FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall

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FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
* Am 21. April 2021 einigten sich Europäische Kommission,
                                              Europäischer Rat und das Europäische Parlament
                                                       auf das neue Klimaschutz-Ziel von
                                                              55 Prozent Treibhausgas-Reduktion
                                                                      bis 2030.

FIT FOR 55*
Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion:
Konsequenzen für Technologien,
Antriebe und Beschäftigung
                                                                                   IG METALL
                                                                                      CO2-AG
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Kapiteltitel

2
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
I N H A LT
Einleitung                            4
Ausgangslage                          6
Konsequenzen
> Batterieelektrische Antriebe        8
> Batterien / Rohstoffe               9
> Ladeinfrastruktur                   11
> Wasserstoff und eFuels              12
EURO 7 – jenseits von CO2             14
Klimaziele und Beschäftigung          16
Was zu tun ist                        18
Anhang: Positionspapier Wasserstoff   21

                                           3
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
FIT FOR 55
    Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Regulation:
    Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung

                                                                        Der daraus resultierende Strukturwandel
                    Einleitung                                          birgt erhebliche Risiken für die Beschäfti-
                                                                        gung in der deutschen Automobilindustrie.
                      Die Automobilindustrie befindet sich in einem     Mit den neuen Technologien und Produkten
                      umfassenden Strukturwandel. Digitalisie-          ändern sich die Produktionsstrukturen und
                      rung, Vernetzung, Automatisierung von Pro-        -prozesse sowie die Qualifikationsanforde-
                                              dukten und Produk-        rungen zum Teil grundlegend.
       Einleitung                             tion, sowie das Auf-      Die Transformation dieser Schlüsselindustrie
                                              kommen neuer Mo-          ist für die IG Metall schon lange ein Kernthe-
       Ausgangslage
                                              bilitätsdienstleistun-    ma. Seit vielen Jahren fordern wir eine umfas-
       Konsequenzen                           gen und innovativer,      sende politische Begleitung dieses Prozes-
       > Batterieelektrische Antriebe         digitaler Geschäfts-      ses, mit Investitionen in Infrastruktur, regio-
       > Batterien / Rohstoffe                modelle spielen eine      naler Strukturpolitik, Qualifizierungspolitik
       > Ladeinfrastruktur                    immer größere Rolle.      und betrieblichen Zukunftskonzepten. Un-
                                              Wichtigster Treiber       sere Betriebsräte erzeugen Druck, in Richtung
       > Wasserstoff und eFuels
                                              für die Veränderun-       innovativer und klimafreundlicher Technolo-
       EURO 7 – jenseits von CO2              gen ist aber der Kli-     gien und Produkte zu investieren, ihre Pro-
                                              maschutz. Die CO2-        duktionsprozesse umzubauen, zukunftsfähi-
       Klimaziele und Beschäftigung
                                              Emissionen       durch    ge Geschäftsmodelle zu entwickeln und neue
       Was zu tun ist                         Hunderte Millionen        Wertschöpfungschancen zu erschließen. Die
                                              PKW und LKW tragen        IG Metall macht dies auch in Tarifauseinan-
                      weltweit in erheblichem Maße zum Klimawan-        dersetzungen zum Thema.
                      del bei. Daraus hat sich ein mittlerweile welt-
                                                                        Gegenwärtig, im Jahr 2021, spitzt sich die Si-
                      weit steigender Druck ergeben, Antriebstech-
                                                                        tuation zu. Die Probleme des Strukturwan-
                      nologien auf klimafreundlichere Alternativen
                                                                        dels werden durch die Corona-Krise ver-
                      umzustellen.
                                                                        schärft. Viele Zuliefererbetriebe geraten in Li-
                    Viele Staaten haben Ausstiegsdaten für fos-         quiditätsprobleme, viele Betriebe bauen be-
                    sil betriebene Verbrennungsmotoren ange-            reits Stellen ab. Gleichzeitig werden die zer-
                    kündigt. Im für Deutschland wichtigsten Ex-         störerischen Auswirkungen des Klimawan-
                    portmarkt China werden alternative An-              dels weltweit immer deutlicher sichtbar.
                    triebe forciert und die Europäische Union
                                                                        In der Folge hat die Europäische Union eine
                    gibt stetig strengere Grenzwerte für die Au-
                                                                        beschleunigte Reduzierung des Treibhausgas-
                    tomobilflotten der Hersteller vor. Resul-
                                                                        ausstoßes angekündigt. Und das Bundesver-
                    tat ist ein weltweiter Trend zur Dekarbo-
                                                                        fassungsgericht hat die bisherige deutsche
                    nisierung, zu alternativen Antrieben, ins-
                                                                        Klimagesetzgebung in einem aufsehenerre-
                    besondere zur Elektrifizierung.
                                                                        genden Urteil als unzureichend und grund-

4
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Einleitung

gesetzwidrig eingestuft. Beides wird im Lau-          Abkommens. Ein Festhalten an nicht nach-
fe des Jahres auch dazu führen, dass die An-          haltigen, klimaschädlichen Technologien
forderungen an die Automobilwirtschaft noch           wäre angesichts der beschriebenen Trends
einmal erhöht werden. Neue Technologien bei           fatal für unsere Betriebe.
PKW und LKW werden schneller hochlaufen
                                                      Wir kämpfen für ihren zukunftsfähigen Um-
müssen und alte Technologien schneller aus
                                                      bau. Gleichzeitig muss der notwendige Wan-
dem Markt gedrängt werden.
                                                      del mit Augenmaß, Verantwortung für die Be-
Ein solch beschleunigter Wandel birgt Chan-           schäftigten und umfangreicher Unterstützung
cen für zukünftige innovative Wertschöpfung           durch die Politik gestaltet werden. Sonst dro-
in einer an sich gut aufgestellten und starken        hen erhebliche gesellschaftspolitische Risi-
Industrie. Es verstärken sich aber auch die in-       ken.
dustrie- und beschäftigungspolitischen Risi-
                                                      Für die Entscheidungen des Jahres 2021 be-
ken.
                                                      deutet das: Die Politik muss sich der Kon-
Die IG Metall bleibt auch in dieser Situation         sequenzen ihrer klimapolitischen Ent-
bei ihrem Ansatz des „Fairen Wandels“. Wir            scheidungen bewusst werden und alle nöti-
bekennen uns zur Notwendigkeit des Klima-             gen industrie-, struktur- und beschäftigungs-
schutzes und zu den von den Vereinten Nati-           politischen Maßnahmen ergreifen, um die-
onen beschlossenen Klimazielen des Pariser            sen Wandel fair und erfolgreich zu gestalten.
                                                      Unser Ansatz lautet: Wenn Ziele verschärft
                                                      werden, dann müssen die Rahmenbedingun-
Pariser UN-Abkommen                                   gen für ihre Erreichung geschaffen werden!
zum Klimaschutz (2O15):                               Und zweitens muss sehr genau überlegt wer-
                                                      den, welche Technologie für welchen Bereich
                   Temperatur-Anstieg
                   begrenzen
                                        Weniger CO2   die richtige ist, um die Klimaziele zu erreichen
                                                      und unsere Industrie diesem Ziel gemäß er-
                                                      folgreich umzubauen. „Für jeden Verkehrs-
                                                      träger die optimale Lösung“ lautet hier die
                                                      Devise. Unterschiedliche Energieträger (zum
 Unterstützung     Verbindliche         Weitere
 für arme Länder   Berichte             Klima-Ziele
                                                      Beispiel Batterien, Kraftstoffe, Brennstoffzel-
                                                      len, Wasserstoff ) haben alle ihre spezifischen
                                                      Rollen zu spielen, je nach Kosten, Verfügbar-
                                                      keit, Effizienz und Nachhaltigkeit.

                                                                                                                      5
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Ausgangslage und
                                                                          über 1990 um 40 Prozent zu vermindern. Am
                                                                          21.04.2021 einigten sich Europäische Kom-

                     Veränderungen in der                                 mission, Europäischer Rat und das Euro-
                                                                          päische Parlament auf das neue Ziel von 55
                     europäischen und                                     Prozent Treibhausgas-Reduktion bis 2030.

                     nationalen Regulierung                               Das bedeutet auch für den Verkehrssektor er-
                                                                          höhte Anstrengungen. Der Verkehrssektor gilt
                                                                          neben dem Gebäudesektor ohnehin als kriti-
                       Der Handlungsbedarf und die damit verbun-          scher Sektor für den Klimaschutz, da es bisher
                       denen Anforderungen an den Verkehrssektor          nicht gelungen ist, den Treibhausgas-Ausstoß
                       leiten sich aus den Beschlüssen des Pariser        des Verkehrs überhaupt zu reduzieren, anders
                       Klimaabkommens vom Dezember 2015, der              als in den Sektoren Industrie und Energie.
                       Klimaschutzregulierung der Europäischen            Für den Verkehrssektor hat die Europäische
                       Union, dem Klimaschutzgesetz und dem               Kommission am 9. Dezember 2020 ihre „Stra-
                       Klimaschutzplan 2050 der Bundesregie-              tegie für nachhaltige und intelligente Mo-
                       rung ab. Daraus leiten sich wiederum für die       bilität“1 und einen Aktionsplan mit 82 Initi-
                                              großen Sektoren In-         ativen vorgelegt, die in den kommenden vier
        Einleitung                            dustrie, Energie, Ver-      Jahren umgesetzt werden sollen. Wie im eu-
                                              kehr, Gebäude und
        Ausgangslage                                                      ropäischen Grünen Deal dargelegt, sollen
                                              Landwirtschaft     je-      die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis
        Konsequenzen                          weils spezifische Zie-      2050 um 90 Prozent verringert werden. Auf
        > Batterieelektrische Antriebe        le und Instrumente          den Verkehr entfalle mittlerweile ein Viertel
        > Batterien / Rohstoffe               ab.                         der gesamten Treibhausgasemissionen der
        > Ladeinfrastruktur                     Unter dem Druck der       EU – Tendenz steigend, heißt es in der Stra-
        > Wasserstoff und eFuels                stärker   werdenden       tegie. Nur mit mehr Ehrgeiz im Verkehrssek-
                                                Auswirkungen des Kli-     tor sei es möglich, bis 2050 zum ersten klima-
        EURO 7 – jenseits von CO2                                         neutralen Kontinent zu werden und eine Ver-
                                                mawandels und einer
        Klimaziele und Beschäftigung            europaweiten Bürger-      ringerung der Treibhausgasemissionen um 55
                                                bewegung für effek-       Prozent bis 2030 zu erreichen.
        Was zu tun ist
                                                tiveren Klimaschutz       In der EU-Strategie sind Etappenziele hin-
                                                hat die neue EU-Kom-      terlegt, die wesentlich auf diese Ziele ori-
                       mission Ende 2019 vorgeschlagen, das euro-         entieren:
                       päische Klimaziel für 2030 weiter zu erhöhen.
                       Bisher galt das Ziel, bis 2030 den Treibhaus-
                       gas-Ausstoß der Europäischen Union gegen-

    Bis 2030:                             E Der Linienverkehr auf Strecken           Bis 2050:
                                            unter 500 Kilometer ist klimaneu-
    E Auf Europas Straßen sind mindes-                                               E Fast alle Pkw, Lieferwagen, Busse
                                            tral.
      tens 30 Millionen emissionsfreie                                                 und neue Lkw sind emissionsfrei.
      Pkw unterwegs.                      E Die automatisierte Mobilität wird
                                                                                     E Der Schienengüterverkehr hat sich
                                            in großem Maßstab eingeführt.
    E 100 europäische Städte sind                                                      verdoppelt.
      klimaneutral.                       E Emissionsfreie Schiffe sind
                                                                                     E Das multimodale transeuropäische
                                            marktreif.
    E Der Hochgeschwindigkeitsbahn-                                                    Verkehrsnetz (TEN-V) für nachhal-
      verkehr hat sich europaweit         E Emissionsfreie Großflugzeuge               tigen und intelligenten Verkehr mit
      verdoppelt.                           sind marktreif (2035).                     Hochgeschwindigkeitskonnektivität
                                                                                       ist uneingeschränkt betriebsbereit.

                                                                          1          https://ec.europa.eu/transport/sites/default/
                                                                          files/legislation/com20200789.pdf
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FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Ausgangslage

Viele der Initiativen sind für 2021 vorgese-      zieren müssen. Es ist zu erwarten, dass im Zu-
hen und finden sich bereits im KOM-Arbeits-       ge des verschärften EU-Klimaziels diese Flot-
programm, etwa im Paket „Fit für 55“; so die      tengrenzwerte nun noch einmal verschärft
Revision der CO2-Normen für Pkw und leichte       werden.
Nutzfahrzeuge. Für 2022 ist die Überarbeitung
                                                  Parallel gilt auf nationaler Ebene für den Ver-
der CO2-Normen für schwere Nutzfahrzeuge
                                                  kehrssektor derzeit das Ziel der Bundesre-
geplant. Der Aufbau der Infrastruktur für al-
                                                  gierung, bis 2030 die CO2-Emissionen des
ternative Antriebe soll forciert werden, etwa
                                                  Verkehrs um 40 bis 42 Prozent (gegenüber
durch die Errichtung von drei Millionen öffent-
                                                  1990) zu vermindern. Von diesem Ziel ist der
lichen Ladestationen bis 2030.
                                                  Verkehrssektor in Deutschland bislang aller-
Die Strategie für nachhaltige und intelli-        dings weit entfernt. Die Bundesregierung ver-
gente Mobilität bettet die europäische Ver-       sucht derzeit auf verschiedenen Handlungs-
kehrspolitik in den übergeordneten Rahmen         feldern diese Reduktion voranzutreiben, von
des europäischen grünen Deals und des eu-         der Förderung alternativer Antriebe im PKW-
ropäischen Klimagesetzes ein. Die unter Fe-       und LKW-Verkehr über den Ausbau der Schie-
derführung der Generaldirektion Mobilität         ne bis hin zur Digitalisierung des Verkehrs.
und Verkehr (DG Move) entstandene Strate-
gie knüpft an bereits länger vorhandene Ver-      Im Nachgang zum Klimaschutz-Urteil des
kehrsstrategien und Förderkonzepte der Euro-      Bundesverfassungsgerichtes hat die Bundes-
päischen Union an, etwa bei den Transeuro-        regierung das nationale Reduktionsziel bis
päischen Verkehrsnetzen (TEN-V) oder der In-      2030 von bisher 55 Prozent gegenüber 1990
teroperationalität.                               auf nunmehr 65 Prozent Treibhausgasmin-
                                                  derung geändert. Mit diesem nationalen Re-
Wichtigstes Instrument zur Erreichung eini-
                                                  duktionsziel war allerdings nach der Eini-
ger dieser Ziele und am relevantesten für die
                                                  gung auf das EU-Klimagesetz bereits gerech-
deutsche Automobilindustrie ist dabei die
                                                  net worden.
Regulierung zu den CO2-Flottengrenzwer-
ten. Hierbei muss jeder Hersteller bestimm-       Für den Verkehrssektor werden sich im An-
te CO2-Durchschnittswerte für die verkaufte       schluss die Vorgaben bis 2030 auch noch ein-
Flotte an PKW einhalten. Verfehlt der Herstel-    mal verändern. Das kann Auswirkungen auf
ler diese Werte, fallen erhebliche Strafzahlun-   alle Handlungsfelder der Verkehrswende ha-
gen an. Die Regulierung zu den Flottengrenz-      ben, vom Schienenverkehr bis zur Digitalisie-
werten wurde erst vor kurzem, im Jahr 2019,       rung. Für die Antriebswende im Automobil-
überarbeitet. Seither gilt, dass die Automobil-   sektor bleibt allerdings voraussichtlich die
hersteller den CO2-Ausstoß ihrer Flotten bis      Flottengrenzwertregulierung der EU das rele-
2030 um 37,5 Prozent gegenüber 2021 redu-         vanteste Instrument.

                                                                                                                   7
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Konsequenzen für
                                                                       im Fahrzeugbestand sein müssen2. Für 10,5
                                                                       Millionen xEV-Fahrzeuge im Bestand 2030

                  Modellpalette,                                       müsste der Anteil an den Neuzulassungen ab
                                                                       2025 zwischen 55 und 60 Prozent betragen.
                  Technologien                                         Schon um die bestehenden Klimaziele zu er-
                                                                       reichen, dürfte das nach diversen Gutachten
                  und Antriebe                                         aber nicht ausreichen3. Nach der zu erwarten-
                                                                       den Verschärfung der Klimaziele würden nach
                  Batterieelektrische Antriebe                         neuen Szenarien der NPM dann eher rund 14
                                                                       Millionen Elektrofahrzeuge (xEV) nötig sein.4
                   Sowohl aus dem nationalen Ziel der CO2-Re-          Um das zu erreichen, müsste der Löwenan-
                   duktion im Verkehrssektor als auch aus den          teil der verkauften Neufahrzeuge im Jahr
                   europäischen Flottengrenzwerten für die Her-        2030 elektrisch sein.
                   steller – und aus der strategischen Regie-
                                                                       Insbesondere der europäische Flottengrenz-
                   rungs-Entscheidung zur Elektromobilität im
                                                                       wert (FGW) wirkt sich unmittelbar auf die
                   wichtigsten Exportmarkt China – ergibt sich
                                                                       Hochläufe unterschiedlicher Technologien
                                           derzeit ein enormer
                                                                       aus. Je strenger der Flottengrenzwert, desto
                                           und sehr bald irrever-
    Einleitung                                                         stärker die Notwendigkeit schnellerer Elektri-
                                           sibler Trend zur Elek-
    Ausgangslage                                                       fizierung und desto höher die Einsparung von
                                           trifizierung der Fahr-
                                                                       CO2.
    Konsequenzen                           zeug-Antriebe.      Nur
                                           die      batterieelektri-   Da der FGW die Fahrleistung nicht berücksich-
    > Batterieelektrische Antriebe
                                           schen Antriebe (rei-        tigt, besteht kein linearer Zusammenhang.
    > Batterien / Rohstoffe                ne Batteriebetriebene       Daher können nur modellhafte Abschätzun-
    > Ladeinfrastruktur                    Fahrzeuge, kurz BEV,        gen angegeben werden. Diese beziehen sich
    > Wasserstoff und eFuels               oder Plug-In Hybride,       außerdem nur auf die EU-Ebene. Da die Elek-
                                           abgekürzt PHEV) ste-        tromobilitätsmärkte in den EU-Mitgliedsstaa-
    EURO 7 – jenseits von CO2
                                           hen derzeit technolo-       ten unterschiedlich entwickelt sind, können
    Klimaziele und Beschäftigung           gisch zur Verfügung,        in den entwickelten Märkten schnellere Hoch-
                                           um die Ziele in den         läufe erforderlich werden5.
    Was zu tun ist
                                           kommenden Jahren            Zwar haben Fahrzeuge mit alternativen An-
                                           bis 2030 real zu errei-     trieben im Dezember 2020 zwischenzeitlich
                   chen. Im Klartext: Bis 2030 muss ein signifi-       einen Marktanteil von ca. 13,5 Prozent am Ge-
                   kanter Anteil der Neuwagenflotte elektrifiziert     samtmarkt erreicht. Allerdings entfällt derzeit
                   werden.                                             ein Großteil davon auf Fahrzeuge mit Hybrid-
                  Nur mit einem beschleunigten und verstärk-           Antrieb. Von den 2,9 Millionen neu zugelas-
                  ten Hochlauf der Elektromobilität kann der           senen Pkw im Inland sind 2020 dagegen nur
                  Automobilsektor diese Ziele bewältigen. Zu           194.163 reine Elektrofahrzeuge angemel-
                  dieser Größenordnung gibt es derzeit unter-          det worden. Das entspricht zwar einem sat-
                  schiedliche Schätzungen. Man spricht von 40
                  bis 60 Prozent der Neuwagen in Deutschland.
                  Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität        2         https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/
                  (NPM) ging bei den bisher bestehenden Zie-           wp-content/uploads/2020/03/NPM-AG-1-Wege-zur-Errei-
                                                                       chung-der-Klimaziele-2030-im-Verkehrssektor.pdf
                  len im Verkehrssektor davon aus, dass 2030           3        https://www.plattform-zukunft-mobilitaet. de/
                  zwischen 7 und 10,5 Millionen Elektrofahrzeu-        wp-content/uploads/2021/07/NPM_AG1_Wege-fuer-
                                                                       mehr-Klimaschutz.pdf (S.16)
                  ge (xEV, also BEV und PHEV) in Deutschland           4        ibid. (S.27ff.)
                                                                       5        https://www.vda.de/de/presse/Pressemel-
                                                                       dungen/210324-VDA-Praesidentin-fordert-massiven-
                                                                       Ausbau-des-Ladenetzes-in-Europa.html

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FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Batterien / Rohstoffe

ten Plus von 206 Prozent, was allerdings nur 8           In einer Szenario-Berechnung mit einem
Prozent des Gesamtmarktes ausmacht.                      PHEV-Anteil von 30 Prozent an der Pkw-Pro-
                                                         duktion im Jahr 2030 (in Verbindung mit ei-
Die Plug-In-Hybrid-Technologie kann als Ein-
                                                         nem BEV-Anteil von 20%) wird ein Beschäf-
stiegs- und Übergangstechnologie einen Bei-
                                                         tigungsrückgang von 30 Prozent im Antriebs-
trag zu den Klimazielen im Verkehr leisten.
                                                         strang gegenüber 2017 prognostiziert (inclu-
Voraussetzung ist allerdings, dass diese Fahr-
                                                         sive Effekte der Produktivitätssteigerung). In
zeuge mit einem hohen elektrischen Fahran-
                                                         einem alternativen Szenario mit einem PHEV-
teil genutzt und entsprechend häufig geladen
                                                         Anteil von 15 Prozent an der Pkw-Produktion
werden. Um der lauter werdenden Diskussi-
                                                         in 2030 (in Verbindung mit einem BEV-Anteil
on über einen klimapolitischen „Etiketten-
                                                         von 30%) wird ein Beschäftigungsrückgang
schwindel“ entgegenzutreten, sollten schnell
                                                         im Antriebsstrang von 39 Prozent gegenüber
Maßnahmen ergriffen werden, den elektri-
                                                         2017 errechnet7 (ebenfalls inclusive Produkti-
schen Fahranteil zu steigern. Die PHEV-Task-
                                                         vitätssteigerung).
force der NPM hat dazu Vorschläge gemacht6.
Um Konsumenten den Einstieg in die Elekt-                Batterien / Rohstoffe
romobilität zu erleichtern, aber auch aus be-
                                                         Die Erreichbarkeit dieses ehrgeizigen Ziels
schäftigungspolitischer Sicht, ist die weite-
                                                         hängt jedoch nicht zuletzt von der Verfügbar-
re Förderung des PHEV als Übergangstech-
                                                         keit der benötigten Komponenten ab, von de-
nologie wichtig. Denn durch die Hybridtech-
                                                         nen bisher insbesondere die Batterie der Fla-
nologie kann eine sozialverträglichere Trans-
                                                         schenhals ist.
formation der bestehenden Wertschöpfungs-
netzwerke erreicht werden.                               Allein für die Batterie kann von einer Ver-
                                                         doppelung der bisher angenommenen Be-
Modell-Berechnungen des Fraunhofer IAO zei-
                                                         darfe in den kommenden zwei bis drei Jah-
gen zudem, dass vom PHEV positive Beschäf-
                                                         ren ausgegangen werden. Um die Bedar-
tigungseffekte ausgehen und eine höhere
                                                         fe decken zu können, müssen die Anstren-
PHEV-Anzahl den Personalrückgang in der
                                                         gungen für eine eigene Zellfertigung intensi-
Automobilindustrie im Zeitverlauf strecken
                                                         viert und die Investitionen angepasst werden.
kann. Vor dem Hintergrund zurückgehender
                                                         Auch im Bereich der Rohstoffe und des Recy-
Anteile von Verbrennungsfahrzeugen könnten
Arbeitsplätze gehalten werden.                           7           Interne Berechnung Fraunhofer IAO für NPM
                                                         AG4, zur generellem Methodik: https://www.plattform-
6         https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/   zukunft-mobilitaet.de/wp-content/uploads/2020/03/
wp-content/uploads/2020/10/NPM-Empfehlungen-zum-         NPM-AG-4-1-Zwischenbericht-zur-strategischen-Personal-
optimierten-Nutzungsgrad-von-Plug-in-Hybridfahrzeu-      planung-und-Entwicklung-im-Mobilit%C3%A4tssektor.
gen.pdf                                                  pdf (S.8ff )

                                                                                                                                    9
FIT FOR 55* Expertenpapier zur aktuellen Treibhausgas-Reduktion: Konsequenzen für Technologien, Antriebe und Beschäftigung - IG Metall
Batterien / Rohstoffe

                       clings müssen umfangreiche Maßnahmen er-                     kunft eine zentrale strategische Herausforde-
                       griffen werden, um Verfügbarkeiten in den                    rung. Die Internationale Energieagentur (IEA)
                       neuen Dimensionen zu gewährleisten.                          schlug im Mai 2021 Alarm. Für „Clean Ener-
                                                                                    gy Technologies“ im Bereich Energie und Ver-
                       Was den Aufbau von Batteriezellfertigung in
                                                                                    kehr werde der voraussichtliche Bedarf an
                       Europa betrifft, haben die vergangenen Mona-
                                                                                    kritischen Mineralien bald explodieren, al-
                       te viele ermutigende Signale gebracht. Nach
                                                                                    so Rohstoffen wie Kupfer, Lithium, Kobalt, Si-
                       Schätzungen könnte bis 2030 eine jährliche
                                                                                    lizium, Nickel, Graphit, Mangan, Molybdän,
                       Produktionskapazität von 239 GWh
                                                                                          Zink, Neodym oder Dysprosium. Sie wer-
                       (Gigawattstunden) in Deutsch-
                                                                                                den für Stromnetz-Infrastrukturen,
                       land und 576 GWh in Euro-                         Lithium
                                                                                                   Solarmodule, Windräder, Elek-
                       pa erreicht sein (Fraun-            Silizium                      Kobalt
                                                                                                      trolyseure, Brennstoffzellen
                       hofer ISI, Stand En-
                                                                                                        und Batterien gebraucht.
                       de Januar 2021).
                       Ende März sum-           Kupfer                                          Nach Einschätzungen
                                                                                                   Nickel

                       mierten sich die                                                         der IEA ist der voraus-
                       Ankündigungen                                                             sichtliche Bedarf in
                       bereits auf 1100                                                          derzeitigen          Wert-
                                                                                       Graphit
                       G W h - K a p a z i - Dysprosium                                          schöpfungsstruktu-
                       tät pro Jahr und                                                         ren nicht verlässlich
                       waren in Europa                                                          gedeckt. Hohe Investiti-
                       rund 40 Batterie-                                         Mangan        onen sind nötig, die Ener-
                                                       Neodym
                       fabriken angekün-                                                     giemärkte müssen sich
                       digt. Damit wäre der                           Molybdän
                                                                                          neu orientieren, Nachhaltig-
                                                                    Zink
                       europäische Batteriebe-                                        keitsstandards müssen imple-
                       darf voraussichtlich gedeckt8.                           mentiert werden. Industrielle Abneh-
                                                                       mer und Produzenten müssen sich schleu-
                       Doch viele Projekte sind bisher eben nur an-
                                                                       nigst auf die Investitionsbedarfe und die Resi-
                       gekündigt. Um relevante Anteile der automo-
                                                                       lienz neuer Lieferketten einstellen.10
                       bilen Wertschöpfung in Deutschland und Eu-
                       ropa zu halten und die Beschäftigungspoten- Vor diesem Hintergrund und aus Gründen der
                       tiale, die es rund um die Batterie gibt, auch ökologischen Tragfähigkeit der Batterietech-
                       wirklich Realität werden zu lassen, hat diese nologie ist der Aufbau eines funktionierenden
                       Frage industriepolitisch absolute Priorität. Recyclings zur Gewinnung von Sekundär-Roh-
                       Ob weitere Beihilfen über das bisher gewähr- stoffen ebenfalls zentral. Zu den industriepo-
                       te und bewilligte Maß hinaus notwendig sind, litischen Handlungsnotwendigkeiten beim
                       muss kontinuierlich überprüft werden. Schät- Aufbau eines Wertschöpfungsnetzwerks
                       zungen über neu entstehende Arbeitsplätze Batterierecycling hat die Arbeitsgruppe 4
                       rund um die Batterie belaufen sich auf hohe der NPM, unter Leitung der IG Metall Empfeh-
                       fünfstellige bis knapp sechsstellige Zahlen in lungen erarbeitet11.
                       Deutschland, je nach Szenario9.
                                                                       Bei der Frage der Rohstoffversorgung ist die
                       In diesem Zusammenhang ist die Sicherung Sicherung fairer Arbeitsbedingungen ent-
                       der Versorgung Europas mit kritischen Pri- lang der Zuliefererkette ein zentrales The-
                       mär-Rohstoffen angesichts der zu erwarten-
                       den Stückzahlen im Automobilmarkt der Zu- 10            https://www.iea.org/reports/the-role-of-criti-
                                                                                    cal-minerals-in-clean-energy-transitions/executive-sum-
                       8          Handelsblatt 19.4.2021 unter Berufung auf         mary
                       Schätzungen des Fraunhofer ISI.                              11        https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/
                       9          Handelsblatt 19.4.2021 und „Batterien für Elek-   wp-content/uploads/2020/10/NPM-AG-4-Positionspa-
                       troautos: Faktencheck und Handlungsbedarf“ vom Fraun-        pier-Qualititative-Betrachtung-des-Wertschoepfungs-
                       hofer ISI im Auftrag des VDMA.                               netzwerks-Batterierecycling.pdf

10
Ladeinfrastruktur

ma. Immer wieder haben in der Vergangen-                   Der schnellere Ausbau und die Schaffung
heit Menschenrechtsverletzungen etwa beim                  von Akzeptanz für erneuerbare Energien
Kobaltabbau oder Umweltprobleme bei der                    sind die Kernaufgabe der Dekarbonisierung
Lithium-Gewinnung für Furore gesorgt. Die                  der deutschen Wirtschaft insgesamt. Not-
IG Metall und die Betriebsräte fast aller großer           wendig ist eine verlässliche und transparen-
Unternehmen der Branche haben sich inten-                  te Entwicklung der erforderlichen Flächen für
siv für ein Lieferkettengesetz eingesetzt12.               den Ausbau der erneuerbaren Energien. Da-
Es ist gut, dass die Bundesregierung hier nun              für muss die Politik in Bund und Ländern sich
einen ersten Schritt gehen wird, auch wenn                 wieder mehr einsetzen.
es beim derzeit verhandelten Gesetzentwurf
                                                           Wir brauchen verlässliche Ausbaupfade für
noch Defizite gibt.
                                                           Windkraft, on- und offshore, und für Solar-
Ladeinfrastruktur                                          energie, auf der Grundlage angepasster und
                                                           realistischer Annahmen zum künftigen Strom-
Auch der Aufbau der Infrastruktur wird mit ei-             bedarf in den Sektoren Energie, Mobilität, In-
ner Verschärfung der Zielvorgaben ebenso ei-               dustrie, Wärme. Das gesamte System der
nem Stresstest unterzogen, wie die Energie-                Steuern und Umlagen im Strombereich ge-
und Verteilernetze. Sie müssen gleicherma-                 hört dafür auf den Prüfstand, denn auch wett-
ßen ertüchtigt werden, so wie die Bereitstel-              bewerbsfähige Strompreise sind in all diesen
lung von bedarfsdeckendem grünem Strom                     Sektoren zentral.
gewährleistet sein muss.
                                                           Auch die öffentliche und private Ladeinfra-
Nur wenn mit grünem Strom gefahren wird,                   struktur für Elektroautos bleibt trotz aller För-
ist Elektromobilität wirklich ein Beitrag                  derprogramme ein Thema. Derzeit hält das
zum Klimaschutz. Die Antriebswende in der                  Tempo des Ausbaus mit dem erwartbaren
Automobilität ist ein Faktor neben anderen,                Hochlauf der Anzahl von xEV nicht Schritt.
– etwa dem Umbau der Grundstoffindustrien
                                                           Eine vom Reiner Lemoine Institut für das Bun-
oder der Wärmewende – der deutlich macht,
                                                           desverkehrsministerium durchgeführte Stu-
wie groß der künftige Bedarf an erneuerbaren
                                                           die13 rechnet mit einem Bedarf von 5 bis 9
Energien sein wird.
                                                           Millionen Ladepunkten an Wohnorten, rund
                                                           2,5 Millionen Ladepunkten an Arbeitsplät-
12        https://www.igmetall.de/presse/pressemit-
teilungen/ig-metall-lieferkettengesetz-wichtiger-schritt
https://www.igmetall.de/politik-und-gesellschaft/inter-    13         https://reiner-lemoine-institut.de/studie-be-
nationales/lieferkettengesetz-nicht-verwaessern            darf-ladeinfrastruktur-2030/

                                                                                                                                          11
Wasserstoffe und eFuels

                      zen, und zwischen 450.000 und 850.000 öf-         so wie an der Entwicklung von Konzepten
                      fentlichen Ladepunkten. Davon sind wir sehr       für „hybridelektrisches Fliegen“ gearbeitet.
                      weit entfernt. Wollen wir in 8 ½ Jahren wirk-     Ein Umdenken hat auch bei den Werften ein-
                      lich 14 Millionen elektrische Fahrzeuge im Be-    gesetzt. Passagier- und Frachtschiffe mit
                      stand haben, dann muss sich der Bau der La-       Brennstoffzellenantrieb sind keine Science-
                      deinfrastruktur dramatisch beschleunigen,         Fiction mehr. Im Bahnbereich ist der Ein-
                      sonst bleibt der Aufbruch in die elektrische      satz von Brennstoffzellen inzwischen deut-
                      Mobilitätszukunft doch noch stecken.              lich vorangekommen. Da bis heute nur ein Teil
                                                                        des Schienennetzes elektrifiziert ist, wird die
                      Darüber hinaus sollte auch Netzbetreibern er-
                                                                        Brennstoffzelle hier eine Rolle spielen, wenn
                      laubt werden, intelligente Elektroladestati-
                                                                        es darum geht, Diesellokomotiven zu erset-
                      onen/Netzwerke („Smart Charge Grids“) mit
                                                                        zen.
                      transparenten Abrechnungsmodellen gegen-
                      über den Kunden zu bauen. Ansonsten be-           Im Schwerlastverkehr und bei den Nutzfahr-
                      steht die Gefahr, dass die benötigten Bedar-      zeugen könnte die Brennstoffzelle in Zukunft
                      fe nicht ausreichend gedeckt werden können.       eine Rolle spielen. Dazu gehören Baustellen-
                      Weiterhin müssen Anreize geschaffen und die       fahrzeuge, sowie Fahrzeuge der Land- und
                      technischen Möglichkeiten verbessert wer-         Forstwirtschaft. Bei Schwerlastanwendun-
                      den, lokal erzeugten grünen Strom zur La-         gen sind die höhere Leistung sowie die nied-
                      dung von Fahrzeugen zu nutzen.                    rigeren Infrastrukturanforderungen ein wichti-
                                                                        ger Faktor. Bei sehr schweren LKW könnte al-
                      Zu all diesen Rahmenbedingungen und Vor-
                                                                        so ein perspektivischer Schwerpunkt auf der
                      aussetzungen eines erfolgreichen Hochlaufes
                                                                        Brennstoffzelle liegen. Im Bereich LKW bis zu
                      der Elektromobilität im erforderlichen Aus-
                                                                        3,5 Tonnen kristallisiert sich allerdings her-
                      maß sollte die EU Meilensteine formulie-
                                                                        aus, dass auch hier batterieelektrische LKW
                      ren. Sollten diese zu bestimmten Review-Da-
                                                                        immer wirtschaftlicher und effizienter werden.
                      ten nicht gegeben sein, müssen die Hochlauf-
                      ziele entsprechend angepasst werden. Die In-      Je leichter das Fahrzeug wird, desto attrak-
                      dustrie muss ihren Beitrag leisten, zum Teil      tiver wird die batterieelektrische Mobilität.
                      aber ist sie von Rahmenbedingungen abhän-         So wird der Einsatz der Brennstoffzelle im Pkw
                      gig, auf die sie keinen Einfluss hat. Für deren   auch für die nächsten 10 bis 15 Jahre sehr zu-
                      Verfehlung sollte sie dann auch nicht bestraft    rückhaltend eingeschätzt. Optimistische Pro-
                      werden können.                                    gnosen gehen davon aus, dass 2040 der An-
                                                                        teil von Brennstoffzellen-Pkw noch unter 10
                      Wasserstoff und eFuels                            Prozent liegen wird. Ihr Beitrag zur Erreichung
                      Sowohl der direkte Einsatz von grünem Was-        der Klimaziele bis 2030 im PKW-Bereich ist
                      serstoff in der Brennstoffzelle als auch der      daher nicht relevant. 14
                      Einsatz synthetischer Kraftstoffe in Verbren-     Bei einem erfolgreichen Hochlauf der Elektro-
                      nungsmotoren – mit grünem Wasserstoff als         mobilität wird es allerdings im Jahr 2030 noch
                      Zwischenprodukt – können Beiträge zu einer        einen signifikanten Anteil von verbrennungs-
                      klimaneutralen Mobilität leisten.                 motorischen Fahrzeugen im Bestand geben.
                      Insbesondere da, wo der Einsatz von Batte-        Um auch sie zumindest teilweise zu dekarbo-
                      rien technologisch keine oder keine gute Op-      nisieren, können synthetische Kraftstoffe ei-
                      tion ist, bieten diese Technologien den bes-      nen Beitrag leisten. Erneuerbare Kraftstof-
                      ten Weg. Hier sind sie auch weitgehend un-        fe, zum Beispiel strombasierte synthetische
                      umstritten.
                                                                        14        Unter anderem: „Antrieb im Wandel“, 6/2020,
                      So wird bereits am direkten Einsatz von grü-      FEW Consulting im Auftrag des VDMA. Dort wird ge-
                      nem Wasserstoff in Flugzeugantrieben eben-        schätzt, dass Brennstoffzellenfahrzeuge bis 2040 einen
                                                                        Marktanteil von 12 Prozent einnehmen.

12
Wasserstoffe und eFuels

Kraftstoffe (eFuels), hergestellt aus grünem     ist der Bedarf an grünem Wasserstoff quer
Wasserstoff und CO2 aus der Umgebungsluft,       über die Branchen sehr hoch.
sind eine gute Möglichkeit, den CO2-Rucksack
                                                 Die IG Metall fordert in ihrem „Positionspa-
der Bestandsflotte weltweit deutlich zu redu-
                                                 pier Wasserstoff“ eine „Fokussierung auf
zieren.
                                                 die Industrieproduktion und den Last- be-
Sie können in Reinform in bestehenden Inf-       ziehungsweise Nutzverkehr bei LKW, Zügen,
rastrukturen und Motoren genutzt oder her-       Schiffen und Flugzeugen.“ Denn „bis 2030
kömmlichen Kraftstoffen bis zu einem be-         besteht sehr hoher Reinvestitionsbedarf in
stimmten Anteil (von bis zu 30%) beige-          der energieintensiven Industrie, viele Arbeits-
mischt werden. Hier sollten sie auch einge-      plätze sind betroffen. Dies gilt in annähernd
setzt und nicht aus ideologischen Gründen        gleichem Maß für die Stahlindustrie, wie für
der Verwendung im Straßenverkehr wider-          die Zement- und Chemieindustrie. Auch im
sprochen werden.                                 Luft- und Seeverkehr ist man auf Wasserstoff
Voraussetzung dafür ist jedoch eine kosten-      als CO2-freie Alternative zu fossilen Brenn-
effiziente und massenhafte Produktion die-       stoffen angewiesen.“ Und besonders in den
ser Kraftstoffe. Über eine geeignete Förderung   Bereichen, in denen der Wärmebedarf nicht
dieses Einsatzes synthetischer Kraftstoffe im    über gesteigerte Energieeffizienz und gebäu-
Rahmen der Erneuerbaren-Energien-Richtli-        denah erzeugte erneuerbare Energie gedeckt
nie der Europäischen Union (RED III), die im     werden kann, muss grüner Wasserstoff zum
laufenden Jahr überarbeitet wird, sollte nach-   Einsatz kommen. Für den Individualverkehr
gedacht werden. Dabei muss die Problematik       spielt das Elektroauto die größere Rolle und
der Nutzungskonkurrenz der knappen Res-          bietet den effizienteren Einsatz der ohnehin
source grüner Wasserstoff allerdings im Auge     knappen Energie.“15
behalten werden. Auch wenn es Importpoten-
                                                 15       Positionspapier Wasserstoff der IG Metall im
tiale gibt, die sich weiter entwickeln können,   Anhang

                                                                                                                            13
Die Abgasregulierung
                                                                     ser Fahrzeuge ist es wichtig, dass diese im Re-
                                                                     albetrieb schadstoffarm und klimafreundlich

                  EURO 7 –                                           betrieben werden können.

                  jenseits von CO
                                                                     Für die Fortschreibung der Abgasregelungen
                                                2                    für vierrädrige Straßenfahrzeuge hat die EU-
                                                                     Kommission einen Verordnungsvorschlag für
                  Parallel zur CO2-Debatte bereitet die EU-Kom-      das vierte Quartal 2021 angekündigt.
                  mission eine weitere Stufe der Abgasregulie-       Aktuell werden von der EU-Kommission fol-
                  rung vor. Dieses Thema ist unabhängig von          gende Maßnahmen diskutiert:
                  der Klimaschutzregulierung. Es hat Furore ge-
                                                                     E Technologieneutrale Absenkung der gel-
                  macht, weil der Kommission unterstellt wird,
                                                                       tenden Euro 6/VI-Schadstoffgrenzwerte
                  über diesen Weg ebenfalls Technologieent-
                                                                       unter Berücksichtigung des abzusehenden
                  scheidungen befördern zu wollen. Daher wird
                                                                       technischen Fortschritts der Abgastechno-
                  die anstehende EURO 7-Regulierung oft auch
                                                                       logien
                  in diesem Kontext erwähnt.
                                                                     E Einführung von Grenzwerten für weite-
                                           Die Abgasregulierung
     Einleitung                                                        re Schadstoffe (zum Beispiel Ammoniak
                                           ist ein zentrales Inst-
                                                                       bei Pkw) und Treibhausgase (Methan und
     Ausgangslage                          rument zur perspek-
                                                                       Lachgas)
                                           tivischen Erreichung
     Konsequenzen                          der Luftqualitätszie-     E Überarbeitung des bisherigen Messver-
     > Batterieelektrische Antriebe        le und hat bereits er-      fahrens im Realbetrieb (Real Driving
     > Batterien / Rohstoffe               hebliche Fortschrit-        Emission – RDE) im Hinblick auf bestimm-
     > Ladeinfrastruktur                   te bewirkt. Diese Ent-      te, bisher nicht oder nicht vollständig er-
     > Wasserstoff und eFuels              wicklung wird mit der       fasste Fahrsituationen (zum Beispiel bei
                                           laufenden Bestands-         niedrigen Temperaturen oder Kurzstrecken-
     EURO 7 – jenseits von CO2             erneuerung      fortge-     betrieb)
     Klimaziele und Beschäftigung          setzt   und  kann   mit
                                                                     E Vereinfachung des Regelwerks sowie der
                                           der Einführung einer
     Was zu tun ist                                                    Mess- und Antragsverfahren (Überprüfung
                                           noch anspruchsvol-
                                                                       der Notwendigkeit der bisherigen Labor-
                                           leren Abgasgesetzge-
                                                                       messverfahren)
                    bung perspektivisch weiter beschleunigt wer-
                    den und somit zur weiteren Verbesserung der      E Ausweitung der Kontrollen von Fahrzeu-
                    Luftqualität und des Gesundheitsschutzes           gen im laufenden Betrieb.
                    beitragen.                                       Die neue Euro 7/VII-Verordnung soll laut der-
                  Dazu wird auf Grundlage einer umfassenden          zeitiger Einschätzung der EU-Kommission
                  Kosten- und Folgenabschätzung über den             „frühestens 2025 oder 2026“ in Kraft treten,
                  Umfang und die Ausgestaltung der Entwick-          unter anderem wegen der notwendigen Vor-
                  lung der Abgasgesetzgebung zu entscheiden          laufzeit und den absehbar zeitaufwändigen
                  sein. Dabei ist auch der zunehmende Anteil         Verhandlungen über das technisch komplexe
                  von Fahrzeugen der aktuellen Abgasnormen           Regelwerk.
                  sowie von Fahrzeugen mit alternativen und          Eine darin vorgesehene Reduktion auf künf-
                  emissionsfreien Antriebstechnologien zu be-
                                                                     tig nur noch 10 Milligramm Stickoxid pro Ki-
                  rücksichtigen.
                                                                     lometer scheint zwischenzeitlich vom Tisch.
                  Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind der-          Nun ist bei Pkw und leichten Lieferwagen in
                  zeit noch ein zentraler Bestandteil unserer        einem Modellentwurf ein Wert von 30 Milli-
                  Mobilität. Für die öffentliche Akzeptanz die-      gramm, in einem zweiten Szenario von 20 Mil-

14
EURO 7 – jenseits von CO 2

ligramm im Gespräch. Das ist immer noch ei-    Ohne eine konkrete Festlegung auf eine der
ne deutliche Verschärfung gegenüber den ak-    oben genannten Optionen hat die EU-Kom-
tuellen Werten, aber weniger hart als erwar-   mission bisher Szenarien zwischen Option 2
tet.                                           und 3 als Zwischenergebnisse der von ihr be-
                                               auftragten Studie präsentieren lassen.
Dennoch sind die in einem vorab bekannt ge-
wordenen Bericht der EU-Forschungsgrup-        Künftige Abgasgrenzwerte müssen mit tech-
pe deutlich strengeren Regeln zur Überprü-     nischen Lösungen, die zum Inkrafttreten der
fung der Schadstoffgrenzwerte im Realbetrieb   Vorschriften serienreif und verfügbar werden,
nach Meinung zahlreicher Experten nicht er-    erreichbar sein und Messunsicherheiten, mit
füllbar und würden das Ende des Verbren-       denen die Messgeräte behaftet sind, berück-
nungsmotors beschleunigen. Eine zu prüfen-     sichtigen.
de Alternative wäre eine entsprechende Wei-    Neue Anforderungen der Abgasregulierung
terentwicklung der EU 6 zur besseren Errei-    müssen zudem von den unterschiedlichen
chung der Flottengrenzwerte.                   Antriebstechnologien erfüllbar und im Sinne
                                               einer ökologisch-ökonomischen Gesamtbe-
Da EU-Abgas-Verordnungen in den EU-Mit-
                                               trachtung sinnvoll sein. Die technologische
gliedstaaten direkt zur Anwendung kommen,
                                               Marktführerschaft europäischer und vor al-
besteht bei der Umsetzung der Regelungen
                                               lem deutscher Hersteller im Bereich der Fahr-
kein nationaler Ermessensspielraum.
                                               zeuge mit Verbrennungsmotoren kann durch
Das von der EU-Kommission beauftragte Wis-     eine realistische Abgasregulierung, die mo-
senschaftskonsortium hat für ihre Folgenab-    derne Technologien zur Schadstoffminimie-
schätzung folgende Optionen zu Grunde ge-      rung erfordert, gestärkt werden. Für mehr
legt:                                          Transparenz und Planungssicherheit sollte
                                               bei Euro 7/VII ein klar strukturiertes und über-
Option 0: Nur notwendige Anpassungen der
                                               schaubares Regelwerk mit ausreichend Vor-
bisherigen Euro 6/VI-Regelungen unter Bei-
                                               laufzeit für die Entwicklung und Markteinfüh-
behaltung der Grenzwerte.
                                               rung neuer Abgasreinigungs- und Motoren-
Option 1: Angleichung der bisher unter-        technologien angestrebt werden.
schiedlichen Grenzwerte für alle Antriebs-
                                               Im April 2021 hat die Advisory Group on Vehic-
technologien (insbesondere bei Diesel- und     le Emission Standards (AGVES) der EU-Kom-
Ottomotoren), Anpassung der Messverfahren      mission erkennen lassen, dass sie sich dieser
und wirksameres Kontrollregime.                Argumentation nicht verschließen will16. Das
Option 2: Wie Option 1, zusätzliche Absen-     ist zu begrüßen.
kung der Grenzwerte sowie ggf. Einführung
von Grenzwerten für weitere Schadstoffe und
bisher nicht regulierte Treibhausgasemissio-
nen.
Option 3: Wie Option 2, zusätzliche Anpas-
sungen der Regelungen zur ständigen, sen-
sorbasierten Fahrzeugüberwachung („On-
board Monitoring“) und zur Hauptuntersu-
chung durch technische Dienste (Periodical
Technical Inspection – PTI), automatische
Umschaltung auf den elektrischen Antrieb       16        https://www.vda.de/de/presse/Pressemel-
bei Plug-In-Hybridfahrzeugen innerhalb         dungen/210408-VDA-Praesidentin-Mueller-EU-Kommis-
                                               sion-hat-erkannt-dass-ein-Verbrenner-Verbot-klimascha-
von Umweltzonen („Geo-Fencing“).               edlich-gewesen-waere.html

                                                                                                                         15
Klimaziele und ihre
                   Beschäftigungswirkung
                  Die Zahl der Beschäftigten in der Automo-            nem Drittel beziehungsweise der Hälfte der
                  bilindustrie (nur die direkt in der Automobil-       Beschäftigten des Jahres 2017, so die Studie
                  industrie beschäftigten Personen) in Deutsch-        „Automobile Wertschöpfung 2030“, an der
                  land ist im Zeitraum 2010 bis 2018 um 18,9           unter anderem Roland Berger beteiligt war.
                  Prozent auf 833.937 gestiegen. Die Auto-             Gründe: Umstellung auf Elektromobilität und
                  mobilwirtschaft (umfasst neben Unterneh-             längerfristig das Vordringen von Shared Mobi-
                  men der Fahrzeugindustrie auch Kfz-Gewer-            lity und fahrerlosen Mobilitätsangeboten.
                  be und Kfz-Handel) beschäftigt rund 1,6 Mil-
                                                                       Die Studie ELAB 2.0 kommt in ihrem Szenario
                  lionen Menschen (2018). Zusätzlich arbeiten
                                                                       von 2018 zum Fazit, dass bis 2030 jeder zwei-
                  rund 650.000 Beschäftigte in anderen Wirt-
                                                                       te Arbeitsplatz in der Produktion von Antrie-
                                          schaftszweigen, die
                                                                       ben betroffen sein wird. Laut Studie wäre bei
                                          eng mit der Herstel-
     Einleitung                                                        einer Elektrifizierung von 40 Prozent in 2030
                                          lung von Kraftfahr-
                                                                       (15% PHEV, 25% BEV) mit einem Negativsal-
     Ausgangslage                         zeugen und Kraftwa-
                                                                       do von 37 Prozent (einschließlich Produktivi-
                                          genteilen verflochten
     Konsequenzen                                                      tätssteigerungen) der Stellen zu rechnen.
                                          sind.
     > Batterieelektrische Antriebe                                    Unbestritten ist, dass schärfere Klimaschutz-
                                             Der mit dem Struk-
     > Batterien / Rohstoffe                                           maßnahmen die Elektrifizierung der Mobilität
                                             turwandel verbunde-
     > Ladeinfrastruktur                                               beschleunigen werden. Wie sich dies auf die
                                             ne Beschäftigungs-
     > Wasserstoff und eFuels                                          Beschäftigungsstrukturen auswirkt, hat die
                                             abbau setzte Ende
                                                                       AG 4 der NPM untersucht. Auf Basis der Stu-
     EURO 7 – jenseits von CO2               2018 ein. In 2019 wur-
                                                                       die ELAB 2.0 und des IAB Forschungsberich-
                                             den in Deutschland
     Klimaziele und Beschäftigung                                      tes 08/2018 wurde analysiert und prognosti-
                                             bereits rund 11.000
                                                                       ziert, wie sich die beschleunigte Elektrifizie-
     Was zu tun ist                          Arbeitsplätze abge-
                                                                       rung der Mobilität bis 2030 auf den Produk-
                                             baut (-1,3%). In 2020
                                                                       tions- und Beschäftigungsstandort auswirkt.
                                             hat sich der Stellen-
                    abbau beschleunigt fortgesetzt. Im Juli 2020       So wurden die vorliegenden Studien um ein
                    waren 801.653 Menschen in der Fahrzeugin-          Szenario mit 10 Millionen Elektrofahrzeugen
                    dustrie beschäftigt, dies ist ein weiterer Rück-   im Bestand in Deutschland 2030 ergänzt. Es
                    gang um 2,6 Prozent (21.220 Arbeitsplätze)         wurde ein erweiterter Elektrifizierungsgrad
                    innerhalb von nur acht Monaten.                    von 45 Prozent (15% PHEV, 30% BEV) zugrun-
                                                                       de gelegt. Demnach ist mit erheblichen Folgen
                   Die Elektrifizierung im Mobilitätssektor kann
                                                                       für die Beschäftigtenstrukturen zu rechnen.
                   deutlichen Beschäftigungsabbau zur Folge
                                                                       Am stärksten wäre demnach der Antriebs-
                   haben. Zu diesem Schluss kommen zumin-
                                                                       strang vom Stellenabbau betroffen. Durch
                   dest alle derzeit bekannten und relevanten
                                                                       Produktivitätssteigerungen werden voraus-
                   Studien zum Thema. Eine direkte Vergleich-
                                                                       sichtlich bereits 27 Prozent der Arbeitsplätze
                   barkeit ist aufgrund der unterschiedlichen
                                                                       im Antriebsstrang verloren gehen. Durch den
                   Modulation der Studien allerdings schwierig.
                                                                       Umstieg auf die Elektromobilität kann sich
                   Sowohl in der Fahrzeugindustrie als auch im         diese Zahl auf 39 Prozent erhöhen. Bei der er-
                   Automobilhandel und Aftermarket sind bis            warteten Verschärfung der Klimaziele durch
                   2040 jeweils bis zu 300.000 Arbeitsplät-            die EU, wenn also 80 Prozent der Neufahrzeu-
                   ze gefährdet. Das entspricht etwa jeweils ei-       ge im Jahr 2030 elektrisch wären (20% PHEV

16
Klimaziele und Beschäftigung

/ 60% BEV) könnte sich diese Zahl noch ein-
mal erhöhen auf 45 Prozent der Arbeitsplätze
im Antriebsstrang.
Überproportional betroffen wären demnach
insbesondere die Zuliefererunternehmen.
Dort ist ein Rückgang von 44 Prozent prog-
nostiziert, der höher ausfällt als bei den Fahr-
zeugherstellern (OEM) mit -35 Prozent. Nicht
berücksichtigt wurden F&E sowie Service und
Wartung. Allerdings muss auch in diesen Be-
reichen vom Entfall erheblicher Arbeitsumfän-
ge ausgegangen werden.

                                                                                  17
Fazit / Handlungsempfehlungen

                   Die erhöhten Klimaziele 2030 für den Ver-         Nachfragestimulierung:
                   kehrssektor und der Beitrag des PKW-Ver-
                                                                     E Eine Förderung muss so ausgestaltet sein,
                   kehrs dazu sind durch einen beschleunig-
                                                                     dass für die Kunden attraktive Anreize für kli-
                   ten Hochlauf der Elektromobilität im Grund-
                                                                     maneutrale Mobilität entstehen, was einen
                   satz erreichbar. Zur Zielerreichung sind dann
                                                                     Mix von steuerlichen Maßnahmen und direk-
                   statt der bislang avisierten 7 bis 10 Millionen
                                                                     ter finanzieller Förderung sinnvoll macht.
                   voraussichtlich zwischen 14 und 16 Millionen
                   Elektrofahrzeuge notwendig.                       E Der Umweltbonus und die Innovationsprä-
                                                                     mie haben sich in Kombination mit den Re-
                     Damit das gelingt, sind eine Reihe von Rah-
                                                                     gelungen zur Dienstwagenbesteuerung be-
                     menbedingungen nötig, die nicht alleine in
                                                                     währt.
                     der Hand der Unternehmen liegen. Die Politik
                                            kann sich nicht auf      E Plug-In-Hybrid-Modelle sind als Einstiegs-
     Einleitung                             die Zielvorgaben be-     und Übergangstechnologie weiter zu fördern.
                                            schränken, sie muss      Für den ökologischen Nutzen muss der elekt-
     Ausgangslage                                                    rische Fahranteil erhöht werden.
                                            die Voraussetzungen
     Konsequenzen                           der    Zielerreichung    E Auch die nach CO2-Emissionen gestaffelte
     > Batterieelektrische Antriebe         schaffen. Das betrifft   neue Kfz-Steuer ist ein sinnvolles Instrument.
     > Batterien / Rohstoffe                die Themen Nachfra-
                                                                     E Mittelfristig sollte der CO2-Preis sozialver-
                                            gestimulierung, La-
     > Ladeinfrastruktur                                             träglich angehoben werden, um klimaneutra-
                                            deinfrastruktur, Aus-
     > Wasserstoff und eFuels                                        le Mobilität wettbewerbsfähig zu machen.
                                            bau      erneuerbarer
     EURO 7 – jenseits von CO2              Energien,    Netzaus-    E Mit Blick auf die notwendige Defossilisie-
                                            bau, Batteriezellfer-    rung von Kraftstoffen (Bestandsproblematik)
     Klimaziele und Beschäftigung
                                            tigung und Rohstoff-     sollte der schnelle Markthochlauf von erneu-
     Was zu tun ist                         versorgung.              erbaren und CO2-armen Kraftstoffen (zum Bei-
                                            Und: Der technologi-     spiel eFuels) durch eine Erhöhung des Anteils
                                            sche Umstieg setzt       solcher Kraftstoffe in der überarbeiteten Er-
                   den Arbeitsmarkt und die Beschäftigten der        neuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) unter-
                   Industrie unter erheblichen Stress und er-        stützt werden. Bei leichten Nutzfahrzeugen
                   zeugt dadurch gesellschaftspolitisch große        und im Schwerlastverkehr ist ein Technolo-
                   Risiken. Die Politik muss durch eine aktive be-   giemix alternativer Antriebe zu fördern und zu
                   schäftigungs- und qualifizierungspolitische       begleiten.
                   sowie regional strukturpolitische Begleitung      E Die LKW-Maut sollte am CO2-Ausstoß aus-
                   die Voraussetzungen für einen sozial verant-      gerichtet werden.
                   wortlichen Umstieg schaffen.
                                                                     E Busflotten im öffentlichen Nahverkehr müs-
                                                                     sen mit Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeu-
                                                                     gen erneuert werden.

18
Was zu tun ist

Ladeinfrastruktur:                              Beschäftigung / Qualifizierung:
E Beschleunigter Ausbau der privaten und öf-    E Das Kurzarbeitergeld zu einem Transforma-
fentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahr-   tions-Kurzarbeitergeld weiterentwickeln, bei
zeuge zum Ausgleich der Mangelsituation bei     dem systematisch Qualifizierung in der Kurz-
einem beschleunigten Hochlauf                   arbeit stattfindet unter Einbindung der Be-
                                                triebsparteien
E Ladeinfrastruktur für batterieelektrische
LKW aufbauen                                    E Bildung regionaler Weiterbildungsverbün-
                                                de
E Wasserstofftankstellen für Brennstoffzel-
len-LKW aufbauen                                E Ansätze zur regionalen Zusammenarbeit al-
                                                ler Stakeholder bei der Umqualifizierung von
                                                Beschäftigtengruppen für neue Bedarfe wei-
Ausbau erneuerbarer Energien /                  ter stärken (Qualifizierungscluster, Weiterbil-
Netzausbau:                                     dungsverbünde, Kompetenz-Hubs)
E Realistische Annahmen zum künftigen
Stromverbrauch treffen, darauf basierend er-
höhte und verlässliche Ausbaupfade für Wind-
                                                Regionale Strukturpolitik
(on- und offshore) und Solarenergie festle-     E Vom Strukturwandel besonders betroffene/
gen, um 2030 65 bis 70 Prozent Anteil erneu-    gefährdete Regionen sollten im besonderen
erbarer Energien am Strombedarf zu erreichen    Maße unterstützt werden: Regionale Transfor-
                                                mationsnetzwerke und Regionale Transforma-
E Planungsrecht vereinfachen und für Flä-
                                                tionsdialoge anregen.
chenverfügbarkeit sorgen, durch Bund, Län-
der und Kommunen                                E Wissenstransfer in KMU befördern: KMU
                                                müssen Zugang zu Innovationsnetzwerken
E Mit Hochdruck die Stromnetze ausbauen,
                                                haben, überregionale Wissensplattformen
einschließlich intelligenter Verteilnetze und
                                                oder Transferzentren müssen eingerichtet be-
Speichertechnologien
                                                ziehungsweise gestärkt werden.
                                                E Die branchenübergreifende Zusammenar-
Batteriezellfertigung /                         beit (Cross-industry-Ansätze) muss intensi-
Rohstoffversorgung:                             viert werden.
E Der Aufbau einer deutschen und europäi-
                                                E Der Umbau existierender Standorte sollte
schen Versorgung mit Batterien als strategi-
                                                dabei immer Vorrang haben vor dem Neubau
sche, industriepolitische Priorität muss mit
                                                auf der grünen Wiese. Was einmal wegbricht,
hohem Druck vorangetrieben werden.
                                                kommt nicht wieder.
E Die entsprechende Versorgung mit den da-
                                                E Unternehmen müssen stärker in die Trans-
zu benötigten Komponenten und Rohstoffen
                                                formation investieren (Investitionen heute für
muss hierzu strategisch sichergestellt wer-
                                                morgen und übermorgen); Transformations-
den. Dazu braucht es den Aufbau einer ent-
                                                fonds zur Eigenkapitalstärkung im KMU-Be-
sprechenden Kreislaufwirtschaft (Circular
                                                reich können hierbei effektiv sein.
economy).
E Eine Kreislaufwirtschaft in der automobilen
Wertschöpfungskette aufbauen, insbesonde-
re beim Batterierecycling.

                                                                                                                   19
Die Arbeitsgruppe CO der IG Metall          2

     In der Arbeitsgruppe haben sich die Experten aus den Betriebsräten der Automobilhersteller
     und Zulieferer zum Thema zusammengefunden. Auf Initiative und Einladung des Ressorts Fahr-
     zeugbau- und Zuliefererindustrie beim Vorstand der IG Metall wurden in acht Zusammenkünf-
     ten seit November 2020 die Themen und Folgen einer auf EU-Ebene verfolgten weiteren Zuspit-
     zung der Klimaziele behandelt.
     Hierzu wurden für Impulsreferate und anschließende Diskussionen unterschiedliche externe
     Referenten eingeladen wie zum Beispiel Christian Hochfeld (Agora Verkehrswende), Kerstin An-
     drae (Bund der Energiewirtschaft), Florian Hermann (Fraunhofer IAO), Dr. Kurt-Christian Scheel
     (VDA), Alex Keynes (Transport & Environment), Volker Meier (BMU), Dr. Frederik Zohm, (MAN
     Truck & Bus SE), Thomas Fabian (European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA)

20
Anhang: Positionspapier Wasserstoff des IG Metall Vorstands

ENERGIE-UND MOBILITÄTSWENDE JETZT!
WASSERSTOFF IST ZUKUNFTSSTOFF!

Der Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft       gesamte Wertschöpfungskette beim Wasser-
und Gesellschaft stellt die deutsche Industrie   stoff, von der Erzeugung über den Transport
vor große Herausforderungen und nicht erst       bis zur Nutzung entwickelt werden.
seit der Corona-Krise ist klar, dass wir dafür
                                                 Das Bekenntnis, die Umstellung von fossilen
das Energiesystem, die Industrie und unsere
                                                 Energieträgern auf Wasserstoff insbesonde-
Mobilität grundlegend umbauen müssen.
                                                 re bei industriellen Prozessemissionen zu för-
Die IG Metall bekennt sich eindeutig zu dem      dern, ist ein Schritt in die richtige Richtung,
im Pariser Klimaabkommen von 2015                    wie am Beispiel der Stahlindustrie deut-
vereinbarten Ziel von Netto-Null-                          lich wird. Nirgends hat Wasserstoff
Emissionen bis 2050 – das                                      einen vergleichbaren Hebelef-

                                        2
heißt, nicht mehr Treib-                                          fekt wie im Stahl. Durch den
hausgase in die Atmo-                                              Einsatz von einer Tonne Was-
sphäre zu emittieren als
                                                                     serstoff können dort 25 Ton-
dieser wieder zu entzie-
                                                                     nen CO2 vermieden werden.
hen. Für die IG Metall                   an.
                                  treibt                             Auch Investitionszuschüsse
gilt dabei: Erhalt der In-
                                                                    in neue Anlagen und ein neu-
dustriearbeit durch kon-
                                                                  es Pilotprogramm zur Unter-
sequenten Umbau. Es geht
                                                                stützung des Betriebes von Elek-
uns um Wege in die Klimaneu-
                                                            trolyseanlagen auf Basis des Car-
tralität. Es geht auch darum, wie
                                                      bon Contracts for Difference-Konzeptes
wir einen nachhaltigen und zukunftsfä-
higen Industriestandort Deutschland im euro-     sind ein sinnvoller Ansatz. Um grünen Was-
päischen und internationalen Wettbewerb er-      serstoff dauerhaft marktfähig zu machen, ist
halten und ausbauen und wie wir auf diesem       die Befreiung des dafür genutzten erneuerba-
Weg die Chancen nutzen und die Risiken mini-     ren Stroms von der EEG-Umlage unerlässlich.
mieren können.                                   In unserem Land mit hochvernetzten Wert-
Das weltweite Rennen um eine ressourcen-         schöpfungsketten, die wir sichern und weiter-
schonende und klimaneutrale Produktion hat       entwickeln wollen, kann es nur ein gemeinsa-
längst begonnen und der Wasserstofftechno-       mes koordiniertes Vorgehen geben. Die Etab-
logie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Die    lierung von regionalen branchenübergreifen-
nationale Wasserstoffstrategie (NWS), die von    den Wasserstoffinitiativen unter Beteiligung
der Bundesregierung am 10. Juni beschlossen      von Forschung, Industrie und Gewerkschaften
wurde, greift viele Punkte auf, die uns als IG   dienen ebenfalls diesem Ziel. Die Frage des
Metall wichtig sind. So soll mit der NWS die     Importes von Wasserstoff zur Deckung des in-

                                                                                                    21
Anhang: Positionspapier Wasserstoff des IG Metall Vorstands

                              dustriellen Bedarfs muss zügig angegangen        Welche Farbe soll der Wasserstoff haben?
                              werden.
                                                                               Wir denken Ökonomie und Ökologie zusam-
                              Die Investitionen in Infrastrukturen, sowie      men und wissen: Eine nachhaltige Dekarbo-
                              den Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen be-       nisierung kann es nur mit grünem Wasserstoff
                              grüßen wir. Gerade der Nutz- und Schwerlast-     geben. Deshalb unterstützt die IG Metall, dass
                              verkehr sowie der Bahnsektor (Wasserstoff-       die Nationale Wasserstoffstrategie den Auf-
                               zug) benötigen diese Infrastruktur. Von un-     bau einer grünen Wasserstoffwirtschaft zü-
                                   seren Betriebsräten wissen wir, dass be-
                                                                               gig voranbringen will. Angesichts der Heraus-
                                      reits am direkten Einsatz von grünem
                                                                               forderungen, zurzeit sind weder grüner noch
                                        Wasserstoff in Flugzeugantrieben
                                                                               blauer Wasserstoff in größeren Mengen noch
                                          ebenso wie an der Entwicklung
                                                                               Absatzmärkte dafür verfügbar, muss eine si-

H2
                                           von Konzepten für „hybridelekt-
                                                                               chere und verlässliche Versorgung erst aufge-
                                           risches Fliegen“ gearbeitet wird.
                                                                               baut werden. Übergangsweise wird daher der
                                           Im Gebäudebereich könnte durch
                                                                               Import von blauem, d.h. klimaneutralem Was-
                                           innovative, dezentrale Quartiers-
                                           konzepte zur Wärmeversorgung        serstoff ebenfalls eine Rolle spielen müssen.
                                          der Einsatz von Wasserstoff aus
                                                                               Woher soll der Wasserstoff kommen?
                                        zusätzlichen erneuerbaren Energie-
                                     anlagen vorangebracht werden, ohne        In Deutschland ist zeitnah die industrielle Her-
                                  dass damit eine Konkurrenz zur Industrie     stellung von grünem Wasserstoff in einer Grö-
                              oder dem Verkehr entsteht.                       ßenordnung von 5 GW zu realisieren. Die deut-
                              Ohne eine ambitionierte und nachhaltige in-      schen Energietechnikunternehmen brauchen
                              ländische Wasserstoffproduktion wird es kei-     Referenzprojekte im Heimatmarkt, um dann
                              nen erfolgreichen Hochlauf bei der Produkti-     auch im Export erfolgreich sein zu können.
                              on und Verwendung von grünem Wasserstoff         Da der Bedarf für eine industrielle Hochska-
                              geben. Voraussetzung ist, den ins Stocken ge-    lierung nicht allein durch in Deutschland her-
                              ratenen Ausbau der erneuerbaren Energien in      gestellten Wasserstoff gedeckt werden kann,
                              Deutschland wieder anzukurbeln.                  stellt sich die Frage nach den Erzeugungspo-
                              Aus Sicht der IG Metall ist der Ansatz, Pro-     tenzialen in der EU und den Nachbarregionen.
                              duktionsanlagen von bis zu 5 GW Gesamtleis-      Sowohl in Europa wie auch in den MENA-Staa-
                              tung einschließlich der dafür erforderlichen     ten in Nahost und Nordafrika besteht erhebli-
                              Offshore- und Onshore-Energiegewinnung zu        ches Potenzial zur Kooperation, wobei der Ei-
                              bauen, allerdings bei weitem nicht ausrei-       genbedarf der Exportländer Berücksichtigung
                              chend. Selbst wenn bis 2035 nach Möglich-        finden muss.
                              keit weitere 5 GW zugebaut werden, entspricht
                                                                               Zu einer fairen Entwicklungszusammenarbeit
                              das nicht dem jetzt schon bekannten Energie-
                              bedarf. Auch wenn die Schätzungen noch ei-       gehört aus Sicht der IG Metall, gemeinsam mit
                              ne große Bandbreite aufweisen, besagen sie,      den Partnerländern eine Wasserstoffindust-
                              dass wir bis zum Jahr 2050 einen Bedarf von      rie aufzubauen, die dem Anspruch von #Fair-
                              250-800 TWh haben werden und somit einen         Wandel gerecht wird und faire Umwelt-, Sozi-
                              Bedarf zwischen 50-80 GW an Elektrolyseka-       al- und Arbeitsstandards gewährleistet.
                              pazitäten benötigen.                             Daher fordern wir Richtlinien zum Import von
                              Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung     Wasserstoff und zur Nutzung bzw. Schaffung
                              muss nun zügig mit Leben gefüllt und die im      sicherer Infrastruktur. Das gilt auch für die
                              Konjunkturpaket beschlossenen Maßnahmen          mögliche Verwendung von Pipelines, die bis-
                              umgesetzt werden.                                lang für Gas (LPG und Erdgas) dienen.

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