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MARKETS GEHETZT INS ZIEL Impfstoff-Rennen Bald gehen die ersten Hersteller durchs Ziel. Doch das forcierte Tempo verheisst wenig Gutes. Hintergründe eines unerhörten Wettlaufs. von ERIK NOLMANS 56 BILANZ 11 | 2020
JEDER FÜR SICH Staatschefs und Regierungs vertreter feuern das Rennen um einen Corona- Impfstoff mit milliarden teuren Vorbestellungen an. Illustration: kornel.ch für BILANZ 11 | 2020 BILANZ 57
J MARKETS IMPFSTOFF-RENNEN etzt geht es Schlag auf Schlag. Bereits Ende November will das deutsch-amerikanische Team BioNTech/Pfizer in den USA die Zulassung für seinen Impfstoff beantra- gen. Für den Dezember dann hofft der Schweizer Partner im Rennen, die amerikanische Moderna, in den USA auf die Not-Autori- sierung ihres Impfstoffes, und schon ab dem 1. Januar 2021 wollen die Russen das Vakzin ihres staatlichen Insti- tuts Gamaleya in Umlauf brin- gen. In der Schweiz, wo derzeit zwei Impfstoffe im beschleunigten Zulassungs verfahren sind, kommt die Sache nun auch in die heisse Phase. Viele vergleichen das Rennen um einen Impfstoff gegen das Coronavirus mit dem Wettlauf ins All der 1960er Jahre – nur dass diesmal Dutzende UNERPROBT werden dem Patienten Anweisungen Länder beteiligt sind. Die Herstellung eines Impfstoffes injiziert, wie der Körper das Protein her- Es geht neben viel Prestige auch um viel dauerte in der Vergangenheit im stellen kann, das einen Teil des neuen Co- Schnitt mehrere Jahre. Die Dring Geld. Eine Dosis des Moderna-Impfstoffes lichkeit der Corona-Krise hat ronavirus nachahmt. Mit diesem Bauplan kostet in den USA 25 Dollar, wie Moderna- diesen Prozess in bisher unge entwickeln die Körperzellen dann diese CEO Stéphane Bancel jüngst verraten hat. kanntem Ausmass beschleunigt. Proteine, welche von den Immunzellen Für kleinere Volumen würden rund 32 bis erkannt und bekämpft werden. So toll dies 37 Dollar verlangt, hatte das Unternehmen tönt: Noch nie hat es ein mRNA-Impfstoff im August wissen lassen. Für die 4,5 Milli- bisher zur Zulassung geschafft. Lange sah onen Dosen, die sich der Schweizer Staat Für Moderna ist der Covid-19-Impfstoff es denn auch eher danach aus, dass die im August vertraglich gesichert hat, flies die grosse Chance, erstmals überhaupt in etablierten Player die Nase vorn hätten. sen also rund 150 Millionen Franken in die ihrer zehnjährigen Geschichte einen Ge- Doch es gab Rückschläge: Die britische Kassen von Moderna. Wie viel es genau winn zu machen – bis jetzt hat die Firma AstraZeneca musste ihre klinische Studie sein wird, wird nicht gesagt – die Details noch kein einziges Produkt zur Marktreife der Phase III vorübergehend unterbre- des Vertrags sind vertraulich. Insgesamt gebracht, auch wenn man schon seit Jah- chen, als einer der Teilnehmer eine Ent- hat der Bundesrat für die Impfstoff ren an ähnlichen Impfstoffen forscht. Das zündung des Rückenmarks ent wickelte, beschaffung ein Budget von 300 Millionen Tempo wird seit der Corona-Krise gezielt wie auch die amerikanische Johnson & Franken gesprochen. forciert: «Wir sind rasant gestartet und Johnson nach der ungeklärten Erkrankung Die USA haben sich bei Moderna schon arbeiten rund um die Uhr», sagt Tal Zaks, eines Probanden. Inzwischen aber führen vor Längerem 100 Millionen Dosen gesi- Chief Medical Officer von Moderna. Wie beide Unternehmungen ihre Studien chert und dafür vorweg schon mal 1,5 auch Konkurrent BioNTech/Pfizer setzt wieder fort. Milliarden Dollar gesprochen. Doch das ist das in Cambridge, Massachusetts, ansäs- nur ein Bruchteil der möglichen Gesamt- sige Unternehmen auf ein neues Verfahren NIE DA GEWESENES RENNEN einnahmen für Moderna: Mit dem Schwei- mit mRNA-Botenstoffen, das die klassi- Laut Weltgesundheitsorganisation WHO zer Ingredienzen-Hersteller Lonza hat d ie schen Verfahren, die etwa auf abge- forschen weltweit rund 200 Firmen an Firma eine Vereinbarung über die Produk- schwächte oder inaktivierte Viren setzen, einem Corona-Impfstoff, davon sind neun tion von 300 Millionen Impfstoffdosen pro überholen soll. Bei den mRNA-Impfstoffen in der entscheidenden dritten und letzten Jahr getroffen – kommt die Sache ins Lau- fen, fliessen in den kommenden Jahren also weitere Milliarden in die Kassen des erst 2010 gegründeten Jungunternehmens. „Erstens: Beschleunigung der Forschung. Lonza wiederum stellt sich auf volle Auf- Zweitens: Z ugang zu Impfdosen für die tragsbücher ein: 70 Millionen Franken hat Schweizer Bevölkerung. Drittens: Beitrag die Firma in eine hochmoderne Ferti- an eine gerechte Verteilung in der Welt.” gungsstrasse in Visp investiert, im Februar Nora Kronig, Leiterin Internationales, BAG soll sie bereitstehen. 58 BILANZ 11 | 2020
Bevölkerung. Drittens: Beitrag an eine „Früher waren die Impfstoff-Hersteller gerechte Verteilung in der Welt.» zurückhaltend mit ihren Ansagen, jetzt Doch angesichts all des Aktivismus und scheinen sich alle gegenseitig mit all der Pläne wird vergessen, dass man hier das Fell eines Tieres verteilen will, das Versprechungen übertrumpfen zu wollen.” Giuseppe Pantaleo, Direktor Schweizerisches noch gar nicht erlegt wurde. Viele, die hof- Impfstoff-Forschungsinstitut fen, ein Impfstoff werde endlich die Erlö- sung vom Corona-Problem bieten, dürften bitter enttäuscht werden. Denn viele Fra- gen sind noch ungeklärt, etwa bezüglich Phase der klinischen Studien, wo die Wirk- andere Frage. Immerhin hat sich die Wirksamkeit oder Dauerhaftigkeit eines stoffe an Zehntausenden von freiwilligen Schweiz an der Covax-Initiative beteiligt, Impfschutzes. Zu erwarten ist zudem ein Probanden getestet werden (siehe «Die die sich auf globaler Ebene für eine ge- mühsames und verwirrendes Seilziehen Favoriten im Rennen» unten). Angefeuert rechte Verteilung künftiger Covid-19-Impf- um die Frage, wer wie welchen Impfstoff wird der in der Geschichte der Impfstoff- stoffe einsetzt. Ziel ist es, unter der Füh- bekommen soll. Die Produktionskapazitä- entwicklung noch nie da gewesene Wett- rung internationaler Organisationen wie ten sind knapp und können auch mit vielen lauf von den einzelnen Staaten, die sich der WHO bei verschiedenen Herstellern Milliarden nicht so einfach aus dem Boden gegenseitig mit Vorausbestellungen über- rund zwei Milliarden Impfstoffdosen zu gestampft werden, es braucht Zulassun- trumpfen. So hat sich Deutschland zusam- beschaffen. Uneigennützig ist die Sache gen, es wird Einsprachen geben, ganz ab men mit Frankreich, den Niederlanden aber auch für die Schweiz nicht: Über die gesehen davon, dass weltweit die nötigen und Italien vorab 400 Millionen Impf Covax-Initiative soll die Schweiz Impfstoffe Facharbeiter in den Labors und Produkti- dosen von AstraZeneca gesichert. Die für 20 Prozent ihrer Bevölkerung erhalten. onsstätten fehlen. «Chaos und Konfusion» deutsche Kanzlerin Angela Merkel, ganz «Es wäre falsch, wenn nur die Reichen stehe uns bevor, brachte es die «New York die vorsorgliche Landesmutti, hat nebst einen Impfstoff bekämen. Hier muss ein Times» auf den Punkt und riet, man solle dieser Grossbestellung zusätzlich noch Mittelweg zwischen nationalen Interessen sich auf ein «verwirrendes und frustrieren- 40 Millionen Dosen bei BioNTech/Pfizer und weltweiter Gerechtigkeit gefunden des Jahr» einstellen. geordert. US-Präsident Donald Trump und werden», sagt René Buholzer, Direktor der russische Staatschef Wladimir Putin des Verbands Interpharma. Die Impfstoff MANGELNDE WIRKSAMKEIT heizen das Rennen nicht nur mit Geld, strategie der Schweiz basiere auf drei Ele- Die Experten befürchten, dass viele der sondern zusätzlich auch mit markigen menten, sagt Kronig vom BAG : «Erstens: frühen Impfstoffe nur einen moderaten Worten an und bedienen sich dabei ein- Beschleunigung der Forschung. Zweitens: Schutz bieten, was zur Folge hat, dass trotz dringlicher Bilder wie «Sputnik V» (Putin) Zugang zu Impfdosen für die Schweizer Impfung weiter Masken getragen werden oder «Operation Warp Speed» (Trump). müssen. Die zu kurze Erfahrung mit den Die Schweiz agiere in diesem harten nun lancierten Covid-19-Impfstoffen wird Spiel zurückhaltend, ja naiv, monierten es für Ärzte schwierig machen, zwischen Kritiker wie etwa Thomas Cueni vom Inter- Die Favoriten im Rennen den einzelnen Produkten zu wählen und nationalen Pharmaverband noch Mitte Neun von rund 200 Firmen sind mit der Entwicklung auch zu entscheiden, welcher Impfstoff September. Doch am 16. Oktober hat das eines Impfstoffs weit fortgeschritten. nun am besten bei welcher Altersgruppe BAG einen weiteren Pfeil aus dem Köcher Unternehmen Phasen eingesetzt werden soll. Ältere Leute etwa gezogen und zusätzlich zu den 4,5 Mil Land I. II. III. IV. reagieren eher schwächer auf Impfstoffe lionen Moderna-Dosen noch 5,3 Millionen BioNTech/Pfizer und brauchen daher stärkere Mittel, bei Dosen von AstraZeneca bestellt. Laut Nora jungen Leuten, bei denen die Covid-19- Kronig, Leiterin Internationales des Bun- AstraZeneca Todesrate praktisch bei null liegt, ist es desamtes für Gesundheit (BAG ), will man wichtiger, keinerlei schwere Nebenwir- die Impfstoffsicherung breit abstützen und Gamaleya kungen zu riskieren. In der Vergangenheit strebt daher die Beschaffung möglicher brauchte die Entwicklung eines Impfstof- Impfstoffe auf Basis verschiedener Tech- CanSino fes im Schnitt mehrere Jahre. Gut möglich nologien an. Dies weil zum heutigen Zeit- also, dass nach und nach doch noch uner- punkt noch nicht sicher sei, welche Impf- Johnson & Johnson / Janssen wartete Risiken auftauchen, was dazu füh- stoffe sich wirklich durchsetzen werden. ren würde, dass man einzelne Impfstoffe Moderna «Wir bleiben am Puls und schauen, was Hals über Kopf wieder vom Markt zurück- kommt», so Kronig, «wir sind bereit, ziehen müsste. Fotos: Dreamstime, Keystone, PD Novavax eventuell mit weiteren Herstellern Ver- Wie schwierig die Herstellung eines träge abzuschliessen.» Impfstoffes ist, der wirklich in jeder Hin- Sinopharm Die Schweiz, ein reiches Land, hat auch sicht überzeugt, zeigen die Beispiele der finanziell die Möglichkeit, im Rennen mit- mRNA-Wirkstoffe, wie sie Moderna oder Sinovac zuhalten. Wie allerdings dereinst alle rund BionNTech/Pfizer entwickeln. Ein Prob- acht Milliarden Menschen auf der Erde vor Phase I bis III: Klinische Forschung, Phase IV: Vor der Zulassung/Marktreife. lem dieser Impfstoffe ist, dass zwar schnell dem Virus geschützt werden sollen, ist eine Quelle: WHO, Firmenangaben. Grafik: ZDF/BILANZ schützende Antikörper entstehen, diese • 11 | 2020 BILANZ 59
MARKETS IMPFSTOFF-RENNEN • aber auch schnell wieder aus dem Kör- per verschwinden. Warum es zu diesem Phänomen kommt, ist wissenschaftlich immer noch ein Rätsel. Klar ist aber: Wenn man eine Impfung hat, die man alle paar Wochen erneuern muss, dürfte die Akzep- tanz für ein solches Produkt bald sinken. Mal sehen, ob die Daten, die BioNTech und Moderna in den nächsten Wochen vor legen wollen, inzwischen eine überzeu- gende Lösung für dieses Problem bieten. Professor Giuseppe Pantaleo, Direktor des Schweizerischen Impfstoff-Forschungs- instituts, mahnt zur Vorsicht nach der Euphorie bei der Entwicklung eines Covid- 19-Impfstoffes. «Früher waren die Impf- stoffhersteller zurückhaltend mit ihren Ansagen, jetzt scheinen sich alle gegenseitig mit Versprechungen übertrumpfen zu wollen.» Viele Staaten hätten proaktiv Millionen von Dosen geordert, ohne zu wissen, ob die Stoffe überhaupt genügend wirksam und sicher sind. Gerade bei einer hochansteckenden Krankheit wie Covid-19 MILLIARDEN- gesetzt, ein «vermehrungsblockiertes» sei eine grosse Wirksamkeit aber entschei- AUFTRAG SARS-CoV-2-Virus mittels Total synthese dend. In den USA haben die Behörden für Spezialchemiehersteller Lonza der DNA zu entwickeln, welches das Im- die Zulassung eine Wirksamkeit von min- hat einen Vertrag über die Produk munsystem dazu bringen soll, in starkem destens 50 Prozent vorgeschrieben. «50 Pro- tion von jährlich 300 Millionen Ausmass Antikörper herzustellen. Das Un- Impfdosen abgeschlossen: Werk zent sind nicht zufriedenstellend, da bei- in Visp. ternehmen will dafür auch auf Partner- spielsweise bei Impfungen gegen Masern schaften mit Schweizer Universitäten und oder Mumps die Wirksamkeit über 90 Pro- Universitätskliniken setzen. zent liegt», so Pantaleo. Moderna. Doch viele Branchenvertreter Auch andernorts in der Schweiz wird glauben nicht daran, dass einer der jetzi- an Impfstoffen geforscht: So haben etwa NATIONALE INTERESSEN gen Impfstoffkandidaten das Covid-19-Pro- der Berner Immunologe Martin Bachmann Bei der Auswahl der Impfstoffpartner sind blem schon lösen wird. Es brauche eine oder der Basler Forscher Peter Burkhard zudem nationale Interessen im Spiel. So neue, zweite Generation von Impfstoffen, schon früh verkündet, dass sie sich mit gehören Schweizer Investoren wie Pictet die bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit der Entwicklung eines Covid-19-Impfstof- oder BB Biotech zu den frühen Geldgebern neue Massstäbe setzt, sagt Vladimir Cmi fes beschäftigen. Der Weg ist weit: Bis jetzt von Moderna, als das Start-up vor Jahren ljanovic, CEO des Biotechunternehmens sind Schweizer Impfstoffe nicht in einer seine ersten Finanzierungsrunden machte Swiss Rockets, das in diesen Tagen eine fortgeschrittenen Phase. – sie haben angesichts der Kursexplosion Tochtergesellschaft namens Rocketvax Schweizer Firmen sind jedoch im von Moderna einen gewaltigen Gewinn gegründet hat mit dem Ziel, genau solche Bereich der Entwicklung von Impfstoff gemacht. Mit Lonza ist zudem ein wichti- Impfstoffe zu entwickeln (siehe Interview vorläufern tätig, etwa BioCopy mit For- ger Arbeitgeber Produktionspartner von auf Seite 62). Rocketvax hat sich zum Ziel schungslabors in Deutschland und Fotos: Lonza / Christian Pfammatter, PD 60 BILANZ 11 | 2020
Erst am 6. Oktober ist bei der Schweizer Zulassungsstelle Swissmedic überhaupt „Wir sind inmitten einer Pandemie – ein erstes Zulassungsgesuch für einen das hat den Vorteil, dass wir die Studie Covid-19-Impfstoff eingereicht worden – in Echtzeit beschleunigen können.” von AstraZeneca. Dieses wird nun in Form Tal Zaks, Chief Medical Officer, Moderna einer «rollenden Überprüfung» begut achtet. Im «Rolling Submission»-Verfahren können Pharmafirmen Gesuche für Arznei mittel einreichen, noch bevor die Entwick- lung abgeschlossen ist. Der eigentliche Holdingsitz in der Schweiz, bei der unter der deutsche Biochemiker Günter Roth, Zulassungsbescheid kann aber erst gefällt anderem Pascal Brenneisen, ehemals Haupterfinder der Kopiertechnik: «Sind die werden, wenn alle notwendigen Daten zur Schweiz-Chef von Novartis, sowie Rainer Antikörper zwar da, aber taugen nicht, kann Prüfung der Sicherheit, der Qualität und Boehm, der ad interim die Pharmasparte man sich trotzdem nochmals anstecken.» der Wirksamkeit vorliegen. «Schnelligkeit von Novartis geleitet hat, im Board sind. Die ganz grossen Player in der Schweiz ist angesichts der Lage schon extrem wich- BioCopy hat einen Kopierer für Bio sind nicht im Spiel: Entweder sind sie tig», sagt BAG-Vertreterin Kronig, «aber moleküle entwickelt, mit der man nicht nicht in der Impfstoffentwicklung tätig, Sicherheit und Wirk samkeit sind nicht nur Impfstoffe finden kann, sondern mit sondern produzieren nach Vorgaben, wie verhandelbar.» Am 19. Oktober hat mit Pfi- der auch molekulare Änderungen neuer etwa Lonza, oder sie sind wie Roche oder zer das zweite Unternehmen nach Astra- oder mutierter Erreger innerhalb von nur Novartis in anderen Bereichen stark, wie Zeneca ein Zulassungsgesuch eingereicht, zwei Tagen identifiziert werden können. bei den Covid-19-Tests oder Medikamenten das «rollend» geprüft wird. Vom Schweizer So kann man jederzeit Impfstoffe anpas- gegen die Krankheit selber. Partner Moderna indes lag bis zum Redak- sen, bevor sie unwirksam werden. Zudem tionsschluss am 27. Oktober noch kein Ge- entwickelt BioCopy einen speziellen Schnell NICHT VERHANDELBAR such bei Swissmedic vor. Die Firma verkün- test auf Corona-Resistenz. Wichtig sei ja Ganz generell sieht es so aus, als ob es dete aber vor ein paar Tagen, dass alle nicht nur, ob jemand Antikörper habe, länger gehen würde, bis in der Schweiz ein 30 000 Teilnehmer der Phase-III-Studie re- sondern auch, wie gut diese wirkten, sagt Impfstoff breit zur Verfügung stehen wird. krutiert worden seien – ein wichtiger • ANZEIGE
MARKETS IMPFSTOFF-RENNEN • Meilenstein. «Wir sind inmitten einer Lieber später, aber besser Pandemie – das hat den Vorteil, dass wir die Studie in Echtzeit beschleunigen können», so Moderna-Chefmediziner Zaks. Tempo zu Medizinal-Chemiker und Firmen machen, sei natürlich nicht ohne Nachteile, gründer Vladimir Cmiljanovic setzt auf aber es sei eine «rationale Entscheidung» in der jetzigen Situation: «Dies ist eine sehr Impfstoffe der zweiten Generation. gefährliche Krankheit.» Das BAG geht da- von aus, dass in der ersten Jahreshälfte 2021 erste Impfungen durchgeführt werden kön- nen – ob näher beim 1. Januar oder beim 30. Juni, lässt die Behörde offen. Branchen- Sie haben mit Rocketvax ein Unter- Bis zum Ziel ist es aber dann noch experten sind skeptisch: «Vor der zweiten nehmen gegründet, das einen Co- weit: Selbst in Phase III scheitert Hälfte 2021 wird man nicht breit impfen rona-Impfstoff entwickeln soll. Kom- noch ein Grossteil der Projekte. können», sagte Novartis-Präsident Jörg men Sie damit nicht reichlich spät? Historisch gesehen sind die besten Impf- Reinhardt im BILANZ Business Talk. «Wir Die Geschichte der Impfstoffentwicklung stoffe diejenigen, die abgeschwächte Vi- sehen die Sache nicht als Rennen», sagt Dan zeigt, dass die erste Generation eines ren anwenden, die Masernimpfung zum Staner, Chef der Schweizer Niederlassung neuen Impfstoffes oft noch Nachteile auf- Beispiel. Dafür haben wir etablierte klini- von Moderna. weist, etwa eine beschränkte Wirksam- sche Plattformen in Europa, der Türkei, Doch auch wenn die Impfung endlich da keit oder Nebenwirkungen, die sich erst den USA, Afrika und Lateinamerika. Da- ist, stellt sich die Frage: Will die Bevölke- mit der Zeit zeigen. Dies droht auch bei durch sind wir optimistisch, die klinische rung diese überhaupt? Laut einer Erhebung den aktuellen Impfstoffkandidaten gegen Entwicklung in einem «Raketen-Tempo» der «SonntagsZeitung» von Anfang Oktober Covid-19. Ein Impfstoff der zweiten Gene- auszuführen. will sich nur rund die Hälfte der Schweizer ration mag später kommen, hat, wenn er Bevölkerung impfen lassen. 41 Prozent sind besser ist, aber gute Chancen. dagegen, 5 Prozent noch unentschlossen. BIOTECH- Bei den Jungen (18 bis 35 Jahre) ist die Impf- Was unterscheidet Ihren Ansatz? MANAGER bereitschaft noch tiefer: 45 Prozent. Eine Vladimir Cmilja Mittels einer neuen DNA-Technologie novic ist Präsi tiefe Impfbereitschaft aber entzieht dem können wir im Labor chemisch ein voll- dent und CEO Fundament der Impfstrategie den Boden, ständiges DNA-Genom des abgeschwäch- des Basler denn das Virus kann nur gestoppt werden, ten Coronavirus herstellen. Unserem Impfstoff wenn ein Grossteil der Bevölkerung immu- entwicklers abgeschwächten Virus wurde bei der Rocketvax. nisiert ist – entweder durch das Virus selber Herstellung ein wichtiges Protein, mit oder durch eine Impfung. Dafür müssten dem es sich in menschlichen Zellen ver- sich 60 bis 80 Prozent impfen lassen. mehrt, weggenommen. Das Ziel ist, dem Die Impfskepsis ist im Übrigen weltweit Immunsystem ein ganzes SARS-CoV-2- Woher stammt die Technologie? vorhanden, wenn auch in unterschiedli- Virus zu präsentieren, ohne Covid-19- Die DNA-Synthese stammt von unserem chem Ausmass. Viele Skeptiker gibt es in Nebeneffekte auszulösen, da sich unser Partner Gigabases, einem Spin-off der Österreich, wo sich laut Erhebungen 68 Virus im Körper nicht replizieren kann, ETH Zürich. Wir haben für Rocketvax Prozent nicht impfen lassen wollen, in Russ- jedoch das Immunsystem anstiftet, neut- Patente erworben und sind verantwort- land sind es sogar 73 Prozent. Anders in ralisierende Antikörper und Immun lich für die weitere Entwicklung. Deutschland oder Italien: Da sind 67 Pro- zellen herzustellen. Dadurch wird das zent dafür, in China gar 97 Prozent. Immunsystem optimal trainiert, um bei Wo sehen Sie Stolpersteine? einer echten Infektion bereit zu sein. Die Herstellung für die umfassende in- HEIKLE STRATEGIE dustrielle Produktion des entwickelten Im Fall von Covid-19 vor allem das Tempo Auch andere Hersteller bauen Viren- Impfstoffes, wird, wie für andere Herstel- zu pushen und damit eventuelle später bestandteile in Impfstoffe ein. ler auch, sicher eine Herausforderung. aufpoppende Probleme nicht vorwegzu- Ja, aber wir präsentieren dem Immun nehmen, ist jedenfalls eine sehr heikle system als Einzige ein vollständig nach Viele kleinere Biotech-Firmen haben Strategie – das in der Schweiz ohnehin gebildetes Virus, welches das Immun sich an etablierte Konzerne ange- schon brüchige Vertrauen in einen Impf- system zu deutlich stärkerer Aktivität lehnt, die deutsche BioNTech etwa stoff könnte gänzlich verloren gehen. Doch zwingen wird. an die amerikanische Pfizer. Für Sie für solche Gedanken ist es wohl schon zu keine Option? spät: Die Entwicklung lässt sich nicht auf- Wie sieht Ihr Zeitplan aus? Doch, durchaus. Wir sind derzeit mit halten, die Hersteller sehen ihr Ziel vor Wir planen, spätestens in zehn bis zwölf zwei grossen Pharmafirmen im Ge- Augen und wollen abschliessen. Der Wett- Monaten in Phase I der klinischen Ent- spräch. Namen kann ich Ihnen aber lauf um die erste Lancierung mag bald Foto: PD wicklung zu sein. leider noch nicht nennen. entschieden sein, der Wettlauf gegen das Virus aber noch lange nicht. • 62 BILANZ 11 | 2020
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