Freaks oder ziemlich beste Freunde? - Darstellung von Menschen mit Behinderung im Film

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Alex Oberholzer

Freaks oder ziemlich beste Freunde?
Darstellung von Menschen mit Behinderung im Film

Zusammenfassung
Wie wird Behinderung im Film aus historischer und aktueller Perspektive thematisiert? Welche Schicksale erleben
Menschen mit Behinderung im Film und warum werden solche Rollen meist durch Menschen ohne Behinderung be­
setzt? Solchen Fragen wird in diesem Beitrag nachgegangen und aufgezeigt, dass Behinderung im Mainstream-Kino
meist mit einer Verfälschung des Themas einhergeht. Wichtig ist jedoch, dass es auch Filme gibt, die nicht beschöni­
gen. Solche Filme werden beispielsweise jeweils am internationalen Kurzfilmfestival «look&roll» in Basel gezeigt. Ob
realistische Darstellung oder nicht – insgesamt ist es zentral, dass Behinderung als Thema in den Filmen vorkommt.
Zur Illustration werden die bekanntesten Filme über Behinderung in Kästen kurz vorgestellt und kommentiert.

Résumé
Comment le handicap est-il thématisé au cinéma, d’un point de vue historique et à l’heure actuelle ? Quels destins
les personnes avec un handicap connaissent-elles dans les films, et pourquoi de tels rôles sont-ils généralement joués
par des personnes sans handicap ? Cet article se consacre à ces questions et montre que, dans le cinéma grand pu­
blic, la manière dont le handicap est présenté est généralement peu réaliste. Ce qui importe cependant, c’est qu’il y
ait aussi des films qui n’enjolivent pas. De tels films sont par exemple régulièrement projetés dans le cadre du festival
du court métrage « look&roll » de Bâle. Que la représentation soit réaliste ou non, dans l’ensemble, il est important
que le thème du handicap soit présent au cinéma. Pour illustrer le propos, l’auteur présentera et commentera briève­
ment dans des encadrés les films les plus connus sur le handicap.

Permalink: www.szh-csps.ch/z2020-04-03

                         Einleitung                                          schen den Film gesehen. Somit war er der
                         Bei der diesjährigen Oscarverleihung am             erfolgreichste Film des Jahres 2012 und der
                         9. Februar 2020 übergaben Shia LaBeouf und          zweiterfolgreichste aller Zeiten, hinter «Ti-
                         Zack Gottsagen den Preis für den besten             tanic» und vor dem letzten James-Bond-
                         Kurzfilm. Die beiden Hauptdarsteller des            Abenteuer «Skyfall». Weltweit hat «Intou-
                         Films «The Peanut Butter Falcon» (2019) hat-        chables» fast eine halbe Milliarde US ­Dollar
                         ten also ihren grossen Auftritt auf der bedeu-      eingespielt.
                         tendsten Bühne der internationalen Kinowelt.             In Hollywood ist das Thema Behinde-
                         Das ist darum erwähnenswert, weil Zack              rung also in das Bewusstsein einer breiten
                         Gottsagen der erste Schauspieler mit Triso-         Öffentlichkeit gerückt. Von «Intouchables»
                         mie 21 ist, der in der 92-jährigen Geschichte       gibt es inzwischen auch bereits ein amerika-
                         der Oscars einen Preis überreichen durfte.          nisches Remake: «The Upside» (2017). Der
                              Der Film «Intouchables – Ziemlich bes-         Hollywoodschauspieler Kevin Hart spielt die
                         te Freunde» hat Scharen von Zuschauerin-            Hauptrolle des im Rollstuhl sitzenden Man-
                         nen und Zuschauern in die Kinos gelockt, in         nes mit Körperbehinderung. Die Haushälte-
                         der Schweiz haben fast 1,5 Millionen Men-           rin wird von Nicole Kidman dargestellt.

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Sowohl im kommerziellen als auch im alter-                       matische Schicksale, wovon Menschen mit
nativen Kino spielen Menschen mit Behin-                         Behinderung einiges zu bieten haben.
derung eine immer wichtigere Rolle, was al-                           Bezeichnend für das paradoxe Verhält-
len zugutekommt, den Menschen mit Be-                            nis zwischen den Schauspielerinnen bezie-
hinderung ebenso wie dem Publikum. Denn                          hungsweise den Schauspielern und den Fi-
Menschen mit Behinderung und ihre Situa-                         guren mit Behinderung, welche sie darzu-
tion werden dadurch in der Öffentlichkeit                        stellen haben, ist das Beispiel von Chris­
sichtbarer und das Publikum wird mit dem                         topher Reeve. In der Rolle als Superman
Thema Behinderung in einer freiwillig ge-                        wurde Christopher Reeve zum Weltstar und
wählten, angenehmen Umgebung einer                               dann erlitt er, der Weltstar und Superman,
Filmvorführung und nicht in einem entfrem-                       auf dem Höhepunkt seiner Karriere einen
denden Spital oder Rehabilitationszentrum                        Reitunfall. Reeve war von einem Moment
konfrontiert.                                                    auf den andern vollständig gelähmt. Holly-

Behinderung im Film
                                                                    The Peanut Butter Falcon (2019)
Bei Schauspielerinnen und Schauspielern
                                                                    Regie: Tyler Nilson und Michael Schwartz
sind Rollen von Menschen mit Behinderung
rundum beliebt, ja, sie streiten sich in Holly-                     Irgendwie gelingt es Zak, einem jungen Mann mit Down-Syn-
wood gar darum. Was im realen Leben als                             drom, aus seinem Heim auszubrechen. Nur mit Unterhose be-
Schicksalsschlag empfunden wird, gilt in der                        kleidet, macht er sich auf, seinen Traum Wirklichkeit werden
Traumfabrik als Glücksfall. Denn als Person                         zu lassen: Zak will professioneller Wrestler werden. Auf dem
mit Behinderung kann sich eine Schauspiele-                         Weg dahin trifft er den raubeinigen Fischer Tyler, dem nach
rin oder ein Schauspieler profilieren und in                        einer Brandstiftung rachsüchtige Kollegen im Nacken sitzen.
die Herzen des Publikums hineinspielen.                             Notgedrungen tun sich die beiden Looser zusammen – und
Häufig gibt es oben drauf noch einen Oscar,                         werden gemeinsam zum Winning Team. Märchenhaftes
wie die Dramen «My Left Foot – Mein linker                          Roadmovie und berührende Geschichte einer Freundschaft:
Fuss» oder «Forrest Gump» beweisen.                                 kurzweilig, witzig, mit viel Emotion und dem Traumpaar Za-
     Leonardo DiCaprios Performance im                              chary Gottsagen und Shia LaBeouf.
Drama «What‘s Eating Gilbert Grape – Gil-
bert Grape: Irgendwo in Iowa» erschütterte
                                                                    Intouchables – Ziemlich beste Freunde (2011)
mich derart, dass ich überzeugt davon war,
                                                                    Regie: Eric Toledano und Olivier Nakache
dass er die Behinderung nicht nur spielt,
sondern, dass er wirklich eine Behinderung                          Die Story klingt verrückt, beruht aber auf einer wahren Bege-
hat. Erst meine unmittelbar anschliessen-                           benheit: Ein schwarzer Sozialhilfeempfänger aus einem Pari-
den Recherchen widerlegten meine Annah-                             ser Problemviertel bewirbt sich bei Phillippe um die Stelle ei-
me. Der Film war somit nicht grundlos das                           nes Assistenten, bekommt sie – und bringt das Leben des Aris-
Fundament für den heutigen Weltstar.                                tokraten mit Schwerbehinderung ganz schön in Schwung. Die
     Warum also liebt ausgerechnet Holly-                           beiden rasen im schwarzen Maserati durch Paris, rauchen Ma-
wood Menschen mit Behinderung? Die Fra-                             rihuana und lassen sich von zwei Prostituierten die Ohrläpp-
ge ist natürlich falsch gestellt. Hollywood                         chen massieren. Ein Film, der einem ans Herz geht, wegen sei-
liebt nicht Menschen mit Behinderung,                               nes Witzes, seiner Lebensfreude und seines verwegenen
doch Hollywood hat ein exzellentes Senso-                           Charmes.
rium für interessante Geschichten und dra-

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
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                          wood drehte mit ihm ein Remake vom Thril-         mit Behinderung – von seinem Fenster aus
                          ler «Rear Window – Das Fenster zum Hof»,          im Nachbarhaus einen Mord beobachtet.
                          in welchem ein immobiler Detektiv – weil          Trotz des Superstars in der Hauptrolle war
                                                                            der Film ein totaler Flop. Menschen mit Be-
                                                                            hinderung im Film sind zwar erwünscht,
     My Left Foot – Mein linker Fuss (1989)
                                                                            doch nach dem Dreh sollen sie sich, bitte
     Regie: Jim Sheridan
                                                                            sehr, wieder normal benehmen.
     Schicksale von Menschen mit Behinderung für die Leinwand                     Ginge es tatsächlich um Menschen mit
     aufzubereiten, ist ein äusserst heikles Unterfangen. Regie, Ka-        Behinderung selbst und nicht nur um deren
     mera und Schauspielerinnen und Schauspieler betonen meist              Schicksale, dann könnten Figuren, welche ei-
     nur das Exotische der Abnormität. Ganz anders in diesem                ne Behinderung haben, auch von Darstelle-
     Film. Jim Sheridan verzichtet in seinem Erstling auf jede Ef-          rinnen und Darstellern mit Behinderung ge-
     fekthascherei und verbietet sich jeglichen Anflug von Voyeu-           spielt werden, was aber praktisch nie ge-
     ristischem. In realistischen, unbeschönigenden Bildern zeich-          schieht. Die wenigen Ausnahmen, wie Em-
     net er Stationen aus dem Leben von Christy Brown, der mit              manuelle Laborit in «Stille Liebe» oder
     einer schweren Behinderung lebt. Dieser mit seiner Autobio-            «Jenseits der Stille» und Marlee Matlin in
     grafie berühmt gewordene Spastiker bemerkte im Alter von               «Children of a Lesser God – Gottes vergesse-
     sieben Jahren, dass er seinen linken Fuss kontrolliert bewegen         ne Kinder», bestätigen hier nur die Regel.
     kann. Aufbauend auf diesem Erfolgserlebnis war es ihm mög-                   Besonders deutlich zeigt sich das,
     lich, mit Wille, Energie und der Pflege seiner Mutter sowie ei-        wenn reale Biografien von einer Schauspie-
     ner engagierten Ärztin, ein selbstbestimmtes Leben zu füh-             lerin oder einem Schauspieler interpretiert
     ren. Ein grosses, packendes Werk ohne Rührseligkeiten, mit             werden, obwohl das reale Vorbild noch lebt.
     einem genialen Daniel Day­Lewis in der überaus anspruchsvol-           Hätte im Film «My Left Foot» nicht Daniel
     len Hauptrolle, wofür er auch einen Oscar gewann.                      Day­-Lewis den fast vollständig gelähmten
                                                                            Christy Brown gespielt, sondern dieser sich
                                                                            selber, hätte der Film nie den Erfolg gehabt,
     Forrest Gump (1994)
                                                                            den er schliesslich hatte.
     Regie: Robert Zemeckis
                                                                                  Das breite Kinopublikum, und dafür
     «Forrest Gump» war ein absoluter Kinorenner, der mit sechs             werden Hollywoodfilme letztlich produziert,
     Oscars veredelt worden ist. Tom Hanks spielt dabei Forrest             will nämlich nicht Christy Brown selber sab-
     Gump, den sympathischen Kerl, der – mit leichter geistiger             bern sehen und glucken hören. Tut dies aber
     Behinderung – mit einer stupenden Naivität gesegnet ist. Er            ein Star, dann jubelt ihm das Publikum zu
     sitzt auf einer Bank an einer Bushaltestelle und erzählt aus sei-      und Jurys zeichnen ihn aus, worüber das ak-
     nem Leben. Weil er keine Konventionen und Gefahren kennt,              tuelle Beispiel «Intouchables» eindrücklich
     tapst er mit grossem Herz und unerschütterlicher Zuversicht            Zeugnis ablegt. Der Riesenrenner basiert auf
     in jedes erdenkliche Abenteuer. Er wird Kriegsheld, Football-          einer wahren Begebenheit, wobei die Perso-
     star und Liebhaber, er schüttelt Präsidentenhände, erfindet            nen, welche sie erlebt haben, alle noch le-
     nebenbei den Apfel von Macintosh und so weiter und so fort.            ben. Gespielt werden die Rollen dann aber
     Ein liebenswerter Tollpatsch auf der Reise durch das moderne           von Schauspielerinnen und Schauspielern
     Amerika. Ein wunderschöner Film, der rührt, nachdenklich               ohne Behinderung. Die Person mit Behinde-
     stimmt und von diesem feinen Humor getragen ist, der einen             rung selbst, die die Geschichte real erlebt
     alles etwas klarer sehen lässt.                                        und auch aufgeschrieben hat, erhält ledig-
                                                                            lich einen winzigen Auftritt im Abspann.

                                                                         Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
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In ihrem aktuellen Film «Hors Normes»                            te Charlie Chaplin den Effekt mit dem blin-
(2019), in welchem es um Menschen geht,                          den Blumenmädchen in «Limelight – Lich-
die durch alle sozialen Maschen fallen, be-                      ter der Grossstadt», das sich in den Tramp,
setzten die «Intouchables»-Autoren und                           Chaplins bekannteste Rolle, verliebt. Erst
-Regisseure Eric Toledano und Oliver Naka-                       die Blindheit macht ihre Liebe zum Land-
che die Hauptrollen wieder mit zwei Stars –                      streicher Charlie wahrhaftig, denn der Um-
in Nebenrollen aber «spielen» Menschen                           stand, dass das Blumenmädchen Chaplin
mit Behinderung sich selbst.                                     nicht sehen kann, impliziert geradezu, dass
      Immer wieder steht die Frage im Raum,                      ihre Zuneigung aus allertiefster Überzeu-
ob Schauspielerinnen und Schauspieler oh-                        gung kommen muss. Das geht ans Herz der
ne Behinderung Menschen mit Behinderung                          Zuschauerinnen und Zuschauer, die die
überhaupt verkörpern dürfen. Aus meiner                          Blindheit des Mädchens ja sehen – welch
Sicht ist das durchaus legitim, denn es ist der                  ein raffinierter dramaturgischer Effekt! Das
Sache dienlicher, wenn der durch einen Star                      Genie Chaplin erfand damit ein Modell, das
verfremdete Christy Brown sein Schicksal in                      sich in späteren Jahren vor allem im Thriller
«My Left Foot – mein linker Fuss» einem                          immer wieder bestens bewähren sollte. Au-
Millionenpublikum präsentieren und es so                         drey Hepburn etwa zieht die Zuschauerin-
mit einem Behinderungsthema konfrontie-                          nen und Zuschauer 1967 als Blinde in «Wait
ren kann, als wenn dieser Film – zwar in ei-
ner realen, lebensnahen Version – nur in Ar-
                                                                     What‘s Eating Gilbert Grape – Gilbert Grape:
chiven verstauben oder höchstens einem er-
                                                                     Irgendwo in lowa (1993)
weiterten Freundeskreis respektive einem
                                                                     Regie: Lasse Hallström
Fachpublikum vorgestellt würde.
      So machen eben all die Stars, selbst in                        Dort, wo der amerikanische Mittelwesten besonders flach
schlechten Filmen und schlechten Rollen,                             und langweilig ist, kümmert sich Gilbert (Johnny Depp) selbst-
immer auch Werbung für die Anliegen von                              los um den Bruder Arnie mit geistiger Behinderung (Leonardo
Menschen mit Behinderung und tragen da-                              DiCaprio) und die fettsüchtige Mutter. Erst als Becky (Juliette
mit zur Bewusstseinserweiterung bei. Na-                             Lewis) auftaucht, entdeckt der Junge sein Recht auf Glück. Ein
türlich wird in diesen Filmen manchmal                               Sprudelbad der Gefühle, traurig, witzig, rührend, mal voll
übertrieben, wird Mitleid ausgewalzt und                             schriller Ironie, dann wieder sensibel und ernst. Exzellent be-
werden Klischees gefeiert. Doch das gehört                           setzt – DiCaprios frühe Glanzleistung wurde für einen Oscar
eben alles auch zum Kino, ob es sich um Fil-                         nominiert.
me über Schwule, über Frauen oder über die
Liebe handelt. Und letztlich fängt Diskrimi-
                                                                     Jenseits der Stille (1996)
nierung immer dann an, wenn man als The-
                                                                     Regie: Caroline Link
ma schlicht nicht mehr vorkommt.
                                                                     Dass sich eine Nonne in einen Kleinganoven verliebt, ist an
Schicksale von Menschen mit                                          sich schon eher aussergewöhnlich. Dass die beiden aber auch
Behinderung im Film                                                  noch gehörlos sind, macht die Story schon fast exotisch. Der
Menschen mit Behinderungen sind ideal,                               sich bedächtig entwickelnde Film besticht durch die gehörlo-
um Emotionen zu verstärken und in be-                                se Schauspielerin Emmanuelle Laborit und den Zauber der Ge-
stimmte Richtungen zu lenken, was das Ki-                            bärdensprache.
no schon früh entdeckte. Schon 1931 nutz-

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
26                        BEHINDERUNG IN DEN MEDIEN

                          Until Dark – Warte, bis es dunkel ist» durch      Was alle Figuren mit Behinderung im Film
                          ihre Behinderung ohne Umweg sofort über           gemeinsam haben, ist ihre Fähigkeit, über
                          die Leinwand und mitten hinein in ihre Be-        sich hinauszuwachsen, sei es als Blinde
                          einträchtigung, wenn ihr Mörder in ihrer          («Wait Until Dark»), als Gehörlose («Jenseits
                          Wohnung erscheint.                                der Stille»), als Menschen im Autismus-Spek-
                                                                            trum («Rain Man»), als Kleinwüchsige («The
                                                                            Station Agent») oder als Menschen mit kog-
     Stille Liebe (2001)
     Regie: Christoph Schaub
                                                                            nitiver Beeinträchtigung («What‘s Eating Gil-
                                                                            bert Grape»). Sie leisten alle Aussergewöhn-
     Hauptfigur ist Lara, ein junges Mädchen, welches sich lang-            liches, etwas, wozu Menschen ohne Behin-
     sam vom Elternhaus loslösen möchte. Doch dieser ohnehin                derungen gar nicht fähig wären. Sie sind
     nicht einfache Schritt wird zusätzlich erschwert, denn Laras           wahnsinnig genial als Mathematik­-Genie
     Eltern sind gehörlos. Sie brauchen ihre Tochter als Dolmet-            («A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn»),
     scherin, als Ohr und Stimme zur Aussenwelt. Ohne Lara                  befreien den Indianer von der Knechtschaft
     schrillt das Telefon ins Leere, wartet der Postbote vergebens,         («One Flew Over the Cuckoo‘s Nest – Einer
     ist der Bankbeamte aufgeschmissen. Lara vermittelt zwischen            flog über das Kuckucksnest») oder öffnen
     Hörenden und Gehörlosen und bei Bedarf beschreibt sie ihren            dem Gefühllosen die Augen über seine zwi-
     Eltern auch den Klang des Schnees. Erst eine geschenkte Kla-           schenmenschliche Beschränktheit («Le hui-
     rinette und die damit verbundene Entdeckung der Wunder-                tième jour – Am achten Tag»).
     welt Musik ermöglichen Lara den Abschied. Den Abschied                      Genau wie im französischen Film «Le
     vom Elternhaus und von der Kindheit. «Jenseits der Stille» ist         huitième jour» (1996) ist es auch in der ak-
     ein unbeschreiblich feinfühliger Film, der die Tragik des The-         tuellen Hollywood-Produktion «The Peanut
     mas in keiner Weise beschönigt. Ähnlich der Gebärdenspra-              Butter Falcon» (2019) ein Mann mit Down-
     che strahlt er eine grosse Ruhe und Zärtlichkeit aus. Ein Ereig-       Syndrom, welcher einem Mann ohne Behin-
     nis sind auch die Darstellerinnen und Darsteller, wie der ge-          derung in einer schwierigen Situation wieder
     hörlose Howie Seago und die gehörlose Emmanuelle Laborit               auf den rechten Weg hilft. So werden zwei
     als Eltern sowie die junge Sylvie Testud als Lara.                     Looser zusammen zum Winning Team.
                                                                                 Die Figur mit Behinderung wächst in all
                                                                            diesen Filmen über sich hinaus und stemmt
     Children of a Lesser God –
                                                                            sich erfolgreich trotz vermeintlicher Defizite
     Gottes vergessene Kinder (1986)
                                                                            gegen alle auftauchenden Widerstände,
     Regie: Randa Haines
                                                                            welche auch Menschen ohne Behinderung
     Der Gehörlosenlehrer James (William Hurt) ist fasziniert von           bedrücken – und beseitigt diese. Aus ver-
     der hochbegabten ehe­maligen Schülerin Sarah (Marlee Mat-              meintlichen Defiziten erwachsen Kräfte,
     lin). Die gehörlose Frau hat sich zurückgezogen und arbeitet           von denen Menschen ohne Behinderung
     jetzt als Putzfrau an seiner Schule. James versucht, Kontakt zu        nur träumen. Ob das gut respektive mora-
     ihr aufzunehmen, um sie einzugliedern. Mit viel Einfühlungs-           lisch wertvoll ist, bleibe hier dahingestellt,
     vermögen gelingt es ihm, die junge Frau aus ihrer selbst ge-           denn das muss auch im jeweiligen Einzelfall
     wählten Isolation zu befreien – und prompt verliebt er sich in         beurteilt werden. Realistisch ist es ganz be-
     sie. Die gehörlose Marlee Matlin erhielt für ihr Kinodebüt ei-         stimmt nicht, wobei Kino aber auch nicht
     nen Oscar.                                                             diesen Anspruch hat.
                                                                                 Auch im Krimibereich ist die Rolle mit
                                                                            Behinderung, positiv wie negativ besetzt,

                                                                         Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
BEHINDERUNG IN DEN MEDIEN                                    27

ein beliebtes dramaturgisches Mittel. In Bil-                    Visualisierung der Wahrnehmungs­
ly Wilders «Witness for the Prosecution –                        welten von Menschen mit
Zeugin der Anklage» übernimmt der arro-                          Behinderung
gante Anwalt Charles Laughton die Man-                           Inzwischen versucht man, vor allem im eu-
dantin Marlene Dietrich erst, nachdem er                         ropäischen Film, den Menschen mit Behin-
sie seiner scharfen Prüfung unterzogen hat.                      derung vernünftig und ohne dramaturgisch­
Die Beeinträchtigung des Anwalts dient hier                      emotionalen Kick in die Handlung einzuglie-
der Einschüchterung der Mandantin, um                            dern. In den deutschen Endlosserien «Ma-
den Anwalt gleichzeitig als psychologisch                        rienhof» und «Lindenstrasse» etwa ist das
und intellektuell überlegen zu charakteri-                       Down­-Syndrom präsent, wie auch in «Üsi
sieren. Eine ähnliche Funktion nimmt der
Polizist und Sonderermittler in der TV-­Serie
                                                                    Hors Normes – Alles ausser gewöhnlich (2019)
«Ironside – Der Chef» ein. Die Hilfsmittel,
                                                                    Regie: Eric Toledano und Olivier Nakache
meist Rollstühle, signalisieren hier: Je
schlimmer die körperliche Versehrtheit,                             Seit 20 Jahren leben Bruno und Malik in einer eigenen Welt –
desto gigantischer die intellektuellen Fähig-                       zusammen mit autistischen Kindern und Jugendlichen. Als
keiten. Ganz im Sinne von: Da erbringt einer                        Verantwortliche zweier gemeinnütziger Organisationen bil-
Höchstleistungen, und dies trotz seiner Be-                         den sie junge Menschen aus benachteiligten Verhältnissen zu
einträchtigung.                                                     Betreuerinnen und Betreuern aus. Denn sie wollen denjenigen
      Der Gelähmte kann aber auch als Kont-                         helfen, die als Härtefälle durch sämtliche soziale Maschen fal-
rast zum Bösen eingesetzt werden, um den                            len und von allen Institutionen abgelehnt werden. Zwischen
Bad Guy als extremen Bösewicht zu charak-                           den aussergewöhnlichen Menschen entstehen wunderbare
terisieren. Berühmt dafür ist der Gangster-                         Beziehungen ausserhalb von traditionellen Normen. Doch
film «Kiss of Death – Der Todeskuss» aus                            weil Geld und Platz fehlen, ist alles bedroht. Wie der Vorgän-
dem Jahre 1947. Richard Widmark stösst in                           ger «Intouchables» erneut ein zärtlicher Film voller Respekt,
diesem Film mit sadistischem Lachen eine                            der die ungewöhnliche Geschichte zweier Männer mit gros-
auf den Rollstuhl angewiesene ältere Dame                           sem Herzen erzählt. Mit Vincent Cassel und Reda Kateb.
eine steile Treppe hinunter und schickt gleich
noch ein schmutziges Lachen hinterher. In
                                                                    Rain Man (1988)
weniger als einer Minute erreichte Widmark
                                                                    Regie: Barry Levinson
damit in seiner Gangsterrolle einen ähnli-
chen Dämonenstatus wie später Anthony                               Zwei Brüder, wie sie verschiedener nicht sein könnten: Ein am-
Hopkins, der aber dafür als Hannibal Lecter                         bitionierter Yuppie (Tom Cruise) der eine, ein in sich gekehr-
gar Menschen fressen musste.                                        ter Autist (Dustin Hoffman) der andere. Und eigentlich haben
      Es gab natürlich auch Versuche, das                           sie auch gar nichts miteinander zu schaffen. Dies ändert sich
Abweichende einigermassen realistisch ein-                          schlagartig, als der Vater der beiden stirbt und der Yuppie er-
zufangen, wie Tod Brownings legendärer                              fährt, dass sein Bruder drei Millionen Dollar erben soll. Eine
Film «Freaks» aus dem Jahre 1932, in dem                            ungewöhnliche, feinfühlig geschilderte Entwicklungsge-
Menschen mit körperlichen und kognitiven                            schichte setzt an, in der Dustin Hoffman, ebenso wie Tom
Beeinträchtigungen die Hauptrollen spielen                          Cruise, mit allen Feinheiten ihrer Kunst brillieren. Dieses vier-
und eine positive Solidargemeinschaft bil-                          fach oscarprämierte Roadmovie brachte das Thema Autismus
den, während die Menschen ohne Behinde-                             in die Öffentlichkeit.
rung im Film ziemlich verlogen erscheinen.

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                           Badi», einer Doku-­Soap des Schweizer Fern-       huitième jour – Am achten Tag».1 In beiden
                           sehens. Bei diesem fast inflationären Ein-        Filmen spielen Menschen mit Behinderung
                           satz von jungen Menschen mit Trisomie 21          einen Menschen mit Behinderung, was eine
                           wird man den Verdacht nicht los, die Film-        Ausnahme darstellt. Und so werden in bei-
                           schaffenden wollen zwar die Normalität            den Filmen endlich die Wahrnehmungswel-
                           von Menschen mit Behinderung in unserer           ten dieser Menschen visualisiert und damit
                           Gesellschaft zeigen, beschränken sich dann        in den Handlungskonflikt aktiv einbezogen.
                           aber doch lieber auf jene, die als besonders            In allen hier erwähnten Filmen, welche
                           «putzig» und «lieb» gelten und ohnehin            für ein grosses Publikum gedreht worden
                           keine negativen öffentlichen Reaktionen           sind, sind alle Figuren mit Behinderung
                           mehr auslösen.                                    meist auffallend hübsch, zumindest aber an-
                                Einen Schritt in die richtige Richtung       sehnlich. Menschen mit Schwerstbehinde-
                           gingen dann schon eher Caroline Link mit          rung, mit entstellten Gesichtern, verzerrten
                           der Gehörlosenstudie «Jenseits der Stille»        Stimmen und zuckender Gestik kommen in
                           (mit der gehörlosen Emanuelle Laborit)            diesem Kino nicht vor, denn sie gelten bei
                           oder der Belgier Jaco Van Dormael mit «Le         den Filmproduzentinnen und Filmproduzen-
                                                                             ten als nicht vermittelbar, ja man spricht von
                                                                             ihnen gar von Kassengift.
     The Station Agent – Station Agent (1988)
                                                                                   Behinderung im Mainstream­-Kino geht
     Regie: Thomas McCarthy
                                                                             also meist einher mit einer Verfälschung,
     Fin (Peter Dinklage) ist kleinwüchsig, hat es satt, immer ange-         sprich Verschönerung des Problems. Da
     starrt zu werden und zieht sich deshalb zurück. In einer ver-           werden Kanten geschliffen, da wird mal am
     lassenen Bahnstation in New Jersey richtet er sich ein und              Kitsch geschrammt, da wird auch abgeblen-
     hofft auf ein ruhiges, ungestörtes Leben. Doch zwischen Glei-           det, wenn es unangenehm wird, wenn zum
     sen, Häusern und Coffee­Shops gibt es noch andere Existen-              Beispiel die Schmerzen kommen – oder
     zen und zusammen realisieren sie, dass Einsamkeit gemein-               wenn die Blase drückt. Bei «Intouchables»
     sam besser zu ertragen ist. Bittersüsse Komödie voller Zärt-            beispielsweise gibt es ein Blind Date mit ei-
     lichkeit und Humor.                                                     ner schönen Frau und dem Helden im Roll-
                                                                             stuhl in einem teuren Restaurant. Die Frau
                                                                             erblickt den Mann, lächelt ihn an, setzt sich
     A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn (2001)
                                                                             zu ihm. Musik erklingt. Abspann. Wie die
     Regie: Ron Howard
                                                                             Frau ihn füttert, ob sie ihm das Röhrli ins
     Inspiriert von der Lebensgeschichte des Nobelpreisträgers               Weinglas stellt, ob sie ihn auf die Toilette
     John Forbes Nash Jr. spielt Oscar­-Preisträger Russell Crowe            begleitet – all das findet auf der Leinwand
     den genialen Mathematiker, der mit 21 Jahren eine bis heute             nicht statt. Und auch wenn es dies vorher
     gültige Wahrscheinlichkeitstheorie aufstellte, dann aber an ei-         im Film mit dem witzigen Assistenten sehr
     ner paranoiden Schizophrenie erkrankte. Ein ebenso rühren-              wohl zu sehen gab, mit der eleganten Dame
     des wie ergreifendes Drama, angesiedelt zwischen Genie und              ist diese Ebene inexistent und wird ausge-
     Wahnsinn, ausgezeichnet mit vier Oscars.

                                                                             1   Pascal Duquenne, ein Schauspieler mit geistiger
                                                                                 Behinderung, erhielt für seine Darbietung den
                                                                                 Darstellerpreis der Internationalen Filmfestspiele
                                                                                 von Cannes.

                                                                          Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
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blendet, denn so funktioniert Kino. Man                          sik, Schüsse, Telefonklingeln, Autohupen,
kann das sehr wohl kritisieren, doch für                         Vogelgezwitscher und anderes mehr einbe-
mich steht die Tatsache weit mehr im Zent-                       ziehen. Für Blinde und Menschen mit Sehbe-
rum, dass mit solchen Filmen Menschen mit                        hinderung wird eine sogenannte Audiode-
Behinderung überhaupt erst auf die Lein-                         skription zur Verfügung gestellt. Dies ist eine
wand und damit ins Bewusstsein eines                             Handlungsbeschreibung, die in den Dialog-
grossen Publikums geraten.                                       pausen des Films erklärt, was zu sehen ist,
      Umso wichtiger ist es daher auch, dass                     wie beispielsweise, dass ein rotes Auto von
es zusätzlich noch eine ganz andere Art Filme                    rechts ins Bild fährt oder dass eine Person
mit Menschen mit Behinderung gibt, nämlich
all jene, die nicht in erster Linie ein grosses,
                                                                     One Flew Over the Cuckoo‘s Nest – Einer flog
dafür jedoch interessiertes Publikum anspre-
                                                                     über das Kuckucksnest (1975)
chen wollen. In diesen Filmen, die meist kür-
                                                                     Regie: Milos Forman
zer sind und nur mit einem kleinen Budget
gedreht werden, wird nichts beschönigt. Im                           Um dem Zuchthaus zu entgehen, lässt sich der mehrfach vor-
Gegenteil, da wird gezeigt, was Sache ist,                           bestrafte McMurphy (Jack Nicholson) in die Nervenheilanstalt
mal schonungslos realistisch, mal satirisch                          einweisen. Natürlich hegt er Fluchtgedanken, doch die Psy­
überhöht oder romantisch verklärt, immer                             chiatrie wird für den Simulanten bald zur Hölle. Die mit Medi-
aber mit dem Anliegen, alle Menschen mit                             kamenten ruhiggestellten Patienten stehen unter der Fuchtel
Behinderung ernst zu nehmen und ihre Situ-                           von Schwester Ratched. Mit unbändiger Vitalität stemmt sich
ation in der Gesellschaft auszuhorchen. Doch                         McMurphy gegen die menschenunwürdige Institution, wird
diese Filme kommen nicht ins grosse, regulä-                         zur Gefahr – und darum auf brutale Art und Weise angepasst.
re Kino, sondern benötigen vorerst noch ei-                          Das System schlägt gnadenlos zurück. Eine ebenso düstere
gene Abspielorte, wie Festivals, Kurzfilmtage                        Parabel wie ein Plädoyer für die Mündigkeit des Individuums
oder Spezialveranstaltungen.                                         und die Vielfalt des Lebens.
      Ein Beispiel dafür ist das internationale
Kurzfilmfestival «look&roll», das alle zwei
                                                                     Le huitième jour – Am achten Tag (1996)
Jahre in Basel stattfindet, nächstes Mal im
                                                                     Regie: Jaco Van Dormael
September 2020, und dessen Thema das Le-
ben mit Einschränkungen ist. Die dort ge-                            Was für ein Paar: Da ist Harry (Daniel Auteuil), ein Roboter des
zeigten Filme sollen Augen und Ohren öff-                            Alltags, eingepfercht in die Pflichten von Geschäft und Fami-
nen, mit Neuem konfrontieren und überra-                             lie. Und da ist Georges (Pascal Duquenne), «moi, mongol», ein
schen, Werte in Frage stellen und an Normen                          junger Mann mit Trisomie 21, der ausschliesslich für den Mo-
rütteln; damit ein Platz für neue Einsichten                         ment lebt, mit offenem Herzen und ohne Kalkül. Harry trifft
oder allenfalls neues Verhalten geschaffen                           Georges – und wird ihn nicht mehr los. Die Konfrontation die-
wird. Alle am Festival gezeigten Filme wer-                          ser beiden unterschiedlichen Menschen beschert uns einen
den behinderungsgerecht aufgearbeitet.                               der schönsten und liebenswertesten Filme. Ordnung und Cha-
Konkret heisst das zum Beispiel, dass für Ge-                        os, Vernunft und Verrücktheit lösen ihre Begrenzungen auf.
hörlose und Menschen mit Hörbehinderung                              Gegensätze gehen aufeinander zu, optimieren sich wechsel-
spezielle Untertitel geschrieben werden, die                         seitig und ermöglichen so erst ein menschenwürdiges Leben
sich nicht auf die reinen Dialoge beschrän-                          für Harry und für Georges. Der Film pulverisiert dabei den Be-
ken, sondern auch anderes, für die Handlung                          griff der Normalität.
Wichtiges, wie Hintergrundgeräusche, Mu-

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
30   BEHINDERUNG IN DEN MEDIEN

                        hämisch lächelt. Zudem werden bei fremd-            nen im Kino betrachten können. Tatsache
                        sprachigen Filmen die Untertitel in deutscher       ist: Menschen mit Behinderung und ihre
                        Sprache vorgelesen.                                 Schicksale gehören ins Kino und ins Fernse-
                                                                            hen. Denn Filme, ganz unabhängig von ihrer
                        SchIussbemerkungen                                  Qualität, spiegeln die Gesellschaft wider, in
                        Filme setzen Bewusstseinsprozesse in Gang,          welcher sie entstehen. Und Menschen mit
                        rütteln auf, betören. Umso wichtiger ist es,        Behinderung sind Teil dieser Gesellschaft, in
                        behinderungsspezifische Anliegen in den             Hollywood und überall. Zudem haben Figu-
                        Film hineinzubringen, und zwar nicht als De-        ren mit Behinderung im Kino und im Fern-
                        kor, exotische Effekthascherei oder Tränen-         sehen immer auch Modellfunktion für Men-
                        treiber, sondern als ein ungeschminkt und           schen mit Behinderung, was wiederum de-
                        realistisch dargestelltes Thema, mit seiner         ren Selbstbewusstsein steigert. Menschen
                        aufrüttelnden Dramatik, mit seiner komple-          mit Behinderung braucht es also, sowohl in
                        xen Emotionalität, aber auch mit seiner oft         Haupt­- als auch in Nebenrollen.
                        unfreiwilligen Komik.
                              Und dabei spielt es eigentlich gar keine
                        Rolle, ob wir grosse, teilweise auch manipu-             Es ist dies ein überarbeiteter und ak-
                        lative, schlimmstenfalls gar verlogene Mil-              tualisierter Text. Er basiert auf einem
                        lionenproduktionen oder aber ehrliche, rea-              Artikel, der im Jahr 2015 im Buch
                        listisch inszenierte, kleine Insiderproduktio-           «Mediale Welt inklusive! Sichtbar-
                                                                                 keit und Teilhabe von Menschen mit
                                                                                 Behinderungen in den Medien» im
                                                                                 Seismo Verlag erschienen ist.
© ZELJKO GATARIC

                        Alex Oberholzer, M. A.
                        Filmredaktor bei Radio24
                        Präsident des Internationalen Festivals
                        «Look & Roll – Behinderung im Kurzfilm»
                        Lebt seit Geburt mit einer Behinderung
                        oberholzer.alex@bluewin.ch

                                                                         Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 26, 4 / 2020
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