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www.automobil-industrie.de Sonderausgabe • Juli 2016 AUTOMOBIL INDUSTRIE • Juli 2016 INSIGHT LEICHTBAU Genial einfach
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EDITORIAL „GROSSES POTENZIAL – AUCH FÜR ZULIEFERER“ Digitalisierung, Vernetzung, autonomes Fahren, Elektrifizierung: „Drängen diese automobilen Megatrends den Leichtbau in den Hintergrund?“, fragte ich in der Podiumsdiskussion auf dem »Automobil Industrie«- Leichtbau-Gipfel im März dieses Jahres (s. Bildergalerie ab Seite 12). „Keineswegs“, sagte Florian Schek, Leiter Leichtbau und Gewicht der BMW Group, „diese Themen kommen auf die bestehenden Anforde- rungen an die Fahrzeugarchitektur obendrauf, und sie machen den Leichtbau weiterhin notwendig, um Lastgrenzen einzuhalten.“ Jürgen Wesemann von Ford ergänzte: „Leichtbau hat definitiv eine Zukunft, da es dort noch erhebliche Potenziale gibt.“ Dabei gilt: Direkt zahlt der Endkunde im „normalen“ Pkw nicht für den Leichtbau. Indirekt aber schon – für die höhere Sicherheit, eine Individualisierung in der Außenhaut oder die bessere Quer- und Längs- dynamik. „Fahrzeuge sind emotionale Produkte, und zur Emotionalität gehört die Dynamik“, bekräftigte Heinrich Timm, ehemaliger Audi-Manager und ausgewiesener Leichtbauexperte: „Solange wir noch selbst fahren, wird es immer den Anspruch geben, Leichtbau umzusetzen“ (ab S. 8). Insbesondere die Elektrifizierung des Antriebs- strangs, um künftige CO2-Ziele zu erreichen, Die Elektromobilität gibt dem Leichtbau neuen Schwung. „Dadurch kommt zunächst einmal zusätzliches Gewicht gibt dem Leichtbau ins Fahrzeug – in Form von Batterie, Leistungs- neuen Schwung. elektronik und E-Motoren. Oder in Form des Gehäuses, das die Batterie vor äußeren Einflüs- sen bzw. einem Crash schützt“, erläutert Bernd Mlekusch, Leiter des Audi-Leichtbauzentrums Neckarsulm. „Das stellt in Bezug auf die richtige Mate- rialauswahl und Bauweise neue und besonders hohe Anforderungen an uns Karosserieentwickler.“ Weil der Hochlauf der Elektromobilität nun aber beschlossene Sache ist und sich reine Elektrofahrzeuge mit den bisherigen Baukästen nicht optimal umsetzen lassen, arbeiten die OEMs intensiv an neuen Fahrzeugarchitekturen. „Anderenfalls müsste man viel zu viele Kompromisse eingehen“, erklärt Mlekusch. „Unser Ansatz lautet deshalb: Revolution im Konzept und Evolution im stofflichen Leichtbau. Das bietet großes Potenzial – auch für die Zulieferer“ (ab S. 18). Es bleibt also dabei: Der Aufwand für Leichtbau lohnt sich. Er wird als Effizienztechnologie auch künftig eine bedeutende Rolle im Automobilbau einnehmen. Viel Spaß bei der Lektüre unseres Specials! C L AU S - P E T E R KÖT H , C H E F R E DA K T E U R » AU TO M O B I L I N D U S T R I E « Die »AI«-Redaktion (v. re.): Claus-Peter Köth, Jens Scheiner, Christian Otto, Thomas Günnel, Wolfgang Sievernich. AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 3
I N H A LT AUSGABE INSIGHT • 2016 Die Prozesste chnik für Ve ermöglicht u rbundwerks ltraleichte S toffe „xFK in trukturbaute 3D“ ile. Ab Seite 54 3 Editorial PERSPEKTIVEN 8 Wie man Leichtbau an die richtige Stelle bringt – auf dem »Automobil Industrie«-Leichtbau-Gipfel wurde klar, dass es dabei gilt, Denkmuster aufzubrechen 12 Impressionen vom »AI«-Leichtbau-Gipfel 2016 16 Lars Fredriksson von Altair zu den Vorteilen der simula- tionsgetriebenen Entwicklung S T R AT E G I E N D E R Z U L I E F E R E R 32 Leicht und serienreif: Brose forciert die Entwicklung von glasfaserverstärkten Thermoplasten 35 ElringKlinger setzt auf Polymer-Metall-Hybride 37 Interview mit ElringKlinger-Chef Stefan Wolf: „Wir sehen noch Potenzial“ Themenpartner dieser Ausgabe: FERTIGUNG 38 Produktionskapazität erhöht: In Wackersdorf fertigt BMW Bauteile aus CFK 40 Bis zu 50 Prozent leichter: Die Dachsysteme von Webasto FOTO TITELSEITE: AMC M AT E R I A L I E N 46 Interview mit Wolfgang Mitterdorfer und Peter Bernscher von Voestalpine zu den Vorteilen des presshärtenden Stahls 4 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
www.automobil-industrie.de 48 Die direkte Warmumformung von verzinktem Material ermöglicht große Stückzahlen an Karosse- S T R AT E G I E N D E R O E M S riebauteilen 50 Mit Legierungen von Constellium wird Aluminium 6 BWM 7er: Leichtbau ist mehr als nur Gewichts- hochfest verlust 54 Genial einfach: Die Faserverbund-Innovation 18 Audi R8 und Q7: Leichtbau als schwere Kunst „xFK in 3D“ 22 Beim MX-5 hat Mazda bereits von Anfang an aufs 57 Die Autotest AG entwickelt sich zum Leichtbau- Gewicht geachtet spezialisten 24 Cadillac machts vor: Benchmark aus Detroit 59 Interview mit Autotest-Firmengründer Josef Unter- 26 Daimler setzt auf intelligenten Materialmix holzner: „Keine Angst, aber immer Respekt“ 30 Porsche 911: Mehr Inhalt, weniger Gewicht 60 Tecosim und ABC arbeiten an der Industrialisierung der Prozesstechnik „xFK in 3D“ 42 Mischbauweise und neue Fügeverfahren: Volkswagens Diät für den neuen Passat WISSENSCHAFT & FORSCHUNG 44 Der Jaguar F-Pace ist bei den SUVs Spitzenreiter in Sachen Leichtbau 63 Bei der additiven Fertigung kann die Automobil- industrie vom Flugzeugbau lernen 52 Alles gleich, nur leichter: Der Stoßfänger-Querträger von Hyundai 65 Vorbild Natur – Leichtbau nach Art der Algen Vogel Business Media Vogel Automedien Media/Sales Vogel Business Media GmbH & Co. KG, Geschäftsführer Verkaufsleitung Max-Planck-Str. 7/9, 97082 Würzburg Florian Fischer, Tel.: 0931/418-24 30, Christine Geist, Tel.: 0931/418-22 41, Fax -27 79 Tel.: 0049(0)931-4 18-0, www.vogel.de Fax: -27 72 Key-Account-Manager Persönlich haftende Gesellschafterin: Leser-, Redaktionsservice Till Rosel, Tel.: 0931/418-24 87 Vogel Business Media Verwaltungs GmbH, Jens Scheiner, Tel.: 0931/418-21 54 Max-Planck-Straße 7/9, 97082 Würzburg, Crossmedia-Berater Zentral-Fax der Redaktion: -27 79 Marco Gensler, Tel.: 0931/418-27 64 Kommanditistin: Vogel Medien Holding GmbH & Co. KG, Redaktion Auftragsmanagement Max-Planck-Straße 7/9 in 97082 Würzburg Anja Günder, Tel.: 0931/418-28 69, Fax -27 20 Chefredaktion Geschäftsführung Marketing und Vertrieb Claus-Peter Köth Stefan Rühling (Vorsitz) Catharina Leybold, Tel.: 0931/418-22 71 Redaktion Florian Fischer, Günter Schürger Produktmanager Digital Thomas Günnel, Druck Dominik Trunk, Tel.: 0931/418-23 39 Christian Otto, Vogel Druck und Medienservice GmbH, Abonnentenbetreuung 97204 Höchberg Wolfgang Sievernich DataM-Services GmbH, Copyright: Mitarbeiter dieser Ausgabe 97103 Würzburg, Martina Grimm, Chefreporter: Jürgen Goroncy, Chefkorrespondent: Jens Meiners; Vogel Business Media GmbH Tel.: 0049-(0)931/41 70-4 73, Hartmut Hammer, Annedore Munde Fax: 0049-(0)931/41 70-4 94, & Co. KG. Alle Rechte vorbehalten. E-Mail: mgrimm@datam-services.de Nachdruck und elektronische Nutzung: Sonderpublikationen Wenn Sie Beiträge dieser Zeitschrift für eigene Ute Jaxtheimer, Events Veröffentlichung wie Sonderdrucke, Websites, Tel.: 0931/418-22 07 Ulrike Döring, Tel.: 0931/4 18-22 46 sonstige elektronische Medien oder Kunden- Chefin vom Dienst/Textredaktion Erfüllungsort und Gerichtsstand: zeitschriften nutzen möchten, erhalten Sie Regine Häusler, Katharina Bostelmann, Svenja Gelowicz Würzburg Information sowie die erforderlichen Rechte Layout Verbreitete Auflage über http://www.mycontentfactory.de, Agentur Print/Online 10.460, IVW I/2016 Tel.: 0931/4 18-27 86. Kommunikationsdaten: E-Mail-Code für Ansprechpartner (bitte Schreibweise von Umlauten beachten!): .@vogel.de AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 5
STRATEGIEN DER OEMS ARCHITEKTEN DES LEICHTBAUS Florian Schek, BMW-Leichtbauchef, eröffnete den diesjährigen »Leichtbau-Gipfel« mit seiner Keynote – am Beispiel der Karosserie des aktuellen 7er verdeutlichte er die Anforderungen an den Leichtbau, deren Ziel mehr als nur Gewichtsverlust ist. – VON THOMAS GÜNNEL – BILDER: STEFAN BAUSEWEIN Florian Schek, Leichtbauchef bei BMW, eröffnete den Leichtbau-Gipfel 2016 mit seiner Keynote „Composites – Strategien der OEMs“. F lorian Schek ist bei BMW verant- Carbon den Leichtbau tatsächlich verän- man ein technisches Gerüst und muss dort wortlich für alle Leichtbauaktivitä- dert“. Als Beispiel verwies er auf den BMW ein technisches Konzept finden von kleinen, ten – im März eröffnete er in Würz- 7er, bei dem die Leichtbau-Herausforderun- sehr kostensensitiven Fahrzeugen bis hin burg den diesjährigen Leichtbau- gen nochmals anders seien. Denn: „Sie ver- zu Fahrzeugen, die wesentlich über ihre Gipfel von »Automobil Industrie«: „Willkom- kaufen eine Luxuslimousine nicht deshalb, Eigenschaften geprägt sind. Leichtbau wird men auf dem Leichtbau-Gipfel, und vielen weil sie besonders leicht ist.“ außerdem nicht mehr zum Selbstzweck ent- Dank für die Möglichkeit, hier zu sprechen Eine weitere Herausforderung skizzierte schieden: Es ist ganz klar so, dass wir im – es ist für uns inzwischen eine etablierte Schek mit Blick auf die Modulbaukästen der Hinblick auf die CO2-Flottenzielsetzungen Veranstaltung mit sehr kompetenten Part- Hersteller: „Es geht um Architekturen. Man agieren müssen. In den unterschiedlichen nern“, sagte Schek. kann kein Fahrzeug singulär betrachten und Ländern müssen wir dabei auf die soge- In seinem Vortrag ging er auf die faser- es hinsichtlich Leichtbauthemen optimie- nannten Zielsysteme achten: In Europa verstärkten Kunststoffe ein und darauf, „wie ren. Über mehrere Sequenzen hinweg hat haben wir zum Beispiel ein gewichtsbasier- 6 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
tes Zielsystem. In den USA gibt es dagegen ausforderungen und Erfahrungen beim ein footprint-basiertes Gewichtssystem für Verarbeiten faserverstärkter Materialien zu die Flotten der OEMs – und da wirkt Leicht- bündeln, setzt BMW auf eine „Prozesskette bau natürlich ganz anders.“ Carbon“. Dort arbeiten alle wichtigen Berei- che wie Einkauf, Produktion und Entwick- LIEFERANTEN SIND DIE EXPERTEN lung mit, um die interdisziplinären Aktivitä- Es gehe aber nicht mehr nur darum, das ten zu koordinieren – projektunabhängig. Karosseriegerippe leichter zu bauen, erklär- Dort entscheiden sich die Konzepte, die den te Schek. Man müsse vielmehr am Gesamt- Fahrzeugprojekten angeboten werden. „Die- fahrzeug arbeiten. Einen großen Anteil der se Prozesskette hat bereits dabei geholfen, Optimierungen könne man mit kleinen Tei- Carbon jetzt in die Großserie zu bringen“, len holen – und indem man gut mit seinen sagte Schek. Lieferanten zusammenarbeite: „Gewichts- „Carbon Core“ nennt BMW die Karosserie- seitig kaufen wir gut die Hälfte des Fahr- EIGENES LEICHTBAUZENTRUM konstruktion aus carbonfaserverstärktem zeugs zu, und bei diesen Bauteilen sind die Kunststoff (CFK), Aluminium und Stahl Zusätzlich errichtet BMW am Standort Lieferanten die Experten.“ beim aktuellen 7er. Landshut ein Leichtbauzentrum. Bis zum Den Weg zur Konzeptentscheidung illus- Ende dieses Jahres soll es fertiggestellt sein. trierte Schek ebenfalls am Beispiel des aktu- Dort sollen bis zu 160 Ingenieure interdiszi- ellen 7er – dem ersten Großserienfahrzeug Materialeinsatz: „In einigen Bereichen ist es plinär und strukturübergreifend an künfti- mit einer Carbonmischbauweise: „Warum sinnvoll, Stahl zu belassen. Besonders belas- gen Leichtbaukonzepten arbeiten – und wollen wir Carbon einsetzen, was bringt tete Bereiche sollten hingegen durchaus mit zwar nicht nur an Faserverbundwerkstoffen, das?“, sei eine wichtige frühe Frage gewe- Hightech-Materialien verstärkt werden“, sondern auch an konventionellen Leichtbau- sen. Mit Blick auf die Struktur könne man erläuterte Schek das Vorgehen beim aktu- ansätzen, „die oft die bezahlbaren sind“. Das die Karosserie unterteilen in den Bauklas- ellen 7er. Dessen Karosserie besteht aus Leichtbauzentrum beinhaltet ein Technikum senbereich und den flächigen Bereich. Beide einem Mix drei wesentlicher Materialien: mit Anlagen für carbonfaserverstärkte Bereiche haben sehr unterschiedliche Anfor- Stahl, Carbon und Aluminium. Kunststoffe und textile Halbzeuge sowie derungen an die Konzepte und vor allem an eine Prototypenfertigung. die Materialien. RAHMENBEDINGUNGEN BEACHTEN Daneben will der Automobilhersteller So seien große Flächen in Carbon ausge- Um die Herausforderung der Fertigung im klassische Werkstoffe weiterentwickeln, führt akustisch schwierig – in der Folge Werksverbund zu verdeutlichen, ging Schek etwa Kunststoffe, die laut Schek faserver- müssten dann wieder Materialien zur zudem auf weitere Randbedingungen ein, stärkt künftig großes Potenzial haben. Hin- Schallisolation zum Einsatz kommen, und die nichts mit dem Fahrzeug als solchem zu zu kommen Themen wie der 3D-Druck und es sei fraglich, ob das Bauteil am Ende tat- tun haben: „Bei der Fertigung etwa in Indien das Flechten, „das aus unserer Sicht das sächlich leichter ist. oder China muss man schon genau schauen, größte Potenzial bei Carbonfaseranwendun- Deshalb müssen die unterschiedlichen wie man diese Hightech-Materialien quali- gen hat“, sagte Schek. Im Mittelpunkt künf- Materialien an den diversen Stellen einsetz- tätssicher umgesetzt bekommt. Diese tiger Leichtbaukonzepte stehe der spezifi- bar sein. „Das gelingt nur, wenn man heute Anforderungen, die aus dem gesamten sche Produktnutzen. Es komme darauf an, mit den Fügetechniken in den Werksstruk- Netzwerk kommen, aus Einkaufsstrukturen welches Ziel man erreichen will: „Wir sind turen sehr weit ist“, erklärte Schek. „Ent- oder Länderforderungen – all das bestimmt nicht mit bestimmten Materialkonzepten sprechend haben wir viele technische Kon- die Materialauswahl und führt zu den heu- fest verbunden – es kommt im jeweiligen zepte verglichen, bei denen man auch klas- tigen Mehrmaterialstrukturen.“ Um die Her- Fall darauf an, was sinnvoll ist.“ ‹ sisch mit Vollstahl startet. Neue Legierun- gen bringen hier bereits große Leichtbaupo- tenziale mit. Wir haben dann die Möglich- keiten durchgespielt, bis hin zu einem J Daten zur Karosseriekonstruktion Carbon Core selbsttragenden CFK-Gerippe – nach unse- ren Erfahrungen mit i3 und i8 eigentlich die • Drei unterschiedliche Materialien sind miteinander verbunden erste Wahl. Wir mussten jedoch beachten, dass die neue Fahrzeugstruktur vom 3er bis • Vier unterschiedliche Carbontechniken zum 7er und über die X-Modelle gespreizt • Drei unterschiedliche Aluminiumtechniken ist, und dass wir in einem Werksverbund • Carbonfasern mit 100 Prozent regenerativer Energie hergestellt mehrere Fahrzeuge auf der gleichen Linie • Aluminiumkomponenten aus 50 Prozent recyceltem Material fertigen wollen. Außerdem ist der Voll-CFK- • Karosseriegewicht: 323 kg Ansatz eher für Fahrzeuge wie den i8 inte- • Gewichtsreduzierung: 40 kg ressant, bei dem der Verbrennungsmotor hinten eingebaut ist und somit zum Beispiel • Carbonbauteile: 16 auch vorne keine Abgasgeräusche übertra- • Aluminiumbauteile: 11 gen werden.“ Diese Aspekte bestimmen den AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 7
PERSPEKTIVEN Auch in diesem Jahr diskutierte auf dem »AI«-Leichtbau-Gipfel ein Expertenkreis über die Herausforderungen in Sachen Leichtbau. „GELERNTE LASTEN- HEFTE HINTERFRAGEN“ Ein Expertenkreis ging auf dem »Automobil Industrie«-Leichtbau-Gipfel der Frage nach, wie der Leichtbau an die richtige Stelle zu bringen ist. Dabei wurde deutlich: Es gilt immer wieder, bestehende Denkmuster aufzubrechen. – VON CHRISTIAN OTTO – D er Trend im Leichtbau geht zur des »Automobil Industrie«-Leichtbau-Gip- Herr Schek, auch wenn über alle Fahr- Multimaterialbauweise. Doch wie fels Mitte März. zeugklassen der Bedarf an Leichtbau gege- bringen die Verantwortlichen bei Unter Leitung von »Automobil ben ist, wird ein BMW 3er immer einen Herstellern und Zulieferern die Industrie«-Chefredakteur Claus-Peter Köth anderen Materialmix haben als ein BMW richtigen Materialien beziehungsweise das tauschten sich sechs Teilnehmer (s. Kasten 5er oder 7er. Welche Randbedingungen richtige Leichtbaukonzept in der richtigen auf S. 10) in einer angeregten Diskussions- entscheiden über das richtige Leichtbau- Menge an die richtige Stelle im Fahrzeug? runde aus. Die erste Frage ging an Florian konzept? Mit dieser übergeordneten Frage beschäf- Schek, der bei der BMW Group den Bereich Diese Bedingungen definieren wir in unse- tigte sich die diesjährige Podiumsdiskussion Leichtbau verantwortet. rem Haus zunächst über die Eigenschaften 8 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
des Fahrzeugs. Das heißt: Was möchte ich mit dem Fahrzeug erreichen? Natürlich schauen wir bei der Wirtschaftlichkeitsbe- trachtung auch auf die Fahrzeugklasse. In der Oberklasse werden sie immer mehr Leichtbaukonzepte finden als in Kleinwa- gen. Das dritte Thema ist die Frage: Wo und in wie vielen Werken produzieren wir die Fahrzeuge mit Leichtbaulösungen? Diese BILDER: STEFAN BAUSEWEIN Herausforderungen beeinflussen die Leicht- baukonzepte unserer Fahrzeuge. Man beginnt mit einem rein technischen Konzept und muss sich am Ende des Tages wegen der wirtschaftlichen Betrachtung ein gutes Stück davon entfernen. Herr Dr. Hillebrecht, warum sehen wir so wenige neuartige Fahrzeugkonzepte mit Florian Schek blickte aus der Perspektive des Premiumherstellers auf die Diskussion und leichten Rahmenstrukturen wie die BMW- erhielt bei seinen Ausführungen viel Aufmerksamkeit. i-Modelle oder den Alfa Romeo 4 C? Aus Kostengründen sind Rahmenstruk- turen eher Fahrzeugen vorbehalten, die in Frau Dr. Hack, teilen Sie diese Ansicht? bale Verfügbarkeit wichtig. Wir kämen in Kleinserie gefertigt werden. Bei solchen Ich kann da zu hundert Prozent zustim- Schwierigkeiten, wenn wir diese Materialien Strukturen spielt die Fahrdynamik eine her- men. Zum einen muss es der richtige Werk- und Technologien nicht in allen Regionen ausragende Rolle – anders als in der Mas- stoff sein, und zum anderen muss die Ver- abbilden könnten. senproduktion. Jeder Stoff muss hier sein arbeitung genau auf ihn abgestimmt wer- Frau Dr. Hack, ist die Derivatevielfalt Bestes geben; es handelt sich um hochinte- den. Da gibt es keinen guten und keinen durch die modularen Baukastenansätze ressante Leichtbauweisen. schlechten Werkstoff, sondern jeder muss nicht eine zusätzliche Herausforderung für Herr Dr. Heber, welche Chancen bieten den richtigen für sich finden. Beispielsweise den Leichtbau? wiederum die Faserverbundwerkstoffe? muss VW an große Volumina denken und Es ist vor allem eine Herausforderung für Was die Funktion angeht, bieten sich die unterschiedlichen Fertigungsstandorte die Hersteller. Das Problem sind gerade die hier enorme Chancen. Mit Faserverbund- beachten, bis hin zum Einsatz von sehr spe- großen und globalen Plattformen. Deshalb werkstoffen kann man eine wesentlich zifischen Werkstoffen und Fügeverfahren. müssen die unterschiedlichen Technologien größere Breite an Funktionen integrieren Es gibt immer mehr Möglichkeiten. Die gro- so robust sein, dass man sie überall einset- als mit klassischen, metallischen Bauwei- ße Kunst wird es sein, das Passende heraus- zen kann. Denn realistisch gesehen kann sen. Aber auch in der Fertigung lassen sich zufiltern. sich bei großen Plattformen ein scheinbar Kosten sparen: wenn man nämlich über die Dr. Wesemann, gibt es bei Ford Rahmen- kleines finanzielles Risiko zum Desaster Kombination mehrerer Verfahren ein hohes bedingungen, von denen wir noch nichts auswachsen. Das ist eine relativ hohe Ein- Maß an Bauteilintegration erreicht: Wir gehört haben? trittshürde. Ein weiteres Hindernis kann sich konnten schon die bei der klassischen Beim Thema Material ist den internatio- ergeben, wenn eine Plattformen schon rela- Karosserie verbauten rund 300 Bauteile um nal operierenden OEMs natürlich eine glo- tiv lange läuft. Das erschwert es, das ein etwa 50 Bauteile reduzieren. Das rechtfer- tigt dann auch ein Stück weit den Mehr- preis für die Faserverbundwerkstoffe. Was den Konzeptleichtbau angeht, sollte man sich gelegentlich zurücklehnen und alle Konzepte, die man so kennt, über den Hau- fen werfen. Will man etwas erreichen, muss man dem Werkstoff möglichst neu- tral gegenüberstehen. In eingefahrenen Strukturen ist so etwas kaum möglich. BMW hat das jedoch mit dem i3 geschafft. Herr Timm, welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um neue Materialien einsetzen zu können? Zum einen müssen die Entwickler die Materialspezifika wirklich kennen. Zum anderen müssen sie die bekannten Techno- Dr. Jürgen Wesemann bereicherte die Runde durch den Blickwinkel des Volumenherstellers, logien richtig einsetzen. der Leichtbau global denken muss. AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 9
PERSPEKTIVEN Florian Schek (BMW) forderte die Lieferan- Frau Dr. Christina Hack (Brose) identifizier- Laut Heinrich Timm (CceV) wird der Leicht- ten auf, aktiv mit neuen Leichtbaukonzep- te die globalen Fahrzeugplattformen als bau trotz aller aktuellen Megatrends auch ten auf die OEMs zuzugehen. eine wesentliche Herausforderung. zukünftig ein wesentliches Thema bleiben. oder andere Innovationspflänzchen zu pfle- Der wesentliche Punkt ist: Man kommt Randbedingungen, die sich im System ver- gen. Gleiches gilt, wenn der Produktions- mit den Ideen zu einem Zeitpunkt zum ändert haben oder noch verändern, einbe- start schon lange zuvor bekannt ist. Dann OEM, zu dem man selber schon weiß, wovon ziehen und zu einer optimalen Lösung kom- muss man als Zulieferer den richtigen Ein- man spricht, aber das ganze Thema noch men. trittspunkt finden. Es wäre schön, wenn die Möglichkeiten bietet, gemeinsam zu wach- Herr Dr. Hillebrecht, welche Erfahrungen OEMs ihre Zulieferer schon frühzeitig ein- sen. Denn viele gute Konzepte stellen Rah- haben Sie als Vertreter eines Engineering- beziehen, und zwar entlang der gesamten menbedingungen auch auf den Kopf. Da Dienstleisters gemacht? Wertschöpfungskette. Und es wäre emp- muss man sich am Anfang ein wenig Ein Erfolgsfaktor ist es, sich in den Inno- fehlenswert, neue Leichtbauansätze zu- zusammenraufen, weil der technische vationsprozess einzubringen und sich nicht nächst an einem der ersten Fahrzeuge einer Ansatz teilweise anders ist als das bisherige nur als Lieferant des OEM zu sehen. Das neuen Plattform anzuwenden, das ein über- Vorgehen. Eine gewisse Vorleistung muss erfordert natürlich die Fähigkeit und schaubares Volumen haben wird. Dann ist man aber immer erbringen, und vor allem Bereitschaft, sich mit den funktionellen das Risiko geringer, und der dort gestartete nicht zu spät kommen. Denn nur dann kön- Anforderungen in der Entwicklung proaktiv Ansatz kann gemeinsam vom Zulieferer und nen OEM und Zulieferer die wesentlichen auseinanderzusetzen. Auf Basis eines OEM weiterentwickelt werden, um ihn dann gewissen Technologievorsprungs muss in der Breite auszurollen und zur Standard- man als Lieferant teilweise auch in Vorleis- technologie umzuwandeln. tung gehen. Das ist eine Win-win-Situati- Herr Schek, wie geht man mit den Fahr- on: Was für den einen Innovationen sind, zeugarchitekturen um, damit sie nicht J Die Teilnehmer sind für den anderen wettbewerbsrelevan- Leichtbauinnovationen verhindern? te, neue Geschäftsmodelle. Es ist ein Pro- Für uns ist die Zusammenarbeit mit den Florian Schek zess des Gebens und Nehmens und ent- Lieferanten ein Topthema: Sie haben viel Leiter Leichtbau und Gewicht der scheidend dafür, ob ein Unternehmen für Know-how. Nicht jeder OEM muss jede ein- BMW Group die nächsten Jahre gut aufgestellt ist. zelne Komponente oder jedes einzelne Teil Dr. Christina Hack Herr Timm, in welchen Bereichen lässt selbst herstellen und die Vorentwicklung Leiterin Vorentwicklung der Brose- sich noch das höchste Leichtbaupotenzial betreiben. Entsprechend muss man frühzei- Gruppe heben? tig zusammenarbeiten. Für die OEMs lohnt Dr. Jürgen Wesemann Ich würde weiterhin die Karosserie als es sich, über die Anforderungen nachzuden- Leiter Vehicle Technologies & Mate- Komponente betrachten, in der viel Leicht- ken, die sich über die Jahre entwickelt haben. rials bei Ford baupotenzial steckt. Beim Leichtbau sind Es gilt gelernte Lastenhefte zu hinterfragen. Dr. Martin Hillebrecht teilweise noch Quantensprünge möglich. Anforderungsmanagement ist ein großes Leiter Werkstoffe und Technologien Dr. Heber, wo sehen Sie das größte Thema, und die Lieferanten können hier der EDAG GmbH Leichtbaupotenzial? auch eigene Ansätze vorstellen. Ich möchte Dr. Thomas Heber Neben der Karosserie gibt es im Fahrzeug die Zulieferer auch ermutigen, aktiv mit Institut für Leichtbau und Kunst- diverse Bereiche, wo Gewicht eingespart ihren Ideen auf uns zuzukommen. stofftechnik TU Dresden werden kann – beispielsweise beim Fahr- Herr Schek fordert die Lieferanten auf, Heinrich Timm werk. Wir sollten immer auf das Gesamtpa- aktiv auf die Hersteller zuzugehen. Frau Dr. Mitglied des Vorstands Carbon ket blicken. Generell gilt: Jede Masse, die Hack, haben Sie hier schon positive Erfah- Composites e. V. bewegt wird, ist eine Masse, die man sich rungen gemacht? ansehen sollte. 10 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
Dr. Jürgen Wesemann (Ford) betrachtet die Dr. Martin Hillebrecht (EDAG) sieht die Lie- Dr. Thomas Heber (TU Dresden) plädierte globale Verfügbarkeit des Leichtbaumateri- feranten auch in der Pflicht, beim Leichtbau für eine maximale Neutralität gegenüber als als eine Hürde für den breiten Einsatz. in Vorleistung zu gehen. dem Werkstoff. Frau Dr. Hack, ein aktuelles Thema sind die Teile ausgesetzt sind. Wir haben unter- tern gilt und der heute noch fehlende Qua- Leichtbaupotenziale aufgrund additiver schiedliche Erfahrungen gemacht: Teilwei- litätsüberwachungsprozess. Daneben gibt Fertigungsverfahren. Welche Entwicklun- se halten die additiven Teile besser. Lang- es noch die Herausforderung, die Prozesse gen erwarten Sie auf diesem Gebiet? fristig, wenn wir an den Fertigungszeiten zu beschleunigen, damit die Anwendungen Auch hier gilt es differenziert zu betrach- und -verfahren arbeiten, bieten sich hier schnell und robust laufen. Was mir Hoff- ten. Beim Thema additive Fertigung wer- aussichtsreiche Herstellungsmöglichkei- nung macht, ist die Vielzahl von Forschun- den die verschiedenen Verfahren teilweise ten. Was wir nicht vergessen dürfen, ist das gen. Gerade aus Deutschland kommen star- in einen Topf geworfen. Jedes einzelne Thema Qualität: Ich kenne keine wirklich ke Impulse. In den nächsten drei Jahren wird sollte aber für sich betrachtet werden. Die serienmäßig verfügbaren Qualitätssiche- sicher noch viel passieren. metallbasierten Verfahren etwa ähneln den rungssysteme im Polymerbereich. Die Herr Timm, derzeit haben wir ja noch aus Guss hergestellten Teilen. Hier kann brauchen wir aber. andere Megatrends, wie die Vernetzung man sich in Kleinserie gefertigte Teile in Herr Dr. Hillebrecht, Sie haben bezüglich oder Industrie 4.0. Besteht die Gefahr, dass absehbarer Zeit sicher vorstellen. Ein wei- der additiven Fertigung auch schon einige deshalb der Leichtbau womöglich in den teres Verfahren ist die additive Fertigung Erfahrungen gesammelt. Wie sehen Sie die Hintergrund gedrängt wird? mittels Polymeren. Wir selber setzen bei Situation? Fahrzeuge sind heute emotionale Produk- Brose solche Teile in großen Mengen bei- Die Hauptbaustellen sind jene, die Frau te, und zur Emotionalität gehört die Dyna- spielsweise für Funktionsmuster ein. Hier Hack schon benannt hat, nämlich die einge- mik. Deshalb bin ich der Überzeugung: gilt es zu überlegen, welchen Belastungen schränkte Werkstoffpalette, die es zu erwei- Solange man noch selbst fährt, wird es auch immer den Anspruch geben Leichtbau umzusetzen. Herr Dr. Wesemann, wie sehen Sie die Konkurrenz durch andere Trends? Ich sehe das ebenfalls unkritisch. Das Thema Industrie 4.0 bringt beispielsweise ein Bündel von neuen Technologien, wie die angesprochene additive Fertigung. Von die- sen Ansätzen können wir bei unserer Arbeit profitieren. Leichtbau hat also definitiv eine Zukunft, da es dort noch erhebliche Poten- ziale gibt. Herr Schek, gibt es bei BMW Tendenzen, beim Leichtbau zu sparen? Themen wie das autonome Fahren oder die zunehmende Elektrifizierung kommen auf die bestehenden Anforderungen an die Fahrzeugarchitektur noch oben drauf. Die zusätzlichen Systeme machen den Leicht- Dr. Thomas Heber verwies darauf, dass jede Masse, die im Fahrzeug bewegt wird, auf ihr bau weiterhin notwendig, um Lastgrenzen Leichtbaupotenzial untersucht werden muss. einzuhalten. ‹ AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 11
PERSPEKTIVEN LEICHTBAU AN DER RICHTIGEN STELLE Mitte März trafen sich die Wegbereiter des Leichtbaus in Würzburg zum Know-how-Austausch. Die übergeordnete Frage: Wie bringt man den Leichtbau an die richtige Stelle? Referenten und Teilnehmer aus Indust- rie und Hochschulen diskutierten hierzu Strategien und Perspektiven. – V O N C AT H A R I N A L E Y B O L D – BILDER: STEFAN BAUSEWEIN – ©SAKDA2527/FOTOLIA.COM Florian Schek (BMW Group) zeigte anhand des Jürgen-Werner Becke (Volkswagen AG) befass- Anthony Riley (Jaguar Land Rover) präsentier- neuen BMW 7er, wie faserverstärkte Kunst- te sich mit dem innovativen Stahlleichtbau am te mit dem neuen F-Pace die Aluminiumstra- stoffe die Leichtbauprozesse verändern. Beispiel des VW Passat. tegie von Jaguar. 12 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
Exklusive Live-Demonstration der patentierten Faserverbund-Inno- vation „xFK in 3D“ – von der Idee zum fertigen Bauteil. Peter Sander (Airbus) gab in der Abschluss-Key- note Einblicke in den 3D-Druck im Flugzeugbau. Dr. Carsten Rink (Constellium) präsentierte Dr. Jerome Coulton (Hyundai) referierte über Stoß- Jonas Adolfsson (SSAB) zeigte die kosteneffi- Aluminiumlösungen für die Branche. fängerquerträger aus faserverstärktem Kunststoff. ziente Stahlstrategie des Zulieferers SSAB. Dr. Markus C. Hahn (Mazda) stellte den neuen Vertiefende Fachsessions boten zusätzlich Gelegenheit zur Diskussion. Die Schwerpunkte: Materialien, MX-5 und dessen Leichtbaukonzept vor. Technologien, Fertigung, Komponenten, Antrieb & Fahrwerk sowie Interieur. Vis-a-vis mit den Refe- renten im Gespräch – das ermöglicht die „Meet & Talk Area“. AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 13
PERSPEKTIVEN Produkte, Projekte, Forschung: Leichtbau- kompetenz zum Anfassen in der Leichtbau City. 14 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
Leichtbau-Campus: Beachtenswerte Ansätze aus Forschung und Lehre. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raum- Ebenfalls auf dem Campus vertreten: das Die Bergische Universität Wuppertal setzte fahrt e. V. (DLR) stellte sehr ansprechend Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit ihre Leichtbauideen am Stand gekonnt in die eigenen Ideen vor. und Systemzuverlässigkeit LBF. Szene. Geführter Rundgang über den Leichtbau-Campus: Hier stellten sich die Aussteller vor und Die Vertreter des Büsgen-Instituts der Uni- regten zur Diskussion an. versität Göttingen waren sehr gefragt. Exklusives „Gipfeltreffen“ am Abend: Netzwerken par excellence im beeindruckenden Ambiente der alten Posthallen in Würzburg. AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 15
PERSPEKTIVEN SMART ENTWICKELN Die simulationsgetriebene Entwicklung ermöglicht neue Ansätze im automobilen Leichtbau. Welche Barrieren diese Verfahren haben und wie sie sich überwinden lassen, erklärt Dr. Lars Fredriksson, Director Product Design bei Altair Europe. – VON THOMAS GÜNNEL – D ie Entwicklungsanforderungen an im automobilen Leichtbau. Ein Weg ist dem- numerische Optimierung ausgearbeitet, von Leichtbaukomponenten wachsen. nach die simulationsgetriebene Entwick- der Konstruktion bewertet, umgesetzt und „Wir sehen höhere Anforderungen lung. Obwohl sich diese Methode inzwischen anschließend im CAE überprüft und bewer- an die Produkte und deren Entste- oft bewährt habe, sei man ihr gegenüber in tet. Dabei können wir uns eine große Anzahl hungsprozesse, wir müssen mehr und viel- Entwicklungsabteilungen noch skeptisch. möglicher Designs berechnen lassen – und fältigere Ziele erreichen. Deshalb brauchen Fredriksson grenzte in seiner Präsentati- diese anschließend automatisch oder halb- wir neue Wege, um schneller, effektiver und on auf dem »Leichtbau-Gipfel« ab, was für automatisch kategorisieren und bewerten“, ‚smarter‘ zu entwickeln“, beschrieb Dr. Lars Altair simulationsgetriebene Entwicklung erläuterte er den Ansatz. Anschließend Fredriksson, Director Product Design bei tatsächlich bedeutet: „Die Verbesserungs- wähle man gemeinsam mit der Konstrukti- Altair Europe, aktuelle Herausforderungen vorschläge werden systematisch durch onsabteilung die erfolgversprechenden Vari- anten aus – mit denen dann die Entwicklung weitergehe. Fredriksson verdeutlichte, wie sich die Bauteilkonstruktion und Simulation zusam- menführen lassen: Um Konstruktion und Simulation zu integrieren, muss dass CAE der Konstruktion zu jedem Entwicklungs- zeitpunkt rechtzeitig und aussagekräftig Antworten auf entscheidende Entwick- lungsfragen liefern können – innerhalb akzeptabler Zeiträume. In der Konzeptpha- se kann es sich dabei auch nur um Stunden handeln. Nur so ist es laut Fredriksson mög- lich, dass Konstruktion und Simulation gemeinsam an einer Lösung arbeiten und diese iterativ reift. Mittels Optimierungen entstehen weitere Konstruktionsvorschlä- ge, die Konstruktion und CAE gemeinsam bewerten. So lassen sich Alternativen mit- einander vergleichen, Zielvorgaben kritisch durchleuchten und hinterfragen – um die richtigen Entscheidungen zu treffen und deren Design zur Serienreife zu entwickeln. Um die Konstruktion in dieser Weise aktiv zu unterstützen, sind für Fredriksson zwei Schritte wichtig: Die Zusammenarbeit zwi- BILD: STEFAN BAUSEWEIN schen Konstrukteuren und Berechnungsin- genieuren müsse es erlauben, innerhalb der Randbedingungen der Konstruktion syste- matisch eine Lösung zu suchen und mittels Optimierung umzusetzen. Außerdem seien Werkzeuge notwendig, die auf numerische Dr. Lars Fredriksson: „Wir brauchen neue Wege in der Entwicklung.“ 16 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
Der Träger aus Vollmate- rial (links) und die bio- nisch optimierte Varian- te. Die Gewichtsersparnis BILD: LEIBER beträgt rund 55 Prozent. Optimierung bauen und die die Konstruk- In einer Schritt-für-Schritt- teure effizient benutzen können. Vorführung erstellte er das Bau- Werkzeuge sind hier effiziente Soft- teil, das er zudem als physisches wareprodukte, Methoden und Prozesse, die Modell dabei hatte. Änderungen BILD: LEIBER das Prinzip der simulationsgetriebenen Ent- im Bauteil, zum Beispiel substituier- wicklung unterstützen. Das Arbeitsmodell, te Werkstoffe oder weitere in dem sich solche Werkzeuge sehr gut nut- Lagerpunkte, verdeutlichten den zen lassen, ist laut Altair das „Optimization Funktionsumfang des Pro- Center“. Es eignet sich unter anderem dazu, gramms. Die Teilnehmer erhiel- Bauteile und Systeme systematisch zu ten so einen realistischen Einblick bewerten und nach bestimmten Kriterien in die Möglichkeiten der Software und zu optimieren. Dabei bewertet sie für jedes den Ablauf der Bauteiloptimierung. Die bionische Optimierung per Software Bauteil das Potenzial für eine umfassende Ein bekannteres Beispiel für das Design ermöglicht auf den Kraftverlauf zugeschnit- tene Bauteile – die so deutlich leichter aus- Verbesserung, zum Beispiel hinsichtlich des für additive Fertigung mittels Topologie- fallen. Im Bild: Eine Kraftverlaufssimulati- Gewichts oder der Funktionen, und erstellt optimierung ist das Konzeptfahrzeug „Light on eines Trägers für ein Luftfederpaket in eine Rangliste nach internen Kriterien. Cocoon“ des Entwicklungsdienstleisters „solidThinking inspire“. Abhängig von der Rangfolge optimiert das EDAG. Seine verästelte Trägerstruktur und Programm die Bauteile und Systeme, setzt das insgesamt bionisch anmutenden sie anschließend virtuell um und berechnet Erscheinungsbild sind das Ergebnis soft- anschließend mit den zu erwartenden Las- die Werte erneut. warebasierter Optimierung mit Altair tenfällen belegt. Diese waren Torsions- und „Optistruct“. Die Gewichtseinsparung Biegemomente der Karosserie, Lasten zur BIONISCH KONSTRUIEREN gegenüber einem traditionellen Konstruk- Betriebsfestigkeit, Missbrauch-Lastfälle Wie das praktisch funktioniert, zeigte tions- und Fertigungsansatz ist enorm: sowie Crash-Lasten. Mit diesen Vorgaben Manfred Dienes von der Altair Engineering Allein die Motorhaube verlor über 25 Pro- optimierte der Hersteller die Struktur und GmbH. In seinem Workshop „Bionische Ins- zent Gewicht. Aber auch in anderen Berei- berücksichtigte gleichzeitig die fertigungs- piration für die Konstruktion“ verdeutlichte chen des Fahrzeugs kamen neue Entwick- technischen Randbedingungen, in diesem Dienes anhand eines von Leiber für Daimler lungs- und Fertigungsansätze zum Einsatz, Fall für die additive Fertigung. Das Ergebnis Trucks entwickelten Trägers für ein Luftfe- etwa in der A-Säule. Bei der Auslegung ist eine hocheffiziente und bionisch anmu- derpaket live, wie sich das Bauteil mittels dieser Komponente, insbesondere bei den tende Struktur der Verbindungsknoten, die Software simulieren und sein Gewicht opti- kritischen Verbindungsknoten zur Karosse- auch dank der additiven Laserfertigung ein mieren lässt. Wichtig war für die Ingenieure rie, setzten die Ingenieure auf Funktionsin- ausgewogenes Verhältnis aus Steifigkeit, demnach, dass die Software leicht zu bedie- tegration, bionische Optimierung und addi- Festigkeit und Gewicht zeigt. Das Projekt nen ist, „weil nicht jeder Konstrukteur täg- tive Fertigung. Dazu wurde zunächst der war ein Gemeinschaftsprojekt von EDAG, lich Optimierungen durchführt“, erklärte mögliche Bauraum der beiden Verbindungs- dem Laser Zentrum Nord, Concept Laser und Dienes. knoten als Optimierungsraum definiert und der BLM Group. ‹ AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 17
STRATEGIEN DER OEMS J AUDI Q7 Multimaterialkarosserie Ultrahochfeste Stähle (warmumgeformt) Konventionelle Stähle Aluminiumprofil Aluminiumblech Aluminiumguss BILDER: AUDI Allein die Karosserie des Q7 spart mit ihrer Multimaterialbauweise bis zu 71 Kilogramm ein. SCHWERE KUNST Der Supersportler R8 und das große SUV Q7 stehen exemplarisch für die Leichtbaustrategie der Audi AG: Das richtige Material an der richtigen Stelle in der richtigen Menge. – VON CL AUS -PETER KÖTH – L eichtbau ist eine schwere Kunst – nennt er den neuen Q7, wo der Leichtbau ren Radaufhängung. Der Antriebsstrang direkt zahlt der Endkunde im „nor- wesentlich zum niedrigen CO2-Ausstoß bei- schlägt mit 20 kg zu Buche, die Abgasanla- malen“ Pkw nicht dafür, indirekt trägt, auch wenn er nicht den größten Anteil ge mit 19 kg. schon: für die bessere Quer- und an der CO2-Reduzierung hat. Die Sitzanlage notiert mit knapp 19 kg Längsdynamik, für einen niedrigeren Ver- Als 3.0 TFSI wiegt das große SUV exakt Ersparnis, der Modulquerträger unter der brauch, die höhere Sicherheit oder für eine 1.970 Kilogramm, als 3.0 TDI 1.995 kg. Im Instrumententafel mit 3,5 kg und der Lade- Individualisierung in der Außenhaut. Vergleich mit dem Vorgängermodell sind boden mit 4 kg. Die Radbremsen steuern Bei Audi leistet der Leichtbau als Effizi- das je nach Ausstattung bis zu 325 kg weni- 8,5 kg bei, die Verkabelung 4,2 kg, die enztechnologie einen wichtigen Beitrag zur ger Gewicht. Allein die Karosserie spart mit Motorkühlung 8,7 kg und der 3.0-TDI-Motor CO2-Reduzierung, neben vielen anderen ihrer Multimaterialbauweise bis zu 71 kg ein. 2,5 kg. Das Bremspedal besteht aus Alumi- Verfahren. „Es muss grundsätzlich an jeder Die Türen, die wie die komplette Außenhaut nium – Gewichtsersparnis: 1.010 Gramm (s. Stellschraube gedreht werden, denn das und die Klappen aus Aluminium bestehen, Grafik auf S. 19). Gesamtgewicht ist entscheidend“, bekräf- wiegen 24 kg weniger. Auch im Fahrwerk Geht der Leichtbau weg von der Karosse- tigt Dr. Olaf Köhler, Leiter Leichtbau/Fahr- hoben die Entwickler große Potenziale – 27 rie, in Richtung Komponenten? „Grundsätz- zeuggewichte der Audi AG. Als Beispiel kg bei der vorderen und 40 kg bei der hinte- lich geht es uns um ein ausgewogenes Ver- 18 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
hältnis. Es bringt ja nichts, wenn Sie in der Karosserie übermäßig viel Geld ausgeben für Leichtbaumaßnahmen, aber auf der anderen Seite bei den Komponenten Poten- zial liegen lassen“, sagt Köhler. Nur dieser ganzheitliche Ansatz bringe den optimalen Kundennutzen. Generell ist der Leichtbaubedarf in der Ober- und Luxusklasse wegen des höheren Bedarfs an Komfortausstattung, bezie- hungsweise bei den Sportwagen wegen der höheren fahrdynamischen Anforderungen größer als in den Volumensegmenten. Neue Dr. Olaf Köhler, Leiter Dr. Bernd Mlekusch, Leiter Frank Venier, Strategie- und Leichtbaumaterialien und -konzepte werden Leichtbau/Fahrzeuggewich- des Audi-Leichtbauzent- Innovationsmanager im ALZ folglich „top down“ ausgerollt. „Federbein- te der Audi AG. rums (ALZ) in Neckarsulm. Neckarsulm. aufnahmen aus Aluminium-Druckguss waren in der Vergangenheit zum Beispiel dem Audi A8 vorbehalten. Heute finden Sie den Audi Space Frame (ASF) des aktuellen tigung findet er darin, dass die Audi-Kon- das in jedem Audi A4, nicht zuletzt auch, R8. Er wiegt nur 200 Kilogramm – noch ein- zepte sehr oft kopiert würden, im Gegensatz weil die Bauteile durch die höheren Stück- mal zehn Kilogramm weniger als bisher – zu manchen Wettbewerbsbeispielen. zahlen günstiger geworden sind“, erläutert obwohl er extrem steif und crashsicher ist. Der ASF des R8 ist zu 79 Prozent aus Alu- Dr. Bernd Mlekusch, Leiter des Audi Leicht- „Wir sind überzeugt von unserer Strategie: minium und zu 13 Prozent aus kohlenstoff- bauzentrums (ALZ) in Neckarsulm. Das richtige Material an der richtigen Stelle faserverstärktem Kunststoff. Aus CFK Um zu beurteilen, was das Kilogramm in der richtigen Menge. Das ist unserer Über- bestehen die Rückwand, der Mitteltunnel Leichtbau kosten darf, ermittelt Audi pro zeugung nach der effektivste Ansatz – mit und die dreiteiligen B-Säulen. „Das neue Fahrzeug den Leichtbaugrad. Welche Abtei- Blick auf Leichtbau, Steifigkeit und Wirt- Material findet genau dort Anwendung, wo lung dann in welchem Maße zur Gewichts- schaftlichkeit“, betont Mlekusch. Die Audi- es noch bessere Ergebnisse erzielt als Alu- reduktion beiträgt, entscheidet ein über- Modelle seien beim Leichtbauindex – dem minium“, erklärt Frank Venier, Strategie- greifender Fachbereich. Karosseriegewicht bezogen auf die Torsions- und Innovationsmanager im ALZ Neckar- steifigkeit des Fahrzeugs – in der Regel sulm. Je nach Einsatzort unterscheiden sich SEHR OFT KOPIERT Benchmark. „Eine Neuheit, nur um der Neu- die CFK-Bauteile im Aufbau erheblich: Im Den Vorwurf, man sehe zu wenige, neu- heit willen oder aus Marketingaspekten Querträger der Rückwand etwa, wo es artige Rahmenkonzepte mit leichten Auf- ohne ausreichenden Kundennutzen – das ist hauptsächlich um maximale Festigkeit in bauten, kontert Audi mit dem Verweis auf nicht unser Anspruch“, so Mlekusch. Bestä- Querrichtung geht, sind die Gewebelagen vorwiegend unidirektional ausgerichtet. Bis zu 14 von ihnen liegen übereinander, als fünf Millimeter starke Schicht mit einer sehr J GEWICHTSREDUKTION BEIM AUDI Q7 3.0 TDI QUATTRO hohen Zugfestigkeit von 2.000 Megapascal Die wichtigsten Details im fertigen Bauteil. In den B-Säulen-Verstär- kungen hingegen sind die Lagen in alle Rich- Modulquerträger -3,5 kg tungen orientiert, um Belastungen in Längs- Motorkühlung -8,7 kg Sitze -18,7 kg Multimaterialkarosserie -71 kg und Querrichtung aufnehmen zu können. Motor „In der frühen Entwicklungsphase gibt es Tanksystem mit Inhalt -46 kg -2,5 kg verschiedene Ansätze, wo der jeweilige Verka- Werkstoff am besten eingesetzt werden belung könnte. Es werden die Simulationsmodelle -4,2 kg des Fahrzeugs aufgebaut, und eine Vielzahl von Crash- und Steifigkeitslastfällen virtuell durchgespielt. Die Rechner laufen auf Hoch- Ladeboden touren, bis man sich gemeinsam mit der -4 kg Fertigung für das finale Konzept entschei- Radbremse -8,5 kg det“, so Mlekusch. Dabei gilt: „Was sich nicht Vorderachse -27 kg sauber berechnen lässt, wird auch nicht Antriebsstrang -20 kg verbaut. Das haben wir von der Luftfahrtin- Türen in Aluminium -24 kg dustrie übernommen und bedingt, dass uns Hinterachse -40 kg Abgasanlage -19 kg sämtliche Materialkennwerte zu den jewei- ligen Werkstoffen vorliegen. Auch im Zuge Im neuen Q7 wurde in puncto Leichtbau an jeder Stellschraube gedreht. der Herstellung dürfen sich Werkstoffeigen- AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 19
STRATEGIEN DER OEMS vative Ansätze. „Ganz wesentlich ist, dass J AUDI R8 COUPÉ der Zulieferer nicht nur mit seiner Idee und Audi Space Frame in Multimaterialbauweise einem Blatt Papier kommt. Bevor wir das erste Prototypenteil bauen und den Werk- Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) Aluminiumprofil stofffreigabeprozess starten, werden wir die Aluminiumblech Wirksamkeit und Herstellbarkeit seiner Idee Aluminiumguss simulieren und berechnen. Auf dieser Basis entscheiden wir dann über eine Zusammen- arbeit“, ergänzt Venier. Wie nachhaltig müssen bei Audi Leicht- baumaterialien sein, Stichwort: Life Cycle Assessment? „Die LCA-Betrachtung ist für uns ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Materialien. Wir führen Umweltbilanzen durch mit dem Grundsatz, dass sich der Auf- Der Audi Space Frame des R8 wand von der Gewinnung der Ausgangsma- ist zu 79 Prozent aus Alumini- um und zu 13 Prozent aus CFK. terialien eines Fahrzeugs über die Produk- tion bis zur Verwertung nach 200.000 Kilo- meter Fahrstrecke durch den geringeren Kraftstoffverbrauch in der Nutzungsphase schaften im Verlauf der Serie natürlich nicht das Aluminiumblech unter hohem Druck und rechnen muss“, sagt Köhler. Beim aktuellen verändern.“ erzeugt anschließend eine hochfeste Reib- Q7 ist der Energieaufwand für das Primära- Der Freigabeprozess für einen neuen schweißverbindung mit dem darunter lie- luminium in der Herstellung zwar höher als Werkstoff dauert bei Audi deshalb auch sei- genden Stahlblech. Der Unterbau des Q7 beim Vorgänger. Aber schon ab etwa 34.000 ne Zeit. Danach startet der OEM „top down“, enthält mehr als 100 solcher Verbindungen. Kilometer fährt der neue Q7 mit Blick auf meist an einem Standort mit einem Modell diese Größe dem bisherigen Modell in der und kleinen Stückzahlen. Um den Werkstoff LEICHTBAU UND ELEKTROMOBILITÄT Umweltbilanz davon. weltweit auszurollen, braucht es dann die Lohnt sich der ganze Aufwand, im Ver- Last not least: Welche Leichtbaupotenzia- entsprechende Lieferantenstruktur. gleich zu motorischen und aerodynamischen le bieten additive Fertigungsverfahren, und Alles in allem setzt der Wettbewerb der Maßnahmen? Oder profitiert der Leichtbau welche Entwicklungen erwartet Audi auf die- Werkstoffe voraus, dass Audi jeden einzel- sogar von der Elektromobilität? „Durch die sem Gebiet? „Für den Konstrukteur ist die nen Schritt in der Entwicklungs- und Her- Elektrifizierung des Antriebsstrangs kommt additive Fertigung ein Traum. Denn durch die stellungskette beherrscht – von der Funkti- zunächst einmal zusätzliches Gewicht ins extrem geringen Fertigungsrestriktionen sind onssimulation über die Produktionstechno- Fahrzeug, in Form von Batterie, Leistungs- die Freiheitsgrade beim Bauteildesign sehr logie, einschließlich der Kompetenz in der elektronik und Elektromotoren. Oder in hoch“, berichtet Mlekusch. Audi habe zum Werkzeugauslegung, bis hin zur Verbin- Form des Gehäuses, das die Batterie vor Beispiel einen Aluminium-Gussknoten aus dungstechnik. Nur dadurch sieht sich der äußeren Einflüssen bzw. einem Crash dem aktuellen R8 für den Einsatz in einem Autobauer in der Lage, die Grenzen des schützt“, erläutert Mlekusch. „Das stellt in Sportwagen-Prototyp gedruckt; mit Rippen- Leichtbaus immer wieder neu zu definieren Bezug auf die richtige Materialauswahl und strukturen und Hinterschnitten, wie man sie und zu verschieben. Bauweise neue und besonders hohe Anfor- nur mit der additiven Fertigung herstellen Stichwort Fügetechnik: Sie ist ein ent- derungen an uns Karosserieentwickler.“ kann, weil sich anderenfalls das Teil nicht ent- scheidender Schlüssel zum Erfolg für die Mit den bisherigen Fahrzeugarchitekturen formen ließe. „Der 3D-Druck dieser Baugrup- Mischbauweise in großen Stückzahlen. Für lassen sich reine Elektrofahrzeuge nicht opti- pe dauerte eine Woche. Der Gewichtsreduzie- den aktuellen Q7 hat Audi sogar drei neue mal umsetzen. „Da müssten Sie viel zu viele rung von zwölf auf sieben Kilogramm stehen Fügeverfahren entwickelt: Der Seitenwand- Kompromisse eingehen, denn die im Unter- Mehrkosten im unteren fünfstelligen Bereich rahmen aus Aluminium wird mithilfe des boden sitzende Batterie verändert die gesam- gegenüber“, so Mlekusch. Rollfalzens an die ultrahochfeste B-Säule te Struktur“, erklärt Mlekusch. „Unser Ansatz Frank Venier ergänzt: „Für funktionale Bau- aus Stahl gefügt. Halbhohlstanzniete die- lautet deshalb: Revolution im Konzept und teile in automobilen Großserien eignen sich nen dazu, die Teile für das Rollfalzen zu Evolution im stofflichen Leichtbau. Das bietet additive Verfahren noch nicht. Zu den Heraus- fixieren. Neu ist auch das Halbhohlstanznie- großes Potenzial – auch für die Zulieferer.“ forderungen zählen die Bauteilgröße, die ten mit Sonderniete: Sie sind dickwandiger Aber welche Schwerpunkte sollte ein Lie- Prozesszeiten und natürlich die Kosten.“ und härter als konventionelle Stanzniete ferant setzen, um mit Audi ins Geschäft zu Potenzial sieht er heute bei Kleinstserien, der und verbinden in der Karosserie des Q7 ult- kommen? „Zunächst einmal muss er den schnellen Herstellung von Prototypenteilen, rahochfesten Stahl von bis zu 1,6 Millimeter Werkstoff und das Verfahren beherrschen. im Betriebsmittel- und Werkzeugbau sowie Wandstärke mit Aluminium. Beim Reibele- Auch Punkte wie die Lieferfähigkeit, Pro- im Ersatzteilgeschäft. „Die Aluminiumgieße- mentschweißen schließlich kann das Stahl- zesssicherheit und Qualitätsstandards sind reien brauchen also keine Angst zu haben, blech sogar 2,5 Millimeter dick sein: Ein für uns extrem wichtig“, betont Mlekusch. dass sie in den nächsten Jahren vom 3D-Druck schnell rotierender Stahlbolzen durchdringt Dabei sei Audi grundsätzlich offen für inno- abgelöst werden“, resümiert Mlekusch. ‹ 20 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
STRATEGIEN DER OEMS Mit dem Audi lunar quattro unterstützt der OEM die Berliner Ingenieurgruppe Part-Time Scientists bei einem Raumfahrt-Wettbewerb. Der Rover ist aus hochfestem Aluminium aufgebaut. Er wiegt 35 Kilogramm. Durch den Einsatz von Magnesi- um soll er künftig noch leichter werden. BILD: AUDI AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016 21
STRATEGIEN DER OEMS LEICHTBAU ALS PRINZIP Der kleine Sportwagen MX-5 ist seit drei Jahrzehnten ein steter Begleiter von Mazda. Gewichtsreduktion war immer oberstes Gebot. Auch für die neueste Generation erfuhren die Leichtbaulösungen wieder eine Evolution. – VON CHRISTIAN OTTO – D er MX-5 ist nunmehr seit 1989 die verschmelzen. Das erreicht man nur durch Die Mazda-Ingenieure folgten schon beim erfolgreiche Antwort von Mazda ein sehr gutes Handling – und das ist in die- ersten Modell den fünf unternehmenseige- auf die europäischen Sportwagen- ser Fahrzeugklasse vor allem vom Gewicht nen Prinzipien in Sachen leichter Sportwa- Konzepte, die Kunden vor allem abhängig. gen. Dazu zählen bis heute das so genannte mit Fahrspaß anlocken wollen. FR-Layout, also die Positionierung des „Jinba Ittai“ heißt der Grundsatz, auf dem VIER GENERATIONEN LEICHTIGKEIT Motors vorn und des Antriebs hinten, ein die Idee des Roadsters basiert. In Anlehnung Deshalb achteten die Japaner seit den leichter und kompakter offener Fahrzeug- an eine traditionelle Form des japanischen Anfangstagen immer auf Leichtbau. Auch körper, eine 50:50-Gewichtsverteilung auf Bogenschießens, die zu Pferde ausgeübt die nunmehr vierte Generation des MX-5, Front- und Hinterreifen, ein geringes Träg- wird, sollen analog zu Ross und der Reiter die 2015 an den Markt ging, entspricht die- heitsmoment sowie ein erschwinglicher das Auto und der Fahrer zu einer Einheit ser Strategie. Preis. 22 AUTOMOBIL INDUSTRIE INSIGHT | 2016
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