Gesellschafts- und Unternehmensrecht - to the point: 1. Quartal 2021 - Schoenherr
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to the point: Gesellschafts- und Unternehmensrecht 1. Quartal 2021
Inhalt: 1. Aktuelle Rechtsprechung 4 2. Ansprechpartner und Autoren 9
In Kürze: OGH zu Abfindungsklauseln bei Personengesellschaften: Eine vereinbarte "angemessene" Abfindung kann zur Anwendung dispo- sitiven Gesetzesrechts führen, wobei – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – ein Abschlag angebracht sein kann. OGH zum Aufsichtsrat im Konzern: Die Prüfungskompetenz des Aufsichtsrats erstreckt sich unter gewissen Voraussetzungen auch auf die Gebarung in der Tochtergesellschaft. OGH zur Haftung des Aufsichtsrats: Der Aufsichtsrat einer Ge- sellschaft kann wegen der Zustimmung zur Kreditgewährung haf- ten, wenn diese nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Aufsichts- rats vereinbar ist. OGH zum positiven Verkehrswert bei der Verschmelzung: Im Fall einer up-stream Verschmelzung kann das Vermögen der über- tragenden Tochtergesellschaft negativ sein, sofern die Mutterge- sellschaft nach der Verschmelzung die Verbindlichkeiten sämtlicher Gläubiger bedienen kann. OGH zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters: Der Informationsanspruch des Gesellschafters gegenüber einer Toch- ter- oder Enkelgesellschaft geht grundsätzlich nur so weit, als die Muttergesellschaft dem Informationsbegehren nachkommen kann. Sechs Entscheidungen zum Stiftungsrecht: (1) Das Firmenbuch- gericht darf im Rahmen seiner materiellen Prüfpflicht die Vorlage der Stiftungszusatzurkunde verlangen, jedoch ohne Aufnahme dersel- ben in die Urkundensammlung. (2) Gestaffelte Änderungsrechte der Stifter sind grundsätzlich zulässig. Eine Mehrzahl an Stiftungs- und Stiftungszusatzurkunden ist unzulässig. (3) Wenn sich eine Stifter- mehrheit das Recht auf Abberufung von Mitgliedern des Stiftungs- vorstands vorbehält, kommt ihr Organeigenschaft zu. (4) Wird in ei- ner Mandatsvereinbarungen zwischen einer Privatstiftung und einer Rechtsanwaltskanzlei, der ein Stiftungsvorstandsmitglied angehört, die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen, ist die Ver- sagung der Genehmigung nach § 17 Abs 5 PSG keine durch den OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung. (5) und (6) Einzelnen Mitglie- dern des Stiftungsvorstands kommt keine Rechtsmittellegitimation bei der Eintragung von Änderungen der Stiftungserklärung zu. OGH in weiteren Entscheidungen: • Das Recht zur Bestellung von Sonderprüfern ist kein Mittel zur generellen Kontrolle der Geschäftsführung. • Wird vor Insolvenzeröffnung zwar der Ausschluss eines Ge- sellschafters beschlossen, nicht jedoch der für den Übergang des Geschäftsanteils notwendige Notariatsakt abgeschlossen, so un- terliegt der Anspruch auf Abschluss eben dieses Notariatsakts der Prozesssperre nach § 6 IO. • Die Notariatsaktspflicht nach § 76 Abs 2 GmbHG ist zwingendes Recht. Werden Anbot und Annahme in Bezug auf die Übertragung eines Geschäftsanteils in zwei Urkunden getrennt, bedürfen beide der Notariatsaktform. • Die Verjährungsregelung des § 113 Abs 3 UGB gilt nicht für Kon- ventionalstrafen, die im Gesellschaftsvertrag bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot vorgesehen ist. • Ein mittels Scheinbeschlusses abberufener Geschäftsführer kann ein Rechtsmittel gegen den Löschungsbeschluss im Namen der Gesellschaft erheben, nicht jedoch im eigenen Namen. • Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses bildet kein Eintragungs- hindernis im Firmenbuch-Verfahren. • Solange ein zurückgetretener Geschäftsführer noch im Firmen- buch eingetragen ist, muss sich die Gesellschaft im Zweifel ver- meintliche Vertretungshandlungen durch diesen zurechnen lassen. 3
1. Aktuelle Rechtsprechung 1.1 Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag von Praxistipp: Personengesellschaften (OGH 25.11.2020, 6 Ob 96/20s) Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen In dieser Rechtssache beurteilt der OGH die Abfindungs- sind eine berüchtigte Quelle von Disputen. Eine klausel im Gesellschaftsvertrag einer KG für den Fall des möglichst klare und präzise Bestimmung kann Ausscheidens anlässlich einer Rechtsformänderung. Die Streitigkeiten hintanhalten. Dies gilt umso mehr Bestimmung sieht für den ausscheidenden Gesellschafter für Kapitalgesellschaften, bei denen zumindest eine "angemessene Abfindung, mindestens jedoch den Bi- lanzwert seiner Einlagen und aller anteilsmäßigen offenen materiell-rechtliche Satzungsbestandteile stets Rücklagen" vor. Die beiden Kläger waren anlässlich der objektiv auszulegen sind. Umwandlung der Familien-KG in die beklagte AG im Jahr 2013 aus der Gesellschaft ausgeschieden und erhielten (Manuel Ritt-Huemer) eine Abfindung in Höhe des 4,1-fachen Nominales ihrer Be- teiligung; das entsprach dem Multiplikator, der bei Käufen 1.2 Die Rolle des Aufsichtsrats im Konzern innerhalb der Familie regelmäßig zur Anwendung kam. Sie (OGH 25.11.2020, 6 Ob 209/20h) begehrten stattdessen den Verkehrswert ihrer Beteiligung als Abfindung. Die gegenständliche Entscheidung des OGH betrifft Zustän- digkeitsfragen des Aufsichtsrats im Konzern. Da es in Ös- Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Mit der ge- terreich kein kodifiziertes Konzernrecht gibt und der Begriff sellschaftsvertraglichen Regelung wollten die Gesellschafter "Konzern" deshalb bloß ein bestimmtes Verbundenheits- von der dispositiven Bestimmung in § 137 UGB abweichen. verhältnis zwischen Unternehmen zum Ausdruck bringt, Der OGH ließ die außerordentliche Revision zu und behan- lassen sich Rechtsfragen rund um das Konzernrecht nur delte die Fragen der "angemessenen" Abfindung und ob als mit den entsprechenden Unsicherheiten beantworten. Das Bilanzwert der Einzel- oder der Konzernabschluss maßge- betrifft in besonderem Maße auch das Organisationsrecht, bend sei. da es keine speziellen Konzernorgane gibt und die Organe der Konzernmuttergesellschaft gerade nicht befugt sind, in Zunächst hielt der Gerichtshof zwar an der Vertragsaus- die Leitung der Tochtergesellschaft direkt – wie in die ei- legung nach § 914 ABGB fest, berücksichtigte aber sehr gene Gesellschaft – einzugreifen bzw rechtlich verbindliche wohl, dass die KG im Zeitpunkt der Umwandlung 215 Ge- Weisungen zu erteilen. Dennoch ist – und das anerkennt sellschafter hatte und es daher naheliegt, dass nicht alle auch der OGH – eine gewisse faktische Konzernleitung des Gesellschafter denselben Informationsstand aufweisen und Vorstands der Muttergesellschaft anzuerkennen. Das ergibt keine gemeinsamen Vorstellungen und Absichten aller Ge- sich daraus, dass den Vorständen der untergeordneten sellschafter festgestellt wurden. Zur Angemessenheit zieht Tochtergesellschaften von der Konzernleitung (also etwa der OGH – anders als die Vorinstanzen – grundsätzlich dem Vorstand der Muttergesellschaft) regelmäßig Weisun- § 137 Abs 2 UGB heran, was letztlich zum Marktwert, also gen erteilt werden, die auch bei Aktiengesellschaften unge- dem Verkaufspreis in einem Liquidationsverfahren, führt, achtet der Weisungsfreiheit nach § 70 Abs 1 AktG de facto und zwar unabhängig davon, dass im konkreten Fall nur befolgt werden. Familienmitglieder zum Erwerb von Anteilen berechtigt wa- ren. Schließlich würdigt der OGH aber sehr wohl, dass die Daraus leitet der OGH in dieser Entscheidung ab, dass der Gesellschafter von der gesetzlichen Abfindungsregel ab- Aufsichtsrat der Muttergesellschaft einerseits die Tätigkeit weichen wollten und damit einen niedrigeren Preis als den des Vorstands der Muttergesellschaft zu überwachen hat, anteiligen Verkehrswert beabsichtigt haben mussten. Ohne andererseits aber auch – und das war bisher nicht in dieser nähere Begründung unterwirft der OGH daher den festge- Deutlichkeit klar – die Tätigkeit des Vorstands der Mutter- stellten Verkehrswert einem Abschlag von 20% und spricht gesellschaft bezogen auf die Tochtergesellschaften. Eine den Klägern 80% des Verkehrswerts ihrer jeweiligen Betei- direkte Kontrolle der Organe der Tochtergesellschaften ist ligung zu. dem Aufsichtsrat der Muttergesellschaft zwar jedenfalls verwehrt. Wird aber der Vorstand der Muttergesellschaft Schließlich argumentiert der OGH, dass bei Verwendung konzernleitend tätig, dann ist diese Tätigkeit jedenfalls auch der Bilanzwerte (auf die es im konkreten Fall aber gar nicht Gegenstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat der mehr ankam) die Heranziehung des Einzelabschlusses nicht Muttergesellschaft. sachgemäß wäre, weil damit innere Wertsteigerungen der Tochterunternehmen nicht erfasst würden. Dies gilt im vor- Der OGH präzisiert dieses Verständnis weiter, indem er liegenden Fall umso mehr, zumal die KG als Holding fungier- ausführt, dass in Fällen, in denen ein Geschäft in einer te, während das operative Geschäft in Tochtergesellschaf- Tochtergesellschaft eine bedeutende Auswirkung auf den ten ausgelagert ist. Konzern (bzw die Muttergesellschaft) hat, ein Zustim- mungsvorbehalt auch zugunsten des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft vorzusehen sein wird. Den Aufsichtsrat kann somit die Verpflichtung treffen, den Zustimmungs- 4
vorbehalt auf außerordentliche Geschäftsführungsmaß- rüber hinaus konnte kein Vorteil für die Kreditgeberin in der nahmen von Tochtergesellschaften zu erstrecken, wenn Kreditvergabe gesehen werden. Folgerichtig hielt der OGH diese wesentliche Auswirkungen auf den Gesamtkonzern, fest, dass die Zustimmung des Aufsichtsrats zur (unbesi- insbesondere auf die Muttergesellschaft, haben. Mangels cherten) Kreditvergabe pflichtwidrig und eine Haftung zu be- unmittelbarer rechtlicher Wirkung auf Ebene der Tochter- jahen war. gesellschaft ist der Vorstand der Tochtergesellschaft nicht dazu verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrats der (Gabriel Ebner) Muttergesellschaft einzuholen. Allerdings ist der Vorstand der Muttergesellschaft für ein Einwirken auf die Tochter- 1.4 Zum Erfordernis eines positiven Verkehrswerts bei gesellschaft verantwortlich, sodass die erfassten außeror- der Verschmelzung (OGH 25.11.2020, 6 Ob 203/20a) dentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden, zu deren Erteilung es In der gegenständlichen Entscheidung hatte sich der auf der Ebene der Muttergesellschaft wiederum der vorhe- OGH mit der Firmenbuch-Anmeldung von konzerninter- rigen Einwilligung des Aufsichtsrats bedarf. nen up-stream Verschmelzungen zu beschäftigen. Konkret sollten fünf Tochtergesellschaften als jeweils übertragende (Gabriel Ebner) Gesellschaften mit der gemeinsamen Muttergesellschaft als übernehmende Gesellschaft verschmolzen werden. Da zwei 1.3 Haftung des Aufsichtsrats wegen Zustimmung zur dieser Tochtergesellschaften ein (buchmäßig) negatives Ei- Kreditgewährung (OGH 15.09.2020, 6 Ob 58/20b) genkapital aufwiesen, forderte das Erstgericht entsprechen- de Ausgleichsmaßnahmen, welche von den Antragstellern Diese Entscheidung des OGH betrifft die Haftungsrelevanz mit Verweis auf das positive Eigenkapital der Mutter verwei- einer Zustimmung des Aufsichtsrats zur Kreditgewährung gert wurden. Im konkreten Fall wurde das negative Eigenka- an eine Gesellschaft, an der die Gesellschafter der Kre- pital der beiden Tochtergesellschaften bei Weitem von einer ditgeberin (mittelbar) beteiligt waren. Die beklagten Auf- nicht gebundenen Kapitalrücklage sowie dem Bilanzgewinn sichtsratsmitglieder waren zudem Aufsichtsratsmitglieder der Muttergesellschaft abgedeckt. der Kreditnehmerin. Der Kredit wurde nicht zurückgezahlt und die Kreditnehmerin insolvent. Die Kreditgewährung In seiner Entscheidung hat der OGH nun klargestellt, dass wurde ohne Besicherung durchgeführt. Im Zeitpunkt der kein allgemeiner Grundsatz existiert, wonach überschul- Kreditgewährung war die wirtschaftliche Lage der Kredit- dete Gesellschaften keinesfalls im Wege der up-stream geberin und der Kreditnehmerin angespannt. Kläger ist der Verschmelzung übertragen werden können. Im Fall einer Insolvenzverwalter der Kreditgeberin. up-stream Verschmelzung kann das Vermögen der über- tragenden Tochtergesellschaft negativ sein, sofern die Der OGH wiederholt in seiner Entscheidung die Grundsät- Muttergesellschaft nach der Verschmelzung die (fälligen) ze der Aufsichtsratshaftung unter Einbeziehung der Busi- Verbindlichkeiten sämtlicher Gläubiger (beider an der Ver- ness Judgement Rule, wie sie bereits aus der reichhaltigen schmelzung beteiligter Gesellschaften) bedienen kann, ohne Vorjudikatur bekannt war. Liegt eine unternehmerische durch die Übernahme dieses negativen Vermögens selbst Entscheidung vor, müssen folgende 4 Voraussetzungen insolvenzreif zu werden. kumulativ erfüllt sein, um haftungsbefreiend zu wirken ("Safe Harbour"): 1) Der Aufsichtsrat darf sich nicht von In Anlehnung an die herrschende Lehre kann hier vor allem sachfremden Interessen leiten lassen. 2) Die Entscheidung die Argumentation ins Treffen geführt werden, dass es ei- muss auf Grundlage angemessener Information getroffen ner Muttergesellschaft selbstverständlich gestattet ist, ihre werden. 3) Die Entscheidung muss ex ante betrachtet of- Tochtergesellschaft zu sanieren und anschließend die Ver- fenkundig dem Wohl der Gesellschaft dienen. Und 4) Der schmelzung durchzuführen. Dasselbe Ergebnis wird jedoch Akteur muss (vernünftigerweise) annehmen dürfen, dass erreicht, wenn die Tochtergesellschaft (mit negativem Ver- zum Wohle der Gesellschaft gehandelt wird. Sind diese mögen) sofort auf die Muttergesellschaft verschmolzen wird. Voraussetzungen nicht erfüllt, führt dies zwar nicht auto- matisch zu einer Haftung, eine solche kann aber eintreten, wenn das Verhalten im Einzelnen als sorgfaltswidrig ein- Praxistipp: zustufen ist. Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder greift Im Fall einer geplanten up-stream Verschmel- auch bei leichtem Verschulden und verpflichtet zum Ersatz des herbeigeführten Schadens. Aufsichtsratsmitglieder zung mit einer überschuldeten Tochtergesell- haften für den von ihnen rechtswidrig und schuldhaft ver- schaft sollte jedenfalls die finanzielle und bilan- ursachten Schaden der Gesellschaft als Gesamtschuldner. zielle Situation der Muttergesellschaft geprüft Die Haftung des Aufsichtsrats ist freilich keine Erfolgshaf- tung. werden, um allenfalls notwendige Ausgleichs- maßnahmen rechtzeitig treffen zu können. Im konkreten Fall erfolgte die Kreditvergabe ohne Besi- cherung und die Gewährung von Darlehen war nicht vom (Alexander Gruber) Unternehmensgegenstand der Kreditgeberin gedeckt. Da- 5
1.5 Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters Zweck der Offenlegung der Stiftungszusatzurkunde in die (OGH 02.09.2020, 6 Ob 11/20s) Urkundensammlung verstanden werden, welche § 10 Abs 2 Satz 2 PSG ausdrücklich ausschließt. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH steht dem GmbH-Gesellschafter ein allgemeiner, umfassender und kei- (Alexander Gruber) ne nähere Begründung erfordernder Informationsanspruch gegen "seine" GmbH zu. Er umfasst grundsätzlich alle An- Gestaffelte Stifterrechte (OGH 22.10.2020, 6 Ob 200/20k) gelegenheiten der GmbH und steht jedem Gesellschafter als Individualrecht zu. Die gegenständliche Entscheidung In dieser Entscheidung beschäftigte sich der OGH mit der behandelt die Frage, ob von diesem Informationsanspruch Beschränkung der Änderungsrechte von Stiftern in Bezug auch Geschäftsunterlagen verbundener Gesellschaften auf die Stiftungserklärung. Der Vater (vorgelagerter Mitstif- mitumfasst sind. ter) band das Änderungsrecht seines Sohnes (als nachgela- gertem Mitstifter) an die Zustimmung des Beirats. Der Sohn Aus dem Umstand, dass Gegenstand des Informations- ist hier Revisionsrekurswerber und beanstandet diese Be- rechts die Angelegenheiten der GmbH, alle rechtlichen und schränkung als unzulässig, weil "per se rechtsmissbräuch- gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb der GmbH und ge- lich, sittenwidrig, unwirksam", und er sich als in nichtiger genüber Dritten sind, folgert der OGH, dass auch Angele- Weise "entrechtet und entmächtigt" sieht. genheiten von verbundenen Unternehmen grundsätzlich der Informationspflicht unterliegen. Bei der Staffelung von Stifterrechten handelt es sich um die Gestaltung der Ausübbarkeit der Stifterrechte, indem diese Allerdings kann Schuldnerin des Informationsanspruchs Ausübbarkeit an die Bedingung des Ablebens eines Stifters hinsichtlich des verbundenen Unternehmens nicht dieses, gebunden wird. Grenze ist der Rechtsmissbrauch. Der OGH sondern stets nur die GmbH sein, an der der antragstel- verneinte im gegenständlichen Fall jedoch einen solchen lende Gesellschafter beteiligt ist. Informationen verbunde- Missbrauch, weil der Vater dem Sohn das Änderungsrecht ner Unternehmen hat sich die Gesellschaft im Rahmen ihrer nicht entzogen, sondern dieses lediglich an die Zustimmung eigenen Rechte gegenüber der Tochtergesellschaft zu ver- des Beirats gebunden hat. Dies ist nicht bedenklich, da schaffen. Eine Ausnahme besteht nach der herrschenden ein Stifter das vorbehaltene Änderungsrecht inhaltlich be- Ansicht in der Literatur im Fall einer 100%-igen Tochterge- schränken und darauf überhaupt verzichten kann. sellschaft. Diesfalls wird ein "Informationsdurchgriff" insofern angenommen, als unmittelbar bei der Tochter Einsicht ge- Gemäß § 10 Abs 2 PSG kann der Stifter seine Stiftungser- nommen werden kann. Letztlich ließ der OGH diese Frage klärung in zwei getrennten Urkunden errichten (Stiftungsur- in der vorliegenden Entscheidung unbeantwortet. Rechtlich kunde und Stiftungszusatzurkunde). Es ist jeweils nur eine gesichert ist nach dieser Entscheidung allerdings, dass in Stiftungsurkunde und eine Stiftungszusatzurkunde zulässig. dem Umfang, in dem die Angelegenheiten eines verbun- Der Sohn konnte die Einschränkungen des Änderungs- denen Unternehmens Angelegenheiten der GmbH selbst rechts daher nicht dadurch umgehen, dass er eine zusätzli- sind, die GmbH die Pflicht trifft, sich die zur Erfüllung des che Stiftungsurkunde errichtet. Informationsanspruchs des Gesellschafters erforderlichen Auskünfte oder Unterlagen aus ihrem eigenen Recht als Ge- (Marija Blagojevic) sellschafterin des Tochterunternehmens zu beschaffen. Stiftermehrheit als weiteres Organ gemäß § 14 Abs 2 PSG (Gabriel Ebner) (OGH 16.09.2020, 6 Ob 141/20h) 1.6 Vorlage der Stiftungszusatzurkunde (OLG Wien In diesem Verfahren entschied der OGH über das Antrags- 31.08.2020, 6 R 140/20g, GesRZ 2020, 429 (Kubasta)) recht eines von zwei Stiftern über die Abberufung und Neu- bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands. Die bei- Das Privatstiftungsgesetz (PSG) ermöglicht es dem Stifter, den Stifter hatten sich jenes Recht in der Stiftungserklärung die Stiftungserklärung in zwei separaten Urkunden zu errich- gemeinsam vorbehalten. Entscheidend ist, ob diese Stifter- ten, wobei die Stiftungszusatzurkunde nach dem Gesetzes- mehrheit als "weiteres Organ" gemäß § 14 Abs 2 PSG gilt wortlaut dem Firmenbuchgericht nicht vorzulegen ist. und ob demnach einem Stifter allein ein Antragsrecht nach § 27 PSG zusteht. Im gegenständlichen Verfahren und im Einklang mit der herrschenden Lehre hat das OLG Wien jedoch festgehalten, Der OGH hat bestätigt, dass einer Stiftermehrheit, die sich dass das Firmenbuchgericht im Rahmen seiner materiel- das Recht auf Abberufung von Mitgliedern des Stiftungs- len Prüfpflicht in Ausnahmefällen sehr wohl die Vorlage der vorstands vorbehalten hat – mag dieses Recht auch auf Stiftungszusatzurkunde verlangen kann. Im konkreten Fall das Vorliegen wichtiger Gründe beschränkt sein –, Organ- war dies erforderlich, um die in der Stiftungszusatzurkunde eigenschaft zukommt, weil mit diesem Recht die stärkste, enthaltene Begünstigtenordnung zu überprüfen. Die Vorla- nämlich eine eigentümerähnliche, mit den Rechten einer ge zu diesem Zweck darf jedoch keinesfalls als Mittel zum Gesellschafterversammlung vergleichbare Einflussmöglich- 6
keit einhergeht. Der Stifter war somit alleine legitimiert, die wobei diese Aktionäre wechselseitig sowie in Form einer Abberufung der Mitglieder des Stiftungsvorstands zu bean- Ringbeteiligung aneinander beteiligt sind. Die Antragsteller tragen. behaupten, die Kapitalerhöhungen der Jahre 1993 bis 2018 seien mit Mängeln behaftet, die gegen zwingendes Kapita- (Manuel Ritt-Huemer) lerhaltungs- oder Kapitalaufbringungsrecht verstießen, und das Kapital der Antragsgegnerin sei daher nicht ordnungs- Zur Genehmigung einer Mandatsvereinbarung nach § 17 gemäß aufgebracht. Deshalb sei es zu einer unzulässigen Abs 5 PSG (OGH 25.11.2020, 6 Ob 151/20d) Kapitalverwässerung gekommen. Die Vorinstanzen wiesen den Haupt- und Eventualantrag ab. In der vorliegenden Entscheidung beschäftigte sich der OGH mit der Genehmigung eines Mandatsvertrags zwischen ei- Die Entscheidung betrifft – wie allgemein bekannt ist – die ner Privatstiftung und einer Rechtsanwaltskanzlei (als Ge- 3-Banken-Gruppe. So spannend die dahinterliegende The- sellschaft bürgerlichen Rechts), der eines der Mitglieder des matik auch ist, in dieser Entscheidung folgerte der OGH, Stiftungsvorstands als Gesellschafter angehört. dass die aufgeworfenen Rechtsfragen in diesem Verfahren nicht präjudiziell sind. Den Antragstellern gelang es nicht, Der OGH erwog dazu, dass im Falle einer Gesellschaft bür- eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 gerlichen Rechts § 17 Abs 5 PSG direkt anwendbar ist, weil AußStrG aufzuzeigen, da bereits das Rekursgericht die An- die Gesellschafter selbst Zurechnungssubjekte der Rechte tragsabweisung aufgrund des fehlenden Verdachts von gro- und Pflichten gegenüber Dritten und somit auch Vertrags- ben Verstößen gegen Kapitalaufbringungs- und Kapitaler- partner von Dritten sind. Der OGH schloss sich der vorin- haltungsvorschriften sowie der gerichtlichen Bestellung von stanzlichen Entscheidung an und wies den außerordentli- Sonderprüfern zur bloßen rechtlichen Bewertung bekannter chen Revisionsrekurs zurück: Eine Genehmigung nach § 17 Umstände verneinte. Abs 5 PSG ist stets abhängig vom Einzelfall, jedoch steht eine Haftungsbeschränkung auf grobes Verschulden – wie (Marija Blagojevic) im gegenständlichen Mandatsvertrag vereinbart – nicht im Interesse der Privatstiftung; daher liegt keine aufzugreifende Ausschluss eines insolventen Gesellschafters (OGH Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor, wenn diese den Ab- 22.10.2020, 6 Ob 63/20p) schluss der Mandatsvereinbarung nicht genehmigt haben. Nach Beschlussfassung über den Ausschluss eines (Linda Černá) GmbH-Gesellschafters und rechtskräftig abgewiesener An- fechtungsklage (§ 41 GmbHG) betreffend diesen Beschluss Keine Rekurslegitimation einzelner Mitglieder des Stif- wurde über den ausgeschlossenen Gesellschafter ein Insol- tungsvorstands (OGH 25.11.2020, 6 Ob 211/20b; OGH venzverfahren eröffnet. 25.11.2020, 6 Ob 228/20b) Im Zuge der von der Mitgesellschafterin klagsweise geltend In diesen Rechtssachen hatten einzelne Mitglieder des Stif- gemachten Versuche, eine formgültige Übertragung des be- tungsvorstands Rekurs gegen die Eintragung einer Ände- treffenden Geschäftsanteils zu erzwingen, wurde vom OGH rung der Stiftungsurkunde im Firmenbuch erhoben. Ihre Be- klargestellt, dass ein derartiger Anspruch der Prozesssperre stelldauer wurde durch diese Änderung verkürzt. gemäß § 6 IO unterliegt. Mangels Abschluss eines Notari- atsakts (§ 76 Abs 2 GmbHG) war es im gegenständlichen Der OGH wies das Rechtsmittel der Mitglieder des Stif- Fall noch zu keinem Wechsel der Rechtszuständigkeit für tungsvorstands zurück. Ihre Bestellung war nicht auf unter den Geschäftsanteil gekommen. drei Jahre verkürzt und ihre Funktion kommt damit keiner freien Abberufbarkeit gleich. Dass einzelnen Mitgliedern des Stiftungsvorstands keine Rechtsmittellegitimation bei Praxistipp: der Eintragung von Änderungen der Stiftungserklärung zu- kommt, ist außerdem gefestigte Rechtsprechung. Auch wenn diese Entscheidung auf den ersten Blick hauptsächlich insolvenzrechtlicher Natur (Manuel Ritt-Huemer) zu sein scheint, so lehrt sie auch etwas We- sentliches im Gesellschaftsrecht: Der Beschluss 1.7 Sonstige Rechtsprechung über einen Gesellschafterausschluss aus der Zur Bestellung eines Sonderprüfers in der AG (OGH GmbH bewirkt in der Regel noch nicht die Über- 25.11.2020, 6 Ob 93/20z; OGH 30.11.2020, 6 Ob tragung des Geschäftsanteils des ausgeschlos- 205/20w) senen Gesellschafters. Vielmehr muss diese erst In den gegenständlichen Entscheidungen beschäftigte sich formwirksam (Notariatsakt) umgesetzt werden. der OGH mit dem Antrag auf Bestellung eines Sonderprü- fers nach § 130 Abs 2 AktG im Zusammenhang mit der (Alexander Gruber) Teilnahme von Aktionären an mehreren Kapitalerhöhungen, 7
Zur Formpflicht von Anbotserklärungen nach § 76 Abs 2 Zur Rechtsmittellegitimation eines abberufenen Geschäfts- GmbHG (OGH 25.11.2020, 6 Ob 198/20s) führers (OGH 22.10.2020, 6 Ob 33/20a) In diesem Fall beurteilte der OGH die Rechtsfrage, ob und Der OGH hatte sich gegenständlich mit der Rechtsmittel- inwieweit die Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG legitimation eines abberufenen Geschäftsführers auseinan- auch für das Anbot eines abtretungswilligen Gesellschafters derzusetzen. Der abberufene Geschäftsführer begehrte im aufgrund einer Aufgriffsklausel im Gesellschaftsvertrag gilt. Rekursverfahren die Aufhebung seiner Löschung im Firmen- buch. Nachdem das Rekursgericht dem abberufenen Ge- Der OGH bestätigte zunächst den Tenor früherer Entschei- schäftsführer Recht gab, begehrten die Eintragungswerber dungen zur Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG, wonach (die neu bestellten Geschäftsführer) im außerordentlichen auch Vereinbarungen über den künftigen Abschluss eines Revisionsrekurs die Aufhebung der Rekursentscheidung. GmbH-Gesellschaftsvertrags oder die künftige Übertragung eines Geschäftsanteils zur Wirksamkeit eines Notariatsakts Mit dieser Entscheidung festigt der OGH die ständige bedürfen. Dabei sind von dieser Formpflicht sowohl das Ver- Rechtsprechung, wonach ein abberufener Geschäftsführer pflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft umfasst. So im eigenen Namen nicht seine Löschung im Firmenbuch be- unterliegen auch Anbot und Annahme, sofern sie in getrenn- kämpfen kann. Das gilt auch – wie hier vom abberufenen te Urkunden gefasst werden, jeweils zwingend der Formpf- Geschäftsführer behauptet wurde – bei absolut nichtigen licht. Scheinbeschlüssen. Der derartig abberufene Geschäftsfüh- rer ist jedoch weiterhin berechtigt, im Namen der von ihm Im gegenständlichen Fall konnte der Gesellschaftsvertrag vertretenen Gesellschaft Rekurs gegen den Löschungsbe- die ausdrückliche Anbotserklärung jedoch nicht ersetzen. schluss zu erheben. Vielmehr wurde eine Anbotsverpflichtung erst durch eine Verkaufsabsicht ausgelöst. (Linda Černá) Anfechtbarkeit eines Beschlusses bildet kein Eintragungs- Praxistipp: hindernis (OGH 29.09.2020, 6 Ob 166/20k) Will man einen Aufgriff durch einseitige Erklärung Diese Entscheidung handelt von der Eintragung neuer Ge- des Aufgriffsberechtigten ermöglichen, so muss schäftsführer im Firmenbuch, unter gleichzeitiger Löschung das Abtretungsanbot ausdrücklich im Gesell- der vormaligen Geschäftsführer. Dagegen erhoben die alten schaftsvertrag enthalten sein und sollte die we- Geschäftsführer namens der Gesellschaft Rekurs, und zwar mit dem Argument, dass die Generalversammlung über die sentlichen Vertragsbestimmungen enthalten. Umbestellung der Geschäftsführer mit Einberufungs- und Ankündigungsmängeln behaftet sei. (Linda Černá) Der OGH verwarf diese Argumentation und bestätigte die Wettbewerbsverbot, Vertragsstrafe (OGH 25.11.2020, ständige Rechtsprechung, dass solche Mängel einen Be- 6 Ob 219/20d) schluss nur anfechtbar, aber nicht nichtig machen, und dass mangels Anfechtung des Beschlusses die Eintragung zuläs- In der gegenständlichen Entscheidung hatte sich der OGH sig war. mit den Mäßigungskriterien und der Verjährung von Kon- ventionalstrafen in Zusammenhang mit dem Wettbewerbs- (Manuel Ritt-Huemer) verbot eines OG-Gesellschafters zu befassen. Obwohl das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung einer gemäßigten Vertrauen auf Vertretung durch zurückgetretenen Geschäfts- Konventionalstrafe verpflichtete, änderte das Berufungs- führer (OGH 27.11.2020, 1 Ob 190/20b) gericht das Ersturteil zur Gänze, sah die Konventionalstrafe gemäß § 113 Abs 3 UGB nach drei Monaten ab Kenntnis In dieser Rechtssache klagte die Klägerin ein Entgelt gegen des Klägers als verjährt an und wies die Klage ab. die Beklagte ein, die unstrittig bereits an den ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin geleistet hatte. Dieser ehema- Der OGH erwog dazu, dass § 113 Abs 3 UGB als Ausnah- lige Geschäftsführer war der Beklagten gegenüber bei der mebestimmung eng zu interpretieren und daher nur auf das Rechnungslegung in nicht eindeutiger Weise als "CEO" auf- gesetzliche Wettbewerbsverbot anzuwenden ist. Im vorlie- getreten und hatte ihr eine Teilrechnung übermittelt. Dabei genden Fall gilt vielmehr die allgemeine Verjährungsfrist für hatte er auf eine firmeninterne Umstrukturierung hingewie- Konventionalstrafen von 3 Jahren ab Kenntnis des Scha- sen und seiner Unterschrift nicht die Firma der Klägerin bei- dens und des Schädigers. gesetzt. Insbesondere weil er noch nicht als Geschäftsführer der Klägerin im Firmenbuch gelöscht war, durfte die Beklag- (Marija Blagojevic) te aber unter Würdigung aller Umstände darauf vertrauen, dass er als Geschäftsführer für die Klägerin auftrat. (Manuel Ritt-Huemer) 8
2. Ansprechpartner und Autoren Manuel Ritt-Huemer Counsel Vienna (Austria) T: +43 1 53437 50741 M: +43 664 80060 4041 E: m.ritt-huemer@schoenherr.eu Autoren: Manuel Ritt-Huemer, Alexander Gruber, Gabriel Ebner, Marija Blagojevic, Linda Černá. Hier für zukünftige Updates registrieren: Link > Medieninhaber/Herausgeber: Schönherr Rechtsanwälte GmbH Schottenring 19 A-1010 Wien, Österreich Tel: (+43 1) 534 37 - 0 Email: office.austria@schoenherr.eu Web: www.schoenherr.eu © 2020. Imprint: https://www.schoenherr.eu/imprint/ Dieser Newsletter enthält allgemeine Informationen, die eine individuelle Beratung nicht ersetzen können. Eine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit u nd Aktualität des Inhalts wird nicht übernommen. 9
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