Fisch und Vogel Rundbrief aus christlicher Solidarität mit den Philippinen

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Fisch und Vogel Rundbrief aus christlicher Solidarität mit den Philippinen
April 2013                                                                          Nr. 80

                     Fisch und Vogel
 Rundbrief aus christlicher Solidarität mit den Philippinen

                                                                     Foto: Zacharias Steinmetz

Inhalt
Nachrichten                              3   Babaylanes historisch und heute              10
Neu-altes Konfliktpotential              6   Der Fall Zara Alvarez                        12
Gleichberechtigung in Gesellschaft und   7   Manilas beschwiegenes Massaker: Moro-        14
Kirche                                       Widerstand vor 45 Jahren
Schreib-Weisen: „Warum wir gendern“      9   Letzte Seite                                 16

                                                                               ISSN 1860-7152
Fisch und Vogel Rundbrief aus christlicher Solidarität mit den Philippinen
Vorwort                                              2
Liebe Leser_innen,                                       schlechter bezahlt als bei Männern. Diese soge-
ein unscheinbarer Unterstrich mit großer Wir-            nannte „gläserne Decke“ ist auch in Deutschland
kung. Bereits zum dritten Mal erscheint Fisch            ein Thema. Darüber hinaus klagen in Europa zu-
und Vogel nun durchgehend in geschlechterge-             nehmend auch Männer über die Nachteile klassi-
rechter Sprache. Der Unterstrich, die sogenannte         scher Rollenbilder, die sie als die ausschließliche
„gender gap“, soll weg von einer Dominanz des            Verantwortung tragenden Machos frei von jegli-
maskulinen Genus hin zu einer inklusiven Spra-           chen Schwächen stilisieren.
che führen, in der sich Frauen, Männer, Trans-           Das Titelbild dieser Ausgabe ist in einem Fi-
und Intersexuelle gleichermaßen wiederfinden             scherdorf auf Silaki Island, einer kleinen Insel vor
können (s. S. 9)                                         Bolinao (Provinz Pangasinan) entstanden. Wäh-
                                                         rend die Männer Karten spielten und tranken,
                                                         wusch diese Frau die Wäsche anderer Leute, um
                                                         ihrer Familie ein Einkommen zu ermöglichen.
                                                         Viel Spaß beim Lesen und eine besinnliche
                                                         nachösterliche Zeit wünscht
                                                         die Redaktion von Fisch und Vogel

                                                         Der Name "Fisch und Vogel" bezieht sich auf
                                                         zwei Symbole:
                                                         Fisch (griechisch: Ichthys) steht für Jesus
                                                         Christus, Sohn Gottes, Retter und Vogel (phil-
Neben dieser rein formalen Änderung widmet               ippinisch: Ibon malaya) für den Widerstand
sich die diesjährige Oster-Ausgabe auch inhalt-          gegen die Marcos-Diktatur
lich dem Thema Geschlechtergerechtigkeit in
Deutschland und in den Philippinen. Seit den
1970er und 80er Jahren kämpfen Frauen (und
Männer) beider Länder verstärkt für Gleichbe-            Impressum:
rechtigung in Gesellschaft, Wirtschaft und Poli-
tik. Bis dato waren vor allem Männer in der Öf-          Herausgeber:
                                                         Arbeitskreis Ökumenische Philippinen Konferenz
fentlichkeit präsent. Nun forderten deutsche             c/o Dorothea Seeliger, Jahnstr. 82, 56179 Vallendar
Frauen und Filipinas zunehmend ihre Rechte ein.          Website: www.fisch-und-vogel.de
Vieles ist mittlerweile erreicht worden, doch es
bleibt auch weiterhin einiges zu tun. In der phil-       Redaktionsteam:
                                                         Carolin Blöcher, Zacharias Steinmetz, Martina Seltmann
ippinischen Gesellschaft herrscht seit jeher eine        Email: redaktion@fisch-und-vogel.de
klare Rollenverteilung zwischen männlich und             Nachrichtenredaktion:
weiblich sozialisierten Personen. Frauen küm-            Gabriele Hafner und Philippinenbüro im Asienhaus
mern sich in erster Linie um häusliche und fami-         Ständige Mitarbeit: Dr. Rainer Werning und Dieter Zabel
liäre Angelegenheiten. Als Heimarbeiterinnen             Wir freuen uns über Ihren Unkostenbeitrag, der das Er-
oder Inhaberinnen von Sari-Sari-Stores tragen sie        scheinen von Fisch & Vogel garantieren hilft:
maßgeblich zur finanziellen Unterstützung der            Kontoinhaber: Bischöfliches Ordinariat Limburg
                                                         Konto 3700010
Familie bei. Finden Männer keine Arbeit in tradi-        BLZ 51140029 (Commerzbank Limburg)
tionell männlich dominierten Berufen, bleiben            IBAN: DE08511400290379027600
sie oft gänzlich zu Hause und überlassen der Frau        BIC: COBADEFFXXX
                                                         Verwendungszweck: Fisch & Vogel 2013
das Geldverdienen. Aufstiegschancen in klassi-           Kostenstelle: 2140 1016 20 (bitte immer angeben)
schen Angestelltenverhältnissen sind für Frauen
schwerer zu verwirklichen und Jobs in der Regel          Die nächste Ausgabe von Fisch & Vogel, Nr. 81, erscheint im
                                                         August 2013

                                      Fisch & Vogel 80 – April 2013
3                                     Nachrichten
Moratorium für Familienplanungsgesetz                            pin@s. Die USA lehnten eine Parteinahme in dem Kon-
                                                                 flikt ab.
Das Oberste Gericht der Philippinen hat das umstrittene
                                                                 Inzwischen haben einige Senats-Kandidat_innen Sympa-
Gesetz zur Familienplanung bis zur Anhörung von sechs
                                                                 thien für die Territorialforderungen geäußert. Andere Poli-
Petitionen katholischer Lebensschützer Mitte Juni ausge-
                                                                 tiker_innen sind nach Sabah gereist und haben Verständnis
setzt.
                                                                 für die Forderungen des Sultans gezeigt. Präsident Aquino
Das Gesetz war im Dezember in Kraft getreten. Es ermög-
                                                                 wird vor allem dafür kritisiert, dass er nicht schon früher
licht auch der ärmeren Bevölkerung Zugang zu Verhü-
                                                                 auf einen Brief des Sultans mit einem Gesprächsangebot
tungsmitteln und erlaubt Sexualaufklärung an Schulen, Fa-
                                                                 reagiert habe.
milienplanungsprogramme, bessere gesundheitliche Ver-
                                                                 Die Familie des Sultans von Sulu und Nord-Borneo hat in-
sorgung von Schwangeren und Müttern sowie die Behand-
                                                                 zwischen die muslimische Welt um Hilfe bei der Wieder-
lung von Komplikationen nach Schwangerschaftsabbrü-
                                                                 gewinnung von Sabah gebeten, das unrechtmäßig Teil des
chen. Abtreibungen sind in den Philippinen weiterhin aus-
                                                                 Staats Malaysia sei. Sie riefen die UN, die OIC (Organiza-
nahmslos illegal. Politik und Gesellschaft hatten in den
                                                                 tion of Islamic Cooperation) und die ASEAN zur Interven-
vergangenen 15 Jahren eine zeitweise erbitterte Debatte
                                                                 tion auf, um den bewaffneten Konflikt zu beenden.
über die gesetzlichen Grundlagen der Familienplanung ge-
führt. Nach Ansicht der katholischen Kirche in den Philip-       vgl. MB 22.02., 06.03., 09.03., 23.03., 26.03.2013 Spiegel
pinen verstößt das Gesetz gegen die Verfassung, da sie den       online 05.03.2013, UCAN 19.03.2013 und 21.03.2013, vgl.
                                                                 PDI 24.03.2013
Schutz des Lebens garantiert. Vertreter der Bischöflichen
Kommission für Familie begrüßten das Moratorium und
drangen auf eine entschiedene Kampagne gegen das Ge-
                                                                 Weiter Bestnoten für Präsidenten
setz während des Wahlkampfs.
                                                                  Der Präsident und sein Vize bleiben nach einer Umfrage
vgl. KNA 19.03.2013, CBCPnews 19.03.2013
                                                                 von Ende Februar die vertrauenswürdigsten Politiker. 72
                                                                 Prozent der 1.800 Befragten vertrauten dem Staatsober-
                                                                 haupt am meisten, 69 Prozent seinem Vize Jejomar Binay.
Landnahme nach Sultansart
                                                                 70 bzw. 68 Prozent bescheinigten den beiden, gute Arbeit
Um „friedlich wieder in ihrer alten Heimat zu siedeln“,          geleistet zu haben. Dieses Ergebnis zieht sich quer durch
landeten Anfang Februar rund 200 Männer unter dem                Schichten und Landesteile. Die Kritik an der abwartenden
Kommando des Kronprinzen des Sultanats von Sulu in Sa-           Haltung des Präsidenten in der Sabah-Krise hat sich auf
bah, dem Nordteil der Insel Borneo. Der in Manila residie-       die Umfrageergebnisse offenbar nicht negativ ausgewirkt.
rende Sultan Kiram hegt offenbar schon seit längerem den         Hoch ist die Zufriedenheit auch mit dem Obersten Ge-
Gedanken, Territorialansprüche auf Sabah geltend zu ma-          richtshof, der in den letzten Monaten immer wieder heikle
chen.                                                            Entscheidungen zu treffen hatte.
Bis 1878 hatte der heutige malaysische Bundesstaat Sabah
                                                                 vgl. MB 21.03.2013, PDI 21.03.2013
zum Sultanat von Sulu gehört. 1963 wurde Sabah ein Teil
Malaysias. Bis heute zahlt die malaysische Regierung den
Nachkommen des Sultans von Sulu angeblich eine symbo-
                                                                 Studentinnen-Selbstmord aus Geldmangel
lische Pacht von 1.700 US-Dollar im Jahr. Sabah hat etwa
die Größe von Irland, ist reich an Öl- und Edelholzvor-          Weil sie nicht die Mittel hatte, um die fälligen Studienge-
kommen und verfügt über riesige Palmölplantagen. Rund            bühren für ihr zweites Semester zu bezahlen, hat die UP-
800.000 Filipin@s haben sich in dem prosperierenden              Studentin Kristel Tejada Selbstmord begangen. Die Uni-
Nachbarstaat niedergelassen um Kämpfen und Perspektiv-           versität hatte sie wie in solchen Fällen üblich benachrich-
losigkeit im philippinischen Mindanao zu entgehen.               tigt, dass sie eine Zwangspause einlegen müsse, bis die
Präsident Aquino rief dazu auf, Gewalt zu vermeiden und          Gebühren in Höhe von 245 Dollar überwiesen seien. Der
vor allem das Leben der regulär in Sabah lebenden Fili-          Tod der 16-Jährigen löste landesweit Proteste und Kritik
pin@s zu schützen. Anfang März reagierte die malaysi-            an der Studienfinanzierung aus.
sche Armee mit Luftangriffen auf die Eindringlinge. Acht         Die Gebühren für ein komplettes Studium an einer öffent-
malaysische Polizisten und 63 Filipin@s sollen seit An-          lichen Hochschule wie der University of the Philippines
fang Februar getötet worden sein. Nach den Angriffen flo-        werden auf 6.000 Dollar geschätzt. Das entspricht dem ge-
hen mehrere tausend philippinische Zivilist_innen per            genwärtigen Jahreseinkommen einer Durchschnittsfamilie
Schiff nach Mindanao. Ehemalige Kämpfer der Muslimi-             in den Philippinen. Ein Drittel der Bevölkerung hat aber
schen Befreiungsarmee MNLF, die kürzlich mit der Regie-          nur ein Jahreseinkommen von 1.700 Dollar zur Verfügung.
rung ein Friedensabkommen unterzeichnet hat, verstärken          Kristel Tejada kam aus dem Armenviertel Tondo. Ihr Vater
inzwischen die Kräfte des Sultans. Zahlreiche frühere            arbeitet als Taxifahrer. Einer ihrer Dozentinnen hatte Teja-
MNLF-Kämpfer wurden auf Sabah trainiert und haben                da anvertraut, an der Uni könne sie die Probleme zu Hause
sich später dort niedergelassen. MNLF-Gründer Nur Mi-            vergessen.
suari besuchte Sultan Kiram in Manila und bekräftigte, Sa-       Bei der Beerdigung versicherte der Universitätspräsident,
bah sei Heimatland und gehöre den muslimischen Fili-             qualifizierten Studierenden sollte die Ausbildung nicht we-

                                            Fisch & Vogel 80 – April 2013
Nachrichten                                                    4
gen Geldproblemen verwehrt bleiben. Caritas Manila wird            Hoffnung auf Papstbesuch 2016
einen Fonds für bedürftige Studenten einrichten, der zu-
                                                                    Der Internationale Eucharistische Kongress in Cebu 2016
nächst mit einer halben Million Peso ausgestattet sein soll.
                                                                   wird als möglicher Termin für einen Besuch des neuen
Der Vorsitzende der Parlamentskommission für höhere Er-
                                                                   Papstes auf den Philippinen gehandelt. Manilas Erzbischof
ziehung versprach Abhilfe zu schaffen. Kristel Tejada
                                                                   Kardinal Luis Antonio Tagle berichtete aus Rom, Franzis-
durfte entgegen sonstiger Gepflogenheiten in geweihter
                                                                   kus habe ihm gesagt, er hege große Hoffnungen für das
Erde bestattet werden.
                                                                   Land. Die Menschen sollten ihre Glauben festigen, ihre
vgl. UCAN 18.03. u. 25.03.2013, PDI 20.03.2013                     Hingabe an die Gottesmutter und für die Armen vertiefen.
                                                                   vgl. CBCPnews 21.03.2013
Kirchenmänner: Landreform beschleunigen
Ende Januar forderten achtzig katholische Würdenträger             Umweltminister warnt vor Tricksereien bei Land-
den Präsidenten in einem Brief auf, die amtierende Füh-            verkäufen
rung des Landreform-Ministeriums abzulösen. Zu den Un-
                                                                   Nachdem Verkaufsangebote für Areale in einem Wasser-
terzeichnern gehört auch der Erzbischof von Manila, Kar-
                                                                   schutzgebiet am Oberen Marikina-Fluss entdeckt worden
dinal Luis Antonio Tagle. Der Brief gilt als die deutlichste
                                                                   waren, stellte Umweltminister Ramon Paje klar, alle ge-
direkt an den Präsidenten gerichtete politische Einmi-
                                                                   schützten Gebiete seien öffentliches Eigentum und könn-
schung der Kirche in den letzten Jahren. Sie seien höchst
                                                                   ten in keiner Weise gehandelt werden. Zuvor hatte eine
alarmiert, schrieben die Priester, dass die Leistungen des
                                                                   Fernsehsendung auf die illegalen Geschäfte einer Stiftung
Ministeriums anderthalb Jahre vor dem Auslaufen des ver-
                                                                   mit dem blumigen Namen „Vorreiter für erfindungsreiche
längerten Agrarreformgesetzes noch immer jämmerlich
                                                                   und eigenständige Lebensunterhalts- und Siedlungsprojek-
seien. Viele Versprechungen, die Aquino persönlich im
                                                                   te“ aufmerksam gemacht. Ein leitender Angestellter wurde
Dialog mit Bauern zugestanden hatte, seien bisher nicht
                                                                   daraufhin verhaftet. Die Firma hatte sogenannte „Certifi-
umgesetzt worden. Auch nach der Verlängerung des ur-
                                                                   cates of Stewardship Contracts“ von Hochlandfarmern ge-
sprünglichen Zeitraums für die Verteilung von Land an
                                                                   kauft, um die Grundstücke auf dem Markt zu handeln. Seit
Kleinbauern, habe das Ministerium seine Ziele verfehlt.
                                                                   den 1980er Jahren können berechtigte Waldnutzer_innen
Auch die dafür im Haushalt veranschlagten Mittel wurden
                                                                   eine Nutzungslizenz über 25 Jahre erhalten, die ihnen er-
nicht in vollem Umfang bereitgestellt. Eine abermalige
                                                                   laubt, dort zu siedeln und das Bergland zu bewirtschaften.
Verlängerung des Gesetzes ist unwahrscheinlich. Wenn die
                                                                   Diese Lizenzen dürfen aber nicht weitergegeben oder gar
Versprechungen des Präsidenten nicht umgesetzt würden,
                                                                   verkauft werden.
hieße das, dass er es selbst nicht wolle, folgerte ein Bi-
schof.                                                             vgl. PDI 23.03.2013
vgl. MT 08.02.2013
                                                                   Wasserversorgung der Ifugao zukunftsträchtig
                                                                   Das System, mit dem die Ifugao im Norden der Philippi-
Umweltbescheinigung für Tagebau-Projekt
                                                                   nen seit jeher Wasser für ihre Reisterrassen und als Trink-
Im Genehmigungsverfahren für das höchst umstrittene                wasser gewinnen, halten internationale Experten für eine
Bergbauprojekt zum Abbau von Kupfer und Gold in Tam-               auch heute hervorragend geeignete Strategie einer nach-
pakan wurde Sagittarius Mines Umweltverträglichkeit be-            haltigen Wasserversorgung. Nach dem „Muyong-System“
scheinigt. Die Firma beabsichtigt, die Vorkommen im of-            versorgt ein gemeinschaftliches Wassereinzugsgebiet von
fenen Tagebau auszubeuten. Das Umweltministerium hatte             fünf Hektar Größe die Felder und Brunnen. Das starke Ge-
zuvor gegen das Projekt entschieden und war aufgefordert           fälle zu den Teichen auf den terrassierten Hängen sorge
worden, diese Entscheidung zu überprüfen. Das Ministeri-           automatisch für eine Filterung und Reinigung des Wassers.
um betonte, in der Bescheinigung seien etliche Bedingun-           Die Befestigung der Terrassen verhindere Erosion. Die
gen enthalten, die eingehalten werden müssten. Erst wenn           Ethnologen schlugen vor, dass die Verwaltung von Wasse-
alle Anforderungen erfüllt seien, könne die Firma mit der          reinzugsgebieten gesetzlich geregelt werden solle. Die Ei-
Realisierung des Projekts beginnen. So müsse ein Nach-             gentümer_innen großer Gebiete im Hochland könnten
weis erbracht werden, dass keine Gebiete beeinträchtigt            Land für die gemeinschaftliche Nutzung zur Verfügung
würden, in denen Bergbau untersagt ist. Falls die Behör-           stellen, wie es die Ifugao traditionell praktizieren.
den der Provinz das Projekt nicht befürworten, könne auch
dies ein Grund für die Annullierung der Erlaubnis sein.            vgl. PDI 20.03.2013
Der Gouverneur der Provinz Süd-Cotabato will das Pro-
jekt aufgrund des Verbots von offenem Tagebau bisher
nicht erlauben.                                                    Bauern als Wasserwächter
                                                                   42 Farmer aus dem Hochland rund um den Mount Tipolog
vgl. Business World 19.02.2013
                                                                   in Mindanao sind formell zu Forstwächtern ernannt wor-

                                             Fisch & Vogel 80 – April 2013
5                                       Nachrichten
den. Sie waren mit Mitteln der amerikanischen USAID               Reserven zu haben für die Senatsnachwahlen am 13. Mai.
letztes Jahr ausgebildet worden. Die Farmer sollen in ihrer
                                                                  vgl. PST 24.03.3013, MindaNews 24.03.2013
Heimatgegend mithelfen, die Einhaltung der Regeln für
Wassereinzugsgebiete zu überwachen und die Behörden
mit ihren Beobachtungen, Fotos und Berichten in Schutz-           Deutschland will philippinische Pflegekräfte anwer-
und Waldwirtschaftsgebieten unterstützen.                         ben
vgl. MindaNews 22.03.2013                                         Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege hat die deut-
                                                                  sche Bundesagentur für Arbeit mit der Arbeitsverwaltung der
                                                                  Philippinen eine Vermittlungsabsprache zur Anwerbung von
Energieknappheit in Mindanao                                      Pflegekräften vereinbart. Die Vereinbarung orientiert sich
Während viele Regionen der Philippinen zur Earth Hour am          demnach am Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisati-
23. März für eine Stunde die Lichter ausknipsten und in Bu-       on (WHO). Dieser sieht vor, dass eine länderübergreifende
tuan City sogar über 100 enthusiastische Radler darauf auf-       Anwerbung von Gesundheitspersonal nur erfolgen soll, wenn
merksam machten, klagen die Bewohner Mindanaos über               im Ausgangsland kein Fachkräftemangel besteht. Die Pflege-
eine permanente und unfreiwillige Earth Hour. Mindanao lei-       kräfte sollen in ihrer Heimat sprachlich und kulturell geschult
det unter akuter Stromknappheit, acht- bis zehnstündige           werden und dieselben Vertragsbedingungen wie deutsche
Stromausfälle sind in manchen Regionen keine Seltenheit.          Pflegekräfte erhalten. Derartige Absprachen gab es bisher nur
Erschwerend kommt hinzu, dass zurzeit wenig Wasser aus            mit den Arbeitsverwaltungen von Kroatien und Serbien.
dem Lake Lanao zur Stromgewinnung abgelassen wird, um             vgl. KNA 20.03.2013, MB 22.03.2013

               Ökumenische Philippinenkonferenz in Bonn, 25. – 27. Oktober 2013
                                        zum Thema
                              „Friedensprozess in Mindanao“

Mit dem Bangsamoro-Rahmenabkommen vom 15. Oktober 2012 hat der Friedensprozess in Mindanao eine neue
Dynamik gewonnen. Die weiteren Entwicklungen in diesem Jahr, insbesondere nach den Wahlen im Mai, werden
spannend. Die Ökumenische Philippinenkonferenz plant, sich mit der Rolle und dem Beitrag von zivilgesellschaft-
lichen Initiativen zum Friedensprozess, der Aussöhnung und des friedlichen Zusammenlebens von Moro, Lumad
und Christen zu beschäftigen. Wir wollen über den Tellerrand Mindanaos schauen und uns fragen, ob wir in
Deutschland etwas von solchen Konflikten lernen können.
Die ÖPK lädt hiermit ein zur Diskussion auf der 29. Jahrestagung vom 25. – 27.10.2013. Getagt wird im Haus der
Begegnung der Evangelischen Akademie im Rheinland auf dem Heiderhof in Bonn - Bad Godesberg. Das Pro-
gramm wird rechtzeitig bekanntgegeben.

                                    ____________________________________

                                    Lory Obal kommt nach Deutschland
                                           7. Juni – 7. Juli 2013

Lory Obal wird vom 7. Juni bis 7. Juli 2013 neben diversen Terminen in Brüssel und Berlin etliche Diözesen Süd-
deutschlands (u. a. Augsburg, Bamberg, München, Speyer und Würzburg) besuchen. Die Führungspersönlichkeit
etlicher NGOs aus Kidapawan, Mindanao macht sich stark für eine nachhaltige, gerechte und friedliche Entwick-
lung der Philippinen. Sie vertritt dabei gleichermaßen die Interessen der indigenen, muslimischen wie auch christli-
chen Bevölkerung.
Weitere Informationen und Kontakt: Dieter Zabel (dieter.zabel@gmx.net)

                                             Fisch & Vogel 80 – April 2013
Politik                                                         6

                                     Neu-altes Konfliktpotenzial
                     Im ostmalaysischen Bundesstaat Sabah sorgen Mitglieder der
                        „Königlichen Armee des Sultanats von Sulu“ für Unruhe

                                                   Von Rainer Werning

Seit dem zweiten Februarwochenende herrscht Missstim-               ängig gewordenen Republik der Philippinen, der jeweiligen
mung zwischen den südostasiatischen Nachbarländern Ma-              Regierung in Manila das Recht, seinen Anspruch auf Sabah
laysia und den Philippinen. Die Diplomaten in den Haupt-            politisch und diplomatisch durchzusetzen. Zwar betrachtet
städten Kuala Lumpur und Manila sind tunlichst bemüht,              Manila deshalb Sabah nach wie vor als philippinisches Ter-
die Wogen zu glätten und die ansonsten reibungslosen                ritorium, eine Rechtsauffassung, die der Oberste Gerichtshof
nachbarschaftlichen Beziehungen wieder ins Lot zu bringen.          des Landes noch in einem Urteil vom 16. Juli 2011 bekräftig-
Grund für die Missstimmung: Am 9. Februar landeten zwi-             te, wenngleich man sich in Regierungskreisen stillschwei-
schen 100 und 300 – teils bewaffnete – Mitglieder (beide Sei-       gend damit abgefunden hatte, die Sabah-Frage als nicht
ten geben unterschiedliche Zahlen an) der „Königlichen Ar-          pressierend beziehungsweise „schlafend“ einzustufen und
mee des Sultanats von Sulu“ mit Motorbooten in Lahad Datu           sie in Zukunft einvernehmlich zu lösen. Schließlich wollte
und anderen Orten Sabahs an. Sie seien gekommen, ließ Sul-          man in beiderseitigem Interesse die zwischenzeitlich guten
tan Jamalul Kiram III durch seinen Sprecher verkünden,              Beziehungen nicht unnötig belasten.
ihre seit langem bestehenden Landbesitzrechte durchzuset-
                                                                    Malaysia lehnt es ab, die Sabah-Frage vor dem Internatio-
zen und ihr „Heimatland wieder in Besitz zu nehmen“.
                                                                    nalen Gerichtshof klären zu lassen, wie es beispielsweise
Bislang sind nach unterschiedlichen Berichten zwischen 66           Nur Misuari, der Gründungsvorsitzende der Moro Nationa-
und 80 Menschen bei den Auseinandersetzungen ums Leben              len Befreiungsfront (MNLF) vorgeschlagen hat. In Kuala
gekommen. Während die malaysischen Behörden diese Er-               Lumpur hält man eine Debatte darüber als gegenstandslos.
eignisse herunterspielen und bereits von einem Rückzug              Auffällig zurückhaltend ist das Echo seitens der ASEAN-
der Anhänger des Sultans sprechen, bezeichnet dieser dies           Staatengemeinschaft. Mit gutem Grund: Diese 1967 in der
im Gegenzug als Propaganda. Gegenüber der auflagenstar-             thailändischen Metropole Bangkok geschaffene Vereinigung
ken Tageszeitung Philippine Daily Inquirer erklärte Jamalul         südostasiatischer Staaten, der neben den Grün-
Kiram III kürzlich: „Wir bleiben vor Ort. Warum sollten wir         dungsmitgliedern Malaysia und den Philippinen mittler-
unsere Heimat verlassen? Tatsächlich bezahlen uns die Ma-           weile acht weitere Länder angehören, betrachtet jede Art
laysier dafür bis heute Miete.“ Diese beträgt jährlich 5.300        von Grenzverschiebung als tabu und wahrt in diesem Sinne
malaysische Ringgit (umgerechnet gut 1.700 US-Dollar oder           strikt eine Politik der Nichteinmischung in die inneren An-
77.000 Philippinische Peso) und wird von der Botschaft Ma-          gelegenheiten eines jeden Mitgliedslandes.
laysias in Manila per Scheck bezahlt.
                                                                    Seit Anfang der 1970er Jahre sind der Sulu-Archipel und die
Zum Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung: Im                Hauptinsel Mindanao die höchstmilitarisierten Gebiete im
Jahre 1658 vermachte der Sultan von Brunei seinem Kolle-            Süden der Philippinen. Lange Zeit herrschte dort ein erbit-
gen in Sulu jenes Territorium, das sich heute Sabah nennt –         tert geführter Bürgerkrieg. Zunächst war es die MNLF, die
als Dank dafür, dass Letzterer durch Entsendung von Trup-           für einen unabhängigen Staat kämpfte, dann aber endgültig
pen entscheidend dazu beigetragen hatte, eine Revolte in            im September 1996 ihren Frieden mit der Zentralregierung
Brunei niederzuschlagen. Am 22. Januar 1878 unterzeichne-           in Manila schloss. In all den Jahren hatte der Vorsitzende
te schließlich der Sultan von Sulu mit Vertretern der British       der MNLF, Nur Misuari, im libyschen Exil gelebt und wurde
North Borneo Company ein Abkommen, das Letzterer Sabah              in den Ländern des Nahen und Mittleren Osten als gern ge-
auf unbestimmte Zeit gegen eine jährliche Zahlung von               sehener Gast empfangen. Um sich wegen des Jabidah-Massa-
5.000 malaiischen Dollar „überließ“. Der Knackpunkt ist der         kers (siehe F&V 80, S. 14) zu revanchieren und Marcos bloß-
in der Tausug-Übersetzung verwendete Begriff „padjak“,              zustellen, gestatteten die Regierungen in Kuala Lumpur
was wörtlich „überlassen“, „verpachten“ oder „mieten“               Kombattanten der MNLF, Sabah als Trainingslager und
heißt. Im englischen Text indes ist von „grant and cede“ die        Rückzugsgebiet zu nutzen. Für diese und zahlreiche aus der
Rede, was hingegen „übertragen“ bzw. „abtreten“ bedeutet.           Sulu-See vor den Kampfhandlungen geflohenen Tausug er-
                                                                    öffnete die gesellschaftliche Integration in Sabah als Teil des
1946 trat die British North Borneo Company ihrerseits Sa-
                                                                    multiethnischen Malaysia eine neue Lebensperspektive.
bah an die Regierung in London ab, woraufhin der Sultan
von Sulu elf Jahre später das (Pacht-)Abkommen aufkündig-           Als Misuari und die MNLF von Manila kooptiert waren, sat-
te. Während die Bevölkerung in Sabah 1963 mehrheitlich für          telte Kuala Lumpur um und hofierte fortan die Moro Islami-
den Anschluss der Region an die neugeschaffene Föderation           sche Befreiungsfront (MILF), eine Abspaltung von der MNLF.
Malaysia votierte und dem Beitritt Sabahs als ostmalaysi-           Die MILF war mittlerweile zur größten und bedeutsamsten
schem Bundesstaat in diese zustimmte, übertrug der Sultan           muslimischen Gruppierung im Süden der Philippinen avan-
von Sulu, seit 1946 integraler Bestandteil der gerade unabh-        ciert. So fanden pikanterweise ausgerechnet unter der Ägi-

                                              Fisch & Vogel 80 – April 2013
7                                    Gesellschaft
de der malaysischen Regierung in Kuala Lumpur seit 1997           ten daraufhin, dass einige politische Protagonisten starkes
zunächst Waffenstillstands- und später Friedensverhand-           Interesse daran haben, eine solche Friedensregelung zu ka-
lungen zwischen der MILF und der Regierung in Manila              tapultieren. Schließlich stehen in Malaysia und den Phil-
statt.                                                            ippinen in wenigen Wochen Wahlen an, die bestimmte Poli-
                                                                  tiker auch und gerade dazu nutzen werden, aus Eigenintere-
Zum Durchbruch kam es dabei am 15. Oktober des vergan-
                                                                  ssen nationalistische Sentiments zu schüren.
genen Jahres. Ein von Manila und der MILF ausgehandeltes
Rahmenabkommen sieht vor, bis Mitte 2016 eine friedens-
                                                                  Der Autor ist Ko-Herausgeber des kürzlich in 4. Auflage im
vertragliche Regelung zu finden, die den Moros volle Auto-
                                                                  Berliner Horlemann Verlag erschienenen Handbuch Philippi-
nomie gewährt. Doch die aktuellen Ereignisse in Sabah deu-        nen – Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur.

                          Der Wunsch nach Gleichberechtigung
 In der 2000-jährigen Geschichte der Christenheit waren führende Tätigkeiten in Politik, Gesell-
 schaft und Kirche überwiegend maskulin besetzt. Frauen koordinierten vorwiegend den Haus-
  halt und waren im Alltag mit Reproduktion und Erziehungsaufgaben beschäftigt. Ein Streifzug
                                durch Widerstandsbewegungen.
                                      von Sophia Steinmetz und Carolin Blöcher

Die erste Welle der europäischen Frauenbewegung                   Zweite und dritte Welle unter veränderten gesell-
Erst mit der Französischen Revolution 1789 kristallisierte        schaftlichen Bedingungen
sich eine Bewegung heraus, die sich von den klassisch             Ausgehend von der Sozialistin Sigrid Rüger erhob sich in
verteilen Rollenbildern und dazu gehörigen Aufgaben               den 1970er Jahren eine neue Frauenbewegung, die den
verabschieden wollte, um eine Gesellschaft anzustreben,           Fokus auf das Recht des eigenen Körpers lenkte und mit
in der nicht nur Männer, sondern auch Frauen entschei-            der Kampagne „Ich habe abgetrieben“ für Aufsehen sorg-
den, regieren und Verantwortung tragen dürfen. Dürre-             te. In Demonstrationen und Streiks stritten die Akti-
perioden und Ernteausfälle führten in Kombination mit             vist_innen gegen konservative und patriarchale Züge in
angestiegenen Abgaben dazu, dass die Bevölkerung unter            der Gesellschaft.
starken Hungersnöten litt. Obwohl der „Zug der Markt-
                                                                  Im Zuge dessen klagten die Frauen ihr Recht ein, in allen
frauen nach Versailles“ im Juni 1798 zwar ursprünglich
                                                                  Instanzen mitentscheiden, den eigenen Körper verteidi-
daraus entstand [1], dass die Frauen schlichtweg um Nah-
                                                                  gen und das Leben nach eigenen Vorstellungen mitge-
rung für ihre Familien flehten, löste er als erste „Frauen-
                                                                  stalten zu dürfen. Ende der 1990er Jahre entflammte zu-
bewegung“ einen Wandel in der Gesellschaft aus.
                                                                  sätzlich der Wunsch nach gleichen Löhnen, gleichen Kar-
                                                                  rierechancen und dem Abbau der „gläsernen Decke“ [3].
Die Nachkriegszeit
Zahlreiche Versuche von Frauen in Wissenschaft und Po-            Daraus resultierte eine allgemeine Gesellschafts- und
litik folgten in den nächsten 150 Jahren. Insbesondere die        Wirtschaftskritik der „neuen“ Frauenbewegung, die ih-
Nachkriegszeit des 2. Weltkrieges prägte ein neues Frau-          ren Ursprung in der Hinterfragung der Macht des Man-
enbild und brachte eine kurzzeitige gesellschaftliche             nes, der kapitalistischen Ausbeute der Frauen und der
Veränderung.                                                      Stellung der Frau in der Gesellschaft hatte. Es war mitt-
                                                                  lerweile nicht nur Frauen, sondern auch Männern ein Be-
Während unzählige Männer die Nachkriegsjahre in Ge-               dürfnis, die Herkunft von klassischen Rollenbildern zu
fangenschaft verbrachten oder im Krieg fielen, organi-            erforschen und herauszufinden, weshalb der Typ „Frau“
sierten die hinterbliebenen Frauen den Wiederaufbau               beziehungsweise der Typ „Mann“ gesellschaftlich exis-
Deutschlands. Im Zuge der von den Alliierten initiierten          tierte oder gar zelebriert wurde. Damit war der Grund-
Demokratie wollten sogenannte „Frauenausschüsse“ ak-              stein für den wissenschaftlichen Bereich der „gender stu-
tiv an dem Aufbau der Demokratie teilhaben und den                dies“ geschaffen, der sich mit dem Themenkomplex des
Staat so mitgestalten, wie es bislang nur Männer taten            biologischen Geschlechtes in Zusammenhang mit der da-
[2]. Das Resultat war gigantisch: In der neuen Verfassung         mit verbundenen, gesellschaftlichen Assoziation beschäf-
der Bundesrepublik wurde die Gleichberechtigung von               tigt. Seitdem wird zwischen „sex“ (dem biologischen Ge-
Mann und Frau fest verankert. Doch die Gesellschaft ver-          schlecht) und „gender“ (dem sozialen Geschlecht) unter-
harrt nach wie vor in alten, patriarchalen Strukturen.            schieden. Es wird erforscht, wie sich Rollenbilder in All-
                                                                  tag und Sprache wiederfinden, welchen Einfluss Medien

                                            Fisch & Vogel 80 – April 2013
Gesellschaft                                                  8
auf die Wahrnehmung von Sexualität und Geschlecht                 verde, eine presbyterianische Studentin aus Iloilo [7]. Es
nehmen und wie der individuelle Mensch versuchen                  ist nicht bekannt, ob und wann sie ordiniert wurde. 1955
kann, aus Rollen-Festlegungen auszusteigen.                       wurde die erste Frau in der Philippinische Zentralkonfe-
                                                                  renz der Bischöflichen Methodistenkirche Gemeindedia-
Zudem schaffen seit den 1970er Jahren von vielen Seiten
                                                                  konin, was in dieser Kirche als hohes Amt angesehen
organisierte Gruppen und Frauenforen Rückzugsräume
                                                                  wird, das mit einer Ordination verbunden ist [8]. Diese
und geben ihnen Raum. Hier kann das Thema „sex und
                                                                  methodistische Kirche war eine der Vorläuferinnen der
gender“ immer wieder von anderen Standpunkten be-
                                                                  heutigen UCCP. Ein Jahr gewährte die Kirche Diakonin-
trachtet werden, um der Utopie einer Gesellschaft, in der
                                                                  nen das volle Ordinationsrecht, sodass sie nun auch Ge-
Geschlecht keine Rolle mehr spielt, einen Rahmen zu bie-
                                                                  meindeälteste werden konnten. 1971 wurde mit Cornelia
ten.
                                                                  Mauyao die erste Älteste in der Philippinischen Zentral-
                                                                  konferenz gewählt.
Gleichberechtigung im Raum der weltweiten Rö-                     Nach Rev. Vertucio wurde in den Vorläuferkirchen der
misch-katholischen Kirche                                         UCCP 1936 die erste Frau als Pastorin ordiniert [9]. Die
In der römisch-katholischen Kirche können Frauen bis              Verfassung der UCCP (entstanden 1948) ebenso wie wei-
heute nicht als Priesterinnen tätig sein, auf den Philippi-       tere Dokumente erlaubten dies von Anfang an. Erste Bi-
nen wie in Deutschland. Trotz dieses Mankos sind sie oft          schöfin der UCCP wurde 1998 Rev. Nelinda Primavera-
aktiv an der Gestaltung des Gemeindelebens beteiligt und          Briones. Die einzige weibliche Bischöfin, die heute in den
übernehmen ehrenamtliche Funktionen. Des Weiteren                 Philippinen lebt, ist Bishop Dulce Pia Rose vom Bezirk
gibt es katholische Theologinnen, von denen einige auch           Ost-Visayas.
als Professorinnen tätig sind, und aktive Gruppen und             Die einzelnen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in
Bewegungen, die sich für mehr Gleichberechtigung ein-             Deutschland (EKD) erlaubten Frauenordination ungefähr
setzen.                                                           ab den 1950er Jahren. Je nach Landeskirche variierte der
Auf den Philippinen gibt es im Bereich Kirche und Frau-           Zeitpunkt. Zuerst taten diesen Schritt die Evangelischen
enempowerment die Frauenabteilung der Gesellschaft                Kirchen der Pfalz und in Hessen und Nassau. Wie auch in
der Kirchenoberen der Philippinen (AMRSP [4]), der lan-           Staat und Betrieben hatten Frauen in der Kirche in er-
ge Sr. Mary John Mananzan vorstand. Dieselbe war auch             heblichem Umfang den Gemeindedienst an der Stelle von
Direktorin des Frauen-Studieninstituts des St. Scholastica        einberufenen Pfarrern versehen.
College in Manila und Vorsitzende der Organisation GA-
BRIELA. Das Institute for Women’s Studies bietet viele            Allerdings konnten lediglich unverheiratete (!) Theolo-
Kurse zu empowerment an und hat mittlerweile auch an-             ginnen im Angestelltenverhältnis, nicht als Beamtinnen
gefangen, Männer in die Arbeit mit einzubeziehen.                 wie ihre männlichen Kollegen, bestimmte Stellen über-
                                                                  nehmen. Sukzessive weitete sich der Aufgabenbereich
In Deutschland erreichen die beiden großen katholischen           aus und bald wurde gleiches Gehalt für Männer und Frau-
Frauenverbände Breitenwirkung. Die Katholische Frau-              en im Pfarrdienst vorgeschrieben. Erst in den 1960er und
engemeinschaft Deutschlands (kfd) und der Katholische             70er-Jahren wurde die volle rechtliche Gleichstellung
Frauenbund Deutschlands (KDFB) setzen sich für die ge-            von Pfarrerinnen erreicht [6]. Seither wächst die Zahl der
rechte Teilhabe von Frauen in der Kirche ein. Sie wollen          Studentinnen, Pfarrerinnen, Dekaninnen und Bischöfin-
Frauen stärken und in der Kirche Raum für ihre Bega-              nen stetig an. Zurzeit liegt die Zahl der Frauen im Pfarr-
bungen schaffen. Interessant ist aus dem Spektrum der             dienst in Evangelischen Landeskirchen bei etwas mehr
Kirchenvolksbewegungen die Aktion Lila Stola. Sie setzt           als 30 Prozent.
sich seit 1997 „für die volle Gleichberechtigung der Frau-        Seit den Anfängen der „Frauenbewegung“ im Raum der
en in der römisch-katholischen Kirche ein, das heißt Öff-         Kirchen wurde theologisch zum Thema Gleichstellung
nung des Ständigen Diakonats und des Priesteramts für             gearbeitet. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde ein Frauen-
Frauen und gleichberechtigter Zugang zu allen Leitungs-           studien- und bildungszentrum der EKD eingerichtet.
ämtern“ ein [5].                                                  Frauenreferate oder Gleichstellungsstellen in den ver-
                                                                  schiedenen Regionen kümmern sich um die Anliegen von
Gleichberechtigung im Raum der Protestantischen                   Frauen, je nach Ausrichtung sind Männer gleichermaßen
Kirchen auf den Philippinen und in Deutschland                    im Blick. Die Ansätze und Anliegen werden mittlerweile
In vielen Kirchen des Philippinischen Nationalen Kir-             auch in der universitären theologischen Forschung mehr
chenrates (NCCP) gibt es seit mehreren Jahrzehnten die            oder weniger zur Kenntnis genommen.
Frauenordination. Obwohl die Anzahl von Frauen in
kirchlichen Ämtern, vor allem in Leitungsfunktionen,              Ausblick
immer noch gering ist, nehmen diese selbstbewusst neue            Dennoch sind zum jetzigen Stand Frauen und Männer
Rollen ein.                                                       noch nicht gleichberechtigt. Allein in Deutschland liegt
Schon 1922 vergab das Union Theological Seminary der              nach wie vor die Lohndifferenz („gender pay gap“) von
UCCP einen Bachelor in Theologie an Macaria Cemonte-              Frauen im Vergleich zu Männern bei gleichem Angestell-

                                            Fisch & Vogel 80 – April 2013
9                             In eigener Sache
tenverhältnis und vergleichbarer Qualifikation bei etwa            Carolin Blöcher studiert Evangelische Theologie in Berlin und
23 Prozent [10]. Zudem wird das Recht des eigenen Kör-             ist Mitherausgeberin von Fisch und Vogel. Sie hat 2008-09 in
pers häufig in Frage gestellt. Frauen oder Männer fühlen           Manila gelebt und in der United Church of Christ in the Philip-
                                                                   pines (UCCP) gearbeitet. Im Rahmen ihres Studiums be-
sich vom jeweils anderen Geschlecht bedrängt, angegrif-            schäftigt sie sich auch mit Geschlechtergerechtigkeit und
fen oder sehen persönliche Grenzen als überschritten an.           Identität.
Daher sieht es die aktuelle Frauen- und Genderbewegung
                                                                   [1]www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewe-
nach wie vor als ihre Aufgabe an, patriarchale Strukturen          gung/35252/wie-alles-begann-frauen-um-1800.
aufzuklären und damit zu brechen und das Recht des                 [2]www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewe-
Körpers in den Fokus von kulturellen Debatten zu stellen.          gung/35275/neuanfang-im-westen.
Neuere Themen sind unter anderem das Infragestellen                [3] www.zeit.de/karriere/beruf/2012-06/frauen-management.
problematischer Identitätskonzepte, von Geschlechtsi-              [4] www.amrsp.org.
                                                                   [5]www.kfd-bundesverband.de; www.frauenbund.de; www.wir-
dentität und Sexualität.                                           sind-kirche.de.
Sophia Steinmetz setzt sich seit ihrem 16. Lebensjahr in der       [6]www.ekd.de/bevollmaechtigter/stellungnahmen/52400.html.
Frauen- und Genderbewegung im Rahmen ihres politischen             [7]www.uts-registrar.blogspot.com/2004/09/directory-uts-gra-
Engagements bei der GRÜNEN Jugend und der BUND Ju-                 duates-d-f.html.
gend für die Überwindung des Geschlechts und die Gleich-           [8]www.umc.org/site/apps/nlnet/content3.aspx?c=lw-
berechtigung aller Menschen ein und agierte 2011 als Frau-         L4KnN1LtH&b=5765535&ct=8116849.
en- und Genderpolitische Sprecherin der GRÜNEN Jugend              [9] Teresita B. Vertucio. "Leaders yet Subordinate: The Place
Rheinland-Pfalz.                                                   of Women Ministers in the Church“
                                                                   [10] www.equalpayday.de.

                                         Schreib-Weisen oder
                                                „Warum wir gendern“

                                                   von Carolin Blöcher

Die Diskussion um das gesellschaftliche Geschlecht und die         („Liebe Leser_innen“) entsteht ein Zwischenraum, in dem
Festlegung von Männern und Frauen auf bestimmte Rollen-            Menschen Platz haben, die aus der bipolaren Geschlechter-
bilder hat seit den 1970er Jahren auch die Sprache erreicht.       ordnung herausfallen. Gesprochen werden kann diese Form
Nach dem Philosophen Ludwig Wittgenstein schafft Sprache           mit Glottisstop (Kehlkopfverschlusslaut). Eine Sonderform
Wirklichkeit. Frauen stellten fest, dass sie sich durch            ist die Schreibweise „Filipin@s“ (sprich z.B. „Filipinos und
Sprechweisen von Bürgern, Studenten oder Lesern nicht re-          Filipinas“), die wir durchgehend verwenden.
präsentiert, nicht „gemeint“ fühlten - und begannen zu pro-        Es geht dabei nicht um Verkomplizierung von Sprache, son-
testieren. Neue Sprachformen zu entwickeln war ein Akt,            dern um ein kreatives Einbeziehen und die Veränderung des
Sichtbarkeit einzufordern und Raum für sich einzunehmen.           Bewusstseins. An welche Menschen denke ich beim Lesen
Dabei entstanden mehrere Schreib- und Sprechweisen mit             oder Hören eines Textes? Das Verständnis des generischen
unterschiedlichen Vor- und Nachteilen: Die Nennung beider          Maskulinums als alle Geschlechter einschließend setzt ein
Geschlechter („Liebe Leserinnen und Leser“) macht alle             hohes Abstraktionsvermögen voraus. Viele Menschen haben
sicht- und hörbar. Das Binnen-I („Liebe LeserInnen“) sorgt         bei „Studenten“ vor allem Männer („male bias“) vor Augen.
für ein nicht wesentlich längeres Schriftbild und betont ex-       Durch gegenderte Sprache kann dies bewusst gemacht und
plizit die weiblichen Angeredeten. Ähnlich sind Schräg-            verändert werden. Es geht um die Umsetzung von sprachli-
strich und Klammer zu verstehen („Liebe Leser/innen“,              cher Gleichstellung, um die Teilnahme von Frauen und an-
„Student(innen)“). Die Partizipialform („Studierende“)             deren Gruppen an gesellschaftlichen Aktivitäten zu signali-
schafft ein neues neutrales Wort, das weder exklusiv masku-        sieren. Dies erfordert Kreativität, Sprachgefühl und die Be-
lin noch feminin besetzt war. Auch Synonyme (Kollegium             reitschaft, Formulierungsgewohnheiten zu verändern.
statt Lehrer) werden gebraucht. Ebenso gibt es abwechseln-         Die deutsche Sprache legt Geschlecht grammatikalisch fest.
de Nennungen von femininen und maskulinen Gruppen                  Im Englischen ist dies anders. Hier gibt es nur selten unter-
(Professorinnen und Studenten). In jüngerer Zeit findet eine       schiedliche Bezeichnungen für Frauen und Männer. In
Öffnung hin zu Geschlechterpluralität statt: Nicht alle Men-       Tagalog, einer der philippinischen Sprachen, besteht für die
schen werden mit eindeutigen Geschlechtsmerkmalen gebo-            dritte Person Singular statt zwei oder mehr Personalprono-
ren. Es gibt viele verschiedene Formen der Intersexualität.        men nur eines: „siya“. Daher auch die häufige Verwechslung
Die Angaben über Zahlen im deutschen Raum gehen weit               von „he“ und „she“ im Englischen durch Filipin@s. Insofern
auseinander. Aus solchen und anderen Identitäten (wie bei-         ist Tagalog in Bezug auf geschlechtsspezifische Bezeichnun-
spielsweise Transsexualität) entstand der Wunsch, die vor-         gen sprachlich offener.
handenen Formen der inklusiven Sprache zu erweitern.               Allerdings sieht dies bei den gesellschaftlichen Rollen auf
Durch einen Unterstrich, die sogenannte “gender gap“               den Philippinen anders aus: Festgefügte Gender-Rollen fin-

                                             Fisch & Vogel 80 – April 2013
In eigener Sache                                             10
den sich in der Schule, beim Daten, in Ehe und Familie. 2011     „denn ihr seid alle eins in Christus Jesus“. Was früher Sta-
besetzte der Inselstaat Platz 8 von 135 auf dem Global Gen-      tusunterschiede waren, spielt jetzt keine Rolle mehr. So be-
der Gap Index, bemerkenswerterweise vor Deutschland              gründet sich auch aus der Bibel die Gleichheit der Ge-
(Platz 11) [1]. Es gab auf den Philippinen keinen Unterschied    schlechter. Maßgeblich ist ebenso die biblische Geschichte
mehr zwischen den Geschlechtern, was Bildung und Ge-             vom Ostermorgen. Der auferstandene Christus erscheint zu-
sundheit betrifft. Außerdem wurden politische Partizipation      erst den Frauen und schickt sie zu den Jüngern, um ihnen
und ökonomische Führung von Frauen hervorgehoben.                die Botschaft von seiner Auferstehung zu verkündigen. Wel-
Auch wenn es also einen hohen weiblichen Anteil in Füh-          che größere Wertschätzung von Frauen in der Gemeinde
rungspositionen gibt werden diese Frauen oft erst durch          kann man sich vorstellen?
Verwandte oder Ehepartner populär, die bereits in Politik        Ein Weg hin zu einer Gesellschaft, in der das eigene Ge-
und Gesellschaft engagiert sind. Traditionelle Zuschreibun-      schlecht kein Hindernis für Partizipation mehr ist, ist
gen von Dominanz und Unterordnung findet sich weiterhin.         sprachliche Einbeziehung. Dasselbe gilt für den kirchlichen
Außerdem gehen immer noch nur 51 Prozent der Frauen ar-          Raum. Menschen unterschiedlicher Gruppen wollen nicht
beiten, im Gegensatz zu 80 Prozent der Männer [1].               mehr „mitgemeint“ sein (so ein häufig angeführtes Argu-
Auch in Deutschland liegt noch einiges im Argen. Beispiel-       ment gegen geschlechtersensible Sprache), sondern aktiv in
haft sei der Einkommensunterschied genannt. Innerhalb der        Sprache vorkommen. Dem möchten wir als Redaktion von
EU nehmen Deutschland, Österreich und Großbritannien die         Fisch und Vogel Rechnung tragen.
hinteren Rangplätze im Hinblick auf die Angleichung der          In Deutschland verwenden heute viele öffentliche Institu-
Einkommen von Frauen und Männern ein. Viele Bürger_in-           tionen, Universitäten, Zeitungen und Einzelpersonen ge-
nen sind sich nicht bewusst, dass diese Ungleichbehandlung       schlechtergerechte Sprache in der einen oder anderen
im 21. Jahrhundert immer noch besteht.                           Form. Ministerien und Kirchen empfehlen sie. Das Thema
Theologisch begründet sich das Nachdenken über Ge-               „Gender“ ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und
schlechtergerechtigkeit daraus, dass alle Menschen als           wird uns weiter beschäftigen. Fisch und Vogel möchte dabei
Ebenbild Gottes geschaffen sind. Hierauf beruht nicht zu-        richtungsweisend mitgestalten. Wir freuen uns über Ihre
letzt auch die Idee von der unveräußerlichen Menschen-           Unterstützung, liebe Leser_innen!
würde im säkularen Raum. In Genesis 1,27 werden explizit
Mann und Frau gemeinsam als Geschöpfe Gottes bezeichnet,         [1]http://www3.weforum.org/docs/WEF_GenderGap_Report_
die Gottes Bild gleich sind. Galater 3,26-28 konstatiert, dass   2011.pdf; vgl. auch Bundesministerium für Familie, Senioren,
in der christlichen Gemeinde „nicht mehr Jude noch Grie-         Frauen und Jugend, Gender Datenreport, Kommentierter Da-
che, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau“ sind        tenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der
                                                                 Bundesrepublik Deutschland, München 2005.

                                 Fremde Nähe – nahe Fremdheit
                                               Filipinas in Deutschland

                                                 von Mary Lou U. Hardillo

Die ersten Ankömmlinge aus den Philippinen in Deutsch-           nie darum, Devisen – D-Mark und Dollars – in großem Stil zu
land waren medizinisches Personal. Krankenschwestern,            ergattern, um die in noch größerem Stil verursachten Kos-
Ärztinnen, medizinisch-technische Assistentinnen (MTAs)          ten der Auslandsverschuldung zu tilgen. Allein im Jahr 2012
und Krankenpflegerinnen kamen um Engpässe in der bun-            betrugen die von der Philippinischen Zentralbank offiziell
desdeutschen Gesundheitsversorgung zu schließen. Das ge-         erfassten Rücküberweisungen von Filipin@s, den so ge-
schah Mitte der 1960er Jahre und dauerte bis etwa 1975. Au-      nannten OFWs oder Overseas Contract Workers (OCWs), in ihre
ßerdem kamen damals zahlreiche philippinische Seeleute           Heimat umgerechnet über 20 Milliarden US-Dollar – der mit
nach Deutschland und Europa. Mit der Ölkrise Mitte der           Abstand größte Devisenbringer für das Land!
1970er Jahre endete die gezielte Anwerbung und Beschäfti-
                                                                 Aus diesem Grund titulierte bereits Präsidentin Corazon
gung von „Gastarbeiter_innen“. Diese Krise vermochte den
                                                                 Aquino (1986 – 92) die OFWs als „neue Helden“, während
unternehmungslustigen Geist der Filipin@s, insbesondere
                                                                 Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo (2001–2010) diese
der Filipinas, keineswegs zu dämpfen, die gleichzeitig mit
                                                                 auch gern als „lebende Helden“ bezeichnete. Angemessener
ihrer eigenen Krise, Unterbeschäftigung und Arbeitslosig-
                                                                 wäre es indes, von „Märtyrer_innen“ zu sprechen, weil sie
keit während der Kriegsrechtsära unter dem Marcos-Re-
                                                                 ihre Familien, Freunde, Sicherheit und Gewohnheiten auf
gime (1972 – 81) zu kämpfen hatten.
                                                                 der Suche nach Arbeitsstellen im Ausland opfer(te)n und
Overseas Filipino Workers (OFWs)                                 vielfach riskier(t)en. Nach ihrer Rückkehr finden sie nur all-
                                                                 zu oft aus den Fugen geratene Familien vor: Männer, zwi-
Vermittlungsbüros für Arbeiten im Nahen Osten und Europa
                                                                 schenzeitlich zu Alkoholikern geworden sind, Kinder mit
schossen damals wie Pilze nach einem warmen Regenguss
                                                                 abgebrochener Schulausbildung oder enge Verwandte, die
aus dem Boden. Die philippinische Regierung unterstützte
                                                                 das überwiesene Geld verspielen oder anderweitig unpro-
solche Maßnahmen gezielt. Ihr nämlich ging es in erster Li-

                                               Fisch & Vogel 80 – April 2013
11                                     Gesellschaft
duktiv einsetzen. Viele OFWs leben im Ausland in ständiger        nil José, als „350 Jahre im Konventsmief“ beschrieb, und 50
Angst, deportiert zu werden, ihre Jobs zu verlieren oder in       Jahren US-amerikanischer Herrschaft (1898 – 1946), also
prekären Situationen, die Gewalterfahrungen mit einschlie-        „nahezu ein halbes Jahrhundert unter Hollywood“, geriet
ßen. Und diese Lebensverhältnisse dulden sie nicht nur für        diese wichtige Rolle der Frauen in Vergessenheit. Immerhin
sich, sondern mehr noch für die Belange der daheim geblie-        bedarf es keiner großen Vorstellungskraft, um zu verstehen,
benen Familienmitglieder.                                         weshalb philippinische Ehefrauen auch als Kumander, Be-
                                                                  fehlshaberin, gelten.
Leben in Germoney
                                                                  Mit dem Konzept von Gleichberechtigung folgen wir Werten
Nach dem Anwerbestopp von „Gastarbeiter_innen“ folgte
                                                                  und Traditionen im Sinne von Bayanihan, ehrenamtliche Tä-
eine relativ romantische Zeit zwischen Deutschland und den
                                                                  tigkeiten gemäß dem Prinzip der Gegenseitigkeit von Geben
Philippinen. Viele deutsche Männer waren zu der Zeit ge-
                                                                  und Nehmen, sowie Damayan, dem Mitgefühl für Menschen
sund, hatten gute Jobs und waren auf der Suche nach je-
                                                                  in misslichen Situationen. Filipin@s sind überaus gesellige
mandem, mit der oder dem sie ihr Glück teilen wollten. Die
                                                                  Wesen, die das Gefühl schätzen, einem kleinen Freundes-
so genannte Heiratsmigration erlebte eine Hoch-Zeit –
                                                                  kreis, einer Gemeinde oder einem eingetragenen Verein zu-
durch entsprechende Vermittlungsbüros oder persönliche
                                                                  gehörig zu sein. Das ist sehr wichtig für uns. So können wir
Kontakte. Solche Geschäfte sind zwar in den Philippinen
                                                                  uns jederzeit über Probleme zu Hause austauschen und ver-
verboten, florieren aber besonders in Zeiten des Internets,
                                                                  ständigen, die von den kleinsten Dingen des Lebens bis hin
wo Mann per Mausklick Frauen aller Nationalitäten ansehen
                                                                  zu Erfolgsgeschichten von Verwandten und Nachbarn rei-
und als Partner „ordern“ kann.
                                                                  chen.
Heute findet man Filipinas in Deutschland als Kranken-
                                                                  Wir fühlen uns buchstäblich inter-connected mit anderen
schwestern, Verkäuferinnen, Sängerinnen, Krankenpflege-
                                                                  Menschen. Es gibt gewiss auch Frauen, die aus Angst und
rinnen, Hausfrauen, Studentinnen, domestic workers, Hilfs-
                                                                  Furcht vor Tsismis, der brodelnden Gerüchteküche, keine
kräfte und Geschäftsfrauen. Als Sprösslinge einer Umge-
                                                                  engen freundschaftlichen Beziehungen pflegen (wollen).
bung mit einer reichen Tradition von Fiestas, Geselligkeiten
                                                                  Doch ein Leben ohne Tsismis, ohne Tratschen – besonders
und verwestlichtem Lebensstil gelingt es den meisten Filipi-
                                                                  am Telefon – ist überaus langweilig und läuft letztlich auch
nas mühelos, sich an das hiesige Leben zu gewöhnen und
                                                                  unserer Tradition als oral society zuwider.
sich anzupassen – zumal dann, wenn solche Begegnungen
innerhalb einer familiären Umgebung, in Freundeskreisen           Selbstorganisation und politische Anliegen – Europa
oder in christlichen Gemeinden stattfinden.                       weit und national
Beobachtet man diese sozialen Begegnungen näher, so stellt        Seit nunmehr über 20 Jahren existiert mit Babaylan ein Phil-
sich vielfach heraus, dass sie meistens von Filipinas initiiert   ippinisches Frauennetzwerk in Europa mit Mitgliedern aus
und durchgeführt werden. Wir feiern Fiestas, Kulturfeste          zehn Ländern.
und Tanzabende zur Unterstützung karitativer Projekte in
                                                                  Im September 1992 wurde in Barcelona auf einer ersten eu-
den Philippinen. Viele Organisationen behaupten, sie unter-
                                                                  ropaweiten Tagung philippinischer Migrantinnen, deren
stützen den Bau von Kirchen, Schulen, Krankenhäusern zu
                                                                  Mitglieder auf bundesrepublikanischer Ebene im Philippine
Hause und helfen Straßenkindern sowie Opfern von Natur-
                                                                  Women's Forum Germany e. V. zusammengeschlossen sind, in
katastrophen. Sie schicken Kleidungsstücke, medizinisches
                                                                  der Resolution festgehalten: „Nachdem wir unsere Er-
Gerät, Medikamente und andere wohltätige Dinge. Es gibt
                                                                  fahrungen ausgetauscht und die Berichte unserer Schwes-
mittlerweile auch Filipinas, die Mitglieder lokaler Auslän-
                                                                  tern gehört haben, haben wir erkannt, dass die sich ver-
derbeiräte sind und sich ehrenamtlich für die Belange ihrer
                                                                  schlechternde ökonomische Situation in den Philippinen,
Ko-Filipinas und anderer Migrantinnen engagieren.
                                                                  die soziale und politische Krise uns dazu getrieben haben,
Pflegenswerte Tradition                                           das Land zu verlassen – die einzige Möglichkeit, ein besseres
                                                                  Leben zu führen. Die neue internationale ökonomische Ord-
Im Gegensatz zu dem verbreiteten Klischee unterwürfiger
                                                                  nung, welche die Kluft zwischen reichen und armen Län-
und anschmiegsamer asiatischer Frauen existiert eine Tra-
                                                                  dern weiter vertieft, hat den Bedarf an Arbeitskräften aus
dition der starken einheimischen Frau. In unserer philippi-
                                                                  Dritte-Welt-Ländern noch vergrößert, und es zeigt sich ein
nischen Gesellschaft gab es eine Tradition der Gleichberech-
                                                                  Trend der verstärkten Migration von Frauen [...]. Unsere Er-
tigung zwischen Mann und Frau schon bevor die spanischen
                                                                  fahrungen sind lebendige Zeugnisse der verschiedenen For-
Konquistadoren ihren Fuß auf unsere Inseln setzten (1521 –
                                                                  men von Unterdrückung und Ausbeutung, vom Durchhalte-
1898). Frauen konnten Kinder bekommen, ohne verheiratet
                                                                  vermögen als Frauen, als Migrantinnen, als Frauen in
zu sein. Es gab ein Scheidungsrecht, wonach Frauen ihren
                                                                  Mischehen und als farbige Migrantinnen in Europa.“
Mädchennamen behalten und nach der Heirat auch über ei-
genen Besitz allein verfügen konnten. Darüber hinaus be-          Seit der Gründung von Babaylan setzt sich dieses in Form
haupteten sie sich in wichtigen politischen und Führungs-         von Kampagnen und advocacy work für Anliegen wie das ei-
positionen. Es gab die so genannten Babaylanes oder Catalo-       genständige Aufenthaltsrecht für Ehefrauen und Migrantin-
nan, lokale Priesterinnen und Heilerinnen, die bedeutsame         nen, den Schutz sowie die Anerkennung sogenannter non-
soziale, religiöse und politische Funktionen ausübten.            documented migrants ein. Überdies koordinieren wir unser
                                                                  Engagement mit anderen Migrantinnen-Organisationen im
Nach 350 Jahren spanischer Kolonialherrschaft, die unser
                                                                  Sinne der Belange von Haushälterinnen und Au-Pairs und
bekanntester zeitgenössischer Schriftsteller, Francisco Sio-
                                                                  fordern den Stopp von Kinderprostitution und Frauenhan-

                                                Fisch & Vogel 80 – April 2013
Gesellschaft                                                 12
del.                                                             gibt Techniken zur Selbstbehauptung. Schau’ jeden Tag in
                                                                 den Spiegel und sag’: Mary John, du bist gut und schön, OK?
Neben unseren Trainings- und Workshop-Angeboten wie
                                                                 Wir haben nur das eine kurze Leben, warum verschwenden
dem Basic Women`s Orientation-Training leisten wir Informa-
                                                                 wir es mit Feindseligkeit, mit negativen Gedanken, mit ge-
tionsarbeit und bieten Diskussionsforen zu einer Vielzahl
                                                                 genseitigen Beleidigungen, mit gegenseitigem Hass, mit Ei-
von Themen an wie: das Wahlrecht für Filipinos und Filipi-
                                                                 fersucht, im Berufsleben und in anderen Bereichen? Eine
nas im Ausland; Gewalt gegen Frauen; Situation von Filipi-
                                                                 gegenseitige Stärkung bedeutet nicht nur die negative Seite,
nas in anderen EU-Ländern sowie Economic Empowerment für
                                                                 nämlich nicht gemein zueinander zu sein, sondern auch die
Migrantinnen; Frauensexualität und Spiritualität. Dabei ste-
                                                                 positive Seite, was kann ich tun, um andere Menschen auf-
hen solche Fragen im Mittelpunkt: Wie können wir uns und
                                                                 blühen zu lassen? Sie ist befreiend. Wie kannst Du andere
andere Migrantinnen besser und dauerhaft ermächtigen?
                                                                 Frauen befreien, wenn Du selbst es nicht bist? Das ist für
Was bedeutet eigentlich eine empowered Filipina?
                                                                 mich die wichtigste Tugend jedes Menschen, innerlich frei
„Kollektive und subversive Erinnerung“                           zu sein. […] Sie ist öst(er)lich, Spiritualität ist nicht Perfekti-
                                                                 on, sie ist ein Sich-Ausliefern. Wenn man Spiritualität zu-
Die Hauptrednerin der zehnjährigen Jubiläumsveranstal-
                                                                 sammenfassen möchte, so ist sie leidenschaftlich und mit-
tung war die Benediktinerschwester Mary John Mananzan,
                                                                 fühlend.“
Direktorin des Institute of Women's Studies am St. Scholastica
College in Manila und damals nationale Vorsitzende der           Leiten lassen wir uns bei all unserem Tun von Sister Mary
Frauenorganisation GABRIELA. Ihre inspirierende Rede be-         Johns bedenkenswertem Rat: „Wir haben eine kollektive
gann sie mit Blick auf die Realität, dass es „Unterordnung,      und subversive Erinnerung an unsere equality – Gleichbe-
Diskriminierung, Ausbeutung und Unterdrückung von Frau-          rechtigung. Dies ist keine westliche, sondern unsere eigene,
en gibt, graduell unterschiedlich, aber durchgängig in sämt-     philippinische Tradition, die wir aus der Vergangenheit zu-
lichen Klassen, ‚Rassen‘, Konfessionen und Nationalitäten.       rückbringen, in die Zukunft transportieren und zu neuem
Es ist ein ideologisches, strukturelles und globales Problem.“   Leben erwecken wollen“.
Doch dabei beließ sie es nicht. Schwester Mary John sprach
                                                                 Mary Lou U. Hardillo war zeitweilig Chairperson von Babaylan
aus dem Stehgreif energisch über Frauen und Spiritualität.       und ist langjährige Vorsitzende des Philippine Women's Fo-
„Jede Frau sollte ein gesundes Selbstbewusstsein haben.          rum Germany e. V. Sie arbeitet als Übersetzerin, Dolmetsche-
Wenn Frauen Selbstvertrauen haben, werden sie keine für          rin, interkulturelle Trainerin & Philippinen-Dozentin an der
sie erniedrigende Beziehung eingehen. Definiert Euch nicht       Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) in Bad
durch einen Mann. Definiert Euch durch Euch selbst [...]. Es     Honnef.

                        Politische Verfolgung auf „Rechtswegen“
  Mittels fabrizierter Anklagen und illegaler Verhaftungen versucht der philippinische Staat linke
        Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen zum Schweigen zu bringen.
                                         von Hannah Wolf und Maike Grabowski

Menschenrechte (nicht) für alle                                  Dämonisierung von politischen Aktivist_innen
„Wir werden die Rechte aller schützen, selbst derer, die ge-     Die politische Verfolgung von eben diesen Aktivist_innen
gen uns sind“, versprach der philippinische Präsident Beni-      folgt einem sorgfältig etablierten Muster, in dem allenfalls
gno C. Aquino im Juli 2012. Ein willkommenes Versprechen,        der Modus und die Intensität der systematischen Verfolgung
dass jedoch in scharfem Kontrast zu Statistiken über Men-        variieren. Vor dem Hintergrund bewaffneter Konflikte und
schenrechtsverletzungen und somit den Schicksalen von Op-        einer umfangreichen militärischen Kampagne zur Auf-
fern und ihren Angehörigen steht. Seit Beginn von Aquinos        standsbekämpfung (Operation Bayanihan), dämonisieren
Amtszeit im Jahre 2010 hat die Menschenrechtsallianz KA-         staatliche Akteur_innen politische Aktivist_innen als Staats-
RAPATAN 129 politisch motivierte Morde, 12 Fälle von Ver-        feinde und kommunistische Terrorist_innen. Kritische
schwindenlassen und 239 illegale Verhaftungen mit Inhaftie-      Nicht-Regierungsorganisationen und Kirchen werden als
rung dokumentiert [1]. Unter den Opfern sind häufig diejeni-     Frontorganisationen des kommunistischen Aufstandes ge-
gen, die dem Staat kritisch gegenüberstehen und die Einhal-      brandmarkt.
tung sowie den Schutz fundamentaler Rechte fordern. Es
                                                                 Diese Rhetorik („Red-Baiting“ [2]) schafft ein klares Feind-
sind politisch engagierte Menschen, die für gerechte Arbeits-
                                                                 bild und suggeriert eine Gefahrensituation, in der die natio-
löhne, für ihr Recht auf Land, gegen transnationale Konzerne
                                                                 nale Sicherheit gleichsam von bewaffneten Guerillas sowie
und deren zerstörerischen Bergbauaktivitäten kämpfen oder
                                                                 von friedlichen Aktivist_innen bedroht wird.
für umfassende politische Veränderungen. Besonders betrof-
fen sind Aktivist_innen linksgerichteter politischer Parteien    Diese Dämonisierung erlaubt es, Aktivist_innen außerhalb
und Organisationen.                                              der Legalität zu platzieren und eröffnet einen rechtsfreien

                                               Fisch & Vogel 80 – April 2013
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