Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren

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Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren
Fotografische
     Langzeitbeobachtung
           in Schlieren

                              Von Meret Wandeler

                              Ein fotografisches Forschungsprojekt
                              dokumentiert während 15 Jahren Sied-
                              lungsentwicklung in einer Agglomera-
                              tionsgemeinde. Die Bildserien machen

                                                                        2015
                              das Prozesshafte des räumlichen Wandels

     2005                     wahrnehmbar. Re-Urbanisierung von
                              ehemaligen Industriegebieten, Zentrums-
                              entwicklung, Aufwertung von öffent-
                                                                             Schlieren West

                              lichem Raum, Umgang mit Landschaft
                              und Grünräumen können an Schlieren
                              exemplarisch dargestellt werden.

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Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren
2005   2007                                                                 2009                                                                              2011

                                              w             as bedeutet «Verdichtung
                                                            nach Innen» für den kon-
                                                            kreten Ort? Wie verändert
                                              der gegenwärtige Bauboom unsere Le-
                                              bensräume? Was heisst Stadtentwicklung
                                              in der Agglomeration? Die «Fotografische
                                                                                                   Schlieren, westlich von Zürich im Lim-
                                                                                                   mattal gelegen, ist eine der ersten Ge-
                                                                                                   meinden, welche ihre Entwicklung mittels
                                                                                                   Stadtentwicklungskonzepten steuert.2 Das
                                                                                                   Stadtentwicklungskonzept von Metron AG
                                                                                                   von 2005 bildete den Ausgangspunkt für
                                                                                                                                                            auf 18 000 Personen gestiegen. Auf dem
                                                                                                                                                            Färbi-Areal, bis in die 1980er-Jahre Stand-
                                                                                                                                                            ort der Färberei Schlieren, anschliessend
                                                                                                                                                            eine von Auto-Occasionshändlern genutz-
                                                                                                                                                            te Industriebrache, entstand die Überbau-
                                                                                                                                                            ung «amRietpark» (Abb. 1). Im Entwick-
                                              Langzeitbeobachtung Schlieren» verfolgt              die Fotografische Langzeitbeobachtung.                   lungsgebiet Schlieren West wurden grosse
                                              seit 2005, wie sich eine Agglomerationsge-           Übersichten werden an 63 Standorten im                   Wohnüberbauungen realisiert (Abb. 2).
                                2013   2015   meinde verändert. Räumlicher Wandel wird             gesamten Stadtraum alle zwei Jahre unter                     Die Bildserien zeigen, wie sich an die-
                                              in der planerischen Praxis und der wissen-           denselben Aufnahmebedingungen wieder-                    sen Orten das Zusammenspiel von Stras-
Abb. 1:                                       schaftlichen Forschung mittels Karten und            fotografiert. Die Aufnahmestandpunkte                    senräumen, Bauten und Grünflächen durch
Entwicklungsgebiet Schlieren                  statistischen Daten analysiert. Luftbilder           befinden sich im Zentrum sowie in den ehe-               die Aktivitäten der verschiedenen Akteure
West, Kreuzung Nassacker-                     zeigen den Raum aus der Vogelperspek-                maligen Industriegebieten. Parallel dazu                 verändert. Wie greifen Grossüberbauun-
strasse – Badenerstrasse,                     tive, funktionale Aspekte stehen dabei im            beobachtet das Projekt die diskreten, im                 gen in die Räumlichkeit einzelner Quar-
Blick nach Norden: Bau neuer
                                              Vordergrund. Hier setzt das fotografische            Alltag kaum wahrnehmbaren Veränderun-                    tiere respektive des Stadtraumes insgesamt
Wohnsiedlungen der Migros
Pensionskasse und der Sied-                   Forschungsprojekt der Zürcher Hochschu-              gen in Wohngebieten und Grünräumen. Se-                  ein? Wie verändern sich Farbigkeiten und
lung Gartenstadt der Alfred                   le der Künste/Institute for Contemporary             rien von Detailaufnahmen zu ausgewählten                 Materialitäten? Wie wandeln sich Nutzung
Müller AG, im Hintergrund das                 Art Research IFCAR an.1 Es entwickelt                Gebieten werden alle fünf Jahre wiederfo-                und Atmosphäre, wie sind Kleinelemente
Minergie-Hochhaus der Über-                   ein neues Instrument für das Monitoring              tografiert. Das gesamte Bildarchiv ist on-               wie Reklametafeln, Schaufenster, Sitz-
bauung «amRietpark».
                                              von räumlichen Veränderungen. Der Fo-                line zugänglich unter www.beobachtung-                   bänke, Zäune, Strassenlampen, Rabatten
                                              tograf, die Fotografin operiert vor Ort und          schlieren.ch.                                            und Baumreihen, Bodenmarkierungen,
                                              begegnet ihrer Umgebung auf Augenhöhe.                   Schlieren hat seit Beginn der Lang-                  Verkehrsschilder, Kehrichtsammelstellen,
                                              Die Fotografie erfasst damit Aspekte des             zeitbeobachtung einen enormen, in diesem                 Velounterstände etc. gestaltet? Wie wird
                                              sinnlich Wahrnehmbaren, die für die Qua-             Ausmass von Seiten der Planung und der                   die Aneignung von Lebensräumen durch
                                              lität von Lebensräumen von wesentlicher              Stadt nicht erwarteten Entwicklungsschub                 Bewohner und Nutzer sichtbar? Die Fo-
                                              Bedeutung sind.                                      erlebt. Die Einwohnerzahl ist von 12 000                 tografien machen «unterschiedliche Ge-
                                                                                                                                                            schwindigkeiten» von Raum deutlich: Ra-
                                              1   Projektleitung: Ulrich Görlich/Meret Wandeler,   . 2 Zur Stadtentwicklung in Schlieren vgl. den Artikel   sante Entwicklung in den gut erschlossenen
                                                  www.beobachtung-schlieren.ch.                        von Barbara Meyer auf S. 22–27 in diesem Heft.       ehemaligen Industriearealen, zyklische

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Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren
2005   2007                          2009

                              2011   2013                          2015
                                                                     Abb. 2:
                                              Entwicklungsgebiet Rietbach,
                                            Färbi-Areal, Blick nach Westen:
                                                 Überbauung «am Rietpark»
                                                (Gesamtleitung Halter AG).

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Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren
2005                                                          2007      2009                                                  2011
                                                                                                                               Abb. 3:
                                                                                                             Wohngebiet Kampstrasse,
                                                                                                                                                Résumé
                                                                                                         Blick nach Südosten: Siedlung          L’«observation photographique à long terme de Schlie-
                                                                                                        der Gemeinnützigen Baugenos-            ren» vise à rendre compte du développement urbain de
                                                                                                              senschaft Limmattal GLB.          la commune sur une période de quinze ans. Dans la
Prozesse von Alterung und Instandstellung        Archiv des Ortes                                                                               pratique de l’aménagement du territoire ou dans la
                                                 Mit der Entwicklung Schlierens vor Beginn
in Wohnquartieren aus der Nachkriegszeit                                                                                                        recherche scientifique, les urbanistes recourent habi-
                                                 der Langzeitbeobachtung befasst sich
(Abb. 3), Standorte, an denen die Zeit ste-      das Projekt «Archiv des Ortes» der ZHdK/                                                       tuellement aux cartes, aux données statistiques ou aux
hen zu bleiben scheint.                          IFCAR, realisiert in Zusammenarbeit mit der                                                    photographies aériennes pour analyser l’évolution ur-
    Agglomerationsgebiete gelten nach wie        Graphischen Sammlung der Schweizerischen                                                       baine; ces instruments font avant tout ressortir les as-
                                                 Nationalbibliothek. Raumentwicklung in der
vor als geschichtslose Räume. Als bedeut-        Agglomeration wird in der Schweiz nicht
                                                                                                                                                pects fonctionnels. Un projet de recherche de la Haute
sam für die Identität wahrgenommen werden        durch professionelle bau- und fotogeschicht-                                                   école zurichoise des arts (Institute for Contemporary
allenfalls historische Dorfzentren, wo einzel-   liche Archive dokumentiert. Kernpunkt des                                                      Art Research), basé sur la photographie, développe un
                                                                                                                                         2013
                                                 Projekts war eine umfassende Bildrecherche
ne Bauernhäuser aufwändig renoviert wer-                                                                                                        nouvel instrument pour assurer le suivi de cette évo-
                                                 in zwei unterschiedlichen Kulturräumen,
den. Die fotografische Langzeitbeobachtung       in Schlieren und im Oberengadin. Die                                                           lution. Ici, le photographe opère au sol, au sein même
zeigt Eingriffe im Zusammenhang mit dem          Recherche untersuchte, wo in Beständen vor                                                     du site observé. La photographie permet ainsi de saisir
                                                 Ort fotografisches Material zur Siedlungs-
Bestand. Sie dokumentiert damit nicht nur                                                                                                       des aspects de la réalité sensible qui jouent un rôle
                                                 und Landschaftsentwicklung seit 1945
die gegenwärtige Phase der Re-Urbanisie-         vorhanden ist. Gesichtet wurden Archive                                                        essentiel pour la qualité du milieu de vie.
rung mit ihrer spezifischen Architektur und      von Bauunternehmen, von Architektur- und                                                           A Schlieren, dans l’agglomération zurichoise,
Ästhetik, sondern stellt auch die Frage nach     Planungsbüros, lokal ansässigen Firmen,                                                        on prend tous les deux ans, à chaque fois dans les
                                                 Postkartenverlagen, Gemeindeämtern, der
dem Umgang mit dem Bestand in der Agglo-         regionalen Presse, lokale kulturhistorische
                                                                                                                                                mêmes conditions, des photographies panoramiques
meration. Bis zum geplanten Abschluss 2020       Archive sowie Sammlungen von Privaten.                                                         de 63 sites répartis sur l’ensemble du territoire com-
entsteht so eine einmalige fotografische Ge-     Diese Gebrauchsfotografie zeigt nicht kultur-                                                  munal. Ces séries de photographies témoignent de la
                                                 historische Objekte oder unberührte Natur,
schichte einer ganzen Gemeinde.                                                                                                                 manière dont évolue l’interaction entre les bâtiments,
                                                 sondern die Entwicklung des bewohnten,
                                                 alltäglichen Siedlungsraumes seit 1945. Die                                                    les espaces de circulation et les espaces verts. Elles
                                                 gesamte Bildrecherche ist online zugänglich                                                    mettent ainsi en évidence les rythmes distincts aux-
                                                 unter www.archiv-des-ortes.ch. Das Buch
                                                                                                                                                quels se transforment les différents quartiers: d’une
                                                 Auf Gemeindegebiet (Scheidegger & Spiess,
                                                 Zürich 2012) zeigt 240 ausgewählte Bilder                                                      rapidité vertigineuse dans les friches industrielles bien
                                                 aus diesen recherchierten Beständen.                                                    2015   desservies par les transports publics, l’évolution prend
                                                                                                                                                la forme d’un processus cyclique (vieillissement, puis
                                                                                                                                                rénovation) dans les quartiers d’habitation construits
                                                                                                                                                après la Seconde Guerre mondiale et semble s’être
                                                                                                                                                arrêtée dans certains autres quartiers, qui paraissent
                                                                                                                                                suspendus hors du temps.

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Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren Fotografi sche Langzeitbeobachtung in Schlieren
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