Fortentwicklung der amtlichen Statistik - Empfehlungen des Statistischen Beirats für die Jahre 2022 bis 2026
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Fortentwicklung der amtlichen Statistik Empfehlungen des Statistischen Beirats für die Jahre 2022 bis 2026 25.10.2021
Einführung In Politik und Gesellschaft steigt die Nachfrage nach vertrauenswürdigen, aktuellen und steuerungsrelevanten Informationen kontinuierlich. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder stellen sich dieser Herausforderung, erheben grundlegende Statistiken zu Ent- wicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt und bieten so eine verlässliche Grund- lage für die Ausarbeitung, Umsetzung und Erfolgskontrolle politischer Maßnahmen in diesen Themenfeldern. Parallel zum Informationsbedarf selbst, steigt die Nachfrage nach aktuellen Daten in tiefer regionaler Gliederung. Die COVID-19-Pandemie hat diese Nachfrage noch stärker in den Vor- dergrund gerückt. Der Statistische Verbund konnte viele der durch die Pandemie entstehen- den Anforderungen nicht zuletzt durch die Nutzung neuer digitaler Datenquellen und Aus- weitung des interaktiven Datenangebots erfüllen. Nichtsdestotrotz konnte er nicht allen Be- darfen gerecht werden. Der steigende Informationsbedarf und die zunehmende Nachfrage nach aktuelleren und de- taillierteren Daten verdeutlichen die Notwendigkeit der Fortsetzung des bereits begonne- nen Modernisierungsprozesses im Statistischen Verbund. Der eingeschlagene Weg der Transformation des Statistischen Bundesamtes vom traditionellen Statistikproduzenten zu einem modernen Datenmanager und Informationsdienstleister nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten und im Einklang mit einer klaren Datenstrategie muss fortgesetzt wer- den. Gleichwohl müssen für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zentrale und wich- tige Datenerhebungen weiterhin in hoher Qualität durchgeführt werden, damit die statisti- schen Ämter ihrem gesetzlichen Auftrag auch weiterhin gerecht werden können. In diesen Empfehlungen werden vier Handlungsfelder einer entsprechenden Fortentwick- lung des Statistischen Verbundes in der 20. Legislaturperiode aufgeführt: I. Fortentwicklung des Statistikprogramms II. Konsequente Nutzung der Digitalisierung III. Potenziale der Registerlandschaft nutzen IV. Fortentwicklung der Aufgaben: Analyse und Kompetenzen 2
I. Fortentwicklung des Statistikprogramms Das Statistische Programm muss stärker auf die Informationsbedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet sein, um die Relevanz der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder als unabhängige und vertrauensvolle Daten- und Informationsdienstleister zu stei- gern. Damit die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder schnell und flexibel auf neue In- formationsbedarfe reagieren können, werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: (1) Der Rechtsrahmen soll über einzelstatistische Zwecke hinaus fortentwickelt werden. Neue Statistikgesetze sollten auf die Ziele der jeweiligen Statistiken ausgerichtet sein. Ein stetes Ziel der amtlichen Statistik muss sein, die damit einhergehenden bürokratischen Belastungen zu minimieren. Die Art und Weise der Erhebungen soll- ten so ausgewählt werden, dass dieses Ziel unterstützt wird. Die Übertragung der Daten durch die Berichtenden sollte möglichst automatisiert werden. Dies sollte Be- rücksichtigung bei der Vorlage neuer statistischer Gesetze finden. (2) Ein rechtlicher Zugang zu privaten, bei Unternehmen elektronisch vorliegenden Da- tenbeständen (wie Mobilfunk-, Kreditkarten-, Scanner- und Satellitendaten oder Daten von Internetplattformen) sollte – sofern zur Zielerreichung sinnvoll – in ano- nymisierter Form ermöglicht werden, um einerseits die Aussagekraft, Relevanz, Ge- nauigkeit und Aktualität amtlicher Statistiken weiter zu steigern und andererseits Befragte zu entlasten. Der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der pri- vaten Unternehmen soll dabei ausreichend Berücksichtigung finden. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die es den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder und anderer Produzenten amtlicher Statistiken er- möglicht, bei Unternehmen vorliegende Daten zu erhalten und deren Qualität auf ihre Eignung für statistische Zwecke zu prüfen. Für die Unternehmen muss die Bereitstellung der Daten einen geringen finanziellen (z. B.: Kosten für eine spezielle Software) und bürokratischen Aufwand bedeuten. (3) Die Verfügbarkeit aktueller Daten zu besonders relevanten Themen soll mit Nach- druck verfolgt werden. Neben der Novellierung der bestehenden Rechtsgrundlagen bedarf dies u.a. ei- ner wissenschaftlich begleiteten Weiterentwicklung des Erhebungsprogramms und der Methodik des Mikrozensus. Bei der Modernisierung statistischer Erhebungen muss jeweils geprüft werden, welche steuerungsrelevanten Daten fehlen und welche Merkmale im Gegenzug wegfallen können. Datenzugangswege, Aufbereitungsverfahren und Verbreitungskanäle müssen weiterentwickelt werden, um Daten und Statistiken schneller und gegebenen- 3
falls in höherer Frequenz bereitzustellen und Potenziale für Qualitätsverbesse- rungen auszuschöpfen. So werden beispielsweise in der Preisstatistik Scanner- daten genutzt, um die Datenqualität sicherzustellen bzw. auszubauen. (4) Die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und die Analyse der Auswirkungen ergrif- fener politischer Maßnahmen hat den Bedarf an zeitnah zusammengeführten Mikro- datensätzen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen, verdeutlicht. Die in den Forschungsdatenzentren gewonnenen positiven Erfahrungen mit der Zusammen- führung von Mikrodatensätzen aus unterschiedlichen Quellen und deren Anwendun- gen in wissenschaftlichen Analysen sollten auf andere Produzenten amtlicher Sta- tistiken bzw. den dort zur Verfügung stehenden Datensätzen ausgeweitet werden. 4
II. Konsequente Nutzung der Digitalisierung Die Digitalisierung ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der amtlichen Statistik. Sie ermöglicht die Automatisierung und Beschleunigung wichtiger Schritte des Pro- duktionsprozesses von Statistiken und ersetzt an vielen Stellen die manuelle Aufbereitung von Informationen. Zudem können dadurch neue Datenräume erschlossen werden, deren Nutzung Auskunftgebende entlastet und neue Informationsquellen eröffnet. Damit die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder die Chancen der Digitalisierung ergreifen und sich als moderne Datenmanager positionieren können, werden folgende Emp- fehlungen ausgesprochen: (5) Die Nutzung des Internets als Erhebungsraum (z.B. durch Web Scraping) und der Ein- satz neuer Möglichkeiten der Datenerhebung (bspw. durch die Nutzung von Apps) sollen ausgebaut und die Rechtssicherheit der Verfahren sichergestellt werden. Dafür müssen bspw. automatisierte Abrufe durch die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder und anderer Produzenten amtlicher Statistiken bei Da- tenanbietern im Internet möglich sein. Die gezielte Nutzung von neuen digitalen Daten und die Einführung neuer be- lastungsarmer Erhebungsinstrumente sollen zu einer Senkung der mit den Be- richtspflichten verbundenen Kosten führen. (6) Neue und schnellere Arbeitsweisen der Statistikproduktion sollen etabliert werden. Dies soll einerseits durch einen Ausbau von Datenlaboren vorangetrieben werden, in denen alternative Möglichkeiten der Produktion von Statistiken analysiert und Anwendungsfälle erprobt werden. Andererseits sollen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zum Vorreiter für den flächendeckenden Einsatz von KI-Ver- fahren werden. Dazu müssen die rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere die Anforderun- gen der Datensicherheit und des Datenschutzes, mit den Bedürfnissen der amt- lichen Statistik in Einklang gebracht werden, wie bspw. das Zusammenführen von Personen-/Haushaltserhebungen untereinander und/oder mit Wirtschafts- statistiken und anderen externen Daten. (7) Eine zukunftsfähige und anforderungsgerechte IT-Infrastruktur muss geschaffen werden, die Datenverarbeitung und -bereitstellung mit standardisierten Schnittstel- len, modernsten Methoden (wie KI) und cloudbasiertes Arbeiten ermöglicht. Dafür sind im Statistischen Verbund sowohl Investitionen in die IT-Infrastruktur als auch Transformationsressourcen für den Aufbau neuer IT-Komponenten so- wie die Implementierung digitaler Prozesse für existierende Anwendungen not- wendig. Die finanzielle Ausstattung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder muss erheblich verbessert werden, um qualifiziertes IT-Personal zu hal- ten und zu rekrutieren. 5
III. Potenziale der Registerlandschaft nutzen Die Registerlandschaft in Deutschland zu modernisieren ist Bestandteil der Datenstrategie der Bundesregierung und entspricht der Zielsetzung des Statistischen Bundesamtes. Durch die mehrdimensionale Nutzung von Registern können einfachere, bessere und krisensichere Statistiken bereitgestellt werden. Gleichzeitig können Bürgerinnen und Bürger sowie Unter- nehmen durch die Umsetzung des Once-Only-Prinzips entlastet werden. Um die Veröffentlichung qualitativ hochwertiger Informationen bei gleichzeitiger Bürokra- tieentlastung der Auskunftgebenden konsequent fortzuführen, werden folgende Empfeh- lungen ausgesprochen: (8) Erfolgreiche Etablierung des Registerzensus durch die Statistischen Ämter des Bun- des und der Länder. Erprobung und Einführung eines Registerzensus sowie Aufbau eines Gebäude- und Wohnungsregisters und eines Bildungsregisters müssen u.a. durch Schaf- fung von Rechtsgrundlagen, Aufgabenübertragung und Ressourcen unterstützt werden. (9) Register sollen ertüchtigt und für die amtliche Statistik nutzbar gemacht werden, um Primärerhebungen durch Register zu ersetzen. Die damit verfolgten Ziele müs- sen unter anderem in der Berücksichtigung der Mehrfachnutzung von Daten und der Verbesserung der Datenqualität liegen. Diese Ziele sollten bei allen künftigen Ge- setzesinitiativen, die in Deutschland mit der Erhebung und Nutzung von Daten zu tun haben, eine zentrale Rolle spielen. Dies bedarf der Einführung von eindeutigen Identifikatoren, insbesondere für Personen, Unternehmen und Wohnungen, die eine anonymisierte Verknüpfung von Registern auch jenseits der Zwecke des Registerzensus ermöglichen (bspw. für ein Bildungsverlaufsregister oder ein Gebäude- und Wohnungsregister). Bei der der Ertüchtigung der Register ist eine enge Einbindung der betroffenen Stellen notwendig. (10) Mit dem jüngst beschlossenen Gesetz zur Errichtung und Führung eines Basisregis- ters in Deutschland (Unternehmensbasisdatenregistergesetz, UBRegG) werden frühere Überlegungen des Statistischen Beirats zur bundeseinheitlichen Wirt- schaftsnummer aufgenommen. Um seinen vollen Nutzen für die Statistik, die Verwaltung und die Unternehmen zu entfalten, sollte geprüft werden, ob – parallel zur Umsetzung der im jetzigen Referentenentwurf genannten Maßnahmen – eine vollständige Umsetzung der Merkmalsliste und eine umfassende Vergabe des Legal Entity Identifier (LEI) für rechtliche Einheiten über das Basisregister erfolgen kann. Dies entspricht auch den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Entlastungen für Unternehmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einberufen wurde. 6
IV. Fortentwicklung der Aufgaben: Analyse und Kompetenzen Die amtliche Statistik stellt objektive und fachlich unabhängige Statistiken zur Verfügung, damit sich jede und jeder ein fundiertes Bild über Deutschland machen kann und demokra- tische Entscheidungen auf Basis hochwertiger öffentlicher Daten getroffen werden können. Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft haben einen gleichberechtigten und nut- zendenfreundlichen Zugang zu diesen Informationen. Damit Datenzugang und Umgang mit Daten im Sinne eines Datenmanagements fortentwi- ckelt werden können, werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: (11) Die Analysetätigkeit der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sollte ver- stärkt werden, wie auch die Zusammenarbeit der amtlichen Statistik mit der Wis- senschaft. Eigene unabhängige wissenschaftliche Forschung soll im Statistischen Bundesamt etabliert werden. Dies erfordert die rechtliche Verankerung von Forschung als Aufgabe des Sta- tistischen Bundesamtes im Bundesstatistikgesetz (BStatG). (12) Durch eine Erweiterung des Leistungsspektrums der Forschungsdatenzentren und dem Ausbau von Möglichkeiten zum Remotezugriff soll eine stärkere Verzahnung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder mit der Wissenschaft und ein ver- besserter Datenzugang für die Wissenschaft geschaffen werden. Mikrodaten sollten im Einklang mit Statistik- und Datenschutzrecht möglichst vollständig und aktuell zur Verfügung gestellt werden. Dies erfordert eine Modernisierung und bessere finanzielle und personelle Aus- stattung der Forschungsdatenzentren. (13) Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sollten den Ausbau von Data Literacy sowohl innerhalb als auch außerhalb der öffentlichen Verwaltung voran- treiben. Dies bedarf einer Intensivierung des Austauschs mit Wissenschaft, Schulen und Expertinnen und Experten für Data Literacy. 7
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