MITTEILUNGSBLATT - Österreichische Lagergemeinschaft ...
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MITTEILUNGSBLATT RAVENSBRÜCK der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen 2021 Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen Lassallestraße 40/2/6, A-1020 Wien, Tel.: 0650/48 00 636 E-Mail: LGRav_FreundInnen@gmx.net Internet: www.ravensbrueck.at
Allen Kameradinnen & FreundInnen im In- und Ausland wünschen wir ein gesundes & friedliches Jahr 2022! Diesem Mitteilungsblatt legen wir einen Zahlschein zur Einzahlung des jähr- lichen Mitgliedsbeitrages von 20 Euro bei. Wir bitten um baldige Überwei- sung! Spenden werden dankend entgegengenommen. BIC: BAWAATWW, IBAN: AT85 1400 0028 1082 1178 Wie immer legen wir auch die Einladung bei, Mitglied zu werden, sowie eine Beitrittserkärung. Bitte das Blatt gerne an Interessierte weitergeben! Der Vereinsvorstand der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen (ÖLGR/F) Inhalt 76. Jahrestag der Befreiung 3 Ravensbrück 4 Uckermark Internationales Ravensbrück-Komitee 5 Wanderausstellung „Faces of Europe“ 5 Treffen des IRK in Ravensbrück Erfolge! 8 Die Verfolgung von Lesben ist endlich anerkannt 11 Ein Gedenkzeichen für Sexzwangsarbeiterinnen Veranstaltungen und (laufende) Projekte 11 Theaterperformance „Lebenslang“ 12 www.ravensbrückerinnen.at 13 ÖLGR/F-Vereinsaktivitäten 2021 14 Generalversammlung der ÖLGR/F 15 Internationaler Dialog in Mauthausen 16 Buchprojekt: Spurensuche seit über 20 Jahren 17 Ehrung von Hanna Sturm 18 Entfernung. Österreich und Auschwitz Nachrufe 19 Esther Bejarano (1924–2021) 21 Svjetlana Hromin-Heidler (1940–2021) 22 Anna Jug (1922–2021) 23 Caspar Einem (1948–2021) Vermächtnis 24 Präambel der Vereinsstatuten der ÖLGR/F Impressum MITTEILUNGSBLATT 2021 • Herausgeberin: Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen ÖLGR/F, Lassalle- str. 40/2/6, 1020 Wien • Texte & Mitarbeit an dieser Ausgabe: Helga Amesberger, Siegrid Fahrecker, Brigitte Halbmayr (Redaktion & Lektorat), Sylvia Köchl (Bildredaktion), Tina Leisch, Hannelore Stoff • Fotos: Christian Dürr, Initiative für einen Gedenkort ehema- liges KZ Uckermark e.V., IRK, Sylvia Köchl, Lagergemeinschaft Ravensbrück Freundeskreis e.V., Mahn- und Gedenkstätte Ravens- brück, ÖLGR/F-Archiv, Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser, Projektgruppe Ravensbrück (Bielefeld), Hannelore Stoff • Layout: Sylvia Köchl • Vervielfältigung: www.teleprint.at 2
Befreiungsfeier 2021 „Erinnerung teilen“ Der 76. Jahrestag der Befreiung des KZ Ravensbrück fand für die meisten Menschen leider wieder nur online statt Ausschnitte aus dem Online-Video der zentralen Gedenk- veranstaltung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. 2022 sollten wir alle uns endlich wieder in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück treffen können! Die 77. Befreiungsfeier wird am Samstag, den 30. April und am Sonntag, den 1.Mai stattfinden. Auch 2021 konnte, wie bereits im Jahr zuvor, aufgrund ten Frauen (2019 und 2020) sowie „Meine Mama war der Covid-19-Pandemie keine große Befreiungsfeier vor Widerstandskämpferin“ (2019) präsentierten. Dafür Ort stattfinden. wurden vorab Videos von knapp einer halben Stunde Unter dem Motto des 76. Jahrestags, „Erinnerung tei- produziert, in denen die Bücher vorgestellt wurden, an- len“, wurden aber rund um den Gedenktag am 18. Ap- schließend wurde mit den Leuten, die via Zoom dabei ril zahlreiche Online-Veranstaltungen abgehalten, die waren, diskutiert. Der dritte Programmpunkt war die dazu dienen sollten, in Kontakt mit den Überlebenden, Buchpräsentation (ebenfalls mit Video und Diskussion) ihren Angehörigen und den Freund_innen der Mahn- von Veronika Duma zu „Rosa Jochmann: politische Ak- und Gedenkstätte zu treten und das Gedenken und die teurin und Zeitzeugin“ (2019). Erinnerung auf diese Art lebendig zu halten. Mit Vor- anmeldung konnten Interessierte an vielen der Events Sämtliche Videos zu Programm und Gedenkveranstal- teilnehmen. tung sind unter einer eigens eingerichteten Internetad- Die zentrale Gedenkveranstaltung der Mahn- und Ge- resse nachzusehen: denkstätte Ravensbrück wurde durch Dr. Andrea Ge- https://rememberliberation.stiftung-bg.de/befrei- nest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravens- ung-ravensbrueck brück, eröffnet und mit Live-Stream übertragen. Die ÖLGR/F hat, wie jedes Jahr, Blumengebinde für die Die Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & Mauer der Nationen und das Denkmal der Tragenden Freund_innen (ÖLGR/F) war mit folgenden Veranstal- geschickt. tungen bei den Feierlichkeiten vertreten: Auch privat wurden vielerorts Gedenkmomente abge- Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr bestritten mit halten – wie beispielsweise ich es in Erinnerung an mei- Elke Rajal bzw. Simon Clemens zwei Programmpunkte, ne Großmutter Anna Burger-Lasser, die in Ravensbrück in denen sie ihre im Jahr davor erschienenen Publika- ermordet wurde, getan habe. tionen zur Verfolgung von als „asozial“ stigmatisier- Siegrid Fahrecker 3
Gedenken im Jugend-KZ Uckermark Zum 76. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Ju- gereist wären, konnten die Plakate am 17. April 2021 an gendkonzentrationslagers und späteren Vernichtungs- jenen (politischen) Orten aufhängen, an denen sie sich orts Uckermark produzierte die „Initiative für einen befanden. Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.“ 2021 – wie Viele haben das gemacht! (Siehe auch S. 14) Und die schon im Jahr zuvor – Gedenk-Plakate. Jene Menschen, „Initiative Uckermark“ hat die Plakate am Gelände des die vor der Covid-Pandemie zur Feier an den Gedenkort ehemaligen KZ platziert, wie diese Fotos zeigen. 4
„Faces of Europe“ 2021 Liebe treue Leser_innen des Mitteilungsblattes der ÖLGR/F! Wie schon in der letzten Ausgabe vom Dezember 2020 lung zu finden. So war es möglich, dass am 11. Jänner kann ich auch heuer nur kurz erwähnen, dass die wun- 2021 die Eröffnung der Ausstellung im Tschechischen derbare Wanderausstellung „Faces of Europe“ pande- Polizeimuseum Prag stattfinden konnte und die Feier miebedingt noch immer nicht wandern darf und kann. virtuell übertragen wurde. Das alles kann noch immer Aufgrund der eingeworbenen Gelder durch das Inter- unter dem Link: www.muzeumpolicie.cz nachgesehen nationale Ravensbrück Komitee (IRK) musste sie 2021 werden. Von der Vernissage gibt es auch viele Bilder, die jedoch auf jeden Fall gezeigt werden, sodass schweren wir auf www.ravensbrueck.at verlinkt haben. Herzens entschieden wurde, sie online zu eröffnen. Nachdem die Ausstellung bis Ende Februar 2021 in Prag Da in Prag die Herstellungsarbeiten getätigt wurden, stationiert war, übersiedelte sie von April bis Ende Okto- war es am einfachsten, das dort zu tun. Einen großen ber 2021 in die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Dank möchte ich der Arbeitsgruppe und der tschechi- Kommendes Frühjahr wird sie in Italien zu Gast sein – schen Delegation im IRK aussprechen, die alles daran und bald danach hoffentlich in Wien! gesetzt haben, einen würdigen Platz für die Ausstel- Siegrid Fahrecker Das IRK in Ravensbrück 2021 war ein Treffen des Internationalen Ravensbrück Komitees IRK endlich wieder physisch möglich! Seit Ausbruch der Covid-Pandemie 2020 fand erstmals wieder ein echtes Treffen des IRK statt: gut geschützt und ebenso gut organisiert. Wir, das IRK (Internationales Ravensbrück Komitee), gar nicht möglich. So waren wir dieses Jahr lediglich 18 haben eine kurze Verschnaufpause in der Covid-Pan- Teilnehmer_innen aus sieben Nationen, und zwar aus demie genutzt und ein physisch reales Zusammenkom- Österreich, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Slo- men gewagt. Vom 3. bis 6. September 2021 fand das wenien, Spanien und Tschechien. lange ersehnte Treffen in der Mahn- und Gedenkstätte Unter uns Teilnehmenden war ein Überlebender, Ib Ravensbrück statt. Leider hat uns dann die Deutsche Katznelson aus Dänemark, die beiden Dolmetscher_in- Bahn mit einem Streik einen gewaltigen Strich durch nen Carsten Hinz und Niki Kladoura aus Deutschland die Rechnung gemacht und die An- und Abreise für uns sowie als Gast Fleur Mathy, die Tochter von Jeanine alle enorm erschwert. Ich wollte aber, nein, ich musste Bochats Nachbarn. Sie hat deutsch-französische Wur- unbedingt dabei sein. Also machte ich mich allein und zeln und sehr viel bei der Übersetzung der Website ge- mit schwerem Gepäck auf die Reise, die letztendlich 17 holfen – denn in der Zwischenzeit ist auch die Website Stunden gedauert hat. des IRK online gegangen! Die Adresse: www.irk-cir.org Leider war den Delegierten aus Belgien, Holland, Nor- Als nächsten Schritt möchten wir eine weitere Wander- wegen, Polen, Rumänien, Russland, Ukraine und Un- ausstellung ins Leben rufen, diesmal unter dem Namen garn die Anreise wegen der strengen Covid-Vorschriften „Voices of Europe“. Dafür gibt es aber noch viel zu erar- 5
Das Fotoshooting in der Ausstellung „Faces of Europe“: Siegrid Fahrecker vor dem Portrait ihrer Großmutter Anna Burger. beiten, die Ausstellung steckt quasi noch in den Kinder- stammt. Im Turm war eine eiserne Treppe neu einge- schuhen. baut worden, an den Wänden konnte man jedoch noch Im IRK sind derzeit 16 Länder vertreten: Österreich, immer die Steigeisen sehen und auch die Kurbel, mit der Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Holland, damals die Luke zur Plattform geöffnet wurde – heute Italien, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, Slowe- geschieht das elektrisch auf Knopfdruck. nien, Spanien, Tschechien, Ukraine und Ungarn. Es war gigantisch, von dort oben über den gesamten Das IRK-Treffen war sehr gut organisiert: Vorab wurden Lagerkomplex zu blicken. Leider war es mir bis Redak- bereits die einzelnen Länderberichte via Internet über- tionsschluss nicht möglich, die exakte Höhe des Uhr- mittelt, gesammelt und übersetzt, sodass wir sie vor Ort turms zu erfahren. in den jeweils benötigten Sprachen in unserer Arbeits- mappe vorfanden und die lange Prozedur der mündli- Die Renovierung des Bunkers chen Berichte diesmal entfiel. Stattdessen hatten wir am Zu den nationalen Gedenkräumen im ehemaligen Bun- Freitag nun genügend Zeit für viele andere interessante ker gab es dann wichtige Informationen: Wegen eines Dinge. großen Wasserschadens ist der Bunker schon seit zwei Jahren für Besucher_innen gesperrt. Wann eine Wie- „Faces of Europe“ und der Uhrturm dereröffnung möglich sein wird, hängt vom Fortgang Am Samstag war dann jeder Moment voller Emotionen. der sehr aufwändigen Renovierungsarbeiten ab. Im Un- Im Garagenhof der Gedenkstätte war die Ausstellung tergeschoss ist der Wasserschaden bereits behoben. Im „Faces of Europe“ (zugänglich bis Ende Oktober 2021) Obergeschoss, wo die Gedenkräume der Nationen sind, zu sehen. Wir IRK-Delegierte betraten einen großen muss jetzt alles ausgeräumt werden. Davor wird jeder Raum und waren sprachlos: Hier hingen die Porträts Raum gefilmt und mit Fotos dokumentiert, die einzel- unserer Mütter und Großmütter. Die Broschüre zur nen Ausstellungsstücke werden sorgfältig aufbewahrt. Ausstellung, in der die Biografien zu den Porträtierten Erst nach dieser sehr mühevollen, zeitaufwändigen Ar- abgedruckt sind, war auch bereits aufgestapelt. Es war beit kann mit der Sanierung der Räume begonnen wer- unglaublich ergreifend – und ein Fotoshooting durfte den. Danach kann jedes Land seinen Gedenkraum wie- nicht fehlen. der befüllen. Danach hatten wir die Möglichkeit, aus drei Aktivitäten Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: ihn wieder einzurich- zu wählen: Den ehemaligen Bunker mit den nationalen ten, wie er war, oder Änderungen vorzunehmen. Meine Gedenkräumen zu besuchen, das neu renovierte Haus ganz persönliche Meinung zum österreichischen Raum: mit der Ausstellung über die Aufseherinnen zu be- Dieser Gedenkraum wurde von den Überlebenden ge- sichtigen oder auf den Uhrturm der ehemaligen Kom- staltet und uns nachfolgenden Generationen als eine Art mandantur hinaufzusteigen. Ich wählte Letzteres. Vom Vermächtnis hinterlassen. Wir sollten ihn daher wieder Dachboden aus ging es nochmals sechs Stockwerke im in seinen ursprünglichen Zustand versetzen, abgesehen Turm hoch auf eine Plattform, die noch aus der NS-Zeit vom vermeintlichen Foto einer Österreicherin, von dem 6
sich mittlerweile herausgestellt hat, dass es eine franzö- bar zu machen, denn es gibt dabei noch mehr zu sehen: sische Frau zeigt. Den Rest des Raumes würde ich gerne Z.B. eine Eisenbahn-Fähre (in der Art einer Drehbrü- wie bisher belassen bzw. mit Dokumenten ergänzen, die cke), die jetzt funktionslos ist. Während der Kriegsjah- von der Gegenwart zeugen und die für die Zukunft von re war dort eine Munitionsfabrik, in der Zwangsarbeit Bedeutung sind/sein können. Die ÖLGR/F wird darü- verrichtet wurde, getarnt als Textilfabrik. Die Fahrt ging ber und über eventuelle weitere Vorschläge gemeinsam noch weiter zum Stolpsee, in dem gewendet und zurück diskutieren. zum Ausgangsort gefahren wurde. Im Hafen gibt es die entzückende, von gebürtigen Italiener_innen betriebene Eine besondere Bootsfahrt Pizzeria „Al Porto“, wo wir köstlich zu Abend gegessen Ebenfalls am Samstag hatten wir eine Bootsfahrt der be- haben. sonderen Art: Um 17 Uhr holte uns der Shuttlebus von der Gedenkstätte ab und brachte uns zur Anlegestelle Gedenken des Bahlensees. Dort haben wir uns in zwei Boote aufge- Am Sonntag legten wir bei der Statue der Tragenden ei- teilt, es waren so richtig alte „Schiffernakel“, die noch mit nen Kranz nieder und Blumen in den Schwedtsee. Dieses Dieselmotor betrieben werden. Vom Baalensee sind wir Jahr hat uns, wie erwähnt, Ib Katznelson zum ersten Mal in den Schwedtsee gefahren. Zur rechten Seite sah man begleitet. Er war als zweijähriger Bub mit seiner Mutter das Siemenslager, geradeaus das Mahnmal der Tragen- im Lager inhaftiert. Es tat furchtbar weh, ihn beim See den, dem wir uns so nahe, wie es die Begrenzungsbojen bitterlich weinen zu sehen. erlauben, näherten (leider halten sich seit Jahren man- Der Tag klang für mich in kleiner Runde aus, in der wir che Tourist_innen nicht an die Abgrenzungen, fahren Insa Eschebach nachträglich zur Pensionierung beglück- direkt bis ans Ufer, um bei der Tragenden auszusteigen, wünschten und Andrea Genest als neue Gedenkstätten- eine Runde am KZ Gelände zu gehen und wieder abzu- Leiterin willkommen hießen. Es war ein außerordent- fahren). Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, zuerst vom lich netter und sehr stimmiger Abend. Uhrturm oben und jetzt vom Wasser aus das ehemalige Die meisten reisten am Montag wieder ab. Ich erst am KZ-Gelände zu sehen. Bei der Weiterfahrt ging es ziem- Dienstag – und war diesmal „nur“ 15 Stunden unter- lich nahe an das Gelände des Jugend-KZ Uckermark wegs. heran. Es ist der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ein Anliegen, diesen Wasserweg wieder besser befahr- Siegrid Fahrecker Die – kleine – Gruppe der IRK-Delegierten 2021 am Schwedtsee „im Schatten“ der Statue der Tragenden. (Alle Fotos: IRK) 7
Verfolgung endlich anerkannt! Die Gedenkkugel für die verfolgten lesbischen Frauen* und Mädchen* wird 2022 dauerhaft in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück niedergelegt werden Ab 2016 diskutierten der Beirat und die Fachkommissi- Die ÖLGR/F hat sich von Beginn an für das Gedenk- on der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten über zeichen eingesetzt – siehe dazu die „Mitteilungsblät- Anträge für ein Gedenkzeichen zur Erinnerung an die ter“ der letzten Jahre – und auch erfolgreich um weite- verfolgten und inhaftierten lesbischen Frauen* in der re Unterstützung geworben, wie z.B. die Erklärung des Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Nach fünf Jah- Internationalen Mauthausen-Komitees, gerichtet an die ren wurde der „Initiative für ein Gedenkzeichen“ end- Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees, lich der Erfolg zuteil! zeigt, die wir hier dokumentieren. Weiters drucken wir die Presseaussendung der Stiftung Brandenburgische Dem ging ein unermüdliches Streiten, Einfordern und Gedenkstätten auszugsweise ab sowie die Zumeldung Mahnen zahlreicher Aktivist_innen voraus, die im Lau- des LesbenRings zu dieser Presseaussendung im vollen fe der Jahre immer mehr Aufmerksamkeit erfuhren. Wortlaut. Unterstützungserklärung des Comité International de Mauthausen (CIM) Sehr geehrte Frau Genest, ge mit dem rosa Winkel angebracht – die Genehmigung wurde damals vom Leiter der KZ-Gedenkstätte, Kurt mit großem Befremden und Bedauern haben wir erfah- Hacker, erteilt. Kurt Hacker, selbst Überlebender des KZ ren, dass seit 2016 zu dem geplanten Mahnmal für les- Auschwitz (und später dann Präsident des Internatio- bische Frauen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravens- nalen Auschwitz-Komitees), hat diese Entscheidung zu brück keine Entscheidung getroffen wird. einem Zeitpunkt getroffen, als auch aus den Reihen der ehemaligen politischen Häftlinge massiver Widerstand In der Diskussion wird u.a. mit Verweis auf das Straf- gegen dieses Tafel zu erwarten war. recht des „Dritten Reiches“ (§ 175) argumentiert, wo- nach das Verbot der Homosexualität nur für Männer Wir haben noch sehr gut die Gespräche mit Kurt Hacker galt und Frauen nicht offiziell als Lesben verfolgt wur- im Gedächtnis, der hier sehr direkt festhielt: „Ich habe den. Es sollte doch allgemein bekannt sein, dass die gesehen, wie sie die 175er wie die Hunde erschlagen Verfolgungsgründe ohnehin sehr oft konstruiert wur- haben, nur weil sie den rosa Winkel trugen. Natürlich den und z.B. lesbische Frauen unter anderen Vorwän- waren das Opfer des Nazi-Staates und natürlich gebührt den verfolgt und verschleppt wurden, oft auch mit dem diesen Opfern auch ein Mahnmal.“ Stempel „asozial“. Wenn Mitte der 1980er eine solche Entscheidung in Wir möchten uns jetzt keinesfalls auf eine juristische Mauthausen möglich war – könnte nicht vielleicht die oder ethische Diskussion einlassen, ob und wie das Chance bestehen, dass im Jahre 2021 auch in der Mahn- Strafrecht des Nazi-Staates als Gesprächsgrundlage im und Gedenkstätte Ravensbrück ähnlich entschieden Jahre 2021 herangezogen werden kann. wird? Aber wir halten unmissverständlich fest, dass eine weite- re Verzögerung oder gar Untersagung eines Mahnmals Mit besten Grüßen für die lesbischen Frauen in Ravensbrück einen wichti- Andreas Baumgartner-Danilović gen Aspekt der Geschichte und damit auch der Gedenk- (Secrétaire Général du CIM) kultur unverantwortlich ausklammert. Guy Dockendorf (Président du CIM) In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen wurde bereits Mitte 1. Februar 2021 der 1980er-Jahre eine große Gedenktafel für die Häftlin- 8
Presseaussendung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkzeichen für die lesbischen Häftlinge im Frauen- Ravensbrück war das zentrale Frauen-Konzentrations- Konzentrationslager Ravensbrück lager im deutschen Reich. Hier waren von 1939–1945 etwa 120.000 Frauen und 20.000 Männer aus über 30 (...) In den Gremien der Stiftung Brandenburgische Ge- Nationen inhaftiert. (...) Unter den Häftlingen, die als denkstätten wurden vor allem die Haftgründe und der lesbisch markiert wurden, sind bislang drei zu finden, Verfolgungsbegriff in Bezug auf lesbische Frauen im die aufgrund dieser Markierung für die Ermordung in NS-Regime kritisch diskutiert. Die Stiftung Branden- den „Heilstätten“ Bernburg im Zuge der Aktion 14f13 burgische Gedenkstätten hat im Frühjahr 2021 gemein- selektiert wurden. Andere sind durch Denunziationen sam mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ein Gut- aus der Bevölkerung aufgrund einer angezeigten lesbi- achten bei Prof. Martin Lücke von der Freien Universität schen Lebensweise in das Verfolgungssystem des Nati- Berlin in Auftrag gegeben, das sich mit dem Schicksal onalsozialismus geraten. Wieder andere haben vor ihrer lesbischer Frauen in Ravensbrück auseinandersetzt und Inhaftierung offen lesbisch gelebt und waren schon aus den Begriff der Verfolgung einer kritischen Analyse un- diesem Grund aus der nationalsozialistischen „Volks- terzieht. gemeinschaft“ ausgeschlossen. Die Lagerordnung im Konzentrationslager Ravensbrück stellte lesbische Liebe Auf Grundlage dieses Gutachtens und nach intensiver unter Strafe. Beratung sah die Fachkommission der Stiftung Branden- burgische Gedenkstätten den Nachweis der Verfolgung Das Gedenkzeichen in Form einer aus Keramik gestal- lesbischer Frauen sowohl innerhalb als auch außerhalb teten Kugel wird im Rahmen des 77. Jahrestages der Be- des Konzentrationslagers als erbracht an. Einstimmig freiung im Jahr 2022 auf dem neuen Gedenkareal an der erfolgte die Empfehlung an die Gedenkstätte und die ehemaligen Lagermauer eingeweiht. Stiftung, das Gedenkzeichen vor Ort zu ermöglichen. 14. Juli 2021 LesbenRing: Gedenkkugel für lesbische Häftlinge im Frauen-KZ Ravensbrück endlich beschlossen Zumeldung zur Pressemitteilung der Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat ent- Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, in- schieden, die Verfolgung lesbischer Frauen und Mäd- haftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“ chen in der Zeit des Nationalsozialismus anzuerkennen. Eine Gedenkkugel soll im Rahmen des 77. Jahrestags der Am 1. Oktober 2020 hatte die Initiative „Autonome fe- Befreiung im Jahr 2022 dauerhaft niedergelegt werden. ministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich“ zusammen mit mehreren gewichtigen Ver- Dazu LesbenRing-Vorstandsfrau Marion Lüttig: „Der bänden nochmals einen gemeinsamen Antrag bei der LesbenRing freut sich sehr, dass die Leitung der Ge- Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten eingereicht, denkstätte Ravensbrück und der Vorstand der Stiftung der nun zum Erfolg geführt hat. Nicht zuletzt die wis- Brandenburgische Gedenkstätten nun dem Antrag auf senschaftliche Fachkommission der Stiftung hat nach eine Gedenkkugel für die verfolgten Lesben im dritten ausführlichen Beratungen eine einstimmige Empfeh- Reich zugestimmt haben. Wir sind erleichtert, dass die lung zur Annahme des Antrags an die Gedenkstätte und unwürdige Debatte, ob Lesben je verfolgt worden sei- Stiftungsleitung ausgesprochen. en und die jahrelange Ablehnung eines Gedenkzeichens endlich ein Ende hat. Mit der Entscheidung der Stiftung „Seit Langem kämpfen Aktivist*innen um die Aner- für die Gedenkkugel wird das Leid von lesbischen Frau- kennung der Verfolgung von Lesben. Lesbische Frauen en und Mädchen über ein dreiviertel Jahrhundert nach und Mädchen wurden während der Zeit des National- der Befreiung des Konzentrationslagers endlich sichtbar sozialismus verfolgt, inhaftiert und auch ermordet“, so gemacht.“ Vorstandsfrau Marion Lüttig. „Sie galten durch ihre Auf der Keramik-Kugel soll nunmehr stehen: „In Geden- Unabhängigkeit als ‚entartet‘ und ‚asozial‘. Sie wurden ken aller lesbischer Frauen und Mädchen im Frauen-KZ psychiatrisiert, zur Prostitution in Lagern gezwungen 9
und inhaftiert.“ Es werde Zeit, den lesbischen Frauen dieser lang ersehnten Lösung gearbeitet haben“, so Lüt- und Mädchen einen angemessenen Ort des Gedenkens tig weiter. „Wie wir uns erinnern, macht viel davon aus, zuzugestehen und ein Gedenkzeichen dauerhaft vor Ort wie wir die Welt von heute wahrnehmen. Lesbisches* niederzulegen. Leben ist Teil unserer Geschichte, lesbische* Stimmen müssen gehört, lesbisches* Erleben gewürdigt werden“, „Wir danken an dieser Stelle besonders der Hartnäckig- so Vorstandsfrau Marion Lüttig abschließend. keit der Initiative ‚Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich‘, namentlich Lesbische* Geschichte ist in der Geschichtsschreibung Wiebke Haß, Susanne Kuntz, Maria Newald, Lisa Stei- der Mehrheitsgesellschaft kaum präsent. So wurde und ninger und Irmes Schwager, die mit vielen internatio- wird die Verfolgung und Ermordung lesbischer* Frauen nalen Unterstützer*innen im Rücken trotz Gegenwinds in der NS-Zeit vielfach geleugnet, und diese Leugnung immer an der Gedenkkugel festgehalten haben. Eben- ihrer Verfolgungsgeschichte ist ein Teil ihrer Verfolgung. so danken wir unserer Fachbeirätin Stephanie Kuhnen, Bis heute bestimmt die massive Homosexuellenfeind- dem Bundesvorstand des LSVD, der Historikerin Dr. lichkeit, von der die Mehrheit der überlieferten Zeug- Kirsten Plötz sowie der Bundesstiftung Magnus Hirsch- nisse geprägt ist, Erinnerungspolitik und Forschung. feld, die zusammen mit uns und der deutsch-österrei- chischen Initiative in den letzten eineinhalb Jahren an Berlin/Heidelberg/Fürstenberg, 14. Juli 2021 Die Befreiungsfeierlichkeiten der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, in deren Rah- men die Gedenkkugel eingeweiht wird, finden am Samstag, den 30. April und am Sonntag, den 1. Mai 2022 statt. 19. April 2021: Eine solidarische Aktion der Lagergemeinschaft Ravensbrück Freundeskreis e.V.: Sie hat am Befreiungswochenen- de die Kugel an den (zukünftig festen) Gedenkort gelegt und der ermordeten und verfolgten lesbi- schen Frauen* gedacht. 10
Gedenkzeichen für Sexzwangsarbeiterinnen Während der digitalen Befreiungsfeiern 2021 wurde ein Der berührende Film, der rund um die Gedenkzeichen- Gedenkzeichen für die Sexzwangsarbeiterinnen aufge- Aktion bei der Befreiungsfeier 2021 erstellt wurde, kann stellt. Auch dieses sichtbare Gedenken hat – ähnlich der hier betrachtet werden: „Gedenkkugel“ für die lesbischen Opfer – eine lange Ge- https://rememberliberation.stiftung-bg.de/befreiung- schichte, bis es endlich verwirklicht werden konnte. ravensbrueck Brigitte Halbmayr Erstmalig im April 2002 legte die Bielefelder Projekt- gruppe Ravensbrück im Rahmen der Befreiungsfeiern ein Blumengesteck im Gedenken an die Frauen, die in den Lagerbordellen Zwangsarbeit verrichten mussten, nieder. Diese Geste wiederholten die Bielefelder Frauen jährlich, um diese Opfergruppe sichtbar zu machen und ihr Leiden zu würdigen. Nach jahrelanger Vorbereitung (Diskussionen, Überzeugungsarbeit, Spendensammlung etc.) konnte im April dieses Jahres ein Gedenkzeichen auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravens- brück aufgestellt werden, das die beiden Künstlerinnen Foto: Projektgruppe Ravensbrück (Bielefeld) Karin Kröll und Roswita Baumeister gestaltet haben. In dem Film, den die Projektgruppe zur Entstehungsge- schichte des Gedenkzeichens gestaltet haben, wird das jahrelange Bemühen und Ringen um die Sichtbarma- chung der Opfergruppe der Sexzwangsarbeiterinnen deutlich – begonnen von Christa Paul, die als erste zum Thema recherchiert und publiziert hat, über die 2006 in der Gedenkstätte gezeigte Ausstellung zur Sexzwangs- arbeit bis hin zum feierlichen Gedenken im April 2021. Eine der zentralen Aussagen: Wer über Sexzwangsarbeit spricht, darf über patriarchale Macht- und Gewaltver- hältnisse nicht schweigen! Theaterperformance „Lebenslang“ Daniel Langbein abermals im Theater Drachengasse Aufgrund der Covid-19-Pandemie musste die Theater- Theater Drachengasse zu Gast war, spricht er Passagen performance „Lebenslang“ von und mit Daniel Lang- aus einem Videointerview mit seinem Großvater nach. bein, geplant für den Herbst 2020, verschoben werden. Die Tötungen im Auschwitzer Krankenbau, die Pflich- Freundlicherweise haben sowohl der Nationalfonds der ten und Versuchungen eines Funktionshäftlings, die In- Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ternationalisierung und Hierarchisierung der Häftlings- als auch der Zukunftsfonds der Republik Österreich ei- gesellschaft, die gelungene Flucht und der Auftrag an ner Verschiebung zuerst auf Frühjahr 2021 und dann sich selbst sowie die nachfolgenden Generationen sind nochmals auf Herbst 2021 zugestimmt. die Themen, die zur Sprache kommen. Daniel erzählt Zwischen 9. und 12. November 2021 fanden insgesamt zuerst alleine, dann gemeinsam mit seinem Großvater sechs Aufführungen statt: drei dezidierte Schulvorstel- (Videoeinspielung), zuletzt erzählt dieser alleine. Die- lungen und drei Abendvorstellungen, die ebenfalls von ses „Reenactment“ sieht Daniel Langbein als Möglich- einigen Schüler_innen besucht wurden. Insgesamt sa- keit, auch andere Menschen zur Auseinandersetzung hen 151 Personen die Theaterperformance, davon 95 mit dem Gesagten einzuladen. Das Stück dauert nur 15 Schüler_innen von zwei Berufsschulen und zwei Gym- Minuten, sodass danach ausreichend Zeit für ein mo- nasien. deriertes Gespräch bleibt, um Eindrücke, Standpunkte In dem Ein-Mann-Stück „Lebenslang“, das Daniel Lang- und Sichtweisen mit Daniel Langbein auszutauschen bein 2017 im Zuge seines Engagements am Theater Jun- und zu diskutieren. ge Generation in Dresden entwickelt hat und mit dem Die Performance und die anschließenden moderierten er bereits im Jahr 2019 auf Einladung der ÖLGR/F im Gespräche – als Moderatorinnen fungierten wir, Hel- 11
ga Amesberger und Brigitte Halbmayr vom Institut für elektronisch übermittelt wurde. Bei dieser Zusam- Konfliktforschung – brachten den Überlebenskampf in menstellung griffen wir auf bereits bestehende und Auschwitz, die Menschenverachtung und Schikanen der thematisch adäquate Lernmodule, etwa vom Haus der Lagerleitung sowie Glück und Last des Überlebens nä- Geschichte Österreich (HdGÖ), vom Mauthausen Me- her. Im Austausch mit Daniel Langbein konnten weitere morial und der Webseite www.ravensbrückerinnen.at Details zum Stück sowie zum Leben seines Großvaters des Instituts für Konfliktforschung zurück. Die Unter- erfragt und Fragen geklärt werden. Darüber hinaus regte richtsmaterialien enthielten drei große Themen: Dikta- die Performance zum Nachdenken über eigene Werthal- tur und Gewalt, verschiedene Verfolgtengruppen sowie tungen und eigenes Handeln an, bestätigten uns mehre- Opfer–Täter_innen–Mitläufer_innen. Jedem Thema ist re Teilnehmende. Mit dieser Veranstaltung konnte die eine kurze Erläuterung der möglichen Fragestellungen ÖLGR/F einer ihrer Aufgaben nachkommen, nämlich und der vermittelten Kompetenzen vorangestellt. Be- über die nationalsozialistischen Verbrechen aufzuklären sonderes Augenmerk haben wir bei der Materialzusam- und so einen Beitrag für „Nie wieder Faschismus, nie menstellung darauf gelegt, dass ein Gegenwartsbezug wieder Krieg!“ zu leisten. hergestellt werden kann. Alle Module können – je nach Zur schulischen Vorbereitung stellten wir eine Samm- Zeitressourcen – verschlankt oder vertieft werden. lung von Unterrichtsmaterialien zusammen, die den Lehrkräften mit der Reservierung der Theaterkarten Helga Amesberger & Brigitte Halbmayr www.ravensbrückerinnen.at Die Website über Österreicher_innen im KZ Ravensbrück: Laufend ak- tualisiert und mit neuen Schwerpunkten! Auf www.ravensbrückerinnen.at kann seit dem Früh- jahr 2013 zu den österreichischen Häftlingen im Kon- zentrationslager Ravensbrück, Frauen wie Männern, nachgelesen und recherchiert werden. Abgesehen von biografischen Daten sind Erläuterungen zu den Ver- folgungsgründen und regionalen Spezifika ebenso wie Hintergrundwissen zum ehemaligen KZ und den Über- lebensbedingungen zugänglich, darüber hinaus auch Erfahrungsberichte über das Leben nach der KZ-Haft. Eine Suchmaske unterstützt die Suche nach Personen nen. Filmporträts, Dokumente, Fotos und Fragemodule bzw. Personengruppen wie z.B. Roma und Sinti, Juden/ in einem virtuellen Lernraum ergänzen das Angebot, Jüdinnen, politisch Verfolgte oder Kärntner Slowenin- das sich insbesondere an Schüler_innen richtet. 12
Auf der Website finden sich aktuell im Bereich Le- Der integrierte Lernraum mit seinen insgesamt 17 Mo- bensgeschichten 36 ausgewählte Porträts von Frauen dulen sowie Unterrichtsmaterialien zum Thema „Ver- und Männern, die von den Nationalsozialisten verfolgt folgung von Menschen als Asoziale“ richtet sich speziell wurden und im KZ Ravensbrück inhaftiert waren. Die an Lehrkräfte der 8. bis 12. Schulstufe. Sie geben Anre- Porträtauswahl zeigt eine Streuung nach Verfolgungs- gungen, wie insbesondere die Verfolgung von Frauen im grund, Geschlecht, Region und Schicksal (überlebt oder Unterricht thematisiert werden könnte. ermordet). Dabei liegt der Schwerpunkt auf Frauen und Männern, über die bislang wenig bis gar nichts bekannt Helga Amesberger war bzw. die auch in Dokumentationen nicht zu Wort kamen. Haben Sie weitere Informationen, Dokumente und Im Bereich Recherche gelangt man zur Personensuche. Fotos zu Frauen und Männern, die im KZ Ravens- Eine detaillierte Suchmaske greift auf eine umfangrei- brück inhaftiert waren? che Datenbank zu Österreicher_innen im KZ Ravens- Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns diese zu- brück zu. Aus Datenschutzgründen sind derzeit Infor- kommen lassen könnten! Auch für Hinweise auf etwaige mationen zu 1.950 Frauen und Männer (von insgesamt Fehler zu einzelnen Personen sind wir dankbar. 2.734) zugänglich. Seit die Website online ist – das sind mittlerweile acht Jahre –, werden die Daten jährlich ak- Kontakt: tualisiert. Das betrifft zum einen die Datenbank, zum Dr.in Brigitte Halbmayr, Institut für Konfliktforschung, anderen die auf der Website abrufbaren Biografien, Do- Lisztstraße 3, 1030 Wien, T: +43 (0)1 713 16 40 DW 12 kumente, Fotos und thematischen Inhalte. E: brigitte.halbmayr@ikf.ac.at ÖLGR/F-Vereinsaktivitäten 2021 April: Auch 2021 konnte, wie bereits im Jahr zuvor, auf ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“ Die ÖLGR/F hat die Grund der Covid-19-Pandemie in der Mahn-und Ge- Initiative für die Gedenkkugel von Beginn an tatkräftig denkstätte Ravensbrück keine große Befreiungsfeier vor unterstützt (siehe S. 8-10). Ort stattfinden. Es gab aber rund um den Gedenktag am 18. April unter September: Die ÖLGR/F unterstützte die Reise von 177 dem Motto „Erinnerung teilen“ zahlreiche Online-Ver- Vertreter_innen der Zapatistas sowie indigen-bäuerli- anstaltungen, die dazu dienen sollten, Kontakt mit den chen Widerstandsorganisationen aus Mexiko, die wäh- Überlebenden, ihren Angehörigen und den Freund_in- rend ihrer mehrmonatigen Europareise die Allianzen nen der Mahn-und Gedenkstätte aufzunehmen und Er- zwischen Süden und Norden stärken wollten. innern und Gedenken auf diese Weise lebendig zu hal- Als Anliegen wurde formuliert: „Wir werden weder er- ten (siehe dazu S. 3 und zum Treffen des IRK von 3. bis obern, noch Vorwürfe machen, Konfrontation suchen 6. September 2021 die S. 5-7). oder Entschuldigungen verlangen. Wir wollen Erfahrun- gen austauschen, um gemeinsam Wege für eine gerech- Juli: Nach jahrelangen Bemühungen um ein Denkmal te und solidarische Welt zu finden, in der viele Welten für die in Ravensbrück verfolgten lesbischen Frauen* Platz haben.“ Zum Mauthausenbesuch einer Delegation und Mädchen* entschied die Stiftung Brandenburgische der Zapatistas siehe S. 15. Gedenkstätten im Juli 2021, dass die von der Initiative Autonome Feministische Lesben Frauen aus Deutsch- November: Wiederaufnahme von Daniel Langbeins land und Österreich in- Theaterstück „Lebenslang“ im Theater in der Drachen- itiierte Gedenkkugel im gasse, diesmal mit Schwerpunkt auf Berufsschulen, wo- Rahmen der Befreiungs- für auch Unterrichtsmaterialien zur leichteren Vor- und feierlichkeiten 2022 dau- Nachbereitung zusammengestellt wurden. erhaft niedergelegt wird. Die Aufführungswoche war ursprünglich für November Auf der Ton-Kugel soll 2020 geplant, musste dann auf April 2021, dann jedoch stehen: „In Gedenken abermals auf Herbst verschoben werden. aller lesbischer Frauen Großes Glück von 9. bis 12. November: Die Vorstel- und Mädchen im Frau- lungen konnten wie geplant stattfinden – schon in der en-KZ Ravensbrück und Woche darauf herrschte wieder Exkursionsverbot für Uckermark. Sie wurden die Wiener Schulen aufgrund äußerst rasch steigender verfolgt, inhaftiert, auch Covid-Neuinfektionen. Siehe S. 11-12. 13
17. Dezember: Die Generalversammlung des Vereins Vorschau 2022 ÖLGR/F findet als Hybrid-Veranstaltung statt (siehe un- Die Befreiungsfeier 2022 findet von Samstag, 30. April, ten). Ein neuer Vorstand wurde gewählt und viele Pro- bis Sonntag, 1. Mai in der Mahn- und Gedenkstätte Ra- jekte bekanntgegeben. vensbrück statt. Generalversammlung der ÖLGR/F Die fällige Generalversammlung (GV) wurde pandemie- Selbstverständlich wurde auch diesmal der in der ab- bedingt zunächst vom Frühjahr auf die zweite Jahres- gelaufenen Funktionsperiode Verstorbenen mit einer hälfte verschoben, musste laut Vereinspolizei aber trotz Schweigeminute gedacht: Liesl Jäger (2019) und Lotte der für größere Versammlungen weiterhin schlechten Brainin (2020), Esther Bejarano, Anna Jug und Svjetlana Rahmenbedingungen auf jeden Fall dieses Jahr noch Hromin-Heidler (2021). abgehalten werden. So fand sie schlussendlich am 17. Dezember 2021 ab 17 Für die kommenden Jahre sind bereits einige Projekte Uhr im KZ-Verband in 1020 Wien statt. Dort trafen sich geplant oder zumindest angedacht: dann nur sieben Aktivistinnen, sechs weitere waren aber ◆ Die Ausstellung „Faces of Europe“ soll im kommen- via Zoom-Konferenz zugeschaltet. den Jahr in Wien gezeigt werden, die Vorbereitungen dazu laufen. Nach der Durchführung der üblichen Vereinsagenden ◆ Ein Theaterstück aus Vorarlberg über Theresa Zauser, (Begrüßung, Feststellung der Beschlussfähigkeit, Tä- die als sogenannte „Asoziale“ in Ravensbrück inhaftiert tigkeitsbericht, Kassabericht, Kontrolle, Entlastung des war, möchten wir gerne nach Wien holen. Vorstandes, der Kassierin und der Kontrolle) wurde ein neuer Vorstand der ÖLGR/F gewählt, der nur unwesent- ◆ Ebenso soll der Film „Geboren in Ravensbrück“ über liche Änderungen in der Zusammensetzung aufweist. Ingelore Prochnow, die im KZ Ravensbrück geboren wurde und dort ein Jahr bis zur Befreiung überlebte, Der ÖLGR/F-Vorstand 2021–2023 nach Wien gebracht werden. Obfrau: Bernadette Dewald ◆ Die Erneuerung des Österreich-Raums im „Bunker“, 1. Obfrau-Stv.: Brigitte Halbmayr dem ehemaligen Lagergefängnis, steht an. 2. Obfrau-Stv.: Vera Modjawer ◆ Die Zusammenarbeit mit dem KZ-Verband soll nach Kassierin: Helga Amesberger einem Treffen mit Birgit Hebein intensiviert werden. Sekretärin: Hannelore Stoff ◆ Ein gemeinsames Projekt mit Karin Berger, die gera- Sekretärin-Stv.: Sylvia Köchl de dabei ist, die Originalfilme zu „Küchengespräche mit Kontrolle: Rebellinnen“ auf DVD zu sichern, wäre wünschenswert Siegrid Fahrecker Sylvia Edelmann RAVENSBRÜCK ◆ Überlegt wurde auch, das ins Stocken geratene Buch- projekt über Hanna Sturm wieder anzukurbeln. Bundesländerbeirat: Inge Fiedler Abschließend gaben die Obfrau, die 1. Obfrau-Stellver- Hilde Röhheuser treterin und die Kassierin bekannt, dass sie ihre Funkti- Dora Kupper onen bei der GV 2023 zurücklegen werden. Schon heute sind alle Mitglieder und Aktivist_innen aufgefordert, Mehrere Grußadressen drückten die Wertschätzung des sich über die Nachfolge Gedanken zu machen. Engagements der ÖLGR/F-Aktivist_innen weit über den Kreis der bei der GV Teilnehmenden aus. Bericht: Brigitte Halbmayr 14
Dialog in Mauthausen Am 1. Oktober 2021 besuchte eine Delegation der Zapatistas aus Mexiko die Gedenkstätte Mauthausen. Die Delegation der Za- patistas in Mauthausen. Foto: Christian Dürr Im Herbst 2021 unterstützte die ÖLGR/F die auf mehre- personen aus dem Umfeld der für die Organisation des re Monate angelegte Reise von 177 Vertreter_innen der Linz-Aufenthalts verantwortlichen Organisationen. Zapatistas sowie indigen-bäuerlichen Widerstandsor- Die Gruppe wurde von Christian Dürr, KZ-Gedenkstät- ganisationen aus Mexiko durch Europa. Die Delegation te Mauthausen, auf einen Rundgang durch das gesamte der EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional, Gedenkstättenareal geführt: über den Garagenhof und deutsch: Zapatistische Armee der Nationalen Befrei- ehemaligen SS-Bereich in das Häftlingslager, auf den ung) wollte damit die Allianzen zwischen Süden und Appellplatz, in die Duschräume, die ehemalige Bordell- Norden stärken. Als ihr Anliegen erklärte die Delega- baracke, die Unterkunftsbaracken bis in den ehemaligen tion im Vorfeld der Reise: „Wir werden weder erobern, Tötungsbereich samt Gaskammer und Krematorien und noch Vorwürfe machen, Konfrontation suchen oder schließlich noch in den Steinbruch. An den einzelnen Entschuldigungen verlangen. Wir wollen Erfahrungen Stationen wurden verschiedene Themenbereiche der austauschen, um gemeinsam Wege für eine gerech- KZ-Geschichte angesprochen: die Entstehung des La- te und solidarische Welt zu finden, in der viele Welten gersystems; die Verantwortung der SS; die Beziehung Platz haben.“ zwischen Lager und zivilem Umfeld; die Entmensch- lichung der Häftlinge; die Zwangsarbeit, insbesondere Am 14. September landete ein Teil der Europa-Reisen- auch die Sex-Zwangsarbeit weiblicher Gefangener im den am Flughafen Wien-Schwechat. Ihr Eintreffen wur- Häftlingsbordell; die systematische Vernichtung der Ge- de von vielen Aktivist_innen, die sie mit Transparenten fangenen durch Arbeit, in der Gaskammer oder durch und Gesang begrüßten, zu einem bewegenden Ereignis. andere Methoden. Die ÖLGR/F ermöglichte den Österreich-Besuch durch eine offizielle Einladung und die Übernahme eines klei- Der Rundgang hatte den Charakter eines Dialogs. Die nen Teils der Reisekosten. Als ein Programmpunkt in Compañer@s brachten sich nicht nur mit vielen Fragen Österreich war der Besuch der KZ-Gedenkstätte Maut- ein, schilderte Christian Dürr der ÖLGR/F, sie stellten hausen vorgesehen. auch zahlreiche Bezüge zur ihrer eigenen Geschichte und ihren eigenen Erfahrungen her, etwa beim Thema Am 1. Oktober 2021 von ca. 10.30 bis 17 Uhr besuchte Zwangsarbeit, bei der Rolle paramilitärischer Organisa- eine Delegation der EZLN die KZ-Gedenkstätte Maut- tionen (SS bzw. Paramilitärs in Mexiko), bei spezifischen hausen. Die Gruppe bestand aus zwölf Zapatist_innen Formen der Gewalt gegen Frauen etc. Der Rundgang – sieben Männer, fünf Frauen – und mehreren Begleit- endete im Steinbruch Mauthausen. 15
Spurensuche seit über 20 Jahren Zur Entstehung des Biografieprojekts über Anna Burger, geb. Lasser (1913–1943) Siegrid Fahrecker beim Portrait ihrer Großmutter Anna Burger. Foto: IRK Seit vielen Jahren kenne ich Siegrid Fahrecker als en- Tochter von Anna Burger, beschäftigte sich mit zuneh- gagiertes Mitglied der Österreichischen Lagergemein- mendem Alter mit dem Leben und Sterben ihrer Mutter schaft Ravensbrück und Freund_innen. Es war gegen in Ravensbrück. Oder anders gesagt: Das Schicksal ihrer Ende der 1990er-Jahre, dass ein Brief von Siegrids Tante Mutter trieb sie um. Eine erste Begegnung mit Stefanie an die Lagergemeinschaft eine intensive Recherche zu Cudy ergab sich für mich im Rahmen der Neugestaltung Anna Burger, der Großmutter von Siegrid, in Gang ge- der Dauerausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte setzt hatte. Ravensbrück (2013), für die ich ein aktualisiertes Porträt zu Anna Burger erstellte. Als Stefanie Cudy 2019 starb, Damals wurde von Kolleginnen in der Lagergemein- hielt ich auf Ersuchen von Siegrid eine Rede über ihre schaft gerade die Ausstellung „wege nach ravensbrück“ Mutter bei deren Verabschiedung. konzipiert, die anhand von Biografien die unterschiedli- chen Verfolgungswege und -schicksale von österreichi- Das ist der eine Strang, der zum Biografie-Projekt führte. schen Ravensbrückhäftlingen aufzeigen sollte. Corinna Der andere ist die intensive Forschung mit meinen bei- Oesch nahm sich der Geschichte von Anna Burger an, den Kolleginnen am Institut für Konfliktforschung, Hel- die als „Asoziale“ stigmatisiert, wegen Diebstahls ver- ga Amesberger und Elke Rajal, in den letzten Jahren zur haftet und verurteilt und schließlich, nach einjähriger Verfolgung von Frauen und Männern als „Asoziale“ im Gefängnishaft, ins KZ Ravensbrück deportiert wurde. Nationalsozialismus und die Analyse von geschlechts- Dort wurde sie mit einer Giftinjektion ermordet. spezifischen Zuschreibungen, behördlichen Routinen und Orten der Verfolgung. Die zwei Publikationen, die Corinna Oesch konsultierte Archive und kontaktierte daraus entstanden sind, ergaben den theoretischen Rah- auch die Familie von Anna Burger. Dennoch blieben men für die Auseinandersetzung mit dem Leben von viele Fragen offen. Insbesondere Siegrid stellte Fragen Anna Burger. Und es schien an der Zeit, das Verspre- über Fragen zu ihrer Großmutter, kontaktierte ehema- chen, das ich vor langer Zeit Siegrid gegeben habe, näm- lige Mithäftlinge in Ravensbrück, war unermüdlich auf lich das Leben ihrer Großmutter in einem Buch nachzu- der Suche nach Spuren ihrer Großmutter. Als Delegierte zeichnen, endlich einzulösen. für Österreich im Internationalen Ravensbrück Komi- tee (IRK) seit 2012 nützte sie die neuen Kontakte für In dem Buch werde ich auch der Frage nachgehen, wie weitere Recherchen. Auch ihre Mutter Stefanie Cudy, die nachfolgenden Generationen mit der Verfolgungs- 16
geschichte umgehen, wie viel sie davon wissen, was von Geldbetrag ihrer Wahl dieses Buchprojekt zu unterstüt- den Kindern an die Enkelkinder weitergegeben wird, zen. Die viele Arbeit, die so ein Vorhaben erfordert, hat wie sehr der gewaltsame Tod im Konzentrationslager sich gelohnt: An die 140 Privatpersonen sind meinem Bestandteil des Familiengedächtnisses ist und vieles Aufruf gefolgt und ermöglichen mir so, das Buch über mehr. Verfolgungsursachen und -praktiken in der NS- Anna Burger – für die Bewerbung im Internet habe ich Zeit sowie die Überlebenschancen für „Asoziale“ in aus datenschutzrechtlichen Überlegungen das Pseudo- Konzentrationslagern werden also neben Fragen nach nym Margit Lange gewählt – zu schreiben. Dafür bin ich dem Generationengedächtnis, der familiären Tradie- sehr dankbar. Zusätzlich hat sich auch die Österreichi- rung und möglichen Sekundärtraumatisierungen zent- sche Lagergemeinschaft Ravensbrück & Freund_innen rale Themen des Buches sein. bereit erklärt, mit einer beachtlichen Summe das Buch- projekt zu unterstützen – auch darüber freue ich mich Für dieses Unternehmen schrieb ich einen Projektantrag sehr! und suchte um Förderung beim Nationalfonds und beim Die Projektumsetzung wird zum überwiegenden Teil Zukunftsfonds der Republik Österreich sowie der Kul- im Jahr 2022 erfolgen. Das Ergebnis wird nicht „mei- turabteilung des Landes Niederösterreich an. Entgegen ne“ Publikation sein, sondern ein gemeinsames Werk meinen Erwartungen wurde ich von den beiden Fonds von mir und Siegrid, der Enkeltochter von Anna Bur- mit massiven Kürzungen des Fördervolumens konfron- ger, Initiatorin des Vorhabens, unermüdliche Informati- tiert, sodass mir nichts anderes übrigblieb, als über eine onssammlerin und mit dem brennenden Wunsch, ihrer Online-Plattform Crowdfunding zu betreiben, d.h. mei- Großmutter ein würdiges Andenken zu setzen. ne Bekannten, Freund_innen und Kolleg_innen und die interessierte Öffentlichkeit darum zu bitten, mit einem Brigitte Halbmayr Ehrung von Hanna Sturm Die SPÖ Frauen Burgenland ehrten die Widerstandskämpferin Hanna Sturm und haben Pläne für einen Gedenkstein Im Zuge der Feierlichkeiten zu „100 Jahre Burgenland“ genbach geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen gedachten die SPÖ Frauen Burgenland im Februar auf. Mit 14 Jahren leitete sie ihren ersten Streik, verlor 2021 der Widerstandskämpferin und Ravensbrück- dadurch ihren Arbeitsplatz, zog wenig später nach Wien Überlebenden Hanna Sturm. Wir geben hier den Text und kam so mit der Arbeiterbewegung in Berührung. von der Website der SPÖ Burgenland wieder: Sie tritt auch der Gewerkschaft bei und wird kurze Zeit „Anlässlich ‚100 Jahre Burgenland‘ ist es den SPÖ Frau- später auch Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, en Burgenland ein Anliegen, die Frauen, die das Land später wird sie ausgeschlossen und tritt schließlich der im letzten Jahrhundert geprägt und gestaltet haben, Kommunistischen Partei bei. Für ihr politisches Enga- hervorzuheben. Hanna Sturm, Widerstandskämpferin gement wird sie 1938 verhaftet und in die Konzentrati- aus Klingenbach, ist eine dieser Frauen. Ihren 130. Ge- onslager Lichtenberg und Ravensbrück deportiert. burtstag am 28. Februar nehmen wir zum Anlass, ih- Hanna Sturm überlebte und war nach dem Krieg wichti- ren Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus ge Kronzeugin in mehreren Kriegsverbrecherprozessen. zu würdigen. Sie war und ist Vorbild mit ihrem Tun“, In diesem Zusammenhang wurde ein Mordanschlag auf so Landesfrauenvorsitzende Astrid Eisenkopf zur Idee, sie verübt. 1984 verstarb Hanna Sturm in Zagreb. Hanna Sturm ein Denkmal zu setzen. Für alle Interessierten ist der autobiographische Roman Gemeinsam mit der Gemeinde Klingenbach wollen die von Hanna Sturm am Gemeindeamt Klingenbach er- SPÖ Frauen Burgenland auf Initiative ihrer Landesfrau- hältlich. „Hanna Sturms autobiografischer Roman stellt envorsitzenden Astrid Eisenkopf in der Heimatgemein- ein einzigartiges Dokument dar, handelt es sich doch de von Hanna Sturm einen Gedenkstein anlässlich ihres dabei auch um eine Arbeiterinnenbiographie größeren 130. Geburtstages errichten. „Wir freuen uns, dass die Umfangs aus dem Burgenland“, so Eisenkopf und Frank SPÖ Frauen Burgenland auf uns zugekommen sind, und unisono über die Lebensaufzeichnungen der Wider- wir gemeinsam die Idee eines Gedenksteines für Hanna standskämpferin. Sturm entwickelt haben. Damit wollen wir an ihr Wir- P.S. der Redaktion: Der Gedenkstein hätte im Früh- ken als politische Aktivistin und Widerstandskämpferin sommer dieses Jahres enthüllt werden sollen, der erinnern“, so Richard Frank, Bürgermeister von Klin- kleine Festakt wurde jedoch laut Auskunft des Ge- genbach und Unterstützer der Idee. meindeamts Klingenbach auf kommendes Frühjahr Hanna Sturm war Burgenlandkroatin, wurde in Klin- verschoben. Wir werden berichten! 17
Entfernung. Österreich und Auschwitz Die neue Österreich-Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz- Birkenau ist eröffnet Links: Block 17 – die Heimat der Österreich-Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz. Rechts: Die Eingangstür. Im März 1978 wurde im sogenannten Block 17 die erste nicht nur für die geografische Distanz zwischen Öster- österreichische Länderausstellung im ehemaligen Kon- reich und Auschwitz, sondern vor allem für die Entfer- zentrations- und Vernichtungslager und nunmehrigen nung der nach Auschwitz deportierten Menschen – aus Staatsmuseum Auschwitz-Birkenau eröffnet. Damals Österreich und aus dem Leben. präsentierte sich Österreich entgegen dem heutigen Ge- Neben dem Schicksal der österreichischen Opfer in schichtsbild noch als „Erstes Opfer des Nationalsozialis- Auschwitz und dem Widerstand von österreichischen mus“, die Mittäterschaft wurde weitgehend ausgeblendet. Häftlingen im Konzentrationslager erzählt die Ausstel- Mitte der 2000er-Jahre wurde deshalb eine Hinweistafel lung vor allem auch die Involvierung von Österreicher_ angebracht, die klar stellte, dass diese Sichtweise nicht innen als Täter_innen und Helfer_innen an den dort mehr aktuell ist und die Ausstellung einer Erneuerung begangenen Verbrechen. harrt. 2009 wurde mit dem Erneuerungsprojekt begon- Verantwortlich für Konzept und Inhalt zeichnet das nen, das gut zwölf Jahre später im Herbst 2021 abge- wissenschaftlich-kuratorische Team um Hannes Sul- schlossen wurde. zenbacher und Albert Lichtblau, in dem weiters Birgit Johler, Barbara Staudinger, Christiane Rothländer, Sieg- Eröffnung durch die Regierung fried Göllner und Christoph Mai tätig waren. Die ge- Die neue, historisch überarbeitete Länderausstellung stalterische Umsetzung erfolgte durch Architekt Martin „Entfernung. Österreich und Auschwitz“ wurde am Kohlbauer. Montag, dem 4. Oktober 2021, in Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, National- Jahrelanger Prozess ratspräsident Wolfgang Sobotka, Zweiter Nationalrats- Der Ausstellungeröffnung ging ein zwölf Jahre dauern- präsidentin Doris Bures, Bundesratspräsident Peter der Prozess voran, der vom Nationalfonds der Repub- Raggl, Außenminister Alexander Schallenberg, Euro- lik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus unter paministerin Karoline Edtstadler, Gesundheitsminister Hannah Lessing (Generalsekretärin) und Claire Fritsch Wolfgang Mückstein, Kunst- und Kulturstaatssekretä- (Leiterin der Koordinierungsstelle) angeführt wurde. rin Andrea Mayer sowie dem Direktor des Staatlichen Der ursprünglich auf wenige Jahre angelegte Prozess Museums Auschwitz-Birkenau Piotr M. A. Cywiński verlängerte sich aber von Jahr zu Jahr aufgrund sehr un- eröffnet. Begangen wurde die Eröffnung der neuen Län- terschiedlicher, aber ineinander verzahnter Schwierig- derausstellung mit einer Gedenkfeier, zu der auch die keiten und Hindernisse. wenigen noch lebenden ehemaligen österreichischen Als Mitglied (ab 2009) und Vorsitzende des Wissen- Häftlinge und v.a. deren Nachkommen geladen waren. schaftlichen Beirats (ab 2014) – neben dem Gesell- schaftlichen Beirat wichtiges Diskussions- und Bera- Vieldeutiger Ausstellungstitel tungsgremium für das Ausstellungsteam – habe ich die Der Titel „Entfernung. Österreich und Auschwitz“ steht Projektentwicklung hautnah miterlebt und bin daher 18
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