MITTEILUNGSBLATT - Österreichische Lagergemeinschaft ...

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MITTEILUNGSBLATT
RAVENSBRÜCK

                der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen
                                                                           2021

          Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen
            Lassallestraße 40/2/6, A-1020 Wien, Tel.: 0650/48 00 636
        E-Mail: LGRav_FreundInnen@gmx.net Internet: www.ravensbrueck.at
Allen Kameradinnen & FreundInnen im In- und Ausland
wünschen wir ein gesundes & friedliches Jahr 2022!
Diesem Mitteilungsblatt legen wir einen Zahlschein zur Einzahlung des jähr-
lichen Mitgliedsbeitrages von 20 Euro bei. Wir bitten um baldige Überwei-
sung! Spenden werden dankend entgegengenommen.
BIC: BAWAATWW, IBAN: AT85 1400 0028 1082 1178
Wie immer legen wir auch die Einladung bei, Mitglied zu werden, sowie eine
Beitrittserkärung. Bitte das Blatt gerne an Interessierte weitergeben!
Der Vereinsvorstand der
Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen (ÖLGR/F)

Inhalt
76. Jahrestag der Befreiung
3    Ravensbrück
4    Uckermark
Internationales Ravensbrück-Komitee
5    Wanderausstellung „Faces of Europe“
5    Treffen des IRK in Ravensbrück
Erfolge!
8    Die Verfolgung von Lesben ist endlich anerkannt
11 Ein Gedenkzeichen für Sexzwangsarbeiterinnen
Veranstaltungen und (laufende) Projekte
11 Theaterperformance „Lebenslang“
12 www.ravensbrückerinnen.at
13 ÖLGR/F-Vereinsaktivitäten 2021
14 Generalversammlung der ÖLGR/F
15 Internationaler Dialog in Mauthausen
16 Buchprojekt: Spurensuche seit über 20 Jahren
17 Ehrung von Hanna Sturm
18 Entfernung. Österreich und Auschwitz
Nachrufe
19 Esther Bejarano (1924–2021)
21 Svjetlana Hromin-Heidler (1940–2021)
22 Anna Jug (1922–2021)
23 Caspar Einem (1948–2021)
Vermächtnis
24 Präambel der Vereinsstatuten der ÖLGR/F

Impressum
MITTEILUNGSBLATT 2021 • Herausgeberin: Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen ÖLGR/F, Lassalle-
str. 40/2/6, 1020 Wien • Texte & Mitarbeit an dieser Ausgabe: Helga Amesberger, Siegrid Fahrecker, Brigitte Halbmayr (Redaktion &
Lektorat), Sylvia Köchl (Bildredaktion), Tina Leisch, Hannelore Stoff • Fotos: Christian Dürr, Initiative für einen Gedenkort ehema-
liges KZ Uckermark e.V., IRK, Sylvia Köchl, Lagergemeinschaft Ravensbrück Freundeskreis e.V., Mahn- und Gedenkstätte Ravens-
brück, ÖLGR/F-Archiv, Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser, Projektgruppe Ravensbrück (Bielefeld), Hannelore Stoff
• Layout: Sylvia Köchl • Vervielfältigung: www.teleprint.at

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Befreiungsfeier 2021
                      „Erinnerung teilen“
Der 76. Jahrestag der Befreiung des KZ Ravensbrück fand für die
meisten Menschen leider wieder nur online statt

                                                              Ausschnitte aus dem Online-Video der zentralen Gedenk-
                                                              veranstaltung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.

                                                        2022 sollten wir alle uns endlich wieder in
                                                        der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
                                                        treffen können! Die 77. Befreiungsfeier wird
                                                        am Samstag, den 30. April und am Sonntag,
                                                        den 1.Mai stattfinden.

Auch 2021 konnte, wie bereits im Jahr zuvor, aufgrund   ten Frauen (2019 und 2020) sowie „Meine Mama war
der Covid-19-Pandemie keine große Befreiungsfeier vor   Widerstandskämpferin“ (2019) präsentierten. Dafür
Ort stattfinden.                                        wurden vorab Videos von knapp einer halben Stunde
Unter dem Motto des 76. Jahrestags, „Erinnerung tei-    produziert, in denen die Bücher vorgestellt wurden, an-
len“, wurden aber rund um den Gedenktag am 18. Ap-      schließend wurde mit den Leuten, die via Zoom dabei
ril zahlreiche Online-Veranstaltungen abgehalten, die   waren, diskutiert. Der dritte Programmpunkt war die
dazu dienen sollten, in Kontakt mit den Überlebenden,   Buchpräsentation (ebenfalls mit Video und Diskussion)
ihren Angehörigen und den Freund_innen der Mahn-        von Veronika Duma zu „Rosa Jochmann: politische Ak-
und Gedenkstätte zu treten und das Gedenken und die     teurin und Zeitzeugin“ (2019).
Erinnerung auf diese Art lebendig zu halten. Mit Vor-
anmeldung konnten Interessierte an vielen der Events    Sämtliche Videos zu Programm und Gedenkveranstal-
teilnehmen.                                             tung sind unter einer eigens eingerichteten Internetad-
Die zentrale Gedenkveranstaltung der Mahn- und Ge-      resse nachzusehen:
denkstätte Ravensbrück wurde durch Dr. Andrea Ge-       https://rememberliberation.stiftung-bg.de/befrei-
nest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravens-       ung-ravensbrueck
brück, eröffnet und mit Live-Stream übertragen.
                                                        Die ÖLGR/F hat, wie jedes Jahr, Blumengebinde für die
Die Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück &     Mauer der Nationen und das Denkmal der Tragenden
Freund_innen (ÖLGR/F) war mit folgenden Veranstal-      geschickt.
tungen bei den Feierlichkeiten vertreten:               Auch privat wurden vielerorts Gedenkmomente abge-
Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr bestritten mit   halten – wie beispielsweise ich es in Erinnerung an mei-
Elke Rajal bzw. Simon Clemens zwei Programmpunkte,      ne Großmutter Anna Burger-Lasser, die in Ravensbrück
in denen sie ihre im Jahr davor erschienenen Publika-   ermordet wurde, getan habe.
tionen zur Verfolgung von als „asozial“ stigmatisier-                                     Siegrid Fahrecker

                                                                                                                   3
Gedenken im
Jugend-KZ Uckermark
Zum 76. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Ju-      gereist wären, konnten die Plakate am 17. April 2021 an
gendkonzentrationslagers und späteren Vernichtungs-     jenen (politischen) Orten aufhängen, an denen sie sich
orts Uckermark produzierte die „Initiative für einen    befanden.
Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.“ 2021 – wie      Viele haben das gemacht! (Siehe auch S. 14) Und die
schon im Jahr zuvor – Gedenk-Plakate. Jene Menschen,    „Initiative Uckermark“ hat die Plakate am Gelände des
die vor der Covid-Pandemie zur Feier an den Gedenkort   ehemaligen KZ platziert, wie diese Fotos zeigen.

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„Faces of Europe“ 2021
Liebe treue Leser_innen des
Mitteilungsblattes der ÖLGR/F!
Wie schon in der letzten Ausgabe vom Dezember 2020        lung zu finden. So war es möglich, dass am 11. Jänner
kann ich auch heuer nur kurz erwähnen, dass die wun-      2021 die Eröffnung der Ausstellung im Tschechischen
derbare Wanderausstellung „Faces of Europe“ pande-        Polizeimuseum Prag stattfinden konnte und die Feier
miebedingt noch immer nicht wandern darf und kann.        virtuell übertragen wurde. Das alles kann noch immer
Aufgrund der eingeworbenen Gelder durch das Inter-        unter dem Link: www.muzeumpolicie.cz nachgesehen
nationale Ravensbrück Komitee (IRK) musste sie 2021       werden. Von der Vernissage gibt es auch viele Bilder, die
jedoch auf jeden Fall gezeigt werden, sodass schweren     wir auf www.ravensbrueck.at verlinkt haben.
Herzens entschieden wurde, sie online zu eröffnen.        Nachdem die Ausstellung bis Ende Februar 2021 in Prag
Da in Prag die Herstellungsarbeiten getätigt wurden,      stationiert war, übersiedelte sie von April bis Ende Okto-
war es am einfachsten, das dort zu tun. Einen großen      ber 2021 in die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
Dank möchte ich der Arbeitsgruppe und der tschechi-       Kommendes Frühjahr wird sie in Italien zu Gast sein –
schen Delegation im IRK aussprechen, die alles daran      und bald danach hoffentlich in Wien!
gesetzt haben, einen würdigen Platz für die Ausstel-                                          Siegrid Fahrecker

Das IRK in Ravensbrück
2021 war ein Treffen des Internationalen Ravensbrück Komitees IRK
endlich wieder physisch möglich!

                                                                         Seit Ausbruch der Covid-Pandemie 2020 fand
                                                                         erstmals wieder ein echtes Treffen des IRK statt:
                                                                         gut geschützt und ebenso gut organisiert.

Wir, das IRK (Internationales Ravensbrück Komitee),       gar nicht möglich. So waren wir dieses Jahr lediglich 18
haben eine kurze Verschnaufpause in der Covid-Pan-        Teilnehmer_innen aus sieben Nationen, und zwar aus
demie genutzt und ein physisch reales Zusammenkom-        Österreich, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Slo-
men gewagt. Vom 3. bis 6. September 2021 fand das         wenien, Spanien und Tschechien.
lange ersehnte Treffen in der Mahn- und Gedenkstätte      Unter uns Teilnehmenden war ein Überlebender, Ib
Ravensbrück statt. Leider hat uns dann die Deutsche       Katznelson aus Dänemark, die beiden Dolmetscher_in-
Bahn mit einem Streik einen gewaltigen Strich durch       nen Carsten Hinz und Niki Kladoura aus Deutschland
die Rechnung gemacht und die An- und Abreise für uns      sowie als Gast Fleur Mathy, die Tochter von Jeanine
alle enorm erschwert. Ich wollte aber, nein, ich musste   Bochats Nachbarn. Sie hat deutsch-französische Wur-
unbedingt dabei sein. Also machte ich mich allein und     zeln und sehr viel bei der Übersetzung der Website ge-
mit schwerem Gepäck auf die Reise, die letztendlich 17    holfen – denn in der Zwischenzeit ist auch die Website
Stunden gedauert hat.                                     des IRK online gegangen! Die Adresse: www.irk-cir.org
Leider war den Delegierten aus Belgien, Holland, Nor-     Als nächsten Schritt möchten wir eine weitere Wander-
wegen, Polen, Rumänien, Russland, Ukraine und Un-         ausstellung ins Leben rufen, diesmal unter dem Namen
garn die Anreise wegen der strengen Covid-Vorschriften    „Voices of Europe“. Dafür gibt es aber noch viel zu erar-
                                                                                                                         5
Das Fotoshooting in der Ausstellung
                                                                                   „Faces of Europe“: Siegrid Fahrecker
                                                                                   vor dem Portrait ihrer Großmutter
                                                                                   Anna Burger.

beiten, die Ausstellung steckt quasi noch in den Kinder-   stammt. Im Turm war eine eiserne Treppe neu einge-
schuhen.                                                   baut worden, an den Wänden konnte man jedoch noch
Im IRK sind derzeit 16 Länder vertreten: Österreich,       immer die Steigeisen sehen und auch die Kurbel, mit der
Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Holland,       damals die Luke zur Plattform geöffnet wurde – heute
Italien, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, Slowe-       geschieht das elektrisch auf Knopfdruck.
nien, Spanien, Tschechien, Ukraine und Ungarn.             Es war gigantisch, von dort oben über den gesamten
Das IRK-Treffen war sehr gut organisiert: Vorab wurden     Lagerkomplex zu blicken. Leider war es mir bis Redak-
bereits die einzelnen Länderberichte via Internet über-    tionsschluss nicht möglich, die exakte Höhe des Uhr-
mittelt, gesammelt und übersetzt, sodass wir sie vor Ort   turms zu erfahren.
in den jeweils benötigten Sprachen in unserer Arbeits-
mappe vorfanden und die lange Prozedur der mündli-         Die Renovierung des Bunkers
chen Berichte diesmal entfiel. Stattdessen hatten wir am   Zu den nationalen Gedenkräumen im ehemaligen Bun-
Freitag nun genügend Zeit für viele andere interessante    ker gab es dann wichtige Informationen: Wegen eines
Dinge.                                                     großen Wasserschadens ist der Bunker schon seit zwei
                                                           Jahren für Besucher_innen gesperrt. Wann eine Wie-
„Faces of Europe“ und der Uhrturm                          dereröffnung möglich sein wird, hängt vom Fortgang
Am Samstag war dann jeder Moment voller Emotionen.         der sehr aufwändigen Renovierungsarbeiten ab. Im Un-
Im Garagenhof der Gedenkstätte war die Ausstellung         tergeschoss ist der Wasserschaden bereits behoben. Im
„Faces of Europe“ (zugänglich bis Ende Oktober 2021)       Obergeschoss, wo die Gedenkräume der Nationen sind,
zu sehen. Wir IRK-Delegierte betraten einen großen         muss jetzt alles ausgeräumt werden. Davor wird jeder
Raum und waren sprachlos: Hier hingen die Porträts         Raum gefilmt und mit Fotos dokumentiert, die einzel-
unserer Mütter und Großmütter. Die Broschüre zur           nen Ausstellungsstücke werden sorgfältig aufbewahrt.
Ausstellung, in der die Biografien zu den Porträtierten    Erst nach dieser sehr mühevollen, zeitaufwändigen Ar-
abgedruckt sind, war auch bereits aufgestapelt. Es war     beit kann mit der Sanierung der Räume begonnen wer-
unglaublich ergreifend – und ein Fotoshooting durfte       den. Danach kann jedes Land seinen Gedenkraum wie-
nicht fehlen.                                              der befüllen.
Danach hatten wir die Möglichkeit, aus drei Aktivitäten    Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: ihn wieder einzurich-
zu wählen: Den ehemaligen Bunker mit den nationalen        ten, wie er war, oder Änderungen vorzunehmen. Meine
Gedenkräumen zu besuchen, das neu renovierte Haus          ganz persönliche Meinung zum österreichischen Raum:
mit der Ausstellung über die Aufseherinnen zu be-          Dieser Gedenkraum wurde von den Überlebenden ge-
sichtigen oder auf den Uhrturm der ehemaligen Kom-         staltet und uns nachfolgenden Generationen als eine Art
mandantur hinaufzusteigen. Ich wählte Letzteres. Vom       Vermächtnis hinterlassen. Wir sollten ihn daher wieder
Dachboden aus ging es nochmals sechs Stockwerke im         in seinen ursprünglichen Zustand versetzen, abgesehen
Turm hoch auf eine Plattform, die noch aus der NS-Zeit     vom vermeintlichen Foto einer Österreicherin, von dem
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sich mittlerweile herausgestellt hat, dass es eine franzö-        bar zu machen, denn es gibt dabei noch mehr zu sehen:
sische Frau zeigt. Den Rest des Raumes würde ich gerne            Z.B. eine Eisenbahn-Fähre (in der Art einer Drehbrü-
wie bisher belassen bzw. mit Dokumenten ergänzen, die             cke), die jetzt funktionslos ist. Während der Kriegsjah-
von der Gegenwart zeugen und die für die Zukunft von              re war dort eine Munitionsfabrik, in der Zwangsarbeit
Bedeutung sind/sein können. Die ÖLGR/F wird darü-                 verrichtet wurde, getarnt als Textilfabrik. Die Fahrt ging
ber und über eventuelle weitere Vorschläge gemeinsam              noch weiter zum Stolpsee, in dem gewendet und zurück
diskutieren.                                                      zum Ausgangsort gefahren wurde. Im Hafen gibt es die
                                                                  entzückende, von gebürtigen Italiener_innen betriebene
Eine besondere Bootsfahrt                                         Pizzeria „Al Porto“, wo wir köstlich zu Abend gegessen
Ebenfalls am Samstag hatten wir eine Bootsfahrt der be-           haben.
sonderen Art: Um 17 Uhr holte uns der Shuttlebus von
der Gedenkstätte ab und brachte uns zur Anlegestelle              Gedenken
des Bahlensees. Dort haben wir uns in zwei Boote aufge-           Am Sonntag legten wir bei der Statue der Tragenden ei-
teilt, es waren so richtig alte „Schiffernakel“, die noch mit     nen Kranz nieder und Blumen in den Schwedtsee. Dieses
Dieselmotor betrieben werden. Vom Baalensee sind wir              Jahr hat uns, wie erwähnt, Ib Katznelson zum ersten Mal
in den Schwedtsee gefahren. Zur rechten Seite sah man             begleitet. Er war als zweijähriger Bub mit seiner Mutter
das Siemenslager, geradeaus das Mahnmal der Tragen-               im Lager inhaftiert. Es tat furchtbar weh, ihn beim See
den, dem wir uns so nahe, wie es die Begrenzungsbojen             bitterlich weinen zu sehen.
erlauben, näherten (leider halten sich seit Jahren man-           Der Tag klang für mich in kleiner Runde aus, in der wir
che Tourist_innen nicht an die Abgrenzungen, fahren               Insa Eschebach nachträglich zur Pensionierung beglück-
direkt bis ans Ufer, um bei der Tragenden auszusteigen,           wünschten und Andrea Genest als neue Gedenkstätten-
eine Runde am KZ Gelände zu gehen und wieder abzu-                Leiterin willkommen hießen. Es war ein außerordent-
fahren). Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, zuerst vom          lich netter und sehr stimmiger Abend.
Uhrturm oben und jetzt vom Wasser aus das ehemalige               Die meisten reisten am Montag wieder ab. Ich erst am
KZ-Gelände zu sehen. Bei der Weiterfahrt ging es ziem-            Dienstag – und war diesmal „nur“ 15 Stunden unter-
lich nahe an das Gelände des Jugend-KZ Uckermark                  wegs.
heran. Es ist der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
ein Anliegen, diesen Wasserweg wieder besser befahr-              Siegrid Fahrecker

Die – kleine – Gruppe der IRK-Delegierten 2021 am Schwedtsee „im Schatten“ der Statue der Tragenden. (Alle Fotos: IRK)

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Verfolgung endlich anerkannt!
 Die Gedenkkugel für die verfolgten lesbischen Frauen* und Mädchen*
  wird 2022 dauerhaft in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
                         niedergelegt werden
Ab 2016 diskutierten der Beirat und die Fachkommissi-       Die ÖLGR/F hat sich von Beginn an für das Gedenk-
on der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten über         zeichen eingesetzt – siehe dazu die „Mitteilungsblät-
Anträge für ein Gedenkzeichen zur Erinnerung an die         ter“ der letzten Jahre – und auch erfolgreich um weite-
verfolgten und inhaftierten lesbischen Frauen* in der       re Unterstützung geworben, wie z.B. die Erklärung des
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Nach fünf Jah-          Internationalen Mauthausen-Komitees, gerichtet an die
ren wurde der „Initiative für ein Gedenkzeichen“ end-       Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees,
lich der Erfolg zuteil!                                     zeigt, die wir hier dokumentieren. Weiters drucken wir
                                                            die Presseaussendung der Stiftung Brandenburgische
Dem ging ein unermüdliches Streiten, Einfordern und         Gedenkstätten auszugsweise ab sowie die Zumeldung
Mahnen zahlreicher Aktivist_innen voraus, die im Lau-       des LesbenRings zu dieser Presseaussendung im vollen
fe der Jahre immer mehr Aufmerksamkeit erfuhren.            Wortlaut.

Unterstützungserklärung des Comité
International de Mauthausen (CIM)
Sehr geehrte Frau Genest,                                   ge mit dem rosa Winkel angebracht – die Genehmigung
                                                            wurde damals vom Leiter der KZ-Gedenkstätte, Kurt
mit großem Befremden und Bedauern haben wir erfah-          Hacker, erteilt. Kurt Hacker, selbst Überlebender des KZ
ren, dass seit 2016 zu dem geplanten Mahnmal für les-       Auschwitz (und später dann Präsident des Internatio-
bische Frauen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravens-         nalen Auschwitz-Komitees), hat diese Entscheidung zu
brück keine Entscheidung getroffen wird.                    einem Zeitpunkt getroffen, als auch aus den Reihen der
                                                            ehemaligen politischen Häftlinge massiver Widerstand
In der Diskussion wird u.a. mit Verweis auf das Straf-      gegen dieses Tafel zu erwarten war.
recht des „Dritten Reiches“ (§ 175) argumentiert, wo-
nach das Verbot der Homosexualität nur für Männer           Wir haben noch sehr gut die Gespräche mit Kurt Hacker
galt und Frauen nicht offiziell als Lesben verfolgt wur-    im Gedächtnis, der hier sehr direkt festhielt: „Ich habe
den. Es sollte doch allgemein bekannt sein, dass die        gesehen, wie sie die 175er wie die Hunde erschlagen
Verfolgungsgründe ohnehin sehr oft konstruiert wur-         haben, nur weil sie den rosa Winkel trugen. Natürlich
den und z.B. lesbische Frauen unter anderen Vorwän-         waren das Opfer des Nazi-Staates und natürlich gebührt
den verfolgt und verschleppt wurden, oft auch mit dem       diesen Opfern auch ein Mahnmal.“
Stempel „asozial“.
                                                            Wenn Mitte der 1980er eine solche Entscheidung in
Wir möchten uns jetzt keinesfalls auf eine juristische      Mauthausen möglich war – könnte nicht vielleicht die
oder ethische Diskussion einlassen, ob und wie das          Chance bestehen, dass im Jahre 2021 auch in der Mahn-
Strafrecht des Nazi-Staates als Gesprächsgrundlage im       und Gedenkstätte Ravensbrück ähnlich entschieden
Jahre 2021 herangezogen werden kann.                        wird?
Aber wir halten unmissverständlich fest, dass eine weite-
re Verzögerung oder gar Untersagung eines Mahnmals                                            Mit besten Grüßen
für die lesbischen Frauen in Ravensbrück einen wichti-                           Andreas Baumgartner-Danilović
gen Aspekt der Geschichte und damit auch der Gedenk-                                (Secrétaire Général du CIM)
kultur unverantwortlich ausklammert.                                          Guy Dockendorf (Président du CIM)

In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen wurde bereits Mitte                                              1. Februar 2021
der 1980er-Jahre eine große Gedenktafel für die Häftlin-
8
Presseaussendung der Stiftung
Brandenburgische Gedenkstätten
Gedenkzeichen für die lesbischen Häftlinge im Frauen-      Ravensbrück war das zentrale Frauen-Konzentrations-
Konzentrationslager Ravensbrück                            lager im deutschen Reich. Hier waren von 1939–1945
                                                           etwa 120.000 Frauen und 20.000 Männer aus über 30
(...) In den Gremien der Stiftung Brandenburgische Ge-     Nationen inhaftiert. (...) Unter den Häftlingen, die als
denkstätten wurden vor allem die Haftgründe und der        lesbisch markiert wurden, sind bislang drei zu finden,
Verfolgungsbegriff in Bezug auf lesbische Frauen im        die aufgrund dieser Markierung für die Ermordung in
NS-Regime kritisch diskutiert. Die Stiftung Branden-       den „Heilstätten“ Bernburg im Zuge der Aktion 14f13
burgische Gedenkstätten hat im Frühjahr 2021 gemein-       selektiert wurden. Andere sind durch Denunziationen
sam mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ein Gut-      aus der Bevölkerung aufgrund einer angezeigten lesbi-
achten bei Prof. Martin Lücke von der Freien Universität   schen Lebensweise in das Verfolgungssystem des Nati-
Berlin in Auftrag gegeben, das sich mit dem Schicksal      onalsozialismus geraten. Wieder andere haben vor ihrer
lesbischer Frauen in Ravensbrück auseinandersetzt und      Inhaftierung offen lesbisch gelebt und waren schon aus
den Begriff der Verfolgung einer kritischen Analyse un-    diesem Grund aus der nationalsozialistischen „Volks-
terzieht.                                                  gemeinschaft“ ausgeschlossen. Die Lagerordnung im
                                                           Konzentrationslager Ravensbrück stellte lesbische Liebe
Auf Grundlage dieses Gutachtens und nach intensiver        unter Strafe.
Beratung sah die Fachkommission der Stiftung Branden-
burgische Gedenkstätten den Nachweis der Verfolgung        Das Gedenkzeichen in Form einer aus Keramik gestal-
lesbischer Frauen sowohl innerhalb als auch außerhalb      teten Kugel wird im Rahmen des 77. Jahrestages der Be-
des Konzentrationslagers als erbracht an. Einstimmig       freiung im Jahr 2022 auf dem neuen Gedenkareal an der
erfolgte die Empfehlung an die Gedenkstätte und die        ehemaligen Lagermauer eingeweiht.
Stiftung, das Gedenkzeichen vor Ort zu ermöglichen.                                                 14. Juli 2021

LesbenRing: Gedenkkugel für
lesbische Häftlinge im Frauen-KZ
Ravensbrück endlich beschlossen
Zumeldung zur Pressemitteilung der Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten
Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat ent-       Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, in-
schieden, die Verfolgung lesbischer Frauen und Mäd-        haftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“
chen in der Zeit des Nationalsozialismus anzuerkennen.
Eine Gedenkkugel soll im Rahmen des 77. Jahrestags der     Am 1. Oktober 2020 hatte die Initiative „Autonome fe-
Befreiung im Jahr 2022 dauerhaft niedergelegt werden.      ministische Frauen und Lesben aus Deutschland und
                                                           Österreich“ zusammen mit mehreren gewichtigen Ver-
Dazu LesbenRing-Vorstandsfrau Marion Lüttig: „Der          bänden nochmals einen gemeinsamen Antrag bei der
LesbenRing freut sich sehr, dass die Leitung der Ge-       Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten eingereicht,
denkstätte Ravensbrück und der Vorstand der Stiftung       der nun zum Erfolg geführt hat. Nicht zuletzt die wis-
Brandenburgische Gedenkstätten nun dem Antrag auf          senschaftliche Fachkommission der Stiftung hat nach
eine Gedenkkugel für die verfolgten Lesben im dritten      ausführlichen Beratungen eine einstimmige Empfeh-
Reich zugestimmt haben. Wir sind erleichtert, dass die     lung zur Annahme des Antrags an die Gedenkstätte und
unwürdige Debatte, ob Lesben je verfolgt worden sei-       Stiftungsleitung ausgesprochen.
en und die jahrelange Ablehnung eines Gedenkzeichens
endlich ein Ende hat. Mit der Entscheidung der Stiftung    „Seit Langem kämpfen Aktivist*innen um die Aner-
für die Gedenkkugel wird das Leid von lesbischen Frau-     kennung der Verfolgung von Lesben. Lesbische Frauen
en und Mädchen über ein dreiviertel Jahrhundert nach       und Mädchen wurden während der Zeit des National-
der Befreiung des Konzentrationslagers endlich sichtbar    sozialismus verfolgt, inhaftiert und auch ermordet“, so
gemacht.“                                                  Vorstandsfrau Marion Lüttig. „Sie galten durch ihre
Auf der Keramik-Kugel soll nunmehr stehen: „In Geden-      Unabhängigkeit als ‚entartet‘ und ‚asozial‘. Sie wurden
ken aller lesbischer Frauen und Mädchen im Frauen-KZ       psychiatrisiert, zur Prostitution in Lagern gezwungen

                                                                                                                 9
und inhaftiert.“ Es werde Zeit, den lesbischen Frauen     dieser lang ersehnten Lösung gearbeitet haben“, so Lüt-
und Mädchen einen angemessenen Ort des Gedenkens          tig weiter. „Wie wir uns erinnern, macht viel davon aus,
zuzugestehen und ein Gedenkzeichen dauerhaft vor Ort      wie wir die Welt von heute wahrnehmen. Lesbisches*
niederzulegen.                                            Leben ist Teil unserer Geschichte, lesbische* Stimmen
                                                          müssen gehört, lesbisches* Erleben gewürdigt werden“,
„Wir danken an dieser Stelle besonders der Hartnäckig-    so Vorstandsfrau Marion Lüttig abschließend.
keit der Initiative ‚Autonome feministische Frauen und
Lesben aus Deutschland und Österreich‘, namentlich        Lesbische* Geschichte ist in der Geschichtsschreibung
Wiebke Haß, Susanne Kuntz, Maria Newald, Lisa Stei-       der Mehrheitsgesellschaft kaum präsent. So wurde und
ninger und Irmes Schwager, die mit vielen internatio-     wird die Verfolgung und Ermordung lesbischer* Frauen
nalen Unterstützer*innen im Rücken trotz Gegenwinds       in der NS-Zeit vielfach geleugnet, und diese Leugnung
immer an der Gedenkkugel festgehalten haben. Eben-        ihrer Verfolgungsgeschichte ist ein Teil ihrer Verfolgung.
so danken wir unserer Fachbeirätin Stephanie Kuhnen,      Bis heute bestimmt die massive Homosexuellenfeind-
dem Bundesvorstand des LSVD, der Historikerin Dr.         lichkeit, von der die Mehrheit der überlieferten Zeug-
Kirsten Plötz sowie der Bundesstiftung Magnus Hirsch-     nisse geprägt ist, Erinnerungspolitik und Forschung.
feld, die zusammen mit uns und der deutsch-österrei-
chischen Initiative in den letzten eineinhalb Jahren an             Berlin/Heidelberg/Fürstenberg, 14. Juli 2021

  Die Befreiungsfeierlichkeiten der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, in deren Rah-
    men die Gedenkkugel eingeweiht wird, finden am Samstag, den 30. April und am
                             Sonntag, den 1. Mai 2022 statt.

                                                                       19. April 2021: Eine solidarische
                                                                       Aktion der Lagergemeinschaft
                                                                       Ravensbrück Freundeskreis e.V.:
                                                                       Sie hat am Befreiungswochenen-
                                                                       de die Kugel an den (zukünftig
                                                                       festen) Gedenkort gelegt und der
                                                                       ermordeten und verfolgten lesbi-
                                                                       schen Frauen* gedacht.

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Gedenkzeichen für Sexzwangsarbeiterinnen
Während der digitalen Befreiungsfeiern 2021 wurde ein      Der berührende Film, der rund um die Gedenkzeichen-
Gedenkzeichen für die Sexzwangsarbeiterinnen aufge-        Aktion bei der Befreiungsfeier 2021 erstellt wurde, kann
stellt. Auch dieses sichtbare Gedenken hat – ähnlich der   hier betrachtet werden:
„Gedenkkugel“ für die lesbischen Opfer – eine lange Ge-    https://rememberliberation.stiftung-bg.de/befreiung-
schichte, bis es endlich verwirklicht werden konnte.       ravensbrueck                     Brigitte Halbmayr
Erstmalig im April 2002 legte die Bielefelder Projekt-
gruppe Ravensbrück im Rahmen der Befreiungsfeiern
ein Blumengesteck im Gedenken an die Frauen, die in
den Lagerbordellen Zwangsarbeit verrichten mussten,
nieder. Diese Geste wiederholten die Bielefelder Frauen
jährlich, um diese Opfergruppe sichtbar zu machen und
ihr Leiden zu würdigen. Nach jahrelanger Vorbereitung
(Diskussionen, Überzeugungsarbeit, Spendensammlung
etc.) konnte im April dieses Jahres ein Gedenkzeichen
auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravens-
brück aufgestellt werden, das die beiden Künstlerinnen

                                                                  Foto: Projektgruppe Ravensbrück (Bielefeld)
Karin Kröll und Roswita Baumeister gestaltet haben. In
dem Film, den die Projektgruppe zur Entstehungsge-
schichte des Gedenkzeichens gestaltet haben, wird das
jahrelange Bemühen und Ringen um die Sichtbarma-
chung der Opfergruppe der Sexzwangsarbeiterinnen
deutlich – begonnen von Christa Paul, die als erste zum
Thema recherchiert und publiziert hat, über die 2006 in
der Gedenkstätte gezeigte Ausstellung zur Sexzwangs-
arbeit bis hin zum feierlichen Gedenken im April 2021.
Eine der zentralen Aussagen: Wer über Sexzwangsarbeit
spricht, darf über patriarchale Macht- und Gewaltver-
hältnisse nicht schweigen!

Theaterperformance „Lebenslang“
Daniel Langbein abermals im Theater Drachengasse
Aufgrund der Covid-19-Pandemie musste die Theater-         Theater Drachengasse zu Gast war, spricht er Passagen
performance „Lebenslang“ von und mit Daniel Lang-          aus einem Videointerview mit seinem Großvater nach.
bein, geplant für den Herbst 2020, verschoben werden.      Die Tötungen im Auschwitzer Krankenbau, die Pflich-
Freundlicherweise haben sowohl der Nationalfonds der       ten und Versuchungen eines Funktionshäftlings, die In-
Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus      ternationalisierung und Hierarchisierung der Häftlings-
als auch der Zukunftsfonds der Republik Österreich ei-     gesellschaft, die gelungene Flucht und der Auftrag an
ner Verschiebung zuerst auf Frühjahr 2021 und dann         sich selbst sowie die nachfolgenden Generationen sind
nochmals auf Herbst 2021 zugestimmt.                       die Themen, die zur Sprache kommen. Daniel erzählt
Zwischen 9. und 12. November 2021 fanden insgesamt         zuerst alleine, dann gemeinsam mit seinem Großvater
sechs Aufführungen statt: drei dezidierte Schulvorstel-    (Videoeinspielung), zuletzt erzählt dieser alleine. Die-
lungen und drei Abendvorstellungen, die ebenfalls von      ses „Reenactment“ sieht Daniel Langbein als Möglich-
einigen Schüler_innen besucht wurden. Insgesamt sa-        keit, auch andere Menschen zur Auseinandersetzung
hen 151 Personen die Theaterperformance, davon 95          mit dem Gesagten einzuladen. Das Stück dauert nur 15
Schüler_innen von zwei Berufsschulen und zwei Gym-         Minuten, sodass danach ausreichend Zeit für ein mo-
nasien.                                                    deriertes Gespräch bleibt, um Eindrücke, Standpunkte
In dem Ein-Mann-Stück „Lebenslang“, das Daniel Lang-       und Sichtweisen mit Daniel Langbein auszutauschen
bein 2017 im Zuge seines Engagements am Theater Jun-       und zu diskutieren.
ge Generation in Dresden entwickelt hat und mit dem        Die Performance und die anschließenden moderierten
er bereits im Jahr 2019 auf Einladung der ÖLGR/F im        Gespräche – als Moderatorinnen fungierten wir, Hel-
                                                                                                                11
ga Amesberger und Brigitte Halbmayr vom Institut für      elektronisch übermittelt wurde. Bei dieser Zusam-
Konfliktforschung – brachten den Überlebenskampf in       menstellung griffen wir auf bereits bestehende und
Auschwitz, die Menschenverachtung und Schikanen der       thematisch adäquate Lernmodule, etwa vom Haus der
Lagerleitung sowie Glück und Last des Überlebens nä-      Geschichte Österreich (HdGÖ), vom Mauthausen Me-
her. Im Austausch mit Daniel Langbein konnten weitere     morial und der Webseite www.ravensbrückerinnen.at
Details zum Stück sowie zum Leben seines Großvaters       des Instituts für Konfliktforschung zurück. Die Unter-
erfragt und Fragen geklärt werden. Darüber hinaus regte   richtsmaterialien enthielten drei große Themen: Dikta-
die Performance zum Nachdenken über eigene Werthal-       tur und Gewalt, verschiedene Verfolgtengruppen sowie
tungen und eigenes Handeln an, bestätigten uns mehre-     Opfer–Täter_innen–Mitläufer_innen. Jedem Thema ist
re Teilnehmende. Mit dieser Veranstaltung konnte die      eine kurze Erläuterung der möglichen Fragestellungen
ÖLGR/F einer ihrer Aufgaben nachkommen, nämlich           und der vermittelten Kompetenzen vorangestellt. Be-
über die nationalsozialistischen Verbrechen aufzuklären   sonderes Augenmerk haben wir bei der Materialzusam-
und so einen Beitrag für „Nie wieder Faschismus, nie      menstellung darauf gelegt, dass ein Gegenwartsbezug
wieder Krieg!“ zu leisten.                                hergestellt werden kann. Alle Module können – je nach
Zur schulischen Vorbereitung stellten wir eine Samm-      Zeitressourcen – verschlankt oder vertieft werden.
lung von Unterrichtsmaterialien zusammen, die den
Lehrkräften mit der Reservierung der Theaterkarten             Helga Amesberger & Brigitte Halbmayr

            www.ravensbrückerinnen.at
Die Website über Österreicher_innen im KZ Ravensbrück: Laufend ak-
tualisiert und mit neuen Schwerpunkten!

Auf www.ravensbrückerinnen.at kann seit dem Früh-
jahr 2013 zu den österreichischen Häftlingen im Kon-
zentrationslager Ravensbrück, Frauen wie Männern,
nachgelesen und recherchiert werden. Abgesehen von
biografischen Daten sind Erläuterungen zu den Ver-
folgungsgründen und regionalen Spezifika ebenso wie
Hintergrundwissen zum ehemaligen KZ und den Über-
lebensbedingungen zugänglich, darüber hinaus auch
Erfahrungsberichte über das Leben nach der KZ-Haft.

Eine Suchmaske unterstützt die Suche nach Personen        nen. Filmporträts, Dokumente, Fotos und Fragemodule
bzw. Personengruppen wie z.B. Roma und Sinti, Juden/      in einem virtuellen Lernraum ergänzen das Angebot,
Jüdinnen, politisch Verfolgte oder Kärntner Slowenin-     das sich insbesondere an Schüler_innen richtet.

12
Auf der Website finden sich aktuell im Bereich Le-          Der integrierte Lernraum mit seinen insgesamt 17 Mo-
bensgeschichten 36 ausgewählte Porträts von Frauen          dulen sowie Unterrichtsmaterialien zum Thema „Ver-
und Männern, die von den Nationalsozialisten verfolgt       folgung von Menschen als Asoziale“ richtet sich speziell
wurden und im KZ Ravensbrück inhaftiert waren. Die          an Lehrkräfte der 8. bis 12. Schulstufe. Sie geben Anre-
Porträtauswahl zeigt eine Streuung nach Verfolgungs-        gungen, wie insbesondere die Verfolgung von Frauen im
grund, Geschlecht, Region und Schicksal (überlebt oder      Unterricht thematisiert werden könnte.
ermordet). Dabei liegt der Schwerpunkt auf Frauen und
Männern, über die bislang wenig bis gar nichts bekannt                                       Helga Amesberger
war bzw. die auch in Dokumentationen nicht zu Wort
kamen.                                                      Haben Sie weitere Informationen, Dokumente und
Im Bereich Recherche gelangt man zur Personensuche.         Fotos zu Frauen und Männern, die im KZ Ravens-
Eine detaillierte Suchmaske greift auf eine umfangrei-      brück inhaftiert waren?
che Datenbank zu Österreicher_innen im KZ Ravens-           Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns diese zu-
brück zu. Aus Datenschutzgründen sind derzeit Infor-        kommen lassen könnten! Auch für Hinweise auf etwaige
mationen zu 1.950 Frauen und Männer (von insgesamt          Fehler zu einzelnen Personen sind wir dankbar.
2.734) zugänglich. Seit die Website online ist – das sind
mittlerweile acht Jahre –, werden die Daten jährlich ak-    Kontakt:
tualisiert. Das betrifft zum einen die Datenbank, zum       Dr.in Brigitte Halbmayr, Institut für Konfliktforschung,
anderen die auf der Website abrufbaren Biografien, Do-      Lisztstraße 3, 1030 Wien, T: +43 (0)1 713 16 40 DW 12
kumente, Fotos und thematischen Inhalte.                    E: brigitte.halbmayr@ikf.ac.at

ÖLGR/F-Vereinsaktivitäten 2021
April: Auch 2021 konnte, wie bereits im Jahr zuvor, auf     ermordet. Ihr seid nicht vergessen.“ Die ÖLGR/F hat die
Grund der Covid-19-Pandemie in der Mahn-und Ge-             Initiative für die Gedenkkugel von Beginn an tatkräftig
denkstätte Ravensbrück keine große Befreiungsfeier vor      unterstützt (siehe S. 8-10).
Ort stattfinden.
Es gab aber rund um den Gedenktag am 18. April unter        September: Die ÖLGR/F unterstützte die Reise von 177
dem Motto „Erinnerung teilen“ zahlreiche Online-Ver-        Vertreter_innen der Zapatistas sowie indigen-bäuerli-
anstaltungen, die dazu dienen sollten, Kontakt mit den      chen Widerstandsorganisationen aus Mexiko, die wäh-
Überlebenden, ihren Angehörigen und den Freund_in-          rend ihrer mehrmonatigen Europareise die Allianzen
nen der Mahn-und Gedenkstätte aufzunehmen und Er-           zwischen Süden und Norden stärken wollten.
innern und Gedenken auf diese Weise lebendig zu hal-        Als Anliegen wurde formuliert: „Wir werden weder er-
ten (siehe dazu S. 3 und zum Treffen des IRK von 3. bis     obern, noch Vorwürfe machen, Konfrontation suchen
6. September 2021 die S. 5-7).                              oder Entschuldigungen verlangen. Wir wollen Erfahrun-
                                                            gen austauschen, um gemeinsam Wege für eine gerech-
Juli: Nach jahrelangen Bemühungen um ein Denkmal            te und solidarische Welt zu finden, in der viele Welten
für die in Ravensbrück verfolgten lesbischen Frauen*        Platz haben.“ Zum Mauthausenbesuch einer Delegation
und Mädchen* entschied die Stiftung Brandenburgische        der Zapatistas siehe S. 15.
Gedenkstätten im Juli 2021, dass die von der Initiative
Autonome Feministische Lesben Frauen aus Deutsch-           November: Wiederaufnahme von Daniel Langbeins
                             land und Österreich in-        Theaterstück „Lebenslang“ im Theater in der Drachen-
                             itiierte Gedenkkugel im        gasse, diesmal mit Schwerpunkt auf Berufsschulen, wo-
                             Rahmen der Befreiungs-         für auch Unterrichtsmaterialien zur leichteren Vor- und
                             feierlichkeiten 2022 dau-      Nachbereitung zusammengestellt wurden.
                             erhaft niedergelegt wird.      Die Aufführungswoche war ursprünglich für November
                             Auf der Ton-Kugel soll         2020 geplant, musste dann auf April 2021, dann jedoch
                             stehen: „In Gedenken           abermals auf Herbst verschoben werden.
                             aller lesbischer Frauen        Großes Glück von 9. bis 12. November: Die Vorstel-
                             und Mädchen im Frau-           lungen konnten wie geplant stattfinden – schon in der
                             en-KZ Ravensbrück und          Woche darauf herrschte wieder Exkursionsverbot für
                             Uckermark. Sie wurden          die Wiener Schulen aufgrund äußerst rasch steigender
                             verfolgt, inhaftiert, auch     Covid-Neuinfektionen. Siehe S. 11-12.

                                                                                                                 13
17. Dezember: Die Generalversammlung des Vereins           Vorschau 2022
ÖLGR/F findet als Hybrid-Veranstaltung statt (siehe un-    Die Befreiungsfeier 2022 findet von Samstag, 30. April,
ten). Ein neuer Vorstand wurde gewählt und viele Pro-      bis Sonntag, 1. Mai in der Mahn- und Gedenkstätte Ra-
jekte bekanntgegeben.                                      vensbrück statt.

Generalversammlung der ÖLGR/F
Die fällige Generalversammlung (GV) wurde pandemie-        Selbstverständlich wurde auch diesmal der in der ab-
bedingt zunächst vom Frühjahr auf die zweite Jahres-       gelaufenen Funktionsperiode Verstorbenen mit einer
hälfte verschoben, musste laut Vereinspolizei aber trotz   Schweigeminute gedacht: Liesl Jäger (2019) und Lotte
der für größere Versammlungen weiterhin schlechten         Brainin (2020), Esther Bejarano, Anna Jug und Svjetlana
Rahmenbedingungen auf jeden Fall dieses Jahr noch          Hromin-Heidler (2021).
abgehalten werden.
So fand sie schlussendlich am 17. Dezember 2021 ab 17      Für die kommenden Jahre sind bereits einige Projekte
Uhr im KZ-Verband in 1020 Wien statt. Dort trafen sich     geplant oder zumindest angedacht:
dann nur sieben Aktivistinnen, sechs weitere waren aber    ◆ Die Ausstellung „Faces of Europe“ soll im kommen-
via Zoom-Konferenz zugeschaltet.                           den Jahr in Wien gezeigt werden, die Vorbereitungen
                                                           dazu laufen.
Nach der Durchführung der üblichen Vereinsagenden
                                                           ◆ Ein Theaterstück aus Vorarlberg über Theresa Zauser,
(Begrüßung, Feststellung der Beschlussfähigkeit, Tä-
                                                           die als sogenannte „Asoziale“ in Ravensbrück inhaftiert
tigkeitsbericht, Kassabericht, Kontrolle, Entlastung des
                                                           war, möchten wir gerne nach Wien holen.
Vorstandes, der Kassierin und der Kontrolle) wurde ein
neuer Vorstand der ÖLGR/F gewählt, der nur unwesent-       ◆ Ebenso soll der Film „Geboren in Ravensbrück“ über
liche Änderungen in der Zusammensetzung aufweist.          Ingelore Prochnow, die im KZ Ravensbrück geboren
                                                           wurde und dort ein Jahr bis zur Befreiung überlebte,
Der ÖLGR/F-Vorstand 2021–2023                              nach Wien gebracht werden.
Obfrau: Bernadette Dewald                                  ◆ Die Erneuerung des Österreich-Raums im „Bunker“,
1. Obfrau-Stv.: Brigitte Halbmayr                          dem ehemaligen Lagergefängnis, steht an.
2. Obfrau-Stv.: Vera Modjawer                              ◆ Die Zusammenarbeit mit dem KZ-Verband soll nach
Kassierin: Helga Amesberger                                einem Treffen mit Birgit Hebein intensiviert werden.
Sekretärin: Hannelore Stoff                                ◆ Ein gemeinsames Projekt mit Karin Berger, die gera-
Sekretärin-Stv.: Sylvia Köchl                              de dabei ist, die Originalfilme zu „Küchengespräche mit
Kontrolle:                                                 Rebellinnen“ auf DVD zu sichern, wäre wünschenswert
Siegrid Fahrecker
Sylvia Edelmann                        RAVENSBRÜCK
                                                           ◆ Überlegt wurde auch, das ins Stocken geratene Buch-
                                                           projekt über Hanna Sturm wieder anzukurbeln.
Bundesländerbeirat:
Inge Fiedler
                                                           Abschließend gaben die Obfrau, die 1. Obfrau-Stellver-
Hilde Röhheuser
                                                           treterin und die Kassierin bekannt, dass sie ihre Funkti-
Dora Kupper
                                                           onen bei der GV 2023 zurücklegen werden. Schon heute
                                                           sind alle Mitglieder und Aktivist_innen aufgefordert,
Mehrere Grußadressen drückten die Wertschätzung des
                                                           sich über die Nachfolge Gedanken zu machen.
Engagements der ÖLGR/F-Aktivist_innen weit über
den Kreis der bei der GV Teilnehmenden aus.                Bericht: Brigitte Halbmayr
14
Dialog in Mauthausen
Am 1. Oktober 2021 besuchte eine Delegation der Zapatistas aus
Mexiko die Gedenkstätte Mauthausen.

                                                                                             Die Delegation der Za-
                                                                                             patistas in Mauthausen.
                                                                                             Foto: Christian Dürr

Im Herbst 2021 unterstützte die ÖLGR/F die auf mehre-     personen aus dem Umfeld der für die Organisation des
re Monate angelegte Reise von 177 Vertreter_innen der     Linz-Aufenthalts verantwortlichen Organisationen.
Zapatistas sowie indigen-bäuerlichen Widerstandsor-       Die Gruppe wurde von Christian Dürr, KZ-Gedenkstät-
ganisationen aus Mexiko durch Europa. Die Delegation      te Mauthausen, auf einen Rundgang durch das gesamte
der EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional,      Gedenkstättenareal geführt: über den Garagenhof und
deutsch: Zapatistische Armee der Nationalen Befrei-       ehemaligen SS-Bereich in das Häftlingslager, auf den
ung) wollte damit die Allianzen zwischen Süden und        Appellplatz, in die Duschräume, die ehemalige Bordell-
Norden stärken. Als ihr Anliegen erklärte die Delega-     baracke, die Unterkunftsbaracken bis in den ehemaligen
tion im Vorfeld der Reise: „Wir werden weder erobern,     Tötungsbereich samt Gaskammer und Krematorien und
noch Vorwürfe machen, Konfrontation suchen oder           schließlich noch in den Steinbruch. An den einzelnen
Entschuldigungen verlangen. Wir wollen Erfahrungen        Stationen wurden verschiedene Themenbereiche der
austauschen, um gemeinsam Wege für eine gerech-           KZ-Geschichte angesprochen: die Entstehung des La-
te und solidarische Welt zu finden, in der viele Welten   gersystems; die Verantwortung der SS; die Beziehung
Platz haben.“                                             zwischen Lager und zivilem Umfeld; die Entmensch-
                                                          lichung der Häftlinge; die Zwangsarbeit, insbesondere
Am 14. September landete ein Teil der Europa-Reisen-      auch die Sex-Zwangsarbeit weiblicher Gefangener im
den am Flughafen Wien-Schwechat. Ihr Eintreffen wur-      Häftlingsbordell; die systematische Vernichtung der Ge-
de von vielen Aktivist_innen, die sie mit Transparenten   fangenen durch Arbeit, in der Gaskammer oder durch
und Gesang begrüßten, zu einem bewegenden Ereignis.       andere Methoden.
Die ÖLGR/F ermöglichte den Österreich-Besuch durch
eine offizielle Einladung und die Übernahme eines klei-   Der Rundgang hatte den Charakter eines Dialogs. Die
nen Teils der Reisekosten. Als ein Programmpunkt in       Compañer@s brachten sich nicht nur mit vielen Fragen
Österreich war der Besuch der KZ-Gedenkstätte Maut-       ein, schilderte Christian Dürr der ÖLGR/F, sie stellten
hausen vorgesehen.                                        auch zahlreiche Bezüge zur ihrer eigenen Geschichte
                                                          und ihren eigenen Erfahrungen her, etwa beim Thema
Am 1. Oktober 2021 von ca. 10.30 bis 17 Uhr besuchte      Zwangsarbeit, bei der Rolle paramilitärischer Organisa-
eine Delegation der EZLN die KZ-Gedenkstätte Maut-        tionen (SS bzw. Paramilitärs in Mexiko), bei spezifischen
hausen. Die Gruppe bestand aus zwölf Zapatist_innen       Formen der Gewalt gegen Frauen etc. Der Rundgang
– sieben Männer, fünf Frauen – und mehreren Begleit-      endete im Steinbruch Mauthausen.
                                                                                                                 15
Spurensuche seit über 20 Jahren
Zur Entstehung des Biografieprojekts über Anna Burger, geb. Lasser
(1913–1943)

                  Siegrid Fahrecker beim Portrait ihrer
                  Großmutter Anna Burger. Foto: IRK

Seit vielen Jahren kenne ich Siegrid Fahrecker als en-     Tochter von Anna Burger, beschäftigte sich mit zuneh-
gagiertes Mitglied der Österreichischen Lagergemein-       mendem Alter mit dem Leben und Sterben ihrer Mutter
schaft Ravensbrück und Freund_innen. Es war gegen          in Ravensbrück. Oder anders gesagt: Das Schicksal ihrer
Ende der 1990er-Jahre, dass ein Brief von Siegrids Tante   Mutter trieb sie um. Eine erste Begegnung mit Stefanie
an die Lagergemeinschaft eine intensive Recherche zu       Cudy ergab sich für mich im Rahmen der Neugestaltung
Anna Burger, der Großmutter von Siegrid, in Gang ge-       der Dauerausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte
setzt hatte.                                               Ravensbrück (2013), für die ich ein aktualisiertes Porträt
                                                           zu Anna Burger erstellte. Als Stefanie Cudy 2019 starb,
Damals wurde von Kolleginnen in der Lagergemein-           hielt ich auf Ersuchen von Siegrid eine Rede über ihre
schaft gerade die Ausstellung „wege nach ravensbrück“      Mutter bei deren Verabschiedung.
konzipiert, die anhand von Biografien die unterschiedli-
chen Verfolgungswege und -schicksale von österreichi-      Das ist der eine Strang, der zum Biografie-Projekt führte.
schen Ravensbrückhäftlingen aufzeigen sollte. Corinna      Der andere ist die intensive Forschung mit meinen bei-
Oesch nahm sich der Geschichte von Anna Burger an,         den Kolleginnen am Institut für Konfliktforschung, Hel-
die als „Asoziale“ stigmatisiert, wegen Diebstahls ver-    ga Amesberger und Elke Rajal, in den letzten Jahren zur
haftet und verurteilt und schließlich, nach einjähriger    Verfolgung von Frauen und Männern als „Asoziale“ im
Gefängnishaft, ins KZ Ravensbrück deportiert wurde.        Nationalsozialismus und die Analyse von geschlechts-
Dort wurde sie mit einer Giftinjektion ermordet.           spezifischen Zuschreibungen, behördlichen Routinen
                                                           und Orten der Verfolgung. Die zwei Publikationen, die
Corinna Oesch konsultierte Archive und kontaktierte        daraus entstanden sind, ergaben den theoretischen Rah-
auch die Familie von Anna Burger. Dennoch blieben          men für die Auseinandersetzung mit dem Leben von
viele Fragen offen. Insbesondere Siegrid stellte Fragen    Anna Burger. Und es schien an der Zeit, das Verspre-
über Fragen zu ihrer Großmutter, kontaktierte ehema-       chen, das ich vor langer Zeit Siegrid gegeben habe, näm-
lige Mithäftlinge in Ravensbrück, war unermüdlich auf      lich das Leben ihrer Großmutter in einem Buch nachzu-
der Suche nach Spuren ihrer Großmutter. Als Delegierte     zeichnen, endlich einzulösen.
für Österreich im Internationalen Ravensbrück Komi-
tee (IRK) seit 2012 nützte sie die neuen Kontakte für      In dem Buch werde ich auch der Frage nachgehen, wie
weitere Recherchen. Auch ihre Mutter Stefanie Cudy,        die nachfolgenden Generationen mit der Verfolgungs-
16
geschichte umgehen, wie viel sie davon wissen, was von       Geldbetrag ihrer Wahl dieses Buchprojekt zu unterstüt-
den Kindern an die Enkelkinder weitergegeben wird,           zen. Die viele Arbeit, die so ein Vorhaben erfordert, hat
wie sehr der gewaltsame Tod im Konzentrationslager           sich gelohnt: An die 140 Privatpersonen sind meinem
Bestandteil des Familiengedächtnisses ist und vieles         Aufruf gefolgt und ermöglichen mir so, das Buch über
mehr. Verfolgungsursachen und -praktiken in der NS-          Anna Burger – für die Bewerbung im Internet habe ich
Zeit sowie die Überlebenschancen für „Asoziale“ in           aus datenschutzrechtlichen Überlegungen das Pseudo-
Konzentrationslagern werden also neben Fragen nach           nym Margit Lange gewählt – zu schreiben. Dafür bin ich
dem Generationengedächtnis, der familiären Tradie-           sehr dankbar. Zusätzlich hat sich auch die Österreichi-
rung und möglichen Sekundärtraumatisierungen zent-           sche Lagergemeinschaft Ravensbrück & Freund_innen
rale Themen des Buches sein.                                 bereit erklärt, mit einer beachtlichen Summe das Buch-
                                                             projekt zu unterstützen – auch darüber freue ich mich
Für dieses Unternehmen schrieb ich einen Projektantrag       sehr!
und suchte um Förderung beim Nationalfonds und beim          Die Projektumsetzung wird zum überwiegenden Teil
Zukunftsfonds der Republik Österreich sowie der Kul-         im Jahr 2022 erfolgen. Das Ergebnis wird nicht „mei-
turabteilung des Landes Niederösterreich an. Entgegen        ne“ Publikation sein, sondern ein gemeinsames Werk
meinen Erwartungen wurde ich von den beiden Fonds            von mir und Siegrid, der Enkeltochter von Anna Bur-
mit massiven Kürzungen des Fördervolumens konfron-           ger, Initiatorin des Vorhabens, unermüdliche Informati-
tiert, sodass mir nichts anderes übrigblieb, als über eine   onssammlerin und mit dem brennenden Wunsch, ihrer
Online-Plattform Crowdfunding zu betreiben, d.h. mei-        Großmutter ein würdiges Andenken zu setzen.
ne Bekannten, Freund_innen und Kolleg_innen und die
interessierte Öffentlichkeit darum zu bitten, mit einem                                        Brigitte Halbmayr

Ehrung von Hanna Sturm
Die SPÖ Frauen Burgenland ehrten die Widerstandskämpferin Hanna
Sturm und haben Pläne für einen Gedenkstein
Im Zuge der Feierlichkeiten zu „100 Jahre Burgenland“        genbach geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen
gedachten die SPÖ Frauen Burgenland im Februar               auf. Mit 14 Jahren leitete sie ihren ersten Streik, verlor
2021 der Widerstandskämpferin und Ravensbrück-               dadurch ihren Arbeitsplatz, zog wenig später nach Wien
Überlebenden Hanna Sturm. Wir geben hier den Text            und kam so mit der Arbeiterbewegung in Berührung.
von der Website der SPÖ Burgenland wieder:                   Sie tritt auch der Gewerkschaft bei und wird kurze Zeit
„Anlässlich ‚100 Jahre Burgenland‘ ist es den SPÖ Frau-      später auch Mitglied der Sozialdemokratischen Partei,
en Burgenland ein Anliegen, die Frauen, die das Land         später wird sie ausgeschlossen und tritt schließlich der
im letzten Jahrhundert geprägt und gestaltet haben,          Kommunistischen Partei bei. Für ihr politisches Enga-
hervorzuheben. Hanna Sturm, Widerstandskämpferin             gement wird sie 1938 verhaftet und in die Konzentrati-
aus Klingenbach, ist eine dieser Frauen. Ihren 130. Ge-      onslager Lichtenberg und Ravensbrück deportiert.
burtstag am 28. Februar nehmen wir zum Anlass, ih-           Hanna Sturm überlebte und war nach dem Krieg wichti-
ren Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus           ge Kronzeugin in mehreren Kriegsverbrecherprozessen.
zu würdigen. Sie war und ist Vorbild mit ihrem Tun“,         In diesem Zusammenhang wurde ein Mordanschlag auf
so Landesfrauenvorsitzende Astrid Eisenkopf zur Idee,        sie verübt. 1984 verstarb Hanna Sturm in Zagreb.
Hanna Sturm ein Denkmal zu setzen.                           Für alle Interessierten ist der autobiographische Roman
Gemeinsam mit der Gemeinde Klingenbach wollen die            von Hanna Sturm am Gemeindeamt Klingenbach er-
SPÖ Frauen Burgenland auf Initiative ihrer Landesfrau-       hältlich. „Hanna Sturms autobiografischer Roman stellt
envorsitzenden Astrid Eisenkopf in der Heimatgemein-         ein einzigartiges Dokument dar, handelt es sich doch
de von Hanna Sturm einen Gedenkstein anlässlich ihres        dabei auch um eine Arbeiterinnenbiographie größeren
130. Geburtstages errichten. „Wir freuen uns, dass die       Umfangs aus dem Burgenland“, so Eisenkopf und Frank
SPÖ Frauen Burgenland auf uns zugekommen sind, und           unisono über die Lebensaufzeichnungen der Wider-
wir gemeinsam die Idee eines Gedenksteines für Hanna         standskämpferin.
Sturm entwickelt haben. Damit wollen wir an ihr Wir-         P.S. der Redaktion: Der Gedenkstein hätte im Früh-
ken als politische Aktivistin und Widerstandskämpferin       sommer dieses Jahres enthüllt werden sollen, der
erinnern“, so Richard Frank, Bürgermeister von Klin-         kleine Festakt wurde jedoch laut Auskunft des Ge-
genbach und Unterstützer der Idee.                           meindeamts Klingenbach auf kommendes Frühjahr
Hanna Sturm war Burgenlandkroatin, wurde in Klin-            verschoben. Wir werden berichten!
                                                                                                                    17
Entfernung.
                  Österreich und Auschwitz
Die neue Österreich-Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-
Birkenau ist eröffnet

Links: Block 17 – die Heimat der Österreich-Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz. Rechts: Die Eingangstür.

Im März 1978 wurde im sogenannten Block 17 die erste                nicht nur für die geografische Distanz zwischen Öster-
österreichische Länderausstellung im ehemaligen Kon-                reich und Auschwitz, sondern vor allem für die Entfer-
zentrations- und Vernichtungslager und nunmehrigen                  nung der nach Auschwitz deportierten Menschen – aus
Staatsmuseum Auschwitz-Birkenau eröffnet. Damals                    Österreich und aus dem Leben.
präsentierte sich Österreich entgegen dem heutigen Ge-              Neben dem Schicksal der österreichischen Opfer in
schichtsbild noch als „Erstes Opfer des Nationalsozialis-           Auschwitz und dem Widerstand von österreichischen
mus“, die Mittäterschaft wurde weitgehend ausgeblendet.             Häftlingen im Konzentrationslager erzählt die Ausstel-
Mitte der 2000er-Jahre wurde deshalb eine Hinweistafel              lung vor allem auch die Involvierung von Österreicher_
angebracht, die klar stellte, dass diese Sichtweise nicht           innen als Täter_innen und Helfer_innen an den dort
mehr aktuell ist und die Ausstellung einer Erneuerung               begangenen Verbrechen.
harrt. 2009 wurde mit dem Erneuerungsprojekt begon-                 Verantwortlich für Konzept und Inhalt zeichnet das
nen, das gut zwölf Jahre später im Herbst 2021 abge-                wissenschaftlich-kuratorische Team um Hannes Sul-
schlossen wurde.                                                    zenbacher und Albert Lichtblau, in dem weiters Birgit
                                                                    Johler, Barbara Staudinger, Christiane Rothländer, Sieg-
Eröffnung durch die Regierung                                       fried Göllner und Christoph Mai tätig waren. Die ge-
Die neue, historisch überarbeitete Länderausstellung                stalterische Umsetzung erfolgte durch Architekt Martin
„Entfernung. Österreich und Auschwitz“ wurde am                     Kohlbauer.
Montag, dem 4. Oktober 2021, in Anwesenheit von
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, National-                 Jahrelanger Prozess
ratspräsident Wolfgang Sobotka, Zweiter Nationalrats-               Der Ausstellungeröffnung ging ein zwölf Jahre dauern-
präsidentin Doris Bures, Bundesratspräsident Peter                  der Prozess voran, der vom Nationalfonds der Repub-
Raggl, Außenminister Alexander Schallenberg, Euro-                  lik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus unter
paministerin Karoline Edtstadler, Gesundheitsminister               Hannah Lessing (Generalsekretärin) und Claire Fritsch
Wolfgang Mückstein, Kunst- und Kulturstaatssekretä-                 (Leiterin der Koordinierungsstelle) angeführt wurde.
rin Andrea Mayer sowie dem Direktor des Staatlichen                 Der ursprünglich auf wenige Jahre angelegte Prozess
Museums Auschwitz-Birkenau Piotr M. A. Cywiński                     verlängerte sich aber von Jahr zu Jahr aufgrund sehr un-
eröffnet. Begangen wurde die Eröffnung der neuen Län-               terschiedlicher, aber ineinander verzahnter Schwierig-
derausstellung mit einer Gedenkfeier, zu der auch die               keiten und Hindernisse.
wenigen noch lebenden ehemaligen österreichischen                   Als Mitglied (ab 2009) und Vorsitzende des Wissen-
Häftlinge und v.a. deren Nachkommen geladen waren.                  schaftlichen Beirats (ab 2014) – neben dem Gesell-
                                                                    schaftlichen Beirat wichtiges Diskussions- und Bera-
Vieldeutiger Ausstellungstitel                                      tungsgremium für das Ausstellungsteam – habe ich die
Der Titel „Entfernung. Österreich und Auschwitz“ steht              Projektentwicklung hautnah miterlebt und bin daher
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