AKTIONEN, ERFOLGE, ZAHLEN + FAKTEN. DAS JAHR 2018 - RECHENSCHAFTSBERICHT - Amnesty International

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AKTIONEN, ERFOLGE, ZAHLEN + FAKTEN. DAS JAHR 2018 - RECHENSCHAFTSBERICHT - Amnesty International
AKTIONEN, ERFOLGE,
ZAHLEN + FAKTEN.
DAS JAHR 2018
RECHENSCHAFTSBERICHT
AKTIONEN, ERFOLGE, ZAHLEN + FAKTEN. DAS JAHR 2018 - RECHENSCHAFTSBERICHT - Amnesty International
SPENDENKONTO:
                                                                                  Amnesty International
                                                                               Bank für Sozialwirtschaft
                                                                  IBAN: DE23 3702 0500 0008 0901 00
                                                                                 BIC: BFS WDE 33XXX

     AMNESTY INTERNATIONAL setzt sich
     auf der Grundlage der Allge-
     meinen Erklärung der Men-
     schenrechte für eine Welt ein,
                                        IMPRESSUM
     in der die Rechte aller Men-       © Amnesty International Deutschland e.V.
     schen geachtet werden. Die         V.i.S.d.P.: Anton Landgraf
                                        Redaktion: Sylvia Degen, Mascha Rohner,
     Stärke der Organisation liegt im   Birgit Stegmayer
     Engagement von weltweit mehr       Lektorat: Wera Reusch
     als sieben Millionen Menschen      Redaktionelle Mitarbeit: Ramin Nowzad,
                                        Ralf Rebmann, Stefan Wirner
     unterschiedlicher Nationalitä-     Gestaltung: schrenkwerk.de
     ten und Kulturen. Gemeinsam        Druck: Hofmann Druck Nürnberg
                                        Art.Nr.: 04019
     setzen sie Mut, Kraft und          Titelfoto: Amnesty auf der #unteilbar-
     Fantasie für eine Welt ohne        Demonstration am 13. Oktober 2018
                                        in Berlin.
     Menschenrechtsverletzungen
                                        Foto: Jarek Godlewski / Amnesty
     ein. 1977 erhielt Amnesty den
     Friedensnobelpreis.

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                                                                                                                            Foto: Jarek Godlewski / Amnesty

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LIEBE
FREUND_INNEN,
»Öffnen Sie Ihre Zeitung an einem beliebigen Tag und
Sie werden auf eine Meldung stoßen, über jemand, der
irgendwo in der Welt bedroht, willkürlich inhaftiert, gefol-
tert oder getötet wurde, nur weil eine Äußerung, seine
Ansichten oder sein Glaube seiner Regierung nicht gefal-
len.« Als der britische Rechtsanwalt Peter Benenson dies
feststellte, wollte er es nicht ohnmächtig hinnehmen –
er wurde aktiv und gründete 1961 Amnesty International.
Basis von Amnesty war die 1948 von der UN-Vollver-
sammlung verabschiedete Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte: »Alle Menschen sind gleich und frei an
Würde und Rechten geboren.« Peter Benenson war über-
zeugt: Wo immer diese Rechte verletzt werden, müssen
sich nicht nur alle Regierungen für diese Menschen ein-

                                                                                                                               Foto: Sarah Eick / Amnesty
setzen: Jede und jeder von uns ist gefragt (Seite 29).
    Millionen von Menschen weltweit sehen dies genauso:
Rechtsanwält_innen, Gewerkschafter_innen, Studierende,
Eltern und die Nachbarschaft werden für bedrohte Men-
schen aktiv, ob mit Amnesty oder in anderer Form, ob in         te« dieses wichtige Bekenntnis an öffentliche Orte getra-
der Nähe oder am anderen Ende der Welt. Auch dann,              gen, Mahnwachen organisiert, Tausende Menschen zu Ak-
wenn sie sich in repressiven Staaten selbst Gefahr aus-         tionen eingeladen und Menschenrechtsverteidiger_innen
setzen, weil sie Bedrohten beistehen und deren Rechte           in aller Welt unterstützt (Seite 8).
einfordern. Sie alle nennen wir Menschenrechts-                     Und es reicht nicht, die Menschenrechte gegen
verteidiger_innen.                                              diejenigen zu verteidigen, die das Rad der Zeit zurück-
    Seit dem Jahr 1998 stehen sie unter besonderem              drehen wollen. Es braucht auch die Sicherung der
Schutz: Die UN-Erklärung zum Schutz von Menschen-               Menschenrechte für die Zukunft der digitalen Moderne:
rechtsverteidiger_innen schützt alle, die sich für die Rechte   Künstliche Intelligenz, der Schutz unserer Daten und der
und den Schutz von bedrohten Menschen einsetzen. Den-           Privatsphäre sind Herausforderungen, die Amnesty mit
noch: Wer Menschenrechtsverletzungen anprangert, muss           speziellen Expert_innenteams bearbeitet. Wie auch die
selbst Gewalt fürchten. Mit einer Kampagne will Amnesty         Frage, wie wir uns Technologie zunutze machen können.
Menschenrechtsverteidiger_innen unterstützen, wo auch           Ein Weg: unser »Digital Verification Corps«, das die
immer sie bedroht werden – sei es in Mexiko, Indien, im         Echtheit von Bildern von Kriegsverbrechen und anderen
Sudan oder in Ägypten. Dort sind beispielsweise Folter und      Gewalttaten prüft (Seite 16).
Misshandlungen durch Sicherheitsbehörden an der Tages-              Die folgenden Seiten sollen einen Einblick in Amnestys
ordnung. Unerschrocken setzen sich deshalb die Beschäf-         vielfältige Aktivitäten und einige der Erfolge des vergange-
tigten des Nadeem-Zentrums in Kairo für Folterüberlebende       nen Jahres geben. Es sind der Einsatz vieler ehrenamt-
ein. In der Klinik des Zentrums erhalten diese psychologi-      licher Mitglieder und engagierter Unterstützer_innen von
sche und medizinische Betreuung. Die ägyptischen Behör-         Amnesty International sowie die Spenden und Beiträge
den schlossen jedoch 2017 unter Vorwänden die Klinik.           Tausender, die dies gemeinsam erreichen.
Für ihren Einsatz und Mut erhielten die Leiterinnen Dr.             Dafür ein herzliches Dankeschön! Wir machen weiter.
Mona Hamed, Dr. Aida Seif al-Dawla, Dr. Magda Adly und
Dr. Suzan Fayad im vergangenen Jahr den Menschenrechts-            Ihr
preis der deutschen Amnesty-Sektion (Seite 18).
    Der heutige Blick in Zeitung und Internet zeigt: Es
braucht mehr Verteidiger_innen der Menschenrechte.
Auch in Europa. Amnesty-Mitglieder haben mit der Kam-           Markus N. Beeko
pagne »70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrech-          Generalsekretär, Amnesty International in Deutschland

                                                                                                                           3
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ERFOLGE WELTWEIT

                                                            IRLAND: Damit hatte fast niemand gerech-
                                                            net: Im Mai 2018 stimmten 66,4 Prozent
                                                            der Wahlberechtigten in Irland dafür, das
                                                            Abtreibungsrecht zu liberalisieren.
                                                            Schwangerschaftsabbrüche sind nun bis
                                                            zur zwölften Woche straffrei. Amnesty
                                                            hatte lange für die Verfassungsänderung
                                                            gekämpft. Das irische Abtreibungsrecht
                                                            zählte zu den strengsten Europas:
                                                            Schwangerschaftsabbrüche waren selbst
                                                            nach Vergewaltigung oder Inzest verbo-
                                                            ten.

    USA: Donald Trump be-
    schimpfte ihn als »Huren-
    sohn«, Amnesty ehrte ihn mit
    einem Preis: US-Footballstar
    Colin Kaepernick wurde
    2018 zum »Botschafter des Gewissens«
    (Ambassador of Conscience) ernannt.
    Der Titel ist die höchste Auszeichnung,                              EL SALVADOR: Eine Fehlgeburt
    die Amnesty vergibt. Kaepernick hatte                                brachte Teodora del Carmen
    sich 2016 vor seinen Spielen bei der Na-                             Vásquez ins Gefängnis, im
    tionalhymne niedergekniet, um gegen                                  Februar 2018 kam sie end-
    Rassismus und exzessive Polizeigewalt                                lich frei. Das Oberste Gericht
    zu protestieren. Bei der Preisverleihung                             in El Salvador entschied, die 35-Jährige
    in Amsterdam sagte der Sportler: »Ich                                vorzeitig aus der Haft zu entlassen. Vás-
    bin hier, um mich im Kampf mit euch al-                              quez war 2008 wegen »Mordes« zu 30
    len zusammenzutun.«                                                  Jahren Gefängnis verurteilt worden.
                                                                         Nach Ansicht des Gerichts hatte sie ei-
                                                                         nen Schwangerschaftsabbruch vorge-
                                                                         nommen – in El Salvador ein Straftatbe-
              ECUADOR: Sie wurde mit dem                                 stand. Amnesty hatte sich jahrelang für
              Tode bedroht – inzwischen                                  Teodora del Carmen Vásquez eingesetzt.
              leitete die Polizei Schutzmaß-                             Mindestens 28 Frauen sitzen weiterhin
              nahmen für Patricia Gualin-                                unter dem Vorwurf der Abtreibung in
              ga ein. Die Menschenrechts-                                Haft.
              verteidigerin setzt sich in Ecuador für die
              Rechte der Indigenen ein, kämpft für
              Umweltschutz und gegen Landraub
              durch Konzerne. Dieser Einsatz ist le-
              bensgefährlich. Im Januar 2018 waren
              Steine gegen die Fenster ihres Hauses
              geflogen, ein Unbekannter hatte Mord-
              drohungen ausgestoßen. Die Polizei wei-
              gerte sich zunächst, Schutzmaßnahmen
              zu ergreifen. Nachdem Amnesty weltweit
              auf den Fall aufmerksam gemacht hatte,
              lenkten die Behörden ein.

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AKTIONEN, ERFOLGE, ZAHLEN + FAKTEN. DAS JAHR 2018 - RECHENSCHAFTSBERICHT - Amnesty International
Tagtäglich werden die Rechte von Menschen weltweit verletzt. Amnesty International setzt sich für
     diese Menschen ein: Mit Appellaktionen, Recherchen vor Ort, Länder- und Themenberichten sowie
     Kampagnen- und Lobbyarbeit. Dadurch konnten auch im Jahr 2018 wieder zahlreiche Personen aus
     der Haft befreit, Menschenrechtsverstöße aufgedeckt und diskriminierende Gesetze abgeschafft
     werden. Hier sind einige Beispiele.

UKRAINE: Was sind eigentlich Menschen-            USBEKISTAN: Er verließ das Ge-                   CHINA: Flug in die Freiheit:
rechte? In der Ukraine weiß das hoffent-          richt als freier Mann: Der                       Acht Jahre stand Liu Xia un-
lich bald jedes Kind. Die Regierung ver-          Journalist Bobomurod Abdul-                      schuldig unter Hausarrest.
abschiedete 2018 einen neuen Lehrplan             layev wurde im Mai 2018 zu                       Im Juli 2018 durfte sie China
für Grundschulen, der erstmals auch               einer Bewährungsstrafe ver-                      endlich verlassen: Als sie auf
Menschenrechtsbildung umfasst. Zu ver-            urteilt, nachdem er siebeneinhalb Mona-          dem Flughafen Berlin-Tegel landete, wur-
danken ist dies nicht zuletzt dem Einsatz         te lang inhaftiert war. Die usbekischen          de sie von Amnesty-Aktivist_innen will-
der ukrainischen Amnesty-Sektion. Sie             Behörden hatten ihm vorgeworfen, er              kommen geheißen. Die chinesischen Be-
hatte sich lange für Menschenrechtsbil-           habe unter Pseudonym Artikel veröffent-          hörden hatten gegen sie Hausarrest ver-
dung an Schulen stark gemacht und war             licht, die zum Sturz der Regierung aufrie-       hängt, nachdem ihr Mann Liu Xiaobo
an der Ausarbeitung des neuen Lehr-               fen. Amnesty setzte sich mit Menschen            2010 den Friedensnobelpreis erhalten
plans beteiligt.                                  aus aller Welt für Bobomurod Abdullayev          hatte. Der Bürgerrechtler war im Sommer
                                                  ein. »Dass ich jetzt ein freier Mann bin,        2016 im Gefängnis an Krebs gestorben.
                                                  habe ich hauptsächlich dieser Unterstüt-
                                                  zung zu verdanken«, sagte er nach sei-
                                                  ner Freilassung.

                                                                                                        PHILIPPINEN: Aufgrund eines
                                                                                                        Irrtums saß Jerryme Corre
                                                                                                        sechs Jahre lang im Gefäng-
                                                                                                        nis, seit März 2018 ist er
                                                                                                        endlich frei. Der Busfahrer
                                                                                                        war 2012 festgenommen worden, weil
                                                                                                        man ihn mit einem Mörder verwechselt
                                                                                                        hatte. In der Haft folterte ihn die Polizei.
                                                                                                        Amnesty hatte lange für seine Freilas-
     DR KONGO: Ein großer Schritt im Kampf ge-          SUDAN: Freiheit für politische                  sung gekämpft und eine juristische Auf-
     gen Kinderarbeit: Samsung, BMW und                 Gefangene: Mehr als 80 In-                      arbeitung des Falls gefordert. Mit Erfolg:
     Renault legten 2018 offen, woher sie Ko-           haftierte durften im Februar                    Ein Gericht verurteilte im März 2016 ei-
     balt beziehen. Der Rohstoff wird benötigt,         2018 ihre Gefängniszellen                       nen der Polizisten wegen Folter zu mehr
     um Akkus für Smartphones und Elektro-              verlassen, im April kamen 56                    als zwei Jahren Haft. Es war das erste
     autos herzustellen. Amnesty hatte 2016             weitere frei. Die meisten waren in Haft,        Anti-Folter-Urteil in der Geschichte der
     nachgewiesen, dass in den Kobaltminen              weil sie gegen den Preisanstieg bei Brot        Philippinen.
     der Demokratischen Republik Kongo                  und Medikamenten im Sudan protestiert
     Kinder arbeiten und ihr Leben riskieren,           hatten. »Ich kann euch nicht genug dan-
     die teilweise erst sieben Jahre alt sind.          ken«, schrieb der Arzt Amjed Farid El-
     Seither kämpft Amnesty dafür, dass Kon-            Tayeb an Amnesty. »Euer Einsatz hat
     zerne Auskunft geben über ihre Liefer-             nicht nur zu unserer Freilassung beige-
     ketten.                                            tragen, sondern auch dazu, dass sich zu-
                                                        vor bereits unsere Haftbedingungen ver-
                                                        besserten.«

                                                                                                                                               5
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missbrauch der äthiopischen Regie-
                                                                                                         rung kritisierte. Meine Zeitung war die
                                                                                                         erste, die unter dem Pressegesetz
                                                                                                         strafrechtlich verfolgt wurde; mein
                                                                                                         Chefredakteur und ich wurden als er-
                                                                                                         ste ins Gefängnis gesteckt.
                                                                                                             Inzwischen bin ich 48 Jahre alt.
                                                                                                         Seit 1993 bin ich neun Mal mit je-
                                                                                                         weils mehreren Anklagen in Haft ge-
                                                                                                         kommen. Ich habe fast ein Fünftel
                                                                                                         meines Lebens im Gefängnis ver-
                                                                                                         bracht – nur weil ich als Journalist ge-
Foto: Sarah Mwangi

                                                                                                         arbeitet habe.
                                                                                                             Sogar mein Sohn kam in Haft zur
                     Eskinder Nega im Mai 2018.                                                          Welt. Die äthiopische Regierung hatte
                                                                                                         meine Ehefrau Serkalem Fasil und

                     EINSATZ MIT ERFOLG
                                                                                                         mich nach den Wahlen von 2005 in-
                                                                                                         haftiert. Wir mussten ihn zu seiner
                                                                                                         Großmutter geben, weil die Haftbe-
                     Weltweit beteiligen sich Hunderttausende Menschen an                                dingungen zu schlecht waren.
                     Appellaktionen von Amnesty International. Mit Briefen, E-Mails                          Selbst in der dunkelsten Zelle
                     und Petitionsunterschriften bewirken sie Freilassungen, verhindern                  wusste ich, dass Organisationen wie
                     Folter, schützen Menschen vor unfairen Prozessen und retten                         Amnesty für mich eintraten. Das zu
                     Leben. Dass dieses gemeinsame Engagement erfolgreich ist,                           wissen, war sehr wichtig. Über meine
                     zeigt der Fall des Journalisten Eskinder Nega aus Äthiopien.                        Familie erhielt ich auch die Solidari-
                                                                                                         tätsschreiben von Amnesty. Das hat
                     Die Zustände im Kaliti-Gefängnis am       ein. Am 5. April 2018 wurde er vor-       meine Moral gestärkt und die Stim-
                     Rande der äthiopischen Hauptstadt         zeitig aus der Haft entlassen – fest      mung meiner Familie verbessert.
                     Addis Abeba sind katastrophal: 8.000      entschlossen, trotz aller Repressalien        Ich bin froh, dass ich Menschen
                     Häftlinge sind dort in engen, maroden     weiterzumachen. Im August 2018            dazu bewegt habe, mir zu schreiben.
                     und schlecht belüfteten Zellen zu-        schrieb er einen Brief an Amnesty         Das macht mich stolz. Nichts ist
                     sammengepfercht. Einer von ihnen          und bedankte sich für die Unterstüt-      mächtiger als das geschriebene Wort.
                     war der bekannte äthiopische Journa-      zung. Hier einige Auszüge:                Ich werde denjenigen, die Amnesty
                     list Eskinder Nega. Insgesamt war er          »Ich wurde zufällig Journalist. Ich   unterstützen, immer dankbar sein.
                     neun Mal im Gefängnis, nur weil er        war zwischen zwanzig und dreißig          Macht weiter so. Ihr seid das Gewis-
                     seinen Beruf ausübte. Zuletzt war er      Jahre alt, als in Äthiopien die ersten    sen der Menschheit, die Stimme der
                     als Herausgeber der Zeitung Satanaw       unabhängigen Zeitschriften auftauch-      Unterdrückten. Eine Stimme für die
                     auf der Grundlage eines scharfen          ten. Ich wusste, dass wir nun den         Menschenrechte muss es so lange ge-
                     Antiterrorgesetzes angeklagt und zu       Schritt in die Meinungsfreiheit wagen     ben, bis niemand mehr in Willkürherr-
                     einer 18-jährigen Haftstrafe verurteilt   und bisherige Grenzen erweitern mus-      schaft lebt.«
                     worden. Amnesty International setzte      sten. Also begann ich, Artikel zu         Weitere Erfolgsmeldungen gibt es auf
                     sich jahrelang für seine Freilassung      schreiben, in denen ich den Macht-        www.amnesty.de/erfolge

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EIN BRIEF KANN LEBEN RETTEN
Schreiben Sie eigentlich noch Briefe?              Schüler_innen geschrieben. Die Soli-      ca. Marielle Franco wuchs in einem
In Zeiten von Whatsapp, Facebook                   daritätsaktion galt 2018 neun Frauen,     Armenviertel Rio de Janeiros auf, sie
und SMS sind die analogen Medien                   die in Gefahr sind, weil sie in ihren     kämpfte für die Rechte von Schwar-
etwas aus der Mode gekommen. Doch                  Heimatländern die Menschenrechte          zen, Frauen, Lesben, Schwulen, Bise-
jedes Jahr im Dezember beweisen                    verteidigen. Atena Daemi ist eine von     xuellen, Trans- und Intergeschlecht-
Hunderttausende Menschen auf der                   ihnen. Die Aktivistin verteilte im Iran   lichen, forderte soziale Gerechtigkeit
ganzen Welt, was Briefe bewirken                   Flugblätter, auf denen sie die Abschaf-   und kritisierte die rechtswidrige Ge-
können. Beim Amnesty-Briefmarathon                 fung der Todesstrafe forderte. Ein ira-   walt von Polizei und Militär.
schreiben sie Gefangenen und poli-                 nisches Gericht verurteilte sie deshalb       Überall in Deutschland haben Am-
tisch Verfolgten, um ihnen ihre Soli-              zu sieben Jahren Haft. »Grausame          nesty-Mitglieder für die verfolgten Ak-
darität zu versichern. Und sie fordern             und ungerechte Handlungen können          tivistinnen Unterschriften gesammelt
Regierungen auf, Unrecht zu beenden.               meine Stimme nicht zum Schweigen          und Menschen zum Briefeschreiben
    Das gemeinsame Schreiben zeigt                 bringen«, schrieb sie aus dem Ge-         eingeladen. Was das bewegen kann,
die Kraft der Amnesty-Bewegung: An                 fängnis. Auch ihre Schwester ist mitt-    hat das Jahr 2018 besonders ein-
wenigen Tagen konzentrieren sich                   lerweile inhaftiert. Atena Daemi ist in   drücklich bewiesen: Dem Blogger Ma-
Menschen überall auf der Welt auf                  den Hungerstreik getreten, um gegen       hadine drohte im Tschad eine lebens-
das Schicksal Einzelner. Die Briefe                die Sippenhaft zu protestieren.           längliche Gefängnisstrafe, weil er die
signalisieren den Betroffenen und ih-                 Der Amnesty-Briefmarathon wid-         Regierung seines Landes kritisiert
ren Familien, dass sie in ihrem Kampf              mete sich 2018 auch dem Schicksal         hatte. Nachdem Amnesty beim Brief-
für Gerechtigkeit nicht allein sind.               von Marielle Franco. Die brasiliani-      marathon 2017 auf seinen Fall auf-
Und sie setzen Regierungen unter                   sche Kommunalpolitikerin ist am           merksam gemacht hatte, ließen ihn
Druck. Einen einzelnen Brief können                14. März 2018 gemeinsam mit ihrem         die Behörden im April 2018 frei.
Behörden ungelesen wegwerfen, Tau-                 Fahrer in Rio de Janeiro erschossen       Auch Saman Naseem kam 2018 end-
sende Briefe nicht. Rund 5,9 Millio-               worden. Vieles deutet darauf hin, dass    lich frei. Er war als 17-Jähriger in Iran
nen Briefe, Mails und Faxe haben                   der Mord von Profis verübt wurde –        wegen »Feindschaft zu Gott« zum
Menschen beim Briefmarathon 2018                   die Munition stammte aus dem Arse-        Tode verurteilt worden. Beim Briefma-
verschickt. Ein neuer Rekord, allein               nal der Bundespolizei. »Marielle ver-     rathon 2015 wurden mehr als
in Deutschland waren es 265.000,                   körperte die Rechte, für die sie sich     200.000 Briefe für seine Freilassung
fast die Hälfte davon wurde von                    einsetzte«, sagt ihre Partnerin Moni-     geschrieben.

                                                                                                                                         Foto: Jan Petersmann / Amnesty

Briefmarathon-Aktion in der Kulturbrauerei in Berlin, Dezember 2018.

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70 JAHRE ALLGEMEINE ERKLÄRUNG
DER MENSCHENRECHTE
1948 wurde die Allgemeine Erklärung der                                 zentrale Elemente des Menschseins herausgestellt und die
Menschenrechte unterzeichnet und damit der                              Würde des Menschen hervorgehoben. Die Menschen-
Grundstein für den internationalen Menschen-                            rechtserklärung stellt einen Meilenstein für den internatio-
rechtsschutz gelegt. Im Jubiläumsjahr machte                            nalen Menschenrechtsschutz dar. Sie bildete die Grundla-
die deutsche Amnesty-Sektion mit zahlreichen                            ge für zahlreiche weitere, rechtlich bindende Übereinkom-
Aktionen und Veranstaltungen deutlich, dass die                         men und damit nicht zuletzt für die Arbeit von Amnesty
Menschenrechte auch heute noch verteidigt und                           International.
durchgesetzt werden müssen.                                                 Grund genug also, der herausragenden Bedeutung die-
                                                                        ses Dokuments im Jubiläumsjahr mit der bundesweiten
Lange, zähe Verhandlungen und viel Diplomatie waren                     Amnesty-Kampagne »70 Jahre Allgemeine Erklärung der
notwendig, doch die Mühe lohnte sich: Am 10. Dezember                   Menschenrechte« Rechnung zu tragen. Doch der Rück-
1948 verabschiedete die UN-Generalversammlung die All-                  blick auf das Jahr 2018 offenbart, dass die weltweite Si-
gemeine Erklärung der Menschenrechte ohne Gegenstim-                    tuation der Menschenrechte wenig Anlass zum Feiern bie-
men. Damit einigte sich die Staatengemeinschaft nur we-                 tet: Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR
nige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trotz er-               kamen mindestens 2.277 Menschen bei ihrer Flucht über
heblicher politischer Differenzen auf weltweit geltende                 das Mittelmeer nach Europa ums Leben. Staaten schotte-
Menschenrechtsstandards.                                                ten sich ab, schürten die Angst vor Flüchtlingen oder
   Erstmals wurde festgelegt, dass jeder Mensch in jedem                »Fremden«, um vermeintliche Sicherheitsmaßnahmen
Staat der Welt die gleichen, unantastbaren und unveräu-                 durchzusetzen und grundlegende Rechte zu beschneiden.
ßerlichen Rechte besitzt, die ihn vor Willkür und Gewalt                    Andernorts wurden ethnische Minderheiten systema-
schützen. Werte wie Gleichheit und Freiheit wurden als                  tisch verfolgt und ermordet oder die Rechte bestimmter

                                                                                                                                                Foto: Sarah Eick / Amnesty

Demonstration bei der Jahresversammlung von Amnesty in Papenburg, Mai 2018.

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AKTIONEN, ERFOLGE, ZAHLEN + FAKTEN. DAS JAHR 2018 - RECHENSCHAFTSBERICHT - Amnesty International
Bevölkerungsgruppen einfach ignoriert. Weltweit gingen
Regierungen verstärkt gegen eine aktive und kritische Zi-
vilgesellschaft vor.
    70 Jahre nach ihrer Verabschiedung stehen wichtige
Errungenschaften der Menschenrechtserklärung unter Be-
schuss. Politische Gruppierungen und Staaten missachten
gezielt das Völkerrecht und versuchen bewusst, Menschen
ihre Rechte abzusprechen.
    Amnesty erinnerte deshalb die politischen Verantwort-
lichen rund um den Tag der Menschenrechte am 10. De-
zember auf mehreren Ebenen daran, die Menschenrechte
für alle durchzusetzen. So übergaben Amnesty-Gruppen
im Rahmen der bundesweiten Aktion »Menschenrechte in
die Rathäuser« großformatige Menschenrechtserklärungen
mit neu gestalteten Titelseiten an Bürgermeister_innen,
Landtagsabgeordnete und andere politisch Verantwortliche
in 30 Städten – zum Beispiel in Bonn, Hamburg, Hanno-
ver, Karlsruhe, Lübeck, Regensburg und Tübingen.
    In ganz Deutschland organisierten Amnesty-Mitglieder     Plakat der Kampagne.
zwischen Juni und Dezember 2018 rund 140 verschiedene
Veranstaltungen, darunter Theateraufführungen, Kunst-        20. und 21. Oktober in Duisburg spielte das Jubiläum
aktionen, Konzerte, Ausstellungen, Demonstrationen und       ebenfalls eine wichtige Rolle. Mit verschiedenen öffent-
Vorträge. Zu den Höhepunkten zählte eine Soirée im           lichen Aktionen erinnerten die Amnesty-Mitglieder an die
Schauspielhaus in Frankfurt am Main mit der Schauspiele-     Verabschiedung der Menschenrechtserklärung vor 70 Jah-
rin Michelle Barthel, der interkulturellen Musikinitiative   ren und ihre gesellschaftliche Bedeutung.
»Bridges« und vielen anderen Gästen. Insgesamt wurden            Außerdem konnte die deutsche Amnesty-Sektion für
bei Amnesty-Aktivitäten mehr als 60.000 Jubiläumsaus-        eine Plakatkampagne mehrere prominente »Paten für die
gaben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte           Menschenrechte« gewinnen, darunter Gerhart Baum (ehe-
verteilt.                                                    maliger Bundesinnenminister), Constanze Kurz (Daten-
    Ein Adressat der Amnesty-Kampagne war der Deutsche       schutzaktivistin und Sprecherin des Chaos Computer
Bundestag. Um die Abgeordneten an ihre politische Ver-       Clubs), Samy Deluxe (Musiker), İdil Baydar (Schauspiele-
antwortung zu erinnern, überreichte Markus N. Beeko, Ge-     rin und Kabarettistin) sowie Wana Limar (Moderatorin).
neralsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, insgesamt           Zu den weiteren öffentlichkeitswirksamen Aktionen zähl-
709 Exemplare der Menschenrechtserklärung an Bundes-         ten eine mehr als zwei Meter hohe Version der Menschen-
tagsvizepräsidentin Claudia Roth. Sie nahm die Erklärun-     rechtserklärung, die an 250 Tagen in 15 Groß- und Klein-
gen stellvertretend für die Abgeordneten entgegen.           städten aufgestellt wurde. Kinospots in rund 73 Kinos
    Gleichzeitig konnte Amnesty zeigen, dass auch die Be-    bundesweit, Aktionspakete für Amnesty-Unterstützende und
völkerung hinter den übermittelten Forderungen steht.        eine Sonderausgabe des Journals rundeten die Aktivitäten
Eine von Amnesty 2018 in Auftrag gegebene Umfrage er-        der deutschen Amnesty-Sektion im Jubiläumsjahr ab.
gab, dass über die Hälfte (58 Prozent) der Befragten in          Die Kampagne zum 70. Jubiläum der Menschenrechts-
Deutschland der Meinung ist, dass Menschenrechte bei         erklärung hat das Bewusstsein für Menschenrechte in der
der täglichen Arbeit des Bundestages nicht ausreichend       Bevölkerung gestärkt und aufgezeigt, dass unser Engage-
berücksichtigt werden. 86 Prozent vertraten die Ansicht,     ment notwendig ist, um ein freies und gerechtes Leben für
die Bundesregierung müsse mehr Druck auf Staaten aus-        alle zu ermöglichen. Die zahlreichen aktiven Amnesty-Mit-
üben, die Menschenrechte verletzen.                          glieder haben deutlich gemacht, dass Menschenrechte die
    Bei der Amnesty-Jahresversammlung vom 19. bis            Grundlage für unser Zusammenleben sind und jeden Tag
21. Mai in Papenburg und bei der Mitgliederkonferenz am      verteidigt werden müssen.

                                                                                                                       9
AKTIONEN, ERFOLGE, ZAHLEN + FAKTEN. DAS JAHR 2018 - RECHENSCHAFTSBERICHT - Amnesty International
Foto: Stephane Lelarge
Für die Freilassung von Taner Kılıç, Berlin, Juni 2018.

MUT BRAUCHT
                                                             Demokratischen Republik Kongo setzt sich Murhabazi Na-
                                                             megabe dafür ein, dass Kinder und Jugendliche medizi-
                                                             nisch und psychologisch betreut werden, die gezwungen

SCHUTZ                                                       wurden, in Kriegen zu kämpfen. Deshalb wird er von be-
                                                             waffneten Gruppen bedroht. Der Leiter der Organisation
                                                             Memorial in Tschetschenien, Oyub Titiev, machte Men-
In Saudi-Arabien werden Menschenrechts-                      schenrechtsverletzungen öffentlich. Dafür wurde er schik-
verteidigerinnen inhaftiert, weil sie gegen das              aniert, durch unfaire Gerichtsverfahren an seiner Arbeit
Fahrverbot für Frauen protestieren, in                       gehindert und schließlich zu vier Jahren Gefängnis verur-
Tschetschenien wird ein Menschenrechts-                      teilt.
verteidiger schikaniert, weil er Missstände                      All diese Menschen riskieren ihre Freiheit oder Ge-
aufdeckt: Mit der Kampagne »Mut braucht                      sundheit, damit die Menschenrechte für alle gelten. Was
Schutz« unterstützt Amnesty International                    sie eint, ist die Überzeugung, dass die Opfer von Men-
diejenigen, die die Menschenrechte verteidigen –             schenrechtsverletzungen Gerechtigkeit verdienen und die
denn ihr Engagement ist oft lebensgefährlich.                Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müs-
                                                             sen.
Als er nach mehr als 400 Tagen in Haft endlich wieder in         »Was mich motiviert, sind die Familien, die ich treffe,
Freiheit war, ließen sich die Freudentränen nicht mehr zu-   die ihre Kinder bereits für tot hielten«, sagt Murhabazi
rückhalten. Taner Kılıç, Ehrenvorsitzender der türkischen    Namegabe. »Durch die Arbeit unserer Organisation sind
Amnesty-Sektion, wurde am 15. August 2018 aus der            diese Kinder aber wiedergefunden worden. Menschen aus
Untersuchungshaft entlassen. Seine Ehefrau Hatice Kılıç      der ärmeren Bevölkerung kommen zu mir, umarmen mich
und seine drei Töchter hatten diesen Moment lange her-       und sagen mir: ›Dank Ihnen haben wir unsere Kinder
beigesehnt.                                                  wiedergefunden.‹«
    Wer sich wie Taner Kılıç für die Rechte anderer ein-         Um den Mut und die wertvolle Arbeit von Menschen
setzt, hat es nicht nur in der Türkei schwer. Samar Bada-    wie Murhabazi Namegabe anzuerkennen und zu unterstüt-
wi, Iman al-Nafjan, Loujain al-Hathloul, Aziza al-Youssef    zen, startete Amnesty International 2018 die Kampagne
und Nassima al-Saada machten sich für Frauenrechte in        »Mut braucht Schutz« – mit öffentlichen Protesten, Peti-
Saudi-Arabien stark und wurden dafür inhaftiert. In der      tionen und Aktionen. Denn das Engagement von Men-

10                                                                              AMNESTY INTERNATIONAL | RECHENSCHAFTSBERICHT 2018
schenrechtsverteidiger_innen ist in den vergangenen Jah-
                ren immer gefährlicher geworden: Nach Angaben der Or-                          KEINE ABSCHIEBUNGEN
                ganisation »Front Line Defenders« wurden im Jahr 2018                          NACH AFGHANISTAN!
                weltweit 321 Menschenrechtler_innen ermordet, weil sie                         Selbstmordanschläge, Luftangriffe,
                sich für die Menschenrechte eingesetzt hatten. Ihr Enga-                       Gefechte: Im Jahr 2018 verloren in
                gement ist zwar durch zahlreiche internationale Vereinba-                      Afghanistan mehr als 3.800 Zivil-
                rungen besonders geschützt – doch allzu oft nur auf dem                        personen durch die anhaltende Gewalt
                Papier. Amnesty fordert, dass diese Vereinbarungen auch                        ihr Leben – so viele wie noch nie, seit
                eingehalten werden.                                                            die Zahlen 2009 erstmals erfasst wur-
                    Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, pro-                         den. Amnesty International forderte da-
                testierte Amnesty im September 2018 beispielsweise vor                         her die Bundesregierung und die Lan-
                der türkischen Botschaft in Berlin und übergab mehr als                        desregierungen auf, keine Abschiebun-
                24.000 Unterschriften der Online-Petition »Inhaftierte                         gen nach Afghanistan vorzunehmen.
                Medienschaffende freilassen!«. Unter dem Motto »Run For                        Knapp 30.000 Menschen schlossen
                Rights Defenders« lief der Menschenrechtstrainer Peter                         sich dieser Forderung an und unter-
                Steudtner am 16. September 2018 in Berlin den Mara-                            zeichneten eine entsprechende Amnes-
                thon in einem nachgebauten Gefängnishof – als Erinne-                          ty-Petition. Denn jede Abschiebung
                rung an seine Zeit in türkischer Haft: 2017 saß er 113                         nach Afghanistan stellt eine Verletzung
                Tage lang im Gefängnis in Silivri, bevor er und weitere In-                    des Völkerrechts und der Europäischen
                haftierte, für die sich Amnesty eingesetzt hatte, freigelas-                   Menschenrechtskonvention dar: Kein
                sen wurden. Während seiner Inhaftierung hatte Steudtner                        Mensch darf in ein Land abgeschoben
                bereits symbolisch am Berlin-Marathon teilgenommen, in-                        werden, in dem ihm ein gewaltsamer
                dem er Runden im Gefängnishof gelaufen war.                                    Tod droht.
                    Die Freilassungen von Taner Kılıç und Peter Steudtner
                haben gezeigt, dass öffentlicher Druck und Solidarität et-
                was bewirken können. »Die Kampagne hat außerdem auf
                                                                                               INTERGESCHLECHTLICHE
                viele weitere Menschen in der Türkei aufmerksam ge-                            KINDER SCHÜTZEN!
                macht, die Opfer von politisch motivierter und unfairer                        Weltweit werden Schätzungen zufolge
                Strafverfolgung wurden«, sagt Taner Kılıç. Er ist davon                        1,7 Prozent aller Kinder mit Ge-
                überzeugt, dass der Kampf für die Menschenrechte nur                           schlechtsmerkmalen geboren, die nicht
                mithilfe von internationaler Solidarität erfolgreich sein                      mit den geltenden Normen von männ-
                kann – ob in der Türkei, in Tschetschenien, Saudi-Arabien,                     lich und weiblich übereinstimmen. In
                der Demokratischen Republik Kongo oder anderswo.                               Deutschland werden diese Kinder häu-
                    Amnesty setzt die Kampagne »Mut braucht Schutz«                            fig operiert oder hormonellen Behand-
                deshalb fort. Bis April 2019 sammelte die deutsche                             lungen unterzogen, um sie zu »normali-
                Sektion bereits mehr als 100.000 Unterschriften, um                            sieren« und ihnen ein eindeutig männ-
                Menschenrechtsverteidiger_innen weltweit zu unter-                             liches oder weibliches Geschlecht zu-
                stützen.                                                                       zuweisen. Diese unumkehrbaren medi-
                www.amnesty.de/mut-braucht-schutz                                              zinischen Eingriffe können zu anhal-
                                                                                               tenden körperlichen und seelischen
                                                                                               Schäden führen und verletzen die Men-
                                                                                               schenrechte der Kinder. Die Bundesre-
                                                                                               gierung plant ein Verbot der Eingriffe,
                                                                                               sofern kein Notfall vorliegt. Allerdings
                                                                                               ist offen, wann das entsprechende
                                                                                               Gesetz verabschiedet wird. Amnesty
                                                                                               startete daher einen Appell an Bun-
                                                                                               desregierung und Bundestag, interge-
                                                                                               schlechtliche Kinder endlich besser zu
                                                                                               schützen. 6.200 Menschen beteiligten
Foto: Amnesty

                                                                                               sich per E-Mail und Tausende mit dem
                                                                                               Versand von Postkarten.
                Wieder bei seiner Familie: Taner Kılıç nach seiner Freilassung, August 2018.

                                                                                                                                          11
#UNTEILBAR:
DEMONSTRATION FÜR
EINE OFFENE GESELLSCHAFT
Sie setzten ein Zeichen für Vielfalt       am Alexanderplatz Musik und Talks
und gegen Hass – laut, bunt und un-        rund um das Thema Menschenrechte.
übersehbar: Am 13. Oktober 2018            Auf Bannern, Schildern und Luftbal-
gingen mehr als 240.000 Menschen           lons wurden anschließend Botschaf-
in Berlin auf die Straße, um gegen die     ten gegen Rassismus und für mehr
Spaltung der Gesellschaft zu protes-       Solidarität durch die Stadt getragen.
tieren. Denn Rassismus und Ausgren-        Markus N. Beeko, Generalsekretär der
zung sind in Deutschland gesell-           deutschen Amnesty-Sektion, sagte:
schaftsfähig geworden. Humanität           »Die Menschenrechte sind unteilbar.
und Menschenrechte werden offen            Sie sind Grundlage unseres Grundge-
angegriffen. Es ist ein Angriff, der den   setzes, unseres Rechtsstaates und un-
Kern unserer Gesellschaft trifft. Daher    serer Freiheit. Wenn diese Grundlage
hatte Amnesty International gemein-        unseres gesellschaftlichen Zusammen-
sam mit vielen anderen Organisatio-        lebens auf der Straße oder in den Me-
nen zur Teilnahme an der #unteilbar-       dien angegriffen wird, sind wir alle
Demonstration aufgerufen. Bevor es         aufgerufen, dafür deutlich und sicht-
losging, gab es beim »Amnesty-Truck«       bar einzustehen.«

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13
     Fotos: Jarek Godlewski / Amnesty
»NEUE SCHWERPUNKTE SETZEN«
Die 2016 gegründete Jugendvertretung soll die Rolle der Jugend bei Amnesty stärken. Ob in
Jugendgruppen, Hochschulgruppen, lokalen Gruppen oder in bundesweiten Netzwerken – das
Engagement bei Amnesty ist vielfältig. Jede Gruppe hat dabei andere Aktionen und Schwerpunkte auf
ihrer Agenda: Briefe für politische Gefangene schreiben, Aktionen gegen die Todesstrafe initiieren,
Unterschriften für Frauenrechte sammeln, Podiumsdiskussionen zur Meinungsfreiheit veranstalten
und vieles mehr. Im Interview berichtet Sprecher Christoph Alberts (21), wie die Jugendvertretung mit
ihrer Arbeit dazu beitragen will, die Organisation zukunftsfähig zu machen.

    Warum ist jugendliches Engagement für Amnesty so      landweite Jugendaktionswoche 2019 gewählt. Wir wollen
wichtig? Junge Menschen setzen immer wieder neue in-      vor der Europawahl zeigen, dass die Menschenrechte zu
haltliche Schwerpunkte. Beispiele sind die neue junge     unserem Selbstverständnis gehören und dass sie nicht ver-
Diskussion zu Klimawandel und Menschenrechte oder das     handelbar sind.
Thema institutioneller und struktureller Rassismus in         Amnesty ist eine weltweite Bewegung. Habt ihr auch
Deutschland, der allgegenwärtig ist, aber den viele gar   mit jungen Menschen aus anderen Ländern Kontakt? Ja.
nicht wahrnehmen. Sexismus ist ebenfalls ein Thema, das   Für die Europawahl im Mai 2019 haben wir uns mit enga-
junge Menschen besonders bewegt, das haben wir bei der    gierten Leuten aus ganz Europa zusammengeschlossen.
#metoo-Debatte gesehen. Jugendliche stellen wichtige      Gemeinsam wollten wir junge Menschen motivieren, zur
Fragen, die in der Zukunft immer mehr an Bedeutung ge-    Wahl zu gehen und ihre Stimme für die Menschenrechte
winnen werden: Welche Herausforderungen bringt die Di-    abzugeben. In der Europäischen Union liegt vieles im Ar-
gitalisierung mit sich? Wie hängen Klimawandel und Men-   gen, sei es die inhumane Abschottungspolitik gegenüber
schenrechte zusammen? Die Welt verändert sich, deshalb    Geflüchteten oder die Missachtung von sozialen und wirt-
müssen wir uns auch verändern. So kann Amnesty zu-        schaftlichen Menschenrechten. Wir wollen junge Men-
kunftsfähig bleiben.                                      schen ermuntern, sich zu überlegen, was für eine Europäi-
    Was hat euch 2018 am meisten beschäftigt? Ras-        sche Union sie wollen. Jugendliche müssen nicht darauf
sismus in Deutschland war unser Schwerpunktthema im       warten, irgendwann in ferner Zukunft mitzubestimmen –
vergangenen Jahr. Amnesty darf dazu nicht schweigen.      sie können und müssen es bereits heute tun.
Deswegen haben wir auf der Jah-
resversammlung 2018 in Papen-
burg dafür geworben, dass sich
Amnesty stärker zu den erschre-
ckenden Entwicklungen in
Deutschland positioniert. Und
im Oktober waren wir in Berlin
auf der #unteilbar-Demo prä-
sent, um gemeinsam mit mehr
als 240.000 Menschen für eine
offene Gesellschaft einzutreten.
Bei unserem jährlichen Jugend-
treffen Jugend@Amnesty im No-
vember 2018 in Kassel sprachen
wir über Herausforderungen für
die Menschenrechte im digitalen
Zeitalter. In zahlreichen Works-
hops lernten die Teilnehmenden
                                                                                                                                 Foto: Amnesty International Chemnitz

vieles über aktuelle Entwicklun-
gen, Massenüberwachung und
Privatsphäre. Außerdem haben
wir das Thema Europa als
Schwerpunkt für die deutsch-

14                                                                           AMNESTY INTERNATIONAL | RECHENSCHAFTSBERICHT 2018
Tiphagnes People’s Watch betroffen,
                                                                                                                             sondern auch internationale Organisa-
                                                                                                                             tionen wie Greenpeace und selbst das
                                                                                                                             Amnesty-Büro, das sich in Bangalore
                                                                                                                             im Süden Indiens befindet.
                                                                                                                                 Die Regierung hat mehrere Geset-
                                                                                                                             ze erlassen, die die Menschenrechts-
                                                                                                                             arbeit kriminalisieren und kritische
                                                                                                                             Meinungsäußerungen unter Strafe
                                                                                                                             stellen. Im Oktober 2018 wurden so-
                                                                                                                             gar die Konten von Amnesty Indien
                                                                                                                             eingefroren, die Arbeit vor Ort musste
Foto: Jan Petersmann / Amnesty

                                                                                                                             weitgehend eingestellt werden.
                                                                                                                                 Es war selbstverständlich, dass wir
                                                                                                                             uns mit den Kolleg_innen solidarisch
                                                                                                                             zeigten und gegen das Vorgehen der
                                 Solidaritätsaktion vor der indischen Botschaft in Berlin, November 2018.                    indischen Behörden protestierten – so
                                                                                                                             zum Beispiel am 30. November 2018

                                 »JEDER EINZELNE                                                                             vor der indischen Botschaft in Berlin
                                                                                                                             und in anderen Städten.

                                 KANN AKTIV WERDEN«
                                                                                                                                 Was mich und andere Mitglieder
                                                                                                                             der Indien-Kogruppe motiviert, ist der
                                                                                                                             Kerngedanke des Amnesty-Gründers
                                 Ohne das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder, die sich                                  Peter Benenson: Jeder einzelne
                                 einzeln oder in Gruppen für ein bestimmtes Land oder Thema                                  Mensch kann aktiv werden, um sich
                                 engagieren, würde Amnesty International nicht funktionieren.                                für die Menschenrechte einzusetzen.
                                 Einer von ihnen ist Michael Gottlob. Er ist seit 50 Jahren bei                                  Dass dieses Engagement Wirkung
                                 Amnesty aktiv, seit 2007 ist er Sprecher der Länderkoordinations-                           zeigt, sehen wir immer wieder. So zu-
                                 gruppe für Indien. Dort gingen die Behörden 2018 erneut gegen                               letzt beim Besuch von Salima Mem-
                                 Menschenrechtsorganisationen vor.                                                           cha in Berlin im November 2018. Die
                                                                                                                             Menschenrechtsverteidigerin aus Ma-
                                 Ein gerechteres Indien. Dafür steht                 bis 1994 arbeitete ich als Lektor für   nipur im Nordosten Indiens kämpft
                                 Henri Tiphagne, einer der bekanntes-                den Deutschen Akademischen Aus-         gegen Straflosigkeit und versucht, den
                                 ten Menschenrechtler Indiens. Der                   tauschdienst (DAAD) an der Karnatak-    Tod ihres Mannes aufzuklären, der
                                 Anwalt bekam für seinen Einsatz am                  Universität im südwestindischen         mutmaßlich von Sicherheitskräften er-
                                 25. April 2016 den Menschenrechts-                  Dharwad.                                mordet wurde. Salima Memchas Mut
                                 preis der deutschen Amnesty-Sektion.                    Schon damals gab es ein indisches   ist bewundernswert; sie sagt selbstbe-
                                     Nicht nur für Tiphagne, auch für                Amnesty-Büro und natürlich auch vie-    wusst: »Die Polizisten, die mich einzu-
                                 uns als Länderkoordinationsgruppe                   le der Menschenrechtsthemen, die        schüchtern versuchen, denken, ich
                                 Indien war die Preisverleihung ein                  uns noch heute beschäftigen. Dazu       bin eine hilflose Witwe. Aber ich habe
                                 ganz besonderer Moment. Solche mu-                  gehören das Kastensystem und die        ihnen klargemacht, dass ich eine
                                 tigen Menschen nach Deutschland                     darin verankerte Diskriminierung der    Menschenrechtsverteidigerin bin.«
                                 einladen und ihren Einsatz würdigen                 Dalit, der nicht enden wollende             Es sind diese persönlichen Begeg-
                                 zu können, war eine Bestätigung für                 Kaschmir-Konflikt, Gewalt gegen         nungen und Kontakte, die solidari-
                                 unsere ehrenamtliche Arbeit als In-                 Frauen oder die Chemiekatastrophe       sche Hilfe, die uns als weltweite Men-
                                 dien-Kogruppe.                                      von Bhopal, unter deren Auswirkun-      schenrechtsbewegung stark machen,
                                     Seit 2007 bin ich Sprecher der                  gen die Menschen bis heute leiden.      egal ob in Bangalore oder in Berlin.
                                 Gruppe, die es seit 1981 gibt. Doch                     In den vergangenen Jahren ging      Deshalb werden wir auch weiterhin
                                 mit Amnesty selbst bin ich schon sehr               die indische Regierung außerdem im-     protestierend vor der indischen Bot-
                                 viel länger verbunden: 1969 gründete                mer massiver gegen die Zivilgesell-     schaft stehen, für Gerechtigkeit und
                                 ich als Schüler in Dortmund eine Am-                schaft und Nichtregierungsorganisa-     Menschenrechte.
                                 nesty-Gruppe. Indien durfte ich erst                tionen vor. Von den Repressionen sind   Weitere Infos unter:
                                 viel später kennenlernen: Von 1989                  nicht nur indische NGOs wie Henri       https://indien.amnesty-international.de/

                                                                                                                                                                        15
Foto: Horst Friedrichs
Die Mitglieder des Digitalen Verifizierungskorps im Juni 2018 in Cambridge.

DER WAHRHEIT
                                                                              der tatsächlich eine Hinrichtung? Oder ist die Szene mög-
                                                                              licherweise gestellt?
                                                                                  »Videos wie dieses sind für unsere Arbeit ungemein

AUF DER SPUR                                                                  wichtig geworden«, sagt Sam Dubberley. Der gebürtige
                                                                              Brite lebt in Berlin und arbeitet für das internationale
                                                                              Krisenteam von Amnesty. »Viele Amnesty-Berichte sind
Das Internet revolutioniert die Welt – und                                    durch Bilder und Videos, die auf Facebook, Twitter oder
auch die Arbeit von Amnesty International.                                    Youtube gepostet wurden, überhaupt erst möglich
Der Brite Sam Dubberley analysiert                                            geworden, seien es unsere Recherchen über US-Angriffe
gemeinsam mit Studierenden aus vier                                           in Somalia, Massengräber in Burundi oder russische
Kontinenten Videos auf Facebook und Twitter,                                  Luftschläge in Syrien. Aber wir müssen alles hinter-
um Menschenrechtsverbrechen aufzudecken.                                      fragen.«
                                                                                  Seit fast überall auf der Welt billige Smartphones mit
Es sind Bilder des Schreckens: 18 Gefangene knien im                          hochauflösenden Kameras erhältlich sind, können poten-
Wüstensand, gekleidet in orange Overalls. Ihre Hände sind                     ziell alle journalistisch arbeiten. In Ländern ohne freie
hinter dem Rücken gefesselt, ihre Köpfe in schwarze Sä-                       Presse ist das besonders wichtig: Es braucht nur einen
cke gehüllt. Männer mit Maschinenpistolen treten heran                        Klick, um ein Verbrechen zu dokumentieren. Und einen
und erschießen die Gefangenen. Einer nach dem anderen                         weiteren Klick, um es weltweit zu verbreiten. Aber genau-
kippt kopfüber auf den Boden.                                                 so schnell ist es auch möglich, eine Fälschung in Umlauf
    Im Sommer 2017 tauchte dieses Video auf Facebook                          zu bringen.
auf und verbreitete sich blitzschnell im Netz. Und es warf                        Sam Dubberley hat deshalb ein Netzwerk zur Überprü-
Fragen auf: Wer hatte das Video hochgeladen? Wurde es                         fung digitaler Bilder ins Leben gerufen. Das Digital Verifi-
tatsächlich – wie behauptet – in Libyen aufgenommen?                          cation Corps umfasst derzeit 120 Studierenden an Univer-
Wer sind die Gefangenen, wer die Mörder? Zeigen die Bil-                      sitäten in Berkeley, Hongkong, Essex, Cambridge, Pretoria

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und Toronto. Er hat die jungen Menschen ausgebildet, da-      ist überzeugt, dass der libysche Offizier Mustafa al-Werfal-
mit sie für Amnesty Bildmaterial im Internet sichten und      li die Massenerschießung ausgeführt hat.
herausfinden, was auf den Videos und Fotos tatsächlich zu         »Der Fall al-Werfalli zeigt, wie wichtig die Analyse von
sehen ist.                                                    digitalen Bildern sein kann, um Verbrechen aufzuklären
    »Unsere Mitglieder verschicken seit vielen Jahren Brie-   und Schuldige juristisch zur Verantwortung zu ziehen«,
fe und unterschreiben Petitionen, um sich für die Men-        sagt Dubberley. Allerdings ist diese Arbeit nicht nur müh-
schenrechte stark zu machen«, sagt Dubberley. »Wir ha-        sam, sondern birgt auch Risiken. »Unsere Freiwilligen
ben uns überlegt, wie wir dieses ehrenamtliche Engage-        sichten täglich Bilder von schrecklichsten Verbrechen«,
ment im 21. Jahrhundert weiterentwickeln können. Und          sagt Sam Dubberley. »Wenn ich unsere Studierenden aus-
zwar so, dass es unsere Recherchearbeit in Krisenregionen     bilde, lege ich daher großen Wert darauf, sie für die Ge-
unterstützt und wir im Kampf gegen Menschenrechtsver-         fahren dieses Jobs zu sensibilisieren. Und auch danach
letzungen noch mehr bewirken können.«                         betreuen wir die jungen Menschen fortlaufend, um Trau-
    Doch wie überprüft man die Echtheit digitaler Bilder?     matisierungen vorzubeugen. Nur wenn wir auf unsere eige-
»Als erstes schauen wir immer, ob ein Video, das wir ge-      ne Gesundheit achten, können wir dazu beitragen, Straf-
funden haben, bereits zuvor im Internet aufgetaucht ist«,     freiheit zu beenden und dem Ziel der Gerechtigkeit welt-
sagt Sam Dubberley. »So können wir viele Täuschungen          weit näher zu kommen.«
ganz schnell aufdecken. Jemand postet zum Beispiel auf
Twitter ein Video und behauptet, es zeige ein Selbstmord-
attentat in Syrien. Wir finden dann aber heraus, dass das
Video bereits drei Jahre zuvor erschienen ist und aus dem
Irak stammt.«
    Sollte ein Video oder Bild tatsächlich neu sein, fängt
für Sam Dubberley und sein weltweites Team die eigentli-
che Arbeit an: »Können wir genau herausfinden, wo die
Szene aufgenommen wurde? Wir sehen zum Beispiel im
Hintergrund eine auffällige Moschee, eine rote Brücke
oder eine merkwürdige Anordnung von Bäumen. Danach
können wir auf Satellitenbildern suchen, um den Ort einer
Aufnahme genau zu lokalisieren«, erklärt Dubberley. Waf-
fentypen, Uniformen und gesprochene Dialekte können
ebenfalls Aufschluss geben.
    Dabei ist es hilfreich, dass die Studierenden, die Am-
nesty unterstützen, aus unterschiedlichen Ländern kom-
men und rund ein Dutzend Sprachen beherrschen. Viele
sind zudem auf Völkerrecht spezialisiert. Adebayo Okeowo
ist einer von ihnen. »Ich bin stolz, bei dem Projekt mitar-
beiten zu dürfen«, sagt der Student aus Pretoria. »Wir
sind keine Superhelden, sondern ein Haufen leidenschaft-
licher Individuen, die sich dem Ziel verschrieben haben,
die Wahrheit herauszufinden. Und das ist wichtig, denn
Fake News sind keineswegs harmlos.«
    Amnesty International kann Opfern von Menschen-
rechtsverletzungen nur dann glaubhaft eine Stimme
verleihen, wenn unsere Informationen auch stimmen.
Das ist umso wichtiger, als Machthaber immer häufiger
dazu übergehen, unliebsame Nachrichten als Fake News
zu denunzieren oder selbst Fehlinformationen in die Welt
setzen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
    Auch das Hinrichtungsvideo konnte dank digitaler
                                                                                                                             Foto: Horst Friedrichs

Recherchearbeit entschlüsselt werden – und hat seither
Rechtsgeschichte geschrieben: Der Internationale Straf-
gerichtshof in Den Haag hat erstmals einen Haftbefehl
wegen eines Internet-Clips erlassen. Die Anklagebehörde       Sam Dubberley.

                                                                                                                        17
MENSCHENRECHTSPREIS
                     FÜR DAS NADEEM-ZENTRUM
                     Das Nadeem-Zentrum in Kairo engagiert sich seit mehr als 25 Jahren gegen Folter
                     und Gewalt in Ägypten. Für ihr mutiges Engagement erhielten die Leiterinnen
                     des Zentrums 2018 den Amnesty-Menschenrechtspreis.

                                                                                                                  zwei der Leiterinnen wurden mit Rei-
                                                                                                                  severboten belegt. Zuvor waren die
                                                                                                                  Bankkonten des Zentrums vorüberge-
                                                                                                                  hend eingefroren worden.
                                                                                                                      Mit ihrer mutigen Arbeit sind die
                                                                                                                  vier Frauen ein Zeichen der Hoffnung
                                                                                                                  für ein Ägypten, in dem Menschen-
                                                                                                                  rechte geachtet werden. Für ihr Enga-
                                                                                                                  gement erhielten sie 2018 den Men-
                                                                                                                  schenrechtspreis der deutschen Sek-
                                                                                                                  tion von Amnesty International. Die
                                                                                                                  Auszeichnung wird seit 1998 alle
                                                                                                                  zwei Jahre an Persönlichkeiten und
                                                                                                                  Organisationen verliehen, die sich un-
                                                                                                                  ter schwierigen Bedingungen für die
                                                                                                                  Menschenrechte einsetzen.
                                                                                                                      Dr. Aida Seif al-Dawla bedankte
                                                                                                                  sich per Videobotschaft bei den rund
                                                                                                                  800 anwesenden Gästen, die am
Foto: Dana Smillie

                                                                                                                  16. April 2018 zur feierlichen Preis-
                                                                                                                  verleihung in die Volksbühne Berlin
                     Die Leiterinnen des Nadeem-Zentrums (von links nach rechts): Dr. Mona Hamed, Dr. Aida Seif   gekommen waren. Aufgrund der Aus-
                     al-Dawla, Dr. Magda Adly und Dr. Suzan Fayad in ihrem Büro in Kairo im Januar 2018.          reisesperren konnte keine der Leite-
                                                                                                                  rinnen des Zentrums persönlich an
                     Schläge mit Eisenstangen, Elektro-                des Nadeem-Zentrums für die Rehabi-        der Gala teilnehmen.
                     schocks und herausgerissene Finger-               litierung von Folteropfern in Ägypten.         2018 sammelte die deutsche Am-
                     nägel – Folter und Gewalt durch Si-               Zusammen mit Dr. Mona Hamed, Dr.           nesty-Sektion außerdem mehr als
                     cherheitskräfte sind in Ägypten an der            Magda Adly und Dr. Suzan Fayad lei-        17.400 Unterschriften, um die
                     Tagesordnung. Staatlich verübte Ge-               tet sie seit 1993 die einzige Klinik in    Wiedereröffnung der Klinik des Zen-
                     walt hat unter dem ägyptischen Präsi-             Ägypten, in der gefolterte Menschen        trums zu fordern. Bei einem Besuch
                     denten Abdel Fattah al-Sisi erschre-              behandelt werden.                          des ägyptischen Präsidenten im
                     ckend zugenommen. Dieser jedoch                        Unter schwierigsten Bedingungen       Oktober machte Amnesty mit einer
                     leugnet jegliche Anwendung von Fol-               versorgt das Team des Nadeem-Zen-          Protestaktion vor dem Brandenburger
                     ter.                                              trums Folterüberlebende medizinisch        Tor auf die katastrophale Menschen-
                          Dr. Aida Seif al-Dawla und ihre              und psychologisch und macht darüber        rechtslage in Ägypten aufmerksam
                     Mitstreiterinnen wissen, was in ägyp-             hinaus die schweren Menschenrechts-        und forderte: Schluss mit der Unter-
                     tischen Gefängnissen vor sich geht:               verletzungen öffentlich – zum Missfal-     drückung der Zivilgesellschaft!
                     »Und dieses Wissen hat unser Team                 len der ägyptischen Behörden.                  Amnesty wird weiterhin an der Sei-
                     so verinnerlicht, dass der Kampf ge-                   Das Nadeem-Zentrum ist deshalb,       te der mutigen Frauen des Nadeem-
                     gen die Folter zu einem persönlichen              wie viele andere kritische Stimmen im      Zentrums stehen, die unermüdlich
                     Anliegen geworden ist. Ja, wir neh-               Land, von staatlicher Repression be-       gegen Folter und staatliche Gewalt in
                     men sie persönlich.«                              troffen: Im Februar 2017 wurde die         Ägypten kämpfen.
                          Die Psychiaterin ist Mitgründerin            Klinik des Zentrums geschlossen,           www.amnesty.de/menschenrechtspreis

                     18                                                                                           AMNESTY INTERNATIONAL | RECHENSCHAFTSBERICHT 2018
AMNESTY-FILMPREIS AUF DER BERLINALE
Filme können dabei helfen, Menschen-     Regisseur Ali Samadi Ahadi und Bet-                auf subtile Weise mögliche Vorurteile
rechte zu erklären und Menschen-         tina Müller von Amnesty International              des Publikums in Frage.
rechtsverletzungen bekannt zu machen     die Entscheidung. »Wir begegnen                        »Mit Wärme und Humor portrai-
und anzuprangern. Seit 2005 vergibt      Ibrahim, der als Jugendlicher sein                 tiert der Regisseur das Engagement
Amnesty jedes Jahr auf der Berlinale     Dorf in Nordsyrien nahe der türki-                 der vielen Helfer und zeigt, wie wich-
den Amnesty-Filmpreis an Werke, de-      schen Grenze verlassen musste, und                 tig Mitmenschlichkeit ist. Der Film
nen es gelingt, das Thema Menschen-      Qutaiba, einem Flüchtling aus dem                  lädt die Zuschauer ein, hinzusehen
rechte überzeugend darzustellen. Der     Irak. Ihre Geschichten und insbeson-               und mitzumachen und trägt damit
Preis würdigt auch das zuweilen sogar    dere Ibrahims Gedanken tragen uns                  eine Botschaft, die in der heutigen
lebensgefährliche Engagement von         durch den Film.« Die Entscheidung                  Zeit wichtiger ist denn je«, so das
Filmschaffenden. 2018 ging die mit       für die beiden Männer als sympathi-                Fazit der Jury.
5.000 Euro dotierte Auszeichnung an      sche Hauptprotagonisten stelle dabei               www.amnesty.de/berlinale
den Dokumentarfilm »Zentralflughafen
THF« (Deutschland/Frankreich/Brasi-
lien) von Karim Aïnouz.
    »Berührend und unaufgeregt zeigt
der Regisseur den Alltag in der
Flüchtlingsnotunterkunft des Berliner
Flughafens Tempelhof. Mit zärtlichem

                                                                                                                                                Foto: Henning Schacht / Amnesty
Blick und dabei stets auf Augenhöhe
erzählt er von den Menschen in den
Hangars, lässt sie ihre dramatischen
Geschichten erzählen und zeigt ihre
schwierige Lebenssituation«, begrün-
dete die Amnesty-Jury bestehend aus      Die Amnesty-Jury Ali Samadi Ahadi, Bettina Müller und Friederike Kempter (v. l.) überreichte am
Schauspielerin Friederike Kempter,       24. Februar 2018 den Amnesty-Filmpreis auf der Berlinale an Regisseur Karim Aïnouz (Bildmitte).

DEUTSCHER MENSCHENRECHTS-FILMPREIS
Der Deutsche Menschenrechts-Film-        Films« in verschiedenen Städten in                 den Gesprächsrunden nahmen auch
preis ehrt alle zwei Jahre die besten    Deutschland, Österreich und der                    die Filmschaffenden teil.
deutschsprachigen Produktionen, de-      Schweiz gezeigt. An den anschließen-               www.menschenrechts-filmpreis.de
nen es gelingt, das Thema Menschen-
rechte überzeugend darzustellen. Der
Wettbewerb wird von Amnesty Inter-
national gemeinsam mit 20 weiteren
Organisationen der Zivilgesellschaft
ausgerichtet. Die 11. Verleihung des
                                                                                                                                                Foto: Oliver Gerhartz, Deutscher Menschenrechts-Filmpreis

Preises fand am 8. Dezember 2018 in
der Nürnberger Tafelhalle statt. Aus
382 eingereichten Wettbewerbsbeiträ-
gen wählten die Jurys sechs herausra-
gende Film- und Fernsehproduktionen
aus.
    Die Preisträgerfilme wurden in den
folgenden Monaten im Rahmen der
»Langen Nächte des Menschenrechts-       Die Preisträger_innen des Deutschen Menschenrechtsfilmpreises 2018.

                                                                                                                                           19
AMNESTY INTERNATIONAL
IN DEUTSCHLAND: DIE FINANZEN
 ERTRÄGE/AUFWENDUNGEN                                                    IN TAUSEND EURO                               2018 2017
 ERTRÄGE
 Beiträge Mitglieder/Förderung/Spenden                                                                                    19.111          18.586
 Bußgeld-Einnahmen                                                                                                           200             283
 Sammlungen                                                                                                                   43              49
 Verkauf von Materialien und Publikationen                                                                                   155             129
 Erbschaften und Legate                                                                                                    2.500           1.925
 Sonstiges                                                                                                                   696             591
 Summe Erträge                                                                                                            22.705          21.563

 AUFWENDUNGEN
 Internationale Zahlungen (u.a. Beitrag an das Internationale Sekretariat*)                                                6.184           6.110
 Hilfszahlungen an gewaltlose politische Gefangene und Flüchtlinge                                                           455             784
 Aktions-, Informations- und Bildungsarbeit, Finanzbeschaffung, Kampagnen                                                  6.065           5.882
 Personalkosten für Lobby-, Länder- und Öffentlichkeitsarbeit, Betreuung Ehrenamt                                          6.472           5.882
 Mieten und Raumkosten                                                                                                       969             869
 Porti, Telefon, EDV                                                                                                       1.298           1.330
 Büromaterial                                                                                                                121             124
 Abschreibungen, Sonstiges, Steuern                                                                                        2.003           1.277
 Summe Aufwendungen                                                                                                       23.567          22.258

 VERMÖGENSÜBERSICHT                                            IN TAUSEND EURO                                         2018 2017
 AKTIVA
 Immaterielle Vermögensgegenstände                                                                                            725             782
 Finanzanlagen                                                                                                                 25              25
 Sonstige Vermögensgegenstände                                                                                                275             410
 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen                                                                                     5              29
 Kassenbestand                                                                                                                 44              17
 Bankguthaben                                                                                                               3.226           3.567
 Bewegungsgeld der Gruppen und Bezirke                                                                                         28              33
 Bestände Lager                                                                                                               682             974
 Rechnungsabgrenzungsposten                                                                                                     1              64
 Summe Aktiva                                                                                                               5.011           5.901

 PASSIVA
 Vereinsvermögen                                                                                                            3.185           4.039
 Rückstellungen                                                                                                               940           1.147
 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen                                                                             653             495
 Sonstige Verbindlichkeiten                                                                                                   234             220
 Summe Passiva                                                                                                              5.011           5.901

Der Jahresabschluss wurde geprüft durch die Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Bei der Auflistung der Beträge können aufgrund kaufmänni-
scher Rundungen Differenzen auftreten. *Deutscher Beitrag für internationale Kampagnen, Ermittlungsreisen, Recherchen und Prozessbeobachtungen.

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FINANZEN 2018
Im Jahr 2018 sind wir weiter gewachsen. Die Wachstums-      im Vorjahr. Den höheren Aufwendungen für Personal und
rate hat sich jedoch etwas verlangsamt, und die insgesamt   Infrastruktur standen ein niedrigerer Beitrag an das Inter-
positive Entwicklung unserer Erträge ist unter unseren      nationale Sekretariat und geringere Aufwendungen für
Erwartungen geblieben. Da sich die Aufwendungen 2018        Unterstützungszahlungen und Öffentlichkeitsarbeit
entsprechend unserer Annahmen entwickelten, ist unser       gegenüber. Die leichte Abweichung bei den Personal-
Ergebnis insgesamt geringfügig schlechter als im Rahmen     kosten beruht auf Ausgaben, die notwendig waren, um
der Planung angenommen und erreicht nicht das Vorjah-       die Führungsebene zu verstärken. Außerdem wurde zur
resniveau. Durch das Auflösen von Rücklagen in Höhe         Kompensation von ausgefallenen Mitarbeiter_innen varia-
von 854.173 Euro konnten wir diese Abweichung jedoch        bles Personal aufgestockt. Im Bereich der infrastrukturel-
kompensieren. Dies bedeutet aber für das laufende Jahr      len Aufwendungen fielen durch das Inkrafttreten der
2019, dass wir geeignete Maßnahmen ergreifen müssen,        neuen Datenschutzgrundverordnung höhere Rechts- und
um die Aufwendungen zu reduzieren und die Erträge zu        Beratungskosten an. Die Abschreibungen lagen aufgrund
erhöhen, um unsere Arbeit
für die Menschenrechte mit
ausreichenden Ressourcen
kraftvoll fortsetzen zu kön-
nen.
    2018 waren unsere Erträ-
ge 5 % höher als im Vorjahr.
Sie setzen sich wie folgt zu-
sammen: Förder_innenbei-
träge +6 %, Mitgliedsbeiträge
+4 %, Spenden -4 %. Insge-
samt waren die Erträge 2 %
geringer als geplant.
    Dass sich unsere Erwar-
tungen nicht erfüllten, ist
auch im Zusammenhang zu
sehen mit den Ressourcen
der Amnesty-Servicegesell-
                                                                                                                           Foto: Amnesty
schaft, die für das Dialog-
marketing zuständig ist. Das
Team der Servicegesellschaft hat mit viel Kraft und Ein-    von Investitionen für das Mitgliederportal MiDaS ebenfalls
satz 700 der 966 geplanten Wochen umgesetzt. Struktu-       leicht über Plan. Geringere Erträge führten entsprechend
relle Anpassungen haben im laufenden Jahr bereits zu        der Regularien zu einem niedrigeren Beitrag an das Inter-
deutlichen Verbesserungen geführt. Zur Kompensation         nationale Sekretariat.
konzentrierten wir uns im 4. Quartal 2018 auf neue Fund-        Da die Leitung der Abteilung Politik + Activism seit
raising-Maßnahmen, um unserem Einnahmeziel möglichst        Juli nicht besetzt war, konnten diverse Kampagnen- und
nahe zu kommen. So haben wir z. B. die Mailings durch       Lobbyaktivitäten 2018 nicht wie geplant umgesetzt wer-
zusätzliche Adressen ausgeweitet, unsere Online-Aktivitä-   den.
ten verstärkt und auf ausgewählten ICE-Strecken für Am-         Insgesamt war 2018 für Amnesty International
nesty geworben. Auch unsere Investitionen im Bereich        Deutschland e. V. ein gutes Jahr, an dessen Ende wir mehr
Erbschaftsmarketing zahlten sich aus. Wir haben in die-     Unterstützer_innen hatten als zu Jahresbeginn. Zugleich
sem Bereich knapp 20 % mehr eingenommen als erwartet,       ist aber deutlich geworden, dass wir die Anstrengungen
das sind 30 % mehr als 2017.                                verstärken müssen, unsere Organisation weiterzuentwi-
    Die Aufwendungen lagen 2018 insgesamt leicht unter      ckeln und zu verbessern, um unsere erfolgreiche Arbeit für
dem budgetierten Rahmen, waren jedoch 6 % höher als         die Menschenrechte bestmöglich fortsetzen zu können.

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