Gedanken & Spiele - Ein Heft über grüne - MITGLIEDERZEITSCHRIFT II 2018 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BADEN-WÜRTTEMBERG - Grüne Baden ...
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Ein Heft ne über grü Perspek- tiven Gedanken & Spiele MITGLIEDERZEITSCHRIFT · II · 2018 · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BADEN -WÜRTTEMBERG
02 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 · 03 Wegweiser Allmählichkeit durch das Heft und Sprung 3 Robert Habeck über In dieser Ausgabe der Grünen Blätter Radikalität Zu Winfried Kretschmanns 70. Geburtstag war Robert Habeck in Stuttgart zu einer Diskussion eingeladen. wollen wir uns etwas grundlegender Dort diskutierten Winfried Kretschmann und er die Frage, wie man den bedrohten liberalen Kern der De- 5 mit aktuell viel diskutierten Begriffen Winfried Kretschmann mokratie stärkt. Habeck warb für mehr Radikalität und Kretschmann für Maß und Mitte. Hier erklärt der auseinandersetzen. Dazu haben wir über Streit Bundesvorsitzende, warum das kein Widerspruch sein muss. verschiedene Gastautor*innen einge- laden, ihre Perspektive auf ein spezi- Robert Habeck über Radikalität fisches Thema zu teilen: Was macht unsere grüne Haltung dazu aus? Was Ich weiß, was Kretsch meint, wenn er mehr vom Gleichen (und manchmal und Tod sind, statt eine fortgesetzte sind Streitpunkte? Welche gesell- vor Radikalismen warnt und finde das weniger). Dabei ist dies „bloß gleich- Allmählichkeit zu sein, vielmehr ein schaftliche Relevanz hat dieses The- ausdrücklich richtig – gerade jetzt, wo gültige Änderung“. Abbrechen derselben und der Sprung ma? 6 sich das Völkische und Antieuropäi- aus quantitativer Veränderung in qua- Sandra Detzer sche Bahn bricht. Wer glaubt, er sei im Beispiele? Die Debatten über mehr litative.“ Das ist der Sprung ins Quali- Wir hoffen, dass diese verschiedenen über Heimat Besitz der Wahrheit, hat nicht verstan- oder weniger Europa. Dabei lautet die tative, um den geht es. Und wenn sich Perspektiven zum Nach- und Weiter- den, was Demokratie ist. Es geht näm- Frage doch, wie geht es weiter, wenn die Große Koalition durch Allmählich- denken anregen. Dass vielleicht das 7 Oliver Hildenbrand über lich in ihr nicht um Wahrheit, sondern Amerika seine Interessen, egal um wel- keit rettet, müssen wir springen. ein oder andere Schlaglicht dabei ist, um Argumente. Um das zu bewahren, chen Preis, in einem Absolutheitsan- welches ein Thema von einer für euch Zusammenhalt müssen wir aber über das Bestehen- spruch an die erste Stelle setzt? Dass Blut und Sauerstoff anderen Seite beleuchtet. Vielleicht de hinausdenken. Das meine ich mit eine nationale Antwort da weiter- für das Herz der Republik regt auch etwas zum Widerspruch an. radikal. hilft, können nur Nationalisten glau- 8 Wir wünschen uns nicht nur für dieses Das etwas andere ben, oder Menschen, die nichts mehr Ich denke, Kretsch sieht das so ähn- Heft, sondern auch für den spannen- Monopoly Hardcore und abgefahren wollen. Die Allmählichen, sozusagen. lich. So nähern wir uns dem gleichen den Weg zum neuen grünen Grund- Anspruch: Eine Politik zu entwerfen, satzprogramm den Mut, als Partei in Neulich war ich im Theater und sah Radikal ist das neue Realistisch die das schlaff schlagende Herz der li- ihrer ganzen Breite und Vielfalt Unter- Milo Raus „Lenin“. Etwa zur Mitte des beralsten deutschen Republik, die wir 10 schiede auszuhalten und wenn nötig, Jamila Schäfer über Stückes zitiert Trotzki Lenin, der wie- Oder am Beispiel Klimawandel: Die je hatten, mit Blut und Sauerstoff ver- zivilisiert zu streiten. Denn davon lebt Nationalismus derum Hegel zitiert. Und zuhause las Große Koalition ist sich einig, Themen sorgt und zeigt, dass es gelingen kann. ja bekanntermaßen die (innerparteili- ich das nach. Warnung: Es wird jetzt wie die Energiewende oder Flucht- che) Demokratie. ein bisschen hardcore und abgefah- ursachen als grünes Nischenthema ren. Hegel unterscheidet in der „Wis- abzutun, um die Angriffsflanke des Die lange Fassung dieses Beitrags 16 Muhterem Aras über senschaft der Logik“ Maßverhältnisse Rechtspopulismus zu verkleinern. Das könnt ihr auf Roberts Blog lesen: 11 Ricarda Lang Wertsachen – quantitative und qualitative. Für Starren auf die Rechten aber „betrifft http://www.robert-habeck.de/texte/ über Utopien die quantitativen Verhältnisse stellt nur das Äußerliche der Veränderung“. blog/allmaehlichkeit-und-sprung/ er fest, dass diese äußerlich sind und Der Klimawandel wird zu dramati- sich allmählich ändern. „Aber die All- schen Fluchtbewegungen führen. Und mählichkeit betrifft nur das Äußerli- wir werden dann Entscheidungen 15 Till Westermayer über che der Veränderung, nicht das Quali- treffen müssen, die das Wesen unse- Basisbeteiligung tative derselben. Man sucht sich gern rer liberalen Demokratie und unserer Robert Habeck durch die Allmählichkeit des Über- Werteordnung umstürzen können. Mit gangs eine Veränderung begreiflich zu der Energiewende verteidigen wir machen; aber vielmehr ist die Allmäh- also in Wahrheit Liberalität und Werte. 14 Paula Louise Piechotta lichkeit gerade die bloß gleichgültige Auf unserem Parteitag nannten wir Änderung, das Gegenteil der quali- das „Radikal ist das neue Realistisch“. über Fakten tativen. Hierdurch wird gerade das, Hegel nennt die Alternative zur All- was zum Begreifen nötig ist, entfernt.“ mählichkeit einen Sprung. „Das Was- 12 Sechs Grüne ser wird durch die Erkältung nicht über Ökologie Das klingt wie eine politische Lage- nach und nach hart, so daß es breiar- Robert ist unser Bundesvorsitzender. beschreibung. An der Oberfläche wer- tig würde und allmählich bis zur Kon- Vor der Politik promovierte er in Phi- den Probleme gelöst, aber oft geht es sistenz des Eises sich verhärtete, son- losophie und war gemeinsam mit sei- nur um quantitative. Wir machen nur dern ist auf einmal hart. Alle Geburt ner Frau als Schriftsteller erfolgreich.
04 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 · 05 Gegenverkehr Streit ist die Würze statt Einbahnstraße der Demokratie „Menschsein gibt es nur im Plural“, zitiert Wolfgang Schäuble Hannah Arendt in seiner Laudatio auf dem Der Ton in öffentlichen Debatten wird rauer. Andersdenkende werden als „Volksverräter“ beschimpft. Symposium „Demokratie neu denken“ zu Winfried Kretschmanns 70. Geburtstag. Derweil trocknet meine Äußerungen, die man früher allenfalls am Stammtisch gehört hat, werden fast schon selbstverständlich auf durch den Schauer auf dem Hinweg durchnässte Abendgarderobe. Ich sitze zwischen grünen Weggefähr- Facebook gepostet. Diese Verrohung der Diskussionskultur muss uns zu denken geben. ten wie Rezzo Schlauch, Stuttgarts Kulturelite wie Walter Sittler und schwarzen Sprenkeln wie Erwin Teufel. Martin Kranz-Badri über das Symposium Winfried Kretschmann über Streit Die Staatsgalerie ist in grünliches chen Beziehung zu anderen, [...] wo Die anschließende Diskussion aus Nimmt der Streit im öffentlichen ordnung beachtet, wenn er mit Respekt Denn im Nicht-Verstehen entsteht Licht getaucht, sonst karg und un- Menschen durch die Vermittlung ei- grüner Moderation, grünem MP, grü- Raum überhand? Nein, wir brauchen geführt wird und auf Fakten basiert. schon die erste Entfremdung zwi- festlich. Staatsrätin Gisela Erler muss ner gemeinsamen Dingwelt von ande- nem Bundesvorsitzenden, grünnahem nicht weniger Streit – und schon gar schen „die da oben – wir da unten“. sich zu Beginn Gehör verschaffen, das ren zugleich getrennt und mit ihnen Journalisten und grünnaher Professo- keine Harmonie-Soße. Was wir aber Dinge anders zu sehen ist kein Defizit, technische Problem wird aber schnell verbunden sind, beraubt schließlich rin tut das leider nicht. Gegenverkehr dringend brauchen, ist eine andere sondern macht das Zusammenleben in Es gibt ein Recht auf eigene Meinung, gelöst. Die Pluralität von Meinungen der Möglichkeit, etwas zu leisten, ist zwar erlaubt, aber offensichtlich Art, Konflikte auszutragen. der demokratischen Gesellschaft erst nicht aber auf eigene Fakten in Regierungshandeln einzubinden was beständiger ist als das Leben.“ nicht in persona eingeladen. Ich hatte aus. Deshalb müssen wir respektvoll – Öffentlichkeit hörbar zu machen – auf einen kontroverseren Raum des Konflikte sind in einer Demokratie und fair mit der Vielfalt der Menschen, Außerdem gilt es, die Wahrheit in den ist schließlich Erlers Auftrag. Wird die Armin Nassehi, Münchner Soziologie- Öffentlichen gehofft, in dem durch nicht nur unvermeidlich, sondern not- der Meinungen und der Lebensstile Tatsachen zu suchen. Denn es gibt nur Veranstaltung dem gerecht? Ganz so professor mit schwäbisch-iranischen den Austausch zweier Argumente ein wendig und gut. So heißt es schon umgehen – in der Politik, aber auch ein Recht auf eigene Meinung, nicht neu scheinen mir die Ideen nicht zu Wurzeln, zitiert dazu Helmut Pless- drittes entstehen kann. Auch nach in der berühmten Leichenrede des auf der Straße, auf den Schulhöfen aber auf eigene Fakten. Das Verdre- sein – das ist so 2011. ner: „Öffentlichkeit ist der soziale dem Sturm auf das Buffet bleibt eine Perikles: Bei uns ist ein stiller Bürger und genauso in der digitalen Welt. hen von Tatsachen ist das Feld der Verkehr unverbundener Menschen.“ wirkliche Diskussion aus, obwohl hier kein guter Bürger. Nur in der Debatte Demagogen. Nur indem wir selbst Schäuble beklagt den Mangel an Eine Demokratie ist auf öffentliche die Bedingungen für Öffentlichkeit über die Welt und wie wir in ihr leben Es gilt Gräben zu vermeiden, die un- redlich argumentieren und glaub- Fokus, der im Internet aufgrund von Debatten angewiesen. Es sei eine zivi- stimmen. Das Buffet ist nicht extrava- wollen, kann ein gemeinsames Bild weigerlich entstehen, wenn man ande- würdig handeln, können wir dagegen Informationsflut und Filterblasen lisatorische Errungenschaft, sich trotz gant, wie von der Opposition vermu- von unserer Gesellschaft entstehen. re beschimpft oder in eine Ecke stellt. Dämme errichten. herrsche, der früher durch die medi- unterschiedlicher Meinung offen aus- tet. Alle sind satt. Dennoch bleibt ein Ich bin daher überzeugt: Zivilisierter Wer den Zuzug von Asylbewerbern ale Sortierung hergestellt worden sei. tauschen zu können. Eine funktionie- fader Beigeschmack. Demokratie ken- Streit hält die Gesellschaft zusammen, begrenzen möchte, ist deshalb noch Wenn es gelingt, diese Prinzipien zur Hannah Ahrendt formulierte Ähnli- rende demokratische Öffentlichkeit ne ich vielfältiger, Buffets spannender. unzivilisierter Streit treibt sie aus- kein Nazi. Und wer weiterhin Flücht- Richtschnur zu machen, dann wird ches 1960 in „Der Raum des Öffent- ist – so steht es auch in der das Sym- Ich bleibe hungrig. Also raus einander. Zivilisiert ist politi- linge aufnehmen will, kein Volks- klar: Der Streit ist die Würze der De- lichen und der Raum des Privaten“: posium begleitenden Festschrift – der aus der eigenen Filter- scher Streit dann, wenn verräter. Wer solches will, ist nicht mokratie, und unsere Gesellschaft „Nur ein Privatleben führen heißt [...] Raum für den Diskurs, für den Gegen- blase! Der Regen er unsere demo- zwangsläufig böse, ist nicht zwangs- wird am zivilisierten Streit wachsen in einem Zustand leben, in dem man verkehr, der unser System von dikta- draußen hat kratische Ver- läufig dumm oder naiv. Sondern viel- und gedeihen. bestimmter, wesentlich menschlicher torischen Einbahnstraßen unterschei- aufgehört. fassungs- leicht einfach nur anderer Meinung. Dinge beraubt ist. Beraubt nämlich der det. Aber, mahnt Nassehi, „die richtige Wirklichkeit, die durch das Gesehen- Information trifft bisweilen auf ein Anleitung zum zivilisierten Streit und Gehörtwerden entsteht, beraubt Publikum, das gegen sie resistent ist. einer ‚objektiven‘, d.h. gegenständli- Weil die Praktiken, in denen es lebt, Wie also miteinander reden? Wir müs- ganz offensichtlich dem argumenta- sen Abstand halten von Verrohung Martin Kranz-Badri tiven Zusammenhang widersprechen.“ und Verbalradikalismus einerseits und Winfried Kretschmann Weil Vertrauen fehle, erleichtern ein- einer überspannten politischen Kor- fache Botschaften das Leben in einer rektheit andererseits. Eine Kommu- komplexen Welt. Wie können komple- nikation also, die Tabubrüche klar als xe Botschaften dann einfacher ver- solche benennt, und uns gleichzeitig packt werden, ohne populistisch zu mit „robuster Zivilität“ (Timothy Gar- sein, frage ich mich. Müssen wir in der ton Ash) vieles aushalten lässt, was Politik nicht zuerst oder gleichzeitig uns darüber hinaus gegen den Strich das tägliche soziale Leben verbessern, gehen mag. Martin Kranz-Badri arbeitet für die um Gehör zu finden? Und damit das Kantig, ernsthaft, leidenschaftlich. Landtagsabgeordnete Barbara Saebel Grundvertrauen in unsere Demokra- Und wir müssen so reden, dass die Winfried Kretschmann ist der erste und engangiert sich ehrenamtlich in tie in bestimmten Kreisen zurücker- Leute uns verstehen. Das gilt gerade grüne Ministerpräsident. Für ihn ist der Grünen-Blätter-Redaktion. obern? Wir sollten darüber reden. für uns Politikerinnen und Politiker. Streit die Würze der Demokratie.
06 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 · 07 Heimat ist Vielfalt und Zusammenhalt Herzenssache gelingen nur gemeinsam Heimat ist Herzenssache. Heimat ist ein Gefühl, subjektiv, bunt und schön. Kein Staat der Welt kann er- Ohne Angst verschieden sein zu können – dieses Postulat von Theodor W. Adorno beschreibt die zentrale zwingen, dass sich Menschen heimisch fühlen. Für manche ist Heimat immer dort, wo sie sich wohlfühlen. Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben und ein gleichberechtigtes Miteinander von Menschen Für andere, wo ihre Familie lebt und gute Freunde sind. Bei jedem ist die Heimat anders. mit ganz unterschiedlichen Merkmalen und Hintergründen. Sandra Detzer über Heimat Oliver Hildenbrand über Zusammenhalt Warum diskutieren wir gerade soviel Dieses Gefühl ist zutiefst politisch. len Tannen des Schwarzwaldes, die In unserer freien, offenen und vielfäl- aller Menschen in unserem Land und eine Trias aus Vertrauen, Zusammen- über Heimat? Warum diskutieren wir Wenn Menschen sich nicht mehr als Streuobstwiesen im Heilbronner Land tigen Gesellschaft ist Zusammenhalt auf einen Zugewinn an gesellschaft- halt und Selbstbestimmung entgegen. über Sinn und Unsinn von Gebirgsta- Teil einer Gemeinschaft fühlen, kom- oder die verschlungenen Täler der immer auch der Zusammenhalt von licher Teilhabe. Gesellschaftlicher Zu- Sie tritt für eine inklusive Gesellschaft peten? Weil es in einer komplexen munizieren, verhalten sie sich anders, Jagst. Wir wollen starke Infrastruktu- unterschiedlichen Menschen. Des- sammenhalt ist kein Zustand, sondern ein, die Teilhabegerechtigkeit und und unübersichtlichen Welt, einer wählen sie anders. Nicht umsonst wird ren des alltäglichen Lebens bei Schu- halb kann Zusammenhalt nicht auf ein politisch-sozialer Prozess: Es geht Chancengleichheit für alle Menschen ausdifferenzierten Gesellschaft mit die Heimat oft von Rechten genutzt, len und Hochschulen, Arztpraxen und Ähnlichkeit, Konformität oder Homo- um Vertrauen in die Verfassung, in gewährleistet. Sie tritt für eine solida- unterschiedlichen Lebensweisen ein um ein „Wir“ gegen „Die“ zu konstruie- Krankenhäusern, Straßen und Schie- genität beruhen, sondern muss Unter- die öffentlichen Institutionen und in rische Gesellschaft ein, die faire Mög- gestiegenes Bedürfnis nach Halt, Ver- ren. Ihr Heimatbegriff ist ausgrenzend nen, Dorfläden und Breitband, weil schiede anerkennen, Freiheiten erlau- die soziale Infrastruktur. Es geht um lichkeiten und gleiche Rechte für alle trautheit und gemeinsamer Identifi- und hasserfüllt, in erster Linie ein Pro- sich daran Teilhabe entscheidet – ge- ben und Heterogenität wertschätzen. gesellschaftliche Teilhabe, um sozi- Menschen garantiert. Sie tritt für eine kation gibt. Digitalisierung, Globali- pagandamittel. rade im Ländlichen Raum. Wir alle, Es geht um individuelle Vielfalt und ale Sicherheit und um gleichwertige bunte Gesellschaft ein, die Vielfalt sierung, Migration: Diese Megatrends die an einer progressiven, inklusiven, um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Lebensverhältnisse in der Stadt und als Herausforderung und Chance be- nagen am Wir-Gefühl unserer Gesell- Heimat ermöglichen heißt auch nachhaltigen und grün-bunten Ge- Deshalb ist die inklusive Gesellschaft auf dem Land. Es geht um Gemein- greift. Für die politische Theoretikerin schaften und lassen den Einzelnen Teilhabe vor Ort schaffen sellschaft arbeiten, sind Heimatma- unser Leitbild: Im Mittelpunkt unserer sinn und um Engagement für das Ge- Hannah Arendt beruht Politik auf der häufig im Ozean der Eindrücke zurück. cherinnen und Heimatmacher – ob als Politik steht der Mensch mit seiner meinwohl. Es geht um politische Be- Tatsache der Pluralität der Menschen Woran hält man sich, wenn nichts Heimat grenzt aber nicht aus. Unser Ehrenamtliche, Kreisrätin, Abgeordne- Würde und seiner Freiheit. Ein inklu- teiligung und um einen Umgang mit und handelt vom Zusammen- und Mit- mehr hält? Heimat bedeutet Gebor- Ministerpräsident hat Recht, wenn er te oder Minister. Damit das Wir-Gefühl sives Wir-Gefühl entsteht, wenn wir Konflikten nach den demokratischen einandersein der Verschiedenen. Des- genheit, bietet Halt. Peter Unfried sagt: Heimat wird nicht weniger, wenn bleibt und der Zusammenhalt wächst. Vielfalt akzeptieren und eine Einheit Spielregeln. halb können Vielfalt und Zusammen- fasst es schön zusammen: Der oftmals man sie teilt. Wir Grüne wollen den Damit Baden-Württemberg für alle der Verschiedenen schaffen. halt nur gemeinsam gelingen. gefühlte Heimatverlust ist im Kern ein Menschen Heimat ermöglichen, grüne werden kann, was es schon für viele Verschieden sein können – Ich-Wir-Verlust. „Es geht nicht um das Politik macht Heimat leicht. Wir neh- ist: Heimat. Zusammenhalt ist ein Prozess und gleiche Chancen haben Fehlen von Volksmusik, Natur oder men den Auftrag des Grundgesetzes des Schweinsbratens von der Oma: nach gleichwertigen Lebensverhält- Heimattour Unsere Politik für den gesellschaftli- Unsere Politik für den gesellschaft- Es geht darum, dass man sich selbst nissen in Stadt und Land ernst. Wir Sandra Detzer geht gemeinsam mit chen Zusammenhalt zielt deshalb auf lichen Zusammenhalt setzt der nicht mehr als Teil von etwas sieht schützen den Bussen in Oberschwa- Andre Baumann auf #heimattour: die Verbesserung der rechtlichen, wirt- rechtspopulistischen Trias aus Bedro- und verorten kann.“ ben, die saftigen Rheinauen, die dunk- www.gruene-bw.de/heimattour schaftlichen und sozialen Lebenslage hung, Ausgrenzung und Abwertung Sandra Detzer Oliver Hildenbrand Sandra Detzer ist unsere Landesvor- Seit 2013 ist Oliver Hildenbrand un- sitzende und Stadträtin in Heidelberg. ser Landesvorsitzender. Seine politi- Sie setzt sich für Umweltschutz und schen Herzensthemen sind die Ge- den Erhalt unserer Heimat ein. sellschafts- und die Innenpolitik.
08 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 ? ut g un r d da be G fü s ss el d en is K gn lim r f be än a r te e Das etwas andere ü u ef d G l C G ar e Theaterstraße Museumstraße Opernplatz Lessingstraße Schillerstraße Goethestraße he s s ha da n ri Si in ng e Monopoly Ereignisfeld Nordbahnhof Wasserwerk Rathausplatz Berliner Straße Etwas Glück oder Pech entscheidet darüber, ob wir zu den Gemeinsc Gewinner*innen oder Verlierer*innen unserer weltweiten haftskarte Wirtschaftsweise gehören. Sie sind Nä he und arbeite rin in Bangladesch Hauptstraße n 18 Stunde Wiener Ziehen Sie n am Tag. Straße für den Re nur 61 Euro st des Spie Gehalt ein ls Sie davon und zahlen jede Rund e 25 Euro an Die Redaktion über Wirtschaft den Fabrik besitzer fü r ein geteilt Feldbett un es d wässrige Besit zkart Suppe. Schlo e ssall ee schaftsfeld schaftsfeld Wusstet ihr, dass es ursprünglich zwei Gemein- Gemein- Möglichkeiten gab, Monopoly zu spie- Vil Famil len im len? Die erste ist die heute verbrei- vierte ienbesitz in r Gen aftska rte Gemeinsch eratio tete: Ziel des Spiels ist, alle anderen n. LY Weit ergab terneh- Spieler*innen in den Bankrott zu trei- über e nur s Familienun Bahnhofstraße Erbsc haft. Sie erben da 00.000 Euro ein 1.0 Münchner Sie ben und als Monopolistin oder Mono- men. Zie he n Sie 0,- Euro Steu ern. Straße un d za hl en polist die Wirtschaft zu beherrschen. Die zweite Spielweise hatte die so- PO zialistische Spielerfinderin Elizabeth Mietkarte Magie als Gegenentwurf vorgesehen: Badstraße Hauptbahnhof Westbahnhof Eine Bodensteuer, die die jeweiligen Grundbesitzer*innen entrichten, wirkt O mmene Runtergeko Häuser. Ereignis Vermögensungleichheiten entgegen karte ng um – und alle profitieren davon. Das Ziel Mieterhöhu Sie sind Vo N n Jahr. eines Aut rstandsv 5 % im letzte ok orsitzende des Spiels ist erreicht, wenn der ärms- trugssoftw onzerns, der Diese r ? are einset l-Be- Neue Straße Ereignisfeld gen Sie si zt ch einmal . Entschuldi- te Spieler sein Vermögen verdoppelt 4.000.00 und zieh O 0 Euro Ja en Sie hresbonu hat. s ein. M Magie entwickelte 1903 „The Landlord’s Game“, das später zu Mo- Hafenstraße Parkstraße nopoly weiterentwickelt wurde, um Ar spielerisch auf das Problem des Land- Hau schkarte ptba hnh grabbing in den USA aufmerksam zu of Be Wa sitzkarte sse machen – und eine Alternative aufzu- rwe rk zeigen. Auch heute läuft in unserem Ereigniskarte Keine Steuern Elektrizitäts- Wirtschaftssystem einiges schief: In ? per- rin in einem Su werk für ... Stu Sie sind Kassiere den Städten steigen die Mieten, das Früh ttgart 21 un d lös en unerlaubt einen este : ma rkt . fer ns 20 en Pfandbon ein liegengelassen Elternhaus entscheidet weiterhin Kost tig geba 25 enex ut. Pr Ihnen wird gek ündigt – ziehen Sie p Er ivatis g kein Gehalt ein . stark über den Bildungserfolg und Mrd losion 8,2 Pre höhen iert: drei Runden lan . Eur o is S Ge ric htskosten in arte ign e um 2 ie die Zahlen Sie die mit „Fast Fashion“ beuten wir bes itzk k ma oriere 4% un Höhe von 2000 Euro. wer Schlossallee h afts rod n Si d täts Seestraße c eins gen en un e die Menschen und Natur in ande- Gem ktr i z i Lei d tun rosti- Ele ren Ländern aus. Aber zum Glück gen . gibt es auch gute Ideen, wie wir stattdessen sozial und ökologisch ? wirtschaften können. Entdeckt Einkommen- Gemein- eh eh m Ereignisfeld Südbahnhof aft: al en G g i sch € ber Sie schaftsfeld in steuer Im Schatten und Licht mit unserem et- ssen e in te o 37 ü n n Ge nergi nd. Nur zu 13 Vor he E nha Poststraße Elisenstraße Chauseestraße Turmstraße Badstraße was anderen Monopoly. nne achen e r * i Zi rge mm S Bü einsa ergie - G n Gem ir die E e. ef LO d än w wen gn is Besuch
10 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 · 11 Nationalismus hat Das Unmögliche nicht nur zivilisiert möglich machen Nationalismus gilt in progressiven Debatten vor allem als das Phänomen, das den Errungenschaften des Was sind Utopien? Und was können wir damit anfangen? Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Ricar- letzten Jahrhunderts wie der multilateralen Weltordnung und einem vereinten Europa an den Kragen geht. da Lang, beschreibt, worauf es dabei ankommt und macht klar, dass die progressiven Kräfte in die Offensive Tatsächlich steht er aber in einem dialektischen Verhältnis zu bürgerlichen Errungenschaften. kommen müssen. Jamila Schäfer über Nationalismus Ricarda Lang über Utopien Denn Bürger*innenrechte und die lismuskonzept, das sich nicht in ei- Die idealtypische Unterscheidung Wir befinden uns am Ende vom Ende ßelt ist, sondern von Menschen verän- gen gehört, die ihnen erzählten, dass multilaterale Weltordnung sind erst nem Prozess der Selbstermächti- zwischen einem französischen oder der Geschichte. Die Vorstellung, dass dert werden kann. ihr Kampf gegen die Atomkraft nicht durch Nationalismus ermöglicht wor- gung herausbildete, sondern das als US-amerikansichen, republikanischen sich durch die Ausbreitung des Kapi- mehr sei als ein verrücktes Hirnge- den. In der Zeit der Aufklärung erfüllte Herrschaftsmittel zur politischen Nationalismus und einem deutschen talismus die Demokratie automatisch Lasst uns Mehrheiten spinst, könnten wir heute vom Atom- der Nationalismus einen emanzipa- Homogenisierung der Bevölkerung Blut-und-Boden-Nationalismus hält überall durchsetzen und die Mensch- für unsere Visionen gewinnen ausstieg nur träumen. Visionen zu for- torischen Zweck. So diente der erste angewandt wurde. So entstand die der Realität aber nicht stand. Denn die heit immer mehr an Freiheit gewin- mulieren und es sich zur Aufgabe zu liberal-demokratische Nationalis- Vorstellung der Nation als eine natur- republikanische Idee der Nation als nen wird, hat mit der Realität wenig Fortschritt braucht immer auch Men- machen, gesellschaftliche Mehrheiten mus der französischen Revolution gegebene Abstammungs- und Schick- politische Wahlgemeinschaft, die auf zu tun. Wir erleben heute, wie Auto- schen, die bereit sind, über das Hier für diese zu gewinnen, war immer Teil dem fortschrittlichen Ziel, Menschen salsgemeinschaft, die mit Sagen und freiem Willen und Beitritt beruht und kraten an Macht gewinnen und die und Jetzt hinauszudenken und die der grünen DNA und muss es gerade über bestehende Grenzen hinweg im Mythen legitimiert und entrationali- der alle Menschen frei und gleich sind, Idee der universellen Gleichheit und Grenzen des Möglichen zu verschie- in Zeiten des Stillstands und Rück- Kampf gegen bestehende feudale bzw. siert wurde. wurde so nie realisiert, auch nicht in Freiheit aller Menschen in Vergessen- ben. Hätten die Grünen auf diejeni- schritts immer noch sein. absolutistische Herrschaftsverhältnis- Frankreich oder in den USA. Beispie- heit gerät. Die Stärke der Rechten ist se zu vereinen und handlungsfähig le dafür sind etwa die Sklaverei und auch ein Zeichen der Schwäche der Es geht nicht darum, ein schönes zu machen. Die Nation wurde als zu- der Ausschluss von Frauen vom Wahl- progressiven Kräfte. Viel zu oft ver- Bild der perfekten Welt ohne Bezug gängliche politische Willensgemein- recht, aber auch bis heute bestehende harren wir in der Defensive und der zur Gegenwart zu malen. Stattdessen schaft gedacht, die Menschen – da- soziale Ungerechtigkeiten. Verteidigung des Status Quo und ver- müssen wir in der konkreten Kritik der mals vor allem Männer – zu gleichen passen es dabei, die Unzufriedenheit bestehenden Verhältnisse aufzeigen, und freien Bürgern macht. Die repu- Nationalismus entzivilisiert, für einen emanzipatorischen Gesell- wie eine andere Zukunft aussehen blikanische Nation wurde explizit als wenn wir ihn nicht hinterfragen schaftsentwurf zu mobilisieren. Es kann. Utopien und Realpolitik sind politisches Ziel einer demokratischen fehlt an Utopien, die Menschen mit- kein Widerspruch, im Gegenteil ent- Bewegung formuliert. Nationalismus ist trotz positiver Er- nehmen und begeistern. wickeln sie erst im Zusammenspiel rungenschaften ein Konzept sozialer ihre Schlagkraft. Wenn wir in die Of- Nation ohne Ratio Ausgrenzung. Die Versuche, die nega- Utopien sind ein „Noch-Nicht“ fensive kommen wollen, müssen wir tive Utopie einer möglichst ethnisch, Menschen in ihrer konkreten Lebens- In Abgrenzung zu diesem republi- politisch und kulturell homogenen Wer von Utopien spricht, sieht sich realität abzuholen und sie für große kanischen Nationalismus entstand Nation zu realisieren, haben in der Ge- häufig dem Vorwurf der Spinnerei Visionen begeistern. Der Kampf um ein gegenaufklärerisches Nationa- schichte der Menschheit viele Anlässe konfrontiert. Doch in Anbetracht von die Zukunft ist noch nicht entschieden. für brutalste Gewalt geschaffen und Umweltzerstörung, Armut und der Jamila Schäfer Menschen gegeneinander ausgespielt Spaltung Europas scheint die Vorstel- Ricarda Lang – obwohl sich die meisten Menschen lung, dass wir einfach so weiter ma- ihre Nationalität nie selbst ausge- chen können wie bisher, um einiges sucht haben. verrückter und realitätsferner als die Hoffnung, dass eine andere Gesell- Nationalismus hat nicht nur zivilisiert. schaft möglich ist. Utopien kanalisie- Er entzivilisiert uns auch, wenn wir ren diese Hoffnung und machen sie ihn nicht hinterfragen. Deshalb soll- zum Ausgangspunkt von politischem ten wir die Errungenschaften des Na- Handeln. Sie sind ein „Noch-Nicht“, Jamila Schäfer ist seit Januar stv. Bun- tionalismus nie zur Verklärung seiner die Formulierung einer Zukunft, die es Ricarda Lang ist die Bundesspreche- desvorsitzende. Als internationale Gefahren missbrauchen. zu erschaffen gilt und für die es sich rin der Grünen Jugend. Die gebürtige Koordinatorin und in ihrem Philoso- zu kämpfen lohnt. Sie entspringen aus Filderstädterin studiert Jura in Berlin phiestudium macht sie sich Gedanken der Erkenntnis, dass die Gesellschaft und engangiert sich für Gleichberech- über die Gefahren des Nationalismus. um uns herum nicht in Stein gemei- tigung und gerechte Bildungspolitik.
12 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 · 13 Was bedeutet Ökologie für dich? Diese Frage haben wir sechs Grünen gestellt – denn kein anderes Thema ist so identitätsstiftend für uns. Die Grünen entstanden, weil keine andere Partei eine Antwort hatte auf die Zukunftsfrage, wie wir die natürlichen Lebensgrundlagen unseres Planeten erhalten können. Und auch heute hat jede*r Grüne eine ganz persönliche Verbindung zu den Themen Umwelt-, Klima- und Naturschutz. Sechs Grüne über Ökologie Anna Peters Bettina Lisbach Harald Ebner „Öko“ ist für mich ein verantwor- „Die oder der Öko – realitätsferne Na- Für mich bedeutet „Öko“, dass Men- tungsvoller Umgang mit Natur und tur-Spinner mit langen Haaren und schen einen umweltfreundlichen Le- Umwelt, kurz eine enkeltaugliche Strickpulli“, das mag früher mal das bensstil führen und dass sie sich auf Politik. Da mir das wichtig ist, habe Klischee gewesen sein. Die Zeit habe eine natürliche und regionale Weise ich mich ganz dem Natur- und Um- ich knapp verpasst. Öko ist für mich ernähren. weltschutz verschrieben. Ich bin seit eine Lebenseinstellung: Es geht dar- vielen Jahren grünes Mitglied, habe um, gut zu leben, ohne dabei etwas Außerdem bedeutet „Öko“ in meinen Biologie studiert und war NABU-Lan- kaputtzumachen. Das hat nicht nur Augen, dass Strom nicht mehr aus desvorsitzender. etwas mit Umweltschutz zu tun, son- fossilen Kraftstoffen gewonnen wird. Anna Peters studiert VWL und macht Der Umwelt- und Naturschutz ist das Der Abgeordnete für Schwäbisch Hall dern das ist ein modernes Weltbild, Auch Veränderung in der Mobilität gerade ein Praktikum am Wuppertal große Thema der Landtagsabgeord- und Hohenlohe ist Experte der grünen Die „Öko“-Themen sind scheinbar in ein ganzheitliches, das eine gesun- gehört dazu, also dass man nicht mit Institut für Klima, Umwelt und Energie. neten Bettina Lisbach. Dazu gehören Bundestagsfraktion für Gentechnik, der Mitte der Gesellschaft angekom- de Interaktion zwischen ALLEM und dem Auto fährt, sondern das Fahr- Für die Grüne Jugend war sie Beob- für die Geoökologin aber auch Aspek- Pestizide und Ökolandbau. men. Das reicht mir aber nicht. „Öko“ unsere Zukunft mit einbezieht. Raus rad oder öffentliche Verkehrsmittel achterin der UN-Klimaverhandlungen. te wie Stadtplanung und Mobilität. darf nicht nur ein Lebensgefühl sein, aus der Froschperspektive – das geht nimmt. sondern wir alle müssen in unserem Es bedeutet, alle Ebenen zusammen- nur mit Überblick und Weitblick! „Wir Die Ökologie befasst sich ja mit den Ich bin ja Berufs-Öko und das mit Leib Tun einen Beitrag leisten: mit dem zudenken. Klar kann man Bio und haben die Erde von unseren Kindern Wechselwirkungen von Lebewesen und Seele. Ökologie ist für mich die Einkaufskorb, beim Stromanbieter regional einkaufen und nur Fahrrad nur geborgt“ – wer hat das nochmal untereinander und mit ihrer Umwelt. Lebensgrundlage für uns alle und für usw. Es geht bei „Öko“ schließlich um fahren, aber nur Konsumfragen al- gesagt? Ich glaube, irgendwer mit Auf die Politik übertragen geht es unser Wirtschaften. Auf ihrem Verste- den Schutz unserer Natur und Heimat, leine werden das Klima nicht retten. langen Haaren und Strickpulli. mir dabei um die Auswirkungen un- hen und Beachten, auf funktionieren- um die Schonung unserer Ressourcen Deswegen brauchen wir starke politi- seres Handelns auf Natur, Umwelt den Ökosystemen baut all unser Wirt- und um artgerechte Tierhaltung. Im sche Forderungen für die nationalen und Ressourcen. In diesem Sinne ver- schaften auf. Ökonomie gibt es auf Land packen wir den Klimaschutz an, und internationalen klimapolitischen binde ich mit ‚„Öko“ die Produktion Dauer deshalb nicht ohne Ökologie. treiben wir die Energiewende voran. Entscheidungen. Eine feministische gesunder Bio-Lebensmittel, eine kli- Bienen- und Insektensterben zeigen Wir sehen: Grün wirkt. Sicht auf die Klimakrise ist für mich maneutrale Energieversorgung oder uns die Grenzen sorglosen Wirtschaf- unumgänglich: So nutzen Frauen* z.B. auch emissionsfreie Mobilität. Kurz tens auf und sind für mich Ansporn, häufiger den ÖPNV (bedingt u.a. durch gesagt, bedeutet „Öko“ für mich eine unser Wirtschaften naturverträglich Andre Baumann den Gender-Pay Gap), deswegen muss Sonja Rajsp Lebensweise, die unsere natürlichen Nelson Fernando Viola und wirklich nachhaltig zu gestalten. man auch ihre Bedürfnisse, also einen Lebensgrundlagen schont und auf Denn: „Wir haben die Erde von unse- effizienteren und günstigeren ÖPNV, Dauer erhält. ren Kindern nur geborgt!“ in Emissionsminderungsplänen be- achten und nicht nur über E-Autos diskutieren. Dr. Andre Baumann ist Staatssekretär Unser Landesvorstandsmitglied Sonja Nelson Fernando Viola ist unser im Ministerium für Umwelt, Klima und Rajsp wohnt mitten im Schwarzwald jüngster Parteitagsdelegierter. Der Energiewirtschaft. Zuvor war der pro- in Lauterbach. Sie engangiert sich für Stuttgarter ist in der Redaktion der movierte Biologe Landesvorsitzender den Ländlichen Raum, vor allem für die „Zitro“, der Mitgliederzeitschrift der des NABU Baden-Württemberg. Diversifizierung der Landwirtschaft. Grünen Jugend.
14 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 · 15 Warum wir ehrlicher Neue Arenen werden müssen des Mit-Redens In Zeiten von „Fake Facts“ gilt es, die Freiheit der Wissenschaft zu schützen und zu stärken. Und auch wir Seit den achtziger Jahren haben wir Grüne viele Verfahren der Basisdemokratie ausprobiert – sei es unter Grüne brauchen ein unwidersprüchliches Verhältnis zur Wissenschaft und zu Fakten. Davon profitiert Ehrenamtlichen oder im Parlament – und eine Beteiligungskultur geschaffen. Heute gilt es darüber zu auch die Qualität politischer Richtungsentscheide, argumentiert Paula Piechotta. reden, welche Auswirkungen die sozialen Medien auf Diskussionen und Entscheidungsprozesse in unserer Partei haben, regt Till Westermayer an. Paula Louise Piechotta über Fakten Till Westermayer über Basisbeteiligung Wenn man unserer oft verstörenden Durch die neue Schärfe des Themas Aus einem aufgeklärteren grünen „Die verbindlichen Grundwerte […] fangs kollektiv agierenden Vorstände, nung gebildet wird. Gegenwart etwas Positives abgewin- werden aber auch unsere eigenen Wi- Verhältnis zur Wissenschaft kann üb- sind die Prinzipien: ökologisch, ba- das imperative Mandat, der Minder- Diese Arenen haben ihre Schat- nen kann, dann, dass die Abgründe dersprüche deutlicher: Es war immer rigens auch ein höherer Anspruch an sisdemokratisch und sozial“, heißt es heitenschutz oder die bis heute prak- tenseiten, etwa den Hang zur Es- unserer Zeit uns als Grüne intensiver seltsam, dass wir einerseits auf fast Wissenschaft entstehen. Wenn wir in der Präambel unserer Satzung aus tizierte Öffentlichkeit der Sitzungen, kalation. Und von der Suche nach diskutieren lassen und wir eine grö- jeder BDK eine Klimawissenschaftle- noch stärker als heute wissenschaft- dem Jahr 1980, die an unsere histori- das Auslosen von Redebeiträgen und Mitantragssteller*innen abgesehen ßere Tiefenschärfe bei vielen Themen rin einladen, aber andererseits zum liche Erkenntnisse als Grundlage ge- schen Wurzeln erinnert. die Mitarbeitsmöglichkeit für Nicht- – anschlussfähig an Formalia ist das erreichen, die uns vor kurzem noch Beispiel die ehemalige grüne Ge- sellschaftlicher Weichenstellungen mitglieder. All das war 1980 Allein- nur sehr bedingt. Trotzdem: Wo, wenn gar nicht wichtig erschienen. sundheitsministerin in NRW Natur- begreifen, dann sinkt auch unsere To- Was genau „basisdemokratisch“ mein- stellungsmerkmal. nicht in diesen endlosen Diskussions- wissenschaft per se öffentlich infrage leranz für wissenschaftlichen Betrug te? Der Sozialwissenschaftler Stephan strömen, wird durchgekaut, wie es mit Unsere Demokratie braucht stellte: „Ich finde es anmaßend, wenn und methodisch schlechte Forschung Ehrler identifiziert eine Prise Bürger- Die „Politik des Gehörtwerdens“ ist „Grün“ weitergeht? Hier werden neue die Freiheit der Wissenschaft irgendwer meint, dass man naturwis- – denn politische Entscheidungen auf initiativ-Graswurzeldemokratie (alle eine bleibende Errungenschaft der Thesen ausgetestet, hier stoßen un- senschaftlich den Menschen, Krank- der Basis von „Fake Facts“ bedrohen sind gleichberechtigt, die Organisa- grünen Regierungsjahre. „Beteiligung“ terschiedliche grüne Lebenswelten Eines dieser Themen ist die grundle- heitsprozesse [...] erklären könnte.“ auch immer die Nachhaltigkeit ge- tion ist dezentral und autonom), die haben wir uns landauf, landab auf die fruchtbar aufeinander. Kurz gesagt: gende Bedeutung von Wissenschaft Wer aber Wissenschaftsfreiheit ge- sellschaftlicher Richtungsentscheide. aus der Rätedemokratie entlehnte Fahnen geschrieben und sind damit (Auch) hier leben wir Beteiligung. und Fakten. Wir sehen, wie die Rech- gen die Rechten verteidigen will, der Ehrenamtlichkeit, abgeschmeckt mit nicht mehr alleine. ten offen Klimawissenschaften und muss dies für alle Bereiche der Wis- Unsere Demokratien durchlaufen ge- Rousseau’schen Vorstellungen vom Wenn diese Beobachtung stimmt, hat Soziologie tagtäglich diffamieren und senschaft tun, alles andere ist wider- rade eine groß angelegte Reifeprü- Volkswillen. Whatsapp, Facebook und Co. das Konsequenzen. Die reichen von ihnen die gesellschaftliche Unter- sprüchlich und unglaubwürdig – und fung, deren Ausgang noch nicht ent- sind nicht mehr wegzudenken der Frage, wie diese Form der Mei- stützung entziehen wollen – weil die Glaubwürdigkeit ist in der Auseinan- schieden ist: Wenn wir wollen, dass Insgesamt war Basisdemokratie wohl nungsbildung eigentlich legitimiert Unterdrückung von Forschung ganz dersetzung mit den Rechten ein un- die gesellschaftlichen Fortschritte der eher Praxis als klar umrissene The- Aber wo diskutieren wir Grüne selbst ist (wer ist dabei, wer ist ausgeschlos- elementare Voraussetzung für eine abdingbares Gut. letzten Jahrzehnte fortgeschrieben orie. Typisch waren zum einen das eigentlich heute? Neben Parteitagen sen?), über die Kopplung an formale- rückwärtsgewandte, desinformierte und verbessert werden können, dann Rotationsprinzip und die Amtszeitbe- mit weiterhin niedrigen Antrags- re Verfahren bis hin zur Öffnung zur Gesellschaft ist. Deswegen ist es auch Eine starke Wissenschaft brauchen wir dafür auch ein belast- grenzung, um eine politische Kaste hürden, neben neuen Online- und Zivilgesellschaft – gelingt die in der nur folgerichtig, dass wir als Grüne stärkt politische Entscheidungen bareres Verhältnis zu verhindern. Zum anderen zählten Offline-Beteiligungsverfahren, wie innergrünen Social-Media-Debatte, beim March for Science mitlaufen und zur Wissen- dazu die an- sie die Bundespartei derzeit erprobt, oder schmoren wir da im eigenen die Wissenschaftsfreiheit weltweit Die Wissenschaft sucht heute nach schaft. sehe ich hier vor allem die sozialen Saft? Auch darüber sollten wir reden. schützen wollen. den Zusammenhängen, auf deren Medien. Grundlage Gesellschaft morgen über- Paula Louise Piechotta haupt erst informiert entscheiden Natürlich spielen Orts- Till Westermayer kann – von technologisch assistierter verbände, Arbeitsge- Fortpflanzung über künstliche Intel- meinschaften und ligenz bis zu Gentherapien schwerer auch Flügel weiter Krankheiten: Die Fragen der Zukunft eine große Rol- sind ohne wissenschaftliche Grundla- le; von Akteuren gen nicht beherrschbar. Deswegen ist wie Regierungs- es auch fatal, wenn die neulich vom mitgliedern ganz Bundesvorstand vorgeschlagene De- zu schweigen. Mit Dr. Paula Louise Piechotta ist Ärztin. batte zur Agro-Gentechnik sofort im Twitter, Whatsapp und Till Westermayer ist parlamentari- Gemeinsam mit Jan Schnorrenberg Keim erstickt werden sollte: Was sind Facebook sind neue Re- scher Berater der Landtagsfraktion. spricht sie im Podcast „BasisPod“ über wir für eine Partei, wenn wir zu Zu- sonanzräume dazugekom- Der Freiburger ist seit vielen Jahren die wichtigsten grünen Nachrichten kunftsthemen nicht einmal mehr eine men, in denen – intern oder hochschul- und netzpolitisch aktiv des Monats aus Sicht der Basis. ergebnisoffene Diskussion zulassen? öffentlich – die Parteimei- und bloggt nicht nur über die Grünen.
16 · GRÜNE BLÄT TER · II · 2018 Den Mut aufbringen, Unterschiede zu akzeptieren Was bis vor kurzem noch als unverrückbar galt, steht plötzlich im Zentrum der Diskussion: Grundrech- te und demokratische Institutionen werden angezweifelt, Grundwerte unserer Demokratie hinterfragt. Deshalb beschäftigt sich der Landtag in einer Veranstaltungsreihe mit der Basis unseres Zusammenlebens – Grundgesetz und Landesverfassung. Landtagspräsidentin Muhterem Aras berichtet im Interview. Muhterem Aras über Wertsachen Liebe Muhterem, worum geht es dir Was sind für dich Grundwerte? diumsgästen und dem Publikum, was bei der Gesprächsreihe „Wertsachen“? sie mit unserem Alltag zu tun haben. Muhterem Ich bin da Verfassungs- Zu Artikel 3 – dem Verbot von Be- Muhterem In Gesprächen mit Bür- patriotin. Würden alle die Werte des nachteiligung aufgrund von Herkunft, gerinnen und Bürgern nehme ich ein Grundgesetzes verinnerlichen, dann Geschlecht etc. – entstand so mit Bedürfnis wahr, sich über grundsätz- hätten wir eine streitbare, aber fried- Vertreter*innen der zweiten Einwan- lichen Fragen auszutauschen. Was fertige Gesellschaft. Der Geist des derergeneration eine Debatte über verbindet uns, was trennt uns und wie Grundgesetzes ist der des gegen- Alltagsdiskriminierung. Zu Religions- gehen wir damit um? Das ist einer- seitigen Respekts. Es ist auf Vielfalt und Pressefreiheit gab es viel kriti- seits positiv – den Menschen ist eine angelegt. Auf seiner Basis sind die sches Nachhaken. Das zeigt, dass bei funktionierende Gesellschaft ein An- unterschiedlichsten Lebensmodelle den Veranstaltungen ein breites Mei- liegen. Es zeigt aber auch Verunsiche- möglich. Aber eben auf einem ge- nungsspektrum da ist. Das sollten wir rung – was sind eigentlich Grundwer- meinsamen Fundament: Offenheit, in unserer politischen Arbeit immer te, was eher Alltagsnormen? Und wie Gleichberechtigung, Gemeinsinn, anstreben: Raus aus den eigenen Zir- verschafft man Grundwerten allge- Verantwortung, Freiheit, wehrhafte keln. Das Thema Grundwerte ist dafür meine Geltung? Wir sind lange davon Demokratie. Und Toleranz in der ur- wie geschaffen. ausgegangen, dass alle Bürger*innen sprünglichen Definition. Nämlich den dazu ähnliche Vorstellungen haben. Mut aufzubringen, Unterschiede zu Muhterem Aras Das ist aber nicht der Fall. Deswegen akzeptieren. So schaffen wir Zusam- brauchen wir Debatten – der Landtag menhalt in Vielfalt. Das Grundgesetz bietet dafür ein Forum. bietet damit Heimat im besten Sinne. Für mich ist sie da, wo ich mit anderen die gleichen Werte teile. Das lässt sich Wertsachen in Singen aber nicht verordnen. Dafür braucht es das gesellschaftliche Gespräch. Die nächste Veranstaltung in der Gesprächsreihe findet am 17. Wie funktioniert das in der Praxis? Mit zwölf kam Muhterem Aras mit ih- Oktober in Singen zum Thema ren Eltern nach Deutschland. Sie stu- Bildungsgerechtigkeit statt. Muhterem Wir wollen das Grundge- dierte Wirtschaftswissenschaften und setz und seine Werte konkret erlebbar ist Steuerberaterin mit eigener Kanz- www.landtag-bw.de machen. Wir greifen uns einzelne Ar- lei. Die grüne Stimmenkönigin ist seit tikel heraus und diskutieren mit Po- 2016 Präsidentin des Landtags. Impressum Herausgeber: Redaktion: Caroline Blarr, Marcel Emmerich, Druck: Auf Umweltpapier bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sebastian Fietkau, Martin Kranz-Badri, Julia Dierichs Druck+Media GmbH & Co KG, Baden-Württemberg Link, Eva Muszar, Carsten Preiss, Alina Welser, Kassel. Auflage 9.000 Exemplare. Königstraße 78 · 70173 Stuttgart Michael Wustmann Telefon 0711-99 35 90 Bildquellen: 1) 6) 13) gettyimages.com landesverband@gruene-bw.de Layout: Carsten Preiss 4) CC-0 Raffael 2) 9) 14) thenounproject www.gruene-bw.de 10) CC-0 Eugène Delacroix 11) CC-0 Hieronymus Bosch
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