I'm Isa Genzken, The Only Female Fool - Kunsthalle Wien #FemaleFool Booklet
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Kunsthalle Wien #FemaleFool Booklet I’m Isa Genzken, The Only Female Fool Museumsquartier I’m Isa Genzken, The Only Female Fool 28/5 – 7/9 2014 www.kunsthallewien.at
„Genzkens urbane Ästhetik ist nimmt diesen zum Ausgangspunkt verweisend, materiell, symbolisch einer radikalen Neuerfindung von und allegorisch zugleich“, schreibt Wirklichkeit. Formale Strenge trifft auf Joshua Decter in der die Ausstellung spielerische Materialkombinationen, begleitenden Publikation. „Sie scheint das Homogene auf das Disparate. Städte intuitiv als Orte von Wundern Die Vielfältigkeit des Ausdrucks zu begreifen, als Orte von Komplexität, ist jedoch nie beliebig, sondern Furcht und Hoffnung.“ korrespondiert mit jener Dynamik der Großstadt, die in ihrer Ambivalenz noch Die groß angelegte Einzelausstellung immer die wichtigste Inspirationsquelle von Isa Genzken in der Kunsthalle Wien für Genzken ist. Die klassische Strenge stellt diese Faszination für das Urbane der Architektur der Moderne, die in den Mittelpunkt. Die skulpturale postmoderne Faszination des Trivialen Auseinandersetzung mit der Architektur und das zusammengewürfelte steht dabei neben der Reflexion über Nebeneinander unterschiedlichster den sozialen wie gelebten Raum in Stile im realen Stadtraum – der den globalen Metropolen. Genzkens gebaute Raum als Spiegelbild unserer Soziale Fassaden erinnern an die Gegenwart und unseres Lebens – spiegelnden Oberflächen korporativer bildet den Rohstoff ihrer Skulpturen, Bauten, doch sie verzerren auch unser Assemblagen, Collagen und Filme. eigenes Spiegelbild, wenn wir diese, mit schimmernden und reflektierenden Diese Auseinandersetzung mit den Folien aus dem Baumarkt beklebten Widersprüchlichkeiten des Urbanen Bildobjekte betrachten. Ihre New und dem Gesellschaft verändernden Buildings for Berlin sind euphorisch- Potenzial, das in ihnen liegt, teilt utopische Entwürfe, die der real Genzken mit Künstlern wie Gordon errichteten Konformitätstristesse zeigen, Matta-Clark und Dan Graham, deren wie großartig zeitgenössisches Bauen Werk sie bewundert. In der Ausstellung aussehen könnte. Die Strandhäuser in der Kunsthalle Wien treten ihre zum Umziehen feiern das Improvisierte Arbeiten erstmals in einen Dialog der temporären Behausung als andere mit ausgewählten Exponaten von Orte der Sehnsucht. Die gemeinsam diesen Künstlern, die Parallelen in der mit Wolfgang Tillmans konzipierte Beschäftigung mit dem Stadtraum Installation Science Fiction/Hier und aufzeigen. Darüber hinaus sind Werke jetzt zufrieden sein bildet mit ihren von Carl Andre, Jasper Johns, Gerhard großen spiegelnden Kuben einen Richter, Wolfgang Tillmans und Resonanzkörper, der die Umgebung Lawrence Weiner zu sehen, die ebenfalls dupliziert und die Betrachter/innen in eine wichtige Quelle der Inspiration, den abstrakten Raum bildlicher Illusion des künstlerischen Austauschs und der suggestiv hineinzieht. gemeinsamen Arbeit für Genzken sind. Genzkens facettenreiches Werk Kurator: Nicolaus Schafhausen überrascht immer wieder durch seinen Ideenreichtum und findet Zur Ausstellung erscheint eine dennoch eine klare Verankerung im Publikation mit Texten von Joshua Feld des Skulpturalen. Es wirft einen Decter und Tom McDonough im Verlag kritischen Blick auf die Gegenwart und Sternberg Press. 2
Ellipsoide und New York Hyperbolos „New York hatte für mich direkt etwas mit Skulptur zu tun ... New York ist eine Stadt von einer unglaublichen Stabilität und Solidität. Und dann diese Höhe der Gebäude dazu ...“ (Isa Genzken im Gespräch mit Wolfgang Tillmans). Die Fotoserie New York entstand zwischen 1998 und 2000 und besteht aus ca. 600 s/w- und Farbfotografien. Es sind Aufnahmen von Wolkenkratzern, Fassaden, reflektierenden Isa Genzken, Blau-grün-gelbes Ellipsoid ‘Joma’, Fensterfronten, Straßenschluchten 1981, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln und Gebäuden, die sich in anderen Gebäuden spiegeln. Urbanität Zu den frühesten Arbeiten von präsentiert sich in diesen Bildern Genzken zählen die Ellipsoide und als Agglomeration beeindruckend Hyperbolos aus lackiertem Holz, eleganter Hochhäuser und als die sie in den Siebzigerjahren mit Sinnbild von Modernität. Abstrakt Hilfe eines Modellschreiners und in der Detailansicht und manchmal eines Physikstudenten fertigte. in die Diagonale verschoben, um Die Form der langgezogenen, die Dynamik der Architektur zu stromlinienförmigen Skulpturen betonen, erinnern diese ohne großen wurde mit dem Computer berechnet, damals ein sehr aufwändiger Prozess. Die perfekt konvergierenden Parallelen der farbigen Holzskulpturen ruhen nur an einem bzw. zwei Punkten auf dem Boden und strukturieren den sie umgebenden Raum. Glatt geschliffen und glänzend lackiert, verfügen sie über eine ungewöhnliche Präsenz, die gegenständliche Assoziationen zugunsten der geometrischen Konstruiertheit in den Hintergrund treten lässt. Schwerpunkt und Auflagestelle geraten in ein Spannungsverhältnis, das von den geschwungenen Linien der Skulpturen aufgenommen wird. In diesen Werken scheint die Oberfläche Tiefe zu besitzen, während sich die Tiefe als gewölbte Auffaltung einer Isa Genzken, New York, N.Y., 1998/2000, Oberfläche präsentiert. Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln 3
Aufwand erstellten, gleichwohl einer New Buildings strengen Komposition folgenden Bilder an die Fotografie des Neuen for Berlin Sehens, wie sie das Bauhaus geprägt hat. Die Dynamik der Großstadt visualisiert sich in geometrisch strukturierten Gebäuden und einer rasterförmigen Straßenführung, die auf Beschleunigung zielt. I love New York, Crazy City nennen sich entsprechend die bereits 1996 entstandenen collagierten Bücher, in denen Genzken der von ihr geliebten Stadt ihre Reverenz erweist. Isa Genzken, New Buildings for Berlin (Alpha), 2014, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln Architektur ist das vielleicht wichtigste Thema im Werk von Genzken, das in ihren Entwürfen für New Buildings for Berlin prägnanten Ausdruck findet. Diese abstrakten Modelle für Hochhäuser orientieren sich an utopischen Raumkonzepten der klassischen Moderne wie z. B. Mies van der Rohes Entwurf für einen gläsernen Wolkenkratzer am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin aus dem Jahr 1922. „Nur im Bau befindliche Wolkenkratzer zeigen die kühnen konstruktiven Gedanken, und überwältigend ist dann der Eindruck der hochragenden Stahlskelette“, notierte van der Rohe damals. Genzken führt den konstruktiven Gedanken noch weiter und arrangiert aus farbigem Glas skulpturale Formationen, die auf Prinzipien des 4
Modernismus mit seinem visionären, zeitgenössischen Verfasstheit des auch gesellschaftlichen Anspruch Sozialen – Spiegel einer verdinglichten verweisen, zugleich aber auch das Subjektivität oder Produkt einer im Feld des Skulpturalen jenseits von Konsum ihre Verwirklichung findenden Abbildhaftigkeit für sich reklamieren. Gesellschaft. Soziale Fassaden Stelen Die Stelen genannten Säulen, die aufwändig mit verschiedenen Folien, manchmal auch Bildern und Postkarten beklebt sind, werden meist mit Genzkens Interesse an moderner Architektur, insbesondere den Wolkenkratzern New Yorks, in Verbindung gebracht. Die schlanken, rechteckigen Stelen weisen aber auch einen expliziten Bezug zum Isa Genzken, Soziale Fassade, 2002, Courtesy Minimalismus der amerikanischen Galerie Buchholz, Berlin/Köln Nachkriegskunst auf, mit dem sich Genzken seit dem Beginn ihrer Soziale Fassaden sind Bildobjekte, die Karriere auseinandergesetzt hat. von Genzken mit Spiegelfolien und anderen mehrheitlich reflektierenden Materialien überzogen worden sind. Sie suggerieren, dass man sich in ihnen sehen kann, verzerren jedoch das Bild. Ähnlich den verspiegelten Fassaden korporativer Bauten, die vom Innenraum aus den Blick nach draußen erlauben, den Blick ins Innere von außen jedoch verwehren, sind sie einladend und abweisend zugleich. Tatsächlich erinnern sie als letztlich gesichtslose Fassaden an die Außenhaut moderner Architektur, widersetzen sich über ihre reflektierenden Oberflächen aber auch jeder definitiven „äußeren Erscheinung“, da sich diese je nach Umgebung verändert. Wo wir unser Gesicht zu finden hoffen, stoßen wir auf die materielle Widerspenstigkeit von Metall, Plastik und reflektierender Isa Genzken, A, B, C, D, 2002/2003, Courtesy Folie. Die Sozialen Fassaden sind Privatsammlung Jarla Partilager und Galerie Buchholz, Berlin/Köln, Foto: Mathias Johansson so betrachtet auch ein Ausdruck der 5
Dass sie die Namen von Personen Ohren tragen, mit denen Genzken befreundet ist oder die für sie von Wichtigkeit sind, verleiht ihnen außerdem den Charakter abstrakter Porträts, bei denen das Sortiment des Baumarktes gleichförmig strukturierten Skulpturen ein individuelles Design zugesteht: post-fordistische Do-it-yourself- Konstruktionen von Subjektivität. Science Fiction/ Hier und jetzt zufrieden sein Das Werk ist eine Zusammenarbeit von Isa Genzken und Wolfgang Tillmans und entstand 2001 für eine Ausstellung Isa Genzken, Ohr, 1980, Courtesy Galerie im Museum Ludwig in Köln. Buchholz, Berlin/Köln Die verspiegelten Wandflächen von Genzken, die den/die Betrachter/in In New York hat Isa Genzken eine in einer verschachtelten Reflexion Serie von Fotografien der Ohren gefangen nehmen, stehen der von Frauen gemacht, die sie auf der monumentalen Fotografie Wake Straße angesprochen hat. Das Ohr ist von Tillmans gegenüber. Diese hier als körpereigener „Empfänger“ zeigt die Überreste einer Party in exponiert. So wie es eine ganze seinem Atelier. Der institutionelle Reihe von „Weltempfängern“ in Raum der Kunst amalgamiert mit Genzkens Werk gibt, abstrakten, mit dem informellen Dancefloor, wobei Antennen ausgestatteten Skulpturen, die Präsenz der Spiegel und die von ist auch das Ohr ein Aufnahmegerät ihnen erzeugte Dynamisierung des für Impulse von außen, das Raumes eigentümlich dissonant auf auditive Nachrichten empfängt. die verlassene Partyszene treffen: In der Vergrößerung lösen die das „Hier“ und „Jetzt“ reagiert auf Fotografien das sensorische Organ ein „Dort“ und „Früher“. Raum und in eine plastische Form auf, die den Zeit überlagern sich, und auch Lautsprechern und Weltempfängern die spiegelnde Oberfläche – ein durchaus gleichgestellt ist. Der Körper zentrales Motiv bei Genzken seit wird objektiviert wie ein Apparat, der den Neunzigerjahren – schwankt externe Informationen zu verarbeiten plötzlich zwischen Euphorie und hat. Sachlich kühl dokumentiert, einer der realen Wirklichkeit nur blenden die Fotografien alles vorgeblendeten Illusion. Individuelle aus und entdecken das Skulpturale in der zweidimensionalen 6
Reproduktion. „Ich glaube, dass Hemden Fotografie viel mit Skulptur zu tun hat – weil sie räumlich ist und weil sie Realität abbildet.“ (Genzken) Atelier Isa Genzken hat in den Achtzigerjahren in Köln gelebt, als die Stadt eines der Zentren der zeitgenössischen Kunst war. Die Isa Genzken, Hemden, 1998, Courtesy Galerie gemeinsam mit Wolfgang Tillmans Buchholz, Berlin/Köln, © Kunsthalle Wien, 2014, Foto: Andrea Fichtel entwickelte Fotoserie Atelier wurde im Kölner Dom aufgenommen und zeigt sie inmitten der imposanten Bislang kaum gezeigt wurden sakralen Architektur. Der Titel die verschiedenen von Genzken Atelier suggeriert, dass es sich bemalten Hemden. Diese durchaus bei dem Kölner Dom um einen zum Anziehen gedachten Objekte inspirierenden Ort für das eigene basieren auf einer direkt in Kunstschaffen handelt, der in das Feld sozialer Begegnung seiner aufstrebenden Ausrichtung übertragenen Idee von Skulptur. tatsächlich Genzkens Interesse an Die von Farbspuren in Neon- und modernen Hochhausbauten aus Silbertönen überzogenen Textilien historischer Perspektive reflektiert. hat Genzken selbst getragen und Die Art und Weise, wie sich Genzken auf Fotografien in ihnen posiert. in der Kathedrale präsentiert, lässt Sie sind gestaltete Objekte und die Umgebung aus Kreuzgängen, Kleidungsstücke zugleich, die einmal Strebepfeilern und Gebetsstühlen mehr den Anspruch Genzkens jedoch eigentümlich in den unterstreichen, alltägliche Dinge in Hintergrund rücken und widerspricht der künstlerischen Aneignung und souverän dem Anspruch, der Mensch Verfremdung zum zeitgenössischen habe sich der sakralen Architektur Spiegel des Selbst zu erheben. unterzuordnen. Isa Genzken/Wolfgang Tillmans, Atelier, 1993, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln 7
Strandhäuser zum Skulpturen im Umziehen öffentlichen Raum Die Strandhäuser zum Umziehen sind improvisierte Hütten, die Genzken aus verschiedenen Materialien collagiert hat: ein mit Konfetti beklebter Kubus trifft auf ein komplett verspiegeltes Haus, das aus vier an eine Espressodose gelehnten Spiegelstücken besteht. Das Grundprinzip des umbauten Raumes ist in den auf ihre Grundkoordinaten beschränkten Arbeiten evident. Isa Genzken/Gerhard Richter, U-Bahnstation Eher um Tektonik denn Archi/tektonik König-Heinrich-Platz, Duisburg, 1992, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln besorgt und vom Prinzip der Bricolage, dem improvisierenden Zusammenfügen des Vorhandenen, Zahlreiche Projekte für den bestimmt, umgibt die Strandhäuser öffentlichen Raum sowie Skizzen zum Umziehen eine spielerische zu unrealisierten Projekten machen Atmosphäre. Letztlich handelt es deutlich, wie wichtig für Genzken sich um modellhafte Konstruktionen der Bezug ihrer Werke zu dem für einen Raum, in dem man sich der sie umgebenden Raum ist. Das Kleidung entledigt und die Badesachen 1992 gemeinsam mit Gerhard anzieht. Der latente Voyeurismus, Richter entwickelte Emaille- den solche Orte anziehen, ist über Wandbild für eine U-Bahnstation die transparenten, partiell offenen in Duisburg steht für Kunst in Konstruktionen denn auch diesen urbanen Transitbereichen, die im Entwürfen zwischen Architekturmodell Innenhof des New Yorker MoMA und Skulptur implizit. aufgestellte, überdimensionierte Rose für eine subtile Verschiebung des Maßstabs der Betrachtung. Abstrakte Rahmungen, die die Umgebung wie ein Fensterausblick einfangen, erzeugen eine eigene Form räumlicher Präsenz. Es gehe in ihren Skulpturen weder um eine Aneignung des Raumes, so Genzken, noch um eine Umschließung oder die Festlegung einer bestimmten Perspektive. Isa Genzken, Strandhäuser zum Umziehen, Zurückhaltend in der Gestaltung, 2000 (Detail), Courtesy Sammlung FRAC insistieren gerade Genzkens Werke Nord-Pas de Calais, Dunkerque und Galerie Buchholz, Berlin/Köln für den öffentlichen Raum darauf, Vorschläge zu sein, wie sich die Welt anders betrachten lässt. 8
Haare wachsen Ich frage mich immer wieder: Welche Künstler habe ich in meiner Jugend wie sie wollen besonders geschätzt? Michael Asher, Lawrence Weiner, Dan Graham, Carl Haare wachsen wie sie wollen entstand Andre – fast nur Amerikaner. Und 2002 für die Galerie Meerrettich in Berlin, weiter frage ich mich: Als ich etwas einen seinerzeit von dem Künstler älter wurde, wen dann? Wolfgang Josef Strau am Rosa-Luxemburg-Platz Tillmans und Kai Althoff …“ So Isa betriebenen Ausstellungsraum. Die Genzken in einem Gespräch mit Arbeit besteht aus einer Ansammlung Wolfgang Tillmans 2005. Dieser von Bambusstangen, die wie Haare aus kleine Kreis zeitgenössischer dem Dach des kleinen freistehenden Lieblingskünstler lässt sich mit Blick Gebäudes wucherten. Später wurde auf ihr Leben und Werk noch um die Außenskulptur auf dem Dach des einige ihr persönlich oder künstlerisch italienischen Pavillons in Venedig nahestehende Persönlichkeiten während der Biennale 2003 gezeigt und erweitern. In der Ausstellung werden ist während der Ausstellung auf dem ausgewählte Arbeiten aus Genzkens Dach der Kunsthalle Wien Karlsplatz quantitativ immer klar begrenztem zu sehen. Skulpturen sind für Genzken künstlerischen Umfeld ihren eigenen inhaltlich aufgeladene Objekte, die Werken gegenübergestellt. über ihre Platzierung im Außen- oder Innenraum stets mit diesem in Zwischen 1982 und 1993 war Genzken Beziehung treten und mit der jeweiligen mit dem Maler Gerhard Richter Architektur und deren sozialer wie verheiratet, dessen Studentin sie in ideologischer Aufladung einen Dialog seiner Meisterklasse in Düsseldorf aufnehmen. Die Widerspenstigkeit gewesen war. Für die 1992 realisierte der Haare ist so betrachtet auch ein gemeinsame Gestaltung einer Plädoyer für jenen Wildwuchs im U-Bahnstation in Duisburg (erster Urbanen, der trotzig auf das allgemein Entwurf: 1980) fanden Genzkens steigende Konformitätsbestreben plastisches Interesse an Materialien reagiert. und Richters Vorliebe für Flächen und Farbe zusammen. Dynamisch ausschwingende Kreissegmente zeichnen die Umlaufbahnen von Lieblingskünstler, Merkur und Venus nach. Künstlerfreunde Richters Kugel II von 1992 fungiert hingegen als real bewegbare und Gemein- Kleinskulptur, deren polierte Oberfläche ihre Umgebung schaftswerke verkleinert widerspiegelt. „Im Grunde steht Kunst oft auf der Anders „beweglich“ wieder sind Kippe, indem sie einem einmal sehr Kunstwerke, die allein aufgrund vertraut erscheint und ein andermal einer von Künstler/innen verfassten gar nicht. Diese Eigenschaft haben Handlungsanweisung an jene Künstler, die ich liebe … unterschiedlichen Orten ausgeführt 9
werden können. Lawrence Weiner theoretische Arbeiten fokussieren hat 1968 in seiner Declaration of immer wieder das Subjekt und Intent festgehalten, dass bereits dessen Beziehungen zur Umwelt. die Idee das Werk sein kann und die Denn für Graham ist dieses „keine Entscheidung über dessen – allfällige atomistische Entität, sondern es ist – Ausführung beim Empfänger erst im Netz der Beziehungssysteme zum Zeitpunkt des Empfangs liege. und der Strukturen der Umgebung So lässt sich auch seine damals definiert.“ verfasste Anweisung Two minutes of spray paint directly upon Seine Fotografien der gemeinsam the floor from a standard mit Robin Hurst 1987 geschaffenen aerosol spray can ohne Bild- und Textmontagen der Serie weiteres Zutun des Künstlers im Private ‘Public’ Space: The Corporate Ausstellungsraum umsetzen. Atrium Garden zeigen Atriumgärten Weiners hier auch eingeschlossene von Firmengebäuden, die den Intention der „Entmaterialisierung“ Traum des Stadtmenschen von der des Kunstwerks sowie der Erde als Paradiesgarten ebenso Einbeziehung der Betrachter/innen reflektieren, wie sie als Parallelwelten selbst in die Produktion und zu suburbanen Shoppingmalls Rezeption von Kunst steht Genzkens betrachtet werden können. Auffassung von Skulptur sehr nahe. „Ich war mit 21 das erste Mal in Dabei geht es auch um das New York, und so fasziniert von der Verwischen der Grenzen Architektur und froh, dass es so zwischen dem Öffentlichen etwas gibt und dass ich so etwas und dem Privaten und um die visuell erleben durfte, dass ich gegenseitige Befruchtung der damals dachte: Hier möchte ich Skulptur- und Architektursprachen eigentlich leben. Denn New York – ein Charakteristikum für das Werk hatte für mich direkt auch etwas eines weiteren Konzeptkünstlers mit Skulptur zu tun – es muss aus dem Freundeskreis Isa so gewesen sein“, erinnert sich Genzkens: Dan Graham hat sich Isa Genzken 2003 an ihre ersten seit den Sechzigerjahren mit Eindrücke von dieser Stadt, die sie der Organisation von Räumen später immer wieder besuchen, der Arbeit, der Produktion, des durchstreifen und erforschen Gemeinschaftswesens, aber auch sollte. In dieser Art der Re- und De- mit der aufkommenden Uniformität Konstruktion bestimmter Orte zeigen mittelständischer Wohnsiedlungen sich Geistesverwandtschaften im Nachkriegsamerika befasst. zu Gordon Matta-Clark, der sich 1981 streifte Genzken mit Graham mit seinen nonuments und an- durch die Clubs von New York und architectures vorzugsweise an fotografierte das Konzertgeschehen. strategischen Architekturstandorten, Dabei ging es nicht um die wo Übergänge von städtischer Dokumentation von Persönlichkeiten Vernachlässigung und Verfall zu der Musikszene, sondern um die Neugestaltung und Gentrifizierung Konzentration auf deren Posen. Auch stattfanden, in die Städte Dan Grahams künstlerische und einzumischen versuchte. 10
So lieferte er in seinem Projekt Texte und Schriften in die Annalen des Reality Properties – Fake Estates Kunstsystems eingehen. (1973) eine „knochentrockene Hommage à Jasper Johns heißt ein Burleske zum launischen Wesen 2009 entstandenes Bild Isa Genzkens. des Privatbesitzes und des Es besteht zur Hälfte aus einer Immobilieninvestments: Auf durchsichtigen, mit ocker-orangenen Auktionen kaufte er für je 25 Dollar Farben besprühten Plastikfolie, auf die Besitzurkunden winzig kleiner die in der anderen Hälfte kleinkarierte Stücke städtischen Grundes, auf gold- und silberverspiegelte Folien den niemand Anspruch erhob, vertikal übereinander geklebt sind. und dokumentierte diese nahezu „Es ist Jasper Johns gewidmet, da er unsichtbaren Teile des städtischen hauptsächlich diese Fahnen gemacht Raumes, um Eigentum als einen hat, also er ist so bekannt für seine absurden Zustand zu entlarven.“ Fahnen (Flags) und ich dachte auch an (Joshua Decter). Fahnen und habe dann das gemacht …“ Mit Michael Asher, einem der ersten Johns’ seit 1954 entstandene Konzeptkünstler in den USA, war Isa zahlreiche Variationen zur Genzken schon früh freundschaftlich amerikanischen Flagge sind in verbunden. Seine „subtilen aber einer für ihn spezifischen Technik absichtlichen Interventionen – ausgeführt: Der Bildträger Ergänzungen, Änderungen oder wird mit einer Collage aus Subtraktionen – insbesondere in Zeitungsausschnitten grundiert, ein und von Umgebungen“ waren in populäres Bildmotiv wird gewählt den späten Sechziger- und frühen und in einer Kombination aus Siebzigerjahren vor allem konzeptuelle Ölmalerei und Enkaustik auf den Eingriffe in die Funktionsweisen von Bildträger aufgetragen. So flattern Ausstellungsorten: Ausstellungswände diese Fahnen nicht zum Sieg oder leer zu lassen und nur die Untergang, sondern bleiben flach Stellwandsysteme auszustellen, und unbewegt. Sie widersetzten Trennwände zwischen dem sich damit zugleich auch dem Ausstellungsraum und dem Büro künstlerischen Zeitgeist: Als Johns einer Galerie oder die Türen eines in New York sein erstes Fahnenbild Ausstellungsraumes zu entfernen, malte, triumphierten hier die um ihn damit rund um die Uhr offen zu dramatisch expressiven Gesten des halten, sind einige seiner bekanntesten Abstrakten Expressionismus. Interventionen dieser Art, die er schlicht und einfach dislocations nannte. Wie die Fahne ist auch Jasper Sein Ziel war es, durch räumliche Johns’ zweites Hauptmotiv dem Umschichtungen und Veränderungen Fundus der gängigen Signale automatisierte Vorstellungen von entnommen: Targets (Zielscheiben). Anordnungen und Ordnungen Auch sie sind ein bekanntes bewusst zu machen. Asher hat keine Muster, eine Realität und eine physischen Werke hinterlassen. Sein Metapher zugleich. Johns hat umfassendes Werk kann wegen beides vor die Augen zurückgeholt; seiner radikal kontext-spezifischen die einfache Zielscheibe durch Natur nur in Form von Reprints seiner Vergrößerung, Aufbrechen 11
von Farbe und Oberfläche; die Programm metaphorische Qualität, indem er kleine, zuklappbare Kästchen an die Oberkante des Bildes montierte und in diese Abgüsse eines Gesichts oder Eröffnung menschlicher Körperteile stellte. Assoziationen werden ausgelöst, Di 27. Mai, 19 Uhr zerstört, hängen im Raum, werden neu gepolt. Vorträge Di 27. Mai, 18 Uhr Jennifer Kabat The Bauhaus Disco: 18 Thoughts on the Grace Building, Ghost Estates and Isa Genzken Die in New York lebende Kunstkritikerin und Autorin Jennifer Kabat stellt das Werk von Isa Genzken und insbesondere seine Bezüge zur Architektur vor. (Auf Englisch, Eintritt frei) Di 2. Sep, 18 Uhr Vanessa Joan Müller We Are The Only Female Artists Vanessa Joan Müller spricht über Künstlerinnenkarrieren in der Männerdomäne Nachkriegskunst. (Auf Deutsch) Gespräch Mi 25. Jun, 18 Uhr Daniel Buchholz & Nicolaus Schafhausen Who is Isa Genzken? Der langjährige Galerist von Isa Genzken, Daniel Buchholz, und Nicolaus Schafhausen sprechen über ihren persönlichen Zugang zum Werk der Künstlerin und dessen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. (Auf Deutsch) 12
Filmprogramm macht das Private öffentlich, ohne es der Öffentlichkeit preiszugeben. Do 10. Jul, 19 Uhr Das Haus und die Lebenswelt der Großeltern erscheinen wie Isa Genzken, Zwei Frauen im eine Gegenwelt zu jener, die sich Gefecht in Genzkens anderen Werken 1974, 16mm übertragen auf DVD, spiegelt, und markiert doch s/w, ohne Ton, 8 Min. auf nachdrückliche Weise die Darstellerinnen: Vorstellung des gelebten Raumes als Isa Genzken, Susan Grayson gesellschaftlich sozialem Raum. Kamera: Benjamin H. D. Buchloh Do 24. Jul, 19 Uhr Zwei Künstlerinnen – Isa Genzken und Susan Grayson – tauschen ihre Isa Genzken, Warum ich keine Kleidung. Die eine ist groß und dünn, Interviews gebe die andere kleiner und dicker, und 2003, Video, Farbe, Ton, 10 Min. doch passen Bluse, Rock, BH und Kamera: Armin Krämer Schuhe auf unterschiedliche Weise beiden gleichermaßen gut, wie der In dem auf Improvisation beruhenden mehrmals wiederholte Austausch 10-minütigen Film Warum ich keine dokumentiert. Interviews gebe spielt Kai Althoff einen investigativen Kunstjournalisten, der Isa Genzken, Chicago Drive die Künstlerin Isa Genzken zu ihrem 1992, 16mm übertragen auf DVD, Werk befragen will. Ein Interview zu Farbe, Ton, 26 Min. geben sei das Gegenteil davon, Kunst Kamera: Ray Wang zu machen, stellt Genzken fest, und beantwortet die Frage nach ihrem Chicago Drive ist eine filmische Zugang zur zeitgenössischen Kunst Auseinandersetzung mit der damit, dass die Nötigung, solche berühmten Architektur Chicagos, Fragen beantworten zu müssen, der die durch Kamerafahrten entlang Grund sei, warum sie keine Interviews der Fassaden von Hochhäusern, gibt. Ein Interviewfilm über die reflektierenden Fenstern und Weigerung, interviewt zu werden. Autobahnen eingefangen und in eine abstrakte Matrix der Moderne Isa Genzken, Empire/Vampire, übersetzt wird. Who Kills Death 2003, Video, Farbe, ohne Ton, 40 Min. Isa Genzken, Meine Großeltern im Kamera: Christoph Manz Bayrischen Wald 1992, Video, Farbe, Ton, 63 Min. Empire/Vampire ist eine Gruppe von Skulpturen aus Alltagsgegenständen, Der Film, den Isa Genzken 1992 die wie in einem Diorama über ihre Großeltern kurz vor katastrophische Szenarien entfalten. deren Tod gedreht hat, ist ein Auf Sockeln in Augenhöhe präsentiert, persönliches Dokument, das Alltag entwickelt Genzken in diesen und Routine eines abgeschieden Assemblagen eine dystopische Sicht lebenden Ehepaares festhält. Er auf die Gegenwart. 13
Das Video Empire/Vampire, Who Kills Vermittlungs- Death zeigt, wie Genzken die gleichnamige Werkgruppe mit Hilfe programm ihres Kameramanns Christoph Manz filmisch dokumentiert und als ein Sonntagsführungen ständig in Bewegung und Veränderung Sonntags, 15 Uhr befindliches bildhauerisches Werk Überblicksführungen durch die interpretiert. Ausstellung mit gratis illycaffè. Mit gültigem Ausstellungsticket gratis. Do 4. Sep, 19 Uhr Individuelle Führungen nach Isa Genzken/Wilhelm Schnell, Voranmeldung Ground Zero Besuchen Sie die Ausstellung mit 2007/2008, Video, Farbe, ohne Ton, unseren erfahrenen Kunstvermittler/ 6 Min. innen. Das Video von Wilhelm Schnell und Isa Kunstgespräche und Genzken zeigt den Ground Zero in New Dialogführungen York vom 36. Stockwerk des Millenium für alle Schulstufen (auf Deutsch und Hotels aus gesehen. Englisch möglich) Isa Genzken/Kai Althoff, Die Kleine wienXtra Sommerferienspiel Bushaltestelle (Gerüstbau) Bau dir dein eigenes Strandhaus! 2012, Digitalfilm, Farbe, Ton, 71 Min. Mo 7. – Fr 11. Juli, jeweils 10.30 – 13 Uhr Die Teilnahme ist kostenlos, Zusammen mit Kai Althoff hat Isa Anmeldung und Informationen unter: Genzken zwischen 2007 und 2010 vermittlung@kunsthallewien.at einen Episodenfilm zwischen Slapstick und Improvisationstheater gedreht, in MQ ArtNight dem sie unterschiedliche Rollen und Ausstellungsrundgänge durch Paarkonstellationen durchspielen. Kunsthalle Wien, Leopold Museum Zu Hause und unterwegs, in Berlin, und mumok Köln und New York wurde mit einer einfachen Digitalkamera gedreht. Termine: 29. Mai, 19. Juni, 14. August, Die lose verbundenen Sketche jeweils 17 – 21 Uhr und Szenen kreisen um Liebe und Sex, den Wetterbericht, Krankheit, EUR 12 Geld und immer wieder die Kunst. Die Tickets sind ab 17 Uhr im MQ Viele der Episoden, dialogisch oder Point und in den beteiligten Häusern antagonistisch angelegt, verstehen sich erhältlich. www.mqw.at als Allegorie auf die zeitgenössische Kreativexistenz und deren Aporien. Mehr Informationen zu Führungen und Vermittlungsprogramm: +43 (0)1 5 21 89-1253 vermittlung@kunsthallewien.at kunsthallewien.at/education #Vermittlung 14
Impressum Presse: Katharina Murschetz © 2014 Kunsthalle Wien GmbH Stefanie Obermeir Julia Gartner (Praktikantin) Direktor: Nicolaus Schafhausen Kuratorin des Veranstaltungsprogramms: Kaufmännische Geschäftsführerin: Vanessa Joan Müller Ursula Hühnel-Benischek Vermittlung: I’m Isa Genzken, The Only Female Fool Isabella Drozda 28/5 – 7/9 2014 Belinda Hak Stefanie Fridrik (Praktikantin) Ausstellung Kunstvermittler/innen: Kurator: Wolfgang Brunner, Daniela Fasching Nicolaus Schafhausen Maximiliano Kostal, Ursula Leitgeb Alexandra Matzner, Anna May Kuratorische Mitarbeit: Martin Pfitscher, Michael Simku Andrea Fichtel Vivien Trommer Assistenz der Geschäftsführung: Lilou Vidal Sigrid Mittersteiner Ausstellungsmanagement: Finanzen: Katharina Götschl Mira Gasparevic Gerhard Gosch Technik: Doris Hauke Beni Ardolic, Johannes Diboky Frank Herberg, Mathias Kada Besucherservice: Othmar Stangl Christina Zowack Externe Technik: Ausstellungsbooklet Harald Adrian Hermann Amon (Video, Audio) Herausgeber: Danilo Pacher Kunsthalle Wien GmbH Ausstellungsaufbau: Texte: Marc-Alexandre Dumoulin Lucas Gehrmann Scott Hayes, Johann Schoiswohl Vanessa Joan Müller Andreas Schweger Redaktion: Marketing: Dalia Ahmed Dalia Ahmed Katharina Baumgartner Katharina Baumgartner Bernadette Vogl Gestaltung: Michael Wuerges Antoine Begon Ellen Tiefenbacher (Praktikantin) Boy Vereecken 15
Information Mehr Informationen zum Programm finden Sie unter: kunsthallewien.at blog.kunsthallewien.at facebook.com/KunsthalleWien instagram.com/KunsthalleWien twitter.com/KunsthalleWien #FemaleFool Kunsthalle Wien GmbH Museumsplatz 1, , 1070 Wien, Austria www.kunsthallewien.at +43 (0) 1521 89-0 Öffnungszeiten: Täglich 10 – 19 Uhr, Do 10 – 21 Uhr Eintrittspreise: Regulär: EUR 8 Ermäßigt: EUR 6 Spezialpreis für Studierende: EUR 2 Jahresticket: EUR 29 Die Kunsthalle Wien GmbH ist die Institution der Stadt Wien für internationale zeitgenössische Kunst und Diskurs.
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