Paralympics Zeitung HEAVY METAL - Deutsche Frauen rocken - Tagesspiegel

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Paralympics Zeitung HEAVY METAL - Deutsche Frauen rocken - Tagesspiegel
MONTAG, 19. MÄRZ 2018

Paralympics
Zeitung
In Kooperation mit der

                                  HEAVY METAL
                         Deutsche Frauen rocken

                         SOMBREROS IM SCHNEE
                           Die Exoten der Spiele
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                                               INHALT
                                          4 | AUF EINEN BLICK
                                          Skurril, sportlich, schön:
                                          Die besten Momente der Spiele

          Der Heraus-                     6 | KOPF AN KOPF
                                          Beim Ski alpin waren

          forderung                       die deutschen Frauen ganz vorne

          gewachsen.
                                          7 | VERTRAUEN IST BESSER
                                          Biathletin Clara Klug und
                                          ihr Guide sind ein starkes Team

                                          8 | KOREAS UMDENKEN
                                          Wie das Land mit Menschen
                                          mit Behinderung umgeht

                                          9 | BESONDERE NÄHE
                                          Wolfgang Schäuble über Athleten
                                          im Behindertensport

                                          10 | EINE DER JUNGS
                                          Lena Schröder spielt als einzige
                                          Frau Para Eishockey

                                          12 | ICE IN THE SUNSHINE
                                          Top-Thema der Spiele?
                                          Natürlich das Wetter!

                                          13 | FANLIEBLING
                                          Wie Snowboarden
                                          zum Publikumshit wurde

                                          14 | ASIATISCHES TRIPLE
                                          Jetzt rufen Tokio und Peking
                                          zu den kommenden Spielen

                                                                     Nah am Wasser.
                                                   Nachdem Biathlet Martin Fleig über
                                                                                                                    Foto: Jan Woitas/dpa

                                                  15 km die Goldmedaille geholt hatte,
                                                      brach er in Freudentränen aus.

          Mit dem Nationalen Förderer
          der Deutschen Paralympischen   Impressum
                                         Herausgeber: Stephan-Andreas           Projektleitung: Tanja Peuker
          Mannschaft.                    Casdorff, Lorenz Maroldt               Projektmitarbeit: Ulrike Gersten,
                                         Chefredaktion: Ronja Ringelstein       Tong-Jin Smith
                                         Redaktion: Benjamin Apitius            Projektberatung: Annette Kögel
                                         Reporter: Joanna Bartlett, Salome      Social Media Team: Maxie
                                         Berblinger, Benjamin Brown,            Borchert, Ann-Kathrin Hipp (Ltg.),
                                         Sooyeon Jo, Sun Kim, Marie Menke,
                                                                                David Hock, Amrei Zieriacks;
                                         Jana Rudolf, George Simonds, Lea
                                                                                Die Paralympics Zeitung ist ein
                                         Stratmann, Jisu Yon
                                         Fotoredaktion: Thilo Rückeis           Gemeinschaftsprojekt vom
                                         Artdirektion: Julia Schneider,         Tagesspiegel und der Deutschen
                                         Sabine Wilms                           Gesetzlichen Unfallversicherung.
                                         Layout: Barbara Paschmann              Titel: Die fünffache Medaillen-
                                         Herstellung: Marco Schiffner           Gewinnerin Andrea Rothfuss.
                                         Anzeigen: Nadja Holzmaier              Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 3

                                Foto: Francois Guillot/AFP
                                                                            EDITORIAL

                                                                                                Foto: Jan Woitas/dpa

                                                                                                                                                                                                     Foto: promo
Medien sind die Botschafter                                  Herausforderungen und Erfolge                                                                          Gib niemals auf
Seit den ersten Spielen 1960 sind die Paralym-               Pyeongchang war eine riesige Herausforde-                                                              Die Geschichte meiner Flucht von Syrien nach
pics zum weltweit wichtigsten Sportereignis ge-              rung. Zumal wegen des wechselnden Klimas,                                                              Berlin ist bekannt: Wie der Motor versagt hat
worden, das soziale Inklusion vorantreibt. Die-              aber auch weil dieser Teil des asiatischen                                                             und meine Schwester Sara, zwei Männer und
ser Erfolg beruht nicht nur auf einer wachsen-               Raums Winterspiele bisher nicht kannte. Kri-                                                           ich aus dem Boot gestiegen sind, um es durch
den globalen Beteiligung oder auf immer bes-                 tisch ist zu sehen, dass Prinzipien von Umwelt-                                                        die Wellen zu steuern, bis wir sicher auf Les-
seren sportlichen Leistungen, sondern ist auch               schutz und Nachhaltigkeit verletzt wurden.                                                             bos ankamen. Später wurde ich zu Olympia
auf eine zunehmende Medienberichterstattung                  Das deutsche Team war wieder eine wunder-                                                              nach Rio eingeladen – eine unglaubliche Erfah-
zu den einzelnen Spielen zurückzuführen.                     bare Mischung von Weltklasseathleten und                                                               rung, die ich nie vergessen werde.
Jeder, der Para-Sport erlebt hat, weiß, wie                  Nachwuchstalenten. Und das Schönste: Wir ha-                                                           Für einen Athleten ist immer das Ziel, zu gewin-
sehr die Auftritte von Para-Athleten die Wahr-               ben die Friedensbotschaften der Olympischen                                                            nen. Sei es eine Medaille oder Ehre, oder eine
nehmung von Menschen mit Behinderung ver-                    Spiele fortgesetzt. Die Konfrontation zwischen                                                         persönliche Herausforderung zu überwinden.
ändern können. Studien, die nach London 2012                 Nord- und Südkorea ist praktisch stehengeblie-                                                         In meinem Fall bedeutet es, dass ich immer
durchgeführt wurden, belegen, dass jeder                     ben. Sport hat einen kleinen Beitrag zum Welt-                                                         besser schwimmen möchte. Ich habe einen
Dritte seine Einstellung gegenüber Behinderun-               frieden geliefert. Noch nie fanden bei Winter-                                                         Traum und ich werde dafür hart kämpfen. In
gen aufgrund der Paralympics verändert hat.                  spielen so viele Nationen zusammen. Dass die                                                           Bezug auf mein Leben denke ich immer: „Ich
Eine breite Medienberichterstattung hat dabei                „Paralympics Zeitung“ wieder dabei war, ist                                                            werde niemals aufgeben.“
für diesen Erfolg eine entscheidende Rolle ge-               nicht nur schöne Tradition, es würde etwas feh-                                                        Die olympische Philosophie besagt, jeden Men-
spielt. Indem der Fokus auf den Fähigkeiten von              len, wenn es nicht so wäre. Sie trägt ja seit je-                                                      schen zu respektieren, ungeachtet seiner
Para-Athleten liegt, statt auf den wahrgenom-                her zum Austausch der Kulturen bei.                                                                    Rasse, Nationalität, Religion und seines Ge-
menen Einschränkungen, können die Medien zu                                                                                                                         schlechts. Um andere Menschen zu verstehen,
einer inklusiven Gesellschaft beitragen.                     FRIEDHELM JULIUS BEUCHER,                                                                              sollten wir ihnen zuhören. Und so lautete mein
Für Pyeongchang 2018 waren mehr als 800 Me-                  Präsident des Deutschen                                                                                Rat an Athleten, die zum ersten Mal bei den Pa-
dien aus 32 Ländern akkreditiert, ein Rekord                 Behindertensportverbandes                                                                              ralympics angetreten sind: Versucht, dieses be-
für Paralympische Winterspiele.                                                                                                                                     sondere Gefühl der paralympischen Bewegung
Die Arbeit der Medien in der Welt, die über die                                                                                                                     für euer ganzes Leben zu behalten. Gebt nie-
                                                                       Mehr Artikel und Videos unter:
Paralympischen Spiele berichten, unterstützt                           tagesspiegel.de/paralympics                                                                  mals auf und bleibt euch selbst treu. Wenn ihr
dabei die Bemühungen des Internationalen Pa-                           und dguv.de/pz                                                                               Probleme habt, sucht nach Lösungen. Es gibt
ralympischen Komitees, ihren Traum einer in-                                                                                                                        immer eine Lösung, auch wenn sie manchmal
klusiveren Gesellschaft für Menschen mit Be-                 Unser Social Media Team                                                                                riskant erscheint. Ihr seid nicht allein. Seht
hinderungen durch Para-Sport wahrzumachen.                   berichtete live aus Pyeongchang.                                                                       euch nach Menschen um, die euch helfen kön-
                                                             Folgen Sie uns auf:                                                                                    nen. Jeder braucht einmal Hilfe, auch ich.
                                                             facebook.com/ParalympicsZeitung
ANDREW PARSONS,                                              twitter.com/parazeitung
Präsident des Internationalen Paralympi-                     instagram.com/ParalympicsZeitung                                                                       YUSRA MARDINI
schen Komitees                                               snapchat.com/add/parazeitung                                                                           Sonderbotschafterin des UN Flüchtlingshilfs-
                                                                                                                                                                    werks und Olympiateilnehmerin in Rio 2016

                                                                                                                                             Jal–isseoyo, Korea!
                                                                                                                                             Wir verabschieden uns aus einem Pyeongchang, das sich von vielen
                                                                                                                                             Facetten gezeigt hat. Für die zehn Jungjournalisten aus drei Nationen
                                                                                                                                             und das Social Media Team startete die Arbeit bei eisigen Temperatu-
                                                                                                                                             ren und Schnee, um eine Woche später bei 20 Grad in T-Shirts und
                                                                                                                                             mit reichlich Sonnencreme auf den Pressetribünen die Wettkämpfe
                                                                                                                                             zu verfolgen. Die gut besuchten Spiele mit überschwänglich feiernden
                                                                                                                                             koreanischen Fans standen im Gegensatz zu den Eindrücken an der
                                                                                                                                             nordkoreanischen Grenze. Bei einer Tour zur Demilitarisierten Zone
                                                                                                                                             konnte die Gruppe einen Blick in das Land werfen, das hier nah ist
                                                                                                                                             und doch so fern zu sein scheint. So kamen politische Themen – die
                                                                                                                                             im Sport eigentlich nichts zu suchen haben – doch immer wieder auf.
                                                                                                                                             Für die Nachwuchskräfte, die zu den Botschaftern von Vielfalt und In-
                                                                                                                                             klusion wurden, und ihr begleitendes Team waren es spannende und
                                                                                                                                             unvergessliche Spiele.                                Ronja Ringelstein
                                                                                                                       Foto: Thilo Rückeis
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                                                                                                                          Tage
                                                                                                                          der Einheit
                                                                                                                          Bei den Winterspielen in Pyeongchang werben
                                                                                                                          die Gastgeber für ein vereintes Land.
                                                                                                                          Die begeisterten Zuschauer und die starken
                                                                                                                          Athleten machen die zweiten Paralympics
                                                                                                                          in Südkorea zu einem großen Erfolg
                                                                              Foto: Simon Bruty/AFP

Para-llel. Beim
Ski Alpin räumten
die Italiener
Giacomo Bertagnolli
(links) und sein Guide
Fabrizio Casal voll ab.
Mit seiner
Sehbehinderung
gewann der 19-Jährige
zweimal Gold,
einmal Silber und
einmal Bronze.
                                                                              Foto: Ann-Kathrin Hipp

                                                      Folklore und Frieden.
                                                      Auf den Fanfesten
                                                      zeigten sich
                                                      die Südkoreaner von
                                                      ihrer traditionellen
                                                      Seite, in den Stadien
                                                      warben sie mit
                                                      ihren Fähnchen für
                                                      ein vereintes Korea.
                                                                                              Foto: Thomas Lovelock/AFP

                                                                                                                                                                          Kanada nicht sein!
                                                                                                                                                                               Das hatte sich
                                                                                                                                                                        das Eishockey-Team
                                                                                                                                                                        von Südkorea anders
    Foto: Thilo Rückeis

                                                                                                                                                                           vorgestellt, gegen
                                                                                                                                                                        den Weltmeister war
                                                                                                                                                                      im Halbfinale Schluss.
                                                                                                                                                                       Für die dritte Medaille
                                                                                                                                                                         reichte es dennoch.

                                                                                                                                                La Grande Dame.
                                                                                                                                                Mit sechs Medaillen
                                       Foto: Ed Jones/AFP

                                                                                                                                                war Andrea Eskau
                                                                                                                                                die erfolgreichste
                                                                                                                                                deutsche Athletin.
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                                                                                                                    Sonne, Mond, Medaillen. Bibian Mentel

Alles ist möglich                                                                                                      (Niederlande) wollte sie nach ihrem
                                                                                                                   doppelten Snowboard-Gold alle küssen.

30 Sekunden vor Schluss führte Kanada im Para-
Eishockeyfinale mit 1:0 gegen die USA. Es sollte
die letzte Medaillenentscheidung der diesjährigen
Paralympics sein. Das Endspiel war aufgeladen
worden mit der Gold-Sehnsucht der stolzen
Eishockey-Nation Kanada, die von den männlichen
und weiblichen Olympia-Kollegen vor ein paar
Wochen nicht erfüllt werden konnte. Die Sekunden
verstrichen, die Herzen klopften. Der Titelverteidiger
aus den USA gab nicht auf, erzielte den Auslgeich
und traf in der Verlängerung sogar auch zum Sieg.
Schläger segelten durch die Luft, Helme kugelten
über das Eis. Auf ihren Schlitten fielen sich die
US-Spieler in die Arme, im Hintergrund die ent-
täuschten Kanadier. Es war der Schlusspunkt ereig-
nisreicher Winterspiele, die eine tolle Werbung
für den Behindertensport darstellten.
Auch die deutsche Mannschaft sorgte in den
vergangenen Tagen für einige Höhepunkte. Da war                                                Dreifaches Glück. Die deutschen
der spannende Zweikampf in der Alpin-Mannschaft                                                Skifahrerinnen Anna Schaffelhuber,
                                                                                               Anna-Lena Forster und Momoka Muraoka
zwischen der jungen Anna-Lena Forster und ihrem
                                                                                               aus Japan bei der Siegerehrung.
einstigen Idol Anna Schaffelhuber, der unzähmbare
Erfolgshunger von Fahnenträgerin Andrea Eskau,
der mit insgesamt sechs Medaillen erfolgreichsten
Deutschen, oder der Goldlauf von Biathlet Martin
Fleig, der die erste deutsche Einzelmedaille eines
Mannes seit acht Jahren feiern konnte.
Die Flamme war noch nicht erloschen, da richteten
sich die Gedanken schon an die Zukunft. Bei den
Snowboard-Rennen, die in Pyeongchang eindeutig
zu den stimmungsvollsten Events zählten, wollen
auch die Deutschen vielleicht schon in Peking
vertreten sein, ein Trainer wurde jüngst verpflichtet.
Auch die Eishockeymannschaft der Deutschen will
dann wieder dabei sein. Im Sport ist alles möglich.
Das zeigte auch das Finale am Sonntag.
                                                         Fotos: Imago (2), Thilo Rückeis (3)

                                                                                               Cool and the Gang. Ob Eishockeyspieler
                                                                                               Tyler Carron oder Snowboarderin
                                                                                               Amy Purdy — Team USA gab immer
                                                                                               eine gute Figur ab.
Paralympics Zeitung HEAVY METAL - Deutsche Frauen rocken - Tagesspiegel
6 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG

A
          ls Anna Schaffelhuber am ers-                                                                                                                                                 vier Silbermedaillen geholt, das ist su-
          ten Wettkampftag der Paralympi-                                                                                                                                               per!“, sagte die 28-Jährige, der ewig

                                                       Kopf
          schen Spiele in Pyeongchang                                                                                                                                                   zweite Platz sei kein Fluch.
          über die Ziellinie fuhr, konnte                                                                                                                                               Dass die deutschen Medaillengewinnerin-
sie noch nicht sicher wissen, dass es er-                                                                                                                                               nen in unterschiedlichen Kategorien an-
neut für Gold reichen würde. Die Monoski-                                                                                                                                               traten, ist eine Besonderheit der Paralym-
fahrerin war in der Abfahrt als erste ge-                                                                                                                                               pics. Im Para Ski alpin gibt es je nach Be-

                                                       an Kopf
startet und musste die Läufe ihrer sechs                                                                                                                                                hinderung getrennte Wettkämpfe: Sehbe-
Konkurrentinnen abwarten, bevor endgül-                                                                                                                                                 hinderung, stehend und sitzend. Die Ath-
tig feststand: 1:33.26 – Gold!                                                                                                                                                          leten erhalten innerhalb ihrer Wettkampf-
„Ich wollte in Pyeongchang unbedingt                                                                                                                                                    klasse Klassifizierungen, nach denen
Gold holen, das habe ich geschafft“,                                                                                                                                                    ihre Zeit unterschiedlich schnell läuft. So
sagte die 25-Jährige. Der Druck sei abge-                                                                                                                                               wird in den Rennen in der Abfahrt, dem
fallen, den sie sich nach ihren fünf Gold-             Im Ski alpin holte Deutschland                                                                                                   Super-G, der Super Kombination, dem
medaillen in Sotschi gemacht hatte. Es                 zehn Medaillen. Anna Schaffelhuber                                                                                               Slalom und dem Riesenslalom sicherge-
ging erfolgreich weiter: Ein Sieg im Su-                                                                                                                                                stellt, dass der Wettkampf fair ist.
per-G und die Silbermedaille in der Su-                und Anna-Lena Forster bringen                                                                                                    Jede Kategorie hat ihre Besonderheiten.
per Kombination. Die Athletin ist zur Me-                                                                                                                                               Beim Wettbewerb der Sportler mit Sehbe-
daillengarantie geworden.                              jeweils zweimal Gold nach Hause                                                                                                  hinderung war es im Jeongseon Alpine
Beim Ski alpin holten die deutsche Mann-                                                                                                                                                Centre zwar voll, und doch vollkommen
schaft insgesamt zehn Medaillen, alle                                                                                                                                                   still. Während des Rennens kommunizie-
von ihnen wurden von den deutschen                                                                                                                                                      ren die Skifahrer über Bluetooth Head-
Frauen        geholt.     Monoskifahrerin                                                                                                                                               sets mit ihrem Guide, der dicht vor
Anna-Lena Forster brachte es zu Gold in                                                                                                                                                 ihnen fährt und sie mit Kommandos die
der Super Kombination, ihr erster para-                                                                                                                                                 Piste hinunterführt. Das Maskottchen
lympischer Sieg nach zwei Silber- und ei-                                                                                                                                               der Spiele, Bandabi, erinnerte die Zu-
                                                                                                                                                                                        schauer über eine Leinwand daran, still
Schaffelhuber fiel es                                                                                                                                                                   zu sein, bis Fahrer und Guide die Ziellinie
                                                                                                                                                                                        überquert hatten.
sichtlich schwer,                                                                                                                                                                       In den anderen beiden Kategorien durf-
                                                                                                                                                                                        ten die Fans aus aller Welt aber lautstark
sich über die Silberne                                                                                                                                                                  anfeuern und jubeln – und das taten sie
zu freuen                                                                                                                                                                               auch und sorgten für gute Stimmung.
                                                                                                                                                                                        Das sah auch der deutsche Monoskifah-
ner Bronzemedaille 2014 in Russland, zu                                                                                                                                                 rer Thomas Nolte so, der begeistert
dem ihr Schaffelhuber gratulierte. Und                                                                                                                                                  sagte, dass es bei den paralympischen
doch hatte man das Gefühl, dass die Sil-                                                                                                                                                Wettkämpfen mehr Fans gegeben habe,
bermedaille für Schaffelhuber eine Ent-                                                                                                                                                 als wenige Wochen zuvor bei Olympia.
täuschung war. Es fiel ihr sichtlich                                                                                                                                                               BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE,
schwer, sich für ihre Teamkollegin zu                                                                                                                                                                       SUN KIM, 21 JAHRE
freuen. Am letzten Wettkampftag machte
Forster den Slalom perfekt, holte ihr
zweites Gold. Das hatte Schaffelhuber,
die den vierten Platz belegte, bereits vo-                                                                                                                                              MEDAILLENSPIEGEL
rausgesehen. Im Ziel umarmte sie Fors-                                                                                                                                                  nach dem letzten Wettkampftag
ter herzlich.
Die beiden Athletinnen der Klassifizie-
rung „Sitzend“ waren nicht die einzigen
                                                                                                                                                     Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

                                                                                                                                                                                         1. USA                13       15         8
Medaillenträgerinnen des deutschen
                                                                                                                                                                                         2. Neurale Athleten    8       10         6
Teams. Andrea Rothfuss, im deutschen                 Medaillengarantie.                                                                                                                  3. Kanada              8        4        16
Team „Silberfuss“ getauft, holte vier Sil-           Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber                                                                                                  4. Frankreich          7        8         5
bermedaillen und einmal Bronze. „Wir                 holte zweimal Gold, einmal Silber.                                                                                                  5. Deutschland         7        8         4
sind bei den Paralympics und ich habe                                                                                                                                                    6. Ukraine             7        7         8

Sombreros im Schnee
Bei allen Paralympischen Spielen ent-         ter und Logistiker. Sogar seinen Monoski                                                                                                                         Ayayayay!
deckt man ein paar Nationalitäten, bei de-    baute sich Velasquez selbst. „Ich bin su-                                                                                                                        Wenn man
                                                                                                                                                                                                               der einzige Athlet ist,
nen man sich fragt: Wie haben die in          per flexibel, ich bin Mexikaner, ich kann
                                                                                                                                                                                                               darf man bei der
den Schnee gefunden? Auch dieses Jahr         mich an alles anpassen“, sagt er. Das gilt                                                                                                                       Eröffnungsfeier auch
waren ein paar Exoten dabei.                  auch für die Kälte, an die er sich langsam                                                                                                                       definitiv die Flagge
Sie sind die Neuen: Nordkorea und             gewöhnt: „Am Anfang war es schrecklich                                                                                                                           tragen. So auch
Georgien haben zum ersten Mal je zwei         und jetzt ist es einfach nur schlecht!“ Un-                                                                                                                      Arly Velazquez
Athleten zu den Winter-Paralympics ge-        terstützt wird er bei seinem inzwischen                                                                                                                          aus Mexiko.
schickt, auch Tadschikistan hat sein para-    dritten paralympischen Abenteuer von
lympisches Debüt mit einem Langläufer         Freunden, einem Assistenten, einem Phy-
gegeben. Ein Wintersportler aus den Tro-      siotherapeuten und einem Trainer und Ski-
                                                                                            Foto: Thilo Rückeis

pen, nach dem man auch in Zukunft Aus-        techniker. Es war nicht immer so. Es gebe
schau halten sollte, ist der brasilianische   keine Winterkultur in Mexiko und Velas-
Cristian Ribera. Mit 15 Jahren war er der     quez erhalte keine Hilfe von einem Natio-
jüngste Teilnehmer, und mit dem sechs-        nalen Paralympischen Komitee wie die
ten Platz im Langlauf erbrachte er Brasi-     meisten Athleten anderer Nationen.
liens beste Leistung bei Winterspielen.       Seine Sommer verbringt er in Mexico City                        suchte er, einen neuen Sport zu finden, bis                               nicht gleich ins Training einsteigen
Nicht so erfolgreich, aber der wohl facet-    beim Handbiken, die Winter beim Skifah-                         er 2009 in Kanada Ski fuhr: „Ich wusste so-                               konnte, ist er mit seinem 17. Platz im Su-
tenreichste unter den Winterathleten aus      ren in Park City, Utah, USA. Letztes Jahr                       fort, dass das etwas für mich war. Ich ging                               per-G in Pyeongchang zufrieden. „Ich
dem Warmen, ist der 29 Jahre alte Arly Ve-    trainierte und bestritt er Rennen in ganz                       zurück nach Mexiko, verkaufte meine Sa-                                   möchte das Team vergrößern. Ich will
lasquez, aus Mexiko-Stadt. Er ging als ein-   Europa – allesamt selbst organisiert. Wie                       chen, verkaufte mein Auto, kaufte einen                                   nicht, dass das alles wegschmilzt, wenn
ziger Mexikaner an den Start. Dabei ist er    kommt ein Mexikaner zum Skifahren? Ve-                          Lastwagen, fuhr ihn 14 Stunden bis zur                                    ich in den Ruhestand gehe.“ Noch setzt er
nicht nur Monoskifahrer, sondern auch         lasquez ist seit einem Mountainbike-Un-                         Grenze und begann mein Training in                                        sich aber nicht zur Ruhe: Er blickt auf Pe-
sein eigener Teammanager, Marketinglei-       fall querschnittgelähmt. Danach ver-                            Utah.“ Da er nach einem Unfall in Sotschi                                 king 2022. JOANNA BARTLETT, 26 JAHRE
Paralympics Zeitung HEAVY METAL - Deutsche Frauen rocken - Tagesspiegel
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 7

                                                                                                                                                                                                                        terschied zwischen einer sauberen Runde
                                                                                                                                                                                                                        und einem schweren Unfall machen.
                                                                                                                                                                                                                        An ihrem ersten Wettkampftag in Pyeong-
                                                                                                                                                                                                                        chang ist es warm, der Schnee ist zu
                                                                                                                                                                                                                        weich. Als Härtl sich zu Klug umschaut,
                                                                                                                                                                                                                        stürzt er und sie fällt über ihn, später
                                                                                                                                                                                                                        missglückt eine Stockübergabe. „Den
                                                                                                                                                                                                                        zweiten habe ich daneben geballert, kopf-
                                                                                                                                                                                                                        mäßig unnötig“, sagt Klug über ihre Leis-
                                                                                                                                                                                                                        tung beim Schießen. Für die Vize-Welt-
                                                                                                                                                                                                                        meister reicht es nur für Platz sechs.

                                                                                                                                                                                                                        Im letzten Wettkampf
                                                                                                                                                                                                                        hatte Klug Atemnot –
                                                                                                                                                                                                                        holte trotzdem Bronze
                                                                                                                                                                                                                        Zwei Tage später reibt sich Klug vor dem
                                                                                                                                                                                                                        Rennen die Oberschenkel mit Schnee ein
                                                                                                                                                                                                                        – es ist noch wärmer geworden. Das Duo
                                                                                                                                                                                                                        bewegt sich trotzdem sicher auf der
                                                                                                                                                                                                                        Loipe, nur ein Schuss geht daneben. Das
                                                                                                                                                                                                                        kostet Klug 20 Euro für die gemeinsame

                                                                                                                                                                                                 Foto: Jan Woitas/dpa
                                                                                                                                                                                                                        Kaffeekasse, spornt sie aber auch an. Auf
                                                                                                                                                                                                                        den letzten Metern ist ihnen die Bronze-
                                                                                                                                                                                                                        medaille sicher – als Klug beinahe ste-
Im Gleichschritt. Clara Klug folgt Martin Härtls Kommandos. Geht ein Schuss daneben, zahlt sie 20 Euro in die Kaffeekasse.                                                                                              henbleibt. Das Jubeln der Zuschauer und
                                                                                                                                                                                                                        die Windböen verschlucken Härtls Rufe,

W                                                                            Doppelt
                                                                                                                                                                                                                        und sie glaubt, schon hinter der Ziellinie
             ährend Martin Härtl von drei                                                                                                                                                                               zu sein. Im letzten Moment brüllt er auf,
             auf eins herunterzählt, ver-                                                                                                                                                                               Klug läuft weiter, bevor sie im Ziel er-
             stärken ein Mikrofon an sei-                                                                                                                                                                               schöpft in den Schnee fällt. Es ist die
             nem Kragen und ein um                                                                                                                                                                                      erste Medaille für beide.

                                                                             fährt besser
seine Hüfte geschnallter Verstärker                                                                                                                                                                                     Am letzten Wettkampftag hat Klug Sauer-
seine Worte. Beim Startsignal blickt er                                                                                                                                                                                 stoffnot. Atemlos signalisiert sie Härtl in
sich zu Clara Klug um, die ihm dicht folgt.                                                                                                                                                                             der ersten Runde abzubrechen, aber er
„Ho-op, ho-op“, ruft er mit jedem Schritt.                                                                                                                                                                              führt sie zielstrebig unter den Rufen der
Seine Stimme ist angespannt, als das                                                                                                                                                                                    Zuschauer in den Schießstand. „Nach-
Duo im Schießstand ankommt und Klug                                                                                                                                                                                     dem Martin keine Anstalten machte,
sich Kopfhörer aufsetzt. Der Ton, den die
                                                                             Er ist ihr Auge, sie schießt nach Gehör:                                                                                                   meine Bitte aufzuhören anzunehmen,
Athletin darüber hört, ist am höchsten,                                      Biathletin Clara Klug und ihr Guide                                                                                                        dachte ich, ich laufe, bis ich umfalle“,
wenn ihr Gewehr das Zentrum der Ziel-                                                                                                                                                                                   sagt sie später. Was sie sich selbst nicht
scheibe anvisiert. Genau dann abzudrü-                                       Martin Härtl sind in der Loipe eins                                                                                                        zutraut, traut er ihr zu: Klug schießt fehler-
cken erfordert Konzentration, denn se-                                                                                                                                                                                  frei, souverän holen sie die zweite Bronze-
hen kann sie ihr Ziel nicht.                                                                                                                                                                                            medaille. Bei der Verkündung zittern sie
Im Biathlon treten Athleten mit Sehbehin-                                                                                                                                                                               und Klug steckt Härtl einen Taschenwär-
                                                                                                             Infrarotsignal
derung und sehende Begleitläufer ge-                                                                                                              Zielscheiben                                                          mer zu, aber sie strahlen vor Glück.
meinsam an. Härtl ist nicht nur Spitzen-                                                                                                                                                                                Der Sport ist absolute Teamarbeit. Doch
                                                                                                                                                                 Quelle und Abbildung: Allianz

                                                                                       Kopfhörer
sportler, er ist ebenso Klugs Auge. Dafür                                                                                                                                                                               Begleitläufer gibt es bislang nicht viele,
muss die Kommunikation stimmen: Ein                                                                                                                                                                                     auch weil ihre Leistungen oft im Schatten
                                                                                                                                 10 m Distanz
„Hop“ steht für geradeaus, „rechts –                                                                                                                                                                                    des anderen Sportlers stehen. „Clara
                                                                                                   Wandler                                                                                                              kann nicht ohne mich, ich kann nicht
drei“ angelehnt an ein Ziffernblatt für
eine scharfe Rechtskurve. Auch muss                                                        Die Athleten schießen mit Hilfe eines Infrarotsystems,                                                                       ohne Clara“, sagt Härtl dazu. An die Para-
Härtl erkennen, wozu die Athletin fähig                                           das dem sehbehinderten Schützen ermöglicht, mit dem Gehör zu zielen.                                                                  lympics seien sie so erwartungslos wie
ist. Die Pulsuhr, die er trägt, zeigt des-                                             Dabei sendet die Zielscheibe ein Infrarotsignal aus, welches in                                                                  möglich herangegangen, für ihre Zukunft
                                                                                  ein Tonsignal umgewandelt wird. Je näher der Gewehrlauf das Zentrum
halb nicht seinen, sondern Klugs Puls an.                                                   der Zielscheibe anvisiert, desto höher wird der Ton.
                                                                                                                                                                                                                        haben sie es sich jedoch zum Ziel gesetzt,
„Man muss sich grün sein“, sagt Clara                                                                                                                                                                                   dass dieTeamleistung anerkannt wird.
Klug, denn ein falsches Wort kann den Un-                                                                                                                                                                                                  MARIE MENKE, 20 JAHRE

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   © WM 2018 Rollstuhlbasketball gGmbH / Melanie Schober & Martina Peters

                                                                             DABEI!
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                                                                                                                                            Deshalb unterstützt die gesetzliche
                                                                                                                                            Unfallversicherung die Rollstuhl-Basketball
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                                                                                                                                           Kommen Sie vorbei und fiebern Sie mit!

                                                                                                                              16.-

                                                                                                                                                                                                                                     www.2018wbwc.de
Paralympics Zeitung HEAVY METAL - Deutsche Frauen rocken - Tagesspiegel
8 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG

Koreas Umdenken
Behinderung wurde                              stützung, wobei sich die Höhe nach dem
                                               Einkommen richtet. Wer eine Behinde-
                                                                                                                                                     Behinderung in der Öffentlichkeit“, sagt
                                                                                                                                                     Eugene Kim, die in der Hauptstadt Seoul
                                                                                                                                                                                                   Nicht-Regierungs-Organisation „Accessi-
                                                                                                                                                                                                   ble Korea“ setzt sich seit über zehn Jah-
in der koreanischen                            rung auf Level eins bis drei hat, bekommt                                                             lebt und studiert. Die 20-Jährige ist über-   ren für eine rollstuhlfreundlichere Infra-
                                               auch andere Zuschüsse, beispielsweise                                                                 zeugt, dass Korea umdenken müsse. Das         struktur in ihrem Heimatland ein. Nicht
Gesellschaft lange                             für mögliche Gerichtsverfahren.                                                                       bedeute für sie, alle Menschen als einen      nur in diesem Punkt nehme sie viele posi-

ausgeblendet – das                             Um Diskriminierung zu bekämpfen, setzt
                                               die koreanische Regierung am Arbeits-
                                                                                                                                                     Teil der Gesellschaft zu sehen und spe-
                                                                                                                                                     zielle Bedürfnisse anzuerkennen.
                                                                                                                                                                                                   tive Entwicklungen wahr, die Südkorea
                                                                                                                                                                                                   durch die Paralympics erreichten. Durch
soll sich nun bessern                          platz auf eine Quotenregelung: Beschäf-                                                                                                             die Leistungen der Athleten verändere
                                               tigt ein Unternehmen mehr als 50 Arbeit-                                                              Bis vor Kurzem fand                           sich der Blickwinkel auf Menschen mit

U
                                               nehmer, müssen drei Prozent aller Ange-                                                                                                             Behinderung: mehr Wertschätzung und
          m einen Anhänger von Maskott-        stellten eine registrierte Behinderung ha-                                                            Inklusion kaum statt                          Interesse. „Eine Einzelperson startete
          chen Bandabi zu ergattern, ste-      ben – andernfalls werden Bußgelder ver-                                                                                                             etwa eine Petition für mehr Liveübertra-
          hen Familien geduldig Schlange.      hängt. Trotz allerlei Regulierungen stößt                                                             Die neu entfachte Begeisterung vieler Ko-     gung im Fernsehen, die wurde super an-
          Kleinkinder stapfen mit einem        das System an seine Grenzen. Der Diskri-                                                              reaner für den paralympischen Sport           genommen und sogar umgesetzt“, sagt
Eis in der einen, mit der Koreaflagge in der   minierung im Alltag können weder Quote                                                                könnte dafür sprechen, dass dieses Um-        Hong. Für die Gründerin sind die aktuel-
anderen Hand wedelnd über das weitläu-         noch Gesetze entgegenstehen. Dass Men-                                                                denken gerade stattfindet. „Bis ins letzte    len Entwicklungen zukunftsweisend: „Es
fige Gelände zwischen Eishockey- und           schen mit Behinderung oft gar unsicht-                                                                Jahrzehnt hinein fand Inklusion in Korea      ist noch nicht optimal, aber Korea verän-
Curling-Stadion. Wie die Großen bejubeln       bar erscheinen, fällt auch jungen Leuten                                                              kaum statt. Allgemeines Bewusstsein           dert sich. Und Pyeongchang wird da nach-
sie wenig später die Athleten, auf den         auf: „Im Vergleich zu England oder den                                                                über das Thema existierte nicht“, sagt        wirken.“           SOOYEON JO, 20 JAHRE,
Schultern ihrer Eltern sitzend.                USA sehe ich hier seltener Menschen mit                                                               Sooyeon Jane Hong. Die Gründerin der                       LEA STRATNMANN, 18 JAHRE
Mit über 320 000 Tickets wurden bei kei-
nen anderen Winter-Paralympics mehr
Karten verkauft als bei den diesjährigen.
Am       Austragungsort       Pyeongchang
scheint Koreas Begeisterung für Para
Sport über alle Generationen hinweg an-
gekommen – und damit Akzeptanz und

Diskriminierungen gibt
es noch immer häufig
Wertschätzung gegenüber Menschen mit
Behinderung. Trotzdem betreffen laut
dem Jahresbericht der „National Human
Rights Commission of Korea“ weiterhin
mehr als die Hälfte aller Beschwerden
wegen Diskriminierung explizit Men-
schen mit Behinderung.
Erst im Juli 2017 endete ein fünfjähriger
Sitzstreik in einer der größten Metro-Sta-
tionen der Hauptstadt Seoul. Sich beim
Streik abwechselnde Aktivisten forderten
die Reformation des ihrer Ansicht nach
starren Systems, nach dem Menschen mit
Behinderung in Südkorea klassifiziert
werden. Die seit 1988 existierenden Kate-
gorien ordnen Koreaner nach strengen
                                                 Foto: Jung Yeon-je/AFP

medizinischen Kriterien in Level zwischen
eins und sechs ein. Je nach Levelzugehö-
rigkeit erhalten Menschen mit Behinde-
rung unterschiedliche finanzielle Unter-                                  Freude auf den Rängen. In Pyeongchang klappte es mit der Begeisterung für Behindertensport.

Wir wollen den Behindertensport stärken
       Die Paralympics 1988 in Seoul wa-       sechs Monaten auf 500 000 an. Auch die                                                                                                              und ihren Nachwuchssportlern genutzt
       ren die ersten Paralympischen           Einstellung von Behinderten in öffentli-                                                                                                            werden. Ich denke, dass die Paralympics
Spiele überhaupt, die in derselben Stadt       chen Einrichtungen und Unternehmen                                                                                                                  auch eine Rolle spielen können für die
und in denselben Wettkampfstätten wie          hat sich etabliert, ein Sozialgesetz für be-                                                                                                        Stärkung des inklusiven Sports. Denn bei
die Olympischen Spiele stattfanden. Auch       hinderte Menschen wurde verabschiedet.                                                                                                              den Spielen konnte eine breite Öffentlich-
der Name „Paralympics“ für die Spiele          Ich denke, dass es die Bedeutung und                                                                                                                keit die Attraktivität des Sports erleben.
wurde erstmals offiziell anerkannt. Da-        Rolle des paralympischen Sports ist, eine                                                                                                           Der Name des diesjährigen Austragungs-
mals wollten Behinderte in Korea ihr Han-      Gesellschaft zu schaffen, in der Andersar-                                                                                                          orts spielt auch eine Rolle. Denn er setzt
dicap verstecken, und die Sichtweise der       tigkeit anerkennt und respektiert wird, in                                                                                                          sich aus den Wörtern Frieden (Pyeong)
Bevölkerung auf behinderte Menschen            der Vielfalt akzeptiert wird und in der Be-                                                                                                         und Wohlstand (Chang) zusammen. Ich
war sehr eingeschränkt. Die Leiden-            hinderte und Nichtbehinderte zusammen-                                                                                                              gehe davon aus, dass die Winterspiele für
                                                                                                                 Foto: dpa Picture-Alliance/Yonhap

schaft, die die paralympischen Athleten        leben und sich gegenseitig achten.                                                                                                                  positive Veränderungen in unserer Gesell-
an den Tag legten, hat dies verändert.         Durch die Ausrichtung der Paralympics                                                                                                               schaft sorgen, indem mehr Menschen
Nach den Paralympics in Seoul haben            sollte auch in diesem Jahr in Pyeong-                                                                                                               Wintersport betreiben und die Botschaft
viele Menschen mit Behinderung in Ko-          chang die Basis des Behindertensports                                                                                                               von Harmonie, gegenseitigem Respekt
rea den Mut entwickelt, sich offen in der      weiter gestärkt und der Ausbau der Infra-                                                                                                           und Verständnis übermittelt wird. Auch
                                                                                                                                                     Do Jong-hwan, 63, ist Minister für Kultur,
Gesellschaft zu zeigen. Während vor den        struktur für den Behindertenbreiten-                                                                                                                hoffe ich, dass sie, wie der Name „Pye-
                                                                                                                                                     Sport und Tourismus in Südkorea.
Spielen die Zahl der registrierten Perso-      sport vorangetrieben werden. Die Sport-                                                               In seinem Gastbeitrag für die „PZ“            ongchang“ besagt, als Spiele des Frie-
nen mit Behinderung bei etwa 90 000 Per-       anlagen können auch nach Ende der                                                                     beschreibt er die Entwicklung                 dens und Wohlstands Korea in der
sonen lag, stieg sie in den folgenden          Spiele von den Nationalmannschaften                                                                   des Behindertensports in dem Land.            Welt bekannt machen.
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Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 9

Herr Schäuble, Sie waren früher passionierter Skifah-
rer. Haben Sie sich auch mal an der para-athletischen
Variante versucht?
Ich habe mir das zwar bei den Paralympischen Winter-
spielen in Turin angesehen, aber ich habe mich nie dazu
überreden lassen. Das ist mir zu kalt und zu nass. Und
wenn ich im Schnee liege, wie komme ich dann wieder
hoch? Ich war schon 48, als ich Rollstuhlfahrer wurde. Im
Rollstuhl Ski zu fahren, war da nicht mein dringendstes
Bedürfnis. Ganz davon abgesehen, dass Kälte für Quer-
schnittgelähmte nicht so furchtbar angenehm ist. Ich bin
eigentlich froh, wenn der Winter wieder vorbei ist.

Die Paralympics wurden in diesem Jahr in Südkorea
ausgetragen. Was verbinden Sie mit dem Land?
Wir empfinden natürlich die Sorge um den Frieden auf
der koreanischen Halbinsel. Da kann Südkorea wenig
dazu, aber Nordkorea eine große Menge. Es geht ja
nicht nur um den olympischen Frieden, sondern darum,
dass die Kriegsgefahr beherrscht und der Diktator in
Nordkorea einigermaßen zur Zurückhaltung gebracht
wird. Das ist aber leicht gesagt und schwer getan.

Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behinder-
tensportverbandes, hat gefordert, nur noch Länder als
Austragungsort zu wählen, die Menschenrechte und
Umweltstandards respektieren. Was halten Sie davon?
Im Prinzip ist das richtig. Aber wir sehen andererseits,
dass in vielen Ländern, in denen das einigermaßen ge-
währleistet ist, die Bevölkerung nicht mehr bereit ist,
die immensen Investitionen für die Spiele zu tragen. Das
Olympische Komitee hat zunehmend Probleme, über-
                                                              Foto: Thilo Rückeis

haupt Bewerber zu finden. Die Verantwortlichen müs-
sen sich Gedanken machen, ob es sinnvoll ist, den Auf-
wand so weit zu treiben, dass es in freiheitlichen, rechts-
staatlichen Demokratien nicht mehr möglich ist, die Be-                             Zu nass, zu kalt. Für Wolfgang Schäuble, 75, ist Wintersport nur etwas zum Zuschauen.
völkerung zu überzeugen, dass man das haben will.

                                                                                    „Alle Menschen
Bei den Paralympics wird immer wieder auch von den
positiven Effekten für das Gastgeberland gesprochen.
Wie wirken sich die Spiele auf eine Gesellschaft aus?
Die Paralympischen Spiele haben eine ungeheure Wir-

                                                                                    sind behindert“
kung. Viele, die sich sonst nicht mit den Problemen und
Chancen von Behinderten beschäftigen, setzen sich
plötzlich damit auseinander. Sonst erfahren Behinderte
das Jahr über nicht so viel Aufmerksamkeit von der Öf-
fentlichkeit und den Medien. Deswegen sind die Para-
lympics ausgesprochen hilfreich für das, was wir Inklu-
sion nennen.

Sie selbst sitzen seit mehr als 25 Jahren im Rollstuhl.
                                                                                    Bundestagspräsident                                  gibt genauso Doping. Behinderte sind keine besseren
                                                                                                                                         Menschen. Das gilt leider auch für mich.
Wie entwickelte sich Inklusion seitdem in Deutschland?                              Wolfgang Schäuble
Ich bin immer privilegiert gewesen. Ich war damals In-                                                                                   Fühlen Sie sich Para-Athleten dennoch besonders nah?
nenminister, als ich in den Rollstuhl kam und habe seit-                            sitzt seit mehr als                                  Na klar. Wenn man im Rollstuhl sitzt, dann hat man na-
dem entsprechende Unterstützung und Aufmerksam-
keit gehabt. Ich kann eigentlich mit meinen Erfahrun-
                                                                                    25 Jahren im Rollstuhl.                              türlich ganz spontan eine andere Beziehung zu solchen
                                                                                                                                         Menschen. Wenn ich jemand anderen im Rollstuhl sehe,
gen wenig für Behinderte sprechen. Das habe ich im-                                 Mit der „Paralympics                                 dann habe ich sofort das Gefühl, dass es da ein größeres
mer abgelehnt. Durch meine Person haben aber viele                                                                                       Maß an Gemeinsamkeiten gibt. Das ist ganz logisch.
Menschen begriffen, dass Behinderte zwar bestimmte                                  Zeitung“ sprach er
Probleme haben, aber genauso leistungsfähig und ge-                                                                                      Im Sport zählt vor allem das Leistungsprinzip. Sollten
nauso viel oder wenig tüchtig und sympathisch sind wie
                                                                                    über seine sportliche                                nicht gerade die Paralympics zeigen, dass es um mehr
andere auch. Manchmal sage ich zu anderen Behinder-                                 Leidenschaft und                                     geht als um Zeiten und Weiten?
ten: „Eigentlich sind alle Menschen behindert. Der Un-                                                                                   Generell war ja das alte olympische Prinzip: Teilnahme
terschied ist nur, wir Behinderte wissen es wenigstens.                             warum behinderte                                     ist wichtiger als Sieg. Aber Teilnahme heißt nicht, dass
Andere wissen es nicht und glauben, dass sie völlig un-                                                                                  nicht jeder versucht, seine persönliche Bestleitung zu
eingeschränkt sind.“ So ist menschliches Leben nie-                                 Menschen nicht                                       bringen. Die menschliche Existenz beruht ja ein Stück
mals. Aber zu wissen, dass körperliche oder seelische                               die besseren sind                                    weit darauf, dass man versucht aus dem, was einem ge-
Benachteiligungen und Behinderungen mit dem Wert                                                                                         geben ist, möglichst viel zu machen. Im Streben danach
des Menschen nichts zu tun haben, das ist der entschei-                                                                                  steckt ja auch ein Stück weit Erfüllung.
dende Punkt. Und das macht eine Gesellschaft mensch-
licher.                                                                                                                                  Sie selbst haben Ihre sportliche Leidenschaft im Hand-
                                                                                                                                         biken gefunden.
Sie haben einmal gesagt, Behindertensportler seien                                                                                       Mit dem Handbike fahre ich gerne, weil man was für
Vorbilder, weil sie der Gesellschaft deutlich machen,                                                                                    sein Herz-Kreislauf-System tun muss. Die ersten Jahre
„dass jeder Mensch eine eigene unverwechselbare                                                                                          bin ich mit dem Rollstuhl spazieren gefahren. Als ich
Würde hat“. Sind Behindertensportler andere Vorbil-                                                                                      das Handbiken entdeckt habe und das praktikabel war,
der als Sportler ohne Behinderung?                                                                                                       fand ich das eine sehr gute Möglichkeit, um sich an der
Ich beobachte es bei Behindertensportlern, die ich ken-                                                                                  frischen Luft zu bewegen und sich physisch und psy-
nen gelernt habe: Die haben einen ungeheuren Willen,                                                                                     chisch zu erholen. Jetzt habe ich mir auch ein E-Bike
eine ungeheure Disziplin. Je größer die Herausforderun-                                                                                  zugelegt. In meinem vorgerückten Alter darf ich das. Ich
gen für Menschen sind, desto stärker strengen sie sich                                                                                   soll mich schon anstrengen, aber nicht zu viel. Und das
an. Trotzdem sind Behinderte, wie alle anderen auch,                                                                                     geht ganz gut.
Menschen mit Fehlern. Es wird genauso betrogen, es                                                                                                       DIE FRAGEN STELLTE ANN-KATHRIN HIPP
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                                                                                                                                                                                        Agitos Foundation bezuschusst und seit
                                                                                                                                                                                        2014 in Europa und Nordamerika durch-
                                                                                                                                                                                        geführt. So sollen mehr Frauen mit einer
                                                                                                                                                                                        Behinderung an den Sport herangeführt
                                                                                                                                                                                        werden. Bislang hätten nur die Eis-
                                                                                                                                                                                        hockey-Nationen Kanada und USA ausrei-
                                                                                                                                                                                        chend     Athletinnen,    um     eigene
                                                                                                                                                                                        Frauen-Teams für Paralympics zu bilden.
                                                                                                                                                                                        In Pyeongchang erfuhr Lena Schröder
                                                                                                                                                                                        große mediale Aufmerksamkeit, viele
                                                                                                                                                                                        fragten sich, ob sie aufgrund ihres Ge-

                                                                                                                                                                                        FÜR SCHRÖDER GIBT
                                                                                                                                                                                        ES KEINE EXTRAS –
                                                                                                                                                                                        AUßER EINER DUSCHE
                                                                                                                                                                                        schlechts einen Sonderstatus im Team
                                                                                                                                                                                        habe. „Der einzige Unterschied zwischen
                                                                                                                                                                                        mir und meinen Teamkollegen ist, dass
                                                                                                                                                                                        ich im Gegensatz zu ihnen eine Einzeldu-
                                                                                                                                                                                        sche habe. Ansonsten bin ich eine von
   Mitten drin.

                                                                                                                                                                 Foto: Bob Martin/AFP
                                                                                                                                                                                        den Jungs. Ich habe es aufgrund meiner
   Lena Schröder konzentriert                                                                                                                                                           Leistung in das Team geschafft – nicht,
   sich auf die Taktik.
                                                                                                                                                                                        weil ich eine Frau bin.“ Wenn sie mit den
                                                                                                                                                                                        Männern spielt, nimmt sie die Position
                                                                                                                                                                                        des Angriffsspielers ein. „Normaler-

Unter Jungs
                                                                                                                                                                                        weise bin ich in der Verteidigung, aber die
                                                                                                                                                                                        Männer sind schneller und stärker als
                                                                                                                                                                                        ich, weswegen ich mich im Feld auf die
                                                                                                                                                                                        Spielstrategie konzentriere – ich muss
                                                                                                                                                                                        geschickt sein und mein Timing gut nut-
                                                                                                                                                                                        zen.“ Norwegen konnte sich nicht für das
Lena Schröder spielte im norwegischen Para Eishockey Team mit –                                                                                                                         Halbfinale qualifizieren. Das dritte Vor-
                                                                                                                                                                                        rundenspiel gegen Schweden, bei dem
als einzige Frau. Sie will andere motivieren, es auch zu versuchen                                                                                                                      Norwegen 3:1 gewann, war vor allem für

D
                                                                                                                                                                                        Schröder historisch, da sie fünf Minuten
          ie Gesichter sind vor Konzentra-                           Mixed-Team – und damit auch das einzige      sie: „Warum sollte ich es nicht versu-                                lang selbst zum ersten Mal bei Paralym-
          tion verzerrt, unter dem roten                             weibliche Mitglied überhaupt im paralym-     chen? Es ist möglicherweise meine ein-                                pics aufs Eis durfte. „Ich möchte für an-
          Trikot zeichnen sich die breiten                           pischen Eishockey in Pyeongchang. Vor        zige Chance, jemals bei den Paralympics                               dere Frauen ein Vorbild sein und ihnen be-
          Schultern der fünf Spieler ab. Op-                         ihr spielte mit Brit Mjaasund Öjen 1994 in   anzutreten.“ Damit hatte sie Recht, denn                              weisen, dass man es auch als Frau mit
tisch sind sie kaum zu unterscheiden. Erst                           Lillehammer nur ein einziges Mal eine        eine Frauen-Nationalmannschaft im                                     den Männern aufnehmen kann.“
bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass bei                           Frau bei den Paralmypics mit.                Para Eishockey gibt es bislang noch                                   Beim letzten Spiel gegen Tschechien sah
Nummer 29 ein weißblonder Zopf unter                                 Ein Kraftakt ist das Spiel zweifellos, da    nicht. Seit 2013 wird der Parasport für                               sie vom Rang aus zu: „Die Jungs müssen
dem Helm hervorlugt. Lena Schröder ist                               seinen Spielern lediglich zwei kurze         Frauen durch das Förderprogramm der                                   einfach ruhig bleiben und sich auf ihre Ar-
seit 1994 die zweite Frau überhaupt, die im                          Schläger mit Spikes an den Enden zur                                                                               beit auf dem Eis konzentrieren. Dann ha-
Para Eishockey spielt – mit den Männern.                             Fortbewegung dienen. Mit 15 Jahren be-                                                                             ben wir eine Chance, zu gewinnen.“ Der
In den letzten Jahren hat sich der Sport                             gann Schröder, die mit einem Wirbel-                                                                               Plan ging auf – Norwegen sicherte sich
zwar weiterentwickelt, trotzdem gibt es                              spalt zur Welt kam, im norwegischen                                                                                den fünften Platz in der Gesamtwertung.
noch immer eine große Schwachstelle: Es                              Moss mit dem Sport. Seit 2010 spielt sie                                                                           Für die Zukunft wünscht sich Lena Schrö-
gibt kaum Frauen. „Viele von ihnen be-                               im Valerenga Club in Oslo, gemeinsam                                                                               der eine weibliche paralympische Natio-
trachten es als eine Männersportart, weil                            mit ihrem Verlobten Morten Vaernes. Ei-                                                                            nalmannschaft. „Es wäre großartig,
beim Para Eishockey die ganze Kraft aus                              nes Tages selbst bei den Paralympischen                                                                            wenn es irgendwann ein geschlechtli-
                                                                                                                                                                 Foto: Thilo Rückeis

den Armen kommt“, sagt Lena Schröder.                                Winterspielen dabei zu sein, war für sie                                                                           ches Gleichgewicht im Para Eishockey
„Und weil es auf der Eisfläche ziemlich                              jahrelang ein Traum, der nun Realität                                                                              gäbe“, sagt sie. Bis es soweit ist, wird sie
grob zugehen kann. Das schreckt ab.“                                 wurde. Als sie davon erfahren hat, dass      Vorreiterin. Lena Schröder durfte beim                                die Missionarin dafür sein .
Die 24 Jahre alte Medizinstudentin ist die                           in ihrer Heimat Oslo ein paralympisches      Spiel gegen Schweden mit aufs Eis –                                                          JANA RUDOLF UND
einzige      Frau     im     norwegischen                            Nationalteam aufgestellt wurde, dachte       das erste, das Norwegen gewann.                                                       JISU YON, BEIDE 20 JAHRE

                                                                     Das letzte End
                                                                     Taktik und mentale Stärke – so haben         das ist der letzte und entscheidende                                  ein Zahnrad in das andere greifen. Es ist
                                                                     es die deutschen Curler auf den achten       Stein der Runden, den sogenannten                                     immens wichtig, sich auf auch auf die an-
                                                                     von zwölf Plätzen geschafft.                 Ends. Denn die Mannschaft, der er zu-                                 deren verlassen zu können.“
                                                                     Es ist das Spiel gegen Korea. Wettkampf-     steht, gewinnt meist das End. Dann zäh-                               Respekt vor dem Team, den Gegnern und
                                                                     tag drei, Vorrunde. Harry Pavel greift       len die Steine, die am nächsten in der                                dem Sport – in einer Erklärung der World
                                                                     zum Stab und streckt den Arm aus. Sein       Mitte des House liegen. In den ersten                                 Curling Federation heißt es: Ein Curler
                                                                     Teamkollege Martin Schlitt hält den Roll-    Wettkampftagen ging die Strategie des                                 zieht eine Niederlage einem ungerechten
                                                                     stuhl. Pavel fixiert die Steine im House,    deutschen Teams auf. Dann, gegen Nor-                                 Sieg vor und entscheidet sich im Streitfall
                                                                     dem Kreis auf der gegenüberliegenden         wegen, Schweden, Großbritannien, die                                  immer zu Gunsten der Gegner. Schieds-
                                                                     Seite des Felds, und stößt.                  Schweiz und Kanada kassierten sie dage-                               richter gibt es nicht, das klären die Skips.
                                                                     Das deutsche Curling-Team spielt defen-      gen eine Niederlage nach der anderen.                                 Nach dem letzten End bedanken sich die
                                                                     siv und versucht, die Steine der gegneri-    „Es ist wichtig aus so einer Tal-Zone wie-                            Sportler beim Gegner. Im Spiel gegen
                                                                     schen Mannschaft aus dem House zu            der rauszukommen“, sagt Schlitt. Der                                  Finnland – das letzte für Deutschland –
                                               Foto: Thilo Rückeis

                                                                     schieben. Curler Harry Pavel spricht von     Sportpsychologe Christian Heiss hilft da-                             reicht auch Schlitt seinen finnischen Kol-
                                                                     der Easy-Game-Strategie: „Wir halten         bei, indem er mit den Sportlern ihre indivi-                          legen die Hand. Zwar in der Vorrunde aus-
                                                                     das Spiel einfach und versuchen, mög-        duellen Stärken analysiert und sie moti-                              geschieden, hat das deutsche Team sein
Konzentration. Christiane Putzich ist                                lichst viele Steine im House zu haben,       viert. Er schweißt die Mannschaft zusam-                              letztes Spiel gewonnen.
der Skip der deutschen Mannschaft.                                   wenn wir den Hammer haben.“ Hammer,          men. Schlitt sagt: „Beim Curling muss                                           SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE
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          Damit ein Miteinander von klein auf
          selbstverständlich ist.

          Mehr unter www.aktion-mensch.de/5mai
12 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG

MIXED ZONE
Voll leer                                                                                                                                                                                                   Eingebürgert –
Zuschauerrekord. Theoretisch. 320 531 ver-
kaufte Tickets, doppelt so viele wie 2006 in Tu-
                                                                                                                                                                                                            aber ganz umsonst
                                                                                                                                                                                                            Bei den Olympischen Spielen gibt es viele Athle-
rin. Und doch sah man in den südkoreanischen
                                                                                                                                                                                                            ten, die mit einer neuen Staatsbürgerschaft für
Austragungsstätten in und um Pyeongchang im-
                                                                                                                                                                                                            ein anderes als ihr „eigenes“ Land antreten.
mer wieder freie Plätze, einige Tribünen waren
                                                                                                                                                                                                            Nun hat dieser Trend die Paralympics erreicht.
nahezu leer.
                                                                                                                                                                                                            Der 29 Jahre alte Yoomin Won, der bei einem
Die Erklärung für diesen Widerspruch lieferte
                                                                                                                                                                                                            Autounfall seine Beine und einen Finger an sei-
das Organisationskommittee: 27,7 Prozent der
                                                                                                                                                                                                            ner rechten Hand verlor, ist in Südkorea gebo-
gekauften Tickets seien schlicht nicht genutzt
                                                                                                                                                                                                            ren. Mit zwölf immigrierte er nach Kanada und
worden, Sprecher Sung Baik You nannte das                                                                                                                                                                   nahm die kanadische Staatsbürgerschaft an –
„enttäuschend“.                                                                                                                                                                                             um nun wieder Koreaner zu werden.
Mögliche Gründe für das Nichterscheinen wur-                                                                                                                                                                Bei den Paralympics 2016 in Rio spielte Won
den zwar keine genannt, so fiel aber auf, dass                                                                                                                                                              noch für das kanadische Rollstuhlbasketball-
die Stadien an warmen Tagen wesentlich bes-                                                                                                                                                                 team, kurz darauf fing er auch mit Ski Nordisch
ser gefüllt waren. Die Besucherzahlen schwank-                                                                                                                                                              an. Und hielt schon innerhalb einer Woche bei
ten außerdem je nach Veranstaltung. Während

                                                                                                                                               Fotos: Birgitt Claus
                                                                                                                                                                                                            einem Wettkampf in Südkorea in den Diszipli-
der Snowboard Cross im Jeongseon Alpine Cen-                                                                                                                                                                nen Skilanglauf und Biathlon eine Silberme-
tre vor vollen Rängen stattfand, war der Riesen                                                                                                                                                             daille in der Hand. Das Koreanische Paralympi-
Slalom dort schlecht besucht.                                                                                                                                                                               sche Komitee und der Nordische Skiverband
                   BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE
                                                                                             Schnee zu Tau                                                                                                  für Behinderte in Korea erkannten sein Talent
                                                                                                                                                                                                            und halfen Won im Juli vergangenen Jahres da-
                                                                                             Sonnenbrand vom Vortag, dann beißende Kälte                                                                    bei, in Südkorea wieder eingebürgert zu wer-
                                                                                             im Gesicht. In Pyeongchang spielte das Wetter                                                                  den. Für die diesjährigen Paralympics in Pye-
                                                                                             verrückt. Bei der Eröffnungszeremonie wurden                                                                   ongchang sollte Won im Skilanglauf antreten.
                                                                                             Hand-, Fuß- und Gesäßwärmer verteilt, wenige                                                                   Der Haken: Das Nationale Paralympische Komi-
                                                                                             Tage später waren Fans beim Snowboard im                                                                       tee hatte wohl eine der einschlägigen Bestim-
                                                                                             T-Shirt, einige sogar oben ohne.                                                                               mungen des Internationalen Paralympischen
                                                                                             Das verrückt spielende Wetter war eine enorme                                                                  Komitees übersehen: Nach der Einbürgerung
                                                                                             Belastung für die Athleten. Trainingsläufe fie-                                                                müssen mindestens drei Jahre vergehen, bis
                                                                                             len dem Wind und Regen zum Opfer, bei den
                                                                                             Wettbewerben traten die Sportler häufig im
                                                                                             schmelzenden Schnee an. Clara Klug, die im Bi-
                                                                                             athlon zweimal Bronze holte, bekam im Alpen-
                                                   Foto: Screenshot/Facebook/Georg Kreiter

                                                                                             haus, dem gemeinsamen Haus der deutschen,
                                                                                             österreichischen und Schweizer Mannschaft,
                                                                                             Schwimmflügel auf der Bühne überreicht.
                                                                                             „Wenn wir im März bei 30 Grad Skifahren müs-
                                                                                             sen, können die Bedingungen nicht optimal
                                                                                             sein“, sagte Monoskifahrer Thomas Nolte und
                                                                                             fasste so die Stimmung unter den Sportlern zu-

Shit                                                                                         sammen. Sie machten allerdings das Beste da-
                                                                                             raus.              BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE
happens
                                                                                                                                                                                  Foto: imago/Action Plus

Statt mit Medaille im Gepäck flog Georg Kreiter
mit einem operierten Schlüsselbein zurück
nach Deutschland. Der 33 Jahre alte Mono-
ski-Fahrer stürzte im ersten Lauf des Riesen-                                                Smoothies und Sport
slaloms am fünften Wettkampftag. Nachdem er                                                  In Biathlon und Langlauf bei den Paralympics                                                                   ein Athlet mit der neu angenommenen Nationa-
noch auf der Strecke behandelt worden war,                                                   antreten und Bücher über Smoothies schrei-                                                                     lität bei den Spielen antreten kann. Im Fall von
kam er zum Röntgen in ein Krankenhaus. Mit                                                   ben: Steffen Lehmker kann beides. Während                                                                      Won war allerdings nur etwas mehr als ein Jahr
dabei war der deutsche Mannschaftsarzt Hart-                                                 der letzten Winterspiele in Sotschi wusste er                                                                  vergangen, seitdem er wieder Südkoreaner ge-
mut Stinus. „Gemeinsam mit den südkoreani-                                                   noch nicht, was Paralympics überhaupt waren,                                                                   worden war.
schen Kollegen haben wir verschiedene Mög-                                                   nun trat er selbst an. Danach geht’s wieder an                                                                 „Ein Jahr und 21 Tage habe ich für Ski Nor-
lichkeiten durchgespielt und uns für eine Opera-                                             die Säfte. Zwei Bücher mit Lieblingsrezepten                                                                   disch, Langlauf und Biathlon trainiert. 33 Tage
tion direkt vor Ort entschieden“, sagt Stinus.                                               für gesunde Smoothies hat er schon verfasst:                                                                   vor der Eröffnungszeremonie sagte man mir,
Auf Facebook postete Kreiter: „So hatte ich das                                              „Ich habe gemerkt, etwas fehlte, und habe ge-                                                                  dass ich bei den Paralympics nicht teilnehmen
nicht geplant… damit sind die Spiele für mich                                                schaut, wie kann ich mich zusätzlich zum Sport                                                                 kann“, schrieb Won auf seinem Social Media
leider vorzeitig beendet.“ Schon in Sotschi war                                              noch voranbringen“, erzählte er dem ZDF.                                                                       Profil. Trotzdem blickt er mit großen Erwartun-
Kreiter gestürzt – 2014 hatte es aufgrund der                                                                       MARIE MENKE, 20 JAHRE                                                                   gen in die Zukunft. „Meine Reise beginnt hier“,
Pistenbedingungen mehrere schwere Unfälle
                                                                                                                                                                                                            sagt er. Er werde sein Training fortsetzen –
gegeben.         SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE
                                                                                                                                                                                                            dann eben für die Paralympics 2022 in Peking.
                                                                                                                                                                                                                SOOYEON JO UND JISU YON, BEIDE 20 JAHRE
                                                                                                                                               Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 13

Alle an Board
Wenn es ein Publikumsliebling in Pyeongchang
gab, dann das Snowboarden. US-Athletin
Brenna Huckaby schwang sich zweimal zu Gold

S
          pätestens als die US-Amerikane-      14 Jahren amputiert, sie begann mit 15
          rin Brenna Huckaby ihre zweite       mit dem Snowboarden, um einen Ersatz
          paralympische Goldmedaille ge-       für ihren früheren Sport, das Turnen, zu
          wann, stand fest: Es gibt einen      finden. Ihre neue Leidenschaft machte
neuen Star im Para Snowboard. Es sollte        sie zur prominenten Athletin. Sie betont
knapp werden, ihre Konkurrentin Cecile         immer wieder, dass man alles erreichen
Hernandez aus Frankreich kam im                könne, egal wie schwer die Herausforde-
Banked Slalom, einer Disziplin in der sich     rung auch sei. Huckaby will anderen ein
die Athleten eine Slalom-Piste voller          Vorbild sein, als Sportlerin, als Mutter für
scharfer Kurven hinabstürzen, mit einer        ihre Tochter. Eine junge Frau, die mit ih-
Verzögerung von nur 0,36 Sekunden ins          rem Bikini-Shooting für die Swimsuit Edi-
Ziel. „Ich bin total glücklich, dass es so     tion des „Sports Illustrated Magazin“ zei-
knapp war. Es bedeutet, dass wir alle im-      gen wollte, dass „eine Behinderung und
mer besser werden und der Sport immer          Sexyness sich nicht ausschließen“.
größer wird“, sagte Huckaby nach dem
Rennen.                                        Huckaby will ein
Dass der Sport immer beliebter wird,
steht nach den Spielen in Pyeongchang          Vorbild für andere sein
fest. In Sotschi 2014 feierte das Para
Snowboarden sein Debüt, vier Jahre spä-        Beim Snowboard aber ging es bei weitem
ter ist es zum Publikumsliebling herange-      nicht nur um die Amerikanerinnen. Zu
wachsen. So waren die Ränge zum Snow-          den Lieblingen der Fans gehörten zwei
board Cross, bei dem es darum geht, die        altbekannte Athleten der Sommer-Para-
Strecke aus senkrechten Abschnitten,           lympics. Der Däne Daniel Wagner hatte in
kleinen Hügeln und scharfen Kurven mög-        Rio Gold im Weitsprung geholt, während
lichst schnell zu überwinden, bei strah-       sein Kontrahent aus Japan, Atsushi Yama-
                                                                                              Foto: Paul Hanna/Reuters

lender Sonne voll. Beim Banked Slalom          moto, Zweiter wurde. Für die Spiele in
vier Tage später und gefallenen Tempera-       Pyeongchang waren sie auf die Schnee-
turen kamen zwar deutlich weniger Zu-          piste gewechselt und hatten ein Ziel: den
schauer, die Stimmung war dennoch gut.         jeweils anderen zu schlagen. Der Sieg un-
Die bekanntesten Athletinnen der Spiele        ter ihnen ging, wie schon in Rio, an Wag-
sind Huckaby und ihre Landsfrau, Schau-        ner, er holte den achten Platz, und lag da-                                           Abgefahren.
spielerin und Model, Amy Purdy. Huckaby        mit vier vor Yamamoto.                                                            Die US-Athletin
                                                                                                                         Brenna Huckaby (oben)
war als amtierende Weltmeisterin nach          Nach den Erfahrungen in Pyeongchang
                                                                                                                            durfte zweimal ganz
Südkorea geflogen. Obwohl sie vor Beginn       scheint klar zu sein, dass das Snowboar-                                        oben aufs Podest.
der Rennen ein „nervöses Wrack“ war,           den eine goldene paralympische Zukunft                                     In Sotschi 2014 feierte
setzte sie sich durch und gewann beide         hat. Publikumsliebling, Magnet für junge                                  das Para Snowboarden
Wettbewerbe – und stellte fest, dass der       Fans und eine tolle Atmosphäre – die                                        sein Debüt, vier Jahre
Erfolg bei den Paralympics einzigartig ist:    während des Snowboard Cross nicht ein-                                           später ist es zum
                                                                                                                               Publikumsliebling
„Ich hätte nicht erwartet, dass es sich so     mal von langen Verzögerungen durch ein                                          herangewachsen.
anders anfühlen würde. Es ist mit Abstand      defektes Starttor getrübt werden konnte.
meine beste Medaille!“                         Im Gegenteil: die Unterbrechungen wur-
Die 22-Jährige war sichtlich stolz, trug       den von den Veranstaltern geschickt zu ei-
ihre kleine Tochter durch die Mixed Zone       ner Party umfunktioniert, DJ-Sets,
                                                                                                                                                    Foto: Thilo Rückeis

und erzählte, dass sie ihren Erfolg so nie     Dance-Cam und kühles Bier sorgten in
erwartet hätte. Nach einer Krebserkran-        der Sonne für beste Stimmung.
kung wurde ihr rechtes Bein im Alter von                     BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE

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          DANKE
          FÜR EUREN EINSATZ!
          Martin Schlitt und das Rollstuhl-Curling-Team haben
          bewiesen, dass Grenzen nur im Kopf existieren.
          Wir sind stolz darauf, dass wir unserem Versicherten
          Martin Schlitt zur Seite stehen konnten.

          Ihr seid eine Inspiration für uns alle. Vielen Dank.
          Eure BG ETEM
14 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG

                                                                                                                                                                                                             Nordkorea
                                                                                                                                                                                                             mit im
                                                                                                                                                                                                             Spiel
                                                                                                                                                                                                                     Als eine Nation voller Geheimnisse
                                                                                                                                                                                                                     blieb Team Nordkorea während der
                                                                                                                                                                                                                     Paralympics völlig unter sich.
                                                                                                                                                                                                                     Obwohl es sich bei den 48 teilnehmen-
                                                                                                                                                                                                                     den Ländern um das vielleicht am meis-
                                                                                                                                                                                                                     ten beobachtete Team handelte, blie-
                                                                                                                                                                                                                     ben seine Athleten und Funktionäre
                                                                                                                                                                                                                     stets abgeschieden von anderen.
                                                                                                                                                                                                                     Ein Jubeltrupp aus dem Norden beglei-
                                                                                                                                                                                                                     tete die beiden Ski-Langläufer Kim
                                                                                                                                                                                                                     Jong Hyon und Ma Yu Chol, die erst im
                                                                                                                                                                                                                     Dezember mit dem Sport begonnen hat-
                                                                                                                                                                                                                     ten, ins Alpensia Center. Sie winkten
                                                                                                                                                                                                                     mit ihrer Nationalflagge und machten
                                                                                                                                                                                                                     Lärm, wenn die nordkoreanischen Ath-
                                                                                                                                                                                                                     leten auf den Bildschirmen gezeigt wur-

                                                                                                                                                              Foto: Sebastian Kahnert/dpa-pa
                                                                                                                                                                                                                     den. Dabei wurden die Fans mit einem
                                                                                                                                                                                                                     Band vom Rest des Publikums ge-
                                                                                                                                                                                                                     trennt, Kontakt war verboten. Südko-
                                                                                                                                                                                                                     reaner durften nur nach vorheriger of-
                                                                                                                                                                                                                     fizieller Anmeldung mit ihnen spre-
Viel Wirbel. Schon 1964 wurden die Spiele in Tokio ausgetragen – nur wenige Wettkampfstätten sollen wiederverwendet werden.                                                                                          chen. Journalisten, die versuchten, In-
                                                                                                                                                                                                                     terviews zu führen, wurden gebeten,

A                                             Asiatisches
                                                                                                                                                                                                                     nach Ende der Läufe wiederzukom-
         ller guten Dinge sind drei – das                                                                                                                                                                            men. Doch dann waren die nordkorea-
         scheinen das Internationale                                                                                                                                                                                 nischen Fans schon weg.
         Olympische Komitee (IOC) und                                                                                                                                                                                An dem Tag, als der südkoreanische
         das Internationale Paralympi-                                                                                                                                                                               Präsident Moon Jae-in gekommen

                                              Triple
sche Komitee (IPC) mit der Bekanntgabe,                                                                                                                                                                              war, um die koreanischen Athleten an-
dass die Winterspiele 2022 in Peking statt-                                                                                                                                                                          zufeuern, blieb der Jubeltrupp dem Al-
finden werden, zumindest zu hoffen. Die                                                                                                                                                                              pensia Center fern. Auch die beiden
Spiele drei Mal hintereinander in Asien –                                                                                                                                                                            Athleten aus dem Norden selbst wa-
das ist beispielslos. Pyeongchang machte                                                                                                                                                                             ren verschwiegen, gaben Journalisten
den Anfang, Tokio wird der nächste Gast-                                                                                                                                                                             keine Antworten und eilten nach den
geber der Paralympics sein.                   Auch die nächsten beiden Paralympics werden                                                                                                                            Wettkämpfen schnell davon.
                                                                                                                                                                                                                     „Sie sind jünger als ich, also habe ich
TOKIO                                         in Asien ausgetragen. Tokio und Peking                                                                                                                                 sie vor den Spielen ermutigt“, sagte
Es ist nicht das erste Mal, dass die
Paralympische Bewegung zu Gast in
                                              stecken bereits tief in den Vorbereitungen                                                                                                                             der südkoreanische Biathlet Sin Eui
                                                                                                                                                                                                                     Hyun auf die Frage, ob es Kontakt zwi-
der japanischen Hauptstadt ist. Schon
1964 wurden die zweiten Paralympics in
Tokio ausgetragen. Das Organisationsko-       Landesweit wird die Zugänglichkeit für                               Gastgeber der Winterspiele. Wie auch
mitee warb unter anderem damit, dass          Rollstuhlfahrer in Hotels überprüft,                                 in Tokio können einige Austragungsorte
neun der ursprünglichen Austragungs-          selbstfahrende Autos für den Transport                               ebenfalls für Wettbewerbe im Winter
orte für die kommenden Spiele wieder-         von Athleten sind in Planung und Apps,                               benutzt werden. Die Eröffnungs- und
verwendet werden können. Die Kampf-           die Touristen und Fans durch Olympi-                                 Abschlussfeier wird wie 2008 im „Vogel-
                                                                                                                                                                                               Foto: Thilo Rückeis

sporthalle Nippon Budokan hat nicht           sche und Paralympische Spiele führen                                 nest“ genannten Stadion stattfinden –
nur aufgrund der Beatles-Konzerte im          sollen, werden entwickelt. IPC-Präsi-                                es heißt so, weil es eben genauso aus-
Sommer 1966 Kultstatus, bereits die           dent Andrew Parsons sagt im Interview                                sieht wie ein überdimensionales Nest.
                                                                                                                                                                                                                     Fast inkognito. Eine 24-köpfige Delega-
Judo-Wettkämpfe der Spiele 1964 ha-           mit der Paralympics Zeitung dazu: „Die                               Das Nationale Wassersport-Center                                                                  tion aus Nordkorea war angereist.
ben dort stattgefunden. Tokio versucht        Vorbereitungen in Tokio sind in vollem                               wird zu einer Curling-Arena mit 4000
so explodierende Kosten großer Baupro-        Gange und die Begeisterung ist nicht ver-                            Plätzen umgebaut.
jekte zu rechtfertigen.                       gleichbar mit dem, was ich von anderen                               Während die paralympische Bewegung                                                                schen den Athleten aus dem Süden und
Das alte Stadion musste allerdings ab-        Spielen zuvor kenne. Tokio wird die Mess-                            zuletzt immer wieder wegen Proble-                                                                dem Norden gegeben habe. Sin bedau-
gerissen werden, weil es viel zu klein        latte in allen Bereichen höher legen!“                               men beim Klassifizierungsprozess, Do-                                                             erte, dass die beiden Koreas nicht als
war. Stattdessen entwarf der japani-                                                                               ping-Vorwürfen und explodierenden                                                                 gemeinsames Team antraten.
sche Architekt Kengo Kuma ein futuristi-                                                                           Kosten in die Kritik geraten ist, bleibt                                                          In den Tagen vor den Paralympics
sches Bauwerk, in dem 80 000 Zu-                                                                                   Andrew Parsons zuversichtlich. Der                                                                hatte Pjöngjang seine Haltung zur Teil-
schauer Platz finden sollen. Auch viele                                                                            Präsident des IPC hat die neue Teil-                                                              nahme an den Spielen mehrmals ge-
neue Austragungsorte müssen gebaut                                                                                 nahme der Disziplin Bob an den Winter-                                                            ändert. Die endgültige Entscheidung
werden, da im Vergleich zu den Spielen                                                                             spielen 2022 in Peking vorläufig bestä-                                                           fiel erst Ende Februar nach innerko-
1964 deutlich mehr Disziplinen vertre-                                                                             tigt. Denn wie Parsons sagt: „Es ist                                                              reanischen Gesprächen. Bisher nahm
                                                                                          Foto: imago/Kyodo News

ten sind. Das IPC nahm zuletzt                                                                                     entscheidend, dass wir alle Vorteile                                                              Nordkorea nur an den Sommerspie-
Para-Badminton und Taekwondo ins                                                                                   aus unserer Präsenz in Asien ziehen,                                                              len in London 2012 und Rio 2016 teil.
Programm der Sommerspiele auf.                                                                                     um die Teilnahme an Para-Sport und                                                                Nun entsandte es eine 24-köpfige De-
Abgesehen vom Bau neuer Austragungs-                                                                               die Aufmerksamkeit der Menschen                                                                   legation nach Pyeongchang.
                                              Mit Bob? In Peking soll die Disziplin
orte bemüht sich Japan auch in ande-          wohl neu hinzukommen.                                                durch die Medien und kommerziellen                                                                Nach dem Wettkampf am fünften Tag
ren Bereichen um Fortschrittlichkeit.                                                                              Partner zu erhöhen.“ Er und der Rest                                                              der Spiele bedankte sich Präsident
„Die Olympischen Spiele sind ein                                                                                   der paralympischen Familie hoffen                                                                 Moon bei den beiden Athleten aus
Sport-Festival, aber sie sind auch eine       PEKING                                                               wohl, dass mit der Dauer-Präsenz in                                                               Nordkorea für ihre harte Arbeit. Er
Chance, um Innovationen von wissen-           Nachdem schon 2008 die Sommerspiele                                  Asien wirklich aller guten Dinge drei                                                             sagte, er hoffe, dass auch südkoreani-
schaftlichen Technologien zu zeigen“,         in der chinesischen Hauptstadt stattge-                              sind.                                                                                             sche Athleten die Chance bekommen
sagt Toshiro Muto, Geschäftsführer des        funden haben, ist Peking 2022 erstmals                                       SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE,                                                              würden, in Nordkorea an Wettkämpfen
Organisationskomitees.                        in der olympischen Geschichte auch                                              GEORGE SIMONDS, 22 JAHRE                                                               teilzunehmen. SOOYEON JO, 20 JAHRE
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