Digitally supported interprofessional cooperation in the outpatient setting: needs, expectations and barriers in occupational therapy, speech ...

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Digitally supported interprofessional cooperation in the outpatient setting: needs, expectations and barriers in occupational therapy, speech ...
INTERNATIONAL JOURNAL OF HEALTH PROFESSIONS
                  Volume 8, Issue 1, 2021, Pages 20–36, ISSN 2296-990X, DOI: 10.2478/ijhp-2021-0003

Digitally supported interprofessional cooperation in the
outpatient setting: needs, expectations and barriers in
occupational therapy, speech therapy and physiotherapy –
a qualitative study

Digital unterstützte interprofessionelle Zusammenarbeit im
ambulanten Setting: Bedarfe, Erwartungen und Barrieren
in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie – eine
qualitative Studie

Leonie Schouten1*, Mareike Haensch1, Ina Lüddecke1,
Sylvia Petrovic1, Laura Haase1,
Franziska Zimmermann1, Axel Schäfer1

     1
      HAWK – Hochschule für angewandte Wissenschaft und
     Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen,
     Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, Master-Studien-
     gang Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie; 31134
     Hildesheim, Deutschland
     * leonie.schouten@web.de

Received 9 May 2020, accepted 12 March 2021

Abstract
Complex clinical pictures, networking of the professional groups, and digitalization of the health care system make high demands on health
professionals in Germany, especially regarding interprofessional collaboration. The study aims to investigate therapist’s needs, expectations,
concerns, and ideas, how a digitally supported collaboration can facilitate these challenges in an outpatient setting. Using qualitative methods,
two focus groups were conducted. Therapists were initially asked about their perceptions of interprofessional collaboration and their current
use of digital media in their work life. The next step was to determine wishes and requirements for a digital medium to support interprofessional
collaboration. Applying Qualitative Text Analysis according to Kuckartz, statements were summarized in main categories like “Professional self-
image of health professionals”, “Concerns regarding interprofessional collaboration” and “Wishes for a digital medium”. Main categories were
consolidated into a concept map. The result is an initial definition of “digital interprofessional cooperation” which describes a digitally supported
interprofessional collaboration to improve communication and patient care. In addition, a framework was developed which represents the
therapists’ ideas about a digital medium. This framework contains basic conditions for use, e. g. data protection, as well as desired functions
and design ideas, like a forum and intuitive user interface. The results confirm barriers as found in literature and underline the discrepancy of
therapist’s wishes and the system’s possibilities. The initial definition of “digital interprofessional collaboration” introduces a new perspective
on interprofessional collaboration including digitalization in the health care system. The framework’s criteria can be incorporated into the
development of a first prototype.
Abstract
Komplexe Krankheitsbilder, die Vernetzung der Berufsgruppen sowie die Digitalisierung des Gesundheitswesens stellen hohe Anforderungen an
die Gesundheitsberufe in Deutschland, insbesondere in Hinblick auf die Umsetzung von interprofessioneller Zusammenarbeit. Ziel der Studie
ist, die Bedarfe, Erwartungen, Barrieren und Wünsche bezüglich einer digital unterstützten interprofessionellen Zusammenarbeit ambulanter
Praxen der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie (ELP) zu untersuchen, um diese Herausforderungen zu adressieren. Mittels qualitativer
Methoden wurden Therapeuten/-innen in zwei Fokusgruppen hinsichtlich ihrer Ansichten zur Interprofessionalität und dem aktuellen
Einsatz von digitalen Medien befragt und darauf aufbauend Wünsche und Anforderungen an ein digitales Medium zur Unterstützung der
interprofessionellen Zusammenarbeit (IZ) gesammelt. Mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz wurden die Kernaussagen entlang
von Hauptkategorien wie „Berufliches Selbstverständnis ELP“, „Barrieren IZ“ und „Wünsche an ein digitales Medium“ zusammengefasst und
die Kategorien in einer Concept-Map eingeordnet. Das Ergebnis umfasst eine erste Definition der „Digitalen Interprofessionalität“. Diese
beschreibt eine berufsgruppenübergreifende Arbeitsweise, unterstützt durch ein digitales Medium zur Verbesserung der Kommunikation
und der Patientenversorgung. Außerdem konnte aus den Aussagen der Teilnehmenden ein Framework generiert werden, welches zum einen
Rahmenbedingungen zur Nutzung, wie Abrechnungsmöglichkeiten und Datenschutzregelungen, beinhaltet. Zum anderen sind gewünschte
Funktionen sowie Gestaltungsideen abgebildet, beispielsweise ein Forum und intuitives Design. Die Ergebnisse der Studie bestätigen in
der Literatur angeführte Barrieren der IZ, vor allem durch die Heilmittelrichtlinien, und verdeutlichen die Diskrepanz von Wünschen und
Möglichkeiten. Mit der vorgeschlagenen Definition von digitaler Interprofessionalität wird, unter Einbezug der Digitalisierung, eine neue
Perspektive auf IZ zwischen ELP eröffnet. Das Framework bietet Kriterien, welche in die Entwicklung eines ersten Prototypens einfließen können.

  Open Access. © 2021 Leonie Schouten et al., published by Sciendo.                          This work is licensed under the Creative Commons
Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 License.
                                                                                                                                                        20
Keywords
     digitalization – interdisciplinarity – interprofessional – health professionals – occupational therapy – speech and language therapy – physical therapy –
     collaboration – digital media
     Keywords
     Digitalisierung – Interdisziplinarität – Interprofessionalität – Gesundheitsfachberufe – Ergotherapie – Logopädie – Physiotherapie – Zusammenarbeit,
     digitale Medien

     EINLEITUNG                                                                     Ausschreibungen und geförderten Projekten unter
                                                                                    Einbezug der Therapieberufe ELP. Beispiele dafür sind
     Durch die soziodemographischen und epidemiologischen                           die BMBF Richtlinie zur Förderung interdisziplinärer
     Veränderungen in Deutschland und der damit                                     Forschungsverbünde          zu        muskuloskelettalen
     einhergehenden starken Zunahme der Anzahl älterer,                             Erkrankungen (2019) und die Fortschritt-Hubs zur
     chronisch erkrankter und multimorbider Patienten/-                             Medizininformatik (2020). Außerdem wurden von
     innen und komplexer Versorgungssituationen sind die                            verschiedenen Landesämtern, wie zum Beispiel in
     Anforderungen an die Therapieberufe Ergotherapie,                              Bayern, Mittel zur Förderung innovativer medizinischer
     Logopädie, Physiotherapie (ELP) in den letzten                                 Versorgungskonzepte (IMVC) (Bayrisches Landesamt
     Jahrzehnten einem dynamischen Wandel unterworfen                               für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, 2019) und
     (Robert-Koch-Institut, 2015). Eine Konsequenz aus diesen                       in Niedersachsen für Zukunftslabore Digitalisierung
     gestiegenen Anforderungen, an das Gesundheitssystem                            (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und
     im Allgemeinen und die Therapieberufe im Besonderen,                           Kultur, 2019) ausgeschrieben. Hieraus entstand unter
     ist die Forderung nach einer stärkeren interprofessionellen                    anderem das Projekt „Zukunftslabor Gesundheit“
     und       interdisziplinären     Zusammenarbeit         der                    unter Leitung der Universitätsmedizin Göttingen
     Gesundheitsberufe in Versorgung und Forschung                                  (Universitätsmedizin Göttingen, 2019). Zum Thema
     (Wissenschaftsrat, 2012). Interprofessionell meint                             Interdisziplinarität fanden im Rahmen des Bund-Länder-
     hier die Zusammenarbeit der Professionen auf                                   Wettbewerbs des BMBF, Projektförderungen mit dem
     Versorgungsebene, interdisziplinär dagegen die                                 Thema „Offene Hochschulen – Aufstieg durch Bildung“
     Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Disziplinen. In                          statt (Boettcher et al., 2016; Hollweg et al., 2016). Der
     der Versorgung gestaltet sich eine interprofessionelle                         Hintergrund dieser Ausschreibungen und Projekte ist,
     Zusammenarbeit (IZ) durch die unmittelbare gemeinsame                          dass eine Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen
     Arbeit an Patienten/-innen, die übergeordneten                                 eine holistische Betrachtung der Patienten/-innen fördern
     patientenorientierten Zielsetzungen der Behandlung und                         kann. Weiterhin kann über das gemeinsame Festlegen von
     eine verbesserte sektorenübergreifende Kommunikation                          Zielen ein fachlicher Austausch erfolgen und vielseitigere
     und Zusammenarbeit (Hollweg et al., 2016). Von den                             Behandlungsmethoden eingesetzt werden, sowie die
     diversen Berufsgruppen in der Gesundheitsversorgung                            Adhärenz der Patienten/-innen durch verbessertes
     werden in der vorliegenden Studie beispielhaft                                 Vertrauen in die therapeutische Arbeit gestärkt werden
     die Berufsgruppen ELP als Heilmittelerbringer                                  (WHO, 2010).
     betrachtet, da diese viele Überschneidungen in                                 Aus ökonomischer Sicht besteht das Ziel der IZ darin, die
     Klientel und Behandlungskonzepten aufweisen. Die                               Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung
     Studienteilnehmer/-innen verwendeten den Begriff                               zu verbessern und die Arbeitszufriedenheit der
     „interdisziplinär“, dieser wurde daher in den Zitaten der                      Angehörigen der Gesundheitsfachberufe zu steigern
     Interviews beibehalten.                                                        (Kuhlmey, 2011). Die Umsetzung von IZ wird jedoch
     Die Ergebnisse eines aktuellen Cochrane Reviews zeigen,                        durch fehlende Kapazitäten, negative Einstellungen der
     dass die interprofessionelle Zusammenarbeit positive                           Akteure sowie strukturelle und gesetzliche Grenzen
     Effekte auf die Prozessqualität der Versorgung und                             und unzureichende Rahmenbedingungen erschwert
     gesundheitsbezogene Outcomes haben kann (Reeves et                             (Grunwald & Höppner, 2013). Die unzureichenden
     al., 2017). Aus diesem Grund wird der stärkere Einbezug                        Rahmenbedingungen im ambulanten Setting zeigen sich
     interprofessioneller und interdisziplinärer Aspekte                            beispielsweise an fehlenden Abrechnungsposition für
     in das Medizinstudium und in die Ausbildungswege                               interprofessionelle Kommunikation und Koordination
     anderer Gesundheitsberufe empfohlen, um die                                    und der Abwesenheit von formellen Prozessmodellen
     Gesundheitsversorgung        durch     Optimierung      der                    für die Arbeitsabläufe und Aufgabenverteilungen
     Kommunikation und Kooperation zwischen den                                     (Bundesamt für Gesundheit, 2019). Für eine gelingende
     beteiligten Professionen zu verbessern (Wissenschaftsrat,                      Zusammenarbeit sollten sowohl gesetzliche und
     2018). Eine zunehmende Bedeutung interdisziplinärer                            strukturelle Möglichkeiten geschaffen werden als auch
     Zusammenarbeit zeigt sich weiterhin in aktuellen                               die persönlichen Kompetenzen der Therapeuten/-innen

21
INTERNATIONAL
INTERNATIONAL JOURNAL
              JOURNALOF
                      OFHEALTH
                        HEALTHPROFESSIONS
                               PROFESSIONS

Tabelle 1: Auszug von Praxisprogrammen für Praxen der ELP im Vergleich (eigene Darstellung).

                                                                                                                                                                                                  Zusammenarbeit/ Austausch mit
                                                                                                                                            Gerätemöglichkeiten ((x) = mit
                                                         Patienten/-innenverwaltung

                                                                                                                                            Funktionseinschränkung)

                                                                                                                                                                                                  anderen Berufsgruppen
                                                                                                                                                                             Personalverwaltung
                                                                                      Medienverwaltung

                                                                                                               Dokumentation
                                         Terminplanung

                                                                                                                               Abrechnung
              Medifox                        √                   √                        √                        √              √                    3                          √                          √
   Sovdwear – THEORG Software                √                   √                        √                        √              √                 (3)                           √                  x (√)
      Buchner (STARKE Praxis)                √                   √                     (√)                         √              √                    3                          √                          x
              PraxWin                        √                   √                     (√)                         √              √                    3                          x                          x
               Adad                          √                   √                         x                       √              √                    1                          √                          x
Die Gerätemöglichkeiten zeigen, wie viele der Endgeräte (PC, Tablet, Smartphone) kompatibel sind.
Die Zusammenarbeit bei medifox besteht aus einer Sharing-Funktion für die ambulante Pflege mit Ärzten/-innen und Angehörigen, Theorg hat
eine Kommunikation-Funktion geplant.

ausgebildet werden und eine Offenheit der Beteiligten                                                    dass es technische Lösungen gibt (siehe Tabelle 1).
zur Kooperation gegeben sein (Klapper, 2017). Die                                                        Eine solche Vernetzung könnte die Möglichkeit zu
benötigten Kompetenzen der Akteure umfassen                                                              einem verbesserten Informationsaustausch und einer
Flexibilität, Eigenverantwortlichkeit unter Beachtung                                                    effizienteren Patienten/-innenversorgung bieten. Zudem
der übergeordneten Therapieziele, “vernetztes Denken”                                                   wird davon ausgegangen, dass langfristig auch eine
und Kommunikation. Ergänzt werden diese um das                                                           Kostenreduktion erreicht werden kann (Lux, 2019).
Wissen der eigenen Rolle und die der anderen beteiligten                                                 Diese Verbesserungspotenziale werden, im Gegensatz
Professionen, sowie Kenntnisse über die gesamten                                                        zum organisatorischen Nutzen, von Anwender/-innen
Versorgungsstrukturen (Klapper, 2017).                                                                   jedoch bisher nicht gesehen (Karbach & Reiher, 2017).
Derzeitig muss der Stand der IZ in Deutschland zwischen                                                  Die zurückhaltende Einstellung der Anwender/-innen,
den Therapieberufen ELP als ungenügend angesehen                                                        welche die digitale Entwicklung hemmt, liegt in der
werden (Deutsche Vereinigung für Rehabilitation,                                                        Überforderung, fehlenden angemessenen Aus- und
2016; Grunwald & Höppner, 2013; Kuhlmey, 2011;                                                           Weiterbildungsangeboten, bisher nicht nachgewiesener
Lambrecht, 2009). Ein Grund dafür könnten die                                                           Kosteneffizienz und den hohen Anforderungen durch
bestehenden unzureichenden Kommunikationskanäle                                                          Datenschutz (Lauterbach & Hörner, 2019).
über analoge Technik, wie Telefon und Fax sein (Deimel                                                  Zu den unabhängig identifizierten Barrieren der IZ
& Fritz, 2017). Angesichts der voranschreitenden                                                         und Digitalisierung fehlen bisher Erkenntnisse, wie
Digitalisierung und der mit dem E-Health-Gesetz                                                          Angehörige der Therapieberufe ELP Interprofessionalität
geforderten technischen Innovationen und Vernetzungen                                                    in ihrem Arbeitsalltag erleben und welche Bedarfe,
im     Gesundheitswesen      (Bundesministerium      für                                                Erwartungen, Barrieren und Wünsche im Hinblick auf
Gesundheit, 2019) zeigt sich im Gegensatz zu anderen                                                     die Digitalisierung bestehen. An dieser Wissenslücke
Branchen eine hohe Systemineffizienz (Baierlein,                                                         setzt die vorliegende Studie an und untersucht Ansichten
2017). Technische Potenziale von bereits erhältlichen                                                    von Therapeuten/-innen, wie IZ im ambulanten Setting
Organisationsmedien oder Therapie-Softwares werden                                                       zwischen ELP unter bisher hemmenden Bedingungen, wie
nicht ausgeschöpft (Baierlein, 2017) und unterstützen                                                   räumlicher Distanz und unterschiedlichen Zeitsystemen
eine interprofessionelle Vernetzung nicht.                                                               möglich wird. Unter der Forschungsfrage „Wie stellen
Im Rahmen einer Internetrecherche zeigte sich, dass die                                                  sich die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe ELP
zurzeit erhältlichen Praxisprogramme die Organisation                                                    eine berufsübergreifende Zusammenarbeit im ambulanten
innerhalb der individuellen Praxis ermöglichen, jedoch                                                   Setting unterstützt durch digitale Medien vor?“ wurde das
keine Vernetzungsoptionen zwischen den Praxen, bzw.                                                      Ziel angestrebt, eine digital unterstützte IZ zwischen den
den dort arbeitenden Therapeuten/-innen anbieten,                                                        ambulanten Praxen der ELP in Deutschland in Bezug auf
auch wenn sich in anderen Berufsgruppen zeigt,                                                           die Art der Umsetzung sowie förderliche und hinderliche

                                                                                                                                                                                                                                  22
Faktoren zu beschreiben. Des Weiteren bestand das Ziel,       Der im Vorfeld der Studie erstellte semistrukturierte
     Kriterien für ein digitales Medium in einem geeigneten       Leitfaden wurde in zwei Pre-Tests in Kleingruppen
     Ordnungsrahmen darzustellen, wofür das Framework             (2–3 Therapeuten/-innen ELP) erprobt. Die erstellten
     gewählt wurde.                                                Postskripte der Pre-Tests sowie der ersten Fokusgruppe
                                                                   wurden für die Anpassung und Weiterentwicklung
     METHODISCHES VORGEHEN                                         des Leitfadens genutzt. Ein Ausschnitt aus dem
                                                                   semistrukturierten Leitfaden ist in Tabelle 2 dargestellt. Die
     Entsprechend       der     beschriebenen        Zielsetzung   Fokusgruppen starteten jeweils mit einer Aufwärmphase,
     sollten neben der übergeordneten Fragestellung                in der das Vorgehen erklärt wurde und die Teilnehmer/-
     folgende Fragestellungen beantwortet und mit dem              innen sich vorstellen konnten. Zum thematischen
     Forschungsdesign verfolgt werden: Wie gestaltet sich der      Einstieg in die Fokusgruppen lasen die Teilnehmer/-
     Bedarf an IZ sowie der Verwendung digitaler Medien bei        innen einen Text, der einen Überblick zu den An- und
     den Gesundheitsfachberufen ELP aus Sicht der befragten        Herausforderungen der IZ für ELP gab (vgl. Anhang).
     Therapeuten/-innen? Welche Barrieren bestehen laut            Als thematische Überleitung wurden in einem zweiten
     diesen in der interprofessionellen Zusammenarbeit             Input Bilder digitaler Medien besprochen. Die Diskussion
     und bei der Verwendung digitaler Medien und wie               der Themenbereiche wurde durch Moderationskarten
     kann diesen entgegengewirkt werden? Wie lässt sich            visualisiert. Am Ende der jeweiligen Fokusgruppen
     berufsübergreifende Zusammenarbeit mit digitalen              wurden die Themen durch Ordnen der Karten in einer
     Medien auf einer Metaebene beschreiben?                       Übersicht zusammengeführt. Die Fokusgruppen wurden
     Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde                   von einer Forscher/-in durchgeführt, die jeweils von zwei
     ein qualitatives Studiendesign in Anlehnung an die            Teammitgliedern (Kameraführung, Verschriftlichung der
     Vorstufen der Partizipation (5. Stufe) des Stufenmodells      diskutierten Themen) unterstützt wurde.
     zur Partizipation für Gesundheitsförderung von Wright
     et al. (2010) ausgewählt. Durch die partizipative             Datenauswertung
     Herangehensweise wird eine gemeinsame Gestaltung
     des Untersuchungsprozesses ermöglicht, in welchem             Die Fokusgruppen wurden mit Audio- und
     Studienteilnehmer/-innen als Berater/-innen im Sinne der      Videoaufnahmen dokumentiert. Die Videoaufzeichnung
     informierten Mitsprache fungieren (Chambers, 2008). Als       diente ausschließlich der sprachinhaltlichen Zuordnung
     Erhebungsmethode wurde das Fokusgruppeninterview              der Teilnehmer/-innen. Die anschließende Transkription
     gewählt, welches das Ziel verfolgt, Themen möglichst          des gesamten Materials erfolgte in Anlehnung an
     facettenreich zur Sprache zu bringen, sich so besonders zur   Dresing und Pehl (2015). Die Personendaten und
     Rekonstruktion von Wissensbeständen eignet und durch          Ortsangaben wurden anonymisiert. Die anschließende
     gruppendynamische Effekte die Auskunftsbereitschaft           Datenanalyse wurde in Anlehnung an die inhaltlich
     der Teilnehmer/-innen fördert (Schulz, 2012; Zwick,           strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz
     2012). Der Studienbericht folgt den Empfehlungen der          (2018) mithilfe der Software MAXQDA-12 in einem
     Consolidated criteria for reporting qualitative research      mehrstufigen Verfahren der Kategorienbildung und
     (COREQ; Tong et al., 2007).                                   des konsensuellen Codierens durchgearbeitet und
     Insgesamt fanden zwei Fokusgruppeninterviews zwischen         abschließend kategorienbasiert entlang der gebildeten
     September und Oktober 2019 statt. Diese wurden in zwei        Hauptkategorien (HK) und Subkategorien (SK) von den
     Städten in Norddeutschland in einer Institution und einer     beteiligten Forscher/-innen ausgewertet (siehe Abbildung
     ambulanten Praxis durchgeführt.                              1). Hierbei wurde das Material einer Fokusgruppe von je
                                                                   drei Forscher/-innen unabhängig voneinander gelesen,
     Studienteilnehmer/-innen und Datenerhebung                    bedeutende Textstellen markiert und Memos dazu
                                                                   verfasst. Im nächsten Schritt wurden die HK deduktiv
     In die Studie wurden Teilnehmer/-innen eingeschlossen,        mit Blick auf die Leitfragen gebildet, sowie induktiv
     die sich hinsichtlich ihrer Berufszugehörigkeit (ELP),        SK aus dem Material entwickelt. Daran anschließend
     Berufserfahrung (mindestens 1 Jahr seit Examen)               wurden in den Gruppen Übereinstimmungen geprüft
     und beruflichen Rolle (Angestellte, Praxisinhaber/-in)        und strittige Codierungen diskutiert und konsensuell
     unterschieden. Die Rekrutierung von Teilnehmenden             abgestimmt. Noch bestehende Unstimmigkeiten wurden
     erfolgte durch Mitglieder des Forschungsteams                 interprofessioneller Forscher/-innenteam geklärt. Im
     über die direkte Kontaktaufnahme zu Praxen und                abschließenden Schritt wurden nach Kuckartz (2018)
     Therapeuten/-innen, sowie über den E-Mail-Verteiler           die HK und SK definiert und auf das gesamte Material
     des Hochschulnetzwerks “Praxis Trifft Hochschule“ der         angewendet. Um thematische Relationen zwischen den
     HAWK Hildesheim.                                              Codes und Subcodes zu visualisieren, wurde eine Concept-

23
INTERNATIONAL
INTERNATIONAL JOURNAL
              JOURNALOF
                      OFHEALTH
                        HEALTHPROFESSIONS
                               PROFESSIONS

Tabelle 2: Ausschnitt aus dem überarbeiteten semistrukturierten Leitfaden.

     Verständnis & Erfahrungen interprofessioneller Zusammenarbeit
      Wie würden Sie interprofessionelle Zusammenarbeit beschreiben? Können Sie Situationen beschreiben, in denen Zusammenarbeit
      stattgefunden hat?
     Bedarf nach interprofessioneller Zusammenarbeit & digitalen Medien
      z.B. Gab es Situationen, in denen die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht bestand, diese aber nicht umgesetzt wurde?
      Welche digitalen Medien nutzen Sie bereits in ihrem Alltag?
     Bedarf an digitalen Medien zur Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit
      z.B. Welche Bedeutung könnten digitale Medien in der interprofessionellen Zusammenarbeit haben?
     Wünsche und Vorstellungen an ein digitales Medium
      z.B. Können Sie anhand eines Beispiels aus Ihrer Praxis Ideen für die Nutzung eines digitalen Mediums entwickeln?

Abbildung 1: Prozess der Datenauswertung nach Kuckartz (2018).

Map erstellt (Kuckartz, 2018). Die Kriterien und Wünsche                 Minuten, die zweite bei 1:39 Minuten. Die Teilnehmer/-
der Teilnehmenden für die Rahmenbedingungen und die                      innen wurden vorab über das Forschungsvorhaben,
Gestaltung eines digitalen Mediums zur Unterstützung                     die Datenerhebung und Auswertung informiert und
der IZ wurden mittels eines Frameworks geordnet und                      gaben ihr schriftliches, informiertes Einverständnis zur
visualisiert. Ein Framework dient dazu Perspektiven,                     Studienteilnahme.
strukturelle Abläufe oder Komponenten miteinander                        Im Prozess des konsensuellen Codierens und der
zu verknüpfen (ISO 19439, 2006). In dem Framework                        Kategorienbildung (siehe Abbildung 1) wurden durch
wurden ausgewählte HK transkriptnah herausgearbeitet                     die Forscher/-innen 12 HK (rot), einige strukturierend
und plastisch dargestellt.                                               in SK untergliedert, ausdifferenziert (siehe Tabelle
                                                                         4). Zur Visualisierung der Beziehungen zwischen den
ERGEBNISSE                                                               Kategorien entstand durch die Forscher/-innen im
                                                                         Abstraktionsprozess eine Concept-Map (siehe Abbildung
Insgesamt beteiligten sich acht Therapeuten/-innen der                   2), welche die Ergebnisse aus beiden Fokusgruppen
Berufsgruppen ELP aus zwei Städten in Norddeutschland                    im Begriff der „digitalen Interprofessionalität“
an der Studie (siehe Tabelle 3). An der ersten Fokusgruppe               zusammenführte (grau). Die folgenden Ergebnisse stellen
(F1) nahmen fünf Therapeuten/-innen aus ambulanten                      die extrahierten HK aus dem codierten Material, jeweils
Praxen mit je ein bis drei Professionen, an der zweiten                  mit Aussagen der Teilnehmenden aus den Fokusgruppen
Fokusgruppe (F2) drei Therapeuten/-innen einer                           angeführt, dar. Dabei liegt der Fokus der Darstellung auf
interprofessionellen Praxis ELP mit zwei Standorten teil.                einer ergebnisreichen Beschreibung zur Beantwortung
Die Interviewdauer bei der ersten Fokusgruppe lag bei 1:35               der Forschungsfragen. Die Gliederung erfolgt nach den

                                                                                                                                            24
Tabelle 3: Darstellung des Samples.

                                     Teilnehmer/in
             Gruppe                                                 Art der Tätigkeit                   Tätigkeitsfeld               Softwarenutzung
                                  (inkl. Berufsgruppe)
                                     Therapeutin 1,                                               Teilprofessionelle Praxis
                                                                       Angestellte                                                             √
                                            PT                                                               (E/P)
                                     Therapeutin 2,
                                                                       Angestellte                    Ambulante Praxis
                                          BSc. ET
                                     Therapeutin 3,                                               Teilprofessionelle Praxis
              F1                                                       Angestellte                                                             √
                                            ET                                                               (E/P)
                                     Therapeutin 4,                                                Vollinterprofessionelle
                                                                     Praxisinhaberin
                                         MSc. LP                                                            Praxis
                                     Therapeutin 5,
                                                                       Angestellte                    Ambulante Praxis
                                          BSc. LP
                                      Therapeut 6,                                                 Vollinterprofessionelle
                                                                      Praxisinhaber                                                            √
                                            ET                                                              Praxis
                                      Therapeut 7,                                                 Vollinterprofessionelle
              F2                                                       Angestellter                                                            √
                                            PT                                                              Praxis
                                     Therapeutin 8,                                                Vollinterprofessionelle
                                                                       Angestellte                                                             √
                                          BSc. LP                                                           Praxis
     Durchschnittliches Alter (Mittelwert): 38,5 Jahre
     Durchschnittliche Berufserfahrung (Mittelwert): 12 Jahre
     Bezeichnung Berufsgruppe – PT: Physiotherapeut/-in, ET: Ergotherapeut/-in, LP: Logopäd/-in
     Bezeichnung Studium – BSc.: Bachelor of Science, MSc.: Master of Science
     Bezeichnung Tätigkeitsfeld – Ambulante Praxis: 1 Profession, teilprofessionelle Praxis: 2 Professionen, vollinterprofessionelle Praxis: 3 Professionen

     Themenbereichen interprofessionelle Zusammenarbeit,                          In F2 wurde die zeitgleiche Arbeit an einem Patienten
     digitale Medien in ELP und digital unterstützte IZ des                      (Co-Therapie) als IZ hervorgehoben. „Meine Frau hat
     (Fokusgruppen-)Leitfadens entlang der Argumentation                          eine schwer betroffene Patientin, wo häufiger dann die
     der Concept-Map.                                                             Mobilisation im Stehtisch stattfindet und die Logopädin
                                                                                  dann die Nahrungsanreichung mit der Patientin dann
     Interprofessionelle Zusammenarbeit                                           gemeinsam macht. Das ist denke ich, interdisziplinäre
                                                                                  Zusammenarbeit“ (Therapeut 6, F2).
     Berufliches Selbstverständnis                                                Das Wissen über die anderen Professionen, auf dem
                                                                                  die IZ basiert, ist eher oberflächlich und beeinflusst
     Die Forscher/-innen gehen aufgrund der Aussage von                           auch das Ausmaß, in dem auf Therapeuten/-innen
     Klapper (2017) davon aus, dass eine Grundvoraussetzung                       anderer Professionen zugegangen wird. Situationen in
     für die Umsetzung von IZ das berufliche Selbstverständnis                    denen andere Professionen herangezogen werden, sind
     der Therapeuten/-innen der Berufsgruppen ELP ist.                            in der Regel welche, in denen weiteres Fachwissen,
     Dieses wurde als eine bündelnde HK genutzt, welche                           vorbereitende Maßnahmen oder Unterstützung während
     zum einen die gebildete SK ‚Haltung zur IZ‘ einschließt.                     der Therapie benötigt werden.
     Zudem wurden ihr die individuellen Beschreibungen
     von Interprofessionalität und das Wissen über andere                               [...], obwohl ich ja studiert habe noch/ also ich traue
     Berufsgruppen zugeordnet. IZ beinhaltet für die                                    mir nicht zu en détail genau zu beschreiben, was
     Therapeuten/-innen beider Fokusgruppen sowohl das                                  jetzt Ergo und Physio machen. So, und auch/ also
     Aufstellen interprofessioneller Ziele, als auch den                                manchmal denke ich: ‚Ja, da ist irgendwas‘ und
     Austausch darüber.                                                                 kann aber nicht so genau fassen, was das jetzt ist,
                                                                                        was ich beobachte, was irgendwie ja, mir komisch
          Ich finde es wunderbar Interdisziplinarität, entweder                         vorkommt, sag ich dann mal so. (Therapeutin 8, F2)
          wenn wir zusammen am Patienten arbeiten können,
          direkt am Patienten, oder wenn ich mich überflüssig                     Das Wissen ist meist durch die IZ oder über
          mache oder / insofern, als das ich meine Ziele den                      interprofessionelle Fortbildungen erworben.
          anderen Berufsgruppen weiter geben kann und bitten
          kann, dass sie diese Ziele mit bearbeiten in ihren                            Aber was sie ansprechen, das ist ein Riesenthema, das
          Therapien und genauso umgekehrt […] sodass ich                                war auch eigentlich der Hauptgrund unserer internen
          einen größeren Effekt habe. (Therapeutin 1, F1)                               Fortbildung am Freitag. Weil wir gesagt haben: ‹Es

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INTERNATIONAL
INTERNATIONAL JOURNAL
              JOURNALOF
                      OFHEALTH
                        HEALTHPROFESSIONS
                               PROFESSIONS

Tabelle 4: Darstellung der Haupt- und Subkategorien. Das Ankerbeispiel bezieht sich jeweils auf die Hauptkategorie. Für die Beschreibungen der
Kategorien wurde die Bezeichnung (inter)disziplinär verwendet, da diese den Beschreibungen der Therapeut/-innen entsprach. Auf Metaebene
wurde bei der Bezeichnung der Kategorien (inter)professionell verwendet.

        Name der
                                   Beschreibung der Kategorie                     Subkategorien                    Ankerbeispiel/e
        Kategorie
                                                                                                           z.B. Beschreibung interdisziplinäre
                                                                                                                       Zusammenarbeit:
                                                                                                                   „Ich finde es wunderbar
                                                                                                          Interdisziplinarität, entweder wenn
                                                                              SK 1.1:                  wir zusammen am Patienten arbeiten
                               Codiert werden Aussagen bezüglich
                                                                               Beschreibung                können, direkt am Patienten, oder
                             der eigenen therapeutischen Handlung
                                                                               interdisziplinäre            wenn ich mich überflüssig mache
                               und Gedanken zur Begründung und
                                                                               Zusammenarbeit               oder / insofern, als das ich meine
                              Reflexion dieser. Einbezogen werden
   HK 1 – Berufliches                                                         SK 1.2:                      Ziele den anderen Berufsgruppen
                              Beschreibungen von interdisziplinärer
  Selbstverständnis ELP                                                        Umgang mit Grenzen der    weiter geben kann und bitten kann,
                               Zusammenarbeit, dem Umgang mit
                                                                               eigenen Disziplin           dass sie diese Ziele mit bearbeiten
                                auftretenden Grenzen der eigenen
                                                                              SK 1.3:                       in ihren Therapien und genauso
                             Disziplin und Aussagen über das Wissen
                                                                               Wissen über andere           umgekehrt, dass ich halt die Ziele
                                      anderer Berufsgruppen.
                                                                               Berufsgruppen                  von der Physiotherapeutin und
                                                                                                               Ergotherapeutin mit in meine
                                                                                                             Therapie mit reinnehmen kann,
                                                                                                            sodass ich einen größeren Effekt
                                                                                                                 habe.“ (Therapeutin 4, F1)
                                                                                                                 „Also ich arbeite in einem
                                                                                                              Therapiezentrum, da arbeiten
                                                                                                                   Logopäden, also ich als
                                                                                                            Logopädin, Ergotherapeuten und
                                                                                                               Physiotherapeuten in diesem
                                                                                                              Zentrum und wir haben einige
                                                                                                            Patienten gemeinsam. Das heißt
                              Codiert werden gelungene und nicht                                           auch da spricht man entweder auf
                              gelungene Beispiele interdisziplinärer                                         dem Gang miteinander oder wir
                              Zusammenarbeit aus der Praxis nach              SK 2.1:                   haben immer wieder Sitzungen, jede
 HK 2 – Umsetzung (inter)       Setting beschriebener Situationen,             Austausch                 Woche eine Sitzung, besprechen alle
  professionelle Situation    Beteiligte Disziplinen und Art & Weise          SK 2.2:                   Patienten durch, die wir gemeinsam
                               der Interaktion nach den Kategorien             Co-Therapie                 haben. Teilweise ist es so, wenn es
                                 „Austausch“ und „Co-Therapie“.                                          geht, dass wir dann uns gegenseitig
                                                                                                           auch bei den Therapien dabei sind
                                                                                                           also dann mal, wie es gerade läuft
                                                                                                            oder ab und zu mal unterstützen.
                                                                                                            Manchmal habe ich ein Kind, das
                                                                                                              kann ich nicht gut halten dann
                                                                                                          bitte ich; ‚Kannst Du mal als Physio
                                                                                                         kommen, wenn es irgendwie passt‘.
                                                                                                                  [...]“. (Therapeutin 4, F1)
                                                                                                              „Also es ist nicht erlaubt. Es ist
                                   Codiert werden Äußerungen,                                                  von Heilmitteln/es gibt keine
      HK 3 – Rahmen-             die die Rahmenbedingungen der                                              Möglichkeit, dass wir gemeinsam
       bedingungen              interdisziplinären Zusammenarbeit                                          an einem Patienten arbeiten oder,
                                                                                      Keine
    interprofessionelle       beinhalten, z.B. rechtliche, finanzielle,                                  dass wir gemeinsam einen Patienten
     Zusammenarbeit          institutionelle, strukturelle und zeitliche                                      durchsprechen. Das ist einfach
                              Rahmenbedingungen (Makro-Ebene).                                               nicht im Heilmittelkatalog drin.“
                                                                                                                      (Therapeutin 4, F1)
                                                                                                        „Aber tatsächlich im rein ambulanten
                                                                                                         Setting, wenn nicht die Therapeuten
     HK 4 – Barrieren        Codiert werden Äußerungen, die Hürden
                                                                                                           an einem Ort sind. Sehr schwierig
   interprofessioneller        und Barrieren der interdisziplinären                   Keine
                                                                                                         also für mich jetzt. Da gibt es so gar
     Zusammenarbeit               Zusammenarbeit beinhalten.
                                                                                                          keinen Austausch.“ (Therapeutin 5,
                                                                                                                               F1)
                                                                                                                    „Also ich habe viel mit
                                                                                                                     Wachkomapatienten
                                                                                                        zusammengearbeitet und da kann ich
                                  Codiert werden Beispiele von                                          allein als Logopädin sehr, sehr schwer
     HK 5 – Bedarf an         Situationen, in denen ein Bedarf für                                       arbeiten. Und wenn ich keine andere
   interprofessioneller        interdisziplinäre Zusammenarbeit                       Keine                Person habe, die mir hilft in Bezug
     Zusammenarbeit          notwendig war/ist oder von einer Seite                                         auf die Positionierung, dann wird
                                    gesehen worden war/ist.                                              das richtig schwierig. Da brauche ich
                                                                                                          DRINGEND eine Physiotherapeutin
                                                                                                            oder Ergotherapeutin oder auch
                                                                                                           Pflegerin […]“ (Therapeutin 4, F1)

                                                                                                                                                   26
Tabelle 4: Tabelle 4: Darstellung der Haupt- und Subkategorien. Das Ankerbeispiel bezieht sich jeweils auf die Hauptkategorie. Für die
     Continued

     Beschreibungen der Kategorien wurde die Bezeichnung (inter)disziplinär verwendet, da diese den Beschreibungen der Therapeut/-innen entsprach.
     Auf Metaebene wurde bei der Bezeichnung der Kategorien (inter)professionell verwendet.

                 Name der
                                        Beschreibung der Kategorie                   Subkategorien                       Ankerbeispiel/e
                 Kategorie
                                                                                                               „Ja. Aber wie wichtig der/ich mein
                                                                                 SK 6.1: Eigenmotivation
                                                                                                              das passt ja auch wieder/wie wichtig
                                                                                  zur interdisziplinären
                                       Codiert werden Aussagen zur                                               eigentlich es ist, dass man sich
           HK 6 – Intention zur                                                   Zusammenarbeit
                                      Eigenmotivation sowie Beispiele                                         austauscht und abcheckt von wegen
           interprofessionellen                                                  SK 6.2: Unternommene
                                     von Initiierungen interdisziplinärer                                     wie arbeiten wir eigentlich? Ich mein
             Zusammenarbeit                                                       Initiative zur
                                               Zusammenarbeit.                                                 der eine arbeitet so, der andere so
                                                                                  interdisziplinären
                                                                                                                vielleicht und es passt gar nicht.“
                                                                                  Zusammenarbeit
                                                                                                                        (Therapeutin 4, F1)
                                            Codiert werden analoge
                                         Kommunikationswege, um mit
                                      anderen Personen (ELP oder andere
                                     Berufsgruppen) in Kontakt zu treten/
                                                                                                                „[…] Also wir haben zum Beispiel,
                                    zu kommunizieren. Die Kommunikation
                                                                                                              wir drei haben Patienten gemeinsam
                                        findet ohne digitale Geräte statt
           HK 7 – Analoge                                                                                      und dann geht öfters eigentlich, so
                                      und kann Aspekte der nonverbalen                    Keine
         Kommunikationswege                                                                                   zwischen Tür- und- Angel- Gespräche
                                     Kommunikation mit einbeziehen (u.a.
                                                                                                                sind das, ganz viel.“ (Therapeutin
                                    Mimik, Gestik, Verhalten). Dazu zählen
                                                                                                                              4, F1)
                                      beispielsweise Kommunikation über
                                   Telefon oder Fax, persönliche Gespräche
                                     oder Medien wie Zeitschriften, Papier
                                                 oder Bücher.
                                                                                                              „Das [interne Kommunikationstool] was
                                       Codiert werden bekannte und/
                                                                                 SK 8.1:                      Herr Sattmaß angesprochen hat, ist so
                                          oder verwendete digitale
                                                                                  Digitale Medien zum         unsere Kommunikationsplattform, also
                                       Kommunikationswege, digitale
                                                                                  (interdisziplinären)        die haben wir schon seit Jahren. […]. Da
        HK 8 – Aktuelle Nutzung    Medien (z.B. Geräte) und Systeme (z.B.
                                                                                  Austausch                   haben wir ein Aufgaben-Management,
           digitaler Medien        Therapie- und Verwaltungs-Software)
                                                                                 SK 8.2:                          wir haben einen Messenger mit
                                    im Berufsalltag ELP mit dem Ziel des
                                                                                  Digitale Medien für          drinnen und ein Forum, wo wir unsere
                                     disziplinären und interdisziplinären
                                                                                  organisatorische Aufgaben     Teamsitzung auch drüber managen.“
                                     Austausches oder der Organisation.
                                                                                                                           (Therapeut 6, F2)
                                                                                                                    „ […], das eben gerade auch
                                      Codiert werden Äußerungen zum
                                                                                                               interdisziplinär wenig zur Verfügung
      HK 9 – Bedarf an digitalen   Bedarf nach digitaler Unterstützung im
                                                                                          Keine                 steht, was man so auch einfach on-
               Medien              beruflichen Alltag, organisatorisch oder
                                                                                                               the-fly auch einfach installieren und
                                       bezüglich der Zusammenarbeit.
                                                                                                               nutzen kann. […]“ (Therapeut 6, F2)
                                         Codiert werden Äußerungen
                                    bezüglich der Intention zur Nutzung
        HK 10 – Intention zur        digitaler Medien. Diese können aus
                                                                                                                „Es geht nicht mehr, dass wir alles
       Nutzung digitaler Medien      Sicht von Therapeuten/-innen oder
                                                                                          Keine                noch auf Papier haben.“ (Therapeut
        zur Verbesserung der        Patienten/-innen betrachtet werden
                                                                                                                               6, F1)
           Zusammenarbeit          und beschreiben sowohl die Arbeit im
                                   eigenen Beruf und die interdisziplinäre
                                               Zusammenarbeit.
                                                                                                                    „Ein großes Hemmnis ist der
                                    Codiert werden Äußerungen zu
                                                                                                                   Datenschutz. Das ist auch ein
                                     Hindernissen bei der Nutzung
                                                                                                                  Hemmnis bei der gemeinsamen
        HK 11 – Barrieren der    digitaler Medien. Diese können bspw.
                                                                                          Keine                digitalen Akte. Es sind drei Firmen,
       Nutzung digitaler Medien Rahmenbedingungen, Einstellungen von
                                                                                                               die hier unter einem Dach sind und
                                    Beteiligten, Praktikabilität sein.
                                                                                                               das ist definitiv abzuklären auf dem
                                                                                                                      Weg.“ (Therapeut 6, F2)
                                                                                                              „Man könnte ja auch Dokumentieren
                                                                                                                  wollen, sollen dann wäre das ja
                                                                                                                schon ganz angenehm. Ich glaube
                                                                                                                auf so einem Handy ist das schon
                                                                                 SK 12.1:
          HK 12 – Wünsche an         Codiert werden gewünschte digitale                                            so ein bisschen sehr klein. Mit
                                                                                  Art des Systems
           digitale Medien zur      Geräte und dazugehörige Kriterien zur                                      Diktierfunktion am besten noch und
                                                                                 SK 12.2:
            Verbesserung der         Verbesserung der interdisziplinären                                         so // (alle Lachen) // Im Auto am
                                                                                  Funktion/Inhalte
          interprofessionellen                Zusammenarbeit.                                                   besten noch, von einem Patienten
                                                                                 SK 12.3:
            Zusammenarbeit                                                                                     zu nächsten, so ein bisschen darein
                                                                                  Gestaltungsformen
                                                                                                               sprechen super! Das wäre perfekt.
                                                                                                                Fragen formulieren können, die in
                                                                                                                 dieses Forum schicken. Das wäre
                                                                                                                doch @(.)@.“ (Therapeutin 5, F1)

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INTERNATIONAL
INTERNATIONAL JOURNAL
              JOURNALOF
                      OFHEALTH
                        HEALTHPROFESSIONS
                               PROFESSIONS

                                                                                                                         Analoge
                                                                                                                     Kommunikationswege

              Berufliches                                                                                                 Umsetzung
                                                                                                                     (inter)professioneller
         Selbstverständnis ELP
                                                               Bedarf IZ                   Intention zur IZ               Situationen

            Beschreibung IZ                                                                                              Austausch

          Wissen über andere                                                                    Barrieren können       Co-Therapien
            Berufsgruppen                                                                     Umsetzung verhindern

                    Barrieren der Nutzung
                                                         Wünsche an digitale                          Barrieren IZ
                       digitaler Medien
                                                             Medien zur
                                                         Verbesserung der IZ

                                            Digitale Interprofessionalität
                                                                                                Rahmenbedingungen
                                                         Intention zur Nutzung
                                                                                                       IZ
                                                          digitaler Medien zur
                                                            Verbesserung IZ

                                              Bedarf an digitalen       Aktuelle Nutzung
                                                   Medien               digitaler Medien

Abbildung 2: Concept-Map – Darstellung der Hauptkategorien (rot) und deren durch die Forscher/-innen identifizierten Beziehungen
untereinander. Eine Synthese der Ergebnisse führte im Prozess der Ausdifferenzierung der Kategorien zu einer ersten Beschreibung von ,digitaler
Interprofessionalität‘ (grau).

     kann ja eigentlich nicht sein, fachlich/ also ich glaube/              Intention zur IZ/Umsetzung (inter)professioneller
     die Therapeuten hier wissen schon eine ganze Menge                     Situationen
     von andern aber, was Du jetzt sagst, ich kenne auch
     nicht alle logopädischen Maßnahmen und auch nicht                      Aus dem beschriebenen Bedarf entwickelt sich in Form
     alle physiotherapeutischen Maßnahmen. Das man da                       von Eigenmotivation und Initiative eine Intention zur IZ.
     wirklich dafür sorgt, regelmäßig‘. (Therapeut 6, F2)                   Diese wiederrum führt zu einer Umsetzung gelungener
                                                                            und nicht gelungener interprofessioneller Situationen
Bedarf IZ                                                                   durch Co-Therapie oder Austausch. Die konkrete
                                                                            Umsetzung von IZ lässt sich in beiden Fokusgruppen
Aus dem beruflichen Selbstverständnis heraus, entwickelt                    hauptsächlich     in    Institutionen  und     innerhalb
sich bei den Therapeuten/-innen der Berufsgruppen ELP                       interprofessioneller Praxen oder in Zusammenschlüssen
ein Bedarf an IZ mit verschiedenen Professionen. Dieser                     mehrerer Praxen verorten. Vor allem bei Hausbesuchen
beinhaltet die Unterstützung durch andere Berufsgruppen,                    oder in Settings, in denen sich die Therapeuten/-innen
gemeinsame Therapien und gegenseitige Beratung.                             nicht kennen und begegnen kommt es häufig zu einer
Dabei kann konstatiert werden, dass aus dem Erkennen                        nicht gelungenen IZ. Dies führen die Teilnehmer/-innen
des Bedarfes noch keine Umsetzung von IZ resultiert.                        auf die Anonymität unter den beteiligten Therapeuten/-
                                                                            innen und die unterschiedlichen Behandlungstage und
     Also ich habe viel mit Wachkomapatienten                               -zeiten zurück. In interprofessionellen Settings finden
     zusammengearbeitet und da kann ich allein als                          gelegentlich Co-Therapien statt. „Was wir natürlich
     Logopädin sehr, sehr schwer arbeiten. Und wenn ich                     schon manchmal haben, aber das ist noch zu selten, ist
     keine andere Person habe, die mir hilft in Bezug auf                   die Behandlung eines Patienten zusammen.“ (Therapeut
     die Positionierung, dann wird das richtig schwierig.                   6, F2). Ein regelmäßiger Austausch über Patienten/-innen
     Da brauche ich DRINGEND eine Physiotherapeutin                         kommt durch Ziel- und Entwicklungsgespräche oder
     oder Ergotherapeutin oder auch Pflegerin […].                          durch festgelegte Teamsitzungen zustande.
     (Therapeutin 4, F1)

                                                                                                                                                  28
Dafür ist halt die Teamsitzung da, dass wir das Ganze    finanzielle Rahmenbedingungen, fehlende Akzeptanz
         besprechen können. Wir das verschriftlichen können,      der Therapeuten/-innen in der Verwendung digitaler
         festhalten können und dann ein Ziel haben, das wir       Medien sowie datenschutzrechtliche Aspekte. „Ich bin
         dann bis zum Zeitpunkt X, sag ich mal, versuchen zu      noch auf der Suche nach den richtigen Datenschutz-
         erreichen. Das ist dieser Punkt, indem wir versuchen     Möglichkeiten und muss mich trotzdem anderen
         etwas interdisziplinär aufzubauen, weiterzuführen,       Berufsgruppen/ meine Informationen weitergeben kann.
         sag ich mal. (Therapeut 7, F2)                           Also ich bin mit sehr mit Datenschutzverordnungen sehr,
                                                                  sehr vorsichtig geworden.“ (Therapeutin 4, F1). Zu den
     Analoge Kommunikationswege                                   spezifischen Barrieren aus F2 gehören unter anderem
                                                                  das fehlende Fachwissen aus dem Bereich Technik/IT
     Die Teilnehmer/-innen beschreiben größtenteils analoge       und die zeitlichen Organisationsstrukturen der Praxis.
     Situationen beispielsweise von Gesprächen zwischen den       Zu den Nutzungszeiten digitaler Medien erklärt eine
     Therapien. „Also wir haben zum Beispiel/ wir drei haben      Teilnehmerin aus F2 «Irgendwann zwischendurch @
     Patienten gemeinsam und dann geht öfters eigentlich, so      (.)@. Ich mache das oft in der Mittagspause nebenbei,
     zwischen Tür- und Angel- Gespräche sind das, ganz viel.“     dass ich dann gucke, ob da was gekommen ist oder halt
     (Therapeutin 4, F1). Lediglich organisatorische Aufgaben     vorher schon. Eigentlich sollen wir da ja immer schon
     zur Praxisorganisation werden über digitale Systeme          morgens reingucken […]“ (Therapeutin 8, F2).
     durchgeführt. Die Teilnehmenden der F2, die bereits
     mit fünf digitalen Systemen arbeiten und den digitalen       Bedarf an digitalen Medien/Intention zur Nutzung
     Austausch anstreben, verwenden bereits seit einigen          digitaler Medien zur Verbesserung der IZ
     Jahren ein internes Kommunikationstool. „Das [interne
     Kommunikationstool], was Therapeut 7 angesprochen            Trotz der genannten Barrieren sehen die Therapeuten/-
     hat, ist so unsere Kommunikationsplattform, also die         innen einen Bedarf für den Einsatz digitaler Medien.
     haben wir schon seit Jahren.“ (Therapeut 6, F2).             Hinzu kommt das unzureichende Angebot, „[…], dass
                                                                  eben gerade auch interdisziplinär wenig zur Verfügung
     Barrieren IZ                                                 steht, was man so auch einfach on-the-fly auch einfach
                                                                  installieren und nutzen kann.“ (Therapeut 6, F2). In Bezug
     Die Umsetzung interprofessioneller Situationen               auf die Bedarfe steht einerseits die Kommunikation mit
     kann zu Beginn oder im Verlauf durch Barrieren               anderen Professionen im Vordergrund. „Also ich jetzt in
     verhindert werden, die mit den Rahmenbedingungen             dem ambulanten Setting, in dem ich bin; absolut wäre
     der IZ in Interdependenz stehen. Hierzu zählen eine          DAS notwendig, weil das wäre für mich der einzige Weg,
     fehlende Abrechnungsposition im Heilmittelkatalog            um tatsächlich auch mit den anderen Berufsgruppen
     für IZ, Zeitmangel, räumliche Distanz, fehlender             regelmäßig und effektiv zu kommunizieren […]“
     Austausch zwischen den Berufsgruppen, Einstellung            (Therapeutin 5, F1). Zum anderen bedarf es einer digitalen
     von Therapeuten/-innen zur IZ sowie fehlende                 Aktenführung zur Dokumentation und Organisation. „Ich
     Prozessstrukturen innerhalb einer oder mehrerer Praxen.      habe gerade gedacht, bei der Digitalisierung und auch
     „[Der persönliche Austausch] ist ein sehr seltener Fall,     digitalen Aktenführung habe ich gedacht ‹oh ja! Das
     weil die Therapien, die laufen halt kontinuierlich weiter,   wäre richtig praktisch›. Weil man dann eben nicht dieses
     wenn dann nicht gerade die Mittagspause zusammenfällt        Problem hätte, die Akten sind im anderen Standort.“
     oder ein Ausfall da ist oder eine Teamsitzung dann           (Therapeutin 8, F2)
     halt dementsprechend dafür genutzt werden können.“
     (Therapeut 7, F2).                                           Wünsche an digitale Medien zur Verbesserung
                                                                  der IZ
     Digitale Medien in ELP
                                                                  Aus dem Spannungsfeld der Barrieren von IZ und
     Barrieren der Nutzung digitaler Medien                       von digitalen Medien, sowie dem Bedarf nach
                                                                  digitaler Unterstützung ergeben sich Wünsche und
     Neben den Barrieren der IZ lassen sich ebenfalls Barrieren   Nutzungsintentionen an ein Medium zur Verbesserung
     beim Einsatz digitaler Medien feststellen. Durch die         der IZ. „Es geht nicht mehr, dass wir alles noch auf
     Vielzahl an digitalen Medien und deren Verwendung bei        Papier haben.“ (Therapeut 6, F2). Dabei beschreiben
     F2 lassen sich übergeordnete und spezifische Barrieren       die teilnehmenden Therapeuten/-innen, wie sie sich eine
     identifizieren, wohingegen in F1 eher übergeordnete          berufsübergreifende Zusammenarbeit im ambulanten
     Barrieren benannt werden. Zu den übergeordneten              Setting unterstützt durch digitale Medien vorstellen.
     Barrieren gehören unter anderem zeitliche und                Es werden konkrete Wünsche an ein digitales Medium

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INTERNATIONAL JOURNAL
              JOURNALOF
                      OFHEALTH
                        HEALTHPROFESSIONS
                               PROFESSIONS

bezüglich der Art des Geräts und des Systems, der
Funktionen und Inhalte sowie der Gestaltungsformen
genannt.
Beide Fokusgruppen wünschen sich als Systemart
eine Cloud zur gemeinsamen Aktenführung und zum
Austausch zwischen den Berufsgruppen ELP. „[…]
aber wenn man eine gemeinsame Cloud hätte, wo man
tatsächlich Fotos und Filme reinsetzen könnte, das wäre
natürlich auch richtig gut.“ (Therapeutin 4, F1). „Eine
Akte, die wir digital haben können oder jede Disziplin
drauf zugreifen kann, jeder Zeit/ also am besten übers
Internet ganz einfach. Mit einer Cloud, wo nur wir drauf     Abbildung 3: Framework zur Gestaltung eines digitalen Mediums.
zugreifen können.“ (Therapeut 7, F2). Dabei sollte vor
allem eine intuitive, einfache und niederschwellige
Gestaltungsform gegeben sein. „Also ich denke es muss        3). Das Framework dient dabei als Ordnungsrahmen
einfach sein. Also ich glaube, wenn es einfach ist, findet   zur komprimierten Darstellung der Zusammenhänge
es auch mehr Akzeptanz.“ (Therapeutin 8, F2). Eine           zwischen den generierten Ergebnissen aus den
diskutierte Funktion könnte beispielsweise ein Forum als     Fokusgruppen (Aussagen der Therapeuten/-innen) und
Austauschplattform sein.                                     deren postulierte Relevanz (Concept-Map). Es stellt die
                                                             Äußerungen der Therapeuten/-innen auf verschiedenen
    Also ich fände das mit dem Forum gut, also in dem        Ebenen dar. Zentral sind die beschriebenen Wünsche,
    man auch Fragen stellen könnte oder einen SOS-           die sich konkret an das digitale Medium richten und
    Scroll machen könnte ‘Ich brauch!‘/ und wenn das         beispielhaft unter der HK12. Wünsche an digitale Medien
    jemand zufällig dann auch liest und Zeit hat und         zur Verbesserung IZ aufgeführt sind. Darin finden sich
    prompt darauf/ also das wäre jetzt der Optimalfall @     die beschriebenen Aspekte aus den Fokusgruppen,
    (.)@. (Therapeutin 5, F1)                                beispielsweise eine Cloud, intuitive Gestaltung und ein
                                                             Forum. Der Einsatz und die Funktionen des Mediums
Digital unterstützte Interprofessionalität                   stellen auch Anforderungen und Wünsche an die
                                                             Rahmenbedingungen. Diese wurden aus Aussagen der
Die in der Concept-Map dargestellten Einflüsse der           Therapeuten/-innen unter anderem zu HK 11. Barrieren
Kategorien aufeinander, die inhaltlichen Ergebnisse          und HK 10. Intentionen durch die Forscher/-innengruppe
der einzelnen Kategorien sowie die in der Einleitung         abgeleitet. Notwendig ist eine gesetzliche Grundlage zum
dargestellte Literatur diente den Forscher/-innen als        Datenschutz und der digitalen Vernetzung. Ein Einsatz
Grundlage in der Beschreibung der IZ mit Einbezug            muss zudem finanziell unterstützt sein, zum Beispiel
der Digitalisierung und führte zu einem Entwurf einer        durch die Heilmittelrichtlinien. Institutionell müssen die
Definition von ‚digitaler Interprofessionalität‘:            Therapeuten/-innen im Einsatz geschult werden. Eine
                                                             wichtige Rahmenbedingung ist zudem ein verändertes
    Digitale Interprofessionalität beschreibt eine           Selbstverständnis der Angehörigen der ELP, das sowohl
    berufsgruppenübergreifende Arbeitsweise unterstützt      Interprofessionalität als auch die Bereitschaft zu einer
    durch ein digitales Medium zur Gestaltung                digital unterstützten Vernetzung beinhaltet.
    interprofessioneller Zusammenarbeit, mit dem
    Ziel einer verbesserten Kommunikation und eines          DISKUSSION
    verbesserten Informationsaustausches zwischen
    den Berufsgruppen, sowie einer holistischen              In der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse konnten
    Patientenversorgung.                                     die Kategorien durch die Forscher/-innen im
                                                             Abstraktionsprozess in Abhängigkeiten und einen
Diese Definition ist eine erste Idee der Beschreibung,       Sinnzusammenhang gebracht werden (siehe Abbildung 2).
wie digital unterstützte Interprofessionalität beschrieben   Die Thematik Interprofessionalität nimmt einen
werden kann. In einem weiteren Schritt muss diese mit        großen Platz ein und ist ein Thema, mit dem sich die
Therapeuten/-innen der Berufsgruppen ELP weiter              Teilnehmer/-innen der beiden Fokusgruppen bereits
ausgearbeitet werden.                                        auseinandergesetzt haben. Dies geschieht aus einer
Die Anforderungen und möglichen Gestaltungen eines           arbeitsorganisatorischen     Perspektive,  die,   wenn
digitalen Mediums zur Verbesserung der IZ wurden in          überhaupt, Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit
einem Framework zusammengefasst (siehe Abbildung             hat, jedoch die Qualität der Gesundheitsversorgung oder

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die Perspektive einer klientenzentrierten, holistischen       & Höppner, 2014) spiegeln sich in den Ergebnissen der
     Versorgung, wie sie von der WHO (2010) betont wird,           beiden Fokusgruppen wider. Die meistgenannte Barriere
     nicht berücksichtigt. Der Austausch über Bedeutungen,         einer IZ stellt der Zeitmangel in Folge einer fehlenden
     Möglichkeiten, förderliche und hinderliche Faktoren           Abrechnungsposition in den Heilmittelrichtlinien für IZ
     interprofessioneller Arbeitsweisen zeigte, dass dieser        dar. Grunwald und Höppner (2014) nennen zusätzlich
     Themenbereich noch nicht in den Arbeitsalltag integriert      die Einstellung der Therapeuten/-innen zur IZ als
     ist, und somit ein Gelingen von IZ, welches von den           mögliche Hürde. Laut den Autorinnen ist eine IZ nur
     „besonderen Fähigkeiten“ wie Eigenverantwortung,              dann möglich, wenn die Barrieren in der Umsetzung
     Flexibilität und einem vernetzten Denken der                  durch Eigenengagement überwunden werden (Grunwald
     Akteure/-innen abhängt, noch in weiter Ferne scheint          & Höppner, 2014). Diese Aussage zeigt sich auch in
     (Klapper, 2017). Insbesondere die reglementierenden           den Beiträgen der Teilnehmer/-innen und stellt sich
     Vorgaben der Heilmittelrichtlinie sowie fehlende              beispielsweise durch die Bereitschaft dar, sich bei Fragen
     Abrechnungspositionen          für      interprofessionelle   oder Problemen im Zusammenhang mit der Arbeit an
     Kommunikation hindern Therapeuten/-innen an der               Patienten/-innen in Pausenzeiten und außerhalb der
     Umsetzung. Digitalisierung und Digitalisierung als            Arbeitszeit mit anderen beteiligten Berufsgruppen zu
     Möglichkeit für IZ sind für Therapeuten/-innen neuere         vernetzen.
     Themen. Die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung        Zu beachten sind die Unsicherheiten im beruflichen
     erfolgt bei den teilnehmenden Therapeuten/-innen sehr         Selbstverständnis bezüglich IZ. Sie zeigen sich in
     individuell. Digitale Medien werden in unterschiedlichem      der Schwierigkeit der Beschreibung von IZ sowie
     Ausmaß bereits eingesetzt und der Bedarf wird ebenfalls       dem eingeschränkten Wissen über die anderen
     geäußert, wobei sich auch Barrieren abzeichnen. In der        Berufsgruppen. Die Teilnehmenden aus F2 berichteten,
     Zusammenführung der Themen „IZ“ und „Digitalisierung“         dass ein allgemeines Wissen über andere Berufsgruppen
     entwickelte das Forscher/-innenteam mit der „digitalen        die Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit
     Interprofessionalität“ einen Lösungsansatz für die in         darstellt. An den Aussagen zeigt sich, dass neben
     den Fokusgruppen genannten Barrieren der IZ und der           einem fehlenden Wissen über andere Berufsgruppen
     Digitalisierung. In der Definition wurde der Aspekt           die Unsicherheit darüber, was IZ ist, eine Barriere für
     der holistischen Versorgung von den Forscher/-innen           IZ darstellt. Darüber hinaus wirken die Unsicherheiten
     hinzugefügt, obwohl dieser nicht explizit von den             auch auf die Rollendefinition in der IZ der einzelnen
     Teilnehmenden genannt wurde. Dieser wurde aus der             Teilnehmer/-innen. Nicht auszuschließen ist, dass der
     Literatur aufgenommen und hinzugefügt, um die digitale        Aspekt der sozialen Erwünschtheit die Teilnehmer/-innen
     Interprofessionalität möglichst gänzlich zu erfassen.         bei Fragen nach der Motivation für IZ veranlasste, positiv
     Die Definition stellt eine Interpretation und einen ersten    zu antworten. Auch fehlendes Hintergrundwissen zu den
     Vorschlag der Forscher/-innen dar. Die therapeutischen        Möglichkeiten von IZ kann die Aussagen beeinflusst
     Möglichkeiten, die eine interprofessionelle Vernetzung        haben. Die Ergebnisse decken sich mit den Aussagen
     durch ein digitales Medium bietet, finden sich in             von Klapper (2017), dass besondere Kompetenzen
     den beschriebenen Intentionen zur Nutzung sowie               und Fähigkeiten der verschiedenen Akteure/-innen für
     den Wünschen an ein digitales Medium seitens der              eine gelingende IZ nötig sind. Bei der Betrachtung der
     Teilnehmer/-innen.                                            Ergebnisse wird deutlich, dass diese insbesondere aus
                                                                   dem beruflichen Selbstverständnis hervorgehen. Das
     Interprofessionelle Zusammenarbeit                            Konstrukt des beruflichen Selbstverständnisses lässt
                                                                   sich in den Beschreibungen von Klapper (2017) über
     Beide Fokusgruppen beschreiben Barrieren, welche              ein notwendiges Verständnis der eigenen Rolle sowie
     eine IZ erschweren oder gänzlich verhindern. Hierbei          der Rollen der beteiligten Berufsgruppen und den
     wird deutlich das ein interprofessionelles Setting            gemeinsamen Versorgungsstrukturen wiederfinden.
     nicht zwingend als Förderfaktor für IZ angesehen              Es kann davon ausgegangen werden, dass ein
     werden kann. Die Ergebnisse zeigen vielmehr, dass die         Wissenserwerb hinsichtlich möglicher Gestaltungen
     Eigenmotivation der Therapeuten/-innen in Kombination         von interprofessionellen Situationen zur Entwicklung
     mit dem Setting eine Ressource für die Umsetzung              der erforderlichen Fähigkeiten und damit zu einer
     der IZ darstellt. Jedoch scheint die Wirkkraft der            vermehrten Umsetzung von IZ führt. Jedoch sollte
     beschriebenen Hürden für Therapeuten/-innen immens            der Wissenserwerb nicht nur durch interprofessionell
     und sollte daher Ausgangspunkt gesundheitspolitischer         angelegte Fort-und Weiterbildungen erfolgen, sondern
     Veränderungsprozesse sein.                                    Teil der berufsfachschulischen und akademischen
     Die in der Literatur beschriebenen Hürden für die             Ausbildung der Gesundheitsfachberufe sein. Durch
     Zusammenarbeit der Gesundheitsfachberufe (Grunwald            die Umsetzung interprofessioneller Situationen in

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