STOPP DEM BIODIVERSITÄTSVERLUST - VIELFALT ERFASSEN, BEWAHREN UND FÖRDERN NR.49 03/2021 - Österreichische ...
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NR. 49 03/2021 MANAGERINNEN FAC H J O U R N A L N AT U R R A U M - DAS DER STOPP DEM BIODIVERSITÄTSVERLUST V I E L FA LT E R FA S S E N , B EWA H R E N U N D F Ö R D E R N W O D I E N AT U R Z U H A U S E I ST
Gastartikel N AT U R R A U M M A N A G E M E N T Genetische Vielfalt Biodiversitätsschutz Biodiversität fördern einen „Klimawandel“? 25 Jahre Nationalpark Donau-Auen Inhalt Schutzgebietsmanagement ABOL – Austrian Barcode of Life Braucht der Biodiversitätsschutz Wir brauchen eine gesellschaftliche Transformation Für mehr Leben in Flüssen, Wäldern, Wiesen, Mooren 3 4 8 6 11 10 Saatgutmanagement, Gehölzvermehrung, Wildtierkorridore Medieninhaber (Verleger) und Herausgeber: Österreichische Bundesforste AG | Naturraummanagement Pummergasse 10–12 | 3002 Purkersdorf Tel.: +43 2231 600-3110 | E-Mail: naturraummanagement@bundesforste.at Redaktion: Mag.a Andrea Kaltenegger, Mag.a Christina Laßnig-Wlad Texte: Karin Astelbauer-Unger, Priv.-Doz.in Dr.in Elisabeth Haring, Mag.a Christina Laßnig-Wlad, Dr. Nikolaus Szucsich, Assoz. Prof.in Dr.in Alice Vadrot Lektorat: Dr. Wolfgang Astelbauer Coverfoto: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger, Seitenarm im Nationalpark-Donau-Auen, ÖBf-Betrieb NP Donau-Auen Design: Roland Radschopf/Vienna, rolandradschopf.com Reinzeichnung: Breiner&Breiner, office@breiner-grafik.com Druck: Druckerei Berger, Horn Verlags-, Herstellungs- und Erscheinungsort: Purkersdorf Impressum Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: bundesforste.at/naturraummanagement > ÖBf-Fachjournal Natur.Raum.Management Foto: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger
AUSGABE 03/2021 – NR. 49 Braucht der Biodiversitätsschutz einen „Klimawandel“? Ich meine Ja, nämlich im Sinn von Stimmungswandel. In Natur- steht einem artenreichen Wald der Zukunft nichts mehr im Wege schutzkreisen scheint die Beziehung zwischen Landnutzung und – fast nichts: Das österreichweite Wildeinflussmonitoring für die Biodiversität oftmals eine rein negative zu sein. Vertreter*innen Periode 2016–2018 zeigt, dass die wichtigen Mischbaumarten der Land- und Forstwirtschaft nehmen in der komplexen Diskussi- Tanne und Eiche in über neun Zehnteln der Bezirke vorkommen. on über Biodiversitätsschutz immer wieder nur die Forderung Die Tanne konnte sich aber in 47 und die Eiche in 65 Prozent der nach Schutzgebieten wahr und weisen diese nonchalant zurück. Bezirke ihres Vorkommens nicht oder kaum über eine Höhe von Eine hitzige Debatte folgt, die Fronten verhärten sich. 1,3 Meter hinaus entwickeln. Eine wesentliche Ursache dafür ist Verbiss. Deshalb ist die Hoffnung auf einen naturverjüngten Wald Biodiversität bringt beeindruckende Ökosystemleistungen und mit einem angepassten Schalenwildmanagement sowie einer wertvolle Ressourcen hervor und macht Ökosysteme widerstands- starken Kooperation mit den Jägerinnen und Jägern verbunden. fähiger gegenüber negativen Einflüssen. Der Umgang mit diesem wertvollen Gut liegt in unseren Händen. Wenn wir auch in Zukunft Zusätzlich zu den Mitteln aus der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP die Produkte und Vorteile der Vielfalt nutzen wollen, ist eine aktive wird im Jahr 2021 dem Arten- und Naturschutz in Österreich mit Herangehensweise sowohl im Kampf gegen die Klimaerwärmung zwei Förderinstrumenten unter die Arme gegriffen: dem Wald- als auch beim Biodiversitätsschutz notwendig. Wir brauchen fonds und dem Biodiversitätsfonds. Zu deren Zielen zählt die Nutzungs- und Bewirtschaftungskonzepte, die künstliche Monoto- Unterstützung von Forschungs- und Monitoringaktivitäten sowie nie weitestgehend vermeiden. Zur Klima- und Biodiversitäts- zur Umsetzung bestimmten Projekten; damit könnten zum schutz-Toolbox zählt auch der Prozessschutz: Mit dieser Natur- Beispiel Moore genauer unter die Lupe genommen und ihr schutzoption gibt es Bereiche in unserer Landschaft, in denen Zustand durch aktive Maßnahmen verbessert werden – um ein Nutzungen, wie zum Beispiel die Forstwirtschaft im Wildnisgebiet Thema zu nennen, mit dem sich auch das ÖBf-Naturraum- Dürrenstein, eingestellt und touristische Aktivitäten stark gelenkt management beschäftigt. Wichtig ist zu zeigen, dass eine werden. Beim Wandern durch Wald, Feld und Flur ist kaum Integration von Naturschutzmaßnahmen in die Landnutzung vorstellbar, dass ein Bereich von rund 13 Hektar an einem Tag einer und Bewirtschaftung möglich ist. Das mit diesen beiden Förder- Betonwüste weichen könnte. Mittels Prozessschutz – der derzeit schienen geleistete politische Bekenntnis zum Biodiversitäts- für rund 2 Prozent der Fläche Österreichs gilt – wird ein krasser schutz ist eine Chance. Am besten genutzt werden kann sie, Gegensatz zur atemraubenden Monotonie von Siedlungs- und wenn wir die Definition des Biodiversitätsbegriffs noch um zwei Gewerbeflächen, Parkplätzen und Straßen geschaffen. Aspekte erweitern und die menschliche Sicht der Dinge mitden- ken: Es braucht eine Vielfalt von Bewirtschaftungsformen und Die einfache Formel „Ökologie und Ökonomie“ hat bei den eine Vielfalt von Netzwerken zwischen den Akteurinnen und Bundesforsten in den letzten Jahren einen Wandel in Gang Akteuren! Wir vom ÖBf-Naturraummanagement wirken gerne gesetzt, der darauf abzielt, den Wald der Zukunft zu bauen, mit dabei mit. einer Vielfalt von Baumarten, Strukturen und Bewirtschaftungs- formen, die eine interessante Mischung unterschiedlicher Mag.a Christina Laßnig-Wlad, Leiterin Naturraummanagement und Bereiche ergeben werden. Dank des Wissens, welche Arten und Naturschutz der Österreichischen Bundesforste, Lebensräume aus Naturschutzsicht wie gefördert werden können, christina.lassnig-wlad@bundesforste.at Illustration: Studio Nu 3
Blütenpracht auf der Ebenforstalm im Nationalpark Kalkalpen Biodiversitätsschutz Wir brauchen eine gesellschaftliche Transformation Spätestens seit der Veröffentlichung des ersten in keinem „guten Zustand“; 83 Prozent der bewerte- globalen Zustandsberichts des Weltbiodiversitätsrats ten Tier- und Pflanzenarten wurde ein „mangelhaf- im Jahr 2019 sind der dramatische Verlust der ter“ bis „schlechter Zustand“ attestiert. Österreich Biodiversität sowie dessen gravierende Auswirkun- belegt damit den vorletzten Platz auf der Liste der gen auf das menschliche 28 untersuchten Länder. Neben der intensiven Bis 2030 soll in Österreich das Ar- Wohl Teil des politischen und Land- und Forstwirtschaft führt auch die ungebrems- öffentlichen Diskurses in te Bodenversiegelung – in Österreich werden täglich tensterben gestoppt und die gesell- Österreich. Erstmals konnte etwa 13 Hektar verbaut – zu einem drastischen schaftliche Trendwende zum natur- auf Grundlage gebündelter Verlust der Biodiversität. verträglichen Handeln vollzogen wissenschaftlicher Expertise aufgezeigt werden, wie sich Ein proaktives Handeln für den Schutz der Biodiversi- werden. Der Biodiversitätsrat for- die biologische Vielfalt und tät ist daher dringend erforderlich. Biodiversität ist dert daher von der Politik, rasch die Leistungen der Ökosyste- unverzichtbar für die Bereitstellung vieler auch für konkrete und effektive Maßnahmen me in den vergangenen 50 den Menschen lebenswichtiger Ökosystemleistun- Jahren weltweit verändert gen, die eine nachhaltige Stabilität unserer vielfälti- zu beschließen und umzusetzen. haben. Dem Bericht zufolge gen Natur- und Kulturlandschaften und letztlich sind die indirekten Treiber unser Überleben garantieren. Sie macht die land-und dieser Entwicklung die sozialen und politischen forstwirtschaftliche Produktion widerstandsfähiger Rahmenbedingungen. Zu den direkten Treibern, die gegenüber Belastungen, auch gegenüber den für mehr als 50 Prozent aller globalen Auswirkungen Auswirkungen des Klimawandels, und unterstützt auf die Ökosysteme verantwortlich sind, zählen u. a. damit auch unsere Ernährungssicherheit. Sie ist eine Landnutzungsänderungen und die damit verbunde- Schlüsselressource bei den Bemühungen, die ne Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden, die Nahrungsmittelproduktion zu steigern und die vor allem durch die Land- und Forstwirtschaft sowie negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu begren- Urbanisierung verursacht wird. Schätzungen zufolge zen. Besonders wichtig sind die Diversifizierung, also sind bereits bis zu einer Million Arten vom Ausster- die Nutzung mehrerer Arten, sowie die Erhaltung ben bedroht. und Förderung der Lebensraumvielfalt auf Land- schafts- und Gewässerebene. Diese dramatischen globalen Entwicklungen zeichnen sich auch in Österreich ab, wo etwa jede Foto: ÖBf-Archiv Wolfgang Simlinger dritte Art bedroht ist und auf der Roten Liste steht KEH RTWEN DE NÖTIG und sich 82 Prozent aller Arten sowie 79 Prozent der Lebensräume der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Um den Trend des stetigen Biodiversitätsverlusts einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden. umzukehren, bedarf es weltweit einer radikalen Laut dem aktuellen Bericht der Europäischen Kehrtwende. Unter dem Stichwort „bending the Umweltagentur „State of nature in the EU“ sind 79 curve“ entwickeln Wissenschaftler*innen derzeit 4 Prozent der bewerteten Lebensräume in Österreich ganzheitliche Strategien, um den Biodiversitätsschutz
AUSGABE 03/2021 – NR. 49 als zentrale Säule eines umfassend gedachten eines Biodiversitätsfonds zur Umsetzung der Umbaus der Gesellschaft zu verankern. Der Weltbiodi- Biodiversitätsstrategie, die im Sommer 2021 vorliegen versitätsrat nimmt jene Institutionen sowie demogra- soll, mit fünf Millionen Euro – wobei vorgesehen ist, fischen, politischen und sozioökonomischen Struktu- den Fonds auf 50 Millionen Euro aufzustocken. ren in den Blick, die für die Krise mitverantwortlich sind, und fordert eine gesamtgesellschaftliche Transformation, die alle Lebensbereiche umfasst. Der B I O D I V E R S I TÄT S F O N D S A L S ökonomische und nichtökonomische Wert der Natur MOTOR FÜ R MODELLR EGION EN sowie die Rahmenbedingungen für deren Schutz Gastautorin Assoz. Prof.in sollen neu benannt und verhandelt werden. Produk- Erfolgreich kann ein solcher Fonds aus Sicht des Dr.in Alice Vadrot, tions- und Konsummuster sowie zugrunde liegende Biodiversitätsrats aber nur dann agieren, wenn er Institut für Werte und kulturelle Prägungen müssen langfristig sich an den Prinzipien der Transparenz, Legitimation, Politikwissenschaft, verändert und an unsere planetarischen Grenzen Nachhaltigkeit und Partizipation orientiert und als Universität Wien angepasst werden. Dies inkludiert u. a. die Ausweitung langfristiges Instrument (über die aktuelle Legisla- Der Artikel entstand mit von Schutzgebieten bzw. grüner Infrastruktur, die turperiode hinaus) sowie als Innovationsfonds zur Inputs von Univ.-Prof. Dr. Wiederherstellung von Ökosystemen, die Anpassung Unterstützung eines transformativen Wandels der Christian Sturmbauer, von Lebensmittelpreisen sowie die Veränderung des Gesellschaft versteht. Der Biodiversitätsrat hat Institut für Biologie der öffentlichen Diskurses über Biodiversität und der Art Vorschläge ausgearbeitet, damit der Fonds auch als Universität Graz, und und Weise, wie Biodiversitätspolitik betrieben wird. Motor für Modellprojekte sowie inter- und transdiszi- Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in plinäre Zusammenarbeit dienen und sein Potenzial Irmgard Krisai-Greilhuber, als Kooperationsmechanismus zwischen allen Department für Botanik KO O P E R AT I O N V E R B E S S E R N Verwaltungsebenen (Bekennung zur besseren Koope- und Biodiversitätsfor- ration mit den Bundesländern im Naturschutz) und schung, Universität Wien; Voraussetzung für gesellschaftliche Transformation als Brückenbauer zwischen unterschiedlichen die drei Wissenschaftler*in- ist ein breites Bewusstwerden der prekären Lage, Akteurinnen und Akteuren (aus Politik, Zivilgesell- nen gehören dem Leitungs- wofür sowohl der Wissenschaft als auch der Politik schaft, Forschung, Praxis) im österreichischen team des Österreichischen eine besondere Verantwortung zukommt. Zur Naturschutz entfalten kann. Biodiversitätsrats an. Aktivierung dieses wichtigsten Hebels für eine biodiversityaustria.at/ nachhaltige Änderung des Umgangs mit natürlichen Besonderen Stellenwert könnten hierbei österreich- netzwerk/biodivrat/ Ressourcen ist es notwendig, eine verbesserte weite Interventionsmaßnahmen sowie innovative und Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und ambitionierte Biodiversitätsmodellregionen haben, in Praxis zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat sich denen sektorenübergreifende Maßnahmen und im Jahr 2019 der Österreichische Biodiversitätsrat Kooperationen unterstützt werden. Diese Regionen gegründet, der aus 20 Expertinnen und Experten sollen als Vorreiter und Vorbild für flächendeckende besteht und von einem sechsköpfigen Team geleitet Umsetzungen fungieren und innovative Experimente wird (biodiversityaustria.at/netzwerk/biodivrat/). Um ermöglichen. Hierzu eignen sich Biosphärenparks, das ambitionierte Ziel eines Stopps des Biodiversi- Grenzregionen wie etwa der Green Belt, Nationalparks tätsverlusts in Österreich bis spätestens 2030 zu und Natura-2000-Gebiete. Anhand bestimmter erreichen, hat der Biodiversitätsrat fünf Kernforde- Modellregionen könnten innovative Zugänge für die rungen erarbeitet, in denen er u. a. für eine nationale Zusammenarbeit zwischen Sektoren und Verwal- Der vollständige Biodiversitätsmilliarde und ein bundesweites tungsebenen sowie neue Bildungsformate erprobt Quellennachweis kann Biodiversitätsgesetz eintritt. und eine neue Kultur inter- und transdisziplinärer in der Redaktion des Zusammenarbeit geschaffen werden. Wesentlich ist, NRM-Journals angefor- Foto: Centre for Science and Policy (CSaP), University of Cambridge Die österreichische Bundesregierung übernimmt in dass der Impetus für Veränderung über die aktuelle dert werden. ihrem Regierungsprogramm explizit Verantwortung Legislaturperiode hinausreicht, den Biodiversitäts- Kontakt: für die Biodiversität und hat auch während der schutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in Mag.a Birgit Foramitti, Pandemie erste wichtige Maßnahmen für deren Österreich etabliert und sowohl die Wissenschaft als birgit.foramitti@ Erhalt erarbeitet. Hierzu gehört die Finanzierung auch die Naturschutzpraxis stärkt. bundesforste.at „Für eine nachhaltige Änderung des Umgangs mit natürlichen Ressourcen ist eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis notwendig.“ 5
Au bei Orth an der Donau im Nationalpark Donau-Auen Schutzgebietsmanagement 25 Jahre Nationalpark Donau-Auen Der Nationalpark Donau-Auen wurde errichtet, um die Fachleuten begangen und hinsichtlich ihres natur- unterschiedlichen Lebensräume des 9600 Hektar schutzfachlichen Wertes und ihres allgemeinen großen Gebiets zu schützen und für künftige Genera- Zustandes kartiert. Auf dieser Grundlage wurden für tionen zu erhalten. Jede Ausbeutung und sonstige jede einzelne Wiese Managementvorschläge Tätigkeiten, die dem Gebiet Schaden zufügen könnten, ausgearbeitet, die in Form eines Wiesendatenblattes sind zu verhindern. Die Donau-Auen sollen ein Ort der den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern der Forschung, Schulung und Wiesen als Handlungsrahmen übergeben wurden. Erholung sein. Der Nationalpark Donau-Auen Im Verlauf der Umsetzung des Projekts „Zurückdrän- wurde 1996 gegründet, um die Die ÖBf sind von Beginn an in gung der invasiven Neophyten Götterbaum und letzte große Flussauenlandschaft das Management des Eschenahorn“, des flächenmäßig größten Zurückdrän- Nationalparks Donau-Auen gungsprogramms invasiver gebietsfremder Baumar- Mitteleuropas nachhaltig unter mit eingebunden. Den ten im europäischen Raum, wurden auf der gesamten Schutz zu stellen. Als größter Rahmen der Tätigkeiten und ÖBf-Fläche sämtliche Götterbäume und Eschenahorne Grundbesitzer haben die Bundes- die strategischen Schwer- (ca. 160.000 Exemplare!) mittels GPS kartiert und in punkte im Nationalpark gibt den letzten zehn Jahren geringelt und zum Absterben forste ein vielfältiges Aufgabens- der für jeweils zehn Jahre gebracht. Das Erfolgsmonitoring dieses auch mit pektrum zu bewältigen. erstellte Managementplan vor. Mitteln des Programms für ländlichen Entwicklung Die Basis der operativen (LE) finanzierten Großversuchs hat gezeigt, dass das Zusammenarbeit ist ein gemeinsam mit der National- Ziel erreicht wurde, den Anteil der invasiven Neophy- parkverwaltung ausgearbeitetes Jahresprogramm. Für ten in der Baumartenverteilung auf ÖBf-Flächen von alles, was an Maßnahmen im Bereich Naturraum und 8 auf unter 1 Prozent zurückzudrängen. Infrastruktur auf Flächen der ÖBf umzusetzen ist, ist der Nationalparkbetrieb der ÖBf zuständig. Zu den Dass die Donau-Auen zu den rotwildreichsten Hauptaufgaben der ÖBf gehören u. a. die Mitarbeit an Gebieten Österreichs gehören, war das Ergebnis des und die Abwicklung von Forschungsprojekten, das Projekts „Rotwildzählung mittels Wärmebildkamera“. Management invasiver Neophyten, die Sicherstellung Mit einem Kleinflugzeug, ausgestattet mit einer Wär- der ökologischen Bewirtschaftung der wertvollen mebild- und einer Echtfarbenkamera, wurde das Auwiesen, die Erhaltung und Pflege der Besucherinfra- Rotwild detektiert und gezählt. Mit diesem Verfahren struktur, die Schalenwildregulierung sowie der Betrieb wird nun die Entwicklung des Rotwildbestandes alle Foto: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger des Nationalpark-Camps Meierhof und der National- fünf Jahre überprüft. park-Infostelle im Schloss Eckartsau. Zu den wichtigsten Projekten der ÖBf im National- N AT U R R A U M I N V E N T U R park Donau-Auen in den vergangenen Jahren zählt die Erstellung eines Wiesenkatasters: Zum ersten Mal In den Jahren 1998/99 wurden im gesamten 6 wurden sämtliche Wiesen im Nationalpark von Nationalpark an die 1800 Inventurpunkte im Gelände
AUSGABE 03/2021 – NR. 49 verortet, um die Entwicklung aller Lebensräume über Fläche Prozessschutz, ab 2029 werden es mehr als lange Zeit hinweg zu dokumentieren. Alle zehn Jahre 75 Prozent sein. Entwickelt sich statt Artenvielfalt finden an diesen Punkten umfangreiche Erhebungen eine Prozessvielfalt? Oitzinger: „Wenn man den statt, die ausgewertet und interpretiert werden. Prozessschutz wirklich ernst nimmt, müsste man den Prozessschutz vor den Artenschutz stellen. Es wird Seit der ersten Inventur gibt es bereits einschneiden- aber immer wieder seltene ,Flagship Species‘ im de Entwicklungen zu beobachten, im Folgenden ein Nationalpark geben, die zum Überleben gewisse paar Beispiele: Diverse Offenlandflächen wurden Strukturen benötigen, die vielleicht auch gemanagt rascher zu Wald als erwartet; waren es 1998/99 noch werden müssen; der Prozessschutz muss dann auf DI Gerald Oitzinger, 450 Hektar, wo kein Baum anzutreffen war, waren es einer bestimmten Fläche für eine bestimmte Zeit bis Mai 2021 Leiter des 2018/19 nur mehr 90 Hektar; die Au wächst also zu. ausgesetzt werden. Die Richtlinien der Weltnatur- ÖBf-Betriebs Sehr erfreulich und überraschend war die rasante schutzunion IUCN für Nationalparks erlauben das NP Donau-Auen Zunahme des Totholzanteils, der sich seit 1998 auch.“ vervierfacht hat. Der Anteil der invasiven Neophyten Götterbaum, Eschenahorn und Robinie hat in den Teilen des Nationalparks, wo kein Neophytenma- AUSBLICK nagement stattgefunden hat, um bis zu 40 Prozent zugenommen. „Wir werden auch weiterhin den Prozessschutz unterstützen und ermöglichen“, betont DI Johannes DI Gerald Oitzinger, bis Mai 2021 Leiter des ÖBf-Be- Wimmer, neuer Leiter des ÖBf-Betriebs NP Donau- triebs NP Donau-Auen: „In den letzten 20 Jahren Auen.“ Herausfordernd sei das Management der DI Johannes Wimmer, haben sich bestimmte repräsentative Landschafts Wechselwirkungen mit dem Umland. Wimmer: neuer Leiter des typen in der Au verändert und in eine Richtung „Wenn ich an die herannahende Afrikanische ÖBf-Betriebs entwickelt, die vielleicht von dem einen oder anderen Schweinepest denke, ist klar, dass wir hier einen NP Donau-Auen Naturschutzinteressierten nicht positiv bewertet Beitrag werden leisten müssen. Eine Reduktion des werden. Wenn man sich zum Prozessschutz bekennt, Schwarzwilds wird auch den von den Wildschweinen muss man sich von diversen Bildern im Kopf, wohin geschädigten Auwiesen helfen. Darüber hinaus sich die Au entwickeln soll, lösen. Prozessschutz ist werden sich die ÖBf verstärkt der Besucherbetreuung ergebnisoffen: Im Lauf der Zeit wird es wohl bei den sowie Forschungs- und Monitoringaufgaben Arten und Strukturen in den Auen sowohl Gewinner widmen. Als Geburtstagsgeschenk für den National- als auch Verlierer geben.“ park steht im Oktober die feierliche Eröffnung des noch im Bau befindlichen innovativen Beobach- Unter Prozessschutz versteht man das Nichteingrei- tungswagens ,Spähikel – Der Natur auf der Spur‘ fen des Menschen in die Prozesse von Ökosystemen. (siehe auch NRM-Journal 2/2021 , Seite 8/9) auf dem Aktuell gilt auf 65 Prozent der ÖBf-Nationalpark- Programm.“ Hängematten und Liegestühlen entspannen. Im SCHLOSS ECKARTSAU verträumten Innenhof des Schlosscafés werden Fotos: ÖBf-Archiv/Frank Helmrich, ÖBf-Archiv/Mark Glassner, ÖBf-Archiv/Schwarz täglich Kaffee, Kuchen und Snacks serviert. Im Schloss Eckartsau, Sitz der ÖBf im National- Schloss Eckartsau dient immer wieder als park, kann man im Rahmen von Führungen die Filmkulisse und wurde bereits mehrfach als Geschichte vom Ende der Donaumonarchie am schönstes Hochzeitsschloss Österreichs Marchfelder Schlösserreich Ort des Geschehens nachvollziehen. Im ausgezeichnet. Schloss und Park bieten den Der Nationalpark Donau-Auen ist ein wichtiger November 1918 verließ die kaiserliche Familie idealen Rahmen für jede Art von Trauung. Motor in der Regionalentwicklung im March- Wien und wohnte bis zu ihrer Ausreise im Jahr feld. Der Nationalpark Donau-Auen mit Schloss 1919 im Schloss Eckartsau. Von den ÖBf seit Öffnungszeiten: 1.4.–1.11. tgl., an Wochenenden Orth und Schloss Eckartsau hat sich mit den Jahrzehnten sorgsam bewahrt, sind die und Feiertagen: 10–18 Uhr, an Wochentagen: 10–17 anderen Schlössern im Marchfeld zum historisch möblierten Räumlichkeiten in einem Uhr, Schlossführungen tgl. um 11, 14 und 16 Uhr Marchfelder Schlösserreich zusammenge- hervorragenden Zustand. Anreise: mit dem PKW oder Rad (Lage am schlossen, mit dem Ziel, den Ausflugstouris- Im prächtigen, 27 Hektar großen englischen Donau-Radweg, Fahrradparkplatz mit E-Bike- mus in der Region zu stärken. Die ÖBf leiten Landschaftspark, der das Schloss umgibt, kann Ladestation vorhanden) diese Kooperation; mehr darüber auf man wunderbar lustwandeln oder sich auf Weitere Informationen: schlosseckartsau.at schloesserreich.at. 7
Strauch- und Baumarten, z. B. Hagebutten (r.). Die ÖBf forcieren unter anderem Lärchen (l.). Der Verein RGV sammelt Früchte heimischer Genetische Vielfalt Saatgutmanagement, Gehölzvermehrung, Wildtierkorridore Der Wald der Zukunft, den die ÖBf anstreben, soll ein große genetische Vielfalt gelegt. Unter genetischer artenreicher, bunter Mischwald sein, der mit den Vielfalt versteht man, dass bei Individuen derselben Folgen des Klimawandels und sonstigen Störungen Art voneinander abweichende genetische Informati- gut zurechtkommt. Der Waldbau fängt beim Saatgut onen vorliegen. Gibt es beispielsweise sowohl Eichen, an. Dem Saatgutmanagement kommt also eine die im Frühling früher, als auch Eichen, die später besondere Bedeutung zu. Das Saatgutmanagement austreiben, wird bei einem Spätfrostereignis nur ein der ÖBf sorgt dafür, dass es immer genügend Teil der Eichengesellschaft geschädigt. Je mehr Saatgut für die rund zwei Millionen Jungpflanzen Vielfalt in einem Artenkollektiv herrscht, desto gibt, welche die Bundesforste resilienter ist es gegenüber Störungseinflüssen und Genetische Vielfalt ist die Vorausset- jedes Jahr brauchen. Änderungen der Umweltbedingungen. zung für die Anpassung von Lebewe- Beerntet werden in den Das Saatgut wird in der ÖBf-eigenen Klenge in Arndorf sen an sich verändernde Umweltbe- verschiedenen Regionen mehr im südlichen Waldviertel, einer der letzten Einrichtun- dingungen wie Trockenheit oder Frost. als zwanzig verschiedene gen dieser Art, aufbereitet. DI Stefan Schörghuber, Baumarten. Saatguternten Leiter des Saatgutmanagements der ÖBf: „Jedes Drei Beispiele illustrieren, wie man die werden nur in speziellen Saatgut einer Baumart wird nach einem eigenen genetische Bandbreite erhalten und Beständen durchgeführt, die Rezept behandelt. Es muss getrocknet, entflügelt, fördern kann. von Fachleuten des Bundes- gereinigt, sortiert werden. Manches Saatgut muss noch amts für Wald begutachtet nachreifen. Das bearbeitete Saatgut wird in der Klenge und per Bescheid zugelassen worden sind. Ist ein bei – je nach Baumart – unterschiedlichen Minustem- Waldbestand nicht geeignet, weil er vielleicht krank- peraturen gelagert. Wir können Saatgut bis zu 20 heitsanfällig oder seine Herkunft fraglich ist, darf er Jahren lagern.“ Forstbaumschulen erhalten von den nicht beerntet werden. Schließlich braucht man an die ÖBf das Saatgut und produzieren die Jungpflanzen. jeweiligen Regionen gut angepasstes Saatgut. Die ÖBf Fotos: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger, ÖBf-Archiv/G. Moser verfügen über mehrere hundert Erntebestände in ganz „Wir forcieren die Ernte bei den Baumarten, die wir in Österreich. Sie bilden die Hauptquelle für das Saatgut. Zukunft haben wollen, also bei der Eiche, Tanne, Lärche etc.“, erklärt Schörghuber. „Wir verbessern Die zweite, kleinere Quelle sind die Saatgutplantagen auch bei diesen Arten die Saatgutqualität, und zwar in den Forstbetrieben Waldviertel – Voralpen und dessen Keimfähigkeit und Lagerungsfähigkeit, damit Wienerwald. Auf insgesamt 50 Hektar werden zehn wir immer genügend Saatgut verfügbar haben. Wir verschiedene Baumarten, zum Beispiel die Lärche, wollen den wegen des Klimawandels nötigen gezogen und beerntet. Sogenannte Generhaltungs- Waldumbau von Beginn an aktiv gestalten und nicht plantagen dienen dazu, einen bestimmten Genpool ins Hintertreffen geraten. Wir importieren kein von selteneren Baumarten zu bewahren. Bei der Saatgut, sondern schauen, dass wir auf unseren 8 Anlage einer Plantage wird sehr großer Wert auf eine Flächen mehr ernten.“
AUSGABE 03/2021 – NR. 49 Der Trend geht zwar bei den Bundesforsten hin zur Naturverjüngung, aber dort, wo keine Naturverjüngung Setzlinge für eine 80 Meter lange Hecke, welche die möglich ist, werden aus Samen gewonnene Jungbäu- ÖBf zur Strukturverbesse- me gepflanzt. Etwa im Waldviertel, wo der Borkenkäfer rung angelegt haben viele Fichtenbestände vernichtet hat. Schörghuber: „Hier brauchen wir andere Baumarten. Kommen diese nicht im Waldbestand vor, müssen wir welche pflanzen. Es kann auch sein, dass auf Flächen, wo wir auf Beispiel ihre eigene Kriecherl-Formenwelt. Manche Naturverjüngung setzen, vor allem Schattbaumarten Kriecherln eignen sich gut zum Schnapsbrennen, nachwachsen. Um eine gute Baumartenmischung zu andere eher für den Frischverzehr.“ erreichen, kann man als Ergänzung lichtbedürftigere Baumarten wie die Lärche setzen.“ Dem Verein RGV geht es auch um die Menschen. „Viele Tausende Leute haben eine Freude, wenn sie ein Stück lebendige Region in die Hand bekommen PFLANZEN MIT HEIMVORTEIL und in ihrem Garten pflanzen können“, meint Wanninger. „Wir sagen immer: Das sind Pflanzen mit Für die Sicherung der regionalen genetischen Vielfalt Heimvorteil, und wenn du ein heimisches Gehölz setzt sich auch der Verein Regionale Gehölzvermeh- einsetzt, verwurzelst du die DNA der Region.“ rung (RGV) ein, mit dem die Bundesforste vor wenigen Wochen eine Kooperationsvereinbarung abgeschlos- sen haben: In den kommenden Jahren wird der Verein HECKE FÜR RGV im Rahmen eines Projektes mit dem Land LEBENSRAUMVERNETZUNG Salzburg auf ÖBf-Flächen Früchte heimischer Strauch- und Baumarten sammeln und daraus Saatgut Wildgehölze dienen vielen Tierarten als Nahrungsquel- gewinnen, aus denen Partnerbaumschulen Jungpflan- le und Lebensraum, sei es an Waldrändern oder auf zen heranziehen, die in den Handel gebracht werden. Feldern und Wiesen. Und sie können auch einen Gemeinsam mit den ÖBf wird es auch Auspflanzungs- Beitrag zur Lebensraumvernetzung leisten. Im Rahmen aktionen an Waldrändern geben. Der Verein RGV des Interreg-Projekts „ConNat“ (Connecting Nature nimmt sich auch seltener Sträucher an. In Salzburg ATCZ45), das im Sinne der EU-Strategie zur Grünen etwa gedeihen noch sehr seltene und geschützte Infrastruktur das Ziel hat, die großräumige Lebens- Wildrosenarten und die niedrigwüchsige Heidelbeer- raumvernetzung zwischen den Niederösterreichischen weide, die nur mehr an zwei Standorten zu finden ist. Kalkalpen, dem Böhmerwald, der Böhmisch-Mähri- Ganz rare Arten werden über Stecklinge oder Früchte schen Höhe und den Karpaten zu sichern, über die natürlich vermehrt. Im Umfeld der Restvorkommen Grenze zu verknüpfen und die Kernlebensräume durch stabilisiert man die Bestände mit Auspflanzungen. abgestimmte Managementmaßnahmen zu erhalten, haben die ÖBf im Frühling dieses Jahres auf der Wiese Der Begriff Biodiversität Der bereits seit zwanzig Jahren bestehende Verein eines Imkers in der niederösterreichischen Gemeinde bezeichnet die Vielfalt RGV veranstaltet jedes Jahr am ersten November- Bergland eine ca. 80 Meter lange Hecke angelegt. des Lebens auf der Erde samstag den Heckentag (heckentag.at), an dem bis Eingesetzt wurden mehr als 700 Gehölze; insgesamt und ihre Zusammen- zu 40.000 heimische Gehölze über den Ladentisch handelt es sich um zwölf unterschiedliche Arten, die in hänge. Man unterschei- gehen. Vergleichspflanzungen zeigen, dass Gehölze, der Region von Natur aus vorkommen. Strukturelemen- det drei Ebenen der die aus den Regionen stammen und dort wieder te wie Hecken verbessern in den von der Landwirt- Biodiversität: gepflanzt werden, kräftiger anwachsen, wüchsiger schaft „ausgeräumten“ Landschaften nicht nur den • die genetische Vielfalt, sind und Stressfaktoren wie Trockenheit besser Lebensraum vieler Tiere, sondern ermöglichen auch, also die Vielfalt vertragen. Klaus Wanninger, Obmannstellvertreter dass an ihnen entlang Wildtiere wandern und sich hier innerhalb einer Art, Foto: ÖBf-Naturraummanagement/Franziska Krauße des Vereins RGV: „Um die genetische Bandbreite einer verstecken können. Landschaftsfragmentierung ist • die Vielfalt der Arten Region zu sichern, besammeln wir viele Einzelbestän- eine der Hauptbedrohungen für die genetische Vielfalt (Tiere, Pflanzen, Pilze de innerhalb der Region. Je breiter wir den Genpool von Wildtieren. Deswegen soll ein gemeinsames etc.) und der Regionen sichern, desto besser sind wir für System von Wildtierkorridoren geschaffen und über die • die Vielfalt der zukünftige Veränderungen im Zuge der globalen Grenzen hinweg verbunden werden. Ökosysteme. Erwärmung aufgestellt.“ Genetische Vielfalt bedeu- tet auch eine enorme Vielfalt von Eigenschaften. Jede Gehölzart weist unterschiedliche Frucht- und Holzeigenschaften auf und kann unterschiedlich verwendet werden. Wanninger: „Jede Region hat zum
V. l. n. r.: Äsche, Rohr mit eingeschweißter Stahlleiter, Apollofalter Biodiversität fördern Für mehr Leben in Flüssen, Wäldern, Wiesen, Mooren Die Flüsse sind die am stärksten vom Artensterben keit wird kleines Sediment weitertransportiert, und betroffenen Lebensräume – auch in Österreich es bleiben nur große Sedimentblöcke liegen. Das wurden diese Ökosysteme enorm geschädigt: Feinmaterial lagert sich in einem Folgebereich ab, wo 70 Prozent der Flüsse sind gestaut, mehr als 5200 es ruhiger wird, und man hat damit schon zwei Wasserkraftwerke sind in Betrieb. Laut Umweltdach- unterschiedliche Habitattypen geschaffen: das verband befinden sich grobklastische Sediment, wo Lückenraumlebewesen Die Hauptursache für die Biodiversi- 60 Prozent der österreichi- Platz finden, und das Feinsediment, wo sich vielleicht schen Fließgewässer in auch schon Vegetation ansiedeln kann. Wir sorgen in tätskrise sind die Fragmentierung keinem guten ökologischen den Gewässern für Strukturen, indem wir zum und Zerstörung von Lebensräumen. Zustand, der entsprechend Beispiel Steinstrukturen und Biotopholz einbringen. Um die Artenvielfalt zu erhalten, der Vorgaben der EU-Wasser- Diese Elemente bieten vielen Arten Lebensraum, setzen die Bundesforste viele lang- rahmenrichtlinie bis zum Jahr Nahrung und Versteckmöglichkeiten.“ 2027 zu erreichen ist. Im Rahmen des LE-Projekts „Integratives ökologi- fristig wirksame Naturschutz- Die Bundesforste streben sches Gewässermanagement an Traun und Alm“ maßnahmen. gesunde Fischbestände in wurden im März 2021 in der Traun rund 5000 m2 Fluss- ökologisch intakten Gewäs- boden revitalisiert, um der gefährdeten Äsche und Fotos: ÖBf-Archiv/Clemens Ratschan, ÖBf-Naturraummanagement/Martina Schwantzer, ÖBf-Archiv/W. Gailberger sern an. Die Grundlage für die ökologische Gewässer- anderen Fischarten Laichplätze zu ermöglichen. Die bewirtschaftung der ÖBf ist der Gewässerkataster, durch den Kraftwerksbetrieb teilweise fast betonharte der seit 2011 erstellt und heuer abgeschlossen wird. Flusssohle wurde mit einem Bagger aufgegraben und DI Andreas Haas, Leiter des Geschäftsfelds Fischerei: durchgeschüttelt, sodass das Feinmaterial ausge- „Wir haben alle Fließgewässerstrecken der ÖBf – ins- schwemmt wurde. Andreas Haas: „Wir haben somit gesamt ca. 15.000 km (!) – kartiert und mehr als 120 die fehlenden Dynamiken nachgespielt und zusätzlich morphologische Kriterien wie Habitatausstattung, 175 Tonnen Kiesmaterial eingebracht. Der dadurch neu Mehr zum Thema Verbauungsgrad und Gewässerdynamik aufgenom- geschaffene Laichplatz wurde übrigens schon zwei „Fische im Naturgewäs- men. Dadurch haben wir einen noch besseren Wochen nach den Arbeiten von Fischen angenommen. ser“ erfährt man in den Überblick, wie es um unsere Fließgewässer bestellt Äschen und sogar Huchen, die auf der Roten Liste Videos der Vorträge des ist, und können sehen, welche Beiträge zur ökologi- stehen, haben sich bereits eingefunden.“ Mit diesem 8. ÖBf-Forschungstags, schen Gesamtverbesserung nötig und möglich sind.“ Projekt will man auch zeigen, dass es für Fischbestän- die man auf Um die Vielfalt in Fließgewässern zu fördern, de meist sinnvoller ist, für die wild lebenden heimi- bundesforste.at > sollte der Gewässerraum so dynamisch wie möglich schen Fische, die es noch gibt, Laichhabitate zu Die Bundesforste > sein und unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten schaffen, als gezüchtete (Speise-)Fische in Fließgewäs- Forschung abrufen kann. aufweisen. Andreas Haas: „Bei hoher Geschwindig- ser einzubringen. Untersuchungen wie „Troutcheck“ des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der BOKU Wien und Erhebungen im Auftrag der Bundes- forste haben ergeben, dass gezüchtete Fische in der 10 freien Wildbahn kaum Überlebenschancen haben. Die
AUSGABE 03/2021 – NR. 49 meisten verhungern oder werden gefressen. Die standen, und förderte hier bereits vorhandene Laubbäu- Fitness von Fischen, also das Vermögen, in der Wildnis me wie Weiden. Durch diese waldbaulichen Eingriffe zu überleben und sich hier auch erfolgreich fortzu- auf Flächen des Forstbetriebs konnte die Vernetzung pflanzen, nimmt ab, je länger die Tiere in Zuchtanlagen von noch bestehenden Auwald-Biotoptrittsteinen in der domestiziert werden. Dies lässt sich dann sogar im Region Wienerwald verbessert werden. Genom feststellen. Um die genetische Vielfalt der Fische in natürlichen Gewässern zu erhalten, schreiben die Bundesforste in ihren Pachtverträgen vor, dass für TA G FA LT E R S C H Ü T Z E N Besatzfische Gesundheitszeugnisse und der Nachweis vorgelegt werden müssen, dass die Tiere zumindest Mehr als die Hälfte der in Österreich vorkommenden aus dem jeweiligen Einzugsgebiet kommen. 208 Tagfalterarten gelten als gefährdet. Im Rahmen von freiwilligen Naturschutzmaßnahmen wird auf ÖBf-Flächen in verschiedenen Forstrevieren darauf LEBENSRÄUME VERNETZEN geachtet, für Tagfalter geeignete Lebensräume zu bewahren bzw. zu ermöglichen. In den Forstrevieren Telf Hydromorphologische Verbesserungen in Zubringer- und Pernitz etwa sorgt man mit der Freihaltung von bächen der Schwechat erzielten die Bundesforste im Magerwiesen für die Förderung des streng geschützten Zuge des Interreg-Projekts „Alpen-Karpaten-Fluss-Kor- Apollofalters. Durch das Schwenden von Moorflächen ridor“ an sechs Standorten im Forstbetrieb Wiener- und andere Pflegemaßnahmen kümmern sich die wald durch mehrere Maßnahmen, die 2020 gesetzt Forstreviere Mariazell, St. Michael und Göstling um die wurden: Man entfernte an den Bächen kleine Quer- Förderung des Blauschillernden Feuerfalters. bauwerke, tauschte glatte Betonrohre gegen gewellte In Sachen Insektenschutz mit dem Schwerpunkt Blechrohre und baute in Betonrohre eine Stahlleiter Wildbienen haben die ÖBf in den letzten Jahren ein, um Material anzureichern, damit die Durchwan- bereits viel Erfahrung gesammelt. In Zukunft wollen derbarkeit für Amphibien und Krebse erhöht wird. sie den Fokus auch auf den Schutz von Tagfaltern Zur Initiierung einer natürlichen Vegetation führte legen. Das ÖBf-Naturraummanagement bemüht man im gesamten Forstbetrieb Wienerwald entlang sich, vom neu gegründeten Biodiversitätsfonds (siehe von Fließgewässern Waldumbaumaßnahmen durch. auch Seite 5) zu einem Projektantrag eingeladen zu Man entnahm Nadelhölzer, die bis zum Gewässerrand werden. Man möchte in Zusammenarbeit mit der Forschung ein größeres Artenschutzprojekt realisie- Malaise-Falle zum ren – mit Erfahrungsaustausch, Fangen von Insekten Workshops und Umsetzung auf der Fläche. A B O L – AU ST R I A N B A R CO D E O F L I F E ABOL (abol.ac.at) ist ein österreichisches Referenzdatenbank verglichen werden, in der Fotos: ÖBf/Martina Keilbach, ÖBf/Gerhard Mittermüller, ÖBf/Alexandra Wieshaider Netzwerk von Biodiversitätsexpertinnen und die DNA-Sequenzen von verlässlich bestimm- -experten, die an der Erfassung der Tier-, ten Vertretern möglichst vieler Organismen selbst schwer erkennbare oder bisher unent- Pflanzen- und Pilzarten Österreichs mittels gespeichert sind (DNA-Barcodes). DNA-Barco- deckte Arten eruiert werden können. DNA-Barcoding arbeiten. Koordiniert vom ding ermöglicht die Unterscheidungen schwer ABOL und die Bundesforste Naturhistorischen Museum Wien (NHM) und bestimmbarer Arten auch anhand von Eiern, In den vergangenen Jahren unterstützten die vernetzt mit der internationalen Dachorgani- Larven und Geweberesten. ÖBf das ABOL-Teilprojekt „Wirbeltiere“, und sation iBOL werden drei Hauptziele verfolgt: Warum müssen Arten bestimmt werden? 2020 betreuten sie eine Malaise-Falle zum > die Vervollständigung und Aktualisierung Die genaue Bestimmung von Arten ist für viele Fangen von Insekten, die im Rahmen des des österreichischen Arteninventars, Fragestellungen unabdingbar, sei es im internationalen DNA-Barcoding-Projekts > die Beforschung von Interaktionen zwischen Naturschutz, in der Forschung oder bei der BIOSCAN im Biosphärenpark Wienerwald Arten (einschließlich des Menschen) und Qualitätskontrolle in der Lebensmittelproduk- aufgestellt war (siehe Abbildung). > Monitoring der Veränderungen des tion. Die präzise Früherkennung von invasiven Kontakt: Dr. Nikolaus Szucsich Arteninventars. Arten oder Schadorganismen ist nicht nur für (nikolaus-szucsich@nhm-wien.ac.at), Mit der molekulargenetischen Methode die Land- und Forstwirtschaft wichtig. Priv.-Doz.in Dr.in Elisabeth Haring DNA-Barcoding können Arten sicher bestimmt DNA-Barcoding ist auch für den Erhalt der (elisabeth.haring@nhm-wien.ac.at) werden, indem Abschnitte der DNA mit einer Artenvielfalt von größter Bedeutung, da damit Weitere Informationen: abol.ac.at
Das nächste NRM-Journal erscheint im Oktober 2021 zum Thema „Klimawandel“. Der Kontakt mit unseren Leserinnen und Lesern ist uns wichtig. Wir freuen uns über Hinweise, Vorschläge oder Kritik. Leserbriefe bitte an naturraummanagement@bundesforste.at Alle Informationen zur Datenschutzerklärung finden Sie auf bundesforste.at/naturraummanagement. Bei weiteren Fragen steht Ihnen unser Datenschutzbeauftragter (datenschutzbeauftragter@bundesforste.at) gerne zur Verfügung. Wenn Sie das NRM-Journal nicht mehr erhalten wollen, geben Sie uns dies bitte telefonisch (0 22 31/600-3110) oder per E-Mail (naturraummanagement@bundesforste.at) bekannt. bundesforste.at/naturraummanagement Ö Bf-FÜ H R U N G E N „WA L D D E R ZU KU N F T“ Sie sind neugierig, wie der Wald im Jahr 2100 in Ihrer Region aussehen wird? Die Bundesforste laden Sie herzlich zu einer der kostenlosen Waldführungen ein, die voraussichtlich Anfang September 2021 in den zwölf ÖBf-Forstbetrieben stattfinden werden. Im ersten Teil der Führung wird gezeigt, wie Wetterextreme als Folge des Klimawandels die Wälder schon heute massiv verändern und warum manche Baumarten den kommenden Bedingungen nicht gewachsen sein werden. Im zweiten Teil erfährt man, mit welchen Maßnahmen die ÖBf Wälder zu artenreichen Mischwäldern umbauen, welche Baumarten mit den veränderten Bedingungen gut zurechtkommen werden und wie man Naturverjüngung fördern kann. Am Ende der Führung wird gemeinsam ein „Zukunftsbaum“ gepflanzt. Weitere Informationen und Vormerkung: wald-der-zukunft.at > Waldführungen
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