Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Das Zweites Halbjahr 2019
politische Buch
im Gespräch
Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Thomas Darnstädt

                                                                    Verschlusssache Karlsruhe. Die internen Akten
                                                                    des Bundesverfassungsgerichts

Im Rahmen des aktuellen Programms unserer langjährigen Reihe     Die Archive des Bundesverfassungs-
»Das politische Buch im Gespräch« präsentieren wir im 2. Halb-   gerichts waren so verschlossen wie
jahr 41 Neuerscheinungen auf dem politischen Buchmarkt in ins-   die des Vatikans. Nun endlich sind
                                                                 die alten Akten der großen Prozesse
gesamt 46 Veranstaltungen in allen Regionen Thüringens.
                                                                 um die junge Demokratie des Grund-
Das breite Themenspektrum und die verschiedenen Anlässe,         gesetzes zugänglich. Die Karlsruher
auf die wir uns beziehen, widerspiegeln unseren weit gefassten   Papiere illustrieren, wie hinter den
Begriff von politscher Bildung. Gemäß dem Selbstverständnis      Kulissen um die Grundwerte der neu-
der Landeszentrale für politische Bildung repräsentieren die     en Verfassung gerungen wurde - und
                                                                 wie auf den Trümmern eines Staates,
von uns eingeladenen Autorinnen und Autoren unterschied-         der von Rassenhass und Kriegsge-
liche politische Positionen. Mit unserer Lesereihe wollen wir    schrei geprägt war, eine freiheitliche
Neuerscheinungen und Autorinnen sowie Autoren vorstellen         Gesellschaft entstehen konnte, die
und zum Dialog bzw. kontroversen Gespräch einladen.              sich der Menschenwürde und dem
                                                                 Frieden verschrieben hat. Nach Sich-
                                                                 tung hunderter Akten zeigt Thomas
                                                                 Darnstädt anhand der Debatten um
                                                                 Parteiverbote, Schwangerschaftsab-
                                                                 bruch oder Gleichberechtigung und
                                                                 um Polit-Intrigen wie der Spiegel-Affäre oder dem Adenauer-Fernsehen,
         fb.me/LandeszentraleThueringen                          wie die Richter in Karlsruhe die Weichen in die Zukunft Deutschlands
Ansprechpartner:                                                 stellten.  
Leiter:
Franz-Josef Schlichting, 57 32 11 700                            Thomas Darnstädt, Dr. jur., geboren im Jahr des Grundgesetzes 1949,
franz-josef.schlichting@tsk.thueringen.de                        ist Jurist und Journalist mit den Schwerpunkten Verfassungsrecht,
Referat 1, stellvertretender Leiter:                             Polizeirecht und internationales Recht. Jahrzehntelang analysierte
Peter Reif-Spirek, 57 32 11 710                                  und kommentierte er im Spiegel die großen Karlsruher Prozesse. Er
peter.reif-spirek@tsk.thueringen.de                              ist Autor vielbeachteter Bücher, zuletzt erschien bei Piper »Nürnberg.
                                                                 Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945«. Er lebt mit seiner Familie in
Referat 2:
                                                                 Hamburg.
Antonio Peter, 57 32 11 720
antonio.peter@tsk.thueringen.de
                                                                    Mittwoch, 3. Juli 2019, 18.15 Uhr
Referat 3:                                                          Jena, Jena-Center, Zwätzengasse 3
Ursula Nirsberger, 57 32 11 730
ursula.nirsberger@tsk.thueringen.de                              Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.
Referat 4:
Wieland Koch, 57 32 11 740
wieland.koch@tsk.thueringen.de

Landeszentrale für politische Bildung Thüringen
Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt
Telefon 0361-57 32 11 701
Fax 0361-57 32 11 702
www.lzt-thueringen.de

                                                                                                                                    1
Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Mona Krassu                                                            Claudia Weber

    Freitagsfische                                                         Der Pakt. Stalin, Hitler und die Geschichte
                                                                           einer mörderischen Allianz

Nach dem zweiten Weltkrieg muss                                         Im Zweiten Weltkrieg waren Nazi-
Irma Geipel zusammen mit ihren                                          deutschland und Stalins Sowjet-
vier Kindern aus ihrer Heimat Bres-                                     union nicht nur erbitterte Gegner,
lau fliehen. Die Familie kommt in                                       sondern vorübergehend auch Ver-
einer Kleinstadt der Sowjetischen                                       bündete. Der Pakt war mehr als das
B­esatzungszone unter. Dort begeg-                                      politische Zweckbündnis, das Hitlers
nen ihnen die Menschen misstrau-                                        Überfall auf Polen erlaubte und den
isch, bisweilen feindselig. Ob der                                      Krieg für die Sowjetunion hinauszö-
Vater Herbert aus der russischen                                        gerte. Seine Wirkung blieb nicht auf
Kriegsgefangenschaft heimkehren                                         Osteuropa beschränkt, auch wenn
wird, bleibt lange Zeit ungewiss.                                       beide Mächte ihren Gewaltfuror dort
                                                                        entfesselten.
Die junge DDR bringt weitere Kon-
flikte mit sich. Der älteste Sohn Diet-                                 Der »Hitler-Stalin-Pakt« gilt noch
mar wehrt sich gegen den propa-                                         heute meist als historischer Unfall
gierten Sozialismus. Noch vor dem                                       oder bestenfalls als Präludium zum
Mauerbau flieht er in die BRD. Seine                                    »eigentlichen« Krieg, der mit Hitlers
Flucht hat Folgen für die F­amilie.                                     Überfall auf die Sowjetunion begon-
Irma hängt das Kreuz von der Wand                                       nen habe. Dabei ermöglichte die Zu-
ab. Die Angst bleibt.                                                   sammenarbeit der beiden Diktatoren
                                                                        nicht nur den Kriegsbeginn in Europa, sondern veränderte in zweiund-
»Ein wunderbares und wundersames Buch. Mona Krassu erzählt meis-        zwanzig Monaten die politische Landkarte des Kontinents von Grund
terlich eine Geschichte, die lange nachbrennt. Unbedingt lesenswert!«   auf.
(Feridun Zaimoglu)
                                                                        Claudia Weber zeichnet auf der Grundlage von historischen Quellen
Mona Krassu, geboren 1969 in Weida, lebt heute in Gera. Sie erlernte    und Archivdokumenten minutiös nach, wie Hitler und Stalin zwischen
den Beruf einer Wirtschaftskauffrau in der Maxhütte Unterwellenborn.    1939 und 1941 den Kontinent untereinander aufteilten, ihre Hand­
Die Leidenschaft für die Sprache motivierte sie jedoch, die Kunst des   langer miteinander verhandelten und es schließlich zum Bruch dieses
plastischen Erzählens zu erlernen. Sie besuchte mehrere Kurse an der    schicksalhaften Bündnisses kam. Dabei analysiert sie die deutsch-
Textmanufaktur Leipzig, zu ihren Lehrern dort gehörten Andrè Hille,     sowjetische Zusammenarbeit in der Bevölkerungs- und Umsiedlungs-
Clemens Meyer und Feridun Zaimoglu. Ihre Gedichte erschienen in         politik und enthüllt erschreckende Aktionen gegen Kriegsflüchtlinge:
mehreren Anthologien. 2016 erschien ihr Romandebüt »Alles Schafe«.      gegen Juden, Polen und Ukrainer.   
»Freitagsfische« ist ihr zweiter Roman.
                                                                        Claudia Weber, geboren 1969 in Guben, ist eine deutsche Historike-
    Donnerstag, 22. August 2019, 20.00 Uhr                              rin, und seit 2014 Professorin für Europäische Zeitgeschichte an der
    Suhl, Kulturbaustelle, Friedrich-König-Straße 35                    Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).
Weitere Informationen gibt Referat 4.                                      Dienstag, 27. August 2019, 19.00 Uhr
                                                                           Ettersburg, Schloss Ettersburg

                                                                        Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Sabine Rennefanz                                                         Monika Stenzel, Ulrike Jackwerth

    Mutter to go                                                             He, du Glückliche! 29 Lebensgeschichten

Sabine Rennefanz war fünfzehn, als                                        Fast vierzig Jahre nach dem bahnbre-
sie in Maxie Wanders »Guten Mor-                                          chenden Interview-Buch »Guten Mor-
gen, du Schöne« von den Kämpfen                                           gen, du Schöne« von Maxie ­Wander
las, die berufstätige Frauen am Ar-                                       befragten die Autorinnen Monika
beitsplatz, zu Hause und mit sich                                         Stenzel und Ulrike Jackwerth ost-
selbst auszufechten hatten. Als                                           deutsche Großmütter, Töchter und
sie selber Mutter wurde, war sie                                          Enkelinnen, wie sie heute ihr Leben
erstaunt, wie wenig sich bewegt                                           meistern, was sie glücklich macht,
hatte. Die Frauen kämpfen noch                                            was Heimat für sie bedeutet.
immer an den gleichen Fronten, es                                         Wie haben sie die umwälzenden ge-
sind sogar noch neue hinzugekom-                                          sellschaftlichen Veränderungen nach
men: die Sehnsucht nach Perfekti-                                         1989 erlebt, wie sich in der »west-
on und immerwährendem Glück. In                                           lichen Realität« zurechtgefunden?
ihren Kolumnen untersucht Sabine                                          Und was bedeuten die gesellschaft-
­Rennefanz mit Witz und Schärfe die                                       lichen und biografischen Umbrüche
 Freuden, Zumutungen und Kämpfe                                           für die nachfolgende Generation?
 moderner Mütter. Sie sucht Antwor-                                       In spannenden, unterhaltsamen und
 ten auf große Fragen: Warum wer-                                         oftmals berührenden Porträts wer-
 den Männer und Frauen ungleich                                           den die Frauen und ihre Geschichten vorgestellt, kann man Anteil neh-
 behandelt? Warum fordern Frauen nicht mehr? Wie soll sich jemals         men an ihren Erfahrungen und Erlebnissen.
 ­etwas ändern? »Ich sitze am Schreibtisch und schaue auf meine Toch-
  ter, die noch nicht ahnt, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Es wäre   Monika Stenzel, geboren in Halle (Saale). Abschluss an der Hochschu-
  schön, wenn sie und ihr Bruder es irgendwann einmal unvorstellbar       le für Schauspielkunst »Ernst Busch«. 1981 stellte sie einen Antrag auf
  finden, dass es solche Zeiten der Ungleichheit gegeben hat.«            Ausreise und verließ 1984 mit ihrer Familie die DDR. Seitdem lebt sie
                                                                          in Berlin und arbeitete als freie Schauspielerin an verschiedenen Thea-
Sabine Rennefanz, 1974 in Beeskow geboren, studierte Politologie in       tern der Republik. 2012 begann sie zu schreiben. »He, du Glückliche!«
Berlin und Hamburg. Sie arbeitet seit 1993 als Journalistin, seit 2001    ist ihre erste Veröffentlichung.
als Redakteurin für die Berliner Zeitung, für die sie mehrere Jahre aus
London schrieb. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach        Ulrike Jackwerth, geboren in Wiener Neustadt/Österreich. Schauspiel-
ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen         studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst »Mozar-
Reporterpreis. Ihr erstes Buch, »Eisenkinder« erschien 2013 und stand     teum« in Salzburg. Seit 1984 lebt sie in Berlin, arbeitet als Schauspie-
mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.                           lerin und Regisseurin an zahlreichen Theatern im deutschsprachigen
                                                                          Raum und seit 2014 auch als Dozentin und Coach für Schauspiel.
    Donnerstag, 5. September 2019, 16.00 Uhr                              1987 begegneten sich Ulrike Jackwerth und Monika Stenzel bei einer
    Jena, Evangelisches Gemeindehaus Mitte,                               gemeinsamen Produktion und arbeiteten seitdem mehrfach erfolg-
    August-Bebel-Straße 17                                                reich zusammen.

Weitere Informationen gibt Referat 3.                                        Donnerstag, 5. September 2019, 19.00 Uhr
                                                                             Walldorf, Kressehof, Kressehof 1
                                                                             Freitag, 6. September 2019, 19.00 Uhr
                                                                             Bad Salzungen, Stadt- und Kreisbibliothek, Kurhausstraße 12

                                                                          Weitere Informationen gibt Referat 3.

4                                                                                                                                              5
Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Hannes Bahrmann                                                        Georg Cremer

    Venezuela. Die gescheiterte Revolution                                 Deutschland ist gerechter, als wir meinen.
                                                                           Eine Bestandsaufnahme

Venezuela unter Staatschef Hugo                                         Wer unsere Debatten verfolgt, der liest
Chávez sollte für den »Sozialismus                                      viel über soziale Kälte, ständig wach-
des 21. Jahrhunderts« stehen. Der                                       sende Ungleichheit, prekäre Jobs oder
Ex-Militär wollte das Erbe des süd-                                     den Zerfall der Mitte. Aber wieweit sind
amerikanischen Unabhängigkeits-                                         diese schrillen Töne von den Fakten ge-
kämpfers Simón Bolivar antreten                                         deckt? Viele sind überzeugt, der Sozi-
und mit dem erdölreichen Land die                                       alstaat werde kontinuierlich abgebaut;
Speerspitze »revolutionärer« Bewe-                                      dabei arbeiten weit mehr Menschen im
gungen in Lateinamerika darstel-                                        Sozialbereich als früher. Wenn das, was
len. Insbesondere zu Kuba baute                                         der Sozialstaat leistet, schlecht gere-
Chávez eine enge Beziehung mit                                          det wird, wenn positive reformerische
gegenseitigen Abhängigkeiten auf.                                       Schritte kaum wahrgenommen werden,
Seit Chávez‘ Tod im Jahr 2013 setzt                                     dann nützt das den populistischen Kräf-
Nicolás Maduro dessen Kurs – in-                                        ten, die der Politik unterstellen, sich
klusive Personenkult und autoritärer                                    nicht um »die Belange des Volkes« zu
Herrschaftstechniken – unverändert                                      kümmern. Wenn wir unsere Demokratie
fort. Nach etwa zwei Jahrzehnten                                        stärken wollen, ist eine realistischere
unter der sozialistischen Regierung                                     Diskussion über die sozialen Verhält-
scheint Venezuela kurz vor dem Kol-                                     nisse in Deutschland unerlässlich. Denn in Wahrheit sahen wir in den
laps. Die wirtschaftliche und soziale                                   letzten Jahren keinen herzlosen Sozialabbau, sondern den Versuch der
Lage ist höchst prekär. Hyperinflation, niedrige Löhne, dramatische     Politik, den Sozialstaat auch in Zukunft zu sichern. Im Niedergangsdis-
Versorgungsengpässe und ein drastisches Ausmaß an Gewaltkrimi-          kurs droht Sozialpolitik die breite politische Unterstützung zu verlie-
nalität kennzeichnen das Leben im Land. Hannes Bahrmann zeichnet        ren, ohne die sie nicht handeln kann.
die von Korruption, manipulierten Wahlen, Klientelismus und Misswirt-
schaft geprägten Entwicklungen unter den Regierungen Chávez und         Georg Cremer war von 2000 bis 2017 Generalsekretär des Deutschen
Maduro nach und zieht eine ernüchternde Bilanz                          Caritasverbands e.V. Zuvor war er viele Jahre in der Entwicklungszu-
                                                                        sammenarbeit tätig. Cremer ist habilitierter Volkswirt und lehrt als apl.
Hannes Bahrmann, Jahrgang 1952, Studium der Geschichte und              Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Er be-
­Lateinamerikawissenschaften in Rostock; danach Journalist bei Rund-    teiligt sich regelmäßig an der Debatte zum deutschen Sozialstaat.
 funk, Zeitungen und Nachrichtenagenturen; seit 1984 regelmäßig Rei-
 sen nach Lateinamerika. Autor zahlreicher Sachbücher zur Geschichte       Donnerstag, 12. September 2019, 19.00 Uhr
 Mittelamerikas und der DDR-Politik.                                       Erfurt, Bildungsstätte St. Martin, Farbengasse 2

    Dienstag, 10. September 2019, 19.00 Uhr                             Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.
    Erfurt, Kleine Synagoge, An der Stadtmünze 4

Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Joachim Käppner                                                        Kati Naumann

    1918. Aufstand für die Freiheit.                                       Was uns erinnern lässt
    Die R
        ­ evolution der Besonnenen

Die Revolution der Arbeiter und Sol-                                    1977: Das Zuhause der vier-
daten von 1918 – eine historische                                       zehnjährigen Christine ist das
Chance für ein demokratisches                                           ehemals mondäne Hotel Wal-
Deutschland, die nicht genutzt wur-                                     deshöh am Rennsteig im Thü-
de. Ziel der Revolutionäre war nicht,                                   ringer Wald. Seit der Teilung
nach russischem Vorbild ein bol-                                        Deutschlands liegt es hinter
schewistisches Regime zu errichten,                                     Stacheldraht in der Sperrzone
sondern den Krieg zu beenden und                                        direkt an der Grenze. Schon
die Freiheit zu erringen. Das Aufbe-                                    lange findet kein Wanderer
gehren in Deutschland blieb verhält-                                    mehr den Weg dorthin. Ohne
nismäßig friedlich, bis die von der                                     Passierschein darf niemand
SPD geführte Übergangsregierung,                                        das Waldstück betreten, irgend-
der »Rat der Volksbeauftragten«, mit                                    wann fahren weder Postauto
der alten Heeresführung ein Bünd-                                       noch Krankenwagen mehr dort
nis schloss, statt sie umgehend ab-                                     hinauf. Fast scheint es, als habe
zusetzen. Die Radikalisierung des                                       die DDR das Hotel und seine Be-
Protestes bis zu den »Weihnachts-                                       wohner vergessen.
kämpfen« 1918 war eine Folge. Die
                                                                        2017: Die junge Milla findet ab-
Einbindung anti-demokratischer Eli-
                                                                        seits der Wanderwege im Thü-
ten aus Militär und Verwaltung wurde zu einer schweren Hypothek für
                                                                        ringer Wald einen überwucher-
die erste deutsche Republik und verfestigte zugleich die Spaltung der
                                                                        ten Keller und stößt auf die Geschichte des Hotels Waldeshöh. Dieser
Arbeiterbewegung.
                                                                        besondere Ort lässt sie nicht los, sie spürt Christine auf, um mehr zu
Joachim Käppner wertet Quellen und neueste Forschungsergebnisse         erfahren. Die Begegnung verändert beide Frauen: Während die eine
aus und zeichnet ein gerechteres Bild der Arbeiter und Matrosen, die    lernt, Erinnerungen anzunehmen, findet die andere Trost im Loslassen.
eine Welt aus den Angeln hoben und den Weg in die Weimarer Demo-
kratie öffneten.                                                        Kati Naumann wurde 1963 in Leipzig geboren. In Sonneberg, im ehe-
                                                                        maligen Sperrgebiet im Thüringer Wald, verbrachte sie einen Groß-
Joachim Käppner, promovierter Historiker, ist Redakteur und Autor bei   teil ihrer Kindheit. Die studierte Museologin schrieb bereits mehrere
der »Süddeutschen Zeitung«. Zuletzt erschienen von ihm im Berlin Ver-   Romane sowie Songtexte für verschiedene Künstler und das Libretto
lag »Die Familie der Generäle. Eine deutsche Geschichte« (2007) und     zu dem Musical Elixier (Musik von Tobias Künzel). Sie verfasste Dreh-
»Berthold Beitz. Die Biographie« (2010).                                bücher für Kindersendungen und entwickelte mehrere Hörspiel- und
                                                                        Buchreihen für Kinder. Kati Naumann lebt mit ihrer Familie in Leipzig
    Dienstag, 17. September 2019, 19.00 Uhr                             und London.
    Gotha, Historischer Saal des Tivoli, Am Tivoli 3
                                                                           Dienstag, 24. September 2019, 19.00 Uhr
Weitere Informationen gibt Referat 1.                                      Judenbach, Ali Kurt Baumgarten Museum, Alte Handelsstraße 83

                                                                           Mittwoch, 25. September, 19.30 Uhr
                                                                           Apolda, Hotel am Schloss, Jenaer Str. 25

                                                                        Weitere Informationen gibt Referat 4.

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Gerhard Bause                                                        Marianne Bechhaus-Gerst &
                                                                          Joachim Zeller (Hrsg)
     Ohne Ruhe rollt das Meer.
     Gedichte und Erinnerungen                                            Deutschland postkolonial? Die Gegenwart der
                                                                          imperialen Vergangenheit
Es war nur eine Protesterklärung. Der                                  Der Umgang mit der Kolonialgeschichte,
erste Protest im Eichsfeld. Was es für                                 die hierzulande lange im Schatten der
ein jung verheiratetes Ehepaar bedeu-                                  Aufarbeitung des Nationalsozialismus
tet, unter einer Diktatur der Willkür                                  und des Holocaust stand, unterliegt ge-
ausgesetzt, inhaftiert und verurteilt zu                               genwärtig einem grundlegenden Wandel.
werden, davon erzählt dieses Buch.                                     Zwar zählt auch Deutschland faktisch zu
                                                                       den postkolonialen Gesellschaften Euro-
Der DDR-Staat ließ, um die SED-Herr-                                   pas, doch ist diese Tatsache kaum in das
schaft nicht zu gefährden, Tausende                                    Bewusstsein der Menschen und in das
von Andersdenkenden von der Stasi in                                   Handeln der Politik vorgedrungen.
politische Gefängnisse und Zuchthäu-
ser einsperren, misshandeln und psy-                                   In den vergangenen Jahren haben sich
chisch quälen.                                                         zahlreiche zivilgesellschaftliche Initi-
                                                                       ativen gegründet, um die notwendige
Die Gedichte zeigen in beeindrucken-                                   Auseinandersetzung um eine Dekoloni-
den Bildern die Zersetzung, den physi-                                 sierung der globalen und lokalen Macht-
schen und psychischen Terror, dem die                                  verhältnisse voranzubringen.
Inhaftierten ausgesetzt waren, aber auch die nicht enden wollenden
Schuldgefühle des Autors über die Mitinhaftierung seiner Frau.         Eine Trendwende weg vom Vergessen und Verdrängen der kolonialen
                                                                       Vergangenheit bedeutete auch die 2016/17 im Deutschen Histori-
Gerhard Bause, geboren 1961 in Leinefelde, verheiratet, zwei Kinder,   schen Museum in Berlin gezeigte Ausstellung »Deutscher Kolonialis-
wurde im Februar 1988 gemeinsam mit seiner Frau und drei Freunden      mus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart«. Aufhorchen ließ
wegen einer Protesterklärung inhaftiert und verurteilt. Erst während   nicht zuletzt die Initiative der Berliner Landesregierung, zusammen
des Umbruchs im November 1989 wurde er durch Amnestiebeschluss         mit dem Bund eine zentrale Gedenkstätte als Lern- und Erinnerungsort
aus der Sonderhaftanstalt Bautzen II entlassen. Obwohl die Wende       zum deutschen Kolonialismus in der Bundeshauptstadt einrichten zu
eingeleitet war, musste er innerhalb von 48 Stunden die DDR verlas-    wollen.
sen. Ein letzter Willkürakt der Stasi.
                                                                       Nach einer Einführung in diese Debatte stellt Joachim Zeller ausge-
     Freitag, 20. September 2019, 19.00 Uhr                            wählte Aktionen und Projekte zur Weiterentwicklung einer postkolo-
     Heilbad Heiligenstadt, Altes Rathaus, Ratsgasse 9                 nialen Gedenkkultur in Deutschland vor. Angesprochen werden dabei
                                                                       auch die aktuellen Debatten um den Völkermord an den Herero und
     Dienstag, 15. Oktober 2019, 18.30 Uhr                             Nama und die koloniale Beutekunst im geplanten Berliner Humboldt-
     Geisa, Haus auf der Grenze                                        Forum.

Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.                        Joachim Zeller wurde in Swakopmund/Namibia geboren und promo-
                                                                       vierte in Berlin mit einer Arbeit zur (post-)kolonialen Erinnerungskultur.

                                                                          Dienstag, 24. September 2019, 19.00 Uhr
                                                                          Erfurt, Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7

                                                                       Weitere Informationen gibt Referat 1.

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Wiebke Eden                                                              Steffen Mensching

     Die Schatten eines Jahres                                                Schermanns Augen

Als die engagierte Friedensaktivistin                                      Eben noch war Rafael Schermann in
Mathilde mit achtundsiebzig Jahren                                         der Wiener Caféhaus-Szene ein bun-
nach einer Sitzblockade zur Strafar-                                       ter Hund, bekannt mit Gott und der
beit in einem Park verdonnert wird,                                        Welt von Adolf Loos, Oskar Kokoschka,
rückt die Presse an. Sie erzählt von                                       Magnus Hirschfeld bis zu Else Lasker-
ihren Anfängen als Pazifistin, und                                         Schüler, Herwarth Walden, Ehrenstein,
plötzlich steht ihr eine Zeit vor Au-                                      Döblin, Bruckner, Eisenstein, Stanis-
gen, über die sie nie gesprochen hat:                                      lawski, Piscator… Selbst der scharfzün-
Ihr Jahr in Barcelona, zu Beginn des                                       gige Karl Kraus erhoffte sich von Scher-
Zweiten Weltkriegs, als sie jung und                                       manns graphologischer Begabung
verliebt war und zur Spionin wurde.                                        beim Deuten von Briefhandschriften
Der Roman, eine Mischung aus Spi-                                          entscheidende Hilfe in seinem Liebes-
onage, Zeit- und Liebesgeschichte,                                         werben um Sidonie Nádherný… Und
ist nicht nur hochaktuell, weil er von                                     jetzt landet dieser schillernde Mann
der Wandlung einer Frau erzählt,                                           völlig abgerissen und todkrank als Ge-
der erst allmählich die Konsequenz                                         fangener am Ende der Welt, hundert-
ihrer eigenen politischen Haltung                                          fünfzig Kilometer östlich von Kotlas an
bewusst wird. Immer mehr ältere wie junge Menschen gehen heu-              der Bahntrasse nach Workuta im Lager
te wieder auf Demos – ein Blick zurück auf verschiedene Phasen der         Artek. Sofort zieht einer, der aus Hand-
Friedensbewegung ist amüsant und zugleich e  ­ rmunternd. Hinzu ent-       schriften Vorhersagen ableiten kann, außerordentliches Interesse auf
führt der Roman in einen noch wenig ausgeleuchteten Abschnitt der          sich, ob nun das des Lagerkommandanten (selbst der kann nicht si-
deutsch-spanischen Geschichte: als eine Enklave von nazitreuen Deut-       cher sein, ob er morgen Chef eines größeren Lagers sein oder man ihn
schen in Barcelona zunächst Franco unterstützt, mit dem beginnenden        erschießen wird) oder das seiner Mitgefangenen, »achthundert Män-
Zweiten Weltkrieg jedoch misstrauisch wird, da allmählich jeder jeden      ner, zweihundert Frauen. Eine echte sowjetische Großfamilie… jeder
aushorcht, in der Ungewissheit, wie sich die ­Loyalitäten im Ernstfall     weiß alles vom anderen und wünscht ihm die Krätze an den Hals«. Und
behaupten.                                                                 dann behauptet Schermann noch, kein Russisch zu können, und be-
                                                                           ansprucht einen Übersetzer. Steffen Mensching stellt ihm den jungen
Wiebke Edens hochaktueller, spannender Roman wirft die Frage auf,          deutschen Kommunisten Otto Haferkorn an die Seite. Das ungleiche
wie ein Mensch in etwas hineingeraten kann, dessen Konsequenzen            Paar, mal Herr und Knecht, mal Don Quijote und Sancho Pansa, kämpft
nicht absehbar sind.                                                       ums Überleben unter brutalen, absurden Verhältnissen im mörderi-
                                                                           schen Räderwerk des zwanzigsten Jahrhunderts.
Wiebke Eden wurde 1968 in Jever geboren und arbeitete nach Zei-
tungsvolontariat und Germanistikstudium als freie Journalistin. Sie ver-   Steffen Mensching, geb. 1958 in Berlin (Ost), studierte an der HU
öffentlichte zwei Porträtbände über schreibende Frauen, »Keine Angst       Berlin Kulturwissenschaft und arbeitete viele Jahre als freiberuflicher
vor großen Gefühlen« und »Im Gespräch: Journalistinnen« (200x, 200y,       Autor, Schauspieler, Clown und Regisseur. Bekannt wurde er vor allem
edition ebersbach). 2008 erschien ihr Roman »Die Zeit der roten Früch-     durch die Clownsprogramme, die er mit seinem Partner Hans-Eckardt
te« (Arche Verlag). Dabei fand ihre knappe, eindringliche Sprache wie      Wenzel auf die Bühne gebracht hat (u. a. »Letztes aus der DaDaeR«,
die genaue Beobachtung ihrer Figuren große Beachtung. Neben Texten         1983 - 1989). Seit der Spielzeit 2008/09 ist Steffen Mensching Inten-
in Anthologien veröffentlichte sie im Bübül Verlag Berlin die Erzählun-    dant am Theater Rudolstadt.
gen »Das Liebespaar« (2015) und »Udo« (2017). Wiebke Eden lebt in
Berlin und gibt Schreibwerkstätten für Kinder und Erwachsene.                 Donnerstag, 26. September 2019, 19.00 Uhr
                                                                              Weimar, Stadtbücherei, Steubenstraße 1
     Donnerstag, 26. September 2019, 19.00 Uhr
     Ilmenau, Universitätsbibliothek, Langewiesener Straße 37              Weitere Informationen gibt Referat 4.
Weitere Informationen gibt Referat 3.

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Katerina Poladjan                                                       Anja Baumheier

     Hier sind Löwen                                                         Kastanienjahre

Die alte Bibel ihrer Familie an der                                       Zwei Orte gibt es, die für Elise Hei-
Schwarzmeerküste ist das Einzige,                                         mat bedeuten: Paris, wo sie seit über
was den Geschwistern Anahid und                                           20 Jahren eine kleine Boutique im
Hrant auf ihrer Flucht bleibt. Doch in                                    Montmartre führt; und Peleroich,
den Wirren von Mord und Vertreibung                                       das verschlafene Dorf an der meck-
des 20. Jahrhunderts geht das Buch                                        lenburgischen Ostseeküste. Hier
verloren.                                                                 wächst sie in den 60er Jahren auf,
                                                                          hier lernt sie Henning und Jakob
Hundert Jahre später ist die Restaura-                                    kennen, die bei-den Lieben ihres
torin Helen in Armenien. Ihr wird ein                                     Lebens. Henning, der Fels in der
Heil-Evangeliar anvertraut. »Hrant will                                   Brandung, den sie seit Kindertagen
nicht aufwachen«, hat jemand an den                                       kennt, Jakob, der Frau-enschwarm,
Seitenrand gekritzelt. Helen taucht                                       der Künstler werden will und wie
ein in die Rätsel des alten Buches, in                                    sie davon träumt, einmal den Eif-
das moderne Jerewan, verliebt sich in                                     felturm zu sehen. Eine fatale Drei­
einen Mann und folgt schließlich den                                      ecksbeziehung voller Geheimnisse
Zeichen der Vergangenheit auf eine                                        - bis Jakob eines Tages spurlos aus
Reise an die Schwarzmeerküste.                                            Elises Leben verschwindet. Als Elise
                                                                          nach vielen Jahren in ihr Heimatdorf
Katerina Poladjan wurde in Moskau geboren, wuchs in Rom und Wien          zurückkehrt, taucht sie tief ein in ihre
auf und lebt in Deutschland. Sie schreibt Theatertexte und Essays, auf    eigene Vergangenheit und in die Geschichte von Peleroich, wo ihre
ihr Prosadebüt »In einer Nacht, woanders« folgte »Vielleicht Marseille«   Eltern sich kurz nach Gründung der DDR kennenlernen…
und gemeinsam mit Henning Fritsch schrieb sie den literarischen Rei-      Anja Baumheier erzählt von einem malerischen Dorf und dem Schick-
sebericht »Hinter Sibirien«. Sie war für den Alfred-Döblin-Preis nomi-    sal seiner Bewohner zwischen Gründung der DDR, Mauerbau und
niert wie auch für den European Prize of Literature und nahm 2015 bei     Nach-Wendezeit.
den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt teil. Für »Hier
sind Löwen« erhielt sie Stipendien des Deutschen Literaturfonds, des      Anja Baumheier wurde 1979 in Dresden geboren und hat ihre Kind-
Berliner Senats und von der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.           heit in der DDR verbracht. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Berlin und
                                                                          arbeitet als Lehrerin für Französisch und Spanisch an einer Berliner
     Dienstag, 1. Oktober 2019, 18.00 Uhr                                 Schule. 2018 erschien mit »Kranichland« ihr erster Roman.
     Erfurt, Europäisches Informations-Zentrum, Regierungsstr. 72
                                                                             Mittwoch, 4. Oktober 2019, 19.00 Uhr
Weitere Informationen gibt Referat 4.                                        Bad Salzungen, Stadt- und Kreisbibliothek, Kurhausstraße 12

                                                                          Weitere Informationen gibt Referat 4.

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Das politische Buch im Gespräch - Zweites Halbjahr 2019 - Landeszentrale für politische ...
Uta Bretschneider                                                      Sascha Lange

     Heimat. Räume, Gefühle, Konjunkturen                                   Meuten, Swings & Edelweißpiraten: Jugend­
                                                                            kultur und Opposition im Nationalsozialismus

Der Band beleuchtet das Thema                                            Ob Swingjugend, Edelweißpiraten,
»Heimat« in seiner Vielfalt und                                          Meuten, Fahrtenstenze in Hamburg,
Vieldeutigkeit. Vielmehr versteht                                        Köln, Leipzig, Berlin, München und
sich die Publikation als Einladung,                                      anderswo – überall in Deutschland
dem Thema Heimat bewusst nach-                                           gründeten sich zwischen 1933
zugehen und eine ganz persönli-                                          und 1945 Jugendgruppen, die sich
che Definition dessen, was Heimat                                        dem NS-Regime verweigerten und
ist, sein soll und kann, zu finden,                                      stattdessen ihre eigenen Subkul-
zu erweitern oder zu hinterfragen.                                       turen pflegten. Mit eigenem Dress-
Heimat hat Konjunktur. Sie ist allge-                                    code, eigenen Liedern und eigener
genwärtig als politisches Thema, als                                     Freizeitgestaltung, autonom und
literarisches Sujet, als wissenschaft-                                   selbstbestimmt. Dafür scheute man
lich beachtetes Konzept, als Marke                                       auch nicht die direkte Konfrontati-
»Heimat« sowie in den Dingwelten                                         on mit der Hitlerjugend und drängte
unseres Alltags. Heimat ist eine viel-                                   stellenweise sogar deren Einfluss
dimensionale Projektionsfläche, ein                                      zurück, mit Flugblättern, Anti-Nazi-
Sehnsuchtsort und ein umstrittenes                                       Graffitis, Überfällen auf HJ-Heime
Konstrukt. Die Tatsache, dass jede                                       – nicht nur in Großstädten, sondern
und jeder von uns etwas zum Thema                                        auch in der Provinz.
beizutragen vermag, dass wir alle in gewisser Form und zumindest für
uns selbst Expertinnen und Experten in Sachen Heimat sind                Erstmalig bietet ein Buch eine breite Übersicht über oppositionelles
                                                                         bzw. Widerstandsverhalten von Jugendlichen während der NS-Zeit. Der
Uta Bretschneider, Dr. phil., ist Direktorin des Hennebergischen Muse-   Fokus liegt dabei auf selbstbestimmten, informellen Gruppen, die sich
ums Kloster Veßra. Von ihr erschien ebenfalls bei der Landeszentrale     aufgrund persönlicher Sympathien sowie kultureller Vorlieben für Mu-
für politische Bildung »Neue Heimat Thüringen? Flüchtlinge und Ver-      sik und Kleidung zusammengeschlossen haben. Demgegenüber wird
triebene um 1945«.                                                       die Entwicklung der Hitlerjugend aufgezeigt und ihr Scheitern an der
                                                                         Aufgabe, die gesamte deutsche Jugend zu führen.
     Donnerstag, 10. Oktober 2019, 18.00 Uhr
     Suhl, Volkshochschule »Karl Mundt«, Meininger Str. 89               Sascha Lange wurde 1971 geboren und lebt seither in Leipzig. Er ist
                                                                         gelernter Theatertischler, ungelernter Musiker, motivierter Autor und
Weitere Informationen gibt Referat 2.                                    promovierter Historiker mit dem Schwerpunkt Jugendkulturen. Neben
                                                                         Ausflügen in die Belletristik veröffentlichte Sascha Lange 2013 zusam-
                                                                         men mit Dennis Burmeister »Depeche Mode MONUMENT«, die bislang
                                                                         umfassendste Werkschau über die britische Popband.

                                                                            Mittwoch, 16. Oktober 2019, 19.00 Uhr
                                                                            Gera, Stadt- und Regionalbibliothek Gera, Puschkinplatz 7

                                                                         Weitere Informationen gibt Referat 4.

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Timo Lochocki                                                        Felix Bohr

     Die Vertrauensformel. So gewinnt unsere                              Die Kriegsverbrecherlobby – Bundesdeutsche
     Demokratie ihre Wähler zurück                                        Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter

Die Umfragewerte der etablierten Par-                                  Unmittelbar nach dem Zweiten Welt-
teien bröckeln, im Aufschwung sind                                     krieg waren in zahlreichen west-
die politischen Ränder, insbesonde-                                    europäischen Ländern NS-Kriegs-
re Rechtsaußen. Ein Rezept dagegen                                     verbrecher inhaftiert. Im Zuge der
scheint es nicht zu geben.                                             Westbindung der Bundesrepublik
                                                                       wurden die meisten von ihnen ent-
Der Politologe Timo Lochocki wider-                                    lassen. Lediglich in Italien und den
spricht: Dem Erstarken des Populis-                                    Niederlanden verblieben insgesamt
mus lässt sich mit den Mitteln der                                     fünf Deutsche im Gefängnis: der
repräsentativen Demokratie begeg-                                      SS-Mann Herbert Kappler, als Kom-
nen. Seine internationale Forschung                                    mandeur der Sicherheitspolizei ver-
ermöglicht ihm den Vergleich mit an-                                   antwortlich für das Massaker in den
deren westlichen Staaten (u.a. Groß-                                   Ardeatinischen Höhlen, sowie die
britannien, Frankreich, USA, Schwe-                                    »Vier von Breda«, die maßgeblich an
den, die Niederlande). Er kommt zu                                     der Ermordung der niederländischen
verblüffenden Ergebnissen und räumt                                    Juden beteiligt gewesen waren.
fundiert mit zahlreichen Missverständ-                                 Hochrangige deutsche Politiker, un-
nissen auf, die die Debatte blockieren.                                ter ihnen die Bundeskanzler Brandt
Waren Rechtspopulisten vor einigen                                     und Schmidt, setzten sich für ihre
Jahren noch politische Randphänomene, stehen sie nun als wichtige      Freilassung ein.
Treiber des wiederaufflammenden Nationalismus im Scheinwerfer-         Felix Bohr zeichnet das westdeutsche Engagement für die im Aus-
licht. Und das vollkommen zu recht. Diese Parteien – oder besser:      land inhaftierten NS-Täter nach. Er zeigt, wie sich aus Netzwerken
unser Umgang mit ihnen – wird unsere Zukunft auf Jahrzehnte bestim-    von Kirchenverbänden, Veteranenvereinigungen und Diplomaten eine
men. Großbritannien und die USA geben uns warnende Beispiele für       einflussreiche Interessenvertretung formierte, die rechtliche und ma-
den Erfolg von Rechtspopulisten. Deutschland ist in der glücklichen    terielle Hilfe leistete. Während Opfer des NS-Regimes um gesellschaft-
Lage, aus den Fehlern der Volksparteien in anderen westlichen Demo-    liche Anerkennung und Entschädigung kämpften, organisierte die
kratien lernen zu können. Umso größer ist unsere Verantwortung, sol-   Lobby Unterstützung für die Kriegsverbrecher auf höchster politischer
che Verhältnisse zu verhindern.                                        Ebene. Auf der Grundlage bislang mitunter nicht zugänglicher Quellen
                                                                       wirft Bohr einen umfassenden Blick auf ein bisher kaum bekanntes Ka-
Timo Lochocki, Dr. phil, geboren 1985, studierte Interdisziplinäre     pitel bundesdeutscher Vergangenheitspolitik.
Sozialwissenschaften in Deutschland, den USA und Norwegen. 2014
promovierte er an der Humboldt Universität Berlin zu den Gründen für   Felix Bohr, Historiker und Journalist, arbeitet als Redakteur beim
den Auf- und Abstieg rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa.      »Spiegel«. Seine materialreiche Studie liefert eine eindrucksvolle und
Lochocki ist Universitätsdozent für Politische Kommunikation und Eu-   zugleich schockierende Übersicht, auf welche Hilfen und Strukturen
ropäische Politik an der Humboldt Universität und James Knox Batten    die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher in der Bundesrepublik
Visiting Professor am Davidson College, North-Carolina.                zurückgreifen konnten.
     Montag, 21. Oktober 2019, 18.30 Uhr                                  Dienstag, 22. Oktober 2019, 19.00 Uhr
     Weimar, Stadtbücherei, Steubenstraße 1                               Erfurt, Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7
Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.                        Weitere Informationen gibt Referat 1.

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Christian Schüle                                                            Thomas Thieme, Frank Quilitzsch

     Heimat. Ein Phantomschmerz                                                  Ich Hoeneß Kohl

Derzeit verändert sich Heimat so ra-                                          Im Mittelpunkt des Bandes »Ich
sant, wie wir es noch nie zuvor erlebt    Christian                           Hoeneß Kohl«, der zum 70. Ge-
haben. Politische, wirtschaftliche und
                                             Schüle                           burtstag des Schauspielers Thomas
soziale Grenzen lösen sich auf. Die                                           Thieme erschien, steht das Verhält-
Welt wird immer unüberschaubarer,                                             nis zwischen Theater und anderen
und die Zahl derjenigen wächst, die                                           gesellschaftlichen Bereichen. Vor
einen Verlust an Sicherheit und Ge-                                           allem werden Bezugspunkte zwi-
borgenheit beklagen. »Wie können wir
diese Herausforderung bestehen?«,
fragt Christian Schüle in seiner Zeitdia-
                                               Hei mat                        schen Bühne und Schauspielerei
                                                                              einerseits und Fußball andererseits
                                                                              gesucht. Das Buch beruht auf den
                                                       Ein Phantom-
gnose. Er begibt sich in den deutschen                 schmerz                rasanten, kurzweiligen, schlagfer-
Alltag, erkundet die Erwartungen, Be-                                         tigen Zeitungsinterviews, die facet-
fürchtungen der Deutschen und hinter-                                         tenreich das Leben des umtriebi-
fragt kritisch ihre Traditionen. Sein Re-                                     gen Theater- und Film-Stars Thieme
sümee: Der Verlust von Heimat ist ein                                         beleuchten und seine Einstellung
Phantomschmerz – denn die Betrof-                                             zu Fragen der Zeit erkennen lassen.
fenen, die Hiesigen wie die Fremden,                                          Vor allem Thiemes Rolle als Kanzler
verklären das Vergangene und sind                                             der deutschen Einheit Helmut Kohl
kaum bereit, die gegenwärtigen Mög-                                           und als gefallener Fußballgott Uli
lichkeiten zu sehen. Denn die gibt es, wie Christian Schüle gewohnt           Hoeneß rückten ins Zentrum der Befragung. Der ausgeglichene Schlag-
eindrucksvoll zeigt.                                                          abtausch zwischen Thieme und Quilitzsch führt unweigerlich in die
                                                                              Verlängerung, im Nachspiel jonglieren dann der Bühnenkünstler Thie-
Christian Schüle: Jahrgang 1970, geboren in Friedrichshafen am Bo-            me und der Ballkünstler Günter Netzer zwischen Faust und Fußball.
densee, Studium der Philosophie, Soziologie und Politischen Wissen-           Zur Buchpremiere haben Thomas Thieme und Autor Frank Quilitzsch
schaft in München und Wien, war fünf Jahre Redakteur und Autor im             bereits Ende 2018 in Jena gelesen. Die seinerzeit verpflichtete Jenaer
Dossier der Wochenzeitung DIE ZEIT und kündigte mit Mitte 30 aus frei-        Trainerlegende Hans Meyer musste kurzfristig absagen, weshalb das
en Stücken, um mehr Eigenzeit zu haben und den Alltag nach seinen             Match noch einmal neu angesetzt wird.
Bedürfnissen zu strukturieren. Der Härte des freien Marktes trotzend,
arbeitet er bis heute erfolgreich als Schriftsteller und Essayist sowie als   Thomas Thieme, geboren 1948 in Weimar, ist ein gefragter deutscher
Publizist für Zeitungen, Magazine und den ARD-Hörfunk. Seine Texte            Schauspieler für Bühne, Film und Fernsehen, der auch erfolgreich als
wurden mehrfach ausgezeichnet, und seine Bücher befassen sich mit             Sprecher für Hörspiele und Hörbücher arbeitet.
Deutschland, dem Gesellschaftsvertrag der Republik, der Kultur von
Menschen- und Todeswürde und der Suche nach Gerechtigkeit. Seit               Frank Quilitzsch, geboren 1957 in Halle/Sachsen-Anhalt arbeitet seit
April 2015 lehrt er im Fachbereich Kulturwissenschaft an der Universi-        1991 als Kulturredakteur bei der Thüringischen Landeszeitung. Er ver-
tät der Künste in Berlin.                                                     öffentlichte eine Reihe von Büchern und ist Vorstandsmitglied im Ver-
                                                                              band deutscher Schriftsteller/Thüringen.

     Donnerstag, 24. Oktober 2019, 10.00 Uhr                                  Hans Meyer, geboren in 1942 in Briesen (Sudetenland) war Fußball-
     Waltershausen, Rathaus, Rathaussaal, Markt 1                             spieler und später erfolgreicher -trainer. Die Trainerlegende ist heute
                                                                              u.a. Kolumnist beim Magazin für Fußballkultur »11freunde«.
Weitere Informationen gibt Referat 3.
                                                                                 Montag, 28. Oktober 2019, 19.03 Uhr
                                                                                 Jena, Volksbad, Knebelstraße 10

                                                                              Weitere Informationen gibt Referat 4.

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Jana Simon                                                              Ulrike Müller

     Unter Druck. Wie Deutschland sich verändert                             Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst,
                                                                             Handwerk und Design

Die deutsche Wirtschaft wächst, die                                       Als das Staatliche Bauhaus 1919 von
Welt bewundert Deutschland für sei-                                       Walter Gropius in Weimar gegründet
ne Kraft, Stabilität und Weltoffenheit.                                   wurde, geschah dies mit dem Ziel, Hand-
Zugleich schrumpft die Mittelschicht,                                     werk und Kunst zu verbinden. Die künst-
der Reichtum ist ungleicher verteilt                                      lerischen Arbeiten von ungewöhnlichen
als noch vor zwei Jahrzehnten. Jeder                                      Frauen wurden lange nicht beachtet oder
sechste Deutsche ist armutsgefähr-                                        waren im Laufe der Jahrzehnte völlig in
det, die sozialen Aufstiegschancen                                        Vergessenheit geraten. »Ihr Eindringen
sind so gering wie in kaum einem an-                                      in andere Bereiche setzte ein großes
deren westlichen Land. Die rechtspo-                                      Selbstbewusstsein voraus, zudem muss-
pulistische AfD erzielt bei Wahlen                                        ten sie in ihrer Arbeit besser sein als ihre
zweistellige Ergebnisse und sitzt nun                                     männlichen Kollegen«, so beschreibt
im Bundestag. Ein großer Teil der                                         Ulrike ­Müller eine Situation, die Frauen
Deutschen steht unter erheblichem                                         auch heute noch alltäglich erleben. Das
Druck. Was bedeutet das für das                                           Buch würdigt erstmals die Leistung der Frauen am Bauhaus in allen
Leben Einzelner und für das ganze                                         gestalterischen Bereichen und stellt in einfühlsamen Porträts Leben
Land? Anhand verschiedener Lebens-                                        und Schaffen vor.
geschichten zeichnet die Journalistin
Jana Simon ein differenziertes Bild                                       Ulrike Müller, Dr., studierte Kirchenmusik, Philosophie, Theologie und
Deutschlands, das die politische, soziale und wirtschaftliche Wucht       Literaturwissenschaft in Hamburg und promovierte 1989 über Else
der Veränderungen eindrücklich wiedergibt. Einige Protagonisten sind:     Lasker-Schüler. Seit 1992 lebt sie in Weimar und ist dort als Reiseleite-
der frühere EZB-Direktor Jörg Asmussen, der heute Investmentbanker        rin, Museumspädagogin, freie Referentin und Autorin tätig. Außerdem
ist; ein Polizist aus Thüringen; eine alleinerziehende Krankenschwes-     tritt sie mit musikalisch-literarischen Salonprogrammen auf.
ter; eine »Influencerin« und der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland.
                                                                             Freitag, 1. November 2019, 19.00 Uhr
Jana Simon war von 1998 bis 2004 Reporterin beim »Tagesspiegel«.             Probstzella, Rathaus, Markt 8
Seit 2004 ist sie Autorin bei der »Zeit« in Berlin. Für ihre Reportagen
erhielt sie zahlreiche Preise, u.a. den Theodor-Wolff-Preis, den Axel-    Weitere Informationen gibt Referat 3.
Springer-Preis und den Deutschen Reporterpreis. Ihr Buch »Sei den-
noch unverzagt. Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard
Wolf« (2013) war ein Bestseller. Für ihre Arbeit hat sie den Deutschen
Reporterpreis 2018 gewonnen und wurde vom medium magazin in der
Kategorie »Reportage« zur Journalistin des Jahres 2018 gewählt.

     Dienstag, 29. Oktober 2019, 19.00 Uhr
     Weimar, Stadtbücherei, Steubenstraße 1

Weitere Informationen gibt Referat 4.

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Christian Schüle                                                          Emilia Smechowski

     Wir haben die Zeit.                                                       Rückkehr nach Polen
     Denkanstöße für ein gutes Leben

Wir leben immer länger und bleiben                                          Lange glaubten wir im Westen:
lange gesund. Wir hätten also allen                                         Polen ist frei und demokratisch,
Grund, uns Zeit zu lassen. Aber wem                                         ein junges europäisches Land im
gelingt das schon? Noch nie fühlten                                         Start-up-Modus. Dann wählte die
sich so viele Menschen in Deutsch-                                          Mehrheit rechtskonservativ – und
land überfordert und erschöpft. Sich                                        unser Bild zerbrach. Für Emilia
von zu vielen widersprüchlichen                                             Smechowski ist Polen Heimat
Anforderungen und Angeboten ge-                                             – eine Heimat, die sie als Kind
jagt zu fühlen, ist beinahe schon                                           verließ und in die sie nun zurück-
ein Markenzeichen unserer Gesell-                                           kehrt, um dort zu leben, als Bür-
schaft. Gibt es einen Ausstieg aus                                          gerin des Landes. Sie beschreibt
dieser permanenten Rushhour? Der                                            eine zerrissene Nation: Der Riss
Philosoph Christian Schüle liefert                                          geht durch die Familien, er ist prä-
jede Menge Anstöße für eine Neuord-                                         sent, wenn beim Sonntagsessen
nung des Denkens: Wie lassen sich                                           über Politik gestritten oder ge-
prägende Faktoren unseres Lebens                                            schwiegen wird. Smechowski er-
- Arbeit Familie, Freizeit - in Einklang                                    zählt vom Alltag voller Widersprü-
bringen? Ist es planbar und gestalt-                                        che, sie spricht mit Politikern wie
bar, das gute Leben von morgen?                                             Bauern, um zu verstehen: Was ist
                                                                            seit 1989 passiert, dass so viele
Christian Schüle, Jahrgang 1970, geboren in Friedrichshafen am Bo-          Menschen nicht mehr an den Wert
densee, Studium der Philosophie, Soziologie und Politischen Wis-            der Freiheit glauben? In Polen finden im Herbst 2019 richtungsweisen-
senschaft in München und Wien, war fünf Jahre Redakteur und Autor           de Parlamentswahlen statt: Emilia Smechowski, Deutsche und Polin,
im Dossier der Wochenzeitung »Die Zeit« und kündigte mit Mitte 30           porträtiert ein zerrissenes Land. Die Buchvorstellung findet in Zusam-
aus freien Stücken, um mehr Eigenzeit zu haben und den Alltag nach          menarbeit mit der Deutsch-Polnischen-Gesellschaft Thüringen statt.
seinen Bedürfnissen zu strukturieren. Der Härte des freien Marktes
trotzend, arbeitet er bis heute erfolgreich als Schriftsteller und Essay-   Emilia Smechowski, 1983 in Polen geboren, floh mit ihrer Familie
ist sowie als Publizist für Zeitungen, Magazine und den ARD-Hörfunk.        1988 nach Westberlin. Sie arbeitet als freie Autorin und Reporterin,
Seine Texte wurden mehrfach ausgezeichnet, und seine Bücher befas-          u. a. für Süddeutsche Zeitung und Die Zeit. Für ihre Reportagen wurde
sen sich mit Deutschland, dem Gesellschaftsvertrag der Republik, der        sie vielfach preisgekrönt, u. a. mit dem Deutschen Reporterpreis. 2017
Kultur von Menschen- und Todeswürde und der Suche nach Gerechtig-           erschien von ihr Buch »Wir Strebermigranten«. Nach einem Jahr in Dan-
keit. Seit April 2015 lehrt er im Fachbereich Kulturwissenschaft an der     zig lebt sie nun wieder in Berlin.
Universität der Künste in Berlin.
                                                                               Dienstag, 5. November 2019, 19.30 Uhr
     Montag, 4. November 2019, 19.00 Uhr                                       Jena, Schillers Gartenhaus, Schillergäßchen 2
     Meiningen, Volkshochschule »Eduard Weitsch«
     Schmalkalden-Meiningen, Klostergasse 1                                 Weitere Informationen gibt Referat 4.

Weitere Informationen gibt Referat 3.

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Christoph Dieckmann                                                      Sascha Lange & Dennis Burmeister

     Mein Abendland – Geschichten deutscher                                   Behind The Wall. DEPECHE MODE-Fankultur in
     Herkunft                                                                 der DDR

Nichts, was Christoph Dieckmann                                            Depeche Mode gehören zu
schreibt, ist erfunden. Dieser uner-                                       den langlebigsten Bands der
müdliche Chronist der »Zeit« erlebt                                        schnelllebigen      Popmusik-Ära
sein »Abendland«. Ein Kind ver-                                            der 1980er-Jahre. Und sie haben
schwindet, dann ein Staat. Die DDR-                                        bis heute die treuesten Fans.
Nationalmannschaft ersteht neu, in                                         »Behind the Wall« erzählt die
Dresden demonstriert das Volk – wie                                        Geschichte dieser besonderen
1989? Der greise Helmut Schmidt er-                                        Fankultur in den 1980ern – hin-
klärt, er könne drei Jahrzehnte in die                                     ter der Mauer, in der DDR. Sascha
Zukunft blicken und ein Jahrtausend                                        Lange und Dennis Burmeister
zurück. Dieckmann erzählt Gegen-                                           haben sich nach ihrem 2013
wart als Herkunft aus Europas »Leit-                                       erschienenen Bestseller »Depe-
kulturen« Nationalismus und Krieg.                                         che Mode Monument« diesmal
Er führt nach Verdun, Exjugoslawien                                        mit dem Phänomen der Fans
und an die Gräber der Roten Armee.                                         von Depeche Mode in der DDR
Er folgt den Brüdern Grimm, Rosa                                           beschäftigt. Unmengen unveröf-
Luxemburg und Willy Brandt. Er fährt                                       fentlichter Fotos und Dokumente
mit der Eisenbahn ins »Morgenland«,                                        wurden gesichtet und mit zahlrei-
von Istanbul bis Teheran. Und er                                           chen Fans, Konzertveranstaltern,
predigt auf der Wartburg über das Fremde. »Mein Abendland« ist ein         Fanzine-Herausgebern, Fanclub-Betreibern und anderen Zeitzeugen
lebenspralles Buch über unsere Identitäten, der eigenen Geschichte         gesprochen. Entstanden ist ein bislang unbekannter Einblick in das In-
bewusst und weltoffen. 30 Jahre nach der demokratischen Revolution         nere einer Jugendkultur und das Alltagsleben in der DDR. Gleichzeitig
liest Christoph Dieckmann Texte in der Erinnerungskluft zwischen Alex-     ist »Behind the Wall« auch eine Coming-of-Age-Geschichte. Eine Do-It-
Demo und Mauerfall. Und natürlich darf das Thema Musik nicht fehlen.       Yourself-Geschichte. Eine Musik-Geschichte. Eine Geschichte über De-
Ein neuer gemeinsamer Band mit dem Fotografen Harald Hauswald              peche Mode. Eine Geschichte, die zeigt, dass sich Jugendliche in Ost
über die Konzerte von Cocker, Dylan und Springsteen in der DDR erzählt     und West in den 1980er-Jahren viel ähnlicher waren, als sie es selbst
von der Freiheitskraft des Rock ´n´ Roll, der die versteinerten Verhält-   damals wussten. Und doch waren sie anders – wegen der gesellschaft-
nisse zum Tanzen bringen konnte: »Dem Umbruch klang Musik voran.           lichen Umstände. »Behind the Wall« erzählt die Geschichte von einem
Die großen Westkonzerte in der DDR waren Glasnost-Glockenspiele,           Mauerfall lange vor dem Mauerfall. Und von einer ungewöhnlichen und
bis dem SED-Staat die Stunde schlug«, so Christoph Dieckmann.              langlebigen Liebe der Fans zu ihrer Band.

Christoph Dieckmann, Filmvorführer, Studium der Theologie, Vikar,          Sascha Lange wurde 1971 geboren und lebt seither in Leipzig. Er ist
Medienreferent, Publizist in Berlin; 1990 Auszeichnung durch das           gelernter Theatertischler, ungelernter Musiker, motivierter Autor und
World-Press-Institute in St. Paul (Minnesota); seit 1990 Autor der ZEIT,   promovierter Historiker mit dem Schwerpunkt Jugendkulturen. Neben
1992 Internationaler Publizistik-Preis von Klagenfurt, 1993 Theodor-       Ausflügen in die Belletristik veröffentlichte Sascha Lange 2013 zusam-
Wolff-Preis, 1994 Egon-Erwin-Kisch-Preis, 1996 Friedrich-Märker-Preis      men mit Dennis Burmeister »Depeche Mode MONUMENT«, die bislang
für Essayistik; Veröffentlichungen u.a.: »Freiheit, die ich meine. Unbe-   umfassendste Werkschau über die britische Popband.
herrschte Geschichten« (2012), »Like a Rolling Stone. Dylan, Cocker,
Springsteen – Weltstars in der DDR«(2018).                                    Samstag, 9. November, 19.00 Uhr
                                                                              Erfurt, »Frau Korte«, Nordbahnhof, Magdeburger Allee 179
     Donnerstag, 7. November 2019, 19.30 Uhr
     Neustadt an der Orla, Stadtbibliothek, Gerberstraße 2                 Weitere Informationen gibt Referat 1.

Weitere Informationen gibt Referat 1.

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Igal Avidan                                                               Manuela Lenzen

     Mod Helmy: Wie ein arabischer Arzt in Berlin                              Künstliche Intelligenz.
     Juden vor der Gestapo rettete                                             Was sie kann & was uns erwartet

Mohammed (Mod) Helmy, 1901 im                                               Künstliche Intelligenz (KI) steht für
heute sudanesischen Khartum als                                             Maschinen, die können, was der
Sohn eines ägyptischen Majors ge-                                           Mensch kann: hören und sehen,
boren, kommt 1922 zum Medizinstu-                                           sprechen, lernen, Probleme lösen. In
dium nach Berlin. Nach 1933 sieht                                           manchem sind sie inzwischen nicht
er sich als junger Arzt rassistischen                                       nur schneller, sondern auch besser
Anfeindungen ausgesetzt und gerät,                                          als der Mensch. Wie funktionieren
politisch motiviert, mehrfach in Haft.                                      diese klugen Maschinen? Bedrohen
Aus Angst um sein physisches und                                            sie uns, machen sie uns gar überflüs-
wirtschaftliches Überleben biedert er                                       sig? Die Journalistin und KI-Expertin
sich den Nationalsozialisten an – bis                                       Manuela Lenzen erklärt anschaulich,
im Frühjahr 1942 die junge Anna in                                          was Künstliche Intelligenz schon heu-
seiner Praxis steht. Sie stammt aus                                         te kann und was uns in naher Zukunft
einer befreundeten jüdischen Familie                                        erwartet.
und ist unmittelbar von der Deportati-
on und dem sicheren Tod bedroht. Ge-                                        Manuela Lenzen hat in Philosophie
meinsam mit anderen Helfern gelingt                                         promoviert und schreibt als freie Wis-
es dem Muslim Helmy, unter Gefahr für                                       senschaftsjournalistin über Digitali-
das eigene Leben Anna zu retten: Er fingiert ihren Übertritt zum Islam      sierung. Künstliche Intelligenz und
und eine Hochzeit nach muslimischem Ritus, beschäftigt sie als an-          Kognitionsforschung u. a. für FAZ, NZZ, Psychologie Heute, Bild der
geblich ägyptische Hilfe in seiner Praxis und hilft ihr und ihren Famili-   Wissenschaft sowie Gehirn und Geist.
enmitgliedern in wechselnden Verstecken der Gestapo zu entkommen.
Als erstem Araber überhaupt verlieh die israelische Holocaust-Gedenk-          Dienstag, 12. November 2019, 19.00 Uhr
stätte Yad Vashem 2013 Mod Helmy posthum die Medaille »Gerechter               Greiz, Stadt- und Kreisbibliothek Greiz, Kirchplatz 4,
unter den Völkern«. Igal Avidan erzählt die zeitlos aktuelle Geschichte
des mutigen ägyptischen Arztes, der sich unter Todesgefahr religiösen          Mittwoch, 13. November 2019, 19.30 Uhr
Grenzen und fanatischem Hass entgegenstellte, um Menschenleben                 Gera, Stadt- und Regionalbibliothek Gera, Puschkinplatz 7
zu retten.
                                                                            Weitere Informationen gibt Referat 2.
Igal Avidan, 1962 in Tel Aviv geboren, hat in Israel Englische Literatur
und Informatik und dann in Berlin Politikwissenschaft studiert. Seit
1990 arbeitet der Nahostexperte als freier Berichterstatter aus Berlin
für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender.

     Montag, 11. November 2019, 19.00 Uhr
     Weimar, Stadtbücherei, Steubenstraße 1

Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat.

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Julius H. Schoeps                                                      Jutta Koslowski

     Düstere Vorahnungen. Deutschlands Juden am                             Aus dem Leben der Familie Bonhoeffer.
     Vorabend der Katastrophe                                               Die Aufzeichnungen von Dietrich Bonhoeffers
                                                                            jüngster Schwester Susanne Dreß
Wie konnte es dazu kommen? Wie ha-                                       Dieses Buch macht ein einzigarti-
ben die Juden die Ereignisse vor und                                     ges Dokument zum ersten Mal der
nach der sogenannten Machtübernah-                                       Öffentlichkeit zugänglich. Susanne
me durch Hitler und die Nationalsozia-                                   Dreß, die jüngste Schwester Dietrich
listen wahrgenommen? Wie haben sie                                       Bonhoeffers, hat ihre Lebenserinne-
auf die systematische Ausgrenzung                                        rungen aufgezeichnet: Von der Kind-
reagiert? Wurde der organisierte Mas-                                    heit im Kaiserreich über den Ersten
senmord, wie von manchen vermutet,                                       Weltkrieg und die Räterepublik bis
bereits in den Anfängen des Hitler-                                      zum Nazi-Regime und die Zeit des
Regimes vorgedacht? Mit diesen und                                       Wiederaufbaus reicht ihre Biographie.
anderen Fragen zur Lage der deut-                                        Ihr Werk spiegelt die enormen Wand-
schen Juden in den Anfangsjahren des                                     lungen wider, welche sich in diesem
NS-Regimes beschäftigt sich der Pots-                                    Zeitraum vollzogen haben. In einem
damer Historiker Julius H. Schoeps in                                    eigenwilligen und höchst anschau-
»Düstere Vorahnungen«. Er bezieht                                        lichen Stil stellt Susanne Dreß die
sich dabei, neben der einschlägigen                                      großbürgerliche Familie vor Augen,
Forschung, vor allem auf Lebens-                                         der Bonhoeffer entstammte. Das ver-
zeugnisse, also Erinnerungen, Tagebücher, Briefwechsel und andere        traute Bild erhält so viele neue unbe-
Ego-Dokumente, die die Reaktionen der Juden u.a. auf den NS-Terror       kannte Nuancen. Ein Dokument von großem zeitgeschichtlichem Wert
im Alltag, auf die Verdrängung aus dem Kultur-, Wirtschafts- und Be-     und zugleich eine fesselnde Lektüre.
rufsleben, auf den Raub und die Arisierung von Eigentum behandeln.
                                                                         Jutta Koslowski, Dr. theol., geboren 1968, ist evangelische Pfarrerin
Julius H. Schoeps ist Historiker und Politikwissenschaftler. Studium     und Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
der Geschichte, Geistesgeschichte, Politik- und Theaterwissenschaft in   Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen ökumenische Theologie
Erlangen und Berlin. 1974–1991 Professor für Politische Wissenschaft     und interreligiösen Dialog. Sie ist Mitglied in der Internationalen Bon-
und Direktor des Salomon Ludwig Steinheim Instituts für deutsch-jü-      hoeffer-Gesellschaft und lebt mit ihrer Familie im Kloster Gnadenthal.
dische Geschichte an der Universität Duisburg; 1991–2007 Professor
für Neuere Geschichte (Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte) an          Donnerstag, 14. November 2019, 20.00 Uhr
der Universität Potsdam; zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Is-         Jena, Evangelische Studierendengemeinde,
rael, Großbritannien und weiteren europäischen Ländern. 1993–1997           August-Bebel-Straße 17a
Gründungsdirektor des Jüdischen Museums der Stadt Wien. Seit 1992
Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-         Weitere Informationen gibt Referat 3.
jüdische Studien an der Universität Potsdam.

     Mittwoch, 13. November 2019, 19.00 Uhr
     Meiningen, Literaturmuseum Baumbachhaus, Burggasse 22

Weitere Informationen gibt Referat 2.

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