Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG

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Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
Forschungskonzept
Gesundheit 2017–2020

                  Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   1
Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
2 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
Inhalt

     Vorwort                                                                                                5

1.   Einleitung                                                                                             6

2.   Forschung der Bundesverwaltung                                                                         7
     Gesetzlicher Auftrag                                                                                   7
     Ressortforschung im Bundesamt für Gesundheit (BAG)                                                     8
     Rolle und Aufgaben der Ressortforschung                                                                8

3.   Forschung im Politikbereich Gesundheit                                                             10
     Rückblick 2013–2016                                                                                10
     Stand der Versorgungsforschung in der Schweiz                                                      11
     Forschung und Entwicklung für mehr globale Gesundheit                                              14
     Gesundheitspolitischer Rahmen für die Schweiz 2015–2020                                            16
     Herausforderungen und Handlungsbedarf                                                              16

4.   Forschungsschwerpunkte und prioritäre Themen                                                       19
     NFP 74 «Gesundheitsversorgung»                                                                     19
     NFP 72 «Antimikrobielle Resistenz»                                                                 19
     Evaluation der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung                                      19
     Prioritäre Themen der Ressortforschung                                                             19

5.   Finanzierung                                                                                       21
     Rückblick 2012–2014                                                                                21
     Ausblick 2017–2020                                                                                 22

6.   Akteure und Schnittstellen                                                                         24
     Die Privatwirtschaft                                                                               24
     Schnittstellen zum Hochschulbereich                                                                25
     Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung              25
     Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI)                                                29
     Die Akademien der Wissenschaften Schweiz                                                           30
     Andere Bundesstellen                                                                               32
     Private Organisationen ohne Erwerbszweck                                                           37
     Internationale Zusammenarbeit                                                                      37

                                                                 Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   3
Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
7.       Qualitätssicherung                                                                 40
         Kriterien der BAG-internen Qualitätssicherungsmassnahmen in der Ressortforschung   41

Anhang A1: Definition der Forschung der Bundesverwaltung (Ressortforschung)                 43

Anhang A2: Gesetzliche Grundlagen                                                           44
Einleitung                                                                                  44
Artikel der Bundesverfassung                                                                44
Allgemeingesetzliche Grundlagen                                                             45
Spezialgesetzliche Grundlagen                                                               46

4 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
Vorwort

                      Politik und Verwaltung sind auf     ses und neue Kenntnisse über die Faktoren und Zu-
                      Wissenschaft und Forschung          sammenhänge, welche die Entwicklung und den Erhalt
                      angewiesen, um sachlich be-         der Gesundheit bestimmen, dürfen dabei nicht ausser
                      gründete Entscheide fällen zu       Acht gelassen werden.
                      können.
                                                          Nicht zu vergessen ist das «Instrument» Evaluation,
                     Fragen zum Gesundheitsschutz         welches Fragen der Zweckmässigkeit, der Wirkung
                     der Bevölkerung, der Prävention      und Wirtschaftlichkeit staatlichen Handelns untersucht
                     und Gesundheitsförderung so-         und sowohl der Optimierung von Massnahmen als
                     wie der Gesundheitsversorgung        auch der Rechenschaftslegung gegenüber Politik und
                     erfordern schon heute Antwor-        Öffentlichkeit dient.
ten, um künftigen Herausforderungen im Gesundheits-
system adäquat begegnen zu können. Dies ist keine         Mein Dank gilt allen, die zu diesem Forschungskon-
leichte Aufgabe, zumal es sich bei unserem Gesund-        zept beigetragen haben. Es liefert eine gute Übersicht
heitssystem nicht nur um ein kompliziertes, sondern       über die vielfältigen Herausforderungen und Aktivitä-
auch um ein hochkomplexes System handelt, über das        ten in der Periode 2017–2020.
wir besser Bescheid wissen müssen.

Mit der Lancierung eines Nationalen Forschungspro-        Bundesamt für Gesundheit
gramms «Gesundheitsversorgung» setzt der Bundes-          Der Direktor
rat ein starkes Signal zur Stärkung der Versorgungs-
forschung. Deren Ziel ist es, Erkenntnisse zu gewin-
nen, wie sich die Strukturen der Kranken- und Gesund-
heitsversorgung optimieren, die Versorgungsqualität
und die Effizienz steigern, die Über-, Unter- und Fehl-   Pascal Strupler
versorgung reduzieren und die Patientenorientierung
und -sicherheit erhöhen lassen.

Der Bundesrat hat ein weiteres Nationales For-
schungsprogramm im Bereich der Gesundheit bewil-
ligt: Die wachsende Zahl der gegen Antibiotika resis-
tenten Keime macht es notwendig, diese Problematik
genauer zu erforschen und mögliche Antworten darauf
zu entwickeln. Das Nationale Forschungsprogramm
«Antimikrobielle Resistenz» rückt die übergreifende
Betrachtung der Gesundheit von Mensch und Tier in
den Vordergrund.

Politisches Handeln muss nicht nur die Gesundheit der
Bevölkerung fördern; es muss auch dafür sorgen, dass
das Gesundheitssystem effizient ausgestaltet ist und
bezahlbar bleibt. Angesichts der steigenden Gesund-
heitskosten erstaunt es nicht, dass die politisch Han-
delnden Antworten erwarten auf Fragen wie «Wer soll
für welche Gesundheitsleistungen bezahlen?» und
«Wo soll die Gesellschaft heute investieren, um in Zu-
kunft höhere Krankheitsraten und -kosten zu vermei-
den?». Eine Vertiefung des Gesundheitsverständnis-

                                                                        Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   5
Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
1. Einleitung

                                                      für die Jahre 2017–2020 und legt deren Schwerpunkte
   Das Forschungskonzept Gesundheit
                                                      fest. In Ergänzung zum vorliegenden Konzept wurde
   richtet sich an Fachleute und an                   ein Katalog der Ressortforschungsthemen des Bun-
   Laien. Es verschafft den Leserinnen                desamts für Gesundheit (BAG) publiziert. Dieser be-
   und Lesern einen Überblick über die                schreibt die Forschungsstrategien der einzelnen Ge-
                                                      schäftsfelder des BAG und behandelt prioritäre The-
   Forschung im Politikbereich
                                                      men.
   Gesundheit.
                                                      Beide Dokumente stehen auf der Website des BAG zur
Das Forschungskonzept Gesundheit definiert die For-   Verfügung: www.bag.admin.ch/forschung.
schungstätigkeit des Bundes im Bereich Gesundheit

6 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Forschungskonzept Gesundheit 2017-2020 - BAG
2. Forschung der Bundesverwaltung

Die Bundesverwaltung vertraut auf den Beitrag der                                            Gesetzlicher Auftrag
Forschung bei der Bewältigung gesellschaftlicher
Probleme und Herausforderungen. Aus diesem Grund                                  Das Engagement des Bundes in der Forschung und
gibt sie Forschungsarbeiten in Auftrag oder fördert                               Forschungsförderung wird durch Art. 64 der Bundes-
diese. Die Forschung der Bundesverwaltung wird als                                verfassung (SR 101 1) legitimiert, indem der Bund die
Ressortforschung bezeichnet und zielt auf den Erwerb                              wissenschaftliche Forschung und die Innovation för-
und den Ausbau von Kenntnissen ab, auf denen die                                  dert, bzw. Forschungsstätten errichten, übernehmen
politischen Strategien des Bundes basieren. Sie um-                               oder betreiben kann.
fasst Tätigkeiten in den Bereichen Forschung, Ent-
wicklung, Evaluation und Erstellung von wissenschaft-                             Mit der Totalrevision des Forschungs- und Innova-
lichen Expertisen (vgl. Anhang A1 zur Definition der                              tionsförderungsgesetzes (FIFG, SR 420.1) im Jahr
Ressortforschung).                                                                2012 ist dieses zu einem Rahmengesetz für die Res-
                                                                                  sortforschung ausgearbeitet worden: Die Bundesver-
                                                                                  waltung ist ein Forschungsorgan, soweit sie für die Er-
    Ressortforschung ist aufgaben-                                                füllung ihrer Aufgaben Ressortforschung betreibt oder
    bezogen und steht im Dienst der                                               Aufgaben der Forschungs- und Innovationsförderung
    Gesellschaft.                                                                 wahrnimmt (Art. 4, Bst. d).

Die Ressortforschung liefert Analysen und Modelle                                 Neben der übergeordneten Verankerung im FIFG ist
und spielt eine zentrale Rolle bei der Konzeption poli-                           die Forschung der Bundesverwaltung auf über 50 spe-
tischer Strategien. Sie kann deren Wahl durch den                                 zialgesetzliche Bestimmungen abgestützt. In diesen
Nachweis der Angemessenheit (Zweckmässigkeit),                                    werden direkte Forschungsaufträge oder Finanzie-
der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit staatlicher                            rungsverpflichtungen durch den Bund vorgegeben,
Massnahmen legitimieren. Mittelfristig hilft sie dem                              bzw. direkte Evaluations-, Erhebungs- oder Prüfungs-
Bund dabei, seine strategische Ausrichtung festzule-                              aufträge formuliert, die entsprechende wissenschaftli-
gen. Die Ressortforschung dient auch der Früher-                                  che Arbeiten voraussetzen. Zudem werden For-
kennung von Problemfeldern, indem sie gesellschaftli-                             schungsaufgaben in zahlreichen Gesetzen und Ver-
che Probleme untersucht, zu deren Lösung staatliche                               ordnungen präzisiert.
Massnahmen notwendig sind.
                                                                                  Darüber hinaus setzt selbst dort, wo kein expliziter ge-
Als politikorientierte, praxisnahe und in der Regel inter-                        setzlicher Auftrag zur Forschung besteht, die Anwen-
disziplinäre Forschung ist die Ressortforschung her-                              dung und Umsetzung geltenden Rechts oft Fachwis-
ausgefordert, in einem komplexen Umfeld oftmals                                   sen voraus, welches aktuell sein soll und daher mittels
rasch Lösungen auf konkrete Fragen zu entwickeln.                                 Forschung erarbeitet werden muss (z. B. beim Erlass
                                                                                  von Richtlinien und Verordnungen). Deshalb werden
Nicht zur Ressortforschung gehören die Ausgaben der                               Forschungsverpflichtungen auch oft in departementa-
vom Bund finanzierten Hochschulen und Forschungs-                                 len Organisationsverordnungen für die verschiedenen
anstalten des Hochschulbereichs, Beiträge (Subven-                                Ämter festgelegt. Die Organisationsverordnung für das
tionen) des Bundes an den Schweizerischen National-                               Eidgenössische Departement des Innern (EDI) 2 sieht
fonds (SNF), an die Kommission für Technologie und                                beispielsweise in Art. 9 Abs. 3 lit. b vor, dass das Bun-
Innovation (KTI) und an wissenschaftliche Institutionen                           desamt für Gesundheit (BAG) die Forschung auf dem
gemäss dem Forschungs- und Innovationsförderungs-                                 Gebiet der Gesundheit steuert. Auch die in der Orga-
gesetz FIFG (Akademien, Forschungsinfrastrukturen                                 nisationsverordnung aufgeführten Ziele des BAG so-
und Technologiekompetenzzentren etc.) sowie Bei-                                  wie seine diesbezüglichen Funktionen implizieren,
träge an internationale wissenschaftliche Institutionen                           dass das BAG für die Erfüllung seiner Aufgaben For-
und Organisationen zur Strukturfinanzierung.                                      schung betreiben bzw. Forschungsaufträge mandatie-
                                                                                  ren kann.

1                                                                                 2
 https://www.admin.ch/gov/de/start/bundesrecht/systematische-sammlung.html, SR-       OV-EDI, SR 172.212.1
Nummer als Suchkriterium

                                                                                                         Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   7
Art. 9 Abs. 3 lit. e verpflichtet zudem zur Evaluations-   Ressortforschung grenzt sich von der Beratertätigkeit
tätigkeit: «Es [das Bundesamt für Gesundheit] über-        ab. Sie generiert neues, gesichertes Wissen, während
prüft die Wirkung rechtsetzender und anderer Mass-         Beratertätigkeit meist auf bestehendem Wissen und
nahmen auf die Gesundheit.»                                bestehender Evidenz aufbaut.

                                                           Das BAG verfügt über eine integrierte Aufgaben- und
         Ressortforschung im Bundesamt                     Ressourcenplanung. Geplant und gesteuert werden
         für Gesundheit (BAG)                              die gemäss der BAG-Strategie festgelegten Aufgaben.
                                                           In dieser Planung ist die Ressortforschungsplanung
Die Ressortforschung im BAG stellt Wissen zur Verfü-       ein integraler, aufgabenbezogener Teil.
gung für die Erfüllung der Aufgaben des BAG sowie für
die Entwicklung von Politiken und Strategien. Ressort-     Innerhalb des BAG ist die Ressortforschung dezentral
forschung und Evaluation tragen damit zu evidenzba-        organisiert. Die Geschäftsfeldverantwortlichen sind
sierter und -informierter Politikgestaltung und -umset-    zugleich Forschungsverantwortliche.
zung bei. Diese Funktion ist schematisch in der Abbil-     Direktionsbereichsübergreifende Ressortforschungs-
dung 2.1 dargestellt:                                      geschäfte werden durch die Fachstelle Evaluation und
                                                           Forschung koordiniert. Diese ist unter anderem für den
Abb. 2.1          Evidenzinformierte Politikgestaltung     Einsatz von ARAMIS (Forschungsdatenbank des Bun-
                  und -umsetzung                           des) im Amt sowie für die Erstellung des Forschungs-
                                                           konzepts verantwortlich. Das Evaluationsmanagement
                                                           im BAG ist ebenfalls in der Fachstelle Evaluation und
             Politik- und Strategieentwicklung,            Forschung zentralisiert.
                      Aufgabenerfüllung

                                                              Evaluationen tragen zur Optimierung
                                                              staatlichen Handelns bei und legen
                                                              Rechenschaft ab gegenüber der
                                                              Öffentlichkeit.

                                                                 Rolle und Aufgaben der Ressort-
     Ressortforschung;                                           forschung
                                         Evaluation
        Monitoring
                                                           Die Ressortforschung im Bereich Gesundheit bearbei-
Quelle: Bundesamt für Gesundheit (BAG)                     tet Fragen im Zusammenhang mit dem Gesundheits-
                                                           schutz der Bevölkerung, der Prävention und Gesund-
                                                           heitsförderung sowie der Gesundheitsversorgung.
    Die Ressortforschung beschafft
    bedarfsgerechtes Wissen für Politik                    Das BAG identifiziert in seinen Aufgabenbereichen
    und Verwaltung.                                        den Forschungsbedarf, setzt Forschungsschwer-
                                                           punkte in seinen Geschäftsfeldern, beschafft For-
Bei der Ressortforschung im BAG handelt es sich pri-       schungswissen und vermittelt und nutzt dieses. Es ist
mär um Auftragsforschung und Beiträge an Dritte. Die       vor allem mit externen Aufträgen in der Wissenspro-
Ressortforschung dient dabei der wissenschaftlichen        duktion engagiert, koordiniert und erstellt Synthesen
oder technologischen Erkenntnisgewinnung und Mei-          der Produkte und nutzt mit seinen Partnern das erwor-
nungsbildung, deren Ergebnisse das BAG zur Bewäl-          bene Wissen. Abbildung 2.2 verdeutlicht die Rolle des
tigung seiner Aufgaben benötigt. Die wichtigsten Part-     BAG in der Ressortforschung.
ner des BAG auf Stufe Bund sind das Staatssekretariat
für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), der
Schweizerische Nationalfonds (SNF), das Bundesamt
für Statistik (BFS) sowie das Schweizerische Gesund-
heitsobservatorium (Obsan).

8 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Abb. 2.2              Rolle und Aufgaben des BAG im Rahmen der Ressortforschung

     Wissensproduktion                                       Koordination und Synthese                       Wissensnutzung
     Das BAG vergibt Forschungsauf-                          Das BAG steht im Rahmen des                     Das BAG kommuniziert Forschungs-
     träge und -beiträge an Dritte.                          Ressortforschungsmanagements an                 resultate an die Öffentlichkeit und an
                                                             der Nahtstelle zwischen Wissens-                Institutionen der Gesundheitsversor-
                                                             produktion und Wissensnutzung.                  gung, nutzt selbst Forschungswissen
                                                                                                             und vermittelt Entscheidungsgrund-
                                                                                                             lagen an Politik und Verwaltung.

                                BAG beschafft Forschungswissen                                  BAG vermittelt Wissen

                                                                                                 Informationen zu
                                                                                                Gesundheit                 Öffentlichkeit
                                                                                                                           (Bevölkerung,
                                                                                                 Besorgnis, Be-              Medien)
                                                                                                dürfnisse
                Hochschulen
                (Universitäten,
                  FH, ETH)                    Forschungsauf-
                                             träge, Forschungs-                                  Relevante For-           Institutionen
                                             beiträge                                           schungsergebnisse
                                                                                                                           der Gesund-
                                                                                                                           heitsversor-
                                              Forschungs-                                       Bedarf / Bedürf-             gung
                                             ergebnisse                                         nisse aus Praxis
                    Private                                               BAG
               (Firmen, Institute                                       (Ressort-
                  und andere)                                          forschung)
                                                                                                 Entscheidungs-
                                                                                                grundlagen                Politikinstanzen
                                                                                                                          (Bund, Kantone,
                                                                                                 Bedarf                    Gemeinden)

                                                                                                 Vollzugsrele-
                                                                                                vante Forschungs-
                                                                                                ergebnisse                  Verwaltung
                                                                                                                             (BAG und
                                                                                                 Bedarf, Rah-                andere)
                                                                                                menbedingungen

                            BAG setzt Forschungsschwerpunkte                          BAG erkennt Forschungsbedarf

                                         SBFI*, SNF**                                                        BFS+ ,
                                         (und andere)                                                       Obsan++

                                                                              +
    * Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI)            Das Bundesamt für Statistik (BFS) ist die zentrale Institution der
      leitet die Politikvorbereitung und -umsetzung im Bereich der nationa-         öffentlichen Statistik. Es liefert statistische Informationen für die
      len und internationalen Forschungspolitik der Schweiz. Es koordiniert         Dauerbeobachtung wichtiger Lebensbereiche wie z. B. Gesundheit.
      die entsprechenden Tätigkeiten innerhalb der Bundesverwaltung und
                                                                              ++
      stellt die Zusammenarbeit mit den Kantonen sicher.                            Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) ist ein von
                                                                                    Bund und Kantonen getragenes Kompetenz-, Dienstleistungs- und
    ** Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) fördert Forschung im Auf-             Informationszentrum für wissenschaftliche Analysen und Informatio-
       trag des Bundes. Das Förderungsportfolio beinhaltet Projektförde-            nen über die Gesundheit der Bevölkerung, das Gesundheitswesen
       rung, Programme (Nationale Forschungsprogramme NFP; Nationale                und die Gesundheitspolitik.
       Forschungsschwerpunkte NFS und andere), Karriereförderung, Infra-
       strukturen und Wissenschaftskommunikation.

Quelle: Bundesamt für Gesundheit (BAG)

                                                                                                      Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |              9
3. Forschung im Politikbereich Gesundheit

      Rückblick 2013–2016                                  Das NFP 69 (20 Projekte) ist in der Realisierungs-
                                                           phase und endet 2018.
Im Folgenden wird kurz über den Stand der Umset-           Siehe www.nfp69.ch.
zung der Prioritäten des Forschungskonzepts 2013–
2016 berichtet:
                                                           Evaluation der KVG-Revision im Bereich der
                                                           Spitalfinanzierung (Etappe 1)
Stärkung der Versorgungsforschung in der
Schweiz                                                    Die Auswirkungen der KVG-Revision im Bereich der
                                                           Spitalfinanzierung werden im Auftrag des Bundesrates
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wis-         in den Jahren 2012 bis 2019 mit einer Evaluation
senschaften (SAMW) hat im Auftrag des BAG – unter          untersucht. Erste Zwischenergebnisse aus dem Jahr
Einbezug aller wichtigen Akteure im Gesundheitsbe-         2015 zeigen, dass sich die Qualität der stationären
reich – ein Konzept zur Stärkung der Versorgungsfor-       Spitalbehandlungen mit der neuen Spitalfinanzierung
schung in der Schweiz erstellt. In der Folge hat der       nicht verändert hat. Die Aufenthaltsdauer von Patien-
Bundesrat am 24. Juni 2015 das Nationale For-              tinnen und Patienten hat sich wie erwartet verkürzt; es
schungsprogramm «Gesundheitsversorgung» geneh-             gibt keine Hinweise auf zu frühe Entlassungen.
migt und CHF 20 Mio. zur Verfügung gestellt.
Siehe www.nfp74.ch.                                        Verbessert hat sich mit der neuen Spitalfinanzierung
                                                           die Transparenz: Die Leistungen der einzelnen Spitä-
                                                           ler können dank dem neuen System besser miteinan-
NFP 67 «Lebensende»                                        der verglichen werden. Die verbesserte Transparenz
                                                           ist eine der Voraussetzungen dafür, dass das Kosten-
Die Wahrnehmung und Gestaltung des Lebensendes             wachstum in der obligatorischen Krankenpflegeversi-
unterliegen heute einem markanten Wandel. Das NFP          cherung (OKP, Grundversicherung) im stationären
67 «Lebensende» will neue Erkenntnisse über die            Spitalbereich mittelfristig eingedämmt werden kann.
letzte Lebensphase von Menschen jeden Alters gewin-        Aufgrund verschiedener Übergangsbestimmungen,
nen, die aller Voraussicht nach nur noch kurze Zeit zu     z. B. zur Kostenbeteiligung der Kantone die erst 2017
leben haben. Das NFP erarbeitet für die Entschei-          55 Prozent betragen muss, lassen sich verlässliche
dungsträgerinnen und -träger im Gesundheitswesen           Aussagen über die Kostenfolgen der neuen Spitalfi-
und in der Politik sowie für die betroffenen Berufsgrup-   nanzierung erst später machen. Den abschliessenden
pen Handlungs- und Orientierungswissen für einen           Bericht über die Auswirkungen der Revision wird das
würdigen Umgang mit der letzten Lebensphase.               BAG voraussichtlich 2019 veröffentlichen.
Das NFP 67 ist in der Realisierungsphase (33 Pro-          Siehe www.bag.admin.ch/EvalSpitalfinanzierung.
jekte) und endet 2017.
Siehe www.nfp67.ch.
                                                           Ergebnisse der Ressortforschung BAG

NFP 69 «Gesunde Ernährung und nachhaltige                  Im Zeitraum 2013–2016 wurden zahlreiche Ressortfor-
Lebensmittelproduktion»                                    schungsstudien abgeschlossen, deren Ergebnisse
                                                           dem BAG Orientierungs- und/oder Handlungswissen
Das NFP 69 «Gesunde Ernährung und nachhaltige Le-          liefern. Exemplarisch sind hier zwei Studien erwähnt.
bensmittelproduktion» hat sich zum Ziel gesetzt, pra-
xisorientierte und wesentliche Wissensgrundlagen
(Strategien, Werkzeuge, Methoden, Prozesse, Pro-
dukte) zu erarbeiten, um die nachhaltige Entwicklung
des Ernährungsverhaltens sowie von Lebensmittel-
und Ernährungssystemen in der Schweiz voranzutrei-
ben.

10 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Die Kosten der nichtübertragbaren Krankheiten in der      Die OKP ruft – gemessen am verfügbaren Einkom-
Schweiz:                                                    men – Umverteilungswirkungen hervor, die sich von
                                                            Kanton zu Kanton stark unterscheiden.
Nichtübertragbare Krankheiten (non communicable          Siehe
diseases, NCDs) stellen das grösste Problem der öf-      www.bag.admin.ch/dokumentation/publikationen
fentlichen Gesundheit dar und sind weltweit die häu-     (Rubrik Krankenversicherung/Forschungsberichte).
figste Todesursache. Eine Studie im Auftrag des BAG
hat die finanziellen und volkswirtschaftlichen Auswir-
kungen dieser Krankheiten für die Schweiz untersucht.          Stand der Versorgungsforschung
Die direkten medizinischen Kosten aller NCDs belau-            in der Schweiz
fen sich demnach in der Schweiz auf CHF 51.7 Mrd.
Das entspricht 80.1 Prozent der gesamten Schweizer       Gastbeitrag von Prof. Dr. Milo Puhan, Institut für Epi-
Gesundheitskosten von CHF 64.6 Mrd. im Jahr 2011.        demiologie, Biostatistik und Prävention, Universität
Die direkten medizinischen Kosten sieben definierter     Zürich
NCD-Krankheitsgruppen liegen bei CHF 33.1 Mrd.
(51.2 Prozent der Gesamtkosten). Spitzenreiter sind
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gefolgt von den musku-      Versorgungsforschung – Fragestellungen vom
loskelettalen Erkrankungen und den psychischen Lei-      Gesundheitssystem bis zur Patientenversorgung
den. Insgesamt fallen die höchsten indirekten Kosten
bei den muskuloskelettalen Krankheiten an (CHF 7.5       Die Versorgungsforschung untersucht, wie Gesund-
Mrd. für Rückenschmerzen und CHF 4.7 Mrd. für rheu-      heitssysteme und -leistungen organisiert und finanziert
matische Erkrankungen). Hohe indirekte Kosten ent-       werden sollen, damit die Bevölkerung Zugang zu einer
stehen ebenfalls durch psychische Erkrankungen           sicheren und wirksamen Prävention und Gesundheits-
(CHF 10.6 Mrd.). Auffallend sind zudem hohe indirekte    versorgung hat. Diese Beschreibung zeigt, dass es in
Kosten bei Demenz, welche auf die informelle Pflege      der Versorgungsforschung Fragestellungen gibt, die
durch Angehörige, Nachbarn und Freunde zurückzu-         für die Politik und die Gesundheitsbehörden von Be-
führen sind.                                             deutung sind. So stellt sich etwa die Frage, wie viele
Siehe www.bag.admin.ch/ncd.                              und welche Art Spitäler für einen bestimmten Kanton
                                                         notwendig sind, oder ob die Einführung von DRGs
                                                         (Diagnosis-Related Groups) die Kosten bei gleichblei-
Umverteilungseffekte in der obligatorischen Kranken-     bender Versorgungsqualität senkt.
versicherung (Inzidenzanalyse):
                                                         Darüber hinaus gibt es Fragestellungen, welche die
Im Auftrag des BAG wurde eine umfassende und re-         Leistungserbringer betreffen. Im Kontext chronischer
präsentative Mikrosimulationsstudie durchgeführt, die    Krankheiten stellt sich beispielsweise die Frage, wie
es erlaubt, Umverteilungseffekte der Obligatorischen     verschiedene Gesundheitsfachleute (Ärzteschaft,
Krankenpflegeversicherung (OKP) für Personen und         Pflegepersonal, Physiotherapierende etc.) ihre Arbeit
Haushaltgruppen auf Bundes- und Kantonsebene zu          im stationären und ambulanten Setting zum Wohle der
identifizieren.                                          Patientinnen und Patienten am besten koordinieren.
Hauptergebnisse der Studie sind:
 Zweielternfamilien mit mehreren Kindern werden im      Schliesslich untersucht die Versorgungsforschung die
   Vergleich zu anderen Haushaltgruppen sowohl ab-       Wirksamkeit und Sicherheit von spezifischen präven-
   solut als auch im Verhältnis zum verfügbaren Ein-     tiven, diagnostischen und therapeutischen Leistungen
   kommen finanziell am stärksten belastet.              unter Alltagsbedingungen. Sie bietet somit eine Ent-
 Obwohl die einkommensstärksten Haushalte die           scheidungsgrundlage für Patientinnen und Patienten
   «grössten Zahler» sind, ist ihre relative Belastung   und für Gesundheitsfachleute.
   geringer als diejenige einkommensschwacher
   Haushalte.                                            Die Versorgungsforschung bildet ein Bindeglied zwi-
                                                         schen der Gesundheit der Bevölkerung (Public Health)

                                                                      Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   11
und der Gesundheit von Individuen. Die Pionierarbeit         definieren. An den Schweizer Universitäten waren bis-
der Forschungsgruppe des Dartmouth College illus-            her vor allem Forschende in den Instituten für Haus-
triert dies eindrücklich: Der Dartmouth Atlas zeigt auf-     arztmedizin und Public Health (inkl. Epidemiologie,
grund von Gesundheitsdaten aus den ganzen USA re-            Sozial- und Präventivmedizin und Gesundheitsökono-
gionale Unterschiede bei Ausmass, Qualität und Kos-          mie) sowie in Kliniken im Bereich der Inneren Medizin
ten der Leistungserbringung (z. B. Operationen bei           in der Versorgungsforschung tätig. Vermehrt gibt es je-
Rückenschmerzen oder medizinische Versorgung am              doch auch Forschende aus den Sozialwissenschaften,
Lebensende) sowie Gründe für diese Unterschiede.             Ethik, Medizininformatik und Wirtschaftswissenschaf-
Zusätzlich werden wissenschaftliche Daten analysiert         ten, die ihre Forschung als Teil der Versorgungsfor-
um darzustellen, welche medizinische Leistung bei            schung verstehen. Auch Fachhochschulen (u. a. Ge-
welchen Patientinnen und Patienten besser geeignet           sundheitsökonomie, Pflege- und Gesundheitswissen-
ist. Die Versorgungsforschung bietet somit, wie der          schaften) weisen ihre Forschung vermehrt als Versor-
Dartmouth Atlas zeigt, eine Daten- und Entschei-             gungsforschung aus. Schliesslich tragen die öffentli-
dungsgrundlage für Politik und Gesundheitsbehörden,          che Verwaltung (z. B. das Schweizerische Gesund-
für Leistungserbringer und Kostenträger sowie für die        heitsobservatorium und das Bundesamt für Statistik)
Patientinnen und Patienten. Auch die skandinavischen         sowie der private Sektor (z. B. Krankenkassen und pri-
Länder verfügen dank Patienten- und Bevölkerungsre-          vate Forschungsinstitute) wesentlich zur Versorgungs-
gistern über Gesundheitsdaten, die zu wichtigen Er-          forschung bei, indem sie über essentielle Gesund-
kenntnissen über Leistungen im Bereich der öffentli-         heitsdaten über die Bevölkerung verfügen, diese aus-
chen Gesundheit und der Gesundheitsversorgung füh-           werten oder zur Verfügung stellen.
ren.

Die Versorgungsforschung ist in den meisten Ländern             Die Versorgungsforschung in der
multidisziplinär organisiert und bezieht beispielsweise         Schweiz braucht eine starke
Forschende aus den Bereichen Medizin, Epidemiolo-               Forschungsgemeinschaft.
gie, Pflege, Psychologie, Statistik, Soziologie, Recht,
Ethik, Bioinformatik und Wirtschaftswissenschaften           Obwohl zahlreiche Disziplinen Themen der Versor-
ein. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Bevölke-          gungsforschung bearbeiteten, hat sich bisher in der
rung sowie weitere Interessenträger wie Leistungser-         Schweiz noch keine eigentliche Forschungsgemein-
bringer, Kostenträger, die Wirtschaft und die Politik        schaft in Versorgungsforschung gebildet. Dies hat zur
werden vermehrt in die Versorgungsforschung einbe-           Folge, dass die Versorgungsforschung stark segmen-
zogen, damit die unterschiedlichen Perspektiven be-          tiert ist und deren Erkenntnisse nur schwer zu einem
rücksichtigt werden können. Eine für die Versorgungs-        Ganzen zusammengefügt werden können. Die Versor-
forschung relevante und interessante Entwicklung sind        gungsforschung kann ihr Ziel, eine Evidenzbasis für
auch die Fortschritte in der Technologie, die detaillierte   Politik und Gesundheitsbehörden, Leistungserbringer,
Gesundheitsdaten in Echtzeit aus dem realen Alltag           Kostenträger und Patientinnen und Patienten zu lie-
liefern (z. B. Aktivitätsmesser in Smartphones oder di-      fern, jedoch nur erfüllen, wenn sie koordiniert stattfin-
verse Apps). Damit können nicht nur wichtige Erkennt-        det. Wenn man etwa die Versorgung von Menschen
nisse über Krankheiten gewonnen werden, es eröffnen          mit chronischen Krankheiten untersuchen möchte,
sich auch neue Möglichkeiten der Versorgung (z. B.           sind Verlaufsdaten über die Zeit notwendig. Um diese
Telemedizin).                                                zu erhalten, müssen Forschende mit Leistungserbrin-
                                                             gern aus der stationären und ambulanten Versorgung,
                                                             Kostenträgern und Patientinnen und Patienten zusam-
Akteure der Versorgungsforschung in der                      menarbeiten. Es gilt zu definieren, welche Gesund-
Schweiz                                                      heitsdaten wie erhoben werden, damit sie zu einem
                                                             Ganzen zusammengefügt werden können. Diese Ar-
Versorgungsforschung ist in der Schweiz kein Neu-            beit erfordert Koordination innerhalb einer For-
land. Es gibt seit Jahren viele Projekte und Publikatio-     schungsgemeinschaft.
nen, welche dem Bereich der Versorgungsforschung
zugeordnet werden können, auch wenn sich bisher
wenig Forschende explizit als Versorgungsforschende

12 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Public Health Schweiz hat im Jahr 2013 das Manifest                                     Voraussetzungen für eine erfolgreiche Versor-
über «Bessere Gesundheitsdaten für ein effizienteres                                    gungsforschung in der Schweiz
Gesundheitswesen» 3 publiziert, in dem Gesundheits-
fachleute aus der ganzen Schweiz dargelegt haben,                                       Damit sich die Versorgungsforschung in der Schweiz
dass wichtige Gesundheitsdaten teils nicht routine-                                     weiter entwickeln kann, gibt es drei wesentliche Vo-
mässig erhoben werden oder für die Forschung nicht                                      raussetzungen:
zugänglich sind (z. B. Daten zu den Kosten im Ge-                                        Es gibt in der Schweiz zwar genügend qualifizierte
sundheitswesen). Wenn Daten verfügbar sind (z. B.                                          Forschende, um Versorgungsforschung auf hohem
aus bevölkerungsbasierten Kohortenstudien oder                                             internationalem Niveau zu betreiben. Allerdings
beim Bundesamt für Statistik), müssen sie oft aus ver-                                     muss sich eine multidisziplinäre Forschungsge-
schiedenen Datenbanken verknüpft werden, was tech-                                         meinschaft bilden, die sich aktiv austauscht und ko-
nisch anspruchsvoll und teilweise von Gesetzes we-                                         ordiniert, so dass eine solide Evidenzbasis für die
gen nicht zulässig ist. Die Verfasserinnen und Verfas-                                     Entscheidungsträger entsteht. Dazu gehört auch
ser des Manifests schlugen vor, einen Lernzyklus ein-                                      die Ausbildung von Nachwuchsforschenden im
zuführen, über den durch die bessere Verfügbarkeit,                                        Rahmen von strukturierten PhD-Programmen.
Zugänglichkeit und Verknüpfung der Daten sowie                                           Gesundheitsdaten sollten besser verfügbar, mitei-
durch eine harmonisierte Datenerfassung allmählich                                         nander verknüpfbar und vergleichbar gemacht wer-
qualitativ hochstehende Gesundheitsdaten bereitge-                                         den. Nur so können Forschende mit den Daten ar-
stellt werden.                                                                             beiten, Schwachstellen entdecken und die Qualität
                                                                                           kontinuierlich verbessern. Dafür sollten öffentliche
                                                                                           und private Institutionen sowie Forschende, welche
Akteure der Förderung der Versorgungsforschung                                             über Gesundheitsdaten verfügen, miteinander ko-
in der Schweiz                                                                             operieren.

Es gibt eine Reihe von Organisationen, welche die
Versorgungsforschung fördern. Die Schweizerische                                               Fortschritte in der Gesundheits-
Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)                                               versorgung sind ohne Gesundheits-
und die Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung                                          daten und Versorgungsforschung
nehmen eine Vorreiterrolle ein. Sie unterstützen expli-
                                                                                               nicht denkbar.
zit Projekte in der Versorgungsforschung 4 und veran-
stalten regelmässig Symposien. Dies ist ein wichtiger
                                                                                         Damit unabhängige Versorgungsforschung betrie-
Schritt zur Bildung einer Forschungsgemeinschaft in
                                                                                          ben werden kann, ist eine langfristige Forschungs-
der Versorgungsforschung. Der Bundesrat bewilligte
                                                                                          förderung notwendig. Öffentliche und private Insti-
am 24. Juni 2015 das fünfjährige Nationale For-
                                                                                          tutionen sollten Forschungsgelder explizit für die
schungsprogramm «Gesundheitsversorgung», das mit
                                                                                          Versorgungsforschung zur Verfügung stellen. Da-
CHF 20 Mio. dotiert ist und vom Schweizerischen Na-
                                                                                          bei sollte beachtet werden, dass solche Projekte
tionalfonds durchgeführt werden wird. Verschiedene
                                                                                          zur Verbesserung der Gesundheitsdatenlage in der
Stiftungen fördern ebenfalls Projekte im Bereich der
                                                                                          Schweiz und zur Bildung einer Forschungsgemein-
Versorgungsforschung. Das Bundesamt für Gesund-
                                                                                          schaft beitragen. Mit der Bewilligung eines Nationa-
heit geht im Rahmen der Evaluation und Ressortfor-
                                                                                          len Forschungsprogramms «Gesundheitsversor-
schung klar definierte Fragestellungen der Versor-
                                                                                          gung» sendete der Bundesrat ein starkes Signal zu-
gungsforschung an. Es betreibt die Versorgungsfor-
                                                                                          gunsten der Versorgungsforschung aus.
schung jedoch meist nicht selber und übergibt sie als
Auftragsforschung an öffentliche oder private For-
                                                                                        Wenn sich diese drei Voraussetzungen aufeinander
schungsinstitutionen. Schliesslich werden vom priva-
                                                                                        abgestimmt realisieren lassen, wird die Versorgungs-
ten Sektor (Krankenkassen, Pharmafirmen) Aufträge
                                                                                        forschung in der Schweiz eine wertvolle Evidenzbasis
vergeben, welche dem Bereich der Versorgungsfor-
                                                                                        für Politik und Gesundheitsbehörden, Leistungserbrin-
schung zugeordnet werden können.
                                                                                        ger, Kostenträger sowie Patientinnen und Patienten
                                                                                        liefern und im internationalen Wissenschaftswettbe-
                                                                                        werb bestehen können.

3                                                                                       4
 http://www.public-health.ch/logicio/client/publichealth/file/130816_Manifest_Gesund-       http://www.samw.ch/de/Forschung/Versorgungsforschung.html
heitsdaten_D_def.pdf

                                                                                                              Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   13
Forschung und Entwicklung für                      schlechten Aussichten auf kommerziellen Erfolg für die
      mehr globale Gesundheit                            grossen pharmazeutischen Firmen nicht interessant.
                                                         Besonders schwierig ist es, die entscheidenden teuren
Gastbeitrag von Prof. Dr. Ilona Kickbusch,               klinischen Tests am Menschen durchzuführen, um
Graduate Institute, Genf                                 Nutzen und Sicherheit der einzelnen Therapien zu be-
                                                         urteilen.
Die Forschung zur globalen Gesundheit umfasst eine
grosse Themenbreite und viele verschiedene Diszipli-     Nicht-Regierungsorganisationen fordern daher einen
nen. Sie reicht von der medizinischen Grundlagenfor-     kollektiven, nachhaltigen und transparenten Finanzie-
schung bis hin zu politikwissenschaftlichen Analysen     rungsmechanismus für die Forschung, um bezahlbare
globaler Steuerungsprozesse sowie der politischen,       und verfügbare Impfstoffe und Arzneimittel – beson-
sozialen und wirtschaftlichen Determinanten von Ge-      ders für die Belange der Entwicklungsländer – zu ent-
sundheit. Die interdisziplinäre Forschung, beispiels-    wickeln. Im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation
weise zu umweltbedingten Gesundheitsrisiken, sozia-      WHO wird erörtert, wie das aktuelle Finanzierungsmo-
len Determinanten oder zu den gesundheitlichen Fol-      dell über exklusive Patente und hohe Preise durch
gen verschiedener Globalisierungsprozesse, nimmt an      eine Vorab-Finanzierung von Forschung und Entwick-
Bedeutung zu. Auch ökonomische Analysen auf der          lung (F&E) dazu beitragen kann, Entwicklungskosten
Makro- wie auch der Mikro-Ebene haben zunehmend          und Preise zu entkoppeln. Eine beratende Experten-
an Einfluss gewonnen, denn wir müssen sowohl die         gruppe für Fragen von Forschung und Entwicklung
Auswirkungen von Krankheiten auf die Volkswirtschaft     (CEWG) der WHO hat die Mitgliedsländer dazu aufge-
als auch die ökonomische Effizienz einzelner Pro-        rufen, Forschung und Entwicklung für mehr Gesund-
gramme besser verstehen.                                 heit zu verstärken und Kapazitäten auch in den Ent-
                                                         wicklungsländern auszubauen. Unterstützt werden die
                                                         Länder dabei durch ein globales Forschungs- und Ent-
   Die vergleichende Gesundheits-                        wicklungsobservatorium sowie durch die Lancierung
   systemforschung als Teil der                          von Pilotprojekten.
   Versorgungsforschung wird
                                                         Ein wichtiger Schwerpunkt der Forschungsförderung
   immer wichtiger.                                      für die prioritären Probleme der Entwicklungsländer
                                                         sind Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs).
Es gilt zudem, von anderen Systemen zu lernen und        Dies sind Non-Profit-Organisationen, die es sich zur
Erfahrungen auszutauschen. Auch die sozialwissen-        Aufgabe gemacht haben, Präventionsmethoden, Impf-
schaftliche und anthropologische Forschung ist be-       stoffe, Medikamente, Diagnostika und Diagnosegeräte
deutsamer geworden, da es immer wichtiger wird, zu       gegen vernachlässigte und armutsassoziierte Krank-
verstehen, wie Menschen in einem bestimmten kultu-       heiten zu entwickeln. Die Lücke ist gewaltig: Von den
rellen und sozialen Kontext ihre gesundheitsbezoge-      zwischen 1975 und 2004 zugelassenen 1556 neuen
nen Entscheidungen treffen.                              Medikamenten waren nur 21 (1.3 Prozent) zur Be-
                                                         handlung von Tropenkrankheiten und Tuberkulose be-
Aus dieser Vielfalt werden hier kurz zwei Bereiche der   stimmt, obwohl diese Krankheiten 11.4 Prozent der
globalen Gesundheitsforschung erwähnt, in denen die      globalen Krankheitslast ausmachen.
Schweiz eine wichtige Rolle eingenommen hat:
 die Organisation und Finanzierung von globaler Ge-     Jede Minute stirbt ein Kind im südlichen Afrika an Ma-
   sundheitsforschung im Kontext der Weltgesund-         laria. Angesichts der sich ausbreitenden Resistenzen
   heitsorganisation WHO und                             gegen Medikamente braucht es neue Behandlungs-
 die Unterstützung von Produktentwicklungspartner-      möglichkeiten. Besonders wichtig ist der Ruf nach In-
   schaften.                                             novationen. Forschungsprogramme wie die «Grand
                                                         Challenges» der Bill und Melinda Gates Stiftung tragen
Krankheiten verbreiten sich in der globalen Welt mit     dem Rechnung, indem sie bereit sind, in neue Ideen
grosser Geschwindigkeit und die meisten Länder sind      und Verfahren zu investieren.
nur schlecht darauf vorbereitet, diese zu bekämpfen.
Besonders die Ebola-Krise hat die grosse Lücke in der    Wichtig ist es, die wissenschaftliche Zusammenarbeit
Erforschung von vernachlässigten und armutsassozi-       im Gesundheitsbereich mit Entwicklungsländern zu
ierten Erkrankungen aufgezeigt. Diese Forschung ist      stärken und durch die Förderung partnerschaftlicher
aufgrund der geringen Ansteckungszahlen und der

14 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
Strukturen sowie der Ausbildung von Forschern, lang-   Die Forschungslandschaft verändert und verschiebt
fristige und nachhaltige Forschungsförderung zu be-    sich signifikant und diese Internationalisierung sollten
treiben. Dabei muss auch der Verschiebung in der       auch national ausgerichtete Forschungsförderungs-
Krankheitslast in Entwicklungsländern Rechnung ge-     programme zunehmend in Betracht ziehen. Aus der
tragen werden. Mit der signifikanten Zunahme der       Zunahme der gemeinsamen Bedrohungen wie aus der
nichtübertragbaren und psychischen Krankheiten wer-    Konvergenz der gemeinsamen Gesundheitsprobleme
den auch in diesen Ländern neue Forschungsschwer-      – z. B. Altern – ergeben sich neue Chancen des Er-
punkte bedeutsam, die es gemeinsam in globalen         kenntnisgewinns, so dass globale Gesundheitsheraus-
Netzwerken zu bewältigen gilt.                         forderungen besser gemeistert werden können.

                                                                     Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   15
Gesundheitspolitischer Rahmen                      sondern auch ein komplexes gesellschaftliches Sys-
      für die Schweiz 2015–2020                          tem. Die Komplexität zeichnet sich durch eine Vielfalt
                                                         von Einflussfaktoren und durch häufig auftretende
Ein Ziel der Legislaturplanung 2015–2019 des Bun-        nicht-lineare Beziehungen zwischen den Faktoren
desrates lautet:                                         aus. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass politi-
                                                         sche Interventionen unbeabsichtigte Nebenwirkungen
Die Schweiz sorgt für eine qualitativ hochstehende und   haben. Die Ressortforschung trägt dazu bei, politische
finanziell tragbare Gesundheitsversorgung und ein ge-    Entscheidungen auf möglichst umfassenden und si-
sundheitsförderndes Umfeld.                              cheren Grundlagen zu treffen.

Mit der 2013 lancierten Strategie «Gesundheit2020»
                                                            Ohne wissenschaftliche Evidenz
will der Bundesrat das Schweizer Gesundheitswesen
gezielt verbessern. Mit gegenwärtig 36 Massnahmen           keine wirksame Gesundheitspolitik
der Strategie in allen Bereichen des Gesundheitssys-
tems soll die Lebensqualität gesichert, die Chancen-     In den kommenden Jahren werden grosse Herausfor-
gerechtigkeit gestärkt, die Versorgungsqualität erhöht   derungen auf das Gesundheitssystem zukommen. Es
und die Transparenz verbessert werden.                   wird unter anderem eine Aufgabe der (Ressort-) For-
Siehe www.gesundheit2020.ch.                             schung sein, politische Lösungen für diese Herausfor-
                                                         derungen zu untersuchen.
                                                         Zentrale Herausforderungen sind:
                                                          Demographie: Die Anzahl älterer Menschen wird in
                                                            den kommenden Jahren absolut und prozentual zu-
                                                            nehmen. Da ältere Menschen häufiger gesundheit-
                                                            liche Einschränkungen haben als jüngere, oft an
                                                            mehr als einer Krankheit leiden (Multimorbidität)
                                                            und häufiger von degenerativen Krankheiten betrof-
                                                            fen sind (beispielsweise Demenz), gilt es die Ver-
                                                            sorgungsstrukturen anzupassen.
                                                          Chronische Krankheiten: Chronische Krankheiten
                                                            wie Diabetes, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkran-
                                                            kungen und Demenzerkrankungen verursachen be-
                                                            reits heute 80 Prozent der jährlichen Gesundheits-
                                                            kosten. Aufgrund der Tatsache, dass die Menschen
                                                            länger leben, ist in Zukunft mit einer deutlichen Zu-
                                                            nahme chronischkranker Menschen zu rechnen.
                                                          Gesundheitspersonal: Infolge der zunehmenden
                                                            Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und des
                                                            teilweise fehlenden Nachwuchses in den Gesund-
                                                            heitsberufen könnten sich ab 2020 regionale Ver-
                                                            sorgungsengpässe ergeben. Die starke Abhängig-
                                                            keit von im Ausland ausgebildeten Arbeitskräften
                                                            stellt ein grosses Risiko für die adäquate Versor-
                                                            gung dar.
                                                          Medizinisch-technischer Fortschritt: Die hohe Inno-
      Herausforderungen und                                 vationskraft der weltweiten Pharma- und Medtech-
      Handlungsbedarf                                       Industrie wird zu neuen Möglichkeiten in der Früh-
                                                            erkennung, der Diagnose und der Therapie führen.
Das durch Forschung generierte Wissen ist zentral für       Technische Entwicklungen beinhalten Chancen
die Weiterentwicklung und Optimierung der Gesund-           und Risiken, die es abzuwägen gilt.
heitspolitik.                                             Pflege durch Angehörige und Laien: Angehörige,
                                                            Freunde, Verwandte und Nachbarn kranker Men-
Das Gesundheitssystem, welches den Gesundheits-             schen erbringen heute grosse und wichtige Unter-
schutz, die Krankheitsvorsorge sowie die Krankheits-        stützungsleistungen. Der Pflegebedarf wird in den
behandlung umfasst, ist nicht nur ein kompliziertes,

16 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
kommenden Jahren aufgrund der demographi-                                              eine intensivere Zusammenarbeit gezielt verbes-
  schen Verschiebungen zunehmen. Gleichzeitig ver-                                       sert werden.
  ändert sich die Gesellschaft: Die Möglichkeiten der                                   Chancengerechtigkeit und Selbstverantwortung
  familialen Pflege werden – zum Teil bedingt durch                                      stärken: Die Gesundheitschancen der vulnerablen
  die höhere Mobilität und die Zunahme der Frauen-                                       Bevölkerungsgruppen5 sollen verbessert werden.
  erwerbstätigkeit – geringer.                                                           Auch hier werden der Selbstverantwortung und der
 Europäisierung und Globalisierung: Der Gesund-                                         Gesundheitskompetenz grosse Bedeutung beige-
  heitsschutz (z. B. in Lebensmittelsicherheit, bei                                      messen. Die Patientinnen und Patienten sollen
  Chemikalien oder Infektionskrankheiten) ist von                                        stärker in die Gesundheitspolitik eingebunden wer-
  den bilateralen Verhandlungen mit der EU stark be-                                     den. In der Beziehung zu den Gesundheitsfachper-
  troffen. Ohne vertragliche Regelungen wird es zu-                                      sonen sollen sie eine gleichberechtigte und selbst-
  nehmend schwieriger werden, das hohe Schutzni-                                         bestimmte Rolle erhalten. Darüber hinaus soll die
  veau der Bevölkerung zu erhalten und nicht-tarifäre                                    Bezahlbarkeit des Gesundheitssystems für alle Be-
  Handelshemmnisse zu vermeiden. Gesundheit und                                          völkerungsgruppen durch eine bessere Effizienz in
  Gesundheitspolitik werden zunehmend global be-                                         der Versorgung gewährleistet werden.
  stimmt. Die Gesundheitsgefahren (wie z. B. Pande-                                     Versorgungsqualität sichern und erhöhen: Die Qua-
  mien aufgrund der internationalen Mobilität) und                                       lität der Versorgungsdienstleistungen ist ein zentra-
  der Markt für Gesundheitsgüter und Personal sind                                       ler Aspekt in der Beurteilung des Versorgungsan-
  schon jetzt weitgehend globalisiert.                                                   gebots. Eine gute und angemessene Qualität wirkt
                                                                                         sich positiv auf die Kostenentwicklung aus, indem
                                                                                         nicht wirksame Leistungen und unerwünschte Kom-
    Politische Lösungen haben nur dann                                                   plikationen vermieden werden können. Eine gute
    Realisierungschancen, wenn sie auf                                                   Qualität wird über verschiedenste Massnahmen er-
    möglichst objektiven und neutralen                                                   zielt, zum einen auf der Ebene der medizinischen
                                                                                         Leistungen und zum anderen auf der Ebene der
    wissenschaftlichen Grundlagen
                                                                                         Prozesse und Informationen, z. B. über die Förde-
    basieren.                                                                            rung des Einsatzes von eHealth-Instrumenten.
                                                                                         Massnahmen im Bereich der Bildung des Gesund-
Das schweizerische Gesundheitssystem steht im inter-                                     heitspersonals sollen bewirken, dass die Anzahl
nationalen Vergleich gut da. Dies haben mehrere Stu-                                     der universitären und nicht-universitären Aus- und
dien der OECD-WHO bestätigt.                                                             Weiterbildungsplätze dem Bedarf entsprechen. Die
Dennoch gibt es laut den Studien Verbesserungsbe-                                        Lerninhalte sollen sich vermehrt auf die Anforde-
darf. Der Bundesrat hat mit der Strategie «Gesund-                                       rungen einer koordinierten Versorgung ausrichten.
heit2020» darauf reagiert und formuliert vier Hand-                                     Transparenz schaffen, besser steuern und koordi-
lungsfelder, die mit Forschungen unterstützt werden                                      nieren: Heute herrscht mangelnde Transparenz
sollen:                                                                                  über die erbrachten Leistungen, ihren Nutzen und
 Lebensqualität sichern: Die Gesundheit trägt we-                                       ihre Kosten. Es ist für alle Beteiligten zunehmend
   sentlich zur Lebensqualität jedes Menschen bei.                                       schwierig, sich im Gesundheitssystem zurechtzu-
   Dies bedingt – neben dem verantwortungsvollen                                         finden. Auch das System der Krankenversicherun-
   Handeln der Menschen selbst – auch die Weiterent-                                     gen ist mit seiner Angebotsvielfalt kompliziert ge-
   wicklung der Prävention und des Gesundheits-                                          worden. Eine Verbesserung der Datenlage soll
   schutzes sowie die Optimierung der Versorgungs-                                       mehr Klarheit schaffen und auch die Möglichkeiten
   angebote. Die Förderung von Versorgungsmodel-                                         einer zielgerichteten gesundheitspolitischen Steue-
   len, die sich stärker auf die Bedürfnisse der Patien-                                 rung ausweiten. Zudem soll die Zusammenarbeit
   tinnen und Patienten ausrichten, soll die Lebens-                                     zwischen den Akteuren, besonders zwischen Bund
   qualität auch im Krankheitsfall sicherstellen. Der                                    und Kantonen, verbessert werden.
   Gesundheitszustand der Menschen wird aber we-
   sentlich von Faktoren ausserhalb des Gesund-                                        Auf www.gesundheit2020.ch werden über 80 Projekte
   heitssektors geprägt (Bildung, soziale Sicherheit,                                  aufgelistet, welche zur Erreichung der Ziele der Stra-
   Arbeitssituation, Einkommen, Verkehr oder Wohn-                                     tegie beitragen sollen. Alle diese Projekte sind auf ak-
   situation). Diese gesellschaftlichen und umweltbe-                                  tuelle und qualitativ hochstehende Forschungsergeb-
   dingten Faktoren sollen auf Bundesebene durch                                       nisse angewiesen.
5
 Darunter sind Personenkreise zu verstehen, die aufgrund ihrer körperlichen und/oder   Frauen) verletzlicher (vulnerabel) sind.
seelischen Konstitution (z. B. Behinderung, psychische Störung, Schwangerschaft, ho-   Siehe https://www.gbe-bund.de/glossar/Vulnerable_Personengruppen.html
hes Alter) oder/und aufgrund ihrer besonderen sozialen Situation (z. B. obdachlose

                                                                                                           Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |            17
Das Gesundheitssystem zeichnet sich durch eine             Datengrundlagen sind für die Forschung von zentraler
grosse Anzahl von Anspruchsgruppen mit klar erkenn-        Bedeutung. Auch hier besteht in der Schweiz Nachhol-
baren Interessen aus. In solch einem Umfeld haben          bedarf. Gerade die Versorgungsforschung wird darauf
politische Lösungen nur dann Realisierungschancen,         angewiesen sein, dass die Datengrundlagen vollstän-
wenn sie auf möglichst objektiven und neutralen wis-       diger und verknüpfbarer werden. Gestützt auf die Stra-
senschaftlichen Grundlagen basieren. Die Ressortfor-       tegie Gesundheit2020 werden derzeit zwei neue Da-
schung hat damit auch die Aufgabe, diese Grundlagen        tenquellen aufgebaut: Zum einen konzipiert das Bun-
zu liefern.                                                desamt für Statistik eine Statistik der ambulanten Ver-
                                                           sorgung (MARS), zum anderen entsteht im Bundesamt
Die vielseitigen Herausforderungen zeigen bereits ein      für Gesundheit eine Versichertendatenbank, die alle
breites Themenspektrum für die Ressortforschung und        Leistungsbezüge und Kosten auf individueller Basis
Gesundheitsforschung der kommenden Jahre auf. In           enthalten wird (BAGSAN).
der Folge werden bestimmte Forschungstypen ver-
mehrt in den Vordergrund rücken:                           Auf die (Ressort-) Forschung im Bereich Gesundheit
 Versorgungsforschung: Die Versorgungsforschung           kommen in den nächsten Jahren grosse Herausforde-
   muss sich in der Schweiz weiter entwickeln (siehe       rungen zu. Allerdings muss sie diese nicht alleine be-
   Kapitel 3.2), denn ihre Ergebnisse sind für die Ge-     wältigen. Sie wird unterstützt und begleitet von der
   sundheitspolitik von unmittelbarem Nutzen. Der          Evaluations- und Wirksamkeitsforschung sowie von
   Bundesrat hat daher auch das Nationale For-             den Arbeiten zahlreicher weiterer Partner wie zum Bei-
   schungsprogramm «Versorgungsforschung (Smar-            spiel dem Bundesamt für Statistik (BFS), dem Schwei-
   ter Health Care)» bewilligt.                            zerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) oder
 Monitoring als elementare Form der Wirksamkeits-         den Hochschulen.
   prüfung: Es gibt bereits zahlreiche Monitoringsys-
   teme. Sie sind aber noch wenig aufeinander abge-
   stimmt und weisen Lücken auf. Eine erhöhte Trans-
   parenz ist eines der vordringlichsten Anliegen einer
   evidenzbasierten Gesundheitspolitik.
 Wirksamkeitsforschung und Wirksamkeitsprüfung
   (Evaluation): Zentral für jede Gesundheitspolitik ist
   die Wahl wirksamer Strategien und Massnahmen
   auf der Basis verfügbaren Wissens. Zudem muss
   staatliches Handeln zwecks Optimierung des Han-
   delns und zwecks Rechtfertigung gegenüber der
   Öffentlichkeit evaluiert werden.
 Vergleichende Forschung: Alle Länder haben
   unterschiedliche Gesundheitssysteme. In der
   Schweiz gibt es zudem grosse interkantonale
   Unterschiede. Daraus ergeben sich für Länder und
   Kantone grosse Erfahrungsreservoirs. Aus dem
   Vergleich zwischen Ländern oder Kantonen lassen
   sich Erkenntnisse gewinnen über die Effizienz und
   Qualität von Systemen.
 System- und Regulierungsforschung: Das Gesund-
   heitssystem braucht mehr Steuerbarkeit und Steu-
   erung. Diese muss sich in die gewachsene Tradi-
   tion des Föderalismus, der direkten Demokratie und
   der Gesundheitspolitik einordnen.

18 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
4. Forschungsschwerpunkte und prioritäre
   Themen

Die Prioritätensetzung 2017–2020 fokussiert einer-       ckelt, neuartige antimikrobielle Therapieansätze er-
seits auf die Kontinuität relevanter Vorhaben der Res-   forscht sowie Interventionsmassnahmen vorgeschla-
sortforschung, namentlich in den Bereichen übertrag-     gen werden. In Anbetracht der Mobilität der Resistenz-
bare und nichtübertragbare Krankheiten, Lebensmit-       gene zwischen Mensch, Tier und Umwelt strebt das
telsicherheit, Sucht und Biomedizin sowie die Evalua-    NFP einen umfassenden, disziplinenübergreifenden
tion der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzie-     Ansatz gemäss dem sogenannten «One-Health-Kon-
rung. Andererseits liegt das Augenmerk auf der Wis-      zept» an.
sensbeschaffung im Rahmen der nationalen Instru-         Siehe www.nfp72.ch
mente der Forschungsförderung:
 der Nationalen Forschungsprogramme «Gesund-
    heitsversorgung» (NFP 74) sowie «Antimikrobielle
                                                               Evaluation der KVG-Revision im
    Resistenz» (NFP 72),
 der Kohortenstudien des Schweizerischen Natio-               Bereich der Spitalfinanzierung
    nalfonds SNF (Transplantation, HIV/Aids, ältere
    Menschen, …) sowie                                   Im Januar 2009 ist die Revision des Bundesgesetzes
 der unabhängigen klinischen Forschung (KLIF), die      über die Krankenversicherung (KVG) im Bereich der
    vom SNF unterstützt wird.                            Spitalfinanzierung in Kraft getreten. Ein Ziel der Revi-
                                                         sion ist es, das Kostenwachstum im Spitalbereich bei
                                                         mindestens gleichbleibender Qualität der Gesund-
      NFP 74 «Gesundheitsversorgung»                     heitsversorgung einzudämmen. Entsprechende Mass-
                                                         nahmen werden mehrheitlich seit Anfang 2012 umge-
                                                         setzt. So erfolgt beispielsweise die Abrechnung im
Das NFP «Gesundheitsversorgung» (Kostenrahmen
                                                         akutsomatischen stationären Spitalbereich seither mit
CHF 20 Mio.) hat zum Ziel, Erkenntnisse zur Struktur
                                                         leistungsbezogenen Fallpauschalen (SwissDRG) und
und Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung in
                                                         die Kantone beteiligen sich rund zur Hälfte an den Kos-
der Schweiz zu gewinnen. Im Zentrum des Programms
                                                         ten der stationären Behandlungen.
steht die Optimierung der Ressourcenzuteilung durch
                                                         Die Auswirkungen der Revision werden im Auftrag des
Verminderung der Unter- und Überbeanspruchung von
                                                         Bundesrates in den Jahren 2012 bis 2019 mit einer
Leistungen. Ein besonderer Schwerpunkt soll zudem
                                                         Evaluation untersucht. Vier Themenbereiche stehen
auf der Prävention und Behandlung von mehrfachen
                                                         dabei im Zentrum: Qualität, Kosten und Finanzierung,
chronischen Erkrankungen liegen. Schliesslich soll
                                                         Verhalten der Spitäler sowie Spitallandschaft.
das NFP dazu beitragen, Verfügbarkeit, Verknüpfung
                                                         Siehe www.bag.admin.ch/EvalSpitalfinanzierung.
und Vergleichbarkeit von Gesundheitsdaten zu ver-
bessern.
Siehe www.nfp74.ch.
                                                               Prioritäre Themen der Ressortfor-
                                                               schung
      NFP 72 «Antimikrobielle Resis-
      tenz»                                              Die Ressortforschung bearbeitet Fragen im Zusam-
                                                         menhang mit dem Gesundheitsschutz der Bevölke-
                                                         rung, der Prävention und Gesundheitsförderung und
Das NFP «Antimikrobielle Resistenz» (Kostenrahmen
                                                         der Gesundheitsversorgung. Ein Überblick über die
CHF 20 Mio.) will einen Beitrag zur Verringerung der
                                                         Ressortforschung im BAG (mit Beiträgen des BLV und
antimikrobiellen Resistenz wie auch von deren negati-
                                                         des SECO) findet sich im Katalog der Ressortfor-
ven Auswirkungen auf die Behandlung von Infektions-
                                                         schungsthemen im BAG. Der Katalog ist eine separate
krankheiten leisten. Dazu sollen Kenntnisse über po-
                                                         Publikation in Ergänzung zum vorliegenden For-
tenzielle Reservoire und Übertragungsmechanismen
                                                         schungskonzept.
verbessert, neue Schnelldiagnosetechniken entwi-
                                                         Siehe www.bag.admin.ch/forschung.

                                                                       Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020 |   19
Nachfolgend findet sich eine kurze Übersicht über die                             Gesundheitsberufe und Bildung:
Schwerpunktthemen der Ressortforschung im BAG:
                                                                                  Gesundheitsberufe

Strahlenschutz:
                                                                                  Gesundheitsstrategien:
Monitoring und Evaluation der medizinischen Strahlen-
anwendungen in der Schweiz                                                        Monitoring und Begleitforschung der Umsetzung des
                                                                                  Bundesgesetzes über das elektronische Patientendos-
                                                                                  sier, Krebs, koordinierte Gesundheitsversorgung, Pa-
Chemikaliensicherheit:                                                            tientenpartizipation, Gesundheitliche Chancengerech-
                                                                                  tigkeit
Synthetische Nanomaterialien, Methoden zur Risiko-
beurteilung, Schadstoffbelastung, Schadstoffe in der
Innenraumluft                                                                     Kommunikation und Kampagnen:

                                                                                  Wirkungen von Kampagnen
Übertragbare Krankheiten:

HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten                                   Evaluation und Forschung:
bzw. Sexual Health, Forschungsanteile der Referenz-
laboratorien, Impfen, Forschung im Rahmen des revi-                               Evaluationen, Teilnahme der Schweiz an den interna-
dierten Epidemiengesetzes (EpG)                                                   tionalen Erhebungen des Commonwealth Fund

Prävention und Gesundheitsförderung:                                              Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV):

Monitoring-Systeme «Sucht» und «Nichtübertragbare                                 Tiergesundheit und Zoonosen, Lebensmittel und Ge-
Krankheiten (NCD)», Ursachen, Folgen und Massnah-                                 brauchsgegenstände
men zur Bekämpfung von NCD und Sucht

                                                                                  Arbeit und Gesundheit (SECO):
Forschung und Technologie in der Biomedizin:
                                                                                  Psychosoziale Risiken und Gesundheitsschutz am Ar-
Biologische Sicherheit im Zusammenhang mit ESV-re-                                beitsplatz, Stehen bei der Arbeit
levanten Tätigkeiten und B-Ereignissen6, Vollzug Hu-
manforschungsgesetz (HFG), Heilmittelrecht: Versor-
gungssicherheit und Anwendungssicherheit von Arz-
neimitteln, Transplantation, Fortpflanzungsmedizin

Kranken- und Unfallversicherung:

Krankenversicherung – Qualität und Wirtschaftlichkeit,
Risikoausgleich

6
    ESV: Einschliessungsverordnung; B-Ereignisse: biologische Schadenereignisse

20 | Forschungskonzept Gesundheit 2017–2020
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