Gefährliche Elektro-installationen im Altbau - Electrosuisse
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Die in dieser Publikation gemachten Aussagen sind als Erklä- rungen, Erläuterungen und Hinweise zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Planung und Errich- tung von elektrischen Anlagen sind in jedem Fall die einschlägigen Normen und Vorschriften hinzuzuziehen. Ausgabe 2015 Autoren: Richard Amstutz Peter Bryner Daniel Hofmann Josef Schmucki Mitarbeit: Roland Hürlimann Marcel Schellenberg Markus Wey Bezugsquelle Electrosuisse, Luppmenstrasse 1, 8320 Fehraltorf Tel. 044 956 11 65 Fax 044 956 14 01 normenverkauf@electrosuisse.ch Die Unterlagen wurden aufgrund der gültigen Normen eingehend geprüft. Für Fehler übernimmt der Verfasser keine Haftung. Im Zweifelsfall gelten die entsprechenden Normen. Mit freundlicher Genehmigung der GED Gesellschaft für Energiedienstleistung GmbH & Co. KG und des Initiativkreises ELEKTRO+. In Zusammenarbeit mit: Ideen verbinden Idées branchées Idee in rete 2
Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 1. Grundlagen 6 1.1. Rechtliche Grundlagen 6 1.2. Bestandesschutz 6 2. Anpassen elektrischer Anlagen 8 2.1. Was versteht man unter «Anpassen elektrischer Anlagen»? 8 2.2. Anpassen an heutige Installationsanforderungen 9 3. Periodische Kontrolle und Mängelbeseitigung an bestehenden Anlagen 13 3.1. Periodische Kontrolle 13 3.2. Häufigkeit der periodischen Kontrolle 13 3.3. Mängelbeseitigung 13 3.4. Mögliche Mängel 13 Literaturnachweis 16 Abkürzungsverzeichnis 17 Notizen 18 3
Vorwort Elektrische Anlagen – Anpassen oder Bestandesschutz? Elektroinstallationen bewegen sich stets im Spannungsfeld von technischer Anpassung und dem sogenannten «Bestandesschutz», mit dem vereinfacht ausgedrückt die Rechte des Anlageneigentümers gemeint sind. An- passen oder Bestandesschutz, was hat Prio- rität? Diese Frage wird häufig kontrovers und widersprüchlich diskutiert, und zwar in juris- tisch-technischen Fachkreisen wie auch zwi- schen Installations-/Anlagenbesitzern und Si- cherheitsberatern sowie Elektroinstallateuren. Abb. 2: Nicht mehr zeitgemässe Elektroverteilung Diese Diskussionen führen in der Praxis zu unbefriedigenden Lösungen, die nicht optimal Die Anpassung einer Elektroinstallation ist oder fachlich nicht korrekt sind. Dies ist nicht letztendlich nicht nur eine rechtliche Entschei- weiter erstaunlich, denn die Frage, ob eine dung, wo es um die Anwendung technischer bestehende Elektroinstallation mittels Erwei- Normen oder des Bestandesschutzes geht. terung oder Modernisierung dem technischen Eine ebenso wichtige Rolle spielen sicher- Stand angepasst werden muss, ist nicht nur heitstechnische Überlegungen, hinter denen eine Sache des Rechts, sondern auch des Gel- das Recht auf optimale Sicherheit steht. Hier des. Finanzielle Überlegungen alleine dürfen gilt das Prinzip «Sicherheit ist nicht teilbar», jedoch nie ausschlaggebend sein für die Be- d. h. der gleiche minimale Sicherheitsstandard antwortung der zentralen Fragestellung dieser gilt für die Nutzer alter und neuer elektrischer Broschüre «Elektrische Anlagen – Anpassen Anlagen. Oberstes Ziel ist immer, eine sichere oder Bestandesschutz?». Anlage zu betreiben. Dieses Ziel gilt es vor Au- gen zu halten bei der Beantwortung der Frage nach dem Bestandesschutz oder der Anpas- sung elektrischer Anlagen. Ein möglichst hoher Fach- und Sachverstand aller Beteiligten ist da- für eine unabdingbare Voraussetzung. Diese Broschüre unterstützt Haus- oder Wohnungseigentümer, Elektroinstallateure, Sicherheitsberater, Planer und Architekten bei der Klärung der Eingangsfrage und versteht sich als Entscheidungshilfe für fachlich und rechtlich korrektes Handeln bei der Erweiterung und Mo- dernisierung bestehender Elektroinstallationen. Abb. 1: Ortsveränderliche Leitung bei einem Durchgang 5
1. Grundlagen 1.1. Rechtliche Grundlagen Störungsfällen weder Personen noch Sachen Arbeiten an elektrischen Anlagen werden im All- gefährden dürfen (Art. 3 Absatz 1 NIV). gemeinen auf der Basis eines Werkvertrages er- bracht. Der Unternehmer schuldet hierbei dem Das Einhalten der anerkannten Regeln der Tech- Besteller eine mängelfreie Leistung. Die techni- nik wird vermutet, wenn bei der Ausführung der sche Mängelfreiheit ist dann gegeben, wenn die Arbeiten an elektrischen Anlagen die Regeln elektrische Anlage funktionstüchtig ist und nach von Electrosuisse, niedergelegt im SN-Normen- den zum Zeitpunkt der Errichtung gültigen aner- werk, eingehalten und dokumentiert wurden. kannten Regeln der Technik errichtet wurde. Die technischen Komitees legen den Stand der Technik fest. Der aktuelle Stand der Technik Als anerkannte Regeln der Technik gelten ins- fliesst in die neuesten Ausgaben der jeweiligen besondere die harmonisierten Normen von Normen ein. Wendet der Errichter der elektri- IEC1) und CENELEC2), welche in der Schweiz schen Anlage diese Regeln bei Erweiterungen mehrheitlich in den einschlägigen SN-Normen und Modernisierungen richtig an, so findet im abgebildet werden. Schadensfall eine Beweisumkehr zu seinen Gunsten statt. Das heisst, der Geschädigte hat nachzuweisen, dass die Regeln von Electrosuis- Gesetzliche Regelung se nicht oder nicht richtig angewendet wurden. Zur Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln Im Zuge der Änderung, Erweiterung, Moder- der Technik sagt die Verordnung über elektrische nisierung oder Instandhaltung elektrischer Niederspannungsinstallationen (Niederspannungs- Anlagen stellt sich auch immer wieder die Installationsverordnung, NIV SR 734.27) Folgendes aus: Frage nach der Schnittstelle zwischen neuem und altem Anlagenteil: Muss auch der bereits Art. 3 Grundlegende Anforderungen an die Sicherheit und weiterhin bestehende Anlagenteil an 1 Elektrische Installationen müssen nach den anerkannten möglicherweise neue sicherheitstechnische Regeln der Technik erstellt, geändert, in Stand gehalten und Massnahmen angepasst werden? Hier wird kontrolliert werden. Sie dürfen bei bestimmungsgemässem häufig der Begriff des «Bestandesschutzes» und möglichst auch bei voraussehbarem unsachgemässem gebraucht, um diese Anpassungen und nicht Betrieb oder Gebrauch sowie in voraussehbaren geplante Anlagenerneuerungen zu umgehen. Störungsfällen weder Personen noch Sachen gefährden. 2 Als anerkannte Regeln der Technik gelten insbesondere die 1.2. Bestandesschutz Normen IEC und CENELEC. Wo international harmonisierte Der Bestandesschutz ist ein Teilgehalt des Normen fehlen, gelten die schweizerischen Normen. Grundrechts der Eigentumsgarantie der Bun- desverfassung (Art. 26 Abs. 1 BV). Er gewährt den Trägern den Schutz des Bestandes ihres In der Verordnung über elektrische Niederspan- Eigentums in den Schranken der Rechtsord- nungsinstallationen (SR 734.27, NIV3)) ist gesetz- nung. Dazu gehört auch ein grundsätzliches lich festgelegt, dass elektrische Installationen Rückwirkungsverbot von neuen Vorschriften, bei bestimmungsgemässem und möglichst welche das Eigentum bzw. die Ausübung des auch bei voraussehbarem unsachgemässem Eigentums einschränken. Dies bedeutet mit- Betrieb oder Gebrauch sowie in voraussehbaren hin, dass eine Anpassung bzw. Verschärfung «International Electrotechnical Commission» (internationale Normungsorganisation in den Bereichen Elektrotechnik und Elektronik). 1) «Comité Européen de Normalisation Electrotechnique» (europäische Normungsorganisation in den Bereichen Elektrotechnik und Elektronik). 2) 6 3) «Niederspannungs-Installationsverordnung».
der anerkannten Regeln der Technik nicht au- tomatisch auch die Anpassung bestehender Anlagen zur Folge haben muss, und schon gar nicht ohne Prüfung im Einzelfall. Massnahmen an bestehenden Elektroinstalla- tionen, d. h. Modernisierungen, Erweiterungen und Änderungen, müssen nach den anerkann- ten Regeln der Technik ausgeführt werden. Der Abb. 3: Gefährliche Laieninstallation bestehende Teil der Elektroinstallation kann unter Umständen unverändert weiter genutzt Elektrische Anlagen, welche das Ende ihres Le- werden. Hierfür sind jedoch alle nachfolgend benszyklus erreicht haben, sollen dringend er- genannten Voraussetzungen zu erfüllen: neuert und modernisiert werden. –– Die bestehende elektrische Anlage muss den SN-Normen oder -Vorschriften, die zum Begriffe Zeitpunkt ihres Errichtens gültig waren, entsprochen haben und diesen noch ent- Massnahmen zur Modernisierung einer elektrischen Anlage sprechen. sind solche, die der Verbesserung ihres Zustands dienen. Verbesserung bedeutet in diesem Zusammenhang die –– Folgenormen oder andere Regelwerke ha- nachhaltige Erhöhung ihres Gebrauchswerts. Diese ist ben eine Anpassung an den aktuellen Stand beispielsweise gegeben, wenn durch diese Massnahme ein der Technik nicht gefordert. höherer Komfort oder auch ein höheres Sicherheitsniveau erreicht wird (z.B. mittels zusätzlicher Stromkreise). –– Die bestehende elektrische Anlage wird weiterhin unter den zum Zeitpunkt der Die Erweiterung einer elektrischen Anlage liegt vor, wenn zur Errichtung geltenden Betriebs-, Nutzungs- vorhandenen Anlage ein Anlagenteil, also ein Stromkreis und Umgebungsbedingungen, für die sie oder auch nur eine Steckdose, ergänzt wird. Der bestehende ausgelegt war, betrieben. Anlagenteil wird dadurch nicht verändert. –– Die Installation ist mängelfrei und bedeutet Von der Änderung einer elektrischen Anlage kann dann keine Gefahr für Leib und Leben sowie für gesprochen werden, wenn mehr oder weniger umfangreiche Sachen. Massnahmen umgesetzt werden, beispielsweise das Versetzen einer Steckdose im Zuge von baulichen –– Erweiterungen und Erneuerungen haben Veränderungen. Die Änderung einer bestehenden keinen negativen Einfluss auf die ange- elektrischen Anlage muss jedoch keine Modernisierung sein, wendeten Schutzmassnahmen, weder in insbesondere dann nicht, wenn sich ihr Zustand dadurch den bestehenden noch in den erweiterten nicht verbessert (siehe oben). Anlagen. Im Zweifelsfall geniessen die Sicherheit und Zuverlässigkeit einer elektrischen Anlage Vorrang vor dem Bestandesschutz. 7
2. Anpassen elektrischer Anlagen 2.1. Was versteht man unter «Anpassen erfüllt. Dies gilt insbesondere für Anlagen, wo elektrischer Anlagen»? sicherheitstechnische Mängel nach neusten Er- Beim Anpassen von elektrischen Anlagen oder kenntnissen auftreten. Betriebsmitteln soll stets der aktuelle Stand der Technik herangezogen werden. Das bedeutet, Gründe für ein Anpassen der Elektroinstallation dass für eine elektrische Anlage Anpassungen an können sein: den aktuellen Stand der Technik gefordert wer- –– Sicherheitsaspekte den können, auch wenn sie die zum Zeitpunkt –– Veränderte Betriebs- und Umgebungsbedin- ihrer Errichtung gültigen Normen noch immer gungen –– Nutzungsänderungen –– Vorhandensein grober und gefahrbringender Niederspannungs-Installationsverordnung, Mängel, die einen unveränderten Weiterbe- NIV SR 734.27 trieb der Anlage nicht zulassen Art. 5 Pflichten des Eigentümers einer elektrischen Diese Anpassungen müssen nicht unbedingt Installation den Bestandesschutz der Elektroinstallation 1 Der Eigentümer oder der von ihm bezeichnete Vertreter aufheben. Das bedeutet, dass sich Anpas- sorgt dafür, dass die elektrischen Installationen ständig den sungen der Anlagen, sofern möglich, auf die Anforderungen der Regeln der Technik entsprechen. Er muss Wiederherstellung des sicheren Zustandes be- auf Verlangen den entsprechenden Sicherheitsnachweis schränken können, der zum Zeitpunkt ihrer Er- erbringen. richtung gültig war. In der Praxis wird das aller- 2 Er hat zu diesem Zweck die technischen Unterlagen der Installation (z. B. Installationsschema, Installationspläne, Betriebsanleitungen usw.), die ihm vom Anlagenersteller oder Elektroplaner ausgehändigt werden müssen, während ihrer ganzen Lebensdauer und die Grundlagen für den Sicherheitsnachweis während mindestens einer Kontrollperiode gemäss Anhang aufzubewahren. 3 Er muss Mängel unverzüglich beheben lassen. 4 Wer eine elektrische Installation, die im Eigentum eines Dritten steht, unmittelbar betreibt und nutzt, muss festgestellte Mängel dem Eigentümer bzw. dessen Vertreter nach Massgabe der Regelung seines Nutzungsrechtes unverzüglich melden und deren Behebung veranlassen. Art. 6 Bewilligung für Installationsarbeiten Wer elektrische Installationen erstellt, ändert oder in Stand stellt und wer elektrische Erzeugnisse an elektrische Installationen fest anschliesst oder solche Anschlüsse unterbricht, ändert oder in Stand stellt, braucht eine Installationsbewilligung des Inspektorates4). Abb. 4: Ortsveränderliche Leitungen dürfen nicht durch Wände geführt werden 4) «Inspektorat» = Eidgenössisches Starkstrominspektorat ESTI. 8
dings meist nicht umsetzbar sein. Der in jedem Fall notwendige Aufwand führt in der Regel dazu, die elektrische Anlage an den aktuellen Stand der Sicherheitstechnik oder den verän- derten Nutzungsgewohnheiten anzupassen. Abb. 5: Steckdose mit «Nullungsbrücke» Der Eigentümer der Anlage ist in jedem Fall für die Erhaltung des ordnungsgemässen Zu- stands der Elektroinstallation verantwortlich, Erklärungen zur Nullung Schema III auch wenn er sie einem Dritten vermietet hat (siehe NIV). Es liegt jedoch auch im Interesse In der Regel sind Elektroinstallationen so ausgeführt, dass des Nutzers einer elektrischen Anlage (Mieter, eine gefährliche Situation erst beim Auftreten eines zweiten Drittperson etc.), den Installationseigentümer Fehlers entsteht. Bei Installationen nach Nullung Schema III auf veränderte Betriebsbedingungen, beste- genügt dafür bereits ein einzelner Fehler wie z. B.: hende Mängel oder Gefahren hinzuweisen. – Unterbrochener Neutralleiter setzt den Schutzleiter und damit die angeschlossenen Gehäuse der Betriebsmittel «Erhaltung des ordnungsgemässen Zustands» unter Spannung heisst, dass ein Anpassen dann erforderlich ist, – Vertauschen des Aussenleiters mit dem Neutralleiter wenn Sicherheitsmängel bestehen oder sich an Anschlusspunkten setzt den Schutzleiter und damit Nutzungsgewohnheiten im Laufe der Jahre die angeschlossenen Gehäuse der Betriebsmittel unter geändert haben. Der Betrieb einer elektrischen Spannung Anlage, welche nicht in mehrere Stromkreise aufgeteilt ist, genügt den Bedürfnissen einer zeitgemässen Nutzung nicht. 2.2.1. Installationen nach Nullung Schema III 2.2. Anpassen an heutige Installations Bis ca. 1960 wurde in meist städtischen Ge- anforderungen bäuden die sogenannte «Nullung Schema III» Wie bereits beschrieben, führen Änderungen zum Schutz gegen den elektrischen Schlag bestehender Sicherheits anforderungen in Nor- verwendet. Dabei wird der Schutzkontakt von men und Richtlinien nicht zwangsläufig zu einer Steckdosen mit dem geerdeten Neutrallei- Änderung oder Anpassung bestehender Anla- ter verbunden. Die Gefahr von zu hohen Be- gen. Allerdings ist es durchaus im Sinne eines rührungsspannungen wird dadurch erheblich sicheren, störungsfreien und auch nutzungsge- reduziert, indem ein definiertes elektrisches rechten Betriebs, wenn bestehende elektrische Potenzial auf das leitfähige Gehäuse des Ver- Anlagen modernisiert werden. Eine solche An- brauchsmittels geführt wird. Der Schutz mit passung zahlt sich rein rechnerisch meist auch dem bewährten Fehlerstrom-Schutzschalter betriebswirtschaftlich aus. (RCD) ist nicht möglich. Die Unfallstatistik spricht in diesem Zusammenhang eine klare Die folgenden Beispiele verdeutlichen die Not- Sprache. So sind bei Installationen nach Nul- wendigkeit einer Modernisierung und zeigen lung Schema III tödliche Unfälle nicht ausge- exemplarisch den Nutzen bzw. Mehrwert für schlossen. Dies zeigt deutlich das besondere den Anlagenbesitzer. Gefahrenpotenzial solcher Installationen. 9
2. A npassen elektrischer Anlagen einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung möglich, Isolationsmessung nicht durchführbar die mittlerweile als zusätzliche Schutzstufe für bestimmte Stromkreise verlangt wird. Dank der Isolationsmessung werden Isolationsdefekte und damit mögliche Zündquellen (Kriechstrecken) entdeckt, In Installationen nach Nullung welche zu gefährlichen Spannungsverschleppungen auf leitfähige Gebäudeteile führen können. In Installationen nach Schema III kann ein einziger Nullung Schema III ist eine solche Isolationsmessung der Fehler schon zu einer sehr ge- aktiven Leiter gegen Erdpotenzial praktisch nicht möglich. Ein weiterer Nachteil solcher Installationen besteht somit in fährlichen Situation führen. Das der Tatsache, dass deren Isolationsfestigkeit nicht vollständig Technische Komitee 645) emp- geprüft werden kann. fiehlt, solche Installationen auf Einsatz von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen nicht den aktuellen Stand der Technik möglich Eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung schaltet die zu bringen und Anlagen gemäss Stromversorgung automatisch ab bei einer Stromdifferenz Nullung Schema III zu ersetzen. zwischen Aussen- und Neutralleiter. Dank ihr findet eine permanente Isolationsüberwachung statt. 2.2.2. Zusätzlicher Schutz durch Fehler- strom-Schutzeinrichtungen Bei Installationen nach Nullung Schema III werden der Jede elektrische Anlage muss einen Schutz ge- Neutral- und der Schutzleiter gemeinsam geführt. Bei gen das direkte Berühren unter Spannung ste- einem Fehler in den Betriebsmitteln fliesst der Fehlerstrom hender Teile sowie einen weiteren Schutz bei wiederum durch den Neutralleiter zur Quelle zurück, sodass Auftreten eines Fehlers in der Anlage aufwei- der Fehlerstrom-Schutzschalter nicht auslöst. Andererseits sen. Bei freizügig verwendbaren Steckdosen, könnte es bei Installationen nach Nullung Schema III welche für den Betrieb von transportablen Be- zu unerwünschten Fehlauslösungen des Fehlerstrom- triebsmitteln verwendet werden können, sind Schutzschalters kommen. Sind nämlich Betriebsmittel Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit einem der Schutzklasse I daran angeschlossen, kann ein Teil des Auslösestrom von maximal 30 mA als zusätz- Betriebsstroms über die Gebäudekonstruktion fliessen. licher Schutz einzusetzen. Aus diesen Gründen sind vorgeschaltete Fehlerstrom- Die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung hat sich in Schutzeinrichtungen in Installationen nach Nullung Schema III der Praxis zu einer sehr bewährten und zuver- nicht zulässig. lässigen Schutzmassnahme entwickelt. Sowohl beim Versagen von Basisschutzvorkeh- Seit 1974 ist die Nullung Schema III in Neuanla- rungen (Schutz bei direktem Berühren), bei der gen nicht mehr zulässig. Jedoch wird auch für Unwirksamkeit von Fehlerschutzvorkehrungen ältere Anlagen der Ersatz durch Leitungen mit (Schutz bei indirektem Berühren) wie auch bei getrennten Neutral- und Schutzleitern dringend Unachtsamkeit oder Fehlmanipulationen durch empfohlen. Dadurch ist auch die Installation den Benutzer bietet die Fehlerstrom-Schutzein- 5 ) Das Technische Komitee 64 (TK 64) des CES (Comité Electrotechnique Suisse) ist für die Normung im Bereich Niederspannungsinstallationen und somit für die Inhalte der NIN (aktuell SN 411000:2015 Niederspannungs-Installationsnorm) und für den Schutz gegen elektrischen Schlag zuständig. 10
Überlastung des Stromkreises kommen, die einen reibungs losen Betrieb verunmöglicht oder im schlimmsten Fall Schäden verursacht. Ursache ist die immer grösser werdende An- Abb. 6: Zeitgemässe Elektroverteilung zahl elektrischer Verbraucher bzw. sind die höheren Nennleistungen. Diese machen eine richtung einen hervorragenden Schutz gegen gebrauchstaugliche Aufteilung auf mehrere den elektrischen Schlag. Trotzdem wird insbe- Stromkreise oder die Installation von zusätzli- sondere bei Änderungen und Erweiterungen chen, separat abgesicherten Anschlüssen not- mit Kosten argumentiert, um auf den Einbau wendig. Damit wird vermieden, dass bei einem einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung zu ver- Fehler in der Elektroinstallation die gesamte zichten. Das primäre Ziel der Verordnungen Anlage abgeschaltet wird, wodurch es leicht zu und Normen, nämlich der Schutz von Perso- Sekundärunfällen kommen kann (z. B. aufgrund nen, Sachwerten und Nutztieren, ist in dieser plötzlich auftretender Dunkelheit Treppen-/Lei- Hinsicht jedoch zu priorisieren. tersturz, Verbrennung etc.). Bei Installationsänderungen und -anpassun- 2.2.4. Asbest gen sind grundsätzlich die aktuellen Regeln Asbest zerfällt rasch in dünne Fasern, und die- der Technik zu beachten. Diese sprechen sich se können, sofern sie eingeatmet werden, zu eindeutig für den Einbau einer Fehlerstrom- Krebserkrankungen der Lunge oder zur Lun- Schutzein richtung in eine bestehende Instal- genkrankheit Asbestose führen. lation aus, um den Sicherheitsstandard zu erhöhen und den genannten Schutzzielen Gemäss der Verordnung über umweltgefähr- nachzukommen. dende Stoffe (Stoffverordnung, StoV) ist die Verwendung von Asbest in der Schweiz seit Der Einsatz von Fehlerstrom- 1990 verboten. Aber Asbest ist längst noch nicht aus Häusern und Wohnungen verschwun- Schutzeinrichtungen sowie der den. Obschon seit mehr als zwanzig Jahren Umbau von Installationen nach verboten, besteht bis heute keine Pflicht, as- besthaltige Materialien aus Gebäuden, die vor Nullung Schema III dienen der 1990 eingebaut wurden, zu entfernen. Nur wo Prävention von schweren oder freigesetzte Asbestfasern die Gesundheit des Menschen akut gefährden, muss der Asbest gar tödlichen Unfällen. beseitigt werden. Auch der Elektrofachmann stösst in der täglichen Praxis nach wie vor auf Asbest, z. B. in Form von älteren asbesthalti- 2.2.3. Anzahl Stromkreise in einer Anlage gen Isolationen oder Schaltgerätekombinatio- Ältere Anlagen (Wohnungen, Büros etc.) wur- nen aus Eternit. den oft nur durch einen einzigen Stromkreis versorgt, an den eine nur geringe Anzahl elek Seit 2009 besteht eine sogenannte «Ermitt- trischer Geräte angeschlossen war. In solchen lungspflicht» im Zusammenhang mit beson- Installa tionen kann es heutzutage zu einer ders gesundheitsgefährdenden Stoffen wie 11
2. A npassen elektrischer Anlagen Asbest: Vor Beginn von Bauarbeiten muss den. Sie ist für die Sanierung verantwortlich abgeklärt werden, ob im betreffenden Gebäu- und trägt die entsprechenden Kosten. Dabei de asbesthaltige Produkte eingebaut wurden ist zu beachten, dass bestimmte Arbeiten nur (Art. 3 Bauarbeitenverordnung BauAV). von Spezialfirmen ausgeführt werden dürfen, die von der Suva anerkannt sind. Bei Verdacht auf Asbest ist der Arbeitgeber verpflichtet, die damit verbundenen Risiken sorgfältig zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmassnahmen zu planen. Wird Asbest im Verlauf der Arbeiten unerwartet vorgefunden, sind die betroffenen Tätigkeiten einzustellen. Auch die Bauherrschaft muss informiert wer- Abb. 6/7: Asbestverkleidung in einer veralteten Elektro- verteilung 12
3. Periodische Kontrolle und Mängelbeseitigung an bestehen- den Anlagen 3.1. Periodische Kontrolle trägt beispielsweise zwanzig Jahre (siehe auch Gemäss NIV Art. 36 müssen elektrische An- Art. 36, Abs. 4 NIV sowie Anhang NIV Kontroll- lagen periodisch einer Kontrolle unterzogen perioden für periodische Kontrollen). werden. Dabei geht es um das frühzeitige Er- kennen möglicher Gefahren, die von Installatio- Unabhängig von der Kontrollperiodizität von nen aufgrund von betrieblichen und alterungs- einem bis zwanzig Jahren müssen elektrische bedingten Faktoren ausgehen können. Ebenso Installationen bei jeder Handänderung, wo die wird überprüft, ob die elektrische Anlage die letzte Kontrolle mehr als fünf Jahre zurückliegt, Anforderungen an die aktuell vorliegenden Be- überprüft werden. triebs- oder Nutzungsbedingungen erfüllt. 3.3. Mängelbeseitigung Die periodische Kontrolle basiert auf den allge- Mängel an elektrischen Anlagen, von denen mein anerkannten Regeln der Technik und be- eine Gefahr für Personen und Sachen (z. B. steht aus dem Besichtigen, Messen und dem Brandgefahr) ausgeht, müssen unverzüglich Testen der elektrischen Anlage. Sie beinhaltet beseitigt werden. eine ausführliche Überprüfung der Anlage, die auch die Sicherheitsnachweise und Prüfproto- Stellt der Mieter Mängel fest, so muss er diese kolle von vorangegangenen Kontrollen mitein- dem Vermieter oder dessen Vertreter melden, bezieht. damit ein Elektroinstallateur die Ursache er- mittelt und die Anlage instand stellt. Auch der Hierbei werden die in diesen Anlagen typi- Inhaber einer selbst genutzten Liegenschaft ist schen Fehler entdeckt wie z. B.: verpflichtet, Mängel an elektrischen Anlagen –– Beschädigte Leitungsisolierung durch einen Elektroinstallateur beheben zu las- –– Defekte Schalter, Steckdosen, Abzweigdo- sen. Die Schutzziele der Sicherheitsnormen un- sen terscheiden in Bezug auf den Wohnungsnutzer –– Schlechte Qualität der Kontaktstellen nicht nach Vermieter und Mieter. –– Ungenügender lsolationswiderstand –– Unwirksamer Schutz gegen den elektri- Nach einer Mängelbehebung wird mit dem schen Schlag entsprechenden Sicherheitsnachweis (SiNa) –– Überlastungen durch die Art und Anzahl der der gefahrlose Zustand der Anlage bestätigt. angeschlossenen Verbrauchsmittel 3.4. Mögliche Mängel Das Ergebnis der Kontrolle, d. h. der sicher- Gefahren für Personen: heitstechnische Stand der elektrischen Anlage, Beschädigte Leitungen und freiliegende unter ist entsprechend zu dokumentieren. Spannung stehende Leiter (z. B. von Wand- leuchten) sind immer dann besonders gefähr- 3.2. Häufigkeit der periodischen Kontrolle lich, wenn sie im Handbereich von Personen Die periodischen Kontrollen sind in Abhängig- liegen. Die durch Isolationsfehler möglicher- keit von der Art der Anlage, der Betriebsmittel, weise entstehenden Fehlerströme können des Betriebs sowie der äusseren Einflüsse in brennbare Materialien entzünden und einen regelmässigen Zeitabständen zu wiederholen. Brand hervorrufen. Dieser Mangel muss sofort Die Kontrollperiodizität für Wohnbauten be- beseitigt werden, indem die Gefahrenstellen 13
3. P eriodische Kontrolle und Mängelbeseitigung an bestehenden A nlagen Defekte Elektrogeräte sollen, wenn eine Instandsetzung nicht infrage kommt, un- Abb. 8: Lebensgefährlicher defekter Sicherungskopf brauchbar gemacht werden, beispielsweise durch Abschneiden der Anschlussleitung mit entweder abgeschaltet und gegen Wiederein- Stecker. Sinnvoll ist auch eine Kennzeich- schalten gesichert oder mit geeignetem Mate- nung mit einem Warnhinweis, vor allem rial sicher isoliert werden. bei fest angeschlossenen Elektrogeräten, bei denen auch der zugehörige Stromkreis –– Defekte oder lose Steckdosen sollen sofort abgeschaltet bzw. ausser Betrieb gesetzt ersetzt oder – wenn dies nicht möglich ist werden sollte. Bei defekten Elektrogeräten – zumindest gegen Benutzung gesichert droht die Gefahr einer Überhitzung und werden, z. B. durch Überkleben mit einem damit auch eines Brandes. Warnhinweis. Brandgefahren: –– Unter Spannung stehende leitfähige Teile –– Beschädigte Leitungen (Türzargen, Geländer und andere metallene –– Defekte Elektrogeräte Konstruktionsteile) treten bei Fehlerströ- –– Dauernde oder wiederkehrende Überlastun men aufgrund von Isolationsfehlern in der gen von Stromkreisen sind eine häufige Elektroinstallation auf und können langfristig Brandursache, indem sie zu einer Überhitzung auch zu einem Brand führen. Die Ursache der elektrischen Installationen (Leitungen, für derartige Fehlerströme muss unverzüg- Anschluss- und Kontaktstellen) oder der lich gesucht bzw. behoben werden (z. B. angeschlossenen Geräte führen können. Als durch Ausserbetriebnahme des Stromkrei- Folge davon kann sich Isoliermaterial oder ses, aus dem die «Spannungsverschlep- pung» austritt). Abb. 9: Brandgefährliche Lichtinstallation Abb. 10: Achtung! Berührbare stromführende Teile 14
eine brennbare Umgebung entzünden. Eine lich korrekt beantworten zu können, vergleicht Überlastung des Stromkreises entsteht bei- man in einem ersten Schritt den jetzigen Zu- spielsweise durch den Anschluss eines neuen stand der Anlage mit dem Sicherheitsstandard Elektrogeräts am alten Stromkreis mit einer gemäss den zum Zeitpunkt der Errichtung gegenüber dem Vorgängergerät höheren elek- gültigen Regeln der Technik. In einem zweiten trischen Leistung. Deshalb muss in solchen Schritt werden die momentan gültigen Nor- Fällen immer die Belastbarkeit des betreffen- men und allfällige Nutzungsänderungen in die den Stromkreises kontrolliert werden. Beurteilung der Installationen miteinbezogen. Ein Elektrofachmann beurteilt hier, inwieweit Für die Beseitigung der oben genannten Mängel die Anlage an den aktuellen Stand der Technik (Personen- und Brandgefahren) kann in keinem angepasst werden muss, damit deren sicherer Fall Bestandesschutz geltend gemacht werden. Betrieb gewährleistet werden kann. Die Le- Die Gefahrenabwehr hat hier eindeutig Vorrang. bensdauer der elektrischen Anlage oder des elektrischen Betriebsmittels gilt es dabei unbe- Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst dingt mit zu berücksichtigen. das Errichtungsdatum der elektrischen Anlage relevant. Um diese Frage fachlich und recht- Empfehlung: Ist eine Beseitigung der festgestellten Mängel nicht ohne Weiteres möglich, z. B. weil der Auftrag fehlt, soll der Elektroinstallationsbetrieb unbedingt eine Mängelanzeige ausstellen und sich diese vom Betreiber oder Eigentümer der fehlerhaften elektrischen Anlage bestätigen lassen. Bedeutet der festgestellte Mangel jedoch eine akute Gefahr für den Nutzer, genügt das Erstellen einer Mängelanzeige nicht. Es muss im Gegenteil unverzüglich gehandelt werden, indem dieser lebensgefährliche Mangel behoben wird. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass mit Stillsetzen von elektrischen Anlagen vorsichtig umzugehen ist. Kann die Gefahr auch durch Abschalten eines Stromkreises oder Anlagenteils beseitigt werden, so ist unbedingt von einer Komplettabschaltung abzusehen. Grundsätzlich gilt: Im Zweifelsfall geniessen die Sicherheit und die Zuverlässigkeit einer elektrischen Anlage Vorrang vor dem Bestandesschutz. 15
Literaturnachweis Allgemein Normen [Bryner P., Schmucki J.] Sicherheit in elektri- SN 41100:2015 Niederspannungs-Installations- schen Anlagen. 2013 norm (NIN). [Hofmann D.] «Fokus Elektrosicherheit. Instal- Rechtsquellen lationen nach Nullung Sch III» in: ET Elektro- [SR 734.0] Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 technik. 4/2012. S. 66 – 67 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz, EleG) [Initiativkreis ELEKTRO+.] Elektroinstallatio- nen im Spannungsfeld von Anpassung und Be- [SR 734.2] Verordnung vom 30. März 1994 standsschutz. 2012 über elektrische Starkstromanlagen (Stark- stromverordnung) [SEV-Info 2076a.] Anwendung der Fehler- strom-Schutzeinrichtung (RCD) als zusätzliche [SR 734.26] Verordnung vom 9. April 1997 Schutzmassnahme bei freizügig verwendba- über elektrische Niederspannungserzeugnisse ren Steckdosen In ≤ 32 A. 2011 (NEV). [SEV-Info 2077.] Anwendung der Fehler- [SR 734.27] Verordnung vom 7. November 2001 strom-Schutzeinrichtung in bestehenden Ins- über elektrische Niederspannungsinstallationen tallationen. 2010 (Niederspannungs-Installationsverordnung, NIV). 16
Abkürzungsverzeichnis AC NEV Alternating Current (Wechselstrom) Verordnung über elektrische Niederspan- nungserzeugnisse (SR 734.26) CENELEC Comité Européen de Normalisation Electro- NIN technique (Europäisches Komitee für elektro- Niederspannungs-Installationsnorm technische Normung) (SN 411000:2015) CES NIV Comité Electrotechnique Suisse (Schweizeri- Verordnung über elektrische Niederspan- sches Elektrotechnisches Komitee) nungsinstallationen (Niederspannungs-Instal- lationsverordnung SR 734.27) DC Direct Current (Gleichstrom) RCD Residual Current Device (Fehlerstrom-Schut- EN zeinrichtung) Europäische Norm SN ESTI Schweizer Norm Eidgenössisches Starkstrominspektorat TK HD Technisches Komitee Harmonisierungsdokument IEC International Electrotechnical Commission (Internationale Elektrotechnische Kommission) 17
Notizen 18
Notizen 19
0517/1506–1000d Electrosuisse Luppmenstrasse 1 Postfach 269 CH-8320 Fehraltorf T +41 44 956 11 11 info@electrosuisse.ch www.electrosuisse.ch
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