Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung 2021 - Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM

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Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung 2021 - Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM
Institute for Transnational and Euregional
                              cross border cooperation and Mobility / ITEM

Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung 2021

Zusammenfassung
Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung 2021 - Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM
Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM	

Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung 2021

Zusammenfassung

Das Institut für Transnationale und Euregionale Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität/ ITEM ist
Angelpunkt für wissenschaftliche Forschung, Beratung, Wissensaustausch und Trainingsaktivitäten zur
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Mobilität.

ITEM ist eine Initiative der Universität Maastricht (UM), des Netherlands Expertise and Innovation Centre for
Social Effects of Demographic Contraction (NEIMED), der Fachhochschule Zuyd, der Stadt Maastricht, der Euregio
Maas-Rhein (EMR) und der Provinz Limburg (NL).
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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung                                                                                1
    1.1.   Europäische Integration durch bessere Rechtsetzung                                 1
    1.2.   Bedarf an grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzungen                        1
    1.3.   Die „ITEM-Methode“                                                                 3

2. Erstellung der ITEM Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung:
   Prozess und Methode                                                                       3
   2.1. Der Prozess der Folgenabschätzung                                                     3
   2.2. Praktische Anwendung der Methodik                                                     4
    2.3.   Die Dossiers der ITEM Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung 2021         7

3. Die Dossiers von 2021 - in Zusammenfassung                                                9
  3.1.	Dossier 1: Ex-ante-Studie zu den grenzüberschreitenden Auswirkungen
		      der geplanten EU-Mindestlohnrichtlinie (TEIN-Studie)                                  9
  3.2.	Dossier 2: Impact-Analyse zur Zukunft von HomeOffice-Arbeit für Grenzgänger*
		      innen nach COVID-19                                                                  13
  3.3.	Dossier 3: Ex-post Effekte des nationalen Coronakrisenmanagements auf die
		      grenzüberschreitende Krisenbewältigung in der Euregio Maas-Rhein (Nachfolgestudie)   17
  3.4.	Dossier 4: Kann die EU-Richtlinie über Patientenrechte eine funktionierende
		      Gesundheitsversorgung in grenzüberschreitenden Regionen gewährleisten?
		      Eine Ex-post-Bewertung                                                               22

4. Verzeichnis der Wissenschaftler*innen                                                     26

Anhang - Die ITEM Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung als
Handlungsgrundlage: Rückblick auf die Folgemaßnahmen der ITEM
Grenzfolgenabschätzungen aus den Jahren 2016 bis 2020                                        27

Inhaltsverzeichnis - ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021
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1.        Einführung

Das Institute for Transnational and Euregional Cross border Cooperation and Mobility / ITEM leistet einen
wissenschaftlichen Beitrag zu grenzüberschreitender Mobilität und Zusammenarbeit. Eine der Hauptaufgaben
besteht darin, im Rahmen der jährlichen Gesetzesfolgenabschätzungen grenzüberschreitende Folgen für
Grenzregionen (kurz: Grenzfolgen) zu analysieren. Seit der Gründung 2015 hat ITEM sechs dieser
Gesetzesfolgenabschätzungen vorgenommen. Der aktuelle Bericht ist die neueste grenzüberschreitende
Gesetzesfolgenabschätzung.1

1.1. Europäische Integration durch bessere Rechtsetzung

Anhand der grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung bietet ITEM zusätzliche Einblicke in
gesetzgeberische und politische Initiativen auf europäischer und nationaler Ebene. Die ITEM
Gesetzesfolgenabschätzung soll politischen Entscheidungsträgern auf regionaler, nationaler und europäischer
Ebene als wertvolle Informationsquelle dienen, wenn sie Entscheidungen über Grenzregionen treffen.
Insbesondere helfen die jährlichen Gesetzesfolgenabschätzungen bei der Feststellung bestehender oder
zukünftiger Folgen für Grenz(überschreitender)-Regionen und leisten so einen Beitrag zur politischen Debatte.
Darüber hinaus ermöglichen die Analyseergebnisse der einzelnen Fälle auch rechtzeitige Anpassungen von
Gesetzesvorschlägen, bevor sie verabschiedet werden.

Die ITEM Gesetzesfolgenabschätzung für Grenzregionen verfolgt zwei Ziele, nämlich die Anerkennung potenzieller
negativer oder positiver Auswirkungen auf geplante gesetzgeberische oder politische Initiativen ex ante und die
Feststellung negativer oder positiver Folgen der aktuellen Politik oder aktuellen Rechtsvorschriften für
Grenzregionen ex post (siehe unten). Durch das Erreichen dieser Ziele kann der Bericht dazu beitragen, die Ex-ante-
und Ex-post-Einschätzung von Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen für die Mitgliedstaaten und
regionale Gesetzgebungsorgane zu erleichtern. Ferner kann die bei diesen Gesetzesfolgenabschätzungen
angewandte Methodik einen Mehrwert für die Ex-ante-Folgenabschätzung durch die EU-Kommission und die
Einschätzung bestehender Rechtsvorschriften darstellen. In diesem Kontext hat die Generaldirektion
Regionalpolitik und Stadtentwicklung der EU-Kommission (GD Regio) die ITEM Grenzfolgenabschätzungen in ihrer
Mitteilung „Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den EU-Grenzregionen“ als bewährtes Verfahren
gelobt.2 In derselben Mitteilung wies die Kommission nachdrücklich auf die Bedeutung hin, die der Feststellung
von Auswirkungen auf Grenzregionen in gesetzgeberischen und politischen Prozessen zukommt, und setzte die
Bewertung ausdrücklich auf die politische Agenda.3 Auch auf nationaler Ebene wächst das Bewusstsein für die
Bedeutung von Gesetzesfolgenabschätzungen für Grenzregionen. Vor allem der niederländische Staatssekretär
Knops weist geregelt in Mitteilungen an das Parlament auf die Bedeutung von Bewertungen im Hinblick auf
potenzielle Folgen für Grenzregionen hin. 4

1.2. Bedarf an grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzungen

Beabsichtigt ist, dass Folgen für Grenzregionen idealerweise auf allen Ebenen bewertet werden sollten: auf
europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Angesichts der zahlreichen Grenz-(überschreitenden) Regionen und
ihrer unterschiedlichen Eigenschaften ist der Umfang begrenzt, den Folgenabschätzungen auf europäischer und
nationaler Ebene erfassen können. Daraus resultiert ein Bedarf nach zusätzlichen Grenzfolgenabschätzungen im
kleinen Rahmen und gemäß dem Bottom-up-Ansatz, die von kompetenten Akteuren in spezifischen

1	Sie finden alle ITEM Gesetzesfolgenabschätzungen für Grenzregionen im ITEM Portal für Grenzregionen:
     https://itemcrossborderportal.maastrichtuniversity.nl/link/id/U8rHnsyQU5BsF9bj.
2	Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den
     EU-Grenzregionen, COM(2017) 534 final, S. 8.
3	Ebd.
4	Siehe, zum Besipiel, Unterrichtung des Parlaments über den Fortschritt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des
     Staatssekretärs für Inneres und Königreichsbeziehungen vom 9. März 2020, 2020-0000119834.

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Grenzregionen umgesetzt werden. Diese detaillierten Folgenabschätzungen, die sich spezifisch mit einer
Grenzregion befassen, könnten wiederum zu nationalen und europäischen Einschätzungen beitragen, die die
gesetzgeberischen und politischen Gesetzesfolgenabschätzungen für Grenzregionen thematisieren.

Diverse Instrumente zur Bewertung von Folgen für Grenzregionen bestehen auf europäischer und nationaler
Ebene. Zu diesen Initiativen zählen zum Beispiel die Folgenabschätzung für den Regulierungsrahmen der
EU-Kommission, die territoriale Folgenabschätzung des ESPON und das Impact Assessment Toolkit für
grenzübergreifende Zusammenarbeit des Euro-Instituts am Centre for Cross Border Studies. Jede dieser Initiativen
hat verschiedene Schwerpunkte und Ziele. Die ITEM Gesetzesfolgenabschätzung für Grenzregionen dient als
Ergänzung dieser bestehenden Einschätzungen. Die Komplementarität des ITEM-Berichts besteht in erster Linie
darin, dass dieser Bericht sich besonders auf eine bestimmte Grenz-(überschreitende) Region konzentriert.

Die Durchführung detaillierter Folgenabschätzungen, die sich spezifisch mit einer Grenzregion befassen, kann sich
aufgrund der großen Unterschiede, die zwischen den europäischen Grenzregionen bestehen, auf europäischer und
sogar auf nationaler Ebene schwierig gestalten. Eine Studie 2016 im Auftrag der EU-Kommission aus dem Jahr 2016
rückt die Bedürfnisse von Grenzregionen aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften in den Mittelpunkt und
zeigt auf, inwieweit sich Grenzregionen voneinander unterscheiden.5 Daher können vorhandene Unterschiede
zwischen den Grenzregionen die Umsetzung von grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzungen auf
europäischer Ebene erschweren. Darüber hinaus kann der Vorschlag, detaillierte Folgenabschätzungen, die sich
spezifisch mit einer Grenzregion befassen, auf nationaler Ebene von den zuständigen Ministerien ausführen zu
lassen, zu vergleichbaren Problemen führen, da die Diversität von Grenzregionen auch auf nationaler Ebene
erheblich sein kann. Deutschland hat zum Beispiel neun Nachbarländer und daher zahlreiche Grenzregionen.

Dennoch gibt es auf europäischer und nationaler Ebene viele Maßnahmen, die sich mit diesen Herausforderungen
befassen. Mitarbeiter von ITEM waren unlängst an Projekten der GD Regio und von ESPON beteiligt, die darauf
abzielen, die Methodiken der Gesetzesfolgenabschätzungen für Grenzregionen auf europäischer Ebene zu
verbessern. In den Niederlanden unterstützt ITEM die Regierung aktuell bei einer Analyse, wie die
Politikbewertungen im Hinblick auf Folgen für Grenzregionen verbessert werden können. Ab 2021 ist die
Bewertung von Grenzauswirkungen ein obligatorischer Qualitätsmerkmal des allgemeinen niederländischen
Systems zur Bewertung von Rechtsvorschriften.6 Im Auftrag des Innenministeriums hat ITEM einen Leitfaden
entwickelt und wird 2021/22 Workshops mit Regierungsbeamten durchführen, um die Methodik und die
praktischen Aspekte einer grenzüberschreitenden Folgenabschätzung zu diskutieren.

Gemeinsam mit dem TEIN-Netzwerk grenzüberschreitender Institute untersucht ITEM Optionen zur Einrichtung
eines Netzwerks aus Partnern, die ebenfalls Grenzfolgenabschätzungen in ihren eigenen Grenzregionen
durchführen werden.7 Aus diesem Grund umfasste die Grenzüberschreitende Gesetzesfolgenabschätzung 2020
erstmals eine gemeinsame Studie von ITEM und TEIN-Mitgliedern zu Gesetzesfolgen für diverse europäische
grenzüberschreitende Regionen. Die diesjährige Gesetzesfolgenabschätzung präsentiert erneut die Ergebnisse
dieser fruchtbaren Zusammenarbeit. Die folgenden TEIN-Partner haben zur ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021
von ITEM beigetragen: das Euro-Institut und das Forschungszentrum Viadrina B/ORDERS IN MOTION (siehe
Dossier 1).

5	SWECO u.a.: Collecting solid evidence to assess the needs to be addressed by Interreg cross-border programmes (2015CE160AT044)
    Abschlussbericht 2016, Europäische Kommission.
6	Der Leitfaden ist auf der offiziellen Website der niederländischen Regierung zu finden, d.h. dem Integrierten
    Folgenabschätzungsrahmen (IAK) für Politik und Gesetzgebung (siehe Anhang):
    www.kcwj.nl/kennisbank/integraal-afwegingskader-voor-beleid-en-regelgeving.
7	Im Transfrontier Euro-Institut Network (TEIN), das 2010 gegründet wurde, kommen 15 Partner aus 9 europäischen Grenzregionen
    zusammen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass es sich aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und Schulungszentren
    zusammensetzt, die sich mit den praktischen Aspekten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa befassen. Siehe:
    http://www.transfrontier.eu/. Im Oktober 2019 und Oktober 2020 fanden zwei TEIN-Workshops zum Thema der
    Gesetzesfolgenabschätzung für Grenzregionen statt.

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1.3. Die „ITEM-Methode“

Sehr oft ist die Trennlinie zwischen ex ante und ex post nicht offensichtlich, da die Folgen der Gesetze, die vor
Jahren beschlossen wurden, in der Praxis häufig durch Übergangsfristen oder administrative Verzögerungen
behindert werden. In Bereichen wie soziale Sicherheit und Steuerrecht geht die Bewertung der Folgen neuer
Gesetze mit der Einschätzung der Folgen von bestehenden politischen Richtlinien und Vorschriften einher. Darüber
hinaus gestaltet sich eine umfassende Politikeinschätzung bestimmter politischer Maßnahmen und Gesetze oft
schwierig, da es an grenzüberschreitenden Daten mangelt. Dieser Mangel an Daten führt dazu, dass Ex-post-
Forschung oft eher eine Bewertung als eine fundierte Einschätzung darstellt.

In diesem Sinne berücksichtigt der Ansatz von ITEM den allgemeinen Unterschied zwischen einer
Folgenabschätzung und einer Politikbewertung, wie von der OECD beschrieben.8 Das bedeutet, dass sich eine
Folgenabschätzung auf die erwarteten Folgen der Intervention konzentriert, d.h. darauf, was passieren könnte,
während eine Bewertung eher „ein breiteres Spektrum von Fragen abdecken dürfte, wie z.B. die Angemessenheit
des Interventionsdesigns, die Kosten und Effizienz der Intervention, ihre unbeabsichtigten Wirkungen und die
Frage, wie die Erfahrungen aus dieser Intervention zur Verbesserung des Designs zukünftiger Interventionen
genutzt werden können“ (ebd.). Wenn Gesetze also im Rahmen der ITEM Grenzfolgenabschätzung ex post
ausgewertet werden, beschränkt sich die Analyse oft auf die Frage nach den beabsichtigten und unbeabsichtigten
Folgen der betreffenden Gesetze.

Mit seiner jährlichen Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung versucht ITEM also, das vorhandene
Bedürfnis nach detaillierten Folgenabschätzungen, die sich spezifisch mit einer Grenzregion befassen, für viele
verschiedene Themen abzudecken. Das aktuelle Dokument enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse der
ITEM Grenzfolgenabschätzung für das Jahr 2021. Die Bewertung umfasst vier Dossiers, die eine Vielzahl von
Themen abdecken und sich sowohl mit bestehenden als auch mit zukünftigen Gesetzen und politischen
Maßnahmen befassen; das schließt auch die gemeinsame Gesetzesfolgenabschätzung mit TEIN ein. In diesem Jahr
stehen bei zwei Dossiers Ex-post-Analysen im Mittelpunkt, da sie sich mit den Folgen bestehender Gesetze und
politischer Maßnahmen (genauer gesagt, die Bewältigung der Corona-Krise und die EU-Richtlinie über die
Ausübung von Patientenrechten) befassen. Bei einem Dossier (zum Thema im HomeOffice Arbeiten nach der
Coronakrise) handelt es sich um die Ex-ante-Bewertung von nationalen Regelungen oder bilateralen Verträgen in
Kombination mit den Auswirkungen des EU-Rechts. Eine weiteres Dossier (über die geplante EU-Richtlinie zu
Mindestlöhnen) untersucht ex-ante die potenziellen Folgen eines verbindlichen europäischen Rahmens für
Mindestlöhne in grenzüberschreitenden Regionen.

2. Erstellung der ITEM Grenzüberschreitenden Gesetzesfol-
genabschätzung: Prozess und Methode

2.1. Der Prozess der Folgenabschätzung

Ungeachtet der unterschiedlichen Themen nutzen die Wissenschaftler der Gesetzesfolgenabschätzung für
Grenzregionen jeweils die Methodik, die von ITEM entwickelt wurde. Die Forschung zur Folgenabschätzung
umfasst drei Phasen (siehe Abbildung 1). In der ersten Phase werden die Themen, die in der Folgenabschätzung für
das betreffende Jahr behandelt werden sollen, anhand einer Umfrage ermittelt, die es den Interessenvertretern
und anderen beteiligten Parteien ermöglicht, ITEM über gesetzgeberische und politische Themen zu informieren,
die potenziell Folgen für Grenzregionen haben. Weitere Themen werden anhand der Kernaktivitäten von ITEM
ermittelt, zu denen unter anderem wissenschaftliche Forschung, Beratungstätigkeit, Wissensaustausch und

8	OECD (2014): What is impact assessment? Arbeitsdokument auf der Basis von: OECD-Direktorat für Wissenschaft, Technologie und
    Innovation (2014): „Assessing the Impact of State Interventions in Research - Techniques, Issues and Solutions.“ Unveröffentlichtes
    Manuskript, Punkt 1. Abgerufen unter: https://www.oecd.org/sti/inno/What-is-impact-assessment-OECDImpact.pdf (letzter Zugriff
    am 4. August 2020). Siehe auch https://www.oecd.org/governance/regulatory-policy/.

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Schulungen gehören. In der zweiten Phase wertet die Arbeitsgruppe Grenzfolgenabschätzung die
vorgeschlagenen Themen aus. In dieser Phase konzentriert sich die Arbeitsgruppe (die aus Vertretern von
Partnerorganisationen besteht) auf die Aktualität der Themen, die Beziehung zum Forschungsbereich von ITEM,
die Anzahl der eingereichten Anträge und die Gängigkeit des Themas. Sobald die Themen festgestellt wurden,
beginnt die dritte Phase, in der die Wissenschaftler sich mit ihren jeweiligen Folgenabschätzungen befassen. Diese
Forschungstätigkeit wird in einzelnen Dossiers dokumentiert, die schließlich zur Grenzüberschreitenden
Gesetzesfolgenabschätzung für das betreffende Jahr kombiniert werden.

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  Stakeholderbefragung
  und ITEM-Kernaktivitäten

                                       Doss_iers, die im jährlichen Forschungsbericht
                                       zur ITEM-Jahreskonferenz publiziert werden

Abbildung 1: Zyklus der ITEM Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung

2.2. Praktische Anwendung der Methodik

Abgrenzung der Forschung - Was ist eine Grenzregion?
Die an der Grenzfolgenabschätzung beteiligten Forscher wenden dieselbe Methodik an, die von ITEM entwickelt
wurde und an deren Beginn die Definition einer Grenzregion beziehunsgweise eines grenzüberschreitenden
Gebiets steht. Wie vorstehend erwähnt, will ITEM die bestehende Lücke füllen, die detailliertere
Folgenabschätzungen erfordert, die sich spezifisch mit einer Grenzregion befassen. Die Grenzen, die in der Regel
Gegenstand der Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung sind, verlaufen durch die
grenzüberschreitenden Gebiete nahe der Grenzen zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Daher
handelt es sich um eine weit gefasste Definition, die für die gesamte Folgenabschätzung gilt.

Verschiedene Themen können allerdings zu einer anderen Definition der Grenze führen. Daher wird diese Definition
in den einzelnen Dossiers dieses Berichts je nach Thema spezifiziert. Grundlage für diese dossierbasierte Definition
von Grenze ist, dass sich allgemein nur wenige oder gar keine generischen Ursachen der Folgen für Grenzregionen
feststellen lassen. Diese Themen sind in der nationalen Umsetzung von EU-Recht, dem Grad der Koordination
zwischen den Nachbarländern und der Gestaltung bestimmter nationaler Gesetzgebung oder Politik verwurzelt.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass ITEM eine wirklich grenzübergreifende Perspektive im Zusammenhang mit
einer Grenzregion - oder genauer gesagt, einer grenzüberschreitenden Region (kurz: Grenzraum) - im Gegensatz
zu einer nationalen Perspektive anstrebt. Die Entscheidung für eine solche Perspektive ist bewusst, da so
vermieden wird, dass die nationale Perspektive in den Mittelpunkt rückt. Ziel ist es zu verhindern, dass in einem
Punkt eine bestimmte nationale Perspektive gegenüber einer wirklich grenzübergreifenden Perspektive bevorzugt
würde. Um diese Perspektive möglichst umfassend zu berücksichtigen, dienen als Grundlage der ITEM
Grenzfolgenabschätzung nicht nur die Grenzregionen der Niederlande, Belgiens und Deutschlands, sondern auch
die grenzübergreifenden Euregios in diesem Gebiet.

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Abbildung 2 Grenzübergreifende Partnerschaften B/NL/DE/LU

Quelle: DG Regio

  Angesichts der erfolgreichen Einführung dieser Methode ist ITEM bestrebt, die Methodik der
  Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung auszubauen. Ein Ziel ist es, das Verfahren ebenfalls auf
  andere europäische Grenzregionen anzuwenden und so die komplementäre Funktion im Zusammenhang mit
  Gesetzesfolgenabschätzungen auf EU-Ebene zu verbessern. Angesichts der Bestrebungen von ITEM, ein
  Netzwerk aus Partnern aufzubauen, die Bewertungen in ihren eigenen Grenzregionen durchführen, hat ITEM
  sich nun zum zweiten Mal mit TEIN-Partnern zusammengetan, um grenzüberschreitende Auswirkungen auf
  drei unterschiedliche europäische grenzüberschreitende Regionen zu analysieren. In diesem Jahr konzentriert
  sich die Zusammenarbeit erstmals auf eine Ex-ante-Bewertung für einen Gesetzesvorschlag der EU, und zwar
  die Richtlinie zu Mindestlöhnen. Im Dossier werden die potenziellen Auswirkungen auf die Einwohner und
  Einwohnerinnen, Unternehmen, die Wirtschaft und die Gesellschaft der einzelnen grenzüberschreitenden
  Regionen untersucht. Diese gemeinschaftlichen Forschungen bieten eine einzigartige Möglichkeit, die
  Methodik der ITEM Grenzfolgenabschätzung in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern, die ebenfalls
  auf grenzüberschreitende Forschung spezialisiert sind, in anderen Teilen Europas anzuwenden und zu testen.

  Eine weitere Möglichkeit, mehr Regionen in die Grenzbewertung einzubeziehen, ist die Zusammenarbeit von
  ITEM mit dem europäischen Ausschuss der Regionen. Der AdR hat ein Reghub-Netzwerk eingerichtet. Ziel ist
  es, eine Gruppe von Regionen zusammenzubringen, die bereit sind, die EU-Gesetzgebung und -Politik zu
  bewerten und die Auswirkungen auf die Regionalpolitik zu beurteilen. In Zusammenarbeit mit dem Reghub-
  Sekretariat trägt ITEM zur Entwicklung eines Reghub-Fragebogens bei, in dem es spezifische Fragen in Bezug
  auf die Grenz-Auswirkungen formuliert. Während der Europäischen Woche der Regionen und Städte 2021
  organisierten ITEM und der AdR gemeinsam einen Workshop zu diesem Thema.

Stellvertretend für diese grenzübergreifende, dossierbasierte Definition einer Grenzregion konzentriert sich die
diesjährige Grenzfolgenabschätzung tatsächlich auf „verschiedene Grenzräume“, die vor allem von den
Niederlanden, Belgien und Deutschland gebildet werden. Da als Grundlage für drei der Dossiers europäische und
damit nationale (Durchführungs-)Vorschriften dienen, ist der Begriff der Grenzregion notwendigerweise weit
gefasst. Er umfasst alle Grenzgebiete, die sich diese Länder miteinander teilen, und eventuell weitere Gebiete (da
Grenzgänger*innen) und Patienten nicht unbedingt in einem vorgegebenen geografischen Radius in der Nähe
einer Landesgrenze bleiben). Die regionale Studie zur Bewältigung der Corona-Krise und ihrer Auswirkungen auf
die grenzüberschreitende Koordination konzentriert sich stattdessen auf die durch drei Landesgrenzen definierte
Euregio Maas-Rhein.

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Zusätzlich zu dieser räumlichen Eingrenzung des Grenzgebietes verwenden die Wissenschaftler auch andere
themenbedingte Eingrenzungen, die für ihre Forschung relevant sind.

Ermittlung der zentralen Themen, Grundsätze, Benchmarks und Indikatoren für die Forschung
Folgen für Grenzregionen präsentieren sich in vielen Arten und Formen. Die ITEM Grenzüberschreitende
Gesetzesfolgenabschätzung konzentriert sich auf drei übergeordnete Themen, deren Folgen für Grenzregionen
analysiert werden:

•	Europäische Integration: die Folgen bestimmter Gesetzgebung und Politik für Grenzregionen aus der
   Perspektive von Einzelpersonen, Verbänden und Unternehmen im Zusammenhang mit den Zielen und
   Grundsätzen der europäischen Integration (d.h. Freiheiten, Unionsbürgerschaft und Gleichbehandlung)
•	Sozioökonomische/nachhaltige Entwicklung: die Folgen von Gesetzgebung und Politik auf die wirtschaftliche
   Entwicklung für die Grenzregion
• Euregionaler Zusammenhalt: die Folgen von Gesetzgebung und Politik auf Zusammenhalt und
   grenzübergreifende Verwaltungsstrukturen für Grenzregionen (z.B. Zusammenarbeit mit staatlichen
   Behörden, Privatpersonen, dem Unternehmenssektor usw.).

Beim ersten Thema geht es um die möglichen Auswirkungen der Gesetzgebung auf Einzelpersonen, die in
grenzüberschreitenden Regionen wohnen und arbeiten. Dossiers, die sich auf europäische Integration
konzentrieren, befassen sich mit Fragen wie zum Beispiel, inwieweit bestimmte Gesetzgebungs- oder politische
Maßnahmen gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Freizügigkeit verstoßen. Das Dossier über die
Einführung eines europäischen Standards für faire Mindestlöhne ist ein gutes Beispiel dafür, da es die potenziellen
Auswirkungen auf Grenzgänger*innen) und Unternehmen hervorhebt. Ein weiteres Beispiel ist das Dossier zur
Zukunft der HomeOffice-Arbeit und ihrer Auswirkungen auf Grenzgänger*innen).

Forscher, die sich auf die sozioökonomische/nachhaltige Entwicklung bestimmter Maßnahmen konzentrieren,
haben eine andere Perspektive. Ihre Forschung konzentriert sich auf Fragen, die im Zusammenhang mit der
Funktionsweise der grenzübergreifenden und euregionalen Wirtschaft stehen. Vor diesem Hintergrund stellt die
diesjährige Bewertung einerseits die (potenziellen) Auswirkungen vereinheitlichter Verfahren für die Festlegung
eines gesetzlichen Mindestlohns und andererseits die Hindernisse bzw. Bedürfnisse für eine funktionierende
Gesundheitsversorgung in grenzüberschreitenden Regionen heraus. Ferner werden die erheblichen
wirtschaftlichen Auswirkungen und administrativen Belastungen zukünftiger politischer Kurswechsel in der
Arbeitsgesetzgebung beleuchtet, die in einem grenzüberschreitenden Kontext oft in Konflikt zu internationalen
und europäischen Vorschriften stehen.

Schließlich können Forscher auch fragen, welche grenzüberschreitenden Folgen eine bestimmte Maßnahme auf
den euregionalen Zusammenhalt, d.h. auf die Zusammenarbeit von Einrichtungen, geschäftliche Kontakte und die
Haltung der Bürger und Bürgerinnen zu grenzübergreifenden Aktivitäten haben kann. Solche Aspekte spielen eine
wichtige Rolle bei der Bewertung der Beziehungen zwischen den Institutionen und der Verwaltung der Euregios
sowie für die euregionale Mentalität der Bürger und Bürgerinnen. Das Dossier über die Auswirkungen auf das
euregionale Krisenmanagement bietet ein hervorragendes Beispiel dafür, denn es konzentriert sich auf die
Auswirkungen des nationalen Krisenmanagements auf die Zusammenarbeit in Form diverser lokaler und
regionaler Krisenteams in grenzüberschreitenden Regionen.

Dossiers können sich abhängig von der Bedeutung der Themen für ihr Forschungsgebiet, dem Umfang ihrer
Forschung und der Verfügbarkeit der benötigten Daten auf eines oder auf alle dieser Themen konzentrieren. Die
Forschungsarbeit im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung für Grenzregionen 2021 stützte sich nicht nur auf
Quellen aus Gesetzgebung und Politik, sondern auch auf empirische Daten, umfassende Interviews und
Hintergrundgespräche.

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Tabelle 1: Beispiele für Grundlagen, Benchmarks und Indikatoren

 Forschungsthemen             Grundlagen                     Benchmarks                     Indikatoren
 Europäische Integration      Europäische Integration        Keine Grenzkontrollen,         Anzahl der Grenzkontrollen,
                              EU-Bürgerschaft                Freizügigkeit des              grenzüberschreitender
                              Gleichbehandlung               Arbeitsmarktes,                Pendelverkehr, Dauer und
                                                             Erleichterung der              Kosten der Anerkennung
                                                             Anerkennung von                von Zeugnissen, Zugang
                                                             Qualifikationen,               zum Wohnungsmarkt usw.
                                                             angemessene
                                                             Koordinierung der Systeme
                                                             der sozialen Sicherheit,
                                                             Steuern

 Sozioökonomische             Regionale                      Grenzübergreifende             Euregional: BIP,
 /nachhaltige                 Wettbewerbsstärke,             Initiativen für                Arbeitslosigkeit, Qualität
 Entwicklung                  nachhaltige Entwicklung        Unternehmensgründungen,        des grenzüberschreitenden
                              von Grenzregionen              euregionale                    Clusters, Umweltbelastung
                                                             Arbeitsmarktstrategie,         (Emissionen), Armut
                                                             grenzübergreifende
                                                             Raumplanung

 Euregionaler                 Grenzübergreifende             Funktionsweise                 Die Anzahl
 Zusammenhalt                 Zusammenarbeit/                grenzübergreifender            grenzübergreifender
                              verantwortungsvolle            Dienstleistungen,              Einrichtungen, die Qualität
                              Staatsführung,                 Zusammenarbeit mit             der Zusammenarbeit (im
                              euregionaler                   Organisationen,                Vergleich zur
                              Zusammenhalt                   Koordinationsverfahren,        Vergangenheit),
                                                             Verbände                       Entwicklung euregionaler
                                                                                            Verwaltungsstrukturen,
                                                                                            Quantität und Qualität
                                                                                            grenzübergreifender
                                                                                            Projekte

Nach Auswahl der Themen im Zusammenhang mit ihrem Dossier ermitteln die Forscher die Grundlagen, die für ihr
Dossier relevant sind. Diese Grundlagen dienen anschließend als Basis für die Festlegung von Benchmark-Kriterien
(d.h. die Formulierung eines hypothetischen Ideals) und bieten letztendlich Indikatoren, anhand derer geprüft
wird, ob Gesetze oder andere Vorschriften bewährte Verfahren unterstützen oder eventuell behindern. Tabelle 1
enthält Beispiele für Grundlagen, Benchmarks und Indikatoren zu den drei Forschungsthemen der ITEM
Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung.

Die Themen haben keine spezifische Gewichtung, die Reihenfolge hängt von der Art der Themen und der
Möglichkeit ab, ein Thema aus allen drei Perspektiven betrachten zu können. Ein Mangel an Daten oder an
nützlichen qualitativen Rückschlüssen kann dazu führen, dass ein Thema von der Diskussion ausgeschlossen wird.
Die einzelnen Forscher und Forscherinnen entscheiden letztendlich selbst darüber, wie sie die einzelnen Themen
im Rahmen ihres Berichts gewichten.

2.3. Die Dossiers der ITEM Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung
		 2021

Die Umfrage für die diesjährige Folgenabschätzung fand von Dezember 2020 bis Januar 2021 unter ITEMs Partnern
und anderen Interessenten und Interessenvertretern statt. ITEM erhielt von verschiedenen Beteiligten zahlreiche
schriftliche Reaktionen auf den Fragebogen. Weitere Themen ergaben sich im Zusammenhang mit den regulären
Aktivitäten von ITEM. Eine weitere Möglichkeit für ITEM, um Themen zu ermitteln, ist es, politische Initiativen oder
Programme (z.B. den niederländischen Koalitionsvertrag von 2017) einem Quickscan zu unterziehen. Nachdem die
Dossiers und Themen überprüft wurden, erfolgte die Auswahl der definitiven Themen auf Grundlage der
Empfehlungen der Arbeitsgruppe Grenzfolgenabschätzung.

Einführung & Methode - ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021                                                             -7-
Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM	

Die fertiggestellten Dossiers sind das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen ITEM, Forschern und
Partnern. Die Zusammenfassungen der diesjährigen Dossiers haben einen eher deskriptiven Charakter, da der
jährliche Forschungszyklus aufgrund der Krisenbewältigungsmaßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie
diversen Verzögerungen unterlag. Wie schon bei den Folgenabschätzungen 2016 bis 2020 wurden manche
Forschungsdossiers durch die Mitarbeit diverser Studierender ermöglicht. Tabelle 2 bietet einen Überblick über die
Forschungsthemen der ITEM Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung 2021.

Tabelle 2: Auszüge der ITEM Gesetzesfolgenabschätzung für Grenzregionen 2021

 Nr.     Thema                              Umschreibung
 Dossiers

 1.      Ex-ante-Studie zu den              Gemeinsam mit Partnern aus dem Transfrontier Euro-Institut Network
         grenzüberschreitenden              (TEIN) hat ITEM die potenziellen Grenzfolgen der geplanten EU-Richtlinie
         Auswirkungen der geplanten         über einen angemessenen Mindestlohn analysiert. Im Dossier werden die
         EU-Mindestlohnrichtlinie           möglichen Auswirkungen eines allgemeinen (verbindlichen) europäischen
         (TEIN-Studie)                      Rahmens für Mindestlöhne auf grenzüberschreitende Regionen und ihre
                                            Einwohner*innen bewertet. Geographisch stehen diverse Grenz-
                                            (überschreitende) Regionen, die an Deutschland grenzen, im Mittelpunkt
                                            - und zwar die gemeinsamen Grenzgebiete mit Belgien und den
                                            Niederlanden sowie mit Frankreich und mit Polen.

 2.      Impact-Analyse zur Zukunft         In der COVID-19-Krise hat sich HomeOffice-Arbeit zunehmend zur Norm
         von HomeOffice-Arbeit für          entwickelt, sodass auch Grenzgänger*innen zur HomeOffice-Arbeit ermutigt
         Grenzgänger*innen nach             bzw. sogar aufgefordert wurden. Dieser Zustand wird nach der Krise in der
         COVID-19                           einen oder anderen Form andauern, da sowohl Beschäftigte als auch
                                            Arbeitgeber die Vorteile erkannt haben. Darüber hinaus gibt es nun
                                            politische Appelle, entsprechende Strukturen für HomeOffice-Arbeit zu
                                            schaffen. Doch gerade für Grenzgänger*innen) hat (partielle) HomeOffice-
                                            Arbeit (teils gewichtige) Folgen, die sich angesichts der physischen
                                            Verlagerung des Arbeitsplatzes aus den geltenden Steuer- und
                                            Sozialversicherungsvorschriften ergeben. Da diese Vorschriften während der
                                            Krise vorübergehend ausgesetzt waren, wird in diesem Dossier untersucht,
                                            welche Folgen formale Richtlinien zur HomeOffice-Arbeit in Zukunft auf
                                            Grenzgänger*innen) und ihre Arbeitgeber haben können.

 3.      Die Folgen des nationalen          Im Anschluss an die Studie aus dem Jahr 2020 (in Zusammenarbeit mit TEIN)
         Corona-Krisenmanagement            wurden die Auswirkungen der Coronakrise ebenfalls im Rahmen der
         für das grenzüberschreitende       diesjährigen Grenzfolgenabschätzung untersucht. Dieses Dossier
         Krisenmanagement in der            konzentriert sich auf die Auswirkungen des Krisenmanagements in der
         Euregio Maas-Rhein                 Euregio. Insbesondere werden die Auswirkungen des nationalen
         (Nachfolgestudie)                  Krisenmanagements auf die Zusammenarbeit in Form diverser lokaler und
                                            regionaler Krisenteams in grenzüberschreitenden Regionen bewertet. Der
                                            Bericht beruht auf einer Studie, die 2020/2021 im Rahmen des INTERREG-
                                            Projekts Pandemric durchgeführt wurde. ITEM hat gemeinsam mit
                                            Forscherkolleg(inn)en der Universität Leiden und des Ockham IPS Institute
                                            das grenzüberschreitende Krisenmanagement insbesondere im Hinblick auf
                                            die Spannungen zwischen nationaler Verwaltung und euregionalen
                                            Bedürfnissen untersucht.

 4.      Kann die EU-Richtlinie über        Was umfasst eine funktionierende Gesundheitsversorgung in Grenz-
         Patientenrechte eine               (überschreitenden) Regionen? Systemische Unterschiede zwischen den
         funktionierende                    Gesundheitssystemen Belgiens, Deutschlands und der Niederlande in
         Gesundheitsversorgung in           Kombination mit eingeschränkten europäischen Gesetzen über die
         grenzüberschreitenden              grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung sorgen für Hindernisse beim
         Regionen gewährleisten?            Versuch, den Zugang zu Gesundheitsversorgung in den Grenzregionen
         Eine Ex-post-Bewertung             auszubauen. Unter Berücksichtigung des Umfangs und der Gewichtung
                                            dieser Hindernisse in den drei Ländern befasst sich dieses Dossier mit der
                                            Frage, ob die EU-Richtlinie über die Ausübung von Patientenrechte diesem
                                            Ziel gerecht wird.

Einführung & Methode - ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021                                                               -8-
Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM	

3.       Die Dossiers von 2021 - in Zusammenfassung

3.1.	Dossier 1: Ex-ante-Studie zu den grenzüberschreitenden Auswirkungen der
      geplanten EU-Mindestlohnrichtlinie (TEIN-Studie)

         Gemeinsame Forschungsarbeit mit dem Transfrontier Euro-Institut Network (TEIN)

                                                                                      Institute for Transnational and Euregional cross
                                                                                              border cooperation and Mobility / ITEM

                                                                                                         Dr. Nina Büttgen (ITEM)
                                                                                                          Martin Unfried (ITEM)
                                                                                    José Victor Cremonesi Giarola (ROA/ ITEM)
                                                                                                     Dr. Bastiaan Didden (ITEM)
                                                                                                  Clarisse Kauber (Euro-Institut)
                                                                      Dr. Peter Ulrich (Leibniz-Institut/BTU-Cottbus/Viadrina)
                                                                                                  Jessica Nougier (Euro-Institut)
                                                                                                         Roel Karstenberg (ITEM)
                                                                                                          Dorien Coppens (ITEM)

Allgemeine Einführung
Dieses Dossier befasst sich mit den Auswirkungen, die ein verbindlicher europäischer Rahmen für angemessene
Mindestlöhne auf grenzüberschreitende Regionen in der EU und deren Einwohner*innen haben könnte. Mit dem
Vorschlag für eine Mindestlohnrichtlinie (Oktober 2020) will die Europäische Kommission allen Beschäftigten in
der EU einen Anspruch auf angemessene Mindestlöhne bieten. Seit der Verkündung der Europäischen Säule
sozialer Rechte (im Folgenden: die Säule) im November 2017 durch das Europäische Parlament, den Rat und die
Kommission hat die Zahl der gesetzlichen Maßnahmen zur Stärkung eines „sozialen Europas“ zugenommen. Ziel
der Säule ist es, „Europas Versprechen von Wohlstand, Fortschritt und Konvergenz zu erfüllen und ein soziales
Europa für alle zu verwirklichen“. Genauer gesagt fordert sie:

              „In Grundsatz 6 der Säule, ,Löhne und Gehälter‘, werden angemessene Mindestlöhne sowie
              die transparente und verlässliche Festlegung von Löhnen gemäß den nationalen Verfahren
              und unter Wahrung der Tarifautonomie der Sozialpartner gefordert.“ 9

Unlängst wies die Europäische Kommission zudem (erneut) auf den Bedarf an „dynamischen
grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten“ hin, da dies eines ihrer vier thematischen Prioritäten ist, auf die sie sich
bei der Stärkung von EU-Grenzregionen konzentriert.10 In der Realität sehen sich viele Grenzregionen jedoch
weiterhin mit sozioökonomischen Ungleichheiten auf beiden Seiten der Grenze konfrontiert. Damit Unternehmen
(insbesondere KMU), Beschäftigte und Arbeitssuchende von den Vorteilen profitieren können, die echte
grenzüberschreitende Arbeitsmärkte bieten, weist die Kommission nachdrücklich darauf hin, dass

9	Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen
     Union. COM(2020) 682 final. Brüssel, 28.10.2020. In der strategischen Agenda für 2019-2024, die der Europarat im Juni 2019
     verabschiedete, wird die Umsetzung der ESSR auf EU- und nationaler Ebene gefordert.
10	Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den
     Ausschuss der Regionen zu „Grenzregionen in der EU: Reallabors der europäischen Integration“, COM(2021) 393 final, Brüssel,
     14.7.2021. „Um das Potenzial von Grenzregionen zu maximieren, bestehende Hindernisse zu beseitigen, ihre wirtschaftliche Erholung
     voranzutreiben und ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken, sind maßgeschneiderte Lösungen und Strategien erforderlich.“
     (COM(2021)393, S. 6).

Die Dossiers von 2021 - ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021                                                                        -9-
Institute for Transnational and Euregional cross border cooperation and Mobility / ITEM	

                   „Um dieses Konzept zum Erfolg zu führen, sollten Grenzregionen als „Gesamtgebiet“
                   betrachtet werden, was die allgemeine und berufliche Bildung, Qualifikationen und
                   Kompetenzen, Beschäftigung und den Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherung betrifft.
                   Dies ist jedoch [noch] nicht der Fall [...]“ 11

Aus dieser Perspektive würde ein dynamischer grenzüberschreitender Arbeitsmarkt - nach Ansicht der Kommission
- Unternehmen Zugang zu mehr Qualifikationen und Kompetenzen bieten, dafür sorgen, dass (internationale)
Talente in der Region bleiben und Arbeitssuchenden Zugang zu mehr Jobangeboten verschaffen.

Vor diesem Hintergrund erscheint eine Untersuchung angebracht zu der Frage, welche Folgen die vorgeschlagene
EU-Mindestlohnrichtlinie auf grenzüberschreitende Regionen und ihre Einwohner*innen haben könnte.
Mindestlöhne gelten als sensibles Thema in der Arbeitsmarktpolitik (was die lebhaften Diskussionen in
Deutschland vor der Einführung des ersten landesweiten Mindestlohns 2015 beweisen). Darüber hinaus sind bei
diesem Thema erhebliche wirtschaftliche und soziale Abwägungen zu berücksichtigen. Angesichts der
europäischen Bestrebungen, Grenzregionen mittels grenzüberschreitender Arbeitsmärkte und durch euregionaler
Entwicklung mehr einzubinden und deren Zusammenhalt zu fördern, ist es interessant zu beobachten, ob
nationale Mindestlöhne, die in einen allgemeinen europäischen Angemessenheitsrahmen integriert sind, in
diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.

Um ermitteln zu können, wie diese Auswirkungen in verschiedenen europäischen Regionen wahrgenommen
werden, wurde die Studie in enger Zusammenarbeit mit diversen TEIN-Partnern durchgeführt. Die Analyse
umfasst eine Ex-ante-Einschätzung der potenziellen Folgen der Richtlinie auf den länderübergreifenden
Grenzraum zwischen Belgien, Deutschland und den Niederlanden (ITEM), den Grenzraum zwischen Frankreich
und Deutschland (Euro-Institut) sowie den Grenzraum zwischen Deutschland und Polen (Leibniz/BTU-Cottbus/
Viadrina); siehe dazu weiter Abbildung 3.

Methodik
Angesichts der erfolgreichen Zusammenarbeit beim „Corona-Dossier“ im vergangenen Jahr freuen sich die Partner
darauf, die gemeinsame Forschungsinitiative mit ITEM und weiteren TEIN-Mitgliedern fortzusetzen. Das Dossier
von 2020 bot umfassende Erkenntnisse über mitunter weitreichende und schhwerwiegende Politik- und
Gesetzesfolgen für Grenzregionen, die insbesondere durch die Krise aufgrund der COVID-19-Pandemie verursacht
wurden.

In diesem Jahr befasst sich die gemeinsame Studie erstmals mit „traditioneller“ EU-Gesetzgebung, in diesem Falle
eine die sich noch in der Vorbereitungsphase befindet. Daher bilden der Richtlinienvorschlag der Kommission (von
Oktober 2020) sowie der ursprüngliche Vorabbericht des Europäischen Parlaments (von April 2020) mit
potenziellen Verbesserungen die (potenziellen) Gesetzestexte als Grundlage für diese Analyse.

Die Festlegung von Mindestlöhnen - wofür im Wesentlichen die Mitgliedstaaten zuständig sind - ist tendenziell
ein kontroverses Thema, das Fragen der sozioökonomischen Entwicklung und der Sozialrechte von Bürgern und
Bürgerinnen im Kern trifft. Um die möglichen (grenzüberschreitenden) Auswirkungen des Gesetzes zu
betrachten, muss man sich daher zunächst ein Bild davon machen, was die Umsetzung der Richtlinie für die
betroffenen Mitgliedstaaten im Einzelnen bedeuten würde. Würden die Mindestlohnstandards, wie sie von der
Kommission oder dem Europäischen Parlament vorgeschlagen werden, zu Änderungen in der nationalen
Gesetzgebung führen (müssen)? Bei diesen Mitgliedstaaten handelt es sich um Belgien, Frankreich,
Deutschland, die Niederlande und Polen.12

11	Ebd., S. 11.
12	Bislang (September 2021) haben 13 Parlamente der Mitgliedstaaten einen Beitrag oder eine mit Gründen versehene Stellungnahme
     eingereicht. Darunter befand sich keines der untersuchten Länder. Mehrere Mitgliedstaaten, wie z. B. Schweden, äußerten jedoch
     grundlegende Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Kommissionsvorschlags mit dem Subsidiaritätsprinzip. Die Lohnbildung
     sei eine ausschließlich nationale Angelegenheit und die Richtlinie stehe daher im Widerspruch zu diesem Grundsatz. Siehe
     Verfahrensakte: 2020/0310(COD) | Legislative Observatory | European Parliament (europa.eu).

Die Dossiers von 2021 - ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021                                                                   - 10 -
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Abbildung 3: Die drei grenzüberschreitenden Gebiete von Dossier 1; eigene Hervorhebung in der MOT-Illustration der
grenzüberschreitenden Gebiete (MOT 2018).

Zweitens untersuchen wir die Rolle von Mindestlöhnen in den drei obengenannten Grenz-(überschreitenden)
Regionen im Allgemeinen, einschließlich einer sektoralen Perspektive. Darauf aufbauend wird analysiert, welche
grenzüberschreitenden Auswirkungen die Richtlinie insbesondere in diesen Regionen haben würde. Dazu gehört die
Frage, wie viele Grenzgänger und Unternehmen/Sektoren auf beiden Seiten der Grenze betroffen wären (Sozio-
ökonomische/nachhaltige Entwicklung und Europäische Integration). Schließlich folgt eine Bewertung des
vorgeschlagenen Konzepts der Angemessenheit, bei dem die Ansichten von Kommission und Parlament deutlich
auseinandergehen. Die Diskussion wird diesen Aspekt im Zusammenhang mit dem Thema des euregionalen
Zusammenhalts, d.h. der Schaffung eines gemeinsamen grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Sozialraums,
beleuchten.

Die Dossiers von 2021 - ITEM Grenzfolgenabschätzung 2021                                                    - 11 -
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Angesichts der Erfahrungen der ITEM Grenzfolgenabschätzung aus den vergangenen Jahren13 waren
Schwierigkeiten bei der Datenerhebung - insbesondere auf der unteren Ebene oder bei der Hervorhebung
spezifischer grenzüberschreitender Bewegungen - von vornherein erwartet worden. Die Verfasser weisen auf die
spezifischen Einschränkungen bei der Datenerhebung pro Region hin. Wenn quantitative Daten fehlen, werden
Ergänzungen aus „Hintergrundgesprächen“ mit beteiligten Parteien verwendet, um qualitative Indikatoren zu
überprüfen. ITEM und die TEIN-Partner haben vereinbart, die in ihren jeweiligen Regionen relevanten Daten der
gemeinsamen Analyse und Berichterstattungzugute kommen zu lassen.

Zusammenfassung des thematischen Ansatzes
Alle drei Forschungsthemen der Grenzüberschreitenden Gesetzesfolgenabschätzung von ITEM werden in diesem
Dossier behandelt. Unter Berücksichtigung der Themen Europäische Integration und Sozioökonomische
Entwicklung, wird Mindestlohnrichtlinie hinsichtlich ihrer erwarteten Folgen für die bestehenden nationalen
Gesetze (oder alternative Methoden zur Mindestlohnfestlegung, z.B. Tarifverträge in Belgien) analysiert. Die
nationale Bestimmungen werden mit den Standards verglichen, die von europäischer Ebene aus vorgegeben
werden. Konkret dienen der Vorschlag der Kommission und die potenziellen Änderungen, die im ersten vorläufigen
Ausschussbericht des Europäischen Parlaments enthalten sind (April 2021) als Vergleichsmaßstäbe.14 Entsprechen
die nationalen Gesetze der vorgegebenen Angemessenheitsgrenze der Richtlinie, was nach Ansicht des
Europäischen Parlaments bedeuten würde, dass der Mindestlohn sowohl 50 % des Bruttodurchschnittslohns in
einem Land als auch 60 % des mittleren Bruttolohns entsprechen müsste? Der Vergleich mit den aktuellen
nationalen mittleren und durchschnittlichen Bruttolöhnen zeigt, dass nur Frankreich diese Schwellenwerte
erreicht (siehe Tabelle 3). Der Mindestlohnsatz der vergangenen Jahre in allen übrigen Mitgliedstaaten liegt nicht
einmal in der Nähe der vorgeschlagenen Sätze.

Tabelle 3: Überblick über die durchschnittlichen und mittleren Bruttomindestlöhne im Vergleich zu den in der
vorgeschlagenen Richtlinie geforderten Schwellenwerten laut dem vorläufigen Bericht des Europäischen Parlaments
vom 6. April 2021. Eigene Berechnungen.

     Land              Durchschnitt (2014-2018) - durchschnitt-                 Durchschnitt (2014-2018) - mittlerer
                       licher Schwellenwert                                     Schwellenwert
     Belgien                                   44 %                                                     49 %
     Frankreich                                51 %                                                     61 %
     Deutschland                               41 %                                                     47 %
     Niederlande                               43 %                                                     49 %
     Polen                                     42 %                                                     52 %

Im Hinblick auf den euregionalen/grenzüberschreitenden Zusammenhalt werden die Ergebnisse der vorherigen
Abschnitte für die drei grenzüberschreitenden bzw. Grenzregionen zusammengetragen, verglichen und überprüft.
In der Analyse wird berücksichtigt, ob grenzüberschreitende Interaktionen/Beziehungen aufgrund der
Änderungen im Zuge der Richtlinie reduziert werden. Die grenzüberschreitenden Regionen stehen hier also im
Mittelpunkt. Außerdem wird untersucht, ob die EU-Richtlinie als Maßnahme gegen Einkommensungleichheit
Auswirkungen in einem grenzüberschreitenden/euregionalen Kontext hat? In welchem Umfang wurden relevante
administrative Daten (z.B. Typ und Umfang sozialer und Beschäftigungsdienstleistungen) bereits in einem
euregionalen/grenzüberschreitenden Kontext erhoben?

Dieses Dossier untersucht nicht nur die Folgen für grenzüberschreitende Regionen zwischen Belgien, Deutschland,
Frankreich, den Niederlanden und Polen, sondern stellt auch eine Fortsetzung der Partnerschaft zwischen ITEM
und diversen Partnern aus dem TEIN-Netzwerk dar, einem einzigartigen Netzwerk aus Universitäten,
Forschungsinstituten und Schulungszentren, das grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördert. Auf diese Weise
unterstützt diese Studie die fruchtbare Zusammenarbeit bei regionalen Studien zu grenzüberschreitenden Folgen
in den vorgenannten Ländern.

13     J. van der Valk: „Dossier 5: Grenzüberschreitendes Datenmonitoring - eine echte Herausforderung“. ITEM Gesetzesfolgenabschätzung
       für Grenzregionen 2019: https://itemcrossborderportal.maastrichtuniversity.nl/link/id/U8rHnsyQU5BsF9bj.
14	Der EMPL-Ausschuss sollte seinen Bericht der EP-Generalversammlung im November 2021 zur ersten Lesung vorlegen, nachdem die
       Abstimmung des Ausschusses über fast 900 Änderungsanträge für Oktober geplant war.

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3.2.	Dossier 2: Impact-Analyse zur Zukunft von HomeOffice-Arbeit für
      Grenzgänger*innen nach COVID-19

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                                                                                                                             Pim Mertens
                                                                                                                           Martin Unfried

Einführung
Im Laufe der COVID-19-Krise hat HomeOffice-Arbeit sich zur Norm entwickelt, da die Arbeit im HomeOffice
gefördert oder sogar vorgeschrieben wurde. Daher ist es alles andere als überraschend, dass der Anteil der
HomeOffice-Arbeit zugenommen hat. Zahlen aus Europa belegen, dass Arbeitnehmer*innen etwa 40 % der
bezahlten Arbeitsstunden von zuhause aus arbeiten15; in den Niederlanden haben sogar 49 % der
Arbeitnehmer*innen ganz oder teilweise von zuhause aus gearbeitet.16 Das gilt auch für Grenzgänger*innen.
Erwartungen zufolge wird HomeOffice-Arbeit auch nach der Krise einen wesentlichen Anteil haben, denn viele
Arbeitnehmer*innen wollen auch danach zumindest teilweise von zuhause aus arbeiten.17 Einerseits fördern
zahlreiche Arbeitgeber die HomeOffice-Arbeit und passen ihre Unternehmenspolitik entsprechend an,
andererseits befasst sich die Politik zunehmend mit HomeOffice-Arbeit und will entsprechende Strukturen
schaffen. Es gibt unterschiedliche Initiativen, um die HomeOffice-Arbeit zu formalisieren.

Politik in den Niederlanden, Deutschland und Belgien
In den Niederlanden haben die Abgeordneten Van Weijenberg18 (D66) und Smeulders19 (GroenLinks) am 21. Januar
2021 eine Gesetzesvorlage unter dem Titel „Werken waar je wil“ (Freie Wahl des Arbeitsplatzes) eingebracht.20 Ziel
der Gesetzesvorlage ist es, das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes an das bereits bestehende Recht auf
Anpassung der Arbeitszeiten oder der Anzahl der Arbeitsstunden durch eine Änderung des niederländischen
Gesetzes über flexibles Arbeiten (Wet flexibel werken) anzugleichen.21 Anmerkungen zu den Auswirkungen auf
Grenzgänger*innen erfolgten sowohl im Zuge der Internetkonsultation als auch durch den niederländischen
Staatsrat (Raad van State). In diesem Zusammenhang wird auch auf den Leitfaden zu Gesetzesfolgen für
Grenzregionen (Leidraad Grenseffecten) verwiesen: „Die gute Vorbereitung einer Gesetzesänderung erfordert auch,
dass solche Probleme zunächst angemessen beantwortet werden.“ 22 Insbesondere geht es um die Folgen der
HomeOffice-Arbeit auf die steuerliche und soziale Sicherheit von Grenzgänger(inne)n. Daher fordern die
Einbringer der Gesetzesvorlage die Regierung auf, mit den Nachbarländern Gespräche über gesetzliche
Erleichterungen für Steuer- und Sozialabgabenerhebung zu führen.

In Deutschland wurde ebenfalls auf Bundesebene eine Gesetzesvorlage eingebracht, in der mobiles Arbeiten
gefördert und erleichtert wird.23 Allerdings finden Verhandlungen über diese Gesetzesvorlage erst nach den
Wahlen statt. In Belgien war die HomeOffice-Arbeit während der COVID-19-Krise laut Ministeriellem Erlass Pflicht;
zugleich waren Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigte, die an ihrem festen Arbeitsplatz arbeiteten, zu erfassen. Mit
dem letzten Schritt des Sommerplans 2021 zur Bekämpfung der Coronapandemie hat der
Konzertierungsausschuss24 alle Arbeitgeber aufgefordert, strukturelle Grundlagen für Telearbeit zu schaffen.25

15	Eurofound: Report Living, working and COVID-19. 2020, S. 59. Im März 2021 arbeiteten laut TNO 49 % der Beschäftigten in den
     Niederlanden ganz oder teilweise von zuhause aus.
16	TNO: De impact van de COVID-19 pandemie op werknemers. TNO: Leiden 2021.
17	Siehe u.a. Eurofound: Report Living, working and COVID-19. 2021, S. 3: 73 %.
18	Ersetzt durch De Jong (D66).
19	Ersetzt durch Maatoug (GroenLinks).
20 Kamerstukken (Parlamentsdrucksachen) II, 2020-21, 35 714, Nr. 2, zuletzt bearbeitet in Kamerstukken II, 2020-21, 35 714, Nr. 5
21   Kamerstukken (Parlamentsdrucksachen) II, 2020-21, 35 714, Nr. 3.
22   Kamerstukken (Parlamentsdrucksachen) II 2020-21, 35 714, Nr. 4, S. 8-9.
23	Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eines Gesetzes zur mobilen Arbeit.
24	Der Konzertierungsausschuss ist ein Organ, in dem sich die Ministerpräsidenten und Regierungsmitglieder der einzelnen belgischen
     Regierungen beraten, um für eine kohärente Politik zu sorgen und Konflikte zu vermeiden oder zu schlichten. Seit der letzten
     Staatsreform gibt es in Belgien aktuell sechs Regierungen.
25	Info-coronavirus.be, Konzertierungsausschuss - ab dem 1.September fallen zahlreiche Einschränkungen weg,
     https://www.info-coronavirus.be/nl/news/occ-2008/

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