männern spielt, nimmt sie die Position des Angriffsspielers ein. „Normaler- Unter Jungs weise bin ich in der Verteidigung, aber die Männer sind schneller und stärker als ich, weswegen ich mich im Feld auf die Spielstrategie konzentriere – ich muss geschickt sein und mein Timing gut nut- zen.“ Norwegen konnte sich nicht für das Lena Schröder spielte im norwegischen Para Eishockey Team mit – Halbfinale qualifizieren. Das dritte Vor- rundenspiel gegen Schweden, bei dem als einzige Frau. Sie will andere motivieren, es auch zu versuchen Norwegen 3:1 gewann, war vor allem für D Schröder historisch, da sie fünf Minuten ie Gesichter sind vor Konzentra- Mixed-Team – und damit auch das einzige sie: „Warum sollte ich es nicht versu- lang selbst zum ersten Mal bei Paralym- tion verzerrt, unter dem roten weibliche Mitglied überhaupt im paralym- chen? Es ist möglicherweise meine ein- pics aufs Eis durfte. „Ich möchte für an- Trikot zeichnen sich die breiten pischen Eishockey in Pyeongchang. Vor zige Chance, jemals bei den Paralympics dere Frauen ein Vorbild sein und ihnen be- Schultern der fünf Spieler ab. Op- ihr spielte mit Brit Mjaasund Öjen 1994 in anzutreten.“ Damit hatte sie Recht, denn weisen, dass man es auch als Frau mit tisch sind sie kaum zu unterscheiden. Erst Lillehammer nur ein einziges Mal eine eine Frauen-Nationalmannschaft im den Männern aufnehmen kann.“ bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass bei Frau bei den Paralmypics mit. Para Eishockey gibt es bislang noch Beim letzten Spiel gegen Tschechien sah Nummer 29 ein weißblonder Zopf unter Ein Kraftakt ist das Spiel zweifellos, da nicht. Seit 2013 wird der Parasport für sie vom Rang aus zu: „Die Jungs müssen dem Helm hervorlugt. Lena Schröder ist seinen Spielern lediglich zwei kurze Frauen durch das Förderprogramm der einfach ruhig bleiben und sich auf ihre Ar- seit 1994 die zweite Frau überhaupt, die im Schläger mit Spikes an den Enden zur beit auf dem Eis konzentrieren. Dann ha- Para Eishockey spielt – mit den Männern. Fortbewegung dienen. Mit 15 Jahren be- ben wir eine Chance, zu gewinnen.“ Der In den letzten Jahren hat sich der Sport gann Schröder, die mit einem Wirbel- Plan ging auf – Norwegen sicherte sich zwar weiterentwickelt, trotzdem gibt es spalt zur Welt kam, im norwegischen den fünften Platz in der Gesamtwertung. noch immer eine große Schwachstelle: Es Moss mit dem Sport. Seit 2010 spielt sie Für die Zukunft wünscht sich Lena Schrö- gibt kaum Frauen. „Viele von ihnen be- im Valerenga Club in Oslo, gemeinsam der eine weibliche paralympische Natio- trachten es als eine Männersportart, weil mit ihrem Verlobten Morten Vaernes. Ei- nalmannschaft. „Es wäre großartig, beim Para Eishockey die ganze Kraft aus nes Tages selbst bei den Paralympischen wenn es irgendwann ein geschlechtli- Foto: Thilo Rückeis den Armen kommt“, sagt Lena Schröder. Winterspielen dabei zu sein, war für sie ches Gleichgewicht im Para Eishockey „Und weil es auf der Eisfläche ziemlich jahrelang ein Traum, der nun Realität gäbe“, sagt sie. Bis es soweit ist, wird sie grob zugehen kann. Das schreckt ab.“ wurde. Als sie davon erfahren hat, dass Vorreiterin. Lena Schröder durfte beim die Missionarin dafür sein . Die 24 Jahre alte Medizinstudentin ist die in ihrer Heimat Oslo ein paralympisches Spiel gegen Schweden mit aufs Eis – JANA RUDOLF UND einzige Frau im norwegischen Nationalteam aufgestellt wurde, dachte das erste, das Norwegen gewann. JISU YON, BEIDE 20 JAHRE Das letzte End Taktik und mentale Stärke – so haben das ist der letzte und entscheidende ein Zahnrad in das andere greifen. Es ist es die deutschen Curler auf den achten Stein der Runden, den sogenannten immens wichtig, sich auf auch auf die an- von zwölf Plätzen geschafft. Ends. Denn die Mannschaft, der er zu- deren verlassen zu können.“ Es ist das Spiel gegen Korea. Wettkampf- steht, gewinnt meist das End. Dann zäh- Respekt vor dem Team, den Gegnern und tag drei, Vorrunde. Harry Pavel greift len die Steine, die am nächsten in der dem Sport – in einer Erklärung der World zum Stab und streckt den Arm aus. Sein Mitte des House liegen. In den ersten Curling Federation heißt es: Ein Curler Teamkollege Martin Schlitt hält den Roll- Wettkampftagen ging die Strategie des zieht eine Niederlage einem ungerechten stuhl. Pavel fixiert die Steine im House, deutschen Teams auf. Dann, gegen Nor- Sieg vor und entscheidet sich im Streitfall dem Kreis auf der gegenüberliegenden wegen, Schweden, Großbritannien, die immer zu Gunsten der Gegner. Schieds- Seite des Felds, und stößt. Schweiz und Kanada kassierten sie dage- richter gibt es nicht, das klären die Skips. Das deutsche Curling-Team spielt defen- gen eine Niederlage nach der anderen. Nach dem letzten End bedanken sich die siv und versucht, die Steine der gegneri- „Es ist wichtig aus so einer Tal-Zone wie- Sportler beim Gegner. Im Spiel gegen schen Mannschaft aus dem House zu der rauszukommen“, sagt Schlitt. Der Finnland – das letzte für Deutschland – Foto: Thilo Rückeis schieben. Curler Harry Pavel spricht von Sportpsychologe Christian Heiss hilft da- reicht auch Schlitt seinen finnischen Kol- der Easy-Game-Strategie: „Wir halten bei, indem er mit den Sportlern ihre indivi- legen die Hand. Zwar in der Vorrunde aus- das Spiel einfach und versuchen, mög- duellen Stärken analysiert und sie moti- geschieden, hat das deutsche Team sein Konzentration. Christiane Putzich ist lichst viele Steine im House zu haben, viert. Er schweißt die Mannschaft zusam- letztes Spiel gewonnen. der Skip der deutschen Mannschaft. wenn wir den Hammer haben.“ Hammer, men. Schlitt sagt: „Beim Curling muss SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE
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12 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG MIXED ZONE Voll leer Eingebürgert – Zuschauerrekord. Theoretisch. 320 531 ver- kaufte Tickets, doppelt so viele wie 2006 in Tu- aber ganz umsonst Bei den Olympischen Spielen gibt es viele Athle- rin. Und doch sah man in den südkoreanischen ten, die mit einer neuen Staatsbürgerschaft für Austragungsstätten in und um Pyeongchang im- ein anderes als ihr „eigenes“ Land antreten. mer wieder freie Plätze, einige Tribünen waren Nun hat dieser Trend die Paralympics erreicht. nahezu leer. Der 29 Jahre alte Yoomin Won, der bei einem Die Erklärung für diesen Widerspruch lieferte Autounfall seine Beine und einen Finger an sei- das Organisationskommittee: 27,7 Prozent der ner rechten Hand verlor, ist in Südkorea gebo- gekauften Tickets seien schlicht nicht genutzt ren. Mit zwölf immigrierte er nach Kanada und worden, Sprecher Sung Baik You nannte das nahm die kanadische Staatsbürgerschaft an – „enttäuschend“. um nun wieder Koreaner zu werden. Mögliche Gründe für das Nichterscheinen wur- Bei den Paralympics 2016 in Rio spielte Won den zwar keine genannt, so fiel aber auf, dass noch für das kanadische Rollstuhlbasketball- die Stadien an warmen Tagen wesentlich bes- team, kurz darauf fing er auch mit Ski Nordisch ser gefüllt waren. Die Besucherzahlen schwank- an. Und hielt schon innerhalb einer Woche bei ten außerdem je nach Veranstaltung. Während Fotos: Birgitt Claus einem Wettkampf in Südkorea in den Diszipli- der Snowboard Cross im Jeongseon Alpine Cen- nen Skilanglauf und Biathlon eine Silberme- tre vor vollen Rängen stattfand, war der Riesen daille in der Hand. Das Koreanische Paralympi- Slalom dort schlecht besucht. sche Komitee und der Nordische Skiverband BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE Schnee zu Tau für Behinderte in Korea erkannten sein Talent und halfen Won im Juli vergangenen Jahres da- Sonnenbrand vom Vortag, dann beißende Kälte bei, in Südkorea wieder eingebürgert zu wer- im Gesicht. In Pyeongchang spielte das Wetter den. Für die diesjährigen Paralympics in Pye- verrückt. Bei der Eröffnungszeremonie wurden ongchang sollte Won im Skilanglauf antreten. Hand-, Fuß- und Gesäßwärmer verteilt, wenige Der Haken: Das Nationale Paralympische Komi- Tage später waren Fans beim Snowboard im tee hatte wohl eine der einschlägigen Bestim- T-Shirt, einige sogar oben ohne. mungen des Internationalen Paralympischen Das verrückt spielende Wetter war eine enorme Komitees übersehen: Nach der Einbürgerung Belastung für die Athleten. Trainingsläufe fie- müssen mindestens drei Jahre vergehen, bis len dem Wind und Regen zum Opfer, bei den Wettbewerben traten die Sportler häufig im schmelzenden Schnee an. Clara Klug, die im Bi- athlon zweimal Bronze holte, bekam im Alpen- Foto: Screenshot/Facebook/Georg Kreiter haus, dem gemeinsamen Haus der deutschen, österreichischen und Schweizer Mannschaft, Schwimmflügel auf der Bühne überreicht. „Wenn wir im März bei 30 Grad Skifahren müs- sen, können die Bedingungen nicht optimal sein“, sagte Monoskifahrer Thomas Nolte und fasste so die Stimmung unter den Sportlern zu- Shit sammen. Sie machten allerdings das Beste da- raus. BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE happens Foto: imago/Action Plus Statt mit Medaille im Gepäck flog Georg Kreiter mit einem operierten Schlüsselbein zurück nach Deutschland. Der 33 Jahre alte Mono- ski-Fahrer stürzte im ersten Lauf des Riesen- Smoothies und Sport slaloms am fünften Wettkampftag. Nachdem er In Biathlon und Langlauf bei den Paralympics ein Athlet mit der neu angenommenen Nationa- noch auf der Strecke behandelt worden war, antreten und Bücher über Smoothies schrei- lität bei den Spielen antreten kann. Im Fall von kam er zum Röntgen in ein Krankenhaus. Mit ben: Steffen Lehmker kann beides. Während Won war allerdings nur etwas mehr als ein Jahr dabei war der deutsche Mannschaftsarzt Hart- der letzten Winterspiele in Sotschi wusste er vergangen, seitdem er wieder Südkoreaner ge- mut Stinus. „Gemeinsam mit den südkoreani- noch nicht, was Paralympics überhaupt waren, worden war. schen Kollegen haben wir verschiedene Mög- nun trat er selbst an. Danach geht’s wieder an „Ein Jahr und 21 Tage habe ich für Ski Nor- lichkeiten durchgespielt und uns für eine Opera- die Säfte. Zwei Bücher mit Lieblingsrezepten disch, Langlauf und Biathlon trainiert. 33 Tage tion direkt vor Ort entschieden“, sagt Stinus. für gesunde Smoothies hat er schon verfasst: vor der Eröffnungszeremonie sagte man mir, Auf Facebook postete Kreiter: „So hatte ich das „Ich habe gemerkt, etwas fehlte, und habe ge- dass ich bei den Paralympics nicht teilnehmen nicht geplant… damit sind die Spiele für mich schaut, wie kann ich mich zusätzlich zum Sport kann“, schrieb Won auf seinem Social Media leider vorzeitig beendet.“ Schon in Sotschi war noch voranbringen“, erzählte er dem ZDF. Profil. Trotzdem blickt er mit großen Erwartun- Kreiter gestürzt – 2014 hatte es aufgrund der MARIE MENKE, 20 JAHRE gen in die Zukunft. „Meine Reise beginnt hier“, Pistenbedingungen mehrere schwere Unfälle sagt er. Er werde sein Training fortsetzen – gegeben. SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE dann eben für die Paralympics 2022 in Peking. SOOYEON JO UND JISU YON, BEIDE 20 JAHRE Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 13 Alle an Board Wenn es ein Publikumsliebling in Pyeongchang gab, dann das Snowboarden. US-Athletin Brenna Huckaby schwang sich zweimal zu Gold S pätestens als die US-Amerikane- 14 Jahren amputiert, sie begann mit 15 rin Brenna Huckaby ihre zweite mit dem Snowboarden, um einen Ersatz paralympische Goldmedaille ge- für ihren früheren Sport, das Turnen, zu wann, stand fest: Es gibt einen finden. Ihre neue Leidenschaft machte neuen Star im Para Snowboard. Es sollte sie zur prominenten Athletin. Sie betont knapp werden, ihre Konkurrentin Cecile immer wieder, dass man alles erreichen Hernandez aus Frankreich kam im könne, egal wie schwer die Herausforde- Banked Slalom, einer Disziplin in der sich rung auch sei. Huckaby will anderen ein die Athleten eine Slalom-Piste voller Vorbild sein, als Sportlerin, als Mutter für scharfer Kurven hinabstürzen, mit einer ihre Tochter. Eine junge Frau, die mit ih- Verzögerung von nur 0,36 Sekunden ins rem Bikini-Shooting für die Swimsuit Edi- Ziel. „Ich bin total glücklich, dass es so tion des „Sports Illustrated Magazin“ zei- knapp war. Es bedeutet, dass wir alle im- gen wollte, dass „eine Behinderung und mer besser werden und der Sport immer Sexyness sich nicht ausschließen“. größer wird“, sagte Huckaby nach dem Rennen. Huckaby will ein Dass der Sport immer beliebter wird, steht nach den Spielen in Pyeongchang Vorbild für andere sein fest. In Sotschi 2014 feierte das Para Snowboarden sein Debüt, vier Jahre spä- Beim Snowboard aber ging es bei weitem ter ist es zum Publikumsliebling herange- nicht nur um die Amerikanerinnen. Zu wachsen. So waren die Ränge zum Snow- den Lieblingen der Fans gehörten zwei board Cross, bei dem es darum geht, die altbekannte Athleten der Sommer-Para- Strecke aus senkrechten Abschnitten, lympics. Der Däne Daniel Wagner hatte in kleinen Hügeln und scharfen Kurven mög- Rio Gold im Weitsprung geholt, während lichst schnell zu überwinden, bei strah- sein Kontrahent aus Japan, Atsushi Yama- Foto: Paul Hanna/Reuters lender Sonne voll. Beim Banked Slalom moto, Zweiter wurde. Für die Spiele in vier Tage später und gefallenen Tempera- Pyeongchang waren sie auf die Schnee- turen kamen zwar deutlich weniger Zu- piste gewechselt und hatten ein Ziel: den schauer, die Stimmung war dennoch gut. jeweils anderen zu schlagen. Der Sieg un- Die bekanntesten Athletinnen der Spiele ter ihnen ging, wie schon in Rio, an Wag- sind Huckaby und ihre Landsfrau, Schau- ner, er holte den achten Platz, und lag da- Abgefahren. spielerin und Model, Amy Purdy. Huckaby mit vier vor Yamamoto. Die US-Athletin Brenna Huckaby (oben) war als amtierende Weltmeisterin nach Nach den Erfahrungen in Pyeongchang durfte zweimal ganz Südkorea geflogen. Obwohl sie vor Beginn scheint klar zu sein, dass das Snowboar- oben aufs Podest. der Rennen ein „nervöses Wrack“ war, den eine goldene paralympische Zukunft In Sotschi 2014 feierte setzte sie sich durch und gewann beide hat. Publikumsliebling, Magnet für junge das Para Snowboarden Wettbewerbe – und stellte fest, dass der Fans und eine tolle Atmosphäre – die sein Debüt, vier Jahre Erfolg bei den Paralympics einzigartig ist: während des Snowboard Cross nicht ein- später ist es zum Publikumsliebling „Ich hätte nicht erwartet, dass es sich so mal von langen Verzögerungen durch ein herangewachsen. anders anfühlen würde. Es ist mit Abstand defektes Starttor getrübt werden konnte. meine beste Medaille!“ Im Gegenteil: die Unterbrechungen wur- Die 22-Jährige war sichtlich stolz, trug den von den Veranstaltern geschickt zu ei- ihre kleine Tochter durch die Mixed Zone ner Party umfunktioniert, DJ-Sets, Foto: Thilo Rückeis und erzählte, dass sie ihren Erfolg so nie Dance-Cam und kühles Bier sorgten in erwartet hätte. Nach einer Krebserkran- der Sonne für beste Stimmung. kung wurde ihr rechtes Bein im Alter von BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE ANZEIGE DANKE FÜR EUREN EINSATZ! Martin Schlitt und das Rollstuhl-Curling-Team haben bewiesen, dass Grenzen nur im Kopf existieren. Wir sind stolz darauf, dass wir unserem Versicherten Martin Schlitt zur Seite stehen konnten. Ihr seid eine Inspiration für uns alle. Vielen Dank. Eure BG ETEM
14 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Nordkorea mit im Spiel Als eine Nation voller Geheimnisse blieb Team Nordkorea während der Paralympics völlig unter sich. Obwohl es sich bei den 48 teilnehmen- den Ländern um das vielleicht am meis- ten beobachtete Team handelte, blie- ben seine Athleten und Funktionäre stets abgeschieden von anderen. Ein Jubeltrupp aus dem Norden beglei- tete die beiden Ski-Langläufer Kim Jong Hyon und Ma Yu Chol, die erst im Dezember mit dem Sport begonnen hat- ten, ins Alpensia Center. Sie winkten mit ihrer Nationalflagge und machten Lärm, wenn die nordkoreanischen Ath- leten auf den Bildschirmen gezeigt wur- Foto: Sebastian Kahnert/dpa-pa den. Dabei wurden die Fans mit einem Band vom Rest des Publikums ge- trennt, Kontakt war verboten. Südko- reaner durften nur nach vorheriger of- fizieller Anmeldung mit ihnen spre- Viel Wirbel. Schon 1964 wurden die Spiele in Tokio ausgetragen – nur wenige Wettkampfstätten sollen wiederverwendet werden. chen. Journalisten, die versuchten, In- terviews zu führen, wurden gebeten, A Asiatisches nach Ende der Läufe wiederzukom- ller guten Dinge sind drei – das men. Doch dann waren die nordkorea- scheinen das Internationale nischen Fans schon weg. Olympische Komitee (IOC) und An dem Tag, als der südkoreanische das Internationale Paralympi- Präsident Moon Jae-in gekommen Triple sche Komitee (IPC) mit der Bekanntgabe, war, um die koreanischen Athleten an- dass die Winterspiele 2022 in Peking statt- zufeuern, blieb der Jubeltrupp dem Al- finden werden, zumindest zu hoffen. Die pensia Center fern. Auch die beiden Spiele drei Mal hintereinander in Asien – Athleten aus dem Norden selbst wa- das ist beispielslos. Pyeongchang machte ren verschwiegen, gaben Journalisten den Anfang, Tokio wird der nächste Gast- keine Antworten und eilten nach den geber der Paralympics sein. Auch die nächsten beiden Paralympics werden Wettkämpfen schnell davon. „Sie sind jünger als ich, also habe ich TOKIO in Asien ausgetragen. Tokio und Peking sie vor den Spielen ermutigt“, sagte Es ist nicht das erste Mal, dass die Paralympische Bewegung zu Gast in stecken bereits tief in den Vorbereitungen der südkoreanische Biathlet Sin Eui Hyun auf die Frage, ob es Kontakt zwi- der japanischen Hauptstadt ist. Schon 1964 wurden die zweiten Paralympics in Tokio ausgetragen. Das Organisationsko- Landesweit wird die Zugänglichkeit für Gastgeber der Winterspiele. Wie auch mitee warb unter anderem damit, dass Rollstuhlfahrer in Hotels überprüft, in Tokio können einige Austragungsorte neun der ursprünglichen Austragungs- selbstfahrende Autos für den Transport ebenfalls für Wettbewerbe im Winter orte für die kommenden Spiele wieder- von Athleten sind in Planung und Apps, benutzt werden. Die Eröffnungs- und verwendet werden können. Die Kampf- die Touristen und Fans durch Olympi- Abschlussfeier wird wie 2008 im „Vogel- Foto: Thilo Rückeis sporthalle Nippon Budokan hat nicht sche und Paralympische Spiele führen nest“ genannten Stadion stattfinden – nur aufgrund der Beatles-Konzerte im sollen, werden entwickelt. IPC-Präsi- es heißt so, weil es eben genauso aus- Sommer 1966 Kultstatus, bereits die dent Andrew Parsons sagt im Interview sieht wie ein überdimensionales Nest. Fast inkognito. Eine 24-köpfige Delega- Judo-Wettkämpfe der Spiele 1964 ha- mit der Paralympics Zeitung dazu: „Die Das Nationale Wassersport-Center tion aus Nordkorea war angereist. ben dort stattgefunden. Tokio versucht Vorbereitungen in Tokio sind in vollem wird zu einer Curling-Arena mit 4000 so explodierende Kosten großer Baupro- Gange und die Begeisterung ist nicht ver- Plätzen umgebaut. jekte zu rechtfertigen. gleichbar mit dem, was ich von anderen Während die paralympische Bewegung schen den Athleten aus dem Süden und Das alte Stadion musste allerdings ab- Spielen zuvor kenne. Tokio wird die Mess- zuletzt immer wieder wegen Proble- dem Norden gegeben habe. Sin bedau- gerissen werden, weil es viel zu klein latte in allen Bereichen höher legen!“ men beim Klassifizierungsprozess, Do- erte, dass die beiden Koreas nicht als war. Stattdessen entwarf der japani- ping-Vorwürfen und explodierenden gemeinsames Team antraten. sche Architekt Kengo Kuma ein futuristi- Kosten in die Kritik geraten ist, bleibt In den Tagen vor den Paralympics sches Bauwerk, in dem 80 000 Zu- Andrew Parsons zuversichtlich. Der hatte Pjöngjang seine Haltung zur Teil- schauer Platz finden sollen. Auch viele Präsident des IPC hat die neue Teil- nahme an den Spielen mehrmals ge- neue Austragungsorte müssen gebaut nahme der Disziplin Bob an den Winter- ändert. Die endgültige Entscheidung werden, da im Vergleich zu den Spielen spielen 2022 in Peking vorläufig bestä- fiel erst Ende Februar nach innerko- 1964 deutlich mehr Disziplinen vertre- tigt. Denn wie Parsons sagt: „Es ist reanischen Gesprächen. Bisher nahm Foto: imago/Kyodo News ten sind. Das IPC nahm zuletzt entscheidend, dass wir alle Vorteile Nordkorea nur an den Sommerspie- Para-Badminton und Taekwondo ins aus unserer Präsenz in Asien ziehen, len in London 2012 und Rio 2016 teil. Programm der Sommerspiele auf. um die Teilnahme an Para-Sport und Nun entsandte es eine 24-köpfige De- Abgesehen vom Bau neuer Austragungs- die Aufmerksamkeit der Menschen legation nach Pyeongchang. Mit Bob? In Peking soll die Disziplin orte bemüht sich Japan auch in ande- wohl neu hinzukommen. durch die Medien und kommerziellen Nach dem Wettkampf am fünften Tag ren Bereichen um Fortschrittlichkeit. Partner zu erhöhen.“ Er und der Rest der Spiele bedankte sich Präsident „Die Olympischen Spiele sind ein der paralympischen Familie hoffen Moon bei den beiden Athleten aus Sport-Festival, aber sie sind auch eine PEKING wohl, dass mit der Dauer-Präsenz in Nordkorea für ihre harte Arbeit. Er Chance, um Innovationen von wissen- Nachdem schon 2008 die Sommerspiele Asien wirklich aller guten Dinge drei sagte, er hoffe, dass auch südkoreani- schaftlichen Technologien zu zeigen“, in der chinesischen Hauptstadt stattge- sind. sche Athleten die Chance bekommen sagt Toshiro Muto, Geschäftsführer des funden haben, ist Peking 2022 erstmals SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE, würden, in Nordkorea an Wettkämpfen Organisationskomitees. in der olympischen Geschichte auch GEORGE SIMONDS, 22 JAHRE teilzunehmen. SOOYEON JO, 20 JAHRE
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