FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
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* Am 21. April 2021 einigten sich Europäische Kommission, Europäischer Rat und das Europäische Parlament auf das neue Klimaschutz-Ziel von 55 Prozent Treibhausgas-Reduktion bis 2030. FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung IG METALL CO2-AG
I N H A LT Einleitung 4 Ausgangslage 6 Konsequenzen > Batterieelektrische Antriebe 8 > Batterien / Rohstoffe 9 > Ladeinfrastruktur 11 > Wasserstoff und eFuels 12 EURO 7 – jenseits von CO2 14 Klimaziele und Beschäftigung 16 Was zu tun ist 18 Anhang: Positionspapier Wasserstoff 21 3
FIT FOR 55 Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Regulation: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung Der daraus resultierende Strukturwandel Einleitung birgt erhebliche Risiken für die Beschäfti- gung in der deutschen Automobilindustrie. Die Automobilindustrie befindet sich in einem Mit den neuen Technologien und Produkten umfassenden Strukturwandel. Digitalisie- ändern sich die Produktionsstrukturen und rung, Vernetzung, Automatisierung von Pro- -prozesse sowie die Qualifikationsanforde- dukten und Produk- rungen zum Teil grundlegend. Einleitung tion, sowie das Auf- Die Transformation dieser Schlüsselindustrie kommen neuer Mo- ist für die IG Metall schon lange ein Kernthe- Ausgangslage bilitätsdienstleistun- ma. Seit vielen Jahren fordern wir eine umfas- Konsequenzen gen und innovativer, sende politische Begleitung dieses Prozes- > Batterieelektrische Antriebe digitaler Geschäfts- ses, mit Investitionen in Infrastruktur, regio- > Batterien / Rohstoffe modelle spielen eine naler Strukturpolitik, Qualifizierungspolitik > Ladeinfrastruktur immer größere Rolle. und betrieblichen Zukunftskonzepten. Un- Wichtigster Treiber sere Betriebsräte erzeugen Druck, in Richtung > Wasserstoff und eFuels für die Veränderun- innovativer und klimafreundlicher Technolo- EURO 7 – jenseits von CO2 gen ist aber der Kli- gien und Produkte zu investieren, ihre Pro- maschutz. Die CO2- duktionsprozesse umzubauen, zukunftsfähi- Klimaziele und Beschäftigung Emissionen durch ge Geschäftsmodelle zu entwickeln und neue Was zu tun ist Hunderte Millionen Wertschöpfungschancen zu erschließen. Die PKW und LKW tragen IG Metall macht dies auch in Tarifauseinan- weltweit in erheblichem Maße zum Klimawan- dersetzungen zum Thema. del bei. Daraus hat sich ein mittlerweile welt- Gegenwärtig, im Jahr 2021, spitzt sich die Si- weit steigender Druck ergeben, Antriebstech- tuation zu. Die Probleme des Strukturwan- nologien auf klimafreundlichere Alternativen dels werden durch die Corona-Krise ver- umzustellen. schärft. Viele Zuliefererbetriebe geraten in Li- Viele Staaten haben Ausstiegsdaten für fos- quiditätsprobleme, viele Betriebe bauen be- sil betriebene Verbrennungsmotoren ange- reits Stellen ab. Gleichzeitig werden die zer- kündigt. Im für Deutschland wichtigsten Ex- störerischen Auswirkungen des Klimawan- portmarkt China werden alternative An- dels weltweit immer deutlicher sichtbar. triebe forciert und die Europäische Union In der Folge hat die Europäische Union eine gibt stetig strengere Grenzwerte für die Au- beschleunigte Reduzierung des Treibhausgas- tomobilflotten der Hersteller vor. Resul- ausstoßes angekündigt. Und das Bundesver- tat ist ein weltweiter Trend zur Dekarbo- fassungsgericht hat die bisherige deutsche nisierung, zu alternativen Antrieben, ins- Klimagesetzgebung in einem aufsehenerre- besondere zur Elektrifizierung. genden Urteil als unzureichend und grund- 4
Einleitung gesetzwidrig eingestuft. Beides wird im Lau- Abkommens. Ein Festhalten an nicht nach- fe des Jahres auch dazu führen, dass die An- haltigen, klimaschädlichen Technologien forderungen an die Automobilwirtschaft noch wäre angesichts der beschriebenen Trends einmal erhöht werden. Neue Technologien bei fatal für unsere Betriebe. PKW und LKW werden schneller hochlaufen Wir kämpfen für ihren zukunftsfähigen Um- müssen und alte Technologien schneller aus bau. Gleichzeitig muss der notwendige Wan- dem Markt gedrängt werden. del mit Augenmaß, Verantwortung für die Be- Ein solch beschleunigter Wandel birgt Chan- schäftigten und umfangreicher Unterstützung cen für zukünftige innovative Wertschöpfung durch die Politik gestaltet werden. Sonst dro- in einer an sich gut aufgestellten und starken hen erhebliche gesellschaftspolitische Risi- Industrie. Es verstärken sich aber auch die in- ken. dustrie- und beschäftigungspolitischen Risi- Für die Entscheidungen des Jahres 2021 be- ken. deutet das: Die Politik muss sich der Kon- Die IG Metall bleibt auch in dieser Situation sequenzen ihrer klimapolitischen Ent- bei ihrem Ansatz des „Fairen Wandels“. Wir scheidungen bewusst werden und alle nöti- bekennen uns zur Notwendigkeit des Klima- gen industrie-, struktur- und beschäftigungs- schutzes und zu den von den Vereinten Nati- politischen Maßnahmen ergreifen, um die- onen beschlossenen Klimazielen des Pariser sen Wandel fair und erfolgreich zu gestalten. Unser Ansatz lautet: Wenn Ziele verschärft werden, dann müssen die Rahmenbedingun- Pariser UN-Abkommen gen für ihre Erreichung geschaffen werden! zum Klimaschutz (2O15): Und zweitens muss sehr genau überlegt wer- den, welche Technologie für welchen Bereich Temperatur-Anstieg begrenzen Weniger CO2 die richtige ist, um die Klimaziele zu erreichen und unsere Industrie diesem Ziel gemäß er- folgreich umzubauen. „Für jeden Verkehrs- träger die optimale Lösung“ lautet hier die Devise. Unterschiedliche Energieträger (zum Unterstützung Verbindliche Weitere für arme Länder Berichte Klima-Ziele Beispiel Batterien, Kraftstoffe, Brennstoffzel- len, Wasserstoff ) haben alle ihre spezifischen Rollen zu spielen, je nach Kosten, Verfügbar- keit, Effizienz und Nachhaltigkeit. 5
Ausgangslage und über 1990 um 40 Prozent zu vermindern. Am 21.04.2021 einigten sich Europäische Kom- Veränderungen in der mission, Europäischer Rat und das Euro- päische Parlament auf das neue Ziel von 55 europäischen und Prozent Treibhausgas-Reduktion bis 2030. nationalen Regulierung Das bedeutet auch für den Verkehrssektor er- höhte Anstrengungen. Der Verkehrssektor gilt neben dem Gebäudesektor ohnehin als kriti- Der Handlungsbedarf und die damit verbun- scher Sektor für den Klimaschutz, da es bisher denen Anforderungen an den Verkehrssektor nicht gelungen ist, den Treibhausgas-Ausstoß leiten sich aus den Beschlüssen des Pariser des Verkehrs überhaupt zu reduzieren, anders Klimaabkommens vom Dezember 2015, der als in den Sektoren Industrie und Energie. Klimaschutzregulierung der Europäischen Für den Verkehrssektor hat die Europäische Union, dem Klimaschutzgesetz und dem Kommission am 9. Dezember 2020 ihre „Stra- Klimaschutzplan 2050 der Bundesregie- tegie für nachhaltige und intelligente Mo- rung ab. Daraus leiten sich wiederum für die bilität“1 und einen Aktionsplan mit 82 Initi- großen Sektoren In- ativen vorgelegt, die in den kommenden vier Einleitung dustrie, Energie, Ver- Jahren umgesetzt werden sollen. Wie im eu- kehr, Gebäude und Ausgangslage ropäischen Grünen Deal dargelegt, sollen Landwirtschaft je- die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis Konsequenzen weils spezifische Zie- 2050 um 90 Prozent verringert werden. Auf > Batterieelektrische Antriebe le und Instrumente den Verkehr entfalle mittlerweile ein Viertel > Batterien / Rohstoffe ab. der gesamten Treibhausgasemissionen der > Ladeinfrastruktur Unter dem Druck der EU – Tendenz steigend, heißt es in der Stra- > Wasserstoff und eFuels stärker werdenden tegie. Nur mit mehr Ehrgeiz im Verkehrssek- Auswirkungen des Kli- tor sei es möglich, bis 2050 zum ersten klima- EURO 7 – jenseits von CO2 neutralen Kontinent zu werden und eine Ver- mawandels und einer Klimaziele und Beschäftigung europaweiten Bürger- ringerung der Treibhausgasemissionen um 55 bewegung für effek- Prozent bis 2030 zu erreichen. Was zu tun ist tiveren Klimaschutz In der EU-Strategie sind Etappenziele hin- hat die neue EU-Kom- terlegt, die wesentlich auf diese Ziele ori- mission Ende 2019 vorgeschlagen, das euro- entieren: päische Klimaziel für 2030 weiter zu erhöhen. Bisher galt das Ziel, bis 2030 den Treibhaus- gas-Ausstoß der Europäischen Union gegen- Bis 2030: E Der Linienverkehr auf Strecken Bis 2050: unter 500 Kilometer ist klimaneu- E Auf Europas Straßen sind mindes- E Fast alle Pkw, Lieferwagen, Busse tral. tens 30 Millionen emissionsfreie und neue Lkw sind emissionsfrei. Pkw unterwegs. E Die automatisierte Mobilität wird E Der Schienengüterverkehr hat sich in großem Maßstab eingeführt. E 100 europäische Städte sind verdoppelt. klimaneutral. E Emissionsfreie Schiffe sind E Das multimodale transeuropäische marktreif. E Der Hochgeschwindigkeitsbahn- Verkehrsnetz (TEN-V) für nachhal- verkehr hat sich europaweit E Emissionsfreie Großflugzeuge tigen und intelligenten Verkehr mit verdoppelt. sind marktreif (2035). Hochgeschwindigkeitskonnektivität ist uneingeschränkt betriebsbereit. 1 https://ec.europa.eu/transport/sites/default/ files/legislation/com20200789.pdf 6
Ausgangslage Viele der Initiativen sind für 2021 vorgese- zieren müssen. Es ist zu erwarten, dass im Zu- hen und finden sich bereits im KOM-Arbeits- ge des verschärften EU-Klimaziels diese Flot- programm, etwa im Paket „Fit für 55“; so die tengrenzwerte nun noch einmal verschärft Revision der CO2-Normen für Pkw und leichte werden. Nutzfahrzeuge. Für 2022 ist die Überarbeitung Parallel gilt auf nationaler Ebene für den Ver- der CO2-Normen für schwere Nutzfahrzeuge kehrssektor derzeit das Ziel der Bundesre- geplant. Der Aufbau der Infrastruktur für al- gierung, bis 2030 die CO2-Emissionen des ternative Antriebe soll forciert werden, etwa Verkehrs um 40 bis 42 Prozent (gegenüber durch die Errichtung von drei Millionen öffent- 1990) zu vermindern. Von diesem Ziel ist der lichen Ladestationen bis 2030. Verkehrssektor in Deutschland bislang aller- Die Strategie für nachhaltige und intelli- dings weit entfernt. Die Bundesregierung ver- gente Mobilität bettet die europäische Ver- sucht derzeit auf verschiedenen Handlungs- kehrspolitik in den übergeordneten Rahmen feldern diese Reduktion voranzutreiben, von des europäischen grünen Deals und des eu- der Förderung alternativer Antriebe im PKW- ropäischen Klimagesetzes ein. Die unter Fe- und LKW-Verkehr über den Ausbau der Schie- derführung der Generaldirektion Mobilität ne bis hin zur Digitalisierung des Verkehrs. und Verkehr (DG Move) entstandene Strate- gie knüpft an bereits länger vorhandene Ver- Im Nachgang zum Klimaschutz-Urteil des kehrsstrategien und Förderkonzepte der Euro- Bundesverfassungsgerichtes hat die Bundes- päischen Union an, etwa bei den Transeuro- regierung das nationale Reduktionsziel bis päischen Verkehrsnetzen (TEN-V) oder der In- 2030 von bisher 55 Prozent gegenüber 1990 teroperationalität. auf nunmehr 65 Prozent Treibhausgasmin- derung geändert. Mit diesem nationalen Re- Wichtigstes Instrument zur Erreichung eini- duktionsziel war allerdings nach der Eini- ger dieser Ziele und am relevantesten für die gung auf das EU-Klimagesetz bereits gerech- deutsche Automobilindustrie ist dabei die net worden. Regulierung zu den CO2-Flottengrenzwer- ten. Hierbei muss jeder Hersteller bestimm- Für den Verkehrssektor werden sich im An- te CO2-Durchschnittswerte für die verkaufte schluss die Vorgaben bis 2030 auch noch ein- Flotte an PKW einhalten. Verfehlt der Herstel- mal verändern. Das kann Auswirkungen auf ler diese Werte, fallen erhebliche Strafzahlun- alle Handlungsfelder der Verkehrswende ha- gen an. Die Regulierung zu den Flottengrenz- ben, vom Schienenverkehr bis zur Digitalisie- werten wurde erst vor kurzem, im Jahr 2019, rung. Für die Antriebswende im Automobil- überarbeitet. Seither gilt, dass die Automobil- sektor bleibt allerdings voraussichtlich die hersteller den CO2-Ausstoß ihrer Flotten bis Flottengrenzwertregulierung der EU das rele- 2030 um 37,5 Prozent gegenüber 2021 redu- vanteste Instrument. 7
Konsequenzen für im Fahrzeugbestand sein müssen2. Für 10,5 Millionen xEV-Fahrzeuge im Bestand 2030 Modellpalette, müsste der Anteil an den Neuzulassungen ab 2025 zwischen 55 und 60 Prozent betragen. Technologien Schon um die bestehenden Klimaziele zu er- reichen, dürfte das nach diversen Gutachten und Antriebe aber nicht ausreichen3. Nach der zu erwarten- den Verschärfung der Klimaziele würden nach Batterieelektrische Antriebe neuen Szenarien der NPM dann eher rund 14 Millionen Elektrofahrzeuge (xEV) nötig sein.4 Sowohl aus dem nationalen Ziel der CO2-Re- Um das zu erreichen, müsste der Löwenan- duktion im Verkehrssektor als auch aus den teil der verkauften Neufahrzeuge im Jahr europäischen Flottengrenzwerten für die Her- 2030 elektrisch sein. steller – und aus der strategischen Regie- Insbesondere der europäische Flottengrenz- rungs-Entscheidung zur Elektromobilität im wert (FGW) wirkt sich unmittelbar auf die wichtigsten Exportmarkt China – ergibt sich Hochläufe unterschiedlicher Technologien derzeit ein enormer aus. Je strenger der Flottengrenzwert, desto und sehr bald irrever- Einleitung stärker die Notwendigkeit schnellerer Elektri- sibler Trend zur Elek- Ausgangslage fizierung und desto höher die Einsparung von trifizierung der Fahr- CO2. Konsequenzen zeug-Antriebe. Nur die batterieelektri- Da der FGW die Fahrleistung nicht berücksich- > Batterieelektrische Antriebe schen Antriebe (rei- tigt, besteht kein linearer Zusammenhang. > Batterien / Rohstoffe ne Batteriebetriebene Daher können nur modellhafte Abschätzun- > Ladeinfrastruktur Fahrzeuge, kurz BEV, gen angegeben werden. Diese beziehen sich > Wasserstoff und eFuels oder Plug-In Hybride, außerdem nur auf die EU-Ebene. Da die Elek- abgekürzt PHEV) ste- tromobilitätsmärkte in den EU-Mitgliedsstaa- EURO 7 – jenseits von CO2 hen derzeit technolo- ten unterschiedlich entwickelt sind, können Klimaziele und Beschäftigung gisch zur Verfügung, in den entwickelten Märkten schnellere Hoch- um die Ziele in den läufe erforderlich werden5. Was zu tun ist kommenden Jahren Zwar haben Fahrzeuge mit alternativen An- bis 2030 real zu errei- trieben im Dezember 2020 zwischenzeitlich chen. Im Klartext: Bis 2030 muss ein signifi- einen Marktanteil von ca. 13,5 Prozent am Ge- kanter Anteil der Neuwagenflotte elektrifiziert samtmarkt erreicht. Allerdings entfällt derzeit werden. ein Großteil davon auf Fahrzeuge mit Hybrid- Nur mit einem beschleunigten und verstärk- Antrieb. Von den 2,9 Millionen neu zugelas- ten Hochlauf der Elektromobilität kann der senen Pkw im Inland sind 2020 dagegen nur Automobilsektor diese Ziele bewältigen. Zu 194.163 reine Elektrofahrzeuge angemel- dieser Größenordnung gibt es derzeit unter- det worden. Das entspricht zwar einem sat- schiedliche Schätzungen. Man spricht von 40 bis 60 Prozent der Neuwagen in Deutschland. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität 2 https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/ (NPM) ging bei den bisher bestehenden Zie- wp-content/uploads/2020/03/NPM-AG-1-Wege-zur-Errei- chung-der-Klimaziele-2030-im-Verkehrssektor.pdf len im Verkehrssektor davon aus, dass 2030 3 https://www.plattform-zukunft-mobilitaet. de/ zwischen 7 und 10,5 Millionen Elektrofahrzeu- wp-content/uploads/2021/07/NPM_AG1_Wege-fuer- mehr-Klimaschutz.pdf (S.16) ge (xEV, also BEV und PHEV) in Deutschland 4 ibid. (S.27ff.) 5 https://www.vda.de/de/presse/Pressemel- dungen/210324-VDA-Praesidentin-fordert-massiven- Ausbau-des-Ladenetzes-in-Europa.html 8
Batterien / Rohstoffe ten Plus von 206 Prozent, was allerdings nur 8 In einer Szenario-Berechnung mit einem Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. PHEV-Anteil von 30 Prozent an der Pkw-Pro- duktion im Jahr 2030 (in Verbindung mit ei- Die Plug-In-Hybrid-Technologie kann als Ein- nem BEV-Anteil von 20%) wird ein Beschäf- stiegs- und Übergangstechnologie einen Bei- tigungsrückgang von 30 Prozent im Antriebs- trag zu den Klimazielen im Verkehr leisten. strang gegenüber 2017 prognostiziert (inclu- Voraussetzung ist allerdings, dass diese Fahr- sive Effekte der Produktivitätssteigerung). In zeuge mit einem hohen elektrischen Fahran- einem alternativen Szenario mit einem PHEV- teil genutzt und entsprechend häufig geladen Anteil von 15 Prozent an der Pkw-Produktion werden. Um der lauter werdenden Diskussi- in 2030 (in Verbindung mit einem BEV-Anteil on über einen klimapolitischen „Etiketten- von 30%) wird ein Beschäftigungsrückgang schwindel“ entgegenzutreten, sollten schnell im Antriebsstrang von 39 Prozent gegenüber Maßnahmen ergriffen werden, den elektri- 2017 errechnet7 (ebenfalls inclusive Produkti- schen Fahranteil zu steigern. Die PHEV-Task- vitätssteigerung). force der NPM hat dazu Vorschläge gemacht6. Um Konsumenten den Einstieg in die Elekt- Batterien / Rohstoffe romobilität zu erleichtern, aber auch aus be- Die Erreichbarkeit dieses ehrgeizigen Ziels schäftigungspolitischer Sicht, ist die weite- hängt jedoch nicht zuletzt von der Verfügbar- re Förderung des PHEV als Übergangstech- keit der benötigten Komponenten ab, von de- nologie wichtig. Denn durch die Hybridtech- nen bisher insbesondere die Batterie der Fla- nologie kann eine sozialverträglichere Trans- schenhals ist. formation der bestehenden Wertschöpfungs- netzwerke erreicht werden. Allein für die Batterie kann von einer Ver- doppelung der bisher angenommenen Be- Modell-Berechnungen des Fraunhofer IAO zei- darfe in den kommenden zwei bis drei Jah- gen zudem, dass vom PHEV positive Beschäf- ren ausgegangen werden. Um die Bedar- tigungseffekte ausgehen und eine höhere fe decken zu können, müssen die Anstren- PHEV-Anzahl den Personalrückgang in der gungen für eine eigene Zellfertigung intensi- Automobilindustrie im Zeitverlauf strecken viert und die Investitionen angepasst werden. kann. Vor dem Hintergrund zurückgehender Auch im Bereich der Rohstoffe und des Recy- Anteile von Verbrennungsfahrzeugen könnten Arbeitsplätze gehalten werden. 7 Interne Berechnung Fraunhofer IAO für NPM AG4, zur generellem Methodik: https://www.plattform- 6 https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/ zukunft-mobilitaet.de/wp-content/uploads/2020/03/ wp-content/uploads/2020/10/NPM-Empfehlungen-zum- NPM-AG-4-1-Zwischenbericht-zur-strategischen-Personal- optimierten-Nutzungsgrad-von-Plug-in-Hybridfahrzeu- planung-und-Entwicklung-im-Mobilit%C3%A4tssektor. gen.pdf pdf (S.8ff ) 9
Batterien / Rohstoffe clings müssen umfangreiche Maßnahmen er- kunft eine zentrale strategische Herausforde- griffen werden, um Verfügbarkeiten in den rung. Die Internationale Energieagentur (IEA) neuen Dimensionen zu gewährleisten. schlug im Mai 2021 Alarm. Für „Clean Ener- gy Technologies“ im Bereich Energie und Ver- Was den Aufbau von Batteriezellfertigung in kehr werde der voraussichtliche Bedarf an Europa betrifft, haben die vergangenen Mona- kritischen Mineralien bald explodieren, al- te viele ermutigende Signale gebracht. Nach so Rohstoffen wie Kupfer, Lithium, Kobalt, Si- Schätzungen könnte bis 2030 eine jährliche lizium, Nickel, Graphit, Mangan, Molybdän, Produktionskapazität von 239 GWh Zink, Neodym oder Dysprosium. Sie wer- (Gigawattstunden) in Deutsch- den für Stromnetz-Infrastrukturen, land und 576 GWh in Euro- Lithium Solarmodule, Windräder, Elek- pa erreicht sein (Fraun- Silizium Kobalt trolyseure, Brennstoffzellen hofer ISI, Stand En- und Batterien gebraucht. de Januar 2021). Ende März sum- Kupfer Nach Einschätzungen Nickel mierten sich die der IEA ist der voraus- Ankündigungen sichtliche Bedarf in bereits auf 1100 derzeitigen Wert- Graphit G W h - K a p a z i - Dysprosium schöpfungsstruktu- tät pro Jahr und ren nicht verlässlich waren in Europa gedeckt. Hohe Investiti- rund 40 Batterie- Mangan onen sind nötig, die Ener- Neodym fabriken angekün- giemärkte müssen sich digt. Damit wäre der Molybdän neu orientieren, Nachhaltig- Zink europäische Batteriebe- keitsstandards müssen imple- darf voraussichtlich gedeckt8. mentiert werden. Industrielle Abneh- mer und Produzenten müssen sich schleu- Doch viele Projekte sind bisher eben nur an- nigst auf die Investitionsbedarfe und die Resi- gekündigt. Um relevante Anteile der automo- lienz neuer Lieferketten einstellen.10 bilen Wertschöpfung in Deutschland und Eu- ropa zu halten und die Beschäftigungspoten- Vor diesem Hintergrund und aus Gründen der tiale, die es rund um die Batterie gibt, auch ökologischen Tragfähigkeit der Batterietech- wirklich Realität werden zu lassen, hat diese nologie ist der Aufbau eines funktionierenden Frage industriepolitisch absolute Priorität. Recyclings zur Gewinnung von Sekundär-Roh- Ob weitere Beihilfen über das bisher gewähr- stoffen ebenfalls zentral. Zu den industriepo- te und bewilligte Maß hinaus notwendig sind, litischen Handlungsnotwendigkeiten beim muss kontinuierlich überprüft werden. Schät- Aufbau eines Wertschöpfungsnetzwerks zungen über neu entstehende Arbeitsplätze Batterierecycling hat die Arbeitsgruppe 4 rund um die Batterie belaufen sich auf hohe der NPM, unter Leitung der IG Metall Empfeh- fünfstellige bis knapp sechsstellige Zahlen in lungen erarbeitet11. Deutschland, je nach Szenario9. Bei der Frage der Rohstoffversorgung ist die In diesem Zusammenhang ist die Sicherung Sicherung fairer Arbeitsbedingungen ent- der Versorgung Europas mit kritischen Pri- lang der Zuliefererkette ein zentrales The- mär-Rohstoffen angesichts der zu erwarten- den Stückzahlen im Automobilmarkt der Zu- 10 https://www.iea.org/reports/the-role-of-criti- cal-minerals-in-clean-energy-transitions/executive-sum- 8 Handelsblatt 19.4.2021 unter Berufung auf mary Schätzungen des Fraunhofer ISI. 11 https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/ 9 Handelsblatt 19.4.2021 und „Batterien für Elek- wp-content/uploads/2020/10/NPM-AG-4-Positionspa- troautos: Faktencheck und Handlungsbedarf“ vom Fraun- pier-Qualititative-Betrachtung-des-Wertschoepfungs- hofer ISI im Auftrag des VDMA. netzwerks-Batterierecycling.pdf 10
Ladeinfrastruktur ma. Immer wieder haben in der Vergangen- Der schnellere Ausbau und die Schaffung heit Menschenrechtsverletzungen etwa beim von Akzeptanz für erneuerbare Energien Kobaltabbau oder Umweltprobleme bei der sind die Kernaufgabe der Dekarbonisierung Lithium-Gewinnung für Furore gesorgt. Die der deutschen Wirtschaft insgesamt. Not- IG Metall und die Betriebsräte fast aller großer wendig ist eine verlässliche und transparen- Unternehmen der Branche haben sich inten- te Entwicklung der erforderlichen Flächen für siv für ein Lieferkettengesetz eingesetzt12. den Ausbau der erneuerbaren Energien. Da- Es ist gut, dass die Bundesregierung hier nun für muss die Politik in Bund und Ländern sich einen ersten Schritt gehen wird, auch wenn wieder mehr einsetzen. es beim derzeit verhandelten Gesetzentwurf Wir brauchen verlässliche Ausbaupfade für noch Defizite gibt. Windkraft, on- und offshore, und für Solar- Ladeinfrastruktur energie, auf der Grundlage angepasster und realistischer Annahmen zum künftigen Strom- Auch der Aufbau der Infrastruktur wird mit ei- bedarf in den Sektoren Energie, Mobilität, In- ner Verschärfung der Zielvorgaben ebenso ei- dustrie, Wärme. Das gesamte System der nem Stresstest unterzogen, wie die Energie- Steuern und Umlagen im Strombereich ge- und Verteilernetze. Sie müssen gleicherma- hört dafür auf den Prüfstand, denn auch wett- ßen ertüchtigt werden, so wie die Bereitstel- bewerbsfähige Strompreise sind in all diesen lung von bedarfsdeckendem grünem Strom Sektoren zentral. gewährleistet sein muss. Auch die öffentliche und private Ladeinfra- Nur wenn mit grünem Strom gefahren wird, struktur für Elektroautos bleibt trotz aller För- ist Elektromobilität wirklich ein Beitrag derprogramme ein Thema. Derzeit hält das zum Klimaschutz. Die Antriebswende in der Tempo des Ausbaus mit dem erwartbaren Automobilität ist ein Faktor neben anderen, Hochlauf der Anzahl von xEV nicht Schritt. – etwa dem Umbau der Grundstoffindustrien Eine vom Reiner Lemoine Institut für das Bun- oder der Wärmewende – der deutlich macht, desverkehrsministerium durchgeführte Stu- wie groß der künftige Bedarf an erneuerbaren die13 rechnet mit einem Bedarf von 5 bis 9 Energien sein wird. Millionen Ladepunkten an Wohnorten, rund 2,5 Millionen Ladepunkten an Arbeitsplät- 12 https://www.igmetall.de/presse/pressemit- teilungen/ig-metall-lieferkettengesetz-wichtiger-schritt https://www.igmetall.de/politik-und-gesellschaft/inter- 13 https://reiner-lemoine-institut.de/studie-be- nationales/lieferkettengesetz-nicht-verwaessern darf-ladeinfrastruktur-2030/ 11
Wasserstoffe und eFuels zen, und zwischen 450.000 und 850.000 öf- so wie an der Entwicklung von Konzepten fentlichen Ladepunkten. Davon sind wir sehr für „hybridelektrisches Fliegen“ gearbeitet. weit entfernt. Wollen wir in 8 ½ Jahren wirk- Ein Umdenken hat auch bei den Werften ein- lich 14 Millionen elektrische Fahrzeuge im Be- gesetzt. Passagier- und Frachtschiffe mit stand haben, dann muss sich der Bau der La- Brennstoffzellenantrieb sind keine Science- deinfrastruktur dramatisch beschleunigen, Fiction mehr. Im Bahnbereich ist der Ein- sonst bleibt der Aufbruch in die elektrische satz von Brennstoffzellen inzwischen deut- Mobilitätszukunft doch noch stecken. lich vorangekommen. Da bis heute nur ein Teil des Schienennetzes elektrifiziert ist, wird die Darüber hinaus sollte auch Netzbetreibern er- Brennstoffzelle hier eine Rolle spielen, wenn laubt werden, intelligente Elektroladestati- es darum geht, Diesellokomotiven zu erset- onen/Netzwerke („Smart Charge Grids“) mit zen. transparenten Abrechnungsmodellen gegen- über den Kunden zu bauen. Ansonsten be- Im Schwerlastverkehr und bei den Nutzfahr- steht die Gefahr, dass die benötigten Bedar- zeugen könnte die Brennstoffzelle in Zukunft fe nicht ausreichend gedeckt werden können. eine Rolle spielen. Dazu gehören Baustellen- Weiterhin müssen Anreize geschaffen und die fahrzeuge, sowie Fahrzeuge der Land- und technischen Möglichkeiten verbessert wer- Forstwirtschaft. Bei Schwerlastanwendun- den, lokal erzeugten grünen Strom zur La- gen sind die höhere Leistung sowie die nied- dung von Fahrzeugen zu nutzen. rigeren Infrastrukturanforderungen ein wichti- ger Faktor. Bei sehr schweren LKW könnte al- Zu all diesen Rahmenbedingungen und Vor- so ein perspektivischer Schwerpunkt auf der aussetzungen eines erfolgreichen Hochlaufes Brennstoffzelle liegen. Im Bereich LKW bis zu der Elektromobilität im erforderlichen Aus- 3,5 Tonnen kristallisiert sich allerdings her- maß sollte die EU Meilensteine formulie- aus, dass auch hier batterieelektrische LKW ren. Sollten diese zu bestimmten Review-Da- immer wirtschaftlicher und effizienter werden. ten nicht gegeben sein, müssen die Hochlauf- ziele entsprechend angepasst werden. Die In- Je leichter das Fahrzeug wird, desto attrak- dustrie muss ihren Beitrag leisten, zum Teil tiver wird die batterieelektrische Mobilität. aber ist sie von Rahmenbedingungen abhän- So wird der Einsatz der Brennstoffzelle im Pkw gig, auf die sie keinen Einfluss hat. Für deren auch für die nächsten 10 bis 15 Jahre sehr zu- Verfehlung sollte sie dann auch nicht bestraft rückhaltend eingeschätzt. Optimistische Pro- werden können. gnosen gehen davon aus, dass 2040 der An- teil von Brennstoffzellen-Pkw noch unter 10 Wasserstoff und eFuels Prozent liegen wird. Ihr Beitrag zur Erreichung Sowohl der direkte Einsatz von grünem Was- der Klimaziele bis 2030 im PKW-Bereich ist serstoff in der Brennstoffzelle als auch der daher nicht relevant. 14 Einsatz synthetischer Kraftstoffe in Verbren- Bei einem erfolgreichen Hochlauf der Elektro- nungsmotoren – mit grünem Wasserstoff als mobilität wird es allerdings im Jahr 2030 noch Zwischenprodukt – können Beiträge zu einer einen signifikanten Anteil von verbrennungs- klimaneutralen Mobilität leisten. motorischen Fahrzeugen im Bestand geben. Insbesondere da, wo der Einsatz von Batte- Um auch sie zumindest teilweise zu dekarbo- rien technologisch keine oder keine gute Op- nisieren, können synthetische Kraftstoffe ei- tion ist, bieten diese Technologien den bes- nen Beitrag leisten. Erneuerbare Kraftstof- ten Weg. Hier sind sie auch weitgehend un- fe, zum Beispiel strombasierte synthetische umstritten. 14 Unter anderem: „Antrieb im Wandel“, 6/2020, So wird bereits am direkten Einsatz von grü- FEW Consulting im Auftrag des VDMA. Dort wird ge- nem Wasserstoff in Flugzeugantrieben eben- schätzt, dass Brennstoffzellenfahrzeuge bis 2040 einen Marktanteil von 12 Prozent einnehmen. 12
Wasserstoffe und eFuels Kraftstoffe (eFuels), hergestellt aus grünem ist der Bedarf an grünem Wasserstoff quer Wasserstoff und CO2 aus der Umgebungsluft, über die Branchen sehr hoch. sind eine gute Möglichkeit, den CO2-Rucksack Die IG Metall fordert in ihrem „Positionspa- der Bestandsflotte weltweit deutlich zu redu- pier Wasserstoff“ eine „Fokussierung auf zieren. die Industrieproduktion und den Last- be- Sie können in Reinform in bestehenden Inf- ziehungsweise Nutzverkehr bei LKW, Zügen, rastrukturen und Motoren genutzt oder her- Schiffen und Flugzeugen.“ Denn „bis 2030 kömmlichen Kraftstoffen bis zu einem be- besteht sehr hoher Reinvestitionsbedarf in stimmten Anteil (von bis zu 30%) beige- der energieintensiven Industrie, viele Arbeits- mischt werden. Hier sollten sie auch einge- plätze sind betroffen. Dies gilt in annähernd setzt und nicht aus ideologischen Gründen gleichem Maß für die Stahlindustrie, wie für der Verwendung im Straßenverkehr wider- die Zement- und Chemieindustrie. Auch im sprochen werden. Luft- und Seeverkehr ist man auf Wasserstoff Voraussetzung dafür ist jedoch eine kosten- als CO2-freie Alternative zu fossilen Brenn- effiziente und massenhafte Produktion die- stoffen angewiesen.“ Und besonders in den ser Kraftstoffe. Über eine geeignete Förderung Bereichen, in denen der Wärmebedarf nicht dieses Einsatzes synthetischer Kraftstoffe im über gesteigerte Energieeffizienz und gebäu- Rahmen der Erneuerbaren-Energien-Richtli- denah erzeugte erneuerbare Energie gedeckt nie der Europäischen Union (RED III), die im werden kann, muss grüner Wasserstoff zum laufenden Jahr überarbeitet wird, sollte nach- Einsatz kommen. Für den Individualverkehr gedacht werden. Dabei muss die Problematik spielt das Elektroauto die größere Rolle und der Nutzungskonkurrenz der knappen Res- bietet den effizienteren Einsatz der ohnehin source grüner Wasserstoff allerdings im Auge knappen Energie.“15 behalten werden. Auch wenn es Importpoten- 15 Positionspapier Wasserstoff der IG Metall im tiale gibt, die sich weiter entwickeln können, Anhang 13
Die Abgasregulierung ser Fahrzeuge ist es wichtig, dass diese im Re- albetrieb schadstoffarm und klimafreundlich EURO 7 – betrieben werden können. jenseits von CO Für die Fortschreibung der Abgasregelungen 2 für vierrädrige Straßenfahrzeuge hat die EU- Kommission einen Verordnungsvorschlag für Parallel zur CO2-Debatte bereitet die EU-Kom- das vierte Quartal 2021 angekündigt. mission eine weitere Stufe der Abgasregulie- Aktuell werden von der EU-Kommission fol- rung vor. Dieses Thema ist unabhängig von gende Maßnahmen diskutiert: der Klimaschutzregulierung. Es hat Furore ge- E Technologieneutrale Absenkung der gel- macht, weil der Kommission unterstellt wird, tenden Euro 6/VI-Schadstoffgrenzwerte über diesen Weg ebenfalls Technologieent- unter Berücksichtigung des abzusehenden scheidungen befördern zu wollen. Daher wird technischen Fortschritts der Abgastechno- die anstehende EURO 7-Regulierung oft auch logien in diesem Kontext erwähnt. E Einführung von Grenzwerten für weite- Die Abgasregulierung Einleitung re Schadstoffe (zum Beispiel Ammoniak ist ein zentrales Inst- bei Pkw) und Treibhausgase (Methan und Ausgangslage rument zur perspek- Lachgas) tivischen Erreichung Konsequenzen der Luftqualitätszie- E Überarbeitung des bisherigen Messver- > Batterieelektrische Antriebe le und hat bereits er- fahrens im Realbetrieb (Real Driving > Batterien / Rohstoffe hebliche Fortschrit- Emission – RDE) im Hinblick auf bestimm- > Ladeinfrastruktur te bewirkt. Diese Ent- te, bisher nicht oder nicht vollständig er- > Wasserstoff und eFuels wicklung wird mit der fasste Fahrsituationen (zum Beispiel bei laufenden Bestands- niedrigen Temperaturen oder Kurzstrecken- EURO 7 – jenseits von CO2 erneuerung fortge- betrieb) Klimaziele und Beschäftigung setzt und kann mit E Vereinfachung des Regelwerks sowie der der Einführung einer Was zu tun ist Mess- und Antragsverfahren (Überprüfung noch anspruchsvol- der Notwendigkeit der bisherigen Labor- leren Abgasgesetzge- messverfahren) bung perspektivisch weiter beschleunigt wer- den und somit zur weiteren Verbesserung der E Ausweitung der Kontrollen von Fahrzeu- Luftqualität und des Gesundheitsschutzes gen im laufenden Betrieb. beitragen. Die neue Euro 7/VII-Verordnung soll laut der- Dazu wird auf Grundlage einer umfassenden zeitiger Einschätzung der EU-Kommission Kosten- und Folgenabschätzung über den „frühestens 2025 oder 2026“ in Kraft treten, Umfang und die Ausgestaltung der Entwick- unter anderem wegen der notwendigen Vor- lung der Abgasgesetzgebung zu entscheiden laufzeit und den absehbar zeitaufwändigen sein. Dabei ist auch der zunehmende Anteil Verhandlungen über das technisch komplexe von Fahrzeugen der aktuellen Abgasnormen Regelwerk. sowie von Fahrzeugen mit alternativen und Eine darin vorgesehene Reduktion auf künf- emissionsfreien Antriebstechnologien zu be- tig nur noch 10 Milligramm Stickoxid pro Ki- rücksichtigen. lometer scheint zwischenzeitlich vom Tisch. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind der- Nun ist bei Pkw und leichten Lieferwagen in zeit noch ein zentraler Bestandteil unserer einem Modellentwurf ein Wert von 30 Milli- Mobilität. Für die öffentliche Akzeptanz die- gramm, in einem zweiten Szenario von 20 Mil- 14
EURO 7 – jenseits von CO 2 ligramm im Gespräch. Das ist immer noch ei- Ohne eine konkrete Festlegung auf eine der ne deutliche Verschärfung gegenüber den ak- oben genannten Optionen hat die EU-Kom- tuellen Werten, aber weniger hart als erwar- mission bisher Szenarien zwischen Option 2 tet. und 3 als Zwischenergebnisse der von ihr be- auftragten Studie präsentieren lassen. Dennoch sind die in einem vorab bekannt ge- wordenen Bericht der EU-Forschungsgrup- Künftige Abgasgrenzwerte müssen mit tech- pe deutlich strengeren Regeln zur Überprü- nischen Lösungen, die zum Inkrafttreten der fung der Schadstoffgrenzwerte im Realbetrieb Vorschriften serienreif und verfügbar werden, nach Meinung zahlreicher Experten nicht er- erreichbar sein und Messunsicherheiten, mit füllbar und würden das Ende des Verbren- denen die Messgeräte behaftet sind, berück- nungsmotors beschleunigen. Eine zu prüfen- sichtigen. de Alternative wäre eine entsprechende Wei- Neue Anforderungen der Abgasregulierung terentwicklung der EU 6 zur besseren Errei- müssen zudem von den unterschiedlichen chung der Flottengrenzwerte. Antriebstechnologien erfüllbar und im Sinne einer ökologisch-ökonomischen Gesamtbe- Da EU-Abgas-Verordnungen in den EU-Mit- trachtung sinnvoll sein. Die technologische gliedstaaten direkt zur Anwendung kommen, Marktführerschaft europäischer und vor al- besteht bei der Umsetzung der Regelungen lem deutscher Hersteller im Bereich der Fahr- kein nationaler Ermessensspielraum. zeuge mit Verbrennungsmotoren kann durch Das von der EU-Kommission beauftragte Wis- eine realistische Abgasregulierung, die mo- senschaftskonsortium hat für ihre Folgenab- derne Technologien zur Schadstoffminimie- schätzung folgende Optionen zu Grunde ge- rung erfordert, gestärkt werden. Für mehr legt: Transparenz und Planungssicherheit sollte bei Euro 7/VII ein klar strukturiertes und über- Option 0: Nur notwendige Anpassungen der schaubares Regelwerk mit ausreichend Vor- bisherigen Euro 6/VI-Regelungen unter Bei- laufzeit für die Entwicklung und Markteinfüh- behaltung der Grenzwerte. rung neuer Abgasreinigungs- und Motoren- Option 1: Angleichung der bisher unter- technologien angestrebt werden. schiedlichen Grenzwerte für alle Antriebs- Im April 2021 hat die Advisory Group on Vehic- technologien (insbesondere bei Diesel- und le Emission Standards (AGVES) der EU-Kom- Ottomotoren), Anpassung der Messverfahren mission erkennen lassen, dass sie sich dieser und wirksameres Kontrollregime. Argumentation nicht verschließen will16. Das Option 2: Wie Option 1, zusätzliche Absen- ist zu begrüßen. kung der Grenzwerte sowie ggf. Einführung von Grenzwerten für weitere Schadstoffe und bisher nicht regulierte Treibhausgasemissio- nen. Option 3: Wie Option 2, zusätzliche Anpas- sungen der Regelungen zur ständigen, sen- sorbasierten Fahrzeugüberwachung („On- board Monitoring“) und zur Hauptuntersu- chung durch technische Dienste (Periodical Technical Inspection – PTI), automatische Umschaltung auf den elektrischen Antrieb 16 https://www.vda.de/de/presse/Pressemel- bei Plug-In-Hybridfahrzeugen innerhalb dungen/210408-VDA-Praesidentin-Mueller-EU-Kommis- sion-hat-erkannt-dass-ein-Verbrenner-Verbot-klimascha- von Umweltzonen („Geo-Fencing“). edlich-gewesen-waere.html 15
Klimaziele und ihre Beschäftigungswirkung Die Zahl der Beschäftigten in der Automo- nem Drittel beziehungsweise der Hälfte der bilindustrie (nur die direkt in der Automobil- Beschäftigten des Jahres 2017, so die Studie industrie beschäftigten Personen) in Deutsch- „Automobile Wertschöpfung 2030“, an der land ist im Zeitraum 2010 bis 2018 um 18,9 unter anderem Roland Berger beteiligt war. Prozent auf 833.937 gestiegen. Die Auto- Gründe: Umstellung auf Elektromobilität und mobilwirtschaft (umfasst neben Unterneh- längerfristig das Vordringen von Shared Mobi- men der Fahrzeugindustrie auch Kfz-Gewer- lity und fahrerlosen Mobilitätsangeboten. be und Kfz-Handel) beschäftigt rund 1,6 Mil- Die Studie ELAB 2.0 kommt in ihrem Szenario lionen Menschen (2018). Zusätzlich arbeiten von 2018 zum Fazit, dass bis 2030 jeder zwei- rund 650.000 Beschäftigte in anderen Wirt- te Arbeitsplatz in der Produktion von Antrie- schaftszweigen, die ben betroffen sein wird. Laut Studie wäre bei eng mit der Herstel- Einleitung einer Elektrifizierung von 40 Prozent in 2030 lung von Kraftfahr- (15% PHEV, 25% BEV) mit einem Negativsal- Ausgangslage zeugen und Kraftwa- do von 37 Prozent (einschließlich Produktivi- genteilen verflochten Konsequenzen tätssteigerungen) der Stellen zu rechnen. sind. > Batterieelektrische Antriebe Unbestritten ist, dass schärfere Klimaschutz- Der mit dem Struk- > Batterien / Rohstoffe maßnahmen die Elektrifizierung der Mobilität turwandel verbunde- > Ladeinfrastruktur beschleunigen werden. Wie sich dies auf die ne Beschäftigungs- > Wasserstoff und eFuels Beschäftigungsstrukturen auswirkt, hat die abbau setzte Ende AG 4 der NPM untersucht. Auf Basis der Stu- EURO 7 – jenseits von CO2 2018 ein. In 2019 wur- die ELAB 2.0 und des IAB Forschungsberich- den in Deutschland Klimaziele und Beschäftigung tes 08/2018 wurde analysiert und prognosti- bereits rund 11.000 ziert, wie sich die beschleunigte Elektrifizie- Was zu tun ist Arbeitsplätze abge- rung der Mobilität bis 2030 auf den Produk- baut (-1,3%). In 2020 tions- und Beschäftigungsstandort auswirkt. hat sich der Stellen- abbau beschleunigt fortgesetzt. Im Juli 2020 So wurden die vorliegenden Studien um ein waren 801.653 Menschen in der Fahrzeugin- Szenario mit 10 Millionen Elektrofahrzeugen dustrie beschäftigt, dies ist ein weiterer Rück- im Bestand in Deutschland 2030 ergänzt. Es gang um 2,6 Prozent (21.220 Arbeitsplätze) wurde ein erweiterter Elektrifizierungsgrad innerhalb von nur acht Monaten. von 45 Prozent (15% PHEV, 30% BEV) zugrun- de gelegt. Demnach ist mit erheblichen Folgen Die Elektrifizierung im Mobilitätssektor kann für die Beschäftigtenstrukturen zu rechnen. deutlichen Beschäftigungsabbau zur Folge Am stärksten wäre demnach der Antriebs- haben. Zu diesem Schluss kommen zumin- strang vom Stellenabbau betroffen. Durch dest alle derzeit bekannten und relevanten Produktivitätssteigerungen werden voraus- Studien zum Thema. Eine direkte Vergleich- sichtlich bereits 27 Prozent der Arbeitsplätze barkeit ist aufgrund der unterschiedlichen im Antriebsstrang verloren gehen. Durch den Modulation der Studien allerdings schwierig. Umstieg auf die Elektromobilität kann sich Sowohl in der Fahrzeugindustrie als auch im diese Zahl auf 39 Prozent erhöhen. Bei der er- Automobilhandel und Aftermarket sind bis warteten Verschärfung der Klimaziele durch 2040 jeweils bis zu 300.000 Arbeitsplät- die EU, wenn also 80 Prozent der Neufahrzeu- ze gefährdet. Das entspricht etwa jeweils ei- ge im Jahr 2030 elektrisch wären (20% PHEV 16
Klimaziele und Beschäftigung / 60% BEV) könnte sich diese Zahl noch ein- mal erhöhen auf 45 Prozent der Arbeitsplätze im Antriebsstrang. Überproportional betroffen wären demnach insbesondere die Zuliefererunternehmen. Dort ist ein Rückgang von 44 Prozent prog- nostiziert, der höher ausfällt als bei den Fahr- zeugherstellern (OEM) mit -35 Prozent. Nicht berücksichtigt wurden F&E sowie Service und Wartung. Allerdings muss auch in diesen Be- reichen vom Entfall erheblicher Arbeitsumfän- ge ausgegangen werden. 17
Fazit / Handlungsempfehlungen Die erhöhten Klimaziele 2030 für den Ver- Nachfragestimulierung: kehrssektor und der Beitrag des PKW-Ver- E Eine Förderung muss so ausgestaltet sein, kehrs dazu sind durch einen beschleunig- dass für die Kunden attraktive Anreize für kli- ten Hochlauf der Elektromobilität im Grund- maneutrale Mobilität entstehen, was einen satz erreichbar. Zur Zielerreichung sind dann Mix von steuerlichen Maßnahmen und direk- statt der bislang avisierten 7 bis 10 Millionen ter finanzieller Förderung sinnvoll macht. voraussichtlich zwischen 14 und 16 Millionen Elektrofahrzeuge notwendig. E Der Umweltbonus und die Innovationsprä- mie haben sich in Kombination mit den Re- Damit das gelingt, sind eine Reihe von Rah- gelungen zur Dienstwagenbesteuerung be- menbedingungen nötig, die nicht alleine in währt. der Hand der Unternehmen liegen. Die Politik kann sich nicht auf E Plug-In-Hybrid-Modelle sind als Einstiegs- Einleitung die Zielvorgaben be- und Übergangstechnologie weiter zu fördern. schränken, sie muss Für den ökologischen Nutzen muss der elekt- Ausgangslage rische Fahranteil erhöht werden. die Voraussetzungen Konsequenzen der Zielerreichung E Auch die nach CO2-Emissionen gestaffelte > Batterieelektrische Antriebe schaffen. Das betrifft neue Kfz-Steuer ist ein sinnvolles Instrument. > Batterien / Rohstoffe die Themen Nachfra- E Mittelfristig sollte der CO2-Preis sozialver- gestimulierung, La- > Ladeinfrastruktur träglich angehoben werden, um klimaneutra- deinfrastruktur, Aus- > Wasserstoff und eFuels le Mobilität wettbewerbsfähig zu machen. bau erneuerbarer EURO 7 – jenseits von CO2 Energien, Netzaus- E Mit Blick auf die notwendige Defossilisie- bau, Batteriezellfer- rung von Kraftstoffen (Bestandsproblematik) Klimaziele und Beschäftigung tigung und Rohstoff- sollte der schnelle Markthochlauf von erneu- Was zu tun ist versorgung. erbaren und CO2-armen Kraftstoffen (zum Bei- Und: Der technologi- spiel eFuels) durch eine Erhöhung des Anteils sche Umstieg setzt solcher Kraftstoffe in der überarbeiteten Er- den Arbeitsmarkt und die Beschäftigten der neuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) unter- Industrie unter erheblichen Stress und er- stützt werden. Bei leichten Nutzfahrzeugen zeugt dadurch gesellschaftspolitisch große und im Schwerlastverkehr ist ein Technolo- Risiken. Die Politik muss durch eine aktive be- giemix alternativer Antriebe zu fördern und zu schäftigungs- und qualifizierungspolitische begleiten. sowie regional strukturpolitische Begleitung E Die LKW-Maut sollte am CO2-Ausstoß aus- die Voraussetzungen für einen sozial verant- gerichtet werden. wortlichen Umstieg schaffen. E Busflotten im öffentlichen Nahverkehr müs- sen mit Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeu- gen erneuert werden. 18
Was zu tun ist Ladeinfrastruktur: Beschäftigung / Qualifizierung: E Beschleunigter Ausbau der privaten und öf- E Das Kurzarbeitergeld zu einem Transforma- fentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahr- tions-Kurzarbeitergeld weiterentwickeln, bei zeuge zum Ausgleich der Mangelsituation bei dem systematisch Qualifizierung in der Kurz- einem beschleunigten Hochlauf arbeit stattfindet unter Einbindung der Be- triebsparteien E Ladeinfrastruktur für batterieelektrische LKW aufbauen E Bildung regionaler Weiterbildungsverbün- de E Wasserstofftankstellen für Brennstoffzel- len-LKW aufbauen E Ansätze zur regionalen Zusammenarbeit al- ler Stakeholder bei der Umqualifizierung von Beschäftigtengruppen für neue Bedarfe wei- Ausbau erneuerbarer Energien / ter stärken (Qualifizierungscluster, Weiterbil- Netzausbau: dungsverbünde, Kompetenz-Hubs) E Realistische Annahmen zum künftigen Stromverbrauch treffen, darauf basierend er- höhte und verlässliche Ausbaupfade für Wind- Regionale Strukturpolitik (on- und offshore) und Solarenergie festle- E Vom Strukturwandel besonders betroffene/ gen, um 2030 65 bis 70 Prozent Anteil erneu- gefährdete Regionen sollten im besonderen erbarer Energien am Strombedarf zu erreichen Maße unterstützt werden: Regionale Transfor- mationsnetzwerke und Regionale Transforma- E Planungsrecht vereinfachen und für Flä- tionsdialoge anregen. chenverfügbarkeit sorgen, durch Bund, Län- der und Kommunen E Wissenstransfer in KMU befördern: KMU müssen Zugang zu Innovationsnetzwerken E Mit Hochdruck die Stromnetze ausbauen, haben, überregionale Wissensplattformen einschließlich intelligenter Verteilnetze und oder Transferzentren müssen eingerichtet be- Speichertechnologien ziehungsweise gestärkt werden. E Die branchenübergreifende Zusammenar- Batteriezellfertigung / beit (Cross-industry-Ansätze) muss intensi- Rohstoffversorgung: viert werden. E Der Aufbau einer deutschen und europäi- E Der Umbau existierender Standorte sollte schen Versorgung mit Batterien als strategi- dabei immer Vorrang haben vor dem Neubau sche, industriepolitische Priorität muss mit auf der grünen Wiese. Was einmal wegbricht, hohem Druck vorangetrieben werden. kommt nicht wieder. E Die entsprechende Versorgung mit den da- E Unternehmen müssen stärker in die Trans- zu benötigten Komponenten und Rohstoffen formation investieren (Investitionen heute für muss hierzu strategisch sichergestellt wer- morgen und übermorgen); Transformations- den. Dazu braucht es den Aufbau einer ent- fonds zur Eigenkapitalstärkung im KMU-Be- sprechenden Kreislaufwirtschaft (Circular reich können hierbei effektiv sein. economy). E Eine Kreislaufwirtschaft in der automobilen Wertschöpfungskette aufbauen, insbesonde- re beim Batterierecycling. 19
Die Arbeitsgruppe CO der IG Metall 2 In der Arbeitsgruppe haben sich die Experten aus den Betriebsräten der Automobilhersteller und Zulieferer zum Thema zusammengefunden. Auf Initiative und Einladung des Ressorts Fahr- zeugbau- und Zuliefererindustrie beim Vorstand der IG Metall wurden in acht Zusammenkünf- ten seit November 2020 die Themen und Folgen einer auf EU-Ebene verfolgten weiteren Zuspit- zung der Klimaziele behandelt. Hierzu wurden für Impulsreferate und anschließende Diskussionen unterschiedliche externe Referenten eingeladen wie zum Beispiel Christian Hochfeld (Agora Verkehrswende), Kerstin An- drae (Bund der Energiewirtschaft), Florian Hermann (Fraunhofer IAO), Dr. Kurt-Christian Scheel (VDA), Alex Keynes (Transport & Environment), Volker Meier (BMU), Dr. Frederik Zohm, (MAN Truck & Bus SE), Thomas Fabian (European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) 20
Anhang: Positionspapier Wasserstoff des IG Metall Vorstands ENERGIE-UND MOBILITÄTSWENDE JETZT! WASSERSTOFF IST ZUKUNFTSSTOFF! Der Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft gesamte Wertschöpfungskette beim Wasser- und Gesellschaft stellt die deutsche Industrie stoff, von der Erzeugung über den Transport vor große Herausforderungen und nicht erst bis zur Nutzung entwickelt werden. seit der Corona-Krise ist klar, dass wir dafür Das Bekenntnis, die Umstellung von fossilen das Energiesystem, die Industrie und unsere Energieträgern auf Wasserstoff insbesonde- Mobilität grundlegend umbauen müssen. re bei industriellen Prozessemissionen zu för- Die IG Metall bekennt sich eindeutig zu dem dern, ist ein Schritt in die richtige Richtung, im Pariser Klimaabkommen von 2015 wie am Beispiel der Stahlindustrie deut- vereinbarten Ziel von Netto-Null- lich wird. Nirgends hat Wasserstoff Emissionen bis 2050 – das einen vergleichbaren Hebelef- 2 heißt, nicht mehr Treib- fekt wie im Stahl. Durch den hausgase in die Atmo- Einsatz von einer Tonne Was- sphäre zu emittieren als serstoff können dort 25 Ton- dieser wieder zu entzie- nen CO2 vermieden werden. hen. Für die IG Metall an. treibt Auch Investitionszuschüsse gilt dabei: Erhalt der In- in neue Anlagen und ein neu- dustriearbeit durch kon- es Pilotprogramm zur Unter- sequenten Umbau. Es geht stützung des Betriebes von Elek- uns um Wege in die Klimaneu- trolyseanlagen auf Basis des Car- tralität. Es geht auch darum, wie bon Contracts for Difference-Konzeptes wir einen nachhaltigen und zukunftsfä- higen Industriestandort Deutschland im euro- sind ein sinnvoller Ansatz. Um grünen Was- päischen und internationalen Wettbewerb er- serstoff dauerhaft marktfähig zu machen, ist halten und ausbauen und wie wir auf diesem die Befreiung des dafür genutzten erneuerba- Weg die Chancen nutzen und die Risiken mini- ren Stroms von der EEG-Umlage unerlässlich. mieren können. In unserem Land mit hochvernetzten Wert- Das weltweite Rennen um eine ressourcen- schöpfungsketten, die wir sichern und weiter- schonende und klimaneutrale Produktion hat entwickeln wollen, kann es nur ein gemeinsa- längst begonnen und der Wasserstofftechno- mes koordiniertes Vorgehen geben. Die Etab- logie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Die lierung von regionalen branchenübergreifen- nationale Wasserstoffstrategie (NWS), die von den Wasserstoffinitiativen unter Beteiligung der Bundesregierung am 10. Juni beschlossen von Forschung, Industrie und Gewerkschaften wurde, greift viele Punkte auf, die uns als IG dienen ebenfalls diesem Ziel. Die Frage des Metall wichtig sind. So soll mit der NWS die Importes von Wasserstoff zur Deckung des in- 21
Anhang: Positionspapier Wasserstoff des IG Metall Vorstands dustriellen Bedarfs muss zügig angegangen Welche Farbe soll der Wasserstoff haben? werden. Wir denken Ökonomie und Ökologie zusam- Die Investitionen in Infrastrukturen, sowie men und wissen: Eine nachhaltige Dekarbo- den Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen be- nisierung kann es nur mit grünem Wasserstoff grüßen wir. Gerade der Nutz- und Schwerlast- geben. Deshalb unterstützt die IG Metall, dass verkehr sowie der Bahnsektor (Wasserstoff- die Nationale Wasserstoffstrategie den Auf- zug) benötigen diese Infrastruktur. Von un- bau einer grünen Wasserstoffwirtschaft zü- seren Betriebsräten wissen wir, dass be- gig voranbringen will. Angesichts der Heraus- reits am direkten Einsatz von grünem forderungen, zurzeit sind weder grüner noch Wasserstoff in Flugzeugantrieben blauer Wasserstoff in größeren Mengen noch ebenso wie an der Entwicklung Absatzmärkte dafür verfügbar, muss eine si- H2 von Konzepten für „hybridelekt- chere und verlässliche Versorgung erst aufge- risches Fliegen“ gearbeitet wird. baut werden. Übergangsweise wird daher der Im Gebäudebereich könnte durch Import von blauem, d.h. klimaneutralem Was- innovative, dezentrale Quartiers- konzepte zur Wärmeversorgung serstoff ebenfalls eine Rolle spielen müssen. der Einsatz von Wasserstoff aus Woher soll der Wasserstoff kommen? zusätzlichen erneuerbaren Energie- anlagen vorangebracht werden, ohne In Deutschland ist zeitnah die industrielle Her- dass damit eine Konkurrenz zur Industrie stellung von grünem Wasserstoff in einer Grö- oder dem Verkehr entsteht. ßenordnung von 5 GW zu realisieren. Die deut- Ohne eine ambitionierte und nachhaltige in- schen Energietechnikunternehmen brauchen ländische Wasserstoffproduktion wird es kei- Referenzprojekte im Heimatmarkt, um dann nen erfolgreichen Hochlauf bei der Produkti- auch im Export erfolgreich sein zu können. on und Verwendung von grünem Wasserstoff Da der Bedarf für eine industrielle Hochska- geben. Voraussetzung ist, den ins Stocken ge- lierung nicht allein durch in Deutschland her- ratenen Ausbau der erneuerbaren Energien in gestellten Wasserstoff gedeckt werden kann, Deutschland wieder anzukurbeln. stellt sich die Frage nach den Erzeugungspo- Aus Sicht der IG Metall ist der Ansatz, Pro- tenzialen in der EU und den Nachbarregionen. duktionsanlagen von bis zu 5 GW Gesamtleis- Sowohl in Europa wie auch in den MENA-Staa- tung einschließlich der dafür erforderlichen ten in Nahost und Nordafrika besteht erhebli- Offshore- und Onshore-Energiegewinnung zu ches Potenzial zur Kooperation, wobei der Ei- bauen, allerdings bei weitem nicht ausrei- genbedarf der Exportländer Berücksichtigung chend. Selbst wenn bis 2035 nach Möglich- finden muss. keit weitere 5 GW zugebaut werden, entspricht Zu einer fairen Entwicklungszusammenarbeit das nicht dem jetzt schon bekannten Energie- bedarf. Auch wenn die Schätzungen noch ei- gehört aus Sicht der IG Metall, gemeinsam mit ne große Bandbreite aufweisen, besagen sie, den Partnerländern eine Wasserstoffindust- dass wir bis zum Jahr 2050 einen Bedarf von rie aufzubauen, die dem Anspruch von #Fair- 250-800 TWh haben werden und somit einen Wandel gerecht wird und faire Umwelt-, Sozi- Bedarf zwischen 50-80 GW an Elektrolyseka- al- und Arbeitsstandards gewährleistet. pazitäten benötigen. Daher fordern wir Richtlinien zum Import von Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung Wasserstoff und zur Nutzung bzw. Schaffung muss nun zügig mit Leben gefüllt und die im sicherer Infrastruktur. Das gilt auch für die Konjunkturpaket beschlossenen Maßnahmen mögliche Verwendung von Pipelines, die bis- umgesetzt werden. lang für Gas (LPG und Erdgas) dienen. 22
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