Fokusthemen zum Klima-schutz im Gebäudebereich - dena-GEBÄUDEREPORT 2021 - Kapitel
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dena GEBÄUDE REPORT 2021 dena-GEBÄUDEREPORT 2021 Fokusthemen zum Klima- schutz im Gebäudebereich Kapitel Ressourcen im Bauwesen
Inhalt Impressum Herausgeber : Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) Chausseestraße 128 a, 10115 Berlin Tel.: + 49 (0)30 66 777-0 Fax: + 49 (0)30 66 777-699 Ressourcen im Bauwesen www.dena.de Bildnachweis: 05 Bedeutung von Ressourcen im Bauwesen Titelbild – GettyImages/Guido Mieth; Shutterstock: 07 Bedeutung des Themas für das Bauwesen S. 4 – Curioso Photography; Alle anderen Bilder Copyright: 10 Rahmenbedingungen, politische Ziele Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) Redaktion: Thomas Bründlinger, dena Heike Marcinek, dena Christina Stahl, dena Christian Stolte, dena Konzeption und Gestaltung: Heimrich & Hannot GmbH dena-GEBÄUDEREPORT 2021 Stand: Den gesamten dena-Gebäudereport 2021: 05/2021 Fokusthemen zum Klimaschutz im Gebäudebereich mit den Kapiteln: Bitte zitieren als: Deutsche Energie-Agentur (dena, 2021): dena-Gebäudereport 2021 – Fokusthemen - Zahlen, Daten, Fakten zum Klimaschutz im Gebäudebereich - Ziele und politische Rahmenbedingungen Diese Veröffentlichung des Projekts „dena-Gebäudereport - Green Finance im Gebäudesektor 2021: Fokusthemen zum Klimaschutz im Gebäudebereich“ - Wärme und Kälte erfolgt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft - Ressourcen im Bauwesen und Energie. Die dena unterstützt die Bundesregierung in verschiedenen Vorhaben bei der Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele. finden Sie online unter: www.dena.de/gebaeudereport2021 gebaeudereport@dena.de twitter.com/dena_news dena.de
4 dena-Gebäudereport dena GEBÄUDE REPORT 2021 Ressourcen im Bauwesen Was Sie hier lesen: Der Umgang mit den nicht erneuerbaren Ressourcen gewinnt immer mehr an Bedeutung durch deren weltweite Übernutzung. Unser Wohlstand ist davon abhängig, wie wir mit den zur Verfügung stehenden Quellen umgehen und diese effizient und im Sinne einer Kreislaufwirtschaft nutzen. Die Effekte für den Klimaschutz sind enorm, wenn der Einsatz der Ressourcen verbessert werden kann. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die weltweite Bedeutung der Nutzung von Ressourcen, die Perspektive auf den Bausektor sowie ausgewählte Regularien seitens der EU und Deutschlands dazu.
Kapitel 05/05 Ressourcen im Bauwesen 5 01 edeutung B von Ressourcen im Bauwesen Ressourcen sind abgeleitet aus dem latei- 12 nischen Wortstamm Quellen, die sich wie- der erheben oder erneuern (resurgo). Im Französischen (la ressource) werden Res- 10 sourcen als (Hilfs-)Mittel gesehen, die dazu 13 % Kunststoffe 22 % andere Produkte, und Gummi Dienstleistungen dienen, bestimmte Ziele zu verfolgen. Res- 8 % Holzprodukte und Verbräuche sourcen können materiell (Boden, Rohstof- 8 Gt CO2-equivalent fe, Güter …) oder immateriell (Arbeitszeit, 3 % Elektrogeräte 13 % andere Mineralien 8 % Transport Fähigkeiten, Gesundheit …) sein. Ressour- cen sind letztlich die Grundlage für alle 6 Produkte und damit für die Industrie- und 27 % Maschinen / 26 % Zement Wirtschaftszweige, für den Wohlstand und Metallprodukte die Lebensgrundlage einer Gesellschaft. 4 4 % andere Metalle Viele materielle Ressourcen können sich im Zusammenspiel komplexer Ökosysteme re- 40 % Konstruktion 2 generieren und werden zunächst kostenlos 36 % Eisen / Stahl / zur Verfügung gestellt. Der Entstehungspro- Aluminium zess benötigt jedoch häufig Jahrhunderte bis 0 hin zu Jahrmillionen wie z. B. bei Urwäldern, Materialien Einsatzbereiche fruchtbaren Böden, Kohle, Erdöl, Gesteinen. Auch die Atmosphäre der Erde ist eine Res- source, die in ihrer spezifischen Zusammen- B Abb. 1: Treibhausgasemissionen der weltweiten Materialproduk- setzung das Leben auf der Erde beeinflusst. tion und deren Einsatzbereiche, Quelle: Hertwich et al. 2019 Man unterscheidet daher erneuerbare Ressourcen und nicht erneuerbare Res- sourcen. Erneuerbar sind beispielsweise Unsere Autorin: Ressourcen, deren Abbau nicht schneller weise zwischen 143 und 190 Milliarden erfolgt, als die Erneuerungsphasen es zulas- Tonnen Mineralien, Erze, fossile Brenn- sen, wie z. B. Holz aus nachhaltiger Bewirt- stoffe und Biomasse in Anspruch genom- schaftung. Nicht erneuerbare Ressourcen er- men werden (UNEP IRP 2019; OECD 2019). schöpfen sich mit Abbau oder Nutzung durch die sehr langen Regenerationszeiträume, wie Ressourcennutzung und Klimaschutz ste- z. B. Gesteine und Metalle, Erdöl und Erdgas. hen in einem sich bedingenden Zusammen- hang. Nach Schätzungen des International Heike Marcinek Mittlerweile werden nahezu alle Ressour- Resource Panels der Vereinten Nationen leitet in der dena das Themenfeld Immobilien cen auf der Welt übernutzt. Der weltweite gehen ungefähr 50 Prozent der globalen und Innovationen. Sie Primärmaterialeinsatz hat sich seit 1970 Treibhausgasemissionen direkt oder indi- studierte Architektur an der RWTH Aachen mehr als verdreifacht. Er stieg von ca. 27 rekt auf die Gewinnung und Verarbeitung und verantwortet Milliarden Tonnen im Jahr 1970 auf rund 92 von fossilen Brennstoffen, Biomasse, Erzen zahlreiche Projekte im Kontext von Klimaschutz Milliarden Tonnen im Jahr 2017 an (UNEP und Mineralien zurück (UNEP IRP 2019). Der und Nachhaltigkeit in 2016). Im Jahr 2060 werden schätzungs- Zusammenhang zwischen Ressourcenver Gebäuden und Quartieren.
6 dena-Gebäudereport brauch und Treibhausgasemissionen ge- die gesamten nachhaltig nutzbaren Res- winnt dabei immer mehr an Bedeutung. sourcen der Erde verbraucht, die der Alleine zwischen 1995 und 2015 nahm der Weltbevölkerung rechnerisch zur Verfü- Anteil der globalen Emissionen von 15 Pro- gung stünden, wenn sie nur so viel nutzen zent (5 Gt CO2e1) auf 23 Prozent (11 Gt CO2e) würde, wie sich im selben Zeitraum rege- zu, der durch die Entnahme von Ressour- neriert. Dieser fiel in 2019 auf den 29. Juli A nteil der Emissionen an den Gesamtemissionen verursacht cen verursacht wurde (UNEP 2020). Darü- und verschob sich aufgrund der weltwei- durch die Entnahme von ber hinaus wird die Ressourcengewinnung ten Lockdowns durch die Corona-Pande- Ressourcen: für mehr als 90 Prozent der Biodiversitäts- mie erstmalig wieder in 2020 nach hin- verluste und das zunehmend knapper wer- ten auf den 22. August. Ab diesem Tag dende Trinkwasser verantwortlich gemacht werden mehr Ressourcen verbraucht als 15 % 1995: (EU 2019) und hat damit direkten Einfluss auf der Erde erneuert werden können. auch auf die Erreichung mehrerer Sustai- nable Development Goals der UN (SDG)2 . In Deutschland werden pro Kopf und Tag 35 Kilogramm Rohstoffe entnommen. In Durch den derzeitigen Umgang mit den welt- 2019 fiel der Überlastungstag in Deutsch- 5 GtCO2e weit zur Verfügung stehenden Ressourcen land auf den 3. Mai. Um einen solchen besteht neben den Fragestellungen nach Verbrauch langfristig zu decken, wären den steigenden Treibhausgasemissionen drei Erden notwendig. Deutschland ge- 23 % 2015: für die EU und deren Mitgliedstaaten auch hört damit wie alle Industrieländer zu ein erhebliches Risiko für den Wohlstand den Ländern, die über die Kapzitätsgren- in der EU. Ungefähr die Hälfte der in der EU zen der Erde hinaus wirtschaften. genutzten Ressourcen werden importiert und sind Basis des Wirtschaftssystems 3. 11 GtCO2e 1 C O2e: CO2 äquivalent. Einen greifbaren Ausdruck findet die Ver- 2 h ttps://sdgs.un.org/goals. knappung im Earth Overshoot Day, dem 3 h ttps://www.europarl.europa.eu/thinktank/info- Erdüberlastungstag. An diesem Tag sind graphics/circulareconomy/public/index.html. Abb. 2: How many Earths would we need if the worldʼs population lived like … Quelle: Global footprint network 2020 USA 5.0 Russia 3.2 Germany 3.0 Japan 2.8 Spain 2.5 Brasil 1.7 India 0.7
Kapitel 05/05 Ressourcen im Bauwesen 7 02 Bedeutung des Themas für das Bauwesen Das Bauwesen hat einen erheblichen Ein- fluss auf den Rohstoffeinsatz und somit auch auf den Ressourcenverbrauch weltweit. 5–10 % Schätzungsweise Dem Bauwesen fällt beim Rohstoffeinsatz eine Schlüsselrolle zu, weil große Einspar- potenziale durch Ressourceneffizienz noch nicht gehoben sind. 90 % des Gesamtenergieverbrauchs Insbesondere bei der Herstellung von Ze- in der EU entfallen auf die Herstellung von Bauprodukten. ment und Beton werden nicht erneuerbare Ressourcen beansprucht, die auch einen er- heblichen Einfluss auf die Emissionen von Treibhausgasen haben. In Deutschland wer- des inländischen mineralischen den mit jährlich 517 Millionen Tonnen 90 Pro- Rohstoffabbaus werden in zent des inländischen mineralischen Roh- Gebäuden verbaut. stoffabbaus in Gebäuden verbaut (Destatis 2017). Weltweit ist die Zementindustrie ver- antwortlich für 6–7 Prozent der anthropoge- tige metallische Abfälle und 2 Prozent Holz- nen CO2-Emissionen, in Deutschland wurden abfälle (Destatis 2018). im Jahr 2019 20 Millionen Tonnen CO2 durch die Zementherstellung emittiert – dies ent- Gebäude als Rohstofflager spricht einem Anteil von 3 Prozent der ge- und Recyclingpotenzial samten deutschen CO2-Emissionen (VDZ 2020). Das gesamte verbaute Material im deut- schen Gebäudebestand wird auf ca. 15 Mil- Auch die Entsorgung der Baumaterialien hat liarden Tonnen geschätzt. Dieses Material eine erhebliche Bedeutung, da eine wirkliche kann theoretisch bei knapper werdenden Wiederverwendung kaum stattfindet. Bau- Ressourcen und entsprechender Verarbei- 53 % abfälle werden häufig für den Straßenbau ge- tung und Rückbau weiter genutzt werden. nutzt und entsprechend downgecycelt oder Anteile können theoretisch als anthropoge- deponiert. Insbesondere Verbundbaustoffe nes Materiallager zur Verfügung stehen, ins- verursachen dabei einen erheblichen Anteil besondere, wenn nach den Prinzipien einer an Sondermüll, der nur mit großem Aufwand echten Kreislaufwirtschaft geplant und ge- des gesamten oder nicht getrennt und wiederverwendet baut wird (UBA 2017). Abfallaufkommens in Deutschland werden durch werden kann. Zwischen 2006 und 2018 ent- den Bausektor verursacht. standen in Deutschland im Mittel 390 Mil- Das Wiederverwendungspotenzial aller ver- lionen Tonnen Abfall; 53 Prozent entfielen bauten Rohstoffe im Bauwesen liegt heute davon auf den Bausektor, davon 54 Prozent bei ca. 7 Prozent und könnte bei positiven Abfälle aus Böden, 37 Prozent mineralische Rahmenbedingungen bis 2050 auf ca. 20 Bau- und Abbruchabfälle, 3 Prozent eisenhal- Prozent angehoben werden (BBSR 2017).
8 dena-Gebäudereport Dies bedingt einen deutlich geringeren An- teil an Neubauten, die langfristige und nach- Urban Mining haltige Nutzung und Umnutzung bestehen- der Gebäude sowie eine deutliche Erhöhung Angesichts immer knapper werdender na- der Nutzung von Rückbaumaterial. Der Res- türlicher Ressourcen und deren Übernut- sourcenverbrauch sowie die Rückbaupoten- zung weltweit richtet sich der Blick zuneh- ziale werden zu einem großen Teil von Ent- mend auf die Möglichkeiten der Weiternut- scheidungen der Gestaltung, der Konstruk- zung und Wiederverwendung der bereits tionswahl und Detailausbildung sowie den verbauten und genutzten Materialien. Baumaterialien in der Planungsphase be- stimmt. Ressourceneffizienz wird in der VDI Wenn das städtische, anthropogene Lager 4800 als das Verhältnis eines quantifizier- an Rohstoffen noch besser genutzt werden baren Nutzens und des damit verbundenen kann, könnte ein regelrechter „städtischer natürlichen Ressourcenaufwands definiert. Bergbau“ den Abbau und Import von Roh- Der Ressourcenaufwand kann durch eine stoffen deutlich reduzieren. Reihe von Indikatoren quantifiziert und be- wertet werden und beinhaltet beispielswei- Voraussetzung ist das Planen und Handeln se den kumulierten Rohstoff- und Energie- in Stoffströmen aus einer kreislaufbasier- aufwand, die Bewertung der Umweltwirkun- ten Lebenszyklusperspektive eines jeden gen und Ökosystemleistungen inklusive der verbauten Materials heraus. Senkenfunktion der Natur. Graue Emissionen Graue Energie wird als der nicht erneuerba- des BBSR geht durch die Wahl von ressour- re Energieaufwand bezeichnet, der für Her- censchonenden Bauweisen im Neubau von stellung, Transport, Lagerung und Rückbau Einsparpotenzialen in Deutschland von ins- sowie Entsorgung der eingesetzten Materi- gesamt 7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen alien benötigt wird. Je nach Materialwahl jährlich aus (BBSR 2019). und -einsatz ist der Anteil an grauer Energie, die in Gebäuden verbaut wird, erheblich und nimmt mit steigendem Effizienzstandard prozentual am Gesamteinsatz von Energie im Gebäude zu. Durch den grauen Energie- einsatz entstehen die sogenannten grauen Emissionen. Entscheidend für die verbauten Treibhausgas- emissionen sind bei Gebäuden vor allem die Tragkonstruktion, massive Wände, Zwischen- decken und Kellerabschlüsse aus Beton, und zwar wegen des Einsatzes von Zement mit hohen Emissionen. Dämmstoffe sparen in der Regel während ihrer Lebensdauer mehr Ener- gie ein, als bei der Herstellung verursacht wird – sie haben in der Lebenszyklusbetrach- tung positive Effekte beim Energieeinsatz und bei den Emissionen. Bei typischen Neubauten beträgt der Anteil an grauen oder verbauten Emissionen zwi- schen 10 und 16 kg CO2e pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr. Die verbauten Emis- sionen können durch die Wahl der Bauma- terialien und die Baukonstruktion weiter re- duziert werden, wenn beispielsweise Holz- konstruktionen gewählt werden. Eine Studie
Kapitel 05/05 Ressourcen im Bauwesen 9 Anteil des Global Warming Potential (GWP) an Herstellung verschiedener Gebäudeelemente, Beispiel Mehrfamilienhaus im Plusenergie-Standard KG320 Gründung: KG400 8% technische Anlagen: 22 % KG330 Außenwände: 23 % KG360 Dächer: 6% KG350 KG340 E Abb. 3: GWP anteilig nach Decken: Innenwände: Bauteilen der Kostengruppen 300 und 400, Quelle: UBA 2019; 22 % 19 % Berechnung nach Fraunhofer IBP auf Basis der ÖKOBAUDAT 2015 Putz: Dämmung: Sonstiges: 4% 6% 9% Kalksandstein: 4% Zementestrich: 5% Fenster: Beton: 10 % 34 % PV-Anlage: 17 % E Abb. 4: GWP anteilig nach Bewehrungsstahl: den verbauten Baustoffen, 12 % Quelle: UBA 2019; Berechnung nach Fraunhofer IBP auf Basis der ÖKOBAUDAT 2015
10 dena-Gebäudereport 03 Rahmenbedingungen, politische Ziele Der Ressourceneinsatz ist für die Erreichung der politischen Ziele von großer Bedeu- tung. Seitens der Europäischen Union wurde mit dem Aktionsplan Circular Economy ein Rahmen geschaffen, der ein Umdenken im Handeln und Wirtschaften im Sinne der Kreislaufwirtschaft auslösen soll. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie das Ressour- ceneffizienzprogramm adressieren die Themen des Ressourceneinsatzes und der Ver- wertung in Deutschland. Eine Vielzahl an EU-Richtlinien nehmen Einfluss auf Gebäude und Bauproduk- te, sie betrachten jedoch nicht den gesamten Lebenszyklus, sondern einzelne Ressourcen oder Abschnitte des Bauens. Die wichtigsten sind u. a.: ■ Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ■ Richtlinie zur Energieeffizienz ■ die Bauprodukteverordnung ■ Richtlinie über das Emissionshandelssystem ■ Richtlinie über Industrieemissionen ■ Richtlinie über Abfälle ■ Richtlinie über Abfalldeponien Kreislaufwirtschaft Die Kreislaufwirtschaft EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft steht im Gegensatz zum traditionellen, linearen (Circular Economy Action Plan)4 Wirtschaftsmodell der „Wegwerfwirtschaft“, Als einen der Hauptbestandteile des European Green Deal 5 hat die EU Anfang 2020 einen das auf Entnehmen – Aktionsplan zur Förderung einer effizienteren Ressourcennutzung durch den Übergang Herstellen – Konsumieren zu einer sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft veröffentlicht. Der neue Aktions- – Wegwerfen setzt. plan kündigt Initiativen entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten an, die z. B. auf deren Design einwirken, Prozesse der Kreislaufwirtschaft fördern, den nachhaltigen Kon- Nach dem Konzept der sum unterstützen und darauf abzielen, dass die verwendeten Ressourcen so lange wie mög- Kreislaufwirtschaft wird lich in der EU-Wirtschaft verbleiben. das Abfallaufkommen auf ein absolutes Minimum Es werden die Sektoren in den Blick genommen, in denen der Ressourcenverbrauch hoch dadurch reduziert, dass und damit das Potenzial zur Steigerung der Effizienz beim Materialeinsatz sowie der Verrin- Produkte so lange wie gerung der Klimaauswirkungen besonders groß ist. Die zentralen Produktwertschöpfungs- möglich geteilt, geleast, ketten sind Elektroprodukte und IKT, Batterien und Fahrzeuge, Verpackungen, Kunststoffe, wiederverwendet, repa- Textilien, Nahrungsmittel, Wasser sowie Bauwirtschaft und Gebäude. Die Abfallpolitik soll riert, aufgearbeitet und durch die Stärkung des Kreislaufprinzips verbessert werden. Die Kreislauforientierung wird recycelt werden. als Voraussetzung für Klimaneutralität adressiert.
Kapitel 05/05 Ressourcen im Bauwesen 11 Um das Potenzial zur Steigerung der Materi- lichst hochwertige Kreislaufführung der aleffizienz und zur Verringerung der Klima- Stoffströme angestrebt wird. Das KrWG auswirkungen auszuschöpfen, will die Kom- setzt die EU-Abfallrahmenrichtlinie in nati- mission eine neue umfassende Strategie für onales Recht um. Ziel des Gesetzes ist eine eine nachhaltige bauliche Umwelt auf den nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Weg bringen. Die Grundsätze der Kreislauf- Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizi- wirtschaft sollen während des gesamten enz in der Abfallwirtschaft durch die Stär- Lebenszyklus von Gebäuden durch folgen- kung der Abfallvermeidung und des Recyc- de Maßnahmen gestärkt werden: lings von Abfällen. E B erücksichtigung der Nachhaltigkeits- Durch das KrWG werden erstmals alle Stof- leistung von Bauprodukten 6 im Rahmen fe oder Materialien, die bei Bauarbeiten an- der Überarbeitung der Bauproduktever- fallen und nicht im Rahmen der Baumaß- ordnung‚ einschließlich der möglichen nahme wieder verbaut werden, grundsätz- Einführung von Anforderungen an den lich zu Abfall erklärt. Auch ausgehobener Rezyklatanteil für bestimmte Bauproduk- Boden ist ab sofort „Abfall“, es sei denn, er te unter Berücksichtigung ihrer Sicher- ist nicht kontaminiert und wird an Ort und heit und Funktionalität Stelle für Bauzwecke verwendet. E F örderung von Maßnahmen zur Verbesse- Kern des KrWG ist die fünfstufige Abfallhier- rung der Langlebigkeit und Anpassungs- archie. Abfälle sind gemäß dieser Hierarchi- fähigkeit von Bauten im Einklang mit den sierung an erster Stelle zu vermeiden. Wenn Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft für das nicht möglich ist, sollen sie zur Wieder- die Gestaltung von Gebäuden und Ent- verwendung vorbereitet und anschließend wicklung digitaler Gebäude-Logbücher recycelt werden. Ist auch dies nicht möglich, ist der Bauabfall energetisch zu verwerten EE inbeziehung der Lebenszyklusanalyse oder zu verfüllen. Nur wenn auch dies nicht in die öffentliche Auftragsvergabe und möglich ist, muss der Abfall beseitigt (depo- des EU-Rahmens zur Erleichterung nach- niert) werden. Dabei muss die Verwertung haltiger Investitionen sowie Prüfung der von (Bau-)Abfällen ordnungsgemäß und Zweckmäßigkeit der Festlegung von CO2- schadlos erfolgen. Reduktionszielen und des Potenzials der CO2-Speicherung A bfallhierarchie des KrWG: E Vermeidung, u. a. durch Verminderung von Menge EP rüfung einer Überarbeitung der in den und Schädlichkeit EU-Rechtsvorschriften festgelegten Ziel- E Vorbereitung zur Wiederverwendung E Recycling, soweit technisch möglich und vorgaben für die stoffliche Verwertung wirtschaftlich vertretbar von Bau- und Abbruchabfällen und ihren E S onstige Verwertung, insbesondere energetische materialspezifischen Fraktionen Verwertung und Verfüllung E B eseitigung E F örderung von Initiativen zur Verringe- rung der Bodenversiegelung‚ zur Sanie- rung stillgelegter oder kontaminierter Brachflächen und zur Verbesserung der sicheren, nachhaltigen und kreislauf- orientierten Nutzung von ausgehobenen 4 https://ec.europa.eu/environment/circular- Böden economy. 5 Der European Green Deal ist die europäische Agenda für nachhaltiges Wachstum, in der der Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) Übergang zu einer modernen, ressourceneffizi- enten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft ohne In Deutschland fallen durch die Bauindus- Netto-Treibhausemissionen aufgezeigt wird. 6 Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen trie bei Modernisierung, Renovierung und Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 Neubau sowie durch Abbruchmaßnahmen zur Festlegung harmonisierter Bedingungen jährlich rund 220 Millionen Tonnen minera- für die Vermarktung von Bauprodukten und zur lische Abfälle an7. Deren schadlose Entsor- Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates (ABl. L 88 vom 04.04.2011, S. 5). gung wird über das Kreislaufwirtschafts- 7 ZDB: Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. gesetz (KrWG) geregelt, bei dem eine mög-
12 dena-Gebäudereport Abb. 5: ProgRess basiert auf den folgenden vier Leitideen Quelle: BMU 2020, eigene Darstellung 01 02 Globale Verantwortung als Wirtschafts- und Produkti- zentrale Orientierung unse- onsweisen in Deutschland rer nationalen Ressourcen- schrittweise von Primär- politik sehen. rohstoffen unabhängiger machen, die Kreislaufwirt- schaft weiterentwickeln und ausbauen. Nachhaltige Ressourcen- Ökologische Notwendig- nutzung durch gesell- keiten mit ökonomischen schaftliche Orientierung Chancen, Innovationsorien- auf qualitatives Wachstum tierung und sozialer Verant- langfristig sichern. 03 04 wortung verbinden. Bis 2020 sollte gemäß KrWG eine stoffliche nahme und Nutzung natürlicher Ressour- Verwertungsquote der Bau- und Abbruchab- cen nachhaltiger zu gestalten und in Ver- fälle von mindestens 70 Prozent erreicht antwortung für künftige Generationen dazu werden. Deutschland hat gemäß der Initia- beizutragen, die natürlichen Lebensgrund- tive Kreislaufwirtschaft eine derzeitige Ver- lagen dauerhaft zu sichern. Eine wichtige wertungsquote bei den mineralischen Ab- Rolle spielen dabei freiwillige Maßnahmen fällen von ca. 90 Prozent (Zahlen aus 2016). und Anreize. Die Ressourceneffizienzpolitik Die Ziele werden damit erreicht, die Quote soll auch dazu beitragen, die globale Ver- beinhaltet jedoch neben der hochwertigen antwortung für die ökologischen und sozia- Wiederverwendung auch das Downcycling len Folgen der Ressourcennutzung wahrzu- der vierten Stufe der Abfallvermeidungshier- nehmen. Ziel ist, die weltweite Inanspruch- archie und schließt auch die Verfüllung von nahme von Rohstoffen dauerhaft zu redu- Bauschutt z. B. im Straßenbau ein (Kreis- zieren. laufwirtschaft Bau, 2018). ProgRess III ist für die Bundesregierung die Ressourceneffizienzprogramm Leitschnur für die künftige Befassung mit (ProgRess) dem Thema Ressourceneffizienz in den ver- schiedenen Politikbereichen. Seine Wir- Das erste Ressourceneffizienzprogramm kung entfaltet es nicht unmittelbar, son- (ProgRess) wurde in Deutschland 2012 ver- dern durch Maßnahmen, die Unternehmen öffentlicht, um Ziele, Leitideen und Hand- und Bevölkerung dabei unterstützen, sich lungsansätze zum Schutz der natürlichen ressourceneffizienter zu verhalten. Das Ressourcen festzulegen. Alle vier Jahre Programm soll Denkanstöße geben für ein wird dem Deutschen Bundestag über die vernetztes Vorgehen, um die Potenziale Entwicklung der Ressourceneffizienz in der Ressourceneffizienz für eine insgesamt Deutschland berichtet und das Ressour- nachhaltige Entwicklung zu nutzen. ceneffizienzprogramm wird fortgeschrie- ben. Das ProgRess II wurde entsprechend in 2016 verabschiedet und veröffentlicht – ProgRess III folgte im Juni 2020 8 . 8 h ttps://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/ Übergreifendes Ziel des Deutschen Res- Download_PDF/Ressourceneffizienz/progress_ sourceneffizienzprogramms ist es, die Ent- iii_programm_bf.pdf.
Kapitel 05/05 Ressourcen im Bauwesen 13 Abbildungsverzeichnis zu Kapitel 05 Abbildung 1: Treibhausgasemissionen der weltweiten Mate- Abbildung 4: GWP anteilig nach den verbauten Baustoffen rialproduktion und deren Einsatzbereiche Abbildung 5: ProgRess basiert auf den folgenden vier Leit- Abbildung 2: How many Earths would we need if the worldʼs ideen population lived like … Abbildung 3: GWP anteilig nach Bauteilen der Kostengrup- pen 300 und 400 Literaturverzeichnis Kreislaufwirtschaft Bau 2018, Mineralische Bauabfälle, Monito- zu Kapitel 05 ring 2016. Berlin (2018): Initiative Kreislaufwirtschaft. Von http:// www.kreislaufwirtschaft-bau.de/Arge/Bericht-11.pdf abgerufen. OECD 2019, Global Material Resources Outlook to 2060, Econo- BBSR 2017, Materialströme im Hochbau. Bonn (2017): Bundesin- mic Drivers and Environmental Consequences, OECD Publishing. stitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Clemens Deil- Paris (2019). Von https://doi.org/10.1787/9789264307452-en ab- mann, Jan Reichenbach, Norbert Krauß, Karin Gruhler. gerufen. BBSR 2019, Mögliche Optionen für eine Berücksichtigung von UBA 2017, Ressourcenschonung im Anthropozän – Urban grauer Energie im Ordnungsrecht oder im Bereich der Förderung; Mining. Dessau (2017): Umweltbundesamt. Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik. Stuttgart (2019): Fraunhofer IBP, im Auftrag des Bundesinstituts UBA 2019, Energieaufwand für Gebäudekonzepte im gesamten für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Boris Mahler, Simone Idler, Lebenszyklus; Steinbeis-Transferzentrum für Energie-, Gebäu- Johannes Gantner. de und Solartechnik, Boris Mahler, Simone Idler, Tobias Nusser; Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Johannes Gantner; im Auf- BMU 2020, Überblick zum Deutschen Ressourceneffizienzpro- trag des Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau (2019). gramm (ProgRess). Von www.bmu.de/themen/wirtschaft-pro- dukte-ressourcen-tourismus/ressourceneffizienz/deutsches-res- UNEP IRP 2019, Natural Resources for the Future We Want; A Re- sourceneffizienzprogramm/ abgerufen. port of the International Resource Panel, United Nations Environ- ment Programme: Global Resources Outlook 2019; Oberle et al. Destatis 2017, Umweltnutzung und Wirtschaft, Tabellen zu den Nairobi, Kenya (2019). Von https://www.resourcepanel.org/sites/ Umweltökonomischen Gesamtrechnungen, Teil 4: Rohstoffe, default/files/documents/document/media/unep_252_global_ Wassereinsatz, Abwasser, Abfall, Umweltschutzmaßnahmen. resource_outlook_2019_web.pdf abgerufen. Wiesbaden (2017): Statistisches Bundesamt. UNEP IRP 2020, Resource Efficiency and Climate Change, Mate- Destatis 2020, Abfallbilanz (Abfallaufkommen/-verbleib, Abfallin- rial Efficiency Strategies for a Low-Carbon Future; A report of the tensität, Abfallaufkommen nach Wirtschaftszweigen) . Wiesba- International Resource Panel, United Nations Environment Pro- den (2018): Statistisches Bundesamt. gramme; Hertwich, E., Lifset, R., Pauliuk, S., Heeren, N. Nairobi, Kenya (2020). Von https://www.resourcepanel.org/reports/re- EU 2020, Action Plan Circular Economy. Ein neuer Aktionsplan für source-efficiency-and-climate-change abgerufen. die Kreislaufwirtschaft, Für ein sauberes und wettbewerbsfähi- ges Europa. Brüssel (2020). UNEP 2016, Global Material Flows and Resource Productivity. An Assessment Study of the UNEP International Resource Panel; Global footprint network 2020. Von https://www.footprintnet- United Nations Environment Programme, H. Schandl et al. Paris work.org abgerufen. (2016). Von https://www.resourcepanel.org/global-material- flows-database abgerufen. Hertwich et al. 2019, Material efficiency strategies to reducing greenhouse gas emissions associated with buildings, vehicles, VDZ 2020, Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minde- and electronics—a review; Edgar G Hertwich et al; 2019 Envi- rungspfade und Handlungsstrategien Düsseldorf (2020): Verein ron. Res. Lett.14 043004. Von https://iopscience.iop.org/artic- Deutscher Zementwerke (VDZ). le/10.1088/1748-9326/ab0fe3 abgerufen.
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