PRIVATISIERUNG KOMMUNALER WOHNUNGEN - DSTGB DOKUMENTATION NO 70
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DStGB DOKUMENTATION NO 70 Privatisierung kommunaler Wohnungen Hintergründe, Risiken und Möglichkeiten Deutscher Städte- und Gemeindebund Deutscher Städte- und Gemeindebund www.dstgb.de Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“ Ausgabe 7-8/2007 a1
Herausgeber Autoren Deutscher Städte- und Gemeindebund Beigeordneter Norbert Portz Marienstraße 6 · 12207 Berlin Rechtsreferendarin Claudia Lüdtke Tel. 030 77307-0 · Fax 030 77307-200 Rechtsreferendarin Agneta Krüger dstgb@dstgb.de
Inhaltsverzeichnis Vorwort 2 A. Privatisierung von Wohnungen in Deutschland – Hintergründe und Ausblick 3 I. Die aktuelle Lage des deutschen Wohnungsmarktes 3 1. Wohnungen im kommunalen Eigentum 3 2. Insgesamt zunehmender Leerstand 4 3. Leerstand beinhaltet nicht automatisch Wohnraumangebot 5 II. Investitionsgründe für Investoren 5 1. Über 600 000 Wohnungen seit 1998 an Investoren veräußert 5 2. Die Gründe der Investoren im Einzelnen 5 3. Ziele bzw. Strategien der Investoren 5 III. Gründe der Kommunen zur Privatisierung von Wohnungen 6 B. Erfahrungen mit dem Verkauf kommunaler Wohnungen 7 I. Bisher erfolgte Veränderungen im kommunalen Wohnungsbestand 7 1. Spektakuläre Wohnungsprivatisierungen seit 2000 7 2. Befürchtungen der Mieter – „Schwarzseherei“ oder begründete Ängste? 8 II. Konkrete Beispiele 9 III. Ausblick 10 C. Risiken einer Privatisierung kommunaler Wohnungen 11 I. Kommunaler Wohnungsbestand: Grundpfeiler sozialer Stadtentwicklung 11 II. Risiken berücksichtigen 11 D. Kommunale Aufgabenverantwortung 12 I. Kommunen: Wesentliche Akteure für eine sozialgerechte Wohnungs- und Stadtentwicklung 12 II. Kommunale „Prüfpunkte“ vor geplanter Privatisierung 13 E. Überlegungen vor dem Verkauf 14 I. Politische und sozialgerechte Begleitung einer Privatisierung 14 II. Möglichkeiten vertraglicher Gestaltung beim Verkauf 15 III. Kommunalrechtliche Vorgaben beim Verkauf 15 IV. Kooperationsvereinbarungen 15 V. Vertragliche Absicherung der Mieterbelange 16 VI. Besonderheiten bei kleineren Kommunen 16 F. Handlungsalternativen für die Kommune 16 I. Übernahme des kommunalen Wohnungsbestandes durch genossenschaftlichen Verein 16 II. (Neu-)Gründung einer Genossenschaft 17 III. Verkauf an ein Unternehmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung 19 IV. Verkauf von Teilbeständen 19 G. Fazit 19
Vorwort Die Privatisierung öffentlicher und insbesondere kommunaler Wohnungen ist ein zunehmend aktuelles Thema. Dabei stehen zwar die größeren und spekta- kulären Abschlüsse einiger Großstädte (Beispiel: Dresden) im Vordergrund der Diskussion. Jedoch sind viele andere deutsche Kommunen ebenfalls von dem Thema betroffen. Auch Klein- und Mittelstädte planen nach einer aktuelleren Umfrage der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers („Kommuna- le Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, Umfrage unter 204 deutschen Dr. Gerd Landsberg Städten und Gemeinden, Oktober 2006) die Privatisierung ihres kommunalen Geschäftsführendes Wohnungsbestandes. Präsidialmitglied des Hintergrund ist die nach wie vor angespannte kommunale Finanzsituation: DStGB Den Gewerbesteuereinnahmen von 28,3 Milliarden Euro im Jahre 2006 standen Ausgaben der Kommunen für soziale Leistungen im gleichen Jahr von 36,6 Milli- arden Euro gegenüber (Quelle: Kassenstatistik 1. - 4. Quartal 2006, ohne Stadt- staaten). Bei der Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände handelt es sich um ein höchst sensibles Thema. Dies zeigt sich insbesondere an vielfältigen Bürgerprotesten, die sich in letzter Zeit hierzu formiert haben. So hat sich im Herbst 2006 in Freiburg, wo die Frage eines Verkaufs kommunaler Wohnungen Thema eines Bürgerentscheids war, die Mehrzahl der Bürger gegen den Verkauf ent- schieden. Bürgerinitiativen machen unter anderem geltend, dass Investoren für den schnellen Profit Wohnungen kaufen, die Miete erhöhen bzw. Verträge kündigen oder die Immobilie rasch wieder verkaufen. Aus kommunaler Sicht ist zudem zu berücksichtigen, dass ein Wohnungsbestand im Eigentum der Gemeinde Grundpfeiler für eine soziale Stadtentwicklungspolitik ist. Ein Verkauf birgt daher durchaus Risiken in sich. Der Deutsche Städte und Gemeindebund will mit der vorliegenden Dokumentation ein Stück Trans- parenz in das komplexe Thema kommunaler Privatisierungen im Wohnungsbereich bringen und generelle Leitlinien sowie Hilfestellungen aufzeigen. Angesichts der Vielschichtigkeit der Problematik erhebt die Dokumentation jedoch weder einen Anspruch auf vollständige Darstellung des Für und Wider, noch ist es deren Ziel, die jeweils im Einzelfall zu treffende Entscheidung in den Kommunen vor Ort zu ersetzen. Berlin, im Juli 2007 Dr. Gerd Landsberg 2 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
A. Privatisierung von Wohnungen in Deutschland – Hintergründe und Ausblick I. Die aktuelle Lage des deutschen Insgesamt stellte die öffentliche Hand Ende des Wohnungsmarktes Jahres 1998 rund ein Drittel (33,1 %) der Eigentümer. Bis Mitte 2006 ist der Anteil um 6,4 Prozentpunkte 1. Wohnungen im kommunalen Eigentum auf 26,7 Prozent gesunken. Der Anteil kommunaler Der deutsche Wohnungsmarkt umfasst in etwa Wohnungen am Bestand der Eigentümer ist von 39,6 Millionen Wohneinheiten. Der Anteil der Selbst- 28,0 Prozent im Jahre 1998 um 3,6 Prozentpunkte auf nutzer liegt bei rund 40 Prozent. Der Großteil der 24,4 Prozent zurückgegangen. (Quelle: Studie „Verän- Bevölkerung wohnt jedoch zur Miete. Rund 38 Prozent derungen der Anbieterstruktur im deutschen Woh- der Wohnungen werden von privaten Vermietern nungsmarkt und wohnungspolitische Implikationen“, angeboten (hiervon auch erfasst: Eigentümer, deren Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Miet-Wohneinheiten von professionell-gewerblichen im Auftrag des Bundesbauministeriums, Heft 124, Eigentümern verwaltet werden). Ca. 22 Prozent der Schriftenreihe Forschungen, Bonn 2007, S. 26, 27.) Wohnungen werden von professionell-gewerblichen Die Relation zwischen Einwohnerzahl und zur Eigentümern vermietet. Die letzte Gruppe lässt sich Verfügung stehenden Wohnungen im kommunalen aufteilen in private und professionell-gewerbliche Wohnungsbestand ist dabei relativ stabil: Kleinstäd- Eigentümer (privatwirtschaftliche Wohnungsunter- te (5 000 bis unter 20 000 Einwohner) und kleinere nehmen, Banken, Fonds etc.), die öffentliche Hand Mittelstädte (20 000 bis unter 50 000 Einwohner) (Kommunale Eigentümer, Bund/Land) und in sonstige verfügen prozentual an ihren Einwohnern gemessen professionell-gewerbliche Eigentümer wie Genossen- über kommunale Wohnungen in einer ähnlichen schaften, Kirchen etc. Größenordnung wie größere Mittelstädte (50 000 bis Professionell- unter 100 000 Einwohner) und Großstädte (100 000 gewerbliche Einwohner und mehr). (Quelle: „Kommunale Woh- Private Eigentümer nungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, Pricewater- Vermieter 22 % houseCoopers, Oktober 2006.) 38 % Durchschnittliche Anzahl der kommunalen Wohnungen im Bestand Kleinstädte Kleine Große Großstädte Mittelstädte Mittelstädte 40 % 600 1 298 2 512 21 337 Quelle: „Kommunale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, PricewaterhouseCoopers, Oktober 2006 Selbstnutzer Professionell-gewerbliche Professionell-gewerbliche Eigentümer 2006 Eigentümer 1998 27 % 27 % Öffentliche Hand 46 % 40 % Private Sonstige (Genossenschaften, 27 % 33 % Kirche etc.) Die Daten sind der Studie des BBR „Veränderung der Anbieterstruktur im deutschen Wohnungs- markt und wohnungspolitische Implikationen“, Schriftenreihe Forschungen, Heft 124, Bonn 2007, S. 26 f. entnommen. 7-8/2007 Privatisierung kommunaler Wohnungen www.dstgb.de 3
2. Insgesamt zunehmender Leerstand Prozentualer Leerstand nach Gemeindegröße Insbesondere in vielen Gemeinden der neuen Länder 50 stellt der Leerstand der im kommunalen Eigentum stehenden Wohnungen ein Problem dar. Die Leer- 40 Klein- standsquote bei kommunalen Wohnungen beläuft städte 30 sich in Deutschland insgesamt auf durchschnittlich 5,9 Prozent, wobei zwischen den neuen und den alten 20 Mittel- Groß- Bundesländern signifikante Unterschiede zu ver- städte 10 städte zeichnen sind (Die Zahlen zu den Leerstandsquoten sind der von PricewaterhouseCoopers im Oktober 0 Leerstand von mehr als 5 % 2006 veröffentlichten Studie: „Kommunale Woh- Quelle: „Kommunale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, nungsbestände: Ein Auslaufmodell?“ entnommen. PricewaterhouseCoopers, Oktober 2006 Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf die im Rahmen der Studie befragten Kommunen. Vgl. zu den Primäre Gründe des Leerstands sind eine schlechte Leerstandsquoten S. 11, 12.). Während der Leerstand Arbeitsmarktsituation sowie Wirtschaftsprobleme in bei den kommunalen Wohnungen im Westen bei einer Kommune oder einer Region. Diese führen regel- durchschnittlich 3,8 Prozent liegt, erreicht der Osten mäßig zu einem verstärkten Wegzug der Bevölkerung. mit im Durchschnitt 13 Prozent einen Spitzenwert. Als weiterer Grund für den Leerstand wird von den In den neuen Bundesländern verzeichnen 58 Prozent Kommunen überdurchschnittlich häufig die mangel- der befragten Kommunen dabei einen Leerstand von hafte Wohnqualität der kommunalen Wohnungen mehr als 11 Prozent. angegeben, die insbesondere auf der Sanierungsbe- dürftigkeit, der schlechten Ausstattung oder auch der Prozentualer Leerstand kommunaler Wohnungen schlechten Lage der Immobilien beruht. nach neuen und alten Ländern Diese Entwicklung ist indes nicht nur auf den kom- 60 Alte Länder munalen Wohnungsbestand beschränkt, sondern 50 Neue Länder betrifft den gesamten deutschen Wohnungsmarkt. Die derzeitige Leerstandsentwicklung wird sich in den 40 nächsten Jahren wahrscheinlich auch bundesweit 30 fortsetzen. Insbesondere in den neuen Bundesländern ist nach der Wohnungsprognose des Bundesamtes 20 für Bauen und Raumordnung (BBR) zu erwarten, dass 10 bis zum Jahre 2020 doppelt so viele Wohnungen leer stehen werden wie heute. 0 Leerstand Leerstand Leerstand Leerstand > 0% 1-5% 6 - 10 % 11 % Quelle: „Kommunale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, PricewaterhouseCoopers, Oktober 2006 Abschätzung des Leerstandsrisikos nach Regionen Abschätzung des Leerstandsrisikos im vermieteten Wohnungs- Geschosswohnungsbestand bis 2020 leerstand in Signifikante Unterschiede im Mehrfami- lienhäusern Hinblick auf die Leerstandsquo- 2005 te bestehen auch im Vergleich zwischen Klein- und Großstäd- ten. Ein problematisches Leer- standsniveau ist insbesondere in Kleinstädten zu verzeichnen. Fast 50 Prozent der Kleinstäd- te haben einen Leerstand von mehr als 5 Prozent aufzuweisen. Die Anzahl der leerstehenden Objekte sinkt jedoch mit der Größe der Kommunen, so dass in Großstädten nur noch in 21 Prozent aller Kommunen ein Leerstand in der Größenord- nung von mehr als 5 Prozent zu beobachten ist. Quelle: Bundesamt für Bauen und Raumordnung, BBR-Wohnungsmarktprognose 2020 4 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
3. Leerstand beinhaltet nicht automatisch Wertsteigerung deutscher Wohnimmobilien 1995 - 2004 Wohnraumangebot 250 Nicht angebracht ist es jedoch, voreilige Schlussfolge- rungen aus den aktuellen und den zukünftigen Leer- 200 200 % standsquoten zu ziehen. Der Leerstand von Wohnun- 150 Prozent gen bedeutet nämlich keineswegs automatisch ein überdurchschnittliches Wohnraumangebot. Vielmehr 100 ist die Qualität der leerstehenden Wohnungen häufig 89 % 50 79 % so schlecht, dass es sich dabei zum Teil um nicht mehr 6% marktfähigen Wohnraum handelt. So könnte selbst 0 Deutsche Deutsche US UK in den Gegenden mit hohen Leerstandsquoten nach Wohnimmobilien Aktien Wohnimmobilien Wohnimmobilien der Einschätzung von Wulff Aengelvelt, Geschäftsfüh- Quelle: Institut für Wohnen und Umwelt, Darmstadt rer des Düsseldorfer Maklerhauses Aengelvelt, bald ein Mangel an marktfähigem Wohnraum herrschen. dene Unterbewertung der Wohnungen: Während Grund ist, dass etwa 50 Prozent der leerstehenden in anderen europäischen Ländern die Preise für Wohnungen so genannte „Marktleichen“ sind, die Wohneigentum teilweise sogar mit zweistelligen sich nicht wieder vermieten lassen. Im Zusammen- Steigerungsraten stark gestiegen sind, sind die hang mit der Tatsache, dass die Zahl der – immer Preise in Deutschland in den letzten Jahren oftmals kleiner werdenden – Privathaushalte bis 2025 steigen nicht nur konstant geblieben, sondern zum Teil wird, wird man die Wohnraumsituation also auch in sogar gesunken. den Gegenden mit hohen Leerstandsquoten keines- Im Gegensatz dazu steht die leicht aufwärts ge- falls als automatisch entspannt bezeichnen können. richtete Entwicklung der Mieten. 45 Die Chance, angesichts der im europaweiten Vergleich 40 geringen Eigentumsquote in 35 Deutschland für selbst ge- 30 nutztes Eigentum (ca. 40 %) Mio. Haushalte 25 „Nochmieter“ zu Eigentü- 20 mern zu machen und hier- 15 bis 65 Jahre durch Gewinne zu erzielen. 10 ab 65 Jahre Das Risiko-Rendite-Verhältnis 5 ist trotz vereinzelter Leer- 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 stände niedrig, weil sich das Quelle: Institut für Wohnen und Umwelt, Darmstadt Mietausfallrisiko nicht auf nur ein Objekt, sondern auf II. Investitionsgründe für Investoren viele Einheiten verteilt. Die Erwartung einer hohen Rendite durch den so 1. Über 600 000 Wohnungen seit 1998 an Investoren genannten Leverage-Effekt (Hebeleffekt): Teilweise veräußert werden bis zu 80 Prozent der Investitionssumme Insbesondere ausländische Investoren sind trotz der auf- bei Wohnungskäufen durch Darlehen finanziert, gezeigten Probleme am deutschen Immobilienmarkt ver- die zurzeit mit verhältnismäßig niedrigen Zinsen stärkt interessiert. So sind seit 1998 aus dem Bestand des abgeschlossen werden können. Gleichzeitig sind Bundes, der Kommunen und der Wohnungsunternehmen die aus der Vermietung oder dem Verkauf erzielten über 600 000 Wohnungen an ausländische Investoren Gewinne höher als der Darlehenszinssatz. Die Ren- veräußert worden. (Quelle: Studie BBR, Heft 124, Schriften- dite auf das eingesetzte Eigenkapital erhöht sich so reihe Forschungen, Bonn 2007, S. 26). Insbesondere Woh- automatisch mit steigendem Fremdkapitaleinsatz, nungen, die von einheimischen Immobilienfirmen häufig also beim Verkauf von Wohnungen, sei es an frü- wegen ihrer Lage in unbeliebten Wohngegenden, ihrer here Mieter oder an andere Investoren. So konnten 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre-Architektur und ihrer große Investoren, die vor drei bis vier Jahren nach Sanierungsbedürftigkeit „verschmäht“ werden, erfreuen Deutschland kamen, beim späteren Verkauf bis zu sich bei ausländischen Investoren großer Beliebtheit. 20 Prozent Rendite erzielen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: 2. Die Gründe der Investoren im Einzelnen: 3. Ziele bzw. Strategien der Investoren Die im internationalen Vergleich niedrigen Immobi- Private Finanzinvestoren verfolgen hinsichtlich der lienpreise in Deutschland und eine hiermit verbun- Renditeerzielung und der geplanten Bewirtschaf- 7-8/2007 Privatisierung kommunaler Wohnungen www.dstgb.de 5
tungsdauer der Bestände darüber hinaus kein einheit- liches Vorgehen. Anhand der Untersuchung bisheriger Transaktionen zeigt sich bei den Käufern eine große Vielfalt und Flexibilität bei den verfolgten Strategien und den geplanten Investitionszeiträumen, so dass sich auch hinsichtlich der Folgen der Transaktionen kein einheitliches Muster ergibt. Die Auswirkungen sind von Verkaufsfall zu Verkaufsfall sehr unter- schiedlich. Alle Käufer großer Portfolios verfolgen die Strategie der Einzelprivatisierung, sofern sie über geeignete Be- stände verfügen. Dabei richtet sich die Privatisierung jeweils nur auf Teilbestände, da keines der Portfolios vollständig privatisierungsfähige Bestände umfasst. Der Umfang der für die Privatisierung vorgesehenen Teilbestände und die Intensität des Vertriebs diver- giert je nach Käufer erheblich. Tendenziell zeichnet sich folgende Hierarchie und Reihenfolge der Verwer- tungs- bzw. Renditesteigerungsmöglichkeiten ab: Verkauf von Wohnungen, Vermietungs- und Mie- tenmanagement, Umfinanzierung der Unterneh- menskredite, Reduzierung der Bestandsinvestitionen, Rationalisierung der Bewirtschaftung und Einsparung von Personalkosten (Quelle: Studie BBR, Heft 124, Schriftenreihe Forschungen, Bonn 2007, S. 68, 74, 115). III. Gründe der Kommunen zur Privatisierung von Wohnungen Für die Städte und Gemeinden stehen häufig bei der Frage eines Verkaufs kommunaler Wohnungen fis- kalische Überlegungen im Vordergrund. Die trotz der gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen insbesondere angesichts der Soziallasten nach wie vor schlechte Haushaltslage vieler Kommunen rückt auch einen Verkauf des Wohnungsbestandes vermehrt in das kommunale Blickfeld. Mit dem Erhalt des Kaufpreises eröffnet sich die Möglichkeit, den Haushalt kurzfris- tig zu sanieren und an liquide Mittel zu gelangen. So 6 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
geht die Zinslast zurück und eröffnet der Kommune – den Sanierungsbedarf des kommunalen Wohnungs- dadurch die Gelegenheit, in andere (Zukunfts-)Berei- bestandes als Hauptgrund für den Verkauf („Kom- che (Schule, Bildung, Infrastruktur etc.) zu investieren. munale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, Daneben haben die Bestände der öffentlichen Hand PricewaterhouseCoopers, Oktober 2006). Denn viele einen Bedeutungs- und Funktionswandel erfahren. Kommunen können schon aus finanziellen Gründen Neben der traditionell besonderen Bedeutung in der eine Sanierung der Immobilien eigenverantwortlich Versorgung von sozial Schwächeren bzw. von Haus- nicht durchführen. Hinzu kommt, dass die zum Teil halten mit Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt hohe Leerstandsquote für die Kommunen eine Sanie- (so genannte „Problemmieter“, das heißt Mietschuld- rung oftmals als „sinnlos“ erscheinen lässt. Daher ist ner, Süchtige, Mieter mit auffälligem Verhalten) gerade in den ostdeutschen Kommunen die Auflösung bestand die generelle Funktion eines kommunalen des Sanierungsstaus das mit Abstand vordringlichste Wohnungsbestands in der Versorgung breiter Schich- Ziel bei den Verkäufen. Allerdings dürfte durchaus zwi- ten mit ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum. schen den beiden Faktoren Leerstand und Sanierungs- Auf oftmals entspannten Wohnungsmärkten können bedürftigkeit eine gewisse Wechselwirkung bestehen sich inzwischen jedoch weitaus mehr Haushalte als und der Leerstand durch eine Sanierung der Immobili- früher versorgen, auch wenn die Versorgung von so- en zumindest teilweise reduziert werden können. zialen Problemgruppen nach wie vor eine Rolle spielt. Neben den beiden dominierenden Motiven des Aus- (Studie BBR, Heft 124, Schriftenreihe Forschungen, gleichs von Haushaltsdefiziten und der Sanierungs- Bonn 2007, S. 46.) bedürftigkeit der Immobilie spielen auch die Kon- Am Beispiel Dresden zeigt sich sehr deutlich, was der zentration der Kommune auf ihre Kernaufgaben und Verkauf kommunaler Liegenschaften im Hinblick auf geplante Investitionen in die „kommunale Zukunft“ eine mögliche Haushaltssanierung bedeuten kann. bei Privatisierungsüberlegungen eine Rolle. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft (WOBA Die Pricewaterhouse-Studie hat auch gezeigt, dass im Dresden GmbH) verkaufte nach einem Beschluss des süddeutschen Raum im Gegensatz zum gesamtdeut- Stadtrates vom 9. März 2006 immerhin 48 600 Wohn- schen Umfrage-Ergebnis die Durchführung von Infra- einheiten an die US-amerikanische Firma Fortress für strukturmaßnahmen im Bildungs- und Schulbereich einen Kaufpreis von 1,750 Milliarden Euro. Die Stadt ein häufiges Verkaufsmotiv zu sein scheint. Während Dresden konnte ihre Schulden auf diese Art mit einem im gesamtdeutschen Schnitt nur 14 Prozent aller einzigen Verkauf auf Null reduzieren. befragten Kommunen die Durchführung solcher Infra- Neben dem Motiv der Haushaltssanierung nennen strukturmaßnahmen als Verkaufsziel angaben, lag die viele – insbesondere die ostdeutschen Kommunen Quote im süddeutschen Raum bei etwa 30 Prozent. B. Erfahrungen mit dem Verkauf kommunaler Wohnungen I. Bisher erfolgte Veränderungen Reduzierung des kommunalen Wohnungsbestandes im kommunalen Wohnungsbestand nach Lage (Ost und West) 60 Wie dargestellt haben Bund, Kommunen und öffent- liche Unternehmen seit 1998 über 600 000 Woh- 50 nungen aus ihrem Bestand verkauft. Diese Zahl wirkt 40 zunächst immens. Tatsächlich jedoch ist das Ausmaß der Bestandsreduzierungen sehr unterschiedlich und 30 variiert abhängig von der Lage und Größe der jeweili- 20 gen Kommune. 1. Spektakuläre Wohnungsprivatisierungen seit 2000 10 Deutliche Unterschiede zeigen sich auch abhängig 0 von der Größe der jeweiligen Kommune: Während in Keine Unwesent- Reduzierung Wesentliche Reduzierung / liche um bis zu Reduzierung den Klein- und Mittelstädten der kommunale Woh- Aufstockung Reduzierung 50 % des über 50 % des nungsbestand durchschnittlich durch Privatisierun- (1 - 10 %) Bestandes Bestandes gen nur um 15 Prozent reduziert wurde, reduzierten Gesamt 47 33 14 5 die Großstädte ihren Wohnungsbestand bisher um West 52 28 13 7 Ost 32 51 15 2 etwa ein Viertel des Bestandes. Quelle: PricewaterhouseCoopers, : „Kommunale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, Oktober 2006, S. 7. 7-8/2007 Privatisierung kommunaler Wohnungen www.dstgb.de 7
Die bisher erfolgten Veränderungen des kommu- an vielfältigen Bürgerprotesten, die sich in letzter nalen Wohnungsbestandes sind also bei weitem Zeit zu diesem Thema formiert haben. Dies war zum nicht so gravierend wie in der Allgemeinheit häufig Beispiel jüngst in Freiburg der Fall, wo die Frage nach angenommen wird. Dennoch standen – und stehen dem Verkauf kommunaler Wohnungen Thema eines – einige große Abschlüsse und Verkäufe öffentlicher Bürgerentscheids war, der mit sehr eindeutiger Mehr- Wohnungen im Lichte der Öffentlichkeit, die auch die heit gegen den Verkauf entschieden wurde (Badische Diskussion um die Privatisierung des kommunalen Zeitung vom Montag, 13. November 2006). Wohnungsbestandes gefördert haben. Auch angesichts des geplanten Verkaufs der LEG Woh- Die großen Abschlüsse seit 2000 (Beispiele): nungen in NRW hat sich bereits eine Volksinitiative Dezember 2000: Eisenbahnerwohnungen (Bund), Käufer: formiert (vgl. www.volksinitiative-leg.de). In den Städ- Deutsche Annington, 64 000 Wohneinheiten ten Heidenheim und jüngst im Mai 2007 in Greifs- Juli 2002: Gera (Gewo), Käufer: Deutsche Kreditbank wald scheiterten entsprechende Bürgerentscheide, da (DKB) Immobilien, 10 000 Wohneinheiten die Verkaufsgegner die erforderliche Stimmzahl nicht erreichen konnten. September 2003: Kiel (BIG Heimbau), Käufer: Deutsche Annington, 10 000 Wohneinheiten Sobald ein geplanter Verkauf kommunaler Wohnim- Mai 2004: Berlin (GSW), Käufer: Cerberus, 66 000 Wohn- mobilien ansteht, fürchten insbesondere die Mie- einheiten ter um ihre sozialen Sicherungen und Rechte und Juli 2004: Gagfah (Eigentümer BfA), Käufer: Fortress, erwarten nicht tragbare Mieterhöhungen oder sogar 82 000 Wohnungen Kündigungen. Ängste und Unsicherheiten, die im Dezember 2004: Wilhelmshaven (Jade-Wohnungsbau- Zusammenhang mit den Änderungen im Bereich der gesellschaft), Käufer: Cerberus, Wohneinheiten: 7 500 sozialen Sicherungssysteme oder mit der aktuellen Mai 2005: Essen: Viterra Deutschbau, Käufer: Arbeitsmarktsituation bereits vorhanden sind, errei- Deutsche Annington, 150 000 Wohneinheiten chen damit zunehmend auch den Bereich des Woh- nens. Insbesondere ältere Menschen, die häufig schon Juli 2005: Nileg Immobilien Holding (Eigentümer mit dem Entstehen des sozialen Wohnungsbaus nach NordLB), Käufer: Fortress, 30 000 Wohneinheiten dem Krieg ihre jetzigen Wohnungen bezogen haben, März 2006: Städtische Wohnungsbaugesellschaft fürchten um ihre Wohnung und damit auch um ihre Dresden, Käufer Fortress, 48 000 Wohneinheiten. Heimat. Gerade für sie ist ein Umzug kaum noch Weitere große Verkäufe stehen an. So sollen von der zumutbar. nordrhein-westfälischen LEG (Landesentwicklungsge- Diese sicherlich verständlichen Befürchtungen sind sellschaft) 107 000 Wohnungen verkauft werden, der jedoch nicht – wie tatsächlich gemachte Erfahrungen Käufer steht noch nicht fest. belegen – grundsätzlich und in jedem Fall begründet: Dabei erfolgt der Verkauf kommunaler Wohnungsbe- stände in den überwiegenden Fällen an den Meist- Eine im Jahre 2005 vom Institut für Wohnen und bietenden oder aufgrund von eingeholten Wertgut- Umwelt in Darmstadt durchgeführte Untersuchung achten. Jedoch macht eine signifikante Anzahl von über die Auswirkungen der Privatisierung öffentli- Kommunen zusätzlich den Verkauf von vertraglichen cher Wohnungsunternehmen konnte die im Zusam- Auflagen, wie zum Beispiel der Begrenzung von Miet- menhang mit dem Verkauf an private Investoren erhöhungen, dem Verzicht auf Luxusmodernisierun- geäußerten Bedenken jedenfalls so nicht bestäti- gen oder der Beschränkung von Wohnungsverkäufen, gen: (Sauter, Heinz, unter Mitarbeit von R. Guder, V. abhängig. Im Ergebnis wurde der Verkauf nur selten Oelbermann, V. Stercz, „Auswirkungen des Wegfalls per öffentlicher Ausschreibung durchgeführt, zumal von Sozialbindungen und des Verkaufs öffentlicher der Verkauf von Wohnungen im eigentlichen Sinne Wohnungsbestände auf die Wohnungsversorgung ja gerade das Gegenteil einer Beschaffung auf dem unterstützungsbedürftiger Haushalt.“ Teilabschluss- Markt ist. (PricewaterhouseCoopers: „Kommunale bericht im Rahmen des vom Bundesministerium der Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“, Oktober Finanzen geförderten Forschungsverbundes „Woh- 2006). nungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfällen“, herausgegeben vom Institut für Wohnen und Umwelt in Darmstadt, 2005). 2. Befürchtungen der Mieter – „Schwarzseherei“ oder begründete Ängste? An der Studie nahmen sechs westdeutsche Städte Die Privatisierung des kommunalen Wohnungsbe- verschiedener Größenordnungen teil: standes ist ein hochsensibler Vorgang, der gespaltene Kiel, Wilhelmshaven, Frankfurt a. M., Mainz, Darm- Meinungen hervorruft. Dies zeigt sich insbesondere stadt und Backnang: 8 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
Das Ergebnis der – nicht repräsentativen – Studie Im Hinblick auf die Bewohnerstruktur nach der kann jedoch nicht ohne weiteres auf die Gesamtsi- erfolgten Privatisierung hat die Untersuchung keine tuation beim Verkauf kommunaler Liegenschaften Anhaltspunkte für eine Verdrängung einkommens- übertragen werden. Zum einen ist der Trend zur schwacher Mieter geliefert. Die Bewohnerstruktur Privatisierung noch verhältnismäßig jung, so dass blieb auch unter Berücksichtigung der nach der es nicht möglich ist, die langfristige Strategie der Privatisierung eingezogenen Haushalte etwa gleich privaten Erwerber zu beurteilen. Zum anderen bezieht und umfasste weiterhin auch einkommensschwache sich die Studie teilweise auf Kommunen, in denen sich Haushalte. Knapp 54 Prozent der nach der Privatisie- der Wohnungsmarkt erheblich entspannt hat, so dass rung eingezogenen Haushalte gehörten zur Gruppe den privaten Wohnungsunternehmen vergleichswei- der Minderverdienenden mit einem Haushaltsnet- se wenig Raum für Mieterhöhungen zur Verfügung toeinkommen von 20 Prozent oder mehr unter der steht. Berechtigungsgrenze des sozialen Wohnungsbaus (§ 9 WoFG). Dass die Folgen für die Bestände und die Wohnun- gen bislang begrenzt geblieben sind (meist gab es Unter den nach der erfolgten Privatisierung einge- nur punktuelle Modernisierungen, keine Luxusmo- zogenen Haushalten befanden sich durchaus sozial dernisierungen und relativ geringe Erhöhungen der benachteiligte Haushalte, wie Arbeitslose, Sozialhilfe- Mieten), liegt jedoch nicht an Selbstbeschränkungen empfänger und ausländische Familien mit Kindern. des Käufers, sondern an den Rahmenbedingungen Insofern gehört es durchaus zur Strategie der priva- wie etwa beim Verkauf eingegangener vertraglicher ten Käufer, Haushalte mit niedrigen bzw. Transferein- Auflagen und einem entspannten Wohnungsmarkt. kommen nicht grundsätzlich bei der Vermietung von Dieses zeigt die Studie des BBR „Veränderungen der Wohnungen auszuschließen, da auch diese Nachfra- Anbieterstruktur im deutschen Wohnungsmarkt und ger insbesondere auf entspannten Märkten willkom- wohnungspolitische Implikationen“ deutlich auf. men sind, um die in der Masse mittleren Standard Ändern sich diese Rahmenbedingungen, so ist davon aufweisenden Wohnungen in ausreichendem Maß auszugehen, dass ein Strategiewechsel erfolgt, wel- vermieten zu können. Dies gilt jedoch ersichtlich cher zu spürbaren Auswirkungen für die Bewohner nicht für „Problemmieter“. Als solche bekannte Woh- und die Bestände führen kann. Die Studie geht daher nungssuchende – so hat die Untersuchung des BBR davon aus, dass sich das „Gesicht“ der privaten Groß- gezeigt – werden bei privaten Käufern bei der erneu- investoren, wie es sich zum derzeitigen Zeitpunkt ten Vermietung überwiegend ausgeschlossen (Studie darstellt, noch etwas wandeln wird. BBR, Heft 124, Schriftenreihe Forschungen, Bonn 2007, S. 80). II. Konkrete Beispiele Auch signifikante Mieterhöhungen haben seit der Privatisierung in den an der Untersuchung teilneh- Die folgenden Beispiele sind Einzelfälle, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit sowie Überprüfung aus menden Kommunen nicht stattgefunden. Medieninformationen entnommen worden sind, um Die Befragung der Haushalte nach möglichen Weg- die möglichen Folgen einer Privatisierung in positiver zugsabsichten nach der Privatisierung erbrachte keine und in negativer Hinsicht exemplarisch aufzuzeigen. Hinweise für eine Zunahme der Wegzugsbereit- Dabei ist zu berücksichtigen, dass die dargestellten schaft. Folgen in dieser oder ähnlicher Form in jeder Kommu- Auch im Hinblick auf Modernisierungs- und Instand- ne, unabhängig von der Größe und der geografischen setzungsinvestitionen zeichneten sich keine ne- Lage, auftreten können. gativen Erfahrungen mit den neuen, privaten Beispiel Berlin: Dort verkaufte eine städtische Wohnungseigentümern ab. Im Gegenteil: Moderni- Wohnungsgesellschaft zwischen 2000 und 2002 sierungsaktivitäten wurden nach der Privatisierung mehrere Tausend Wohnungen an den Investor häufiger durchgeführt als vorher. Häufigste Maß- Fonds IV „WVB Wohnpark“, eine Tochterfirma der nahmen waren hierbei der Einbau neuer Fenster, US-Gesellschaft Lonestar. Der private Erwerber die Modernisierung von Bad und Heizung, sowie die nahm sich der Sanierung der Wohnungen an und Erneuerung der Fußböden. gestaltete diese nach den Wünschen der Mieter Die Zufriedenheit der Mieter scheint demnach, zu- und in einem Zeitraum von etwa 18 Monaten. mindest in den an der Untersuchung teilnehmenden Auch der äußeren Gestaltung des Wohnblocks Kommunen, durch die Privatisierung nicht gelitten zu wurde sich angenommen: Gärten und Parks wur- haben. Die große Mehrheit der befragten Haushalte den angelegt und sogar ein Golfplatz steht den war mit ihrer Wohnung zufrieden oder sehr zufrieden. Mietern jetzt zur Verfügung. Der private Investor 7-8/2007 Privatisierung kommunaler Wohnungen www.dstgb.de 9
Rendite-Rechnung nicht mehr aufgeht. Je weniger schaffte es, durch mieterfreundliche Maßnahmen, wie entspannt der Wohnungsmarkt jedoch ist, desto zum Beispiel der Veranstaltung von Mieterpartys, Grilla- größer ist die Gefahr, dass sich der Verkauf kommu- benden und Kinderfesten, den Leerstand in fünf Jahren naler Wohnungen negativ für die Mieter und damit von 18 Prozent auf sechs Prozent zu reduzieren. dauerhaft auch für die Kommune auswirkt. Alle Mieter können auf eine Mieterzeitung, einen Inter- netauftritt und einen 24-Stunden-Hausmeister-Service ihres Vermieters zurückgreifen. Im Mai 2006 mündeten III. Ausblick die bisherigen Aktivitäten der Lonestar-Tochter WVB Nach einem zukünftig geplanten Verkauf gefragt, ant- jedoch in einen Verkauf an die französische Groupe wortete jede zweite Kommune positiv: 48 Prozent der Financière Centuria. (Quelle: Welt am Sonntag vom 2004 im Rahmen der PricewaterhouseCoopers-Studie 17. Dezember 2006). befragten Kommunen planen eine Bestandsverände- Doch kann nicht aus allen Privatisierungen ein solches rung ihrer Liegenschaften. Fazit gezogen werden. Im Dezember 2004 erwarb der Dabei ist das Planungsverhalten jedoch stark ab- US-amerikanische Investor Cerberus von der Jade-Woh- hängig von der Größe der Kommune. Am wenigsten nungsbaugesellschaft ein 7 500 Wohneinheiten um- scheinen die Veränderungsabsichten in den Groß- fassendes Immobilienpaket in Wilhelmshaven. Seitdem städten zu bestehen. Hier planen nur 35 Prozent der wechselte das Immobilienpaket noch zweimal den befragten Städte einen Verkauf. Anders in den Mit- Eigentümer. Der aktuelle Erwerber, die luxemburgisch- tel- und Kleinstädten: Während in den Kleinstädten australische Firma Babcock und Brown, verhält sich nicht 44 Prozent der befragten Städte auf die Frage nach anders als seine Vorgänger: Die Immobilien wurden einer geplanten Veränderung und Veräußerung des nicht saniert, dennoch sollen die Mieten erhöht werden. Wohnungsbestandes positiv antworteten, waren es in Die Verwaltung der Wohnungen lässt die Mieter weit- den Mittelstädten sogar 54 Prozent. gehend im Stich. Zeitweise flohen die Mieter regelrecht Auch zwischen den alten und den neuen Bundeslän- aus dem Wohnblock, so schlecht war der Zustand der dern bestehen Unterschiede. Während in den alten Wohnungen. (Quelle: „Gutes oder böses Geld?“, Focus Bundesländern nur 44 Prozent der befragten Kom- 32/2006, Immobilienteil, S. 121 ff.) munen Bestandsveränderungen anstreben, sind es in Ähnlich sieht es in Essen aus: Dort hat die Deutsche den neuen Bundesländern 62 Prozent. Die regionalen Annington ein großes, 150 000 Wohneinheiten umfas- Unterschiede im Hinblick auf die Verkaufsabsichten sendes Immobilienpaket von der Viterra Deutschbau sind erheblich. übernommen. Die deutsche Annington hat sich seither In Süddeutschland und den dortigen „Hochpreis- bei den Mietern wenig beliebt gemacht. Gegen die er- regionen“ besteht wegen der äußerst geringen Leer- hebliche Sanierungsbedürftigkeit wird nichts unternom- standsquote und der großen Wohnraumnachfrage ein men. Dennoch stehen Mieterhöhungen an, mit denen äußerst geringes Interesse am Verkauf kommunaler der britische Investor die Mieter gegen sich aufbringt. Liegenschaften. Dies gilt natürlich insbesondere in der Die Bewohnerstruktur verschlechtert sich zusehends, Region München sowie allen anderen Regionen, in weil der neue Eigentümer keinen Einfluss auf die denen der Wohnungsmarkt stark angespannt ist. So Struktur nimmt. Es droht eine Ghettoisierung aufgrund äußerte sich die Stadt München jüngst dahingehend, des hohen und weiterhin steigenden Migrantenanteils, dass sie stadteigene Wohnungen nicht zu verkaufen dem die deutsche Annington weitgehend gleichgültig beabsichtige. Diese Aussage ist umso glaubwürdiger, gegenüber zu stehen scheint. (Quelle: Deutschlandfunk, als dass München in diesem Jahr sogar Wohnungen von Sendung vom 13. Dezember 2006). der US-Firma Fortress zurückgekauft hat, weil die Stadt zur langfristigen Planung Sozialwohnungen benötigt. So ließen sich noch sowohl für die Positiv- als auch für die Negativpolitik der privaten Investoren zahlrei- Im Gegensatz dazu stehen Kommunen in den neuen che Beispiele aufzählen. Abhängig ist die tatsächliche Bundesländern. Hier sind – vom hohen Leerstand und Ausgestaltung der Privatisierung immer auch von der dem beträchtlichen Sanierungsbedarf beeinflusst aktuellen wohnungspolitischen Lage der jeweiligen – die Verkaufsabsichten um ein Vielfaches höher als in Kommune. Bei einem entspannten Wohnungsmarkt den alten Bundesländern. wie etwa in Dresden mit einem Leerstand von ca. Obwohl nach dem im März 2007 beschlossenen 40 000 Wohneinheiten bleibt den Investoren weni- Gesetz zu Real Estate Investment Trusts (REITs) Inves- ger Raum für Fehlverhalten: Denn nicht sanierte und titionen in „Bestandsmietwohnimmobilien“ ausge- teure Wohnungen wird niemand bei gleichzeitig vor- schlossen sind – die REITs dürfen aber in Wohnungen handenem Leerstand an anderer Stelle mit qualitativ investieren, die nach dem 31. Dezember 2006 erbaut guten Wohnungen mieten, so dass dann auch die worden sind – hat der deutsche Wohnungsmarkt 10 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
noch erhebliches Potenzial auch für Investoren in sich. im Landkreis Rügen den Verkauf sämtlicher kommu- So soll auch weiter investiert werden: Das US-ame- naler Wohnungen, das heißt von 350 Mieteinheiten rikanische Unternehmen Fortress sieht in seinen für (Quelle: Rüganer-Online-Anzeiger, 23. Oktober 2006). sieben Milliarden Euro erworbenen 160 000 Wohnun- Die Kreisstadt Heidenheim plant den Verkauf städ- gen in Deutschland noch erhebliches Gewinnpotenzi- tischer Anteile an der Grundstücks- und Baugesell- al und plant in nächster Zukunft einen Börsengang. schaft Heidenheim (ein Bürgerentscheid der Gegner Auch für die deutsche Annington ist noch nicht scheiterte am Quorum) (Quelle: Fachzeitschrift Alter- Schluss mit den Investitionen in den deutschen native Kommunalpolitik vom 19. März 2007). Immobilienmarkt: Das britische Unternehmen plant, Im Jahre 2006 wurde das öffentlich-rechtliche noch einmal zehn Milliarden Euro in den deutschen Unternehmen des Kreises Pinneberg (81 %) und von Wohnungsmarkt zu investieren und sieht einen Bör- sieben Gemeinden (19 %) mit 2 223 Wohnungen an sengang ebenfalls als Option. die Genossenschaft Neue GeWoGe verkauft. Die Kreisstadt Rendsburg verkaufte 2005 ihr Unterneh- Nach der Studie des BBR „Veränderungen der Anbie- men mit 1 364 Wohnungen. Weiterhin haben im Jahre terstruktur im deutschen Wohnungsmarkt und woh- 2003 die Stadt Braunschweig mit den Landkreisen nungspolitische Implikationen“ gibt es jedoch einen Wolfenbüttel, Peine und Helmstedt einen Unterneh- Trend zum Erwerb von kleineren Wohnungspaketen. mensverkauf mit 1 661 Wohnungen vollzogen (Quelle: Denn viele der größeren Finanzinvestoren verfolgen Studie BBR, Heft 124, Schriftenreihe Forschungen, das Ziel, das bereits aufgebaute Portfolio durch weite- Bonn 2007, S. 36 f.). re Zukäufe zu vergrößern. Dabei wird auch auf kleinere Bestände zurückgegriffen, zumal die Zahl der angebo- Zu beachten ist dabei, dass bei der Nachfrage sehr tenen großen Wohnungspakete inzwischen begrenzt großer Portfolios aufgrund des begrenzten Ange- ist. Zudem finden dadurch zunehmend auch kleinere botes keine allzu speziellen Anforderungen an die deutsche und ausländische Investoren Interesse. Bestände gestellt werden. Folge ist, dass durchaus in Kauf genommen wird, wenn gewisse Teile der Auch Wiederverkäufe, das heißt, die Wohnungen gekauften Bestände Verwertungsrestriktionen (zum wurden bereits zuvor ein- oder mehrmals verkauft, Beispiel Sozialbindungen, Vertragspflichten) oder weisen zwar eine steigende Tendenz auf, spielen Qualitätsdefizite aufweisen, die anschließend im insgesamt aber (noch) keine sehr große Rolle (Quelle: Rahmen von Portfoliobereinigungen gegebenenfalls BBR, Heft 124, Schriftenreihe Forschungen, Bonn 2007, weiterverkauft werden. Käufer kleinerer Portfolios S. 16 f.). Bei den kleineren Portfolios wird eine stabile stellen dagegen spezielle Anforderungen an die Renditeerzielung durch Bestandsentwicklungs- und Bestände, insbesondere an die Qualität des Mikro- Erweiterungsstrategien des kontinuierlichen Cash standorts. Vollständig sanierungsbedürftige Bestän- Flow, verbunden mit Leerstandreduzierung und de werden gezielt nur durch eher kleine deutsche internen Kostenabbau angestrebt, so Michael Zahn, oder kontinentaleuropäische Investoren und im Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Gehag Überschaubaren Umfang erworben. Wesentliches GmbH Berlin (Quelle: „Verdeckte Schätze“, FAZ vom Ausschlusskriterium für alle Käufergruppen ist eine 13. April 2007, S. 86). generell fehlende Entwicklungsperspektive (Quelle: Damit wird der Markt auch durchaus für kleinere Studie BBR, Heft 124, Schriftenreihe Forschungen, Kommunen „attraktiv“. So plant die Gemeinde Sellin Bonn 2007, S. 50.). C. Risiken einer Privatisierung kommunaler Wohnungen I. Kommunaler Wohnungsbestand: Grund- II. Risiken berücksichtigen pfeiler sozialer Stadtentwicklung Folgende – durchaus vorkommende – Risiken sollten Angesichts der wichtigen sozialen und städtebauli- daher vor einem eventuellen Verkauf auf jeden Fall chen Zielsetzungen, die mit einem eigenen kommu- von den Kommunen bedacht werden: nalen Wohnungsbestand verfolgt werden sollen und Investoren fühlen sich an bloße Absprachen, die vorher müssen, birgt der Verkauf an private Investoren für zwischen Mietern und Kommune getroffen wurden, Städte und Gemeinden immer ein erhebliches Risiko. nicht notwendigerweise gebunden. Das Vorgehen der Investoren nach dem Erwerb der Investoren sanieren die Wohnungen nicht oder Immobilien ist für die verkaufende Kommune insbe- nur oberflächlich, was längerfristig zu einer grundle- sondere ohne den Einbau vertraglicher Sicherungen genden Verschlechterung der Gebäudesubstanz führt. nur schwer kalkulierbar. 7-8/2007 Privatisierung kommunaler Wohnungen www.dstgb.de 11
Investoren erhöhen die Mieten, auch ohne voran- auf zehn Jahre). Je höher zudem die Mobilität gegangene Verbesserung der Mietimmobilie. der Mieterinnen und Mieter ist, desto schneller fällt die Mehrzahl der Mietverhältnisse aus den Eine Privatisierung kann unter Umständen zu Regelungen heraus. einer Verdrängung einkommensschwacher Mieter führen, weil die Investoren die einkom- Die Zahl der gebundenen Sozialmietwohnungen mensschwachen Haushalte als nicht mietfähig wird in den kommenden Jahren in Deutschland („Problemmieter“) klassifizieren. spürbar zurückgehen. Laut Angaben des GdW von 2,5 Millionen im Jahr 2005 um 44 Prozent auf Private Investoren nehmen keine Rücksicht auf 1,4 Millionen im Jahr 2010 (vgl. GdW-Jahrespres- eine städtebaupolitisch erwünschte (ausgewoge- sekonferenz vom 9.6.2005, www.gdw.de). Dieser ne und gemischte) Bewohnerstruktur. Durch den Wegfall der Preisbindung birgt längerfristig das Wegfall der kommunalen Einflussmöglichkeiten Risiko, dass sich in den veräußerten Beständen kann dies im schlimmsten Fall zu einer Ghettoi- stärkere Auswirkungen als bisher ergeben (Mie- sierung bestimmter Orts- und Stadtviertel führen ten, Fluktuation, Verdrängung). (Verlust von Einflussmöglichkeiten der Kommune). Die Investoren sind an kommunalen Zielsetzun- Die genannten Risiken sind nur beispielhaft darge- gen (Beachtung sozialer und stadtentwicklungs- stellt. Auch soll die Aufzählung keinesfalls aussagen, spezifischer Belange) im Zusammenhang mit dass private Investoren stets und grundsätzlich zu sol- städtischem Wohnraum nicht interessiert bzw. chen Verfahrensweisen neigen. Dennoch beinhalten fühlen sich hieran nicht gebunden. Die Gewähr- die aufgezeigten Risiken durchaus gemachte Erfah- leistung sozialer Belange kann daher gerade im rungen, die Kommunen bei einer eventuellen Privati- Hinblick auf eine angestrebte Gewinnerzielung sierungsentscheidung stets berücksichtigten sollten. nachrangig sein. Dabei sind die Gewichtung und die Wahrscheinlich- Investoren verkaufen die Immobilien weiter. keit der genannten Risiken natürlich stark abhängig Dabei fehlt eine Berücksichtigung der Mieterbe- vom Wohnungsmarkt in der jeweiligen Kommune lange, weil das bloße Renditestreben überwiegt und insbesondere von der Qualität und Seriosität („Heuschrecken“-Manieren). des jeweiligen (privaten) Wohnungsunternehmens. Insbesondere bei auf den kurzfristigen Handel Dort, wo der Wohnungsmarkt entspannt ist, ist für ausgerichteten und bei kleineren Käufern besteht die Investoren in der Regel kein Raum für signifikante die Gefahr, dass einzelne Käufer in wirtschaftliche Mieterhöhungen, weil sie dadurch die Mieter ver- Not geraten und künftig anders agieren (zum drängen und sich dann auch die Rendite vermindert. Beispiel mit extremen Bewirtschaftungs- und Ver- Dies sieht jedoch in den Städten und Gemeinden, in wertungsstrategien wie Einzelprivatisierung mit denen bezahlbarer Wohnraum knapp ist, entspre- Drückermethoden, völlige Vernachlässigung von chend anders aus. In den Städten und Gemeinden Beständen, konsequente Belegung mit Transfer- mit angespannter wohnungspolitischer Lage, ein geldempfängern) oder Insolvenzlösungen drohen. Beispiel hierfür sind die Regionen München, Stuttgart Werden privatrechtliche Verpflichtungen, die die und Frankfurt, aber auch die „Rheinschiene“, birgt ein Käufer bezogen auf die Mietentwicklung und den etwaiger Ausverkauf kommunaler Wohnungen daher Kündigungsschutz (Sozialchartas) binden, einge- ein erhebliches Risiko für einkommensschwache gangen, bieten diese keinen langfristigen Schutz: Haushalte und damit auch für die Aufgabenerfüllung Regelmäßig sind Sozialchartas befristet (meist der Kommune im Hinblick auf städtebauliche und soziale Zielsetzungen. D. Kommunale Aufgabenverantwortung I. Kommunen: Wesentliche Akteure für pragmatische Motive wie die „Abschaffung“ hoher eine sozialgerechte Wohnungs- und Stadt- Leerstandsquoten oder einen ansonsten nicht zu entwicklung bewältigenden Sanierungsbedarf gehen. Die Kom- munen müssen sich im Rahmen ihrer Entscheidung Bei der Frage eines geplanten Verkaufs kommuna- vielmehr genau im Einzelnen über ihre wohnungs- ler Wohnungen darf es daher jedenfalls nicht nur und stadtentwicklungspolitischen Aufgaben klar um eine schnelle Haushaltssanierung oder um rein sein. 12 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
Zur Vermeidung Kommunale Wohnungsunternehmen sind Part- der Bildung von Problemquartieren beziehungs- ner der Kommunen bei der zur Daseinsvorsorge weise von „Ghettoisierung“ gehörenden sozialen Wohnraumversorgung. Dies von Obdachlosigkeit stark einkommensschwa- gilt vor allem für einkommensschwache und sonst cher Mieter benachteiligte Haushalte, weil diese Mieterklientel von privaten Wohnraumanbietern unter Umständen der Abwanderung der Bevölkerung abgelehnt wird. Wesentlich ist ein preismäßig ak- sowie demografisch begründeter Probleme, wie zeptabler Mietspiegel, um ein Mindestkontingent an zum Beispiel fehlenden Angeboten für senioren- bezahlbaren, aber dennoch bewohnbaren Wohnun- gerechtes Wohnen gen zur Verfügung stellen zu können. zu hoher langfristiger Folgekosten, wie zum Die kommunalen Wohnungsunternehmen können Beispiel der Belastung des Sozialetats durch mit ihrer Preispolitik eine Mietpreisdämpfung be- Mietsteigerungen oder Kosten für den Ersatz bzw. wirken und dadurch nicht nur bedürftigen Mieter- Einkauf von Leistungen des verkauften Unterneh- haushalten helfen, sondern auch im Bereich von mens (Verlust der Sozial-/Stadtrendite) Wohngeld, Sozialhilfe und Unterkunftskosten für die Bezieher von Arbeitslosengeld II die öffentlichen müssen Städte und Gemeinden daher stets die Kern- Haushalte entlasten. aufgaben ihrer kommunalen Wohnungsunternehmen Die kommunalen Wohnungsunternehmen sind Part- bedenken. ner der Kommunen bei der Stabilisierung gefährdeter Kommunale Wohnungsunternehmen sind wesentli- Wohnquartiere. Diese müssen mit Hilfe konkreter che Akteure im Rahmen der wohnungs- und stadt- Maßnahmen in Form von sozialen Hilfestellungen, entwicklungspolitischen Aufgaben einer Gemeinde. Beratungsangeboten und anderer kommunaler Maß- Sie ermöglichen den Kommunen die Verwirklichung nahmen stabilisiert werden. ihrer stadtentwicklungspolitischer Ziele. Dies bedeu- Einer „Ghettoisierung“ bestimmter Wohnquartiere tet freilich nicht, dass ein Verkauf der kommunalen kann durch kommunale Einflussnahme auf die Mie- Wohnungsbestände zwangsläufig dazu führt, dass terstruktur vorgebeugt werden. die städtebaulichen und sozialen Zielsetzungen nicht mehr erfüllt werden können. Jedoch sind im Durch qualitative Verbesserung der kommunalen Hinblick auf die grundsätzlich kommunalen woh- Wohnungen kann unerwünschten städtebaulichen nungspolitischen Aufgaben stets die mittel- und Entwicklungen – wie zum Beispiel dem Leerfallen von langfristigen Folgen eines Verkaufs zu bedenken und Wohngebieten- vorgebeugt werden. mögliche Alternativen zur Komplettveräußerung zu Kommunale Wohnungsunternehmen sind Träger prüfen. von Neubau und Bestandsmaßnahmen im öffentlich geförderten Wohnungsbau. Die kommunalen Wohnungsunternehmen können gute Beispiele für die notwendige Anpassung an die demografische Veränderung praktizieren und damit II. Kommunale „Prüfpunkte“ vor geplanter den kommunalen Wohnungsmarkt im Hinblick auf Privatisierung zum Beispiel altergerechtes Wohnen positiv beein- Dabei lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstel- flussen. len, in welchem Umfang Kommunen den Zugang Daneben gewinnt die Schaffung von familiengerech- zu eigenen Wohnungsbeständen erhalten müssen. tem Wohnraum und damit einhergehender famili- Es gibt allerdings einige Gesichtspunkte, die in den enpolitischer Angebote auch für die kommunalen Abwägungsprozess vor einem geplanten Verkauf ein- Wohnungsunternehmen vermehrt an Bedeutung. fließen sollten (so etwa Dr. Franz-Georg Rips, Bundes- Die kommunalen Wohnungsunternehmen können direktor Deutscher Mieterbund e.V. Berlin, vhw Forum bezahlbare Räume für Kleinbetriebe zur Verfügung Wohneigentum Heft 6, Dezember 2006, S. 357 ff.). stellen. Die Bezahlbarkeit von Gewerberaum ist eine Denn kurzfristig und vordergründig entschiedene wichtige Voraussetzung für die Stärkung des Wirt- Schnellverkäufe sind nicht mehr rückgängig zu ma- schaftsstandorts einer Kommune. chen und können für Kommune und Bewohner einen Die kommunalen Wohnungsunternehmen sind nicht wieder gutzumachenden Schaden verursachen. schließlich Eigentümer von Grundstücken, die den Kommunale Prüfpunkte bei einem in Frage stehenden Städten bei der Zukunftsgestaltung wichtige Dienste „Ob“ einer Privatisierung sollten daher insbesondere leisten können. sein: 7-8/2007 Privatisierung kommunaler Wohnungen www.dstgb.de 13
Natürlich hängt die Gewichtung der einzelnen der Fall ist, vonnöten, Lösungen zu finden, um der Aufgaben stark von der jeweiligen Wohnungsmarkt- Gefahr eines völligen Leerfallens von Wohngebieten situation in der Kommune ab. In Kommunen mit zu begegnen. angespannter Wohnsituation, wie dies insbesondere Es empfiehlt sich daher immer zu prüfen, wie sich bei süddeutschen Kommunen der Fall ist, wird es von die Möglichkeit bei einem Nichtverkauf darstellt und erheblicher Bedeutung sein, vorhandenen Wohn- im Falle eines Nichtverkaufs dennoch Strategien der raum zu sanieren, neuen Wohnraum zu schaffen, den Verbesserung der Einnahmesituation durch die Kom- Mietspiegel sozial angemessen zu halten und dabei mune zu verfolgen (Maßnahmen zur Steigerung der auch einkommensschwachen Mietern Wohnraum Rendite des kommunalen Wohnungsunternehmens zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz dazu ist es wie zum Beispiel Erhöhung der (Energie-)Effizienz, insbesondere bei Kommunen mit hohen Abwande- sozialverträgliche Nutzung von Mieterhöhungsspiel- rungsquoten, wie dies in den neuen Bundesländern räumen, gegebenenfalls Einzelprivatisierung etc.). E. Überlegungen vor dem Verkauf Erfährt die Öffentlichkeit von einem geplanten 3. Bedenken der Zielstrategie potenzieller Erwerber Verkauf, führt dieses in der Regel zu erheblichen Protesten in der Mieterschaft, die sich verunsichert plant der potenzielle Erwerber lang- oder nur fühlt und von den Investoren oftmals nur Negatives kurzfristig mit der Immobilie? erwartet. Häufig ist Folge, dass, wie zum Beispiel Sieht er seine Hauptaufgabe in der in Freiburg, ein Bürgerbegehren den Ratsbeschluss Optimierung des Wohnungsbestandes oder bezüglich eines geplanten Verkaufs ersetzt bzw. die steht der Gedanke der Mobilisierung zum Stadtvertreter wie in Schwerin im Jahre 2007 den Zwecke des Weiterverkaufs im Vordergrund? Forderungen eines Bürgerbündnisses gegen den 4. Lässt sich der potenzielle Erwerber auf die ver- Verkauf städtischer Wohnungen beigetreten sind. tragliche Vereinbarung bestimmter Auflagen ein? Für die Kommune, die sich mit dem Gedanken trägt, ihre Wohnungsbestände zu verkaufen, ist es daher in jedem Fall erforderlich, sich mit dieser Entscheidung I. Politische und sozialgerechte Begleitung vorher eingehend auseinander zu setzen und im Rah- einer Privatisierung men eines beabsichtigten Verkaufs die Bürger und die Sind die unter D. II. genannten Prüfungspunkte Politik mit deren Bedenken frühzeitig und umfassend ausreichend berücksichtigt worden und konnte bei zu jedem Zeitpunkt einzubinden. einem dennoch beabsichtigten Verkauf ein geeigne- ter Erwerber gefunden werden, so ist es von großer 1. Bedenken der zukünftigen Entwicklung sowohl Bedeutung, den Verkaufsprozess so zu gestalten, dass im Hinblick auf möglichst alle von dem Verkauf Betroffenen ausrei- die nähere Umgebung der zu verkaufenden chend beteiligt werden. Dies beinhaltet insbesondere Wohnimmobilie Leerstand zu befürchten? 1. Frühe Beteiligung der Mieter, ständiger Kontakt negative Veränderung der Mieterstruktur zu be- und Information auch während der Verkaufs- fürchten? verhandlungen die städtebaulichen Ziele 2. Frühe Beteiligung des Stadtrates Sind Verdrängungseffekte durch den Verkauf der 3. Transparenz und Offenheit des Verkaufs- Wohnungen an einen privaten Investor zu befürch- verfahrens ten? Welche Auswirkung kann der Verkauf auf den 4. Darlegung der bereits getätigten Vorüber- kommunalen Mietwohnungsmarkt haben? legungen für die Öffentlichkeit Bildung von Problemquartieren zu befürchten? Was sind die Vorteile eines Verkaufs? Muss eine Abwanderung von der Kommune be- Wurde sich mit den möglichen Nachteilen fürchtet werden? auseinandergesetzt? die Gewährleistung sozialer Belange Warum ist der ausgewählte Erwerber der steht in der Kommune genug Wohnraum auch für richtige? einkommensschwache Haushalte zur Verfügung? Wie wird der Erwerber in Zukunft vorgehen? 2. Zeitliche Flexibilität, um in Ruhe einen 5. Beruhigung der Mieter durch Zusicherung der geeigneten Bewerber aussuchen zu können Aufnahme sozialer Auflagen in den Kaufvertrag 14 www.dstgb.de Privatisierung kommunaler Wohnungen 7-8/2007
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