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Das Geheimnis um Struwwelpippi Das Struwwelpippi Audiobook 20 Jahre Struwwelpippi Kinder- und Jugendbuchautorenresidenz
Struwwelpippi Audiobook, Echternach 2021 Herausgegeben von und mit der Unterstützung vom: Ministère de la Culture, Luxembourg Centre national de littérature Mersch Amicale Millemoaler Schull Eechternoach asbl Ville d’Echternach Trifolion Echternach asbl Aufnahme: März 2021 | Trifolion Echternach Postproduktion: Nils Doppelhamer | Trifolion Echternach Eingelesen von Eugénie Anselin und Nickel Bösenberg Layout / Illustrationen: Bakform
20 Jahre Struwwelpippi Der Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann und Astrid Lindgrens Pippi Lang- strumpf mögen den meisten bekannt sein. Doch wer oder was ist eigentlich Struwwelpippi? Zusammengesetzt aus den Namen dieser beiden bekannten Kinderbuchfigu- ren, dem moralisierenden Struwwelpeter und der unkonventionellen Pippi Langstrumpf, steht die Figur Struwwelpippi für alle AutorInnen, die sich auf die Reise nach Echternach begeben haben, um hier während eines Monats ihr jun- ges Lesepublikum mit ihren fabelhaften Erzählungen und ihren wilden Aben- teuergeschichten zu begeistern. Seit nunmehr 20 Jahren empfängt die Stadt Echternach jedes Jahr eine(n) deutschsprachige(n) Kinder- und JugendbuchautorIn, der/die während einer vierwöchigen Autorenresidenz in einem spätgotischen Haus mitten in Echter- nach wohnt. Ein umfangreiches Leseprogramm, das in den Schulen und Biblio- theken der Region angeboten wird, sowie ein vielsprachiges Umfeld, das durch ein Neben- und Miteinander von Luxemburgisch, Deutsch und Französisch ge- kennzeichnet ist, bestimmen während des Aufenthaltes den Alltag des Autors/ der Autorin. Ziel der Autorenresidenz ist es, Kindern die Freude am Lesen zu
vermitteln und sie für die Welt der Literatur zu begeistern. Durch den persön- lichen Kontakt mit dem/der AutorIn können sie in die faszinierende Welt der Geschichten eintauchen und eine ganz eigene und individuelle Beziehung zur Sprache, dem Lesen und der Literatur entwickeln. Die Leseförderung von Kindern ist heutzutage, im digitalen Zeitalter mit der damit einhergehenden Informationsflut, von besonderer Bedeutung. In diesem Kontext bietet das Medium Buch Kindern einen sicheren Rückzugsort und eine Auszeit aus der Welt der Streamingangebote, Bildschirme und Smartphones, die fast schon selbstverständlich zur Freizeitgestaltung von Kindern eingesetzt werden. Bücher sind und bleiben wichtig für die Wissensvermittlung und Bil- dung unseres Nachwuchses. Bücher machen unsere Kinder zu reflektierten Mit- bürgern. Wer gerne liest, langweilt sich nicht. Und ganz nebenbei werden beim Lesen schulische Kompetenzen sowie vernetztes und kritisches Denken geför- dert und die Fantasie angeregt. Eigenschaften, die von großem Nutzen sind, gerade wegen der Omnipräsenz digitaler Medien und der Beeinflussung durch jene digitale Medien, die sich stetig weiterentwickeln und das Wissen undiffe- renziert in allen Formen und Formaten zur Verfügung stellen. Doch auch das gedruckte Buch hat sich im Wandel der Zeit weiterentwickelt. Hörbücher sind heutzutage sehr beliebt und bieten ein lebendiges Hörerlebnis. Deshalb wollen die Organisatoren zum Anlass des 20. Geburtstages der Autorenresidenz mit dem Struwwelpippi-Audiobook eine Brücke zwischen dem gedruckten Buch und der digitalen Welt schlagen. Die ehemaligen Struwwelpippi-LaureatInnen der Kinder- und Jugendbuchau- torenresidenz haben sich intensiv mit der Struwwelpippi-Figur auseinanderge- setzt und lüften jeweils in einer Kurzgeschichte das Geheimnis um „ihre/ihren“ Struwwelpippi. Die einzelnen Beiträge können über einen QR-Code eingehört oder auf der Internetseite zum Lesen abgerufen werden. 4
Ich möchte mich ganz herzlich bei den Projektpartnern der Autorenresidenz, dem Centre national de littérature, der Gemeinde Echternach, der Amicale Millermoaler Schull Eechternoach und dem Trifolion Echternach bedanken. In Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium hat jeder dieser Partner mit viel persönlichem Einsatz die Struwwelpippi-Autorenresidenz begleitet und da- mit einen nachhaltigen Bildungsbeitrag für unsere Kinder geleistet. Auch al- len Struwwelpippi-AutorInnen, die über die Jahre nach Echternach gekommen sind, möchte ich meinen tiefen Dank aussprechen. Sie alle haben auf ihre ganz persönliche Art einen literarischen Abdruck in Echternach und einen bleiben- den Eindruck bei ihrer jungen Leserschaft hinterlassen. © Sam TANSON S Kulturministerin IP /Y ve s Kor m tu 5
So funktioniert das Struwwelpippi - Audiobook 1 Such dir einen Titel oder einen Struwwelpipi-Autor auf den folgenden Seiten aus 2 Scanne den abgebildeten QR-Code mit der Kamera eines Smart Phones ein 3 Klicke dann auf den eingeblendeten Link 4 Los geht’s, starte die Audiodatei mit der Struwwelpippi Geschichte 5 Viel Spaß beim Reinhören! Auf der Struwwelpippi Internetseite http://struwwelpippi.literaturarchiv.lu findest du alle Kurzgeschichten auch zum Nachlesen. 6
Alle Struwwelpippis auf einen Blick 2020 Martina Wildner S. 8 2019 Nina Blazon S. 10 2018 Anne C. Voorhoeve S. 12 2017 Christina Erbertz S. 14 2016 Kathrin Schrocke S. 16 2015 Kilian Leypold S. 18 2008 Dietlof Reiche 2014 Finn-Ole Heinrich S. 20 2007 Doris Meißner- S. 32 Johannknecht 2013 Andrea Karimé S. 22 2006 Bettina Obrecht S. 34 2012 Frank Maria Reifenberg S. 24 2005 Karin Gündisch S. 36 2011 Andrea Hensgen S. 26 2004 Martin Klein S. 38 2010 Jutta Richter S. 28 2003 Regula Venske 2009 Manfred Theisen S. 30 2002 Irma Krauß 7
© Pr iv i e lp ip p at Struww Martina Wildner 2020 Martina Wildner, geboren 1968 im Allgäu, studierte erst Islamwissenschaften in Erlangen, dann Grafikdesign an der Fachhochschule Nürnberg. 2003 gewann sie mit „Jede Menge Sternschnuppen“ den Peter-Härtling-Preis, schrieb danach mehrere Bücher in verschiedenen Verlagen und wurde 2012 mit „Das schaurige Haus“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, den sie 2014 für „Königin des Sprungturms“ erhielt. „Das schaurige Haus“ wurde u.a. vom ORF verfilmt und hatte im Herbst 2020 in Wien Premiere. Leider konnte der Film nicht anlaufen. 2020 ist Martina Wildner die Laureatin der 19. Auflage der Struwwelpippi Kinder- und Jugendbuchautorenresidenz in Echternach. Da die Residenz coronabedingt verschoben wurde ist Martina Wildner nun Struwwelpippi Autorin 2021. Im Frühjahr 2021 erscheint ihr neuestes Buch „Der Himmel über dem Platz“. www.marimawi.de 8
Pippilotta Struwweliana G egen 21.33 Uhr setzte ich mich auf mein Bett und wippte fünfmal. Das machte ich bei jedem neuen Bett, denn damit sagte ich ihm „Hallo!“ Das Bett antwortete dann eventuell mit einem Quietschen, Ächzen oder Knarren. Weniger temperamentvolle Betten antworteten vielleicht auch nur mit einem leisen Rascheln der Decken. Dieses jedoch gab keinen einzigen dieser Laute von sich. Das fand ich verdächtig. Draußen regnete es. Vor etwa zwei Stunden und 47 Minuten war ein donnern- des Gewitter über das Haus gefegt. Ich war, statt in ein Restaurant zu gehen, im Haus geblieben und hatte meine übriggebliebene Brotzeit von der Zugfahrt aufgegessen: ein von meinem Mann mit viel Liebe selbstgebackenes Brot mit kaltem Braten, den er mir extra noch gekauft hatte – für meine lange Reise. Jetzt wollte ich schlafen. Ich ging meistens früh zu Bett, denn ich stand gerne früh auf, um dann gleich zu arbeiten. Das war hier nämlich meine Hauptauf- gabe: Ich sollte einen Monat in diesem Haus an einem Buch schreiben. Darauf freute ich mich... QR-Code scannen und reinhören 9
© H ol i ge e lp ip p r S Struww tr Nina Blazon ehlo 2019 w Nina Blazon wurde 1969 in Koper (Slowenien) geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Slawistik arbeitete sie als Redakteurin und Texterin, und war als Lehrbeauftragte an den Universitäten Tübingen und Saarbrücken tätig. Seit 2003 ist sie hauptberuflich Schriftstellerin. Inzwischen hat sie mehr als vierzig Romane in den Bereichen Kinder- und Jugendbuch, Historie und Belletristik verfasst. Ihre Werke wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Phantastik Preis und dem Lesekompass der Leipziger Buchmesse. www.ninablazon.de 10
Spy Cat I nzwischen bin ich ziemlich sicher, dass die Katze etwas im Schilde führt. Auch heute sitzt sie wieder in dem mit Rosen gesäumten Hof des Altstadthäuschens und starrt in das Fenster. Auf der anderen Seite der Fensterscheibe sitze ich und versuche mir Kaffee einzuschenken, ohne etwas zu verschütten. Denn wenn man mit einem so durchdringenden und (ehrlich gesagt) auch leicht irren Blick angestarrt wird, kann man schon etwas nervös werden. Anfangs hatte ich mich deshalb mit dem Morgenkaffee ins Wohnzimmer im ersten Stock verzogen, aber Spy Cat (wie ich sie inzwischen nenne) kletterte einfach zum Balkon des Nebenhauses und observierte mich von dort aus. Auf dem Balkon scheint es be- quem zu sein, denn sie legt sich dort immer gemütlich hin und packt ihre Vor- derpfoten unter die flauschige Katzenbrust. Ich stelle mir oft vor, was sie wohl im Fenster sieht: eine Autorin in einer hellen Strickjacke, die an dem kleinen Tisch am Fenster sitzt. Die Brille auf der Nase und tief über ihr Laptop gebeugt versucht sie neue Geschichten zu schreiben, aber immer wieder prüft sie mit einem verstohlenen Blick, ob sie noch beobachtet wird. Und ja, das wird sie! „Nein, das wirst du nicht“, sagt meine Schwester, als ich ihr am Telefon von Spy Cat berichte... QR-Code scannen und reinhören 11
i e lp ip p © H Struww 2018 an s- J oa ch im Anne Charlotte Voorhoeve Kunz e Anne Charlotte Voorhoeve, geboren 1963, studierte Politologie, Amerikanistik, Alte Geschichte und Komparatistik in Mainz und Maryland/USA. Sie arbeitete als Redakteurin und Lektorin sowie in der Öffentlichkeitsarbeit. Seit 2000 ist sie freiberuflich als Autorin tätig, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt am liebsten historische Romane, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Hierzu zählen der Buxtehuder Bulle 2008 für „Liverpool Street“, der Batchelder Award 2013 für das beste ins amerikanische Englisch übersetzte Jugendbuch („My Family for the War“), sowie 2005 eine Nominierung für den Deutschen Jugendliteraturpreis für „Lilly unter den Linden“. Ihr Kinderbuch „Wir 7 vom Reuterkiez“ erhielt den Leipziger Lesekompass 2017. Anne C. Voorhoeves historische Romane sind klassische „All-Ager“. Sie erzählen aus der Perspektive einer jugendlichen Hauptfigur von dramatischen Kapiteln der jüngeren deutschen Geschichte, wie dem Stauffenberg-Attentat, den Kindertransporten nach England, dem jüdischen Exil in Shanghai, dem Kampf um die Insel Helgoland oder der Schneekatastrophe in Norddeutschland 1978. 12
Der Geburtstag Von einem Kind hat mir niemand etwas gesagt! Es steht neben den Koffern im Vorraum, während der neue Struwwelpippi noch das Auto ausräumt, und guckt mich so direkt und stirnrunzelnd an, dass meine Füße vor Schreck auf dem Boden kleben bleiben. Was ich jetzt augenblicklich tun sollte, ist schon klar: durch die Tür der Abstellkammer verschwinden. Aber damit habe ich nicht gerechnet. Nicht mit dem Kind, und nicht mit der noch böseren Überraschung. Dieses Kind kann mich sehen! Draußen tuckert immer noch der Traktormotor, während der Nachbar gedul- dig darauf wartet, dass der Struwwelpippi endlich das Auto aus der Einfahrt fährt. Der Mann scheint für die vier Wochen eine Menge Zeug dabei zu haben. Was das betrifft, hatten wir hier schon alles: vom kleinsten Rollköfferchen der Minimalisten bis hin zu Umzugskartons. „Vincent, hilf mir doch mal!“... QR-Code scannen und reinhören 13
n ei i e lp ip p Kl Struww tja © Ka Christina Erbertz 2017 Christina Erbertz studierte Anglistik in Bochum und Drehbuchschreiben an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Sie konzipierte und schrieb zahlreiche Fernsehserien für Kinder (u.a. Löwenzahn, Beutolomäus, Hexe Lilli). Bei Beltz & Gelberg erschienen von ihr die Kinderbücher „Freddy und der Wurm“, „Der Ursuppenprinz“, „Die Helikopterbande und das Raubtier aus China“ sowie der Jugendroman „Drei (fast) perfekte Wochen“, der 2018 mit dem Hans-Im-Glück-Preis ausgezeichnet wurde. Christina Erbertz wohnt mit ihrer Familie in Berlin. 14
Joana und ihre Geister S ie hatte sich für das Schlafsofa entschieden. Auf keinen Fall wollte Joana oben schlafen, auf der winzigen Etage mit den beiden Einzelbetten. Dazwi- schen standen nur zwei Nachttische und das war definitiv zu wenig. Nicht, dass sie ihre Mutter nicht mochte, sie liebte sie, aber sie war 14. „Willst du noch einen Tee?“, rief ihre Mutter von der schmalen Küche im Erd- geschoss zu ihr nach oben und über das laute, unruhige Blubbern des Wasser- kochers hinweg. „Nein, danke!“ Joana sah weiter starr auf ihr Smartphone, als könne sie so eine Nachricht von Mattis erzwingen. „Was?“, rief ihre Mutter. Joana legte ihr Telefon weg und stand auf. Ihre Mutter war nervös, die erste Lesung heute Abend war eine große Sache. Den ganzen Monat über würde sie dann an Luxemburger Schulen lesen und Joana hier in Echternach aufs Gym- nasium gehen. Sie musste eben mit, sie musste immer mit. Ihr Vater hatte sich seit Jahren nicht mehr bei ihr gemeldet... QR-Code scannen und reinhören 15
© An dr lp ip p i ea e Struww s Kü 2016 ste Kathrin Schrocke r Kathrin Schrocke wurde 1975 in Augsburg geboren. Nach ihrem Germanistik- und Psychologiestudium war sie als Pressereferentin im Verlagswesen tätig, arbeitete als Journalistin sowie als Dozentin in der Erwachsenenbildung. Seit 2005 ist sie als freischaffende Autorin tätig und widmet sich vor allem dem realistischen Jugendroman. Für ihre Bücher betreibt sie oft eine langjährige Recherche. So erlernte sie für die Arbeit an „Freak City“ Gebärdensprache. In ihrem Buch „Immer kommt mir das Leben dazwischen“ greift sie auf Erfahrungen ihrer Jahre in einer Wohngemeinschaft mit 40 Bewohnern zurück. Kathrin Schrockes Bücher wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie den Lesekompass der Stiftung Lesen für besonders empfehlenswerte Jugendliteratur. www.kathrin-schrocke.de 16
Microchiroptera struwwelpippilensa Ich muss eine Warnung aussprechen, denn in dieser Geschichte kommen Schriftsteller zu Schaden. Nicht ihre Gesundheit, aber ihre geheiligte Nacht- ruhe und ihre schicke Frisur. Wer außerdem Angst vor mausartigen Tieren hat, der sollte an dieser Stelle besser nicht weiterlesen. Was soll ich sagen? Mit der Anreise in Echternach war ich noch der größen- wahnsinnigen Überzeugung, ich selbst könnte dieses sagenumwobene Struw- welpippi sein. Hatte es nicht im offiziellen Brief der Jury geheißen, ich sei aus- erwählt worden? Hatte man nicht extra für mich ein historisches Haus frei geräumt? Hatte man mich nicht mit einem magisch anmutenden Briefumschlag voller Geld in Empfang genommen? Ganz so, als wäre ich das Struwwelpippi höchstpersönlich? Wahrscheinlich hätte ich spätestens beim Geld misstrauisch werden müssen. Lebenshaltungskosten? Dass ich nicht lache! In Wahrheit ist es Schweigegeld. Trotzdem erzähle ich euch folgende Geschichte: Ich bezog also mein Quartier. Das Haus war das älteste der Stadt, hübsch eingerichtete und sehr gemütlich. Aber schon in der ersten Nacht wurde ich unsanft geweckt. Et- was flatterte zwischen meinen Augenbrauen. Es roch nach einem Gummibär- chen-Lakritze-Gemisch und ein kleines Stimmchen durchbrach schrill meine Träume. Ich hatte von einem Wartezimmer geträumt. Gähnend leer und nir- gends Zeitschriften, Bilder oder Bücher… QR-Code scannen und reinhören 17
lp ip p i en e Struww p eter Hassie Kilian Leypold 2015 © P Kilian wurde 1968 in Nürnberg geboren; studiert in Erlangen Philosophie, Slavistik und Osteuropäische Geschichte, bekommt 1994 in St. Petersburg zum Geburtstag einen Wobla geschenkt und gründet 1995 mit anderen das THEATERWOBLIST; schreibt Minidramen und Geschichten, später Romane für Kinder und Hörspiele, die er oft selbst inszeniert. Erhält für seine Arbeit diverse Preise und Stipendien. Hat einen erwachsenen Sohn und eine Tochter, lebt als freier Autor und Hörspielregisseur seit dem Jahr 2000 in München. 18
Das Geheimnis des 3. Fensters I ch bin alle Kinder in einem Kind. Und einmal im Jahr schicken sie einen oder eine, die mir auf die Spur kommen soll. Die sitzen dann da drüben in der scheißalten schmählich erbärmlichen Bruchbude mit den schmalen hohen Fenstern und suchen nach mir. Als ich ins Gotische Haus eingezogen bin, um da einen Monat lang zu wohnen, Autorenresidenz, Stadtschreiber zu Echternach sozusagen, ist mir nach einiger Zeit was aufgefallen: rechts von meinem Haus war eine Wand. Nur ganz oben gab es eine Reihe von drei Fenstern. Der Rest war Mauer. Keine Tür, kein an- deres, tiefer liegendes Fenster. Nichts. Wie ein Verlies. Wer oder was war da eingesperrt? Nachdem ich einige Tage lang immer wieder auf diese Wand gestarrt hatte, schrieb ich irgendwann das auf ein Blatt Papier: Es war einmal eine Mauer mit drei Fenstern. Hinter dem ersten Fenster lebte ein Mädchen, sie war ungefähr sechs Jahre alt, hatte ein oder zwei kleinere Geschwister und hieß Djiou... QR-Code scannen und reinhören 19
© D en is e e lp ip p i H Struww en nin 2014 g Finn-Ole Heinrich *1982, Geschichtenerzähler und Performer. Schreibt Bücher, Drehbücher und Stücke für Kinder und Erwachsene. Für seine Arbeiten hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen bekommen: unter anderem den LUCHS-Jahrespreis, den Deutschen Jugendliteraturpreis und den Strittmatter- Drehbuchpreis. Finn-Ole Heinrich tritt gerne und viel und eigentlich überall auf. Allein, zu zweit, mit Musikern oder einem ganzen kleinen Orchester. www.finnoleheinrich.de 20
Eine Taubenfeder f iel von der Bahnhofsdecke, schraubte sich tänzelnd und wie in Zeitlupe zu Boden. Ich freute mich über diesen kleinen Moment, ich übe das schon seit einer ganzen Weile: die kleinen Dinge im Alltag wahrzunehmen. Sie versüßen einem das Leben, wirklich wahr. Es ist so einfach und gleichzeitig so schwer. Jedenfalls: ich sah mich um. Keiner außer mir hatte die Feder zu Boden se- geln sehen, keiner hatte diesen Moment bemerkt, obwohl das Gleis für sechs Uhr morgens erstaunlich gut gefüllt war. Die Welt hatte dieses kleine Schauspiel tatsächlich nur für mich aufgeführt. Ich erinnere mich aus zwei Gründen so genau an diesen Moment, erstens weil ich stolz auf mich war, diesen Moment ganz bewusst wahrgenommen zu haben und zweitens, weil mir im nächsten Moment sechs Bundesbeamte in dunkelblauer Montur gegenüberstanden und sagten, ich solle ihnen folgen. Aber ich muss eigentlich noch ein bisschen früher beginnen: Ich stand nämlich bereits eine ganze Weile auf dem Gleis (eine dumme Angewohnheit von mir: ich muss immer eine halbe Stunde vor Abfahrt meines Zuges am Bahnhof sein und dann ärgere ich mich über die verschwendete halbe Stunde) und musste ziem- lich pinkeln. Am ganzen Bahnhof gab es keine öffentliche Toilette und ich ... QR-Code scannen und reinhören 21
i e lp ip p l te Struww ei s K 2013 © Jona Andrea Karimé Andrea Karimé ist in Kassel geboren und mit dem Klang vieler Sprachen im Ohr aufgewachsen. Als Kind reiste sie häufig zwischen Deutschland und Libanon hin und her, da ihr Vater von dort stammt. Nach dem Studium der Musik- und Kunsterziehung arbeitete sie 12 Jahre als Grundschullehrerin. Heute lebt sie als freie Kinderbuchautorin, Dichterin und Geschichtenerzählerin in Köln. Den Winter nutzt sie normalerweise für das Sammeln von Geschichten im Ausland, zuletzt Marokko. Für ihr Werk erhielt sie viele Stipendien und Auszeichnungen, unter anderem das Struwwelpippi-Stipendium und zuletzt den Kinderbuchpreis des Landes NRW für „King kommt noch“. Andrea Karimé ist Mitglied des PEN. www.andreakarime.de 22
Struwwelpippi und der Wellkamm der Madamm E ine Schriftstellerin mit Haaren schwarz und glänzend wie Lakritz wohnt seit drei Tagen im Gotischen Haus. Meistens trägt sie eine rote Jacke und eine schwarze Hose. Und meistens hat sie die Tür auf, für Besuch. Zum Beispiel vom Hund Hond. Er gehört den Nachbarn, schaut aber jeden Tag rein. Oder die Meise. Jeder Besuch bringt ein Wort des Landes mit. Hond Wollek Mees. Madamm sammelt diese Wörter in ihrer Handtasche. Gerade sitzt sie an einem Tisch mit Blick zum Berg und schreibt an einer neuen Kindergeschichte: „Darf ich mich vorstellen, ich bin Madamm Wollek, die letzte Wolkenkratzerin der Welt! Ich sorge für den Regen, indem ich an den Wolken kratze, aber leider können immer mehr Wolken heutzutage von allein regnen!“ Sie hält inne. Sie weiß nicht weiter. Das kommt jeden Tag einmal vor. Seltsam, denkt Madamm, ich habe ihn noch nie verlegt. Ob Hond ihn mitge- nommen hat? ... QR-Code scannen und reinhören 23
i e lp ip p Struww nn 2012 a um Ne Frank Maria Reifenberg © Jörn Frank M. Reifenberg, 1962 in Friesenhagen in der Nähe von Siegen geboren, machte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Buchhändler, arbeitete als Presse- und Öffentlichkeitsreferent und als Werbetexter und Mitinhaber einer PR Agentur. 2000-2001 absolvierte er das Ausbildungsprogramm für Drehbuchautoren an der Internationalen Filmschule (IFS) Köln, der Stadt in der er auch seit 1993 lebt. Er schreibt seit 2000 Drehbücher und Konzepte für Film und Fernsehen. Seit 2002 schreibt er Romane. Seit 2008 widme er sich der Jungenleseförderung mit Workshops nur für Jungen, Seminaren und Vorträgen für Erzieher, Eltern, Lehrer und Multiplikatoren in der Buchbranche. Seit 2013 ist er Initiator und künstlerischer Leiter von kicken&lesen Köln. Die Universität zu Köln berief ihn 2013 zum Lehrbeauftragten für „Leseanimation für Jungen“. www.frankmariareifenberg.wordpress.com 24
Drei sind einer zu wenig „Ist er tot?“, fragte Marie. Der Mann lag reglos auf dem Boden. Die Chancen stan- den gut, dass sein Lebenslicht verloschen war. „Das wäre schön“, seufzte die Magd. „Zu schön, um wahr zu sein“, sagte Monsieur Rosenstein, der früher nur französisch mit den anderen gesprochen hatte. Es hatte sich jedoch schnell herausgestellt, dass weder Marie noch Frau Solalá (mit Betonung auf dem zweiten a!) auch nur ein einziges Wort dieser Sprache verstanden. Wenn Monsieur Rosenstein sich mit ihnen verständigen wollte, musste er wohl oder übel dieses ungehobelte, knarzige und ganz und gar unter seiner Würde lie- gende deutsch sprechen. Immerhin erlaubte er sich einen französischen Akzent, und zwar einen richtig ordentlichen französischen Akzent. Jeder sollte auf der Stelle verstehen, von welch überaus vornehmer Abstammung Monsieur war. (Was sich übrigens als Hochstapelei herausstellen sollte, aber das ist eine andere Geschichte.) „Man müsste seinen Puls fühlen“, sagte Frau Solalá. „Oder schauen, ob noch ein Atemhauch aus seiner Nase strömt. Er hat eine schöne Nase“, fügte sie hinzu ... QR-Code scannen und reinhören 25
m eh Bo as m ho © T i e lp ip p Struww 2011 Andrea Hensgen 1959 Geburt in Mettlach, Kindheit in einem Dorf an der Mosel 1978 Beginn des Studiums der Literatur- und Politikwissenschaften an der Universität Saarbrücken 1987 Staatsexamen II für das Lehramt an Gymnasien 1987 Beginn der Arbeit als Dozentin an Bildungsakademien und der Fernuniversität Hagen 1994 Beginn der schriftstellerischen Arbeit 1997 Jahresstipendium Baden-Württembergs für „Hamlet redet zu viel“ 2001 Erste belletristische Veröffentlichung 2010 Stipendium des Verbands der Schriftsteller Baden-Württembergs 2011 Kinderbuchautorenresidenz des Landes Luxemburg 2011 Kinderbuchpreis Nordstemmer Zuckerrübe 2011 Vilnius- Stipendium des Hessischen Literaturrats 2011 Bad Iburger Kinderliteraturpreis Schlossgeschichten 2012 Auswahl des Kinderbuchs Auf kleinen Pfoten kommt das Glück! für die SR- Kinder- und Jugendbuchliste 2016 Stadtschreiber der Stadt Otterndorf www.andrea-hensgen.de 26
Bleib'immer hier, bei mir, - oder nimm mich mit!“ In der Frühe „Keine Angst, ich mache Dir nichts!“ Eine Kinderstimme. Trotzdem schrecke ich auf, aus halbwachem, leichtem Schlaf, rutsche dicht an die Wand. „Ich habe Hunger!“ Die Stimme eines Mädchens, ich starre in das lichte Dunkel und erkenne nichts. „Darf ich mir was aus der Küche holen?“ Ich nicke, dabei kommt kein Ton über meine Lippen. „Ein Joghurt? Ist ein Joghurt okay?“ ... QR-Code scannen und reinhören 27
© Pr i e lp ip p iv Struww at 2010 Jutta Richter Jutta Richter, geboren 1955, veröffentlichte noch als Schülerin ihr erstes Buch. Anschließend studierte sie Theologie, Germanistik und Publizistik in Münster. Seit 1978 lebt sie als freiberufliche Autorin im Münsterland. Neben vielen anderen Preisen erhielt sie 2001 den Deutschen Jugendliteraturpreis für „Der Tag, als ich lernte, die Spinnen zu zähmen“ (2000) und 2005 den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis für „Hechtsommer“ (2004). www.juttarichter.de 28
Echternachts mit Blick zum Mond Ich liege im fremden Bett oben unter dem Dach mit Blick zum Mond. Struw, struw. Es knarzt. Das war die Treppe, denke ich. Das war die Treppe. Wel, wel, singt der Wind. Wel, wel. Die Wolken schieben sich vor den Mond, es sieht aus, als trüge er eine Augenbinde. Ein blinder Mond, denke ich. Ein blinder Mond in Echternach. Dort bin ich angekommen. Denn wie der Mond am Himmel ziehe auch ich durchs Land, langsamer nur, viel langsamer. Ich liege reglos, ... QR-Code scannen und reinhören 29
i e lp ip p Struww bh 2009 gm oewe verlag Manfred Theisen © l Der Politologe Manfred Theisen greift in seinen Büchern gerne politische Themen auf. Seine Werke wurde mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er wohnt in Köln, aber er hat in den verschiedensten Winkeln der Welt recherchiert: im Nahen Osten genauso wie in Weißrussland, Kazachstan, Frankreich, Estland, Äthiopien, Armenien, USA… Dabei geht es dem gelernten Medienredakteur um neue Perspektiven, um die Lust an der Mitwirkung bei politischen Prozessen, den Einfluss der Medien und unseren Umgang damit. www.manfredtheisen.de 30
Spinat oder Klare Brühe D er Spinat ist noch gefroren und die Nudeln sind hart. Die Küche ist weiß, drei Hängeschränke, der Boiler, Herdplatten, Herd, Spüle, immer warmes Wasser. Aber es ist ohnehin Sommer. Wenn du im Gotischen Haus in Echter- nach untergebracht bist, hast du alles, was du brauchst - und mehr. Die Koffer sind noch warm von der Anreise, unausgepackt. In diesem Haus wohne nur ich, Schriftsteller und alleine. Irgendwie klingen die beiden Worte verwandt. Sechs Wochen soll ich hier wohnen, sechs Wochen am Rande von Luxemburg, direkt an der Sauer. Echternach ist so was von verträumt, Rapunzel wohnt hier in jedem zweiten Haus und das Mittelalter kauft am Dorfplatz beim Apotheker Aspirin. Ich warte vor diesem Topf, in dem der Rahmspinat langsam auftaut. Morgen muss ich was Vernünftiges zum Essen einkaufen. Das Haus ist alt, sehr alt, sehr gotisch. Wann war die Gotik? Der Kölner Dom ist gotisch und ich bin Kölner. Ich müsste es also wissen. Ich bin Schriftsteller, ich müsste sowieso viel mehr wissen. Früher war gotisch ein Schimpfwort. Das weiß ich. Weil die Goten so wild waren, so ekelig und ungepflegt... QR-Code scannen und reinhören 31
i e lp ip p Struww 2007 © Fr an k Me issn Doris Meißner-Johannknecht er Nach einer spannenden Schullaufbahn über Dortmund, Arnsberg, Juist und wiederum Dortmund und dem gymnasialen Abschluss studierte sie Germanistik, Publizistik, Pädagogik, Psychologie, Theaterwissenschaft, und Sportwissenschaften an der neugegründeten Ruhr-Universität Bochum. Nach Magister- und Staatsexamen arbeitete sie erst einmal als Therapeutin in der Drogenberatung und -arbeit in dem Bremer Drogenprojekt Release. 18 Jahre lang unterrichtete sie Deutsch, Pädagogik und Literatur (Theaterprojekte) an Dortmunder Gymnasien. Doch dann beschloss sie, sich ausschließlich auf das Schreiben von Texten zu konzentrieren, sich vorwiegend mit brisanten sozialen, pädagogisch-psychologischen Phänomenen literarisch auseinanderzusetzen. www.meissner-johannknecht.de 32
Struwwelpippi. Mit Lust am Grauen! Ob ichs schaffe? Der Tank ist fast leer. Mist! Bloß nicht stehenbleiben. Noch rollt mein alter VW-Bus, knallrot lackiert, mit unzähligen kleinen Mons- tern. In Weiß. Unübersehbar. Ich sehe das Ortseingangsschild. „Echternach“. Mein Ziel, mein Zuhause für die nächsten vier Wochen. Ich biege in den Kreisverkehr ein. Aus der Ferne winken bereits die Türme der Basilika St. Willibrord. Vor mir taucht eine riesige elektronische Anzeigetafel auf. Mit fetter Laufschrift. Werbung? Ich lese zwei Zeilen. Eine magische Nachricht. Doch dann muss ich abbiegen. Was stand da? Mein Herz stolpert, pocht. Hinter mir misslauniges Gehupe. Mein Bus steht still. Bitte nicht! Ich starte neu. ... QR-Code scannen und reinhören 33
ht ec br i e lp ip p O Struww lix e 2006 © F Bettina Obrecht Aufgewachsen in Weil am Rhein. Studium Spanisch und Englisch in Heidelberg, danach Aufenthaltsstipendium der Akademie Schloss Solitude für Literatur. Seit 1992 lebt sie als freie Autorin und Übersetzerin. In dieser Zeit hat sie über fünfzig Kinder- und Jugendbücher bei großen Verlagen veröffentlicht, von denen viele in andere Sprachen übersetzt wurden. Sie übersetzt selbst Kinder- und Jugendbücher, schreibt Lyrik, Liedtexte und Prosa für Erwachsene in deutscher und englischer Sprache und hat, überwiegend in Zusammenarbeit mit dem Musiker und Hörspielmacher Werner Cee, zahlreiche Hörspiel- und Featuretexte für den Rundfunk verfasst und bearbeitet. Ihre Lesereisen führen sie durch ganz Deutschland und die Nachbarländer. www.bettinaobrecht.de 34
Fliege mit Sommersprossen I ch klingle und es dauert ziemlich lange, bis die Autorin an die Tür kommt. In dieser ganzen Zeit plätschert der Regen ungehindert auf meinen Kopf. Eigent- lich möchte man nicht klatschnass vor einer berühmten Autorin stehen, die man für die Schülerzeitung interviewen soll. Meine Mutter hat gesagt, ich soll einen Schirm mitnehmen. Aber man kann ja nicht ein Leben lang auf seine Mutter hören. „Oje, du bist aber nass geworden“, sagt die berühmte Autorin, die für vier Wo- chen im Struwwelpippi-Haus zu Gast ist, zur Begrüßung und tritt zur Seite. „Komm rein. Leg die nassen Sachen ab, ich mach dir Kakao. Geh schon mal hoch.“ Ich stapfe die enge Treppe hinauf. Hier oben am Fenster steht ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Ganz vorsichtig setze ich meinen durchweichten Rucksack ab und hole mein angefeuchtetes Notizbuch heraus. Das Laptop der Autorin steht aufgeklappt auf dem Tisch. Natürlich im Ruhe- zustand, sodass ich nicht ausspionieren kann, woran sie gerade arbeitet... QR-Code scannen und reinhören 35
, Bonn He e rlag r ma e r V nn ill s i e lp ip p h ta Sc Struww dt th 2005 o © Anselm R Karin Gündisch Karin Gündisch wurde 1948 im rumänischen Heltau/Cisnădie geboren. Seit 1984 lebt Gündisch als freie Autorin in Deutschland, zunächst viele Jahre in Bad Krozingen und seit 2018 in Hamburg. Ihre Bücher wurden ins Englische, Französische, Rumänische, Japanische, Koreanische, Kroatische und Slowenische übersetzt. Für ihre Bücher wurde sie vielfach ausgezeichnet. www.guendisch.de/deutsch/karin_de.htm 36
An einem heißen Sommertag S truwwelpippi hopste voran, und Tante Malwine rief ihr nach: „Nicht so schnell! Du, Springhansel! Warte auf mich!“ Struwwelpippi sprang aber weiter, und Malwine keuchte hinterher. Sie schlepp- te eine Tüte mit einem tiefgefrorenen Fisch, dessen Lagerzeit im Tiefkühlfach schon längst abgelaufen war und der aus diesem Grund entsorgt werden muss- te. Malwine war achtlos an den Mülltonnen vorbeigegangen, weil sie Struwwel- pippi einholen wollte, bevor der Abstand zwischen ihnen zu groß wurde und es nicht mehr möglich war. Nach einer Weile sagte sie: „Ich schleppe den Fisch die ganze Zeit über mit und habe es gar nicht gemerkt, weil du dauernd Faxen machst. In ein paar Stunden beginnt er zu stinken.“ Es war ein furchtbar heißer Sommertag. Sie gingen auf den Markt, um Möhren und Sellerie zu kaufen. „Wir nehmen den Bus!“, sagte Malwine. Sie gab Struwwelpippi den Fisch und ließ sich vom Busfahrer beim Einsteigen helfen ... QR-Code scannen und reinhören 37
i e lp ip p © Ti Struww na 2004 Mer Martin Klein kau Martin Klein wurde 1962 in Lübeck geboren und lebt in Potsdam und Berlin. Fußballkindheit in Dortmund, Handballjugend am Niederrhein. Zivildienst, unvollendetes Sportstudium, vollendete Ausbildung zum Landschaftsgärtner und Landschaftsplanungs-Studium an der TU Berlin. 1990 erste Kinderbuch-Publikation: „Lene und die Pappelplatztiger“. Seitdem ca. 60 Einzeltitel übersetzt in bislang fünfzehn Sprachen. Zahlreiche Radio-Features und Audio-Geschichten. Einige Auszeichnungen im Lauf der Jahre, neben der schönen Struwwelpippi-Residenz u.a. Alfred-Döblin-Stipendium, Umweltmedienpreis der Stadt Waiblingen und Eberhard- Literaturpreis der Stadt Eberswalde. www.martin-klein.net 38
Struwwelpippi, Lëtzebuerg, Willi und ich V or vielen Jahren durchwanderte ich einmal die Eifel. Ich lief über Bitburg nach Luxemburg, überquerte im Grenzörtchen Echternacherbrück das muntere Flüsschen mit dem interessanten Namen Sauer und fragte mich, war- um es nicht Echter heißt. Dazu später mehr. Die hübsche Brücke, welche die luxemburgische Stadt Echternach freund- lich mit ihrer kleinen deutschen Schwester verbindet, ist diesseits und jenseits des Wassers mit einem ehemaligen Grenzgebäude versehen. Das Haus auf der deutschen Seite ist schmucklos und nüchtern, während das Häuschen auf der anderen Seite hübsch ziseliert an seinem Platz steht. Es ist genau das richtige Bauwerk, um Besuchern Eintritt zu einem Land mit dem verheißungsvollen Namen Grand-Duché zu gewähren. In dem niedlichen Grenzgebäude könnte man prima einen kleinen Eisladen aufmachen oder eine Konditorei mit feinem portugiesischem Backwerk, oder noch besser beides zugleich. Auf beiden Seiten fragten viele Jahre lang keine Grenzbeamten mehr danach, ob man sich ausweisen könne oder etwas zu verzollen habe, oder was man denn überhaupt im Land zu suchen habe ... QR-Code scannen und reinhören 39
© i e lp ip p He Struww lg a N Dietlof Reiche 2008 oack www.dreiche.de e lp ip p i Struww © 2003 An dr é H Regula Venske olger www.regulavenske.de i e lp ip p Struww © 2002 Pr iva t Irma Krauß www.irma-krauss.de 40
Die Sprecher © An t oi ne Eugénie Anselin de Sain t Phalle Eugénie Anselin wurde 1991 in Paris geboren und wuchs in Frankfurt und Luxemburg auf. Als Kind begann sie mit dem Geigenunterricht und besuchte später die Schauspielklasse am Luxemburger Konservatorium. Seit ihrem Masterabschluss vor vier Jahren an der Zürcher Hochschule der Künste ist sie als freie Schauspielerin in Deutschland, Frankreich und Luxemburg tätig. 2018 übernahm sie in Montreal die Titelrolle im Stück „Nina c’est autre chose“. Eugénie Anselin ist ebenfalls Theaterautorin und hat zwei Solostücke geschrieben. „Attention, chantier en cours“ wurde 2009 zur Eröffnung des Festival de l'Humour pour la Paix in Luxemburg aufgeführt. Ihr zweites Soloprogramm „WOW“ feierte 2019 am Kasemattentheater und Théâtre Ouvert Luxembourg Premiere. Neben ihren Bühnennauftritten steht Eugénie Anselin regelmäßig vor der Kamera, so etwa in der Serie „Bad Banks“. Im Sommer 2021 wird sie im Kinofilm „Lost Transport“ von Saskia Diesing die Hauptrolle übernehmen. 41
Die Sprecher en ad j rT Nickel Bösenberg e liv © O Nickel Bösenberg, 1971 in Hamburg geboren, studierte von 1995 bis 1999 Schauspiel in Kiel. Ersten Gastengagements am Landestheater Schwaben folgte ein Festengagement am Theater Kiel. Seit 2005 arbeitet er freiberuflich. Seit 2007 lebt Nickel Bösenberg in Luxemburg. Gastengagements und freie Theaterproduktionen führten ihn an zahlreiche Bühnen in Deutschland, Österreich, Norwegen, Bulgarien, Rumänien, Russland und natürlich Luxemburg. Zuletzt auf der Bühne zu sehen war Nickel Bösenberg in den Produktionen „Rote Nelken für Hercule Grün“ von Roger Manderscheid am Kasemattentheater Luxemburg, „Versetzung“, von Thomas Melle am Kapuzinertheater Luxemburg, „Tod“, von Woody Allen am Kasemattentheater / Théâtre d’Esch. Im Kino hat er zuletzt in den Filmen „Eric Stoneheart“ (2020) und „Never Grow Old“ (2019) mitgewirkt. 42
Auf der Struwwelpippi Internetseite http://struwwelpippi.literaturarchiv.lu findest du alle Kurzgeschichten auch zum Nachlesen.
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