WORKING PAPER FORSCHUNGSFÖRDERUNG

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WORKING PAPER
FORSCHUNGSFÖRDERUNG
Nummer 128, März 2019

Zwischen Aufwertung,
Abwertung und Polarisierung
Chancen der Tarif- und Lohnpolitik
für eine arbeitspolitische „High-Road-Strategie“
in der Altenpflege

Michaela Evans und Christine Ludwig
unter Mitarbeit von Jens Hermann
© 2019 by Hans-Böckler-Stiftung
Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf
www.boeckler.de

„Zwischen Aufwertung, Abwertung und Polarisierung“ von Michaela
Evans und Christine Ludwig ist lizenziert unter
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ISSN 2509-2359
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 3

Inhalt
Abbildungsverzeichnis ............................................................................ 4
Tabellenverzeichnis................................................................................ 5
Zusammenfassung ................................................................................. 6
1. Aufwertung und Löhne in der Altenpflege: Wo steht die
Debatte? ................................................................................................ 9
2. Zielsetzung und leitende Fragestellungen ........................................ 17
3. Altenpflege im Umbruch: Lohnniveau, Lohnentwicklung und
Lohnverteilung...................................................................................... 20
    3.1 Lohnniveau ................................................................................ 26
    3.2 Lohnentwicklung ........................................................................ 30
    3.3 Lohnverteilung ........................................................................... 33
    3.4 Löhne auf Basis von Entgeltordnungen...................................... 38
    3.5 Löhne in der Arbeitnehmerüberlassung ..................................... 40
4. Warum stehen Tarif- und Lohnpolitik in der Altenpflege an
einem neuen Punkt? ............................................................................ 44
5. Ausblick: Altenpflege vor arbeits- und branchenpolitischer
Richtungsentscheidung ........................................................................ 49
Literatur ................................................................................................ 53
Weitere Online-Quellen ........................................................................ 59
Autorinnen und Autoren ....................................................................... 60
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Beschäftigung von Pflegeberufen nach Arbeitsorten
  (2017) ................................................................................................ 9
Abbildung 2: Teilzeitquoten von Pflegeberufen nach
  Arbeitsbereichen und Berufsgattungen (2017) ................................. 10
Abbildung 3: Beschäftigung von Alltagsbegleitern und
  Betreuungskräften (83142) in der Altenpflege und Entwicklung
  2012–2017....................................................................................... 15
Abbildung 4: Bruttomedianverdienste Altenpflege (o. S.) –
  Fachkraft und Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) –
  Fachkraft nach Bundesländern (2017) ............................................. 22
Abbildung 5: Bruttomedianverdienste Altenpflege (o. S.) – Helfer/-
  in und Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Helfer/-in nach
  Bundesländern (2017) ..................................................................... 24
Abbildung 6: Vergleich der Bruttomedianverdienste Altenpflege
  (o. S.) – Fachkraft und Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.)
  – Helfer/-in nach Bundesländern (2017) .......................................... 25
Abbildung 7: Lohnniveau Altenpflege (o. S.) – Fachkraft und
  Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Fachkraft nach
  Bundesländern (2017) ..................................................................... 27
Abbildung 8: Lohnniveau Altenpflege (o. S.) – Helfer/-in und
  Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Helfer/-in nach
  Bundesländern (2017) ..................................................................... 28
Abbildung 9: Entwicklung der Bruttomedianverdienste der
  Pflegeberufe 2012–2017 (2012=100 Prozent) ................................. 31
Abbildung 10: Lohnniveau nach Quintilen: Altenpflege (o. S.) –
  Fachkraft und Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) –
  Fachkraft (2017) .............................................................................. 37
Abbildung 11: Entwicklung der Anteile von Leiharbeit in der
  Altenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege 2013–2017......... 41
Abbildung 12: Lohnentwicklung von Altenpflege-Fachkräften und
  Altenpflege-Helfer/-innen der Arbeitnehmerüberlassung (2013–
  2017) ............................................................................................... 42
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 5

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Lohnverteilung (Vollzeitbeschäftigte) nach
  Berufsgattungen und Pflegeeinrichtungen 2017: Quintile und
  Medianwerte .................................................................................... 34
Tabelle 2: Ausgewählte Verdienste in der stationären Altenpflege
  auf Basis verschiedener Entgeltordnungen (Berufsbezeichnung,
  Einsatzort und Berufsjahre) 2018..................................................... 39
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Zusammenfassung
Zentrale Branchenakteuren und Politik sind sich einig, dass die Aufwer-
tung der Arbeit in der Altenpflege sozial-, beschäftigungs- und bran-
chenpolitisch notwendig ist. Tarif- und Lohnpolitik können zu einer ar-
beitspolitischen „High-Road-Strategie“ beitragen, sodass das Berufsfeld
Altenpflege an Zukunftsfähigkeit gewinnt. Wichtiger Bezugspunkt der
gegenwärtigen Debatte sind die tatsächlich gezahlten Löhne in der Al-
tenpflege. Im vorliegenden Beitrag werden die Verbesserung der Ver-
dienstsituation in der Altenpflege und ihrer Refinanzierungsgrundlagen
als sozialpolitische Notwendigkeit sowie als Voraussetzung der künfti-
gen Branchenentwicklung thematisiert. Dabei sind drei Aspekte zu diffe-
renzieren: das Lohnniveau, die Lohnentwicklung und die Lohnverteilung.
Denn diese Unterscheidung öffnet den Blick für die Altenpflege im ge-
genwärtigen Spannungsfeld von Aufwertung, Abwertung und Polarisie-
rung:
• Es zeigen sich nach wie vor erhebliche absolute Verdienstunter-
   schiede zwischen den Pflegeberufen der Altenpflege und den Pflege-
   berufen der Gesundheits- und Krankenpflege. Sie konnten in den
   vergangenen Jahren nicht nivelliert werden konnten. Im bundeswei-
   ten Vergleich erzielen geringer qualifizierte Gesundheits- und Kran-
   kenpflege-Helfer/-innen zudem z. T. höhere Verdienste als dreijährig
   ausgebildete Altenpflege-Fachkräfte. Zudem bestehen in einzelnen
   Bundesländern (Niedersachsen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen) mit
   Lohndifferenzen zwischen 165 und 194 Euro z. T. nur sehr geringe
   Verdienstabstände zwischen Helfer/-innen in der Gesundheits- und
   Krankenpflege und Pflege-Fachkräften in der Altenpflege.
• Ausgehend von der Lohnentwicklung in den Pflegeberufen der Alten-
   pflege kann tatsächlich zunächst von einer Aufwertung gesprochen
   werden. Denn die hier erzielten Verdienstzuwächse für Altenpflege-
   Fachkräfte und Altenpflege-Helfer/-innen fielen zwischen 2012 und
   2017 mit 15,6 Prozent gegenüber den Berufen insgesamt (+11,6 %)
   höher aus. Zudem zeigt sich, dass die Pflegeberufe in der Altenpflege
   im Beobachtungszeitraum höhere Verdienstzuwächse als die be-
   trachteten Pflegeberufe in der Gesundheits- und Krankenpflege erzie-
   len konnten.
• Dieses zunächst positive Bild relativiert sich jedoch unter Rückgriff
   auf das relative Lohnniveau. Aus der Analyse geht hervor, dass das
   relative Lohnniveau der Pflegeberufe in der Altenpflege, gemessen
   am Verdienstniveau insgesamt, gegenüber den Pflegeberufen in der
   Gesundheits- und Krankenpflege deutlich niedriger ausfällt und hohe
   länderspezifische Varianzen aufweist. Gemessen an den Verdiensten
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    insgesamt liegt das länderspezifische Lohnniveau für Altenpflege-
    Fachkräfte zwischen 78,3 Prozent (Hessen) und 97,2 Prozent (Thü-
    ringen). Für die Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräfte werden
    hingegen länderspezifische Lohnniveaus zwischen 92,5 Prozent
    (Hamburg) und 125,7 Prozent (Thüringen) erzielt.
•   Die Ergebnisse zur Lohnverteilung nach Pflegeberufen, Einrichtungen
    und Qualifikationsniveaus machen deutlich, dass auch die Spannbrei-
    ten der erzielten Löhne trotz der erzielten Lohnzuwächse das Bild ei-
    ner Polarisierung der Verdienstsituation innerhalb der Pflegeberufe
    bestätigen. Mit Blick auf die gegenwärtige Debatte sind besonders die
    realisierten Verdienste im unteren Lohnquintil der Verdienstverteilung
    interessant. Sie bilden die unteren 20 Prozent der erzielten Verdiens-
    te und damit die niedrigen Löhne ab. Auch hier zeigen sich erhebliche
    Verdienstdisparitäten zwischen den Pflegeberufen der Altenpflege
    und der Gesundheits- und Krankenpflege in ihren originären Einsatz-
    feldern.
•   Demnach ist eine Tätigkeit für Altenpflege-Fachkräfte derzeit im
    Krankenhaus (2.880 Euro) deutlich attraktiver als eine Tätigkeit in ei-
    nem Pflegeheim (2.308 Euro) oder in einem ambulanten Dienst
    (1.991 Euro). In der Altenpflege insgesamt, insbesondere aber im po-
    litisch geförderten Bereich der ambulanten Altenpflege, zeigen die
    Daten zur Lohnverteilung, dass hier bei den unteren 20 Prozent der
    erzielten Löhne sowohl die Altenpflege-Fachkräfte (1.991 Euro) als
    auch die Altenpflege-Helfer/-innen (1.560 Euro) im Vergleich zu den
    Verdienste der Berufe insgesamt (2.148 Euro) niedrigere Löhne er-
    zielen.
•   Die Daten auf Basis der Entgeltordnungen legen den Schluss nahe,
    dass die tatsächlichen Lohnvarianzen in der Altenpflege höher einzu-
    schätzen sind, als es die Daten zu den Bruttomedianverdiensten na-
    helegen. Auf Basis der Entgeltordnungen schwanken die erzielbaren
    Verdienste für eine Altenpflege-Fachkraft in der stationären Langzeit-
    pflege zwischen dem niedrigsten und höchsten Tarif im ersten
    Berufsjahr um rund 930 Euro. Die betrachteten Entgeltordnungen ha-
    ben ihre Gültigkeit in unterschiedlichen west- und ostdeutschen Tarif-
    gebieten, die Argumentation des klassischen West-Ost-Gefälles ist
    hier insofern zu differenzieren, als dass innerhalb der Altenpflege
    auch kleinräumige Lohndisparitäten innerhalb der west- und ostdeut-
    schen Bundesländer zu beobachten sind.
•   Die Löhne für Altenpflege-Fachkräfte und Altenpflege-Helfer/-innen in
    der Leiharbeit haben sich gegenüber den Löhnen in regulärer Be-
    schäftigung in den letzten Jahren angenähert. In regulärer Beschäfti-
    gung verdient eine Altenpflege-Fachkraft 2.749 Euro. Ist die Alten-
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  pflege-Fachkraft hingegen bei einem Personaldienstleister tätig, reali-
  siert sie einen Verdienst von 2.625 Euro. Dieser geringe Verdienstab-
  stand ist mit Blick auf seine Anreizwirkung für eine Tätigkeit in regulä-
  rer Beschäftigung problematisch zu bewerten. Aber auch für die Pfle-
  geunternehmen selbst und für das System der Pflegeversicherung ist
  es durchaus kritisch, wenn die dringend benötigten Altenpflege-
  Fachkräfte und Altenpflege-Helfer/-innen über den Umweg der Ar-
  beitnehmerüberlassung in Pflegeeinrichtungen tätig werden. Denn die
  Kosten für den „Faktor Arbeit“ werden dadurch zusätzlich erhöht. Hier
  kann die Tarif- und Lohnpolitik zusätzlich zu den Verdiensten wichtige
  Anreize setzen, um die Attraktivität regulärer Beschäftigung zu erhö-
  hen.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse muss es Ziel sein, die relative
Verdienstsituation der Pflegekräfte in der Altenpflege im unteren Lohn-
bereich zu verbessern, perspektivisch die Verdienstverhältnisse der
Pflegekräfte in der Altenpflege den Verdienstverhältnissen von Pflege-
kräften in der stationären Akutversorgung anzugleichen und die Refi-
nanzierungsvoraussetzungen hierfür zu schaffen. Denn die Branche Al-
tenpflege ist darauf angewiesen, dass sich künftig auch generalistisch
ausgebildete Pflegefachfrauen/-männer sowie akademisch qualifizierte
Pflegefachkräfte für eine Tätigkeit in der Altenpflege entscheiden. Zu-
dem gilt es, die Gefahr eines lohngetriebenen Fach- und Arbeitskräfte-
wettbewerbs zwischen stationärer Akutversorgung, stationärer und am-
bulanter Altenpflege einzuhegen. Dies erfordert von Branchenakteuren
und Politik eine Richtungsentscheidung für eine arbeitspolitische „High-
Road-Strategie“.
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1. Aufwertung und Löhne in der
Altenpflege: Wo steht die Debatte?
2,7 Mio. Menschen arbeiten derzeit in der Pflege – in Krankenhäusern,
Rehabilitationseinrichtungen, in Einrichtungen der stationären Langzeit-
pflege, Altenheimen sowie in ambulanten Pflegediensten. 2,7 Mio. Men-
schen – das sind etwa acht Prozent aller abhängig Beschäftigten in
Deutschland. Auf die Altenpflege entfallen dabei 1,3 Mio. Beschäftigte.
930.000 Menschen sind in Alten- und Pflegeheimen, 370.000 in ambu-
lanten sozialen Diensten angestellt. Pflegekräfte stellen hier wie in allen
oben genannten Bereichen die größte Berufsgruppe dar (vgl. Abbil-
dung 1).

Abbildung 1: Beschäftigung von Pflegeberufen nach Arbeitsorten (2017)

Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene
Darstellung

Rund 25.000 Altenpfleger/-innen und Gesundheits- und Krankenpfleger/-
innen sind darüber hinaus derzeit über die Arbeitnehmerüberlassung
(ANÜ) in der Pflege tätig (Bundesagentur für Arbeit 2017). Die Altenpfle-
ge ist durch weibliche Erwerbsarbeit geprägt: 84 Prozent der Beschäftig-
ten sind Frauen. Für unterschiedliche Bereiche des Sozialwesens zeigt
sich: Je höher der Anteil der Frauen in dem jeweiligen Teilbereich, desto
höher ist die Teilzeitquote (Brenke et al. 2018).
   Teilzeitarbeit ist in der Altenpflege weit verbreitet. Die Teilzeitquoten
sind jedoch trotz des Fachkräftemangels seit 2012 nicht gesunken, son-
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dern sogar gestiegen. Mit 46,2 Prozent (gerundet) liegt sie bei den
Fachkräften zwar deutlich niedriger als bei den Hilfskräften (67,2 %),
aber immer noch weit über dem Durchschnitt der Teilzeitquoten gemes-
sen an allen Berufen (28 %). 1 Zudem variieren die Teilzeitquoten der
Pflegeberufe und Betreuungskräfte erheblich nach dem Qualifikationsni-
veau in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Teilzeitquoten von Pflegeberufen nach Arbeitsbereichen
und Berufsgattungen (2017)

Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene
Berechnung und Darstellung

Altenpflege ist kulturelle Praxis. Die Pflege älterer Menschen und die Ar-
beit der Pflegekräfte konkretisiert sich immer wieder neu in individueller
und interaktiver Unterstützung, Betreuung und Begleitung und erfährt
hierüber eine gesellschaftliche Valorisation. Doch professionelle Alten-
pflege ist nicht nur eine gesellschaftlich notwendige Infrastruktur und der
„soziale Air Bag“ (Gubitzer/Mader 2011) von Gesellschaft und Wirt-
schaft. Sie ist darüber hinaus ein Feld für soziale und wirtschaftliche In-

1   Die hier genannten Teilzeitquoten auf Basis der Beschäftigungsstatistik der Bunde-
    sagentur für Arbeit differenzieren nach Berufs(unter)gruppen. Sie weichen deshalb
    von den in der Pflegestatistik des Statistischen Bundesamts genannten Teilzeitquo-
    ten ab, die sich auf alle Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen, unabhängig von ihrem
    Beruf, beziehen.
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vestitionen und für soziale Innovationen (Evangelische Bank 2019; Be-
cke et al. 2016; Pervan et al. 2015) 2.
    Gleichwohl sind die künftigen sozial- und beschäftigungspolitischen
wie auch wirtschaftlichen Entwicklungspfad der Altenpflege überaus
volatil. Denn der vielfach diagnostizierte „Pflegekollaps“ und der „Perso-
nalnotstand“ in der Altenpflege sind zwei Seiten einer Medaille. Gemein-
same Bezugspunkte sind Perspektiven zur Weiterentwicklung der „Infra-
struktur Altenpflege“ und der „Branche Altenpflege“. Beide Dimensionen
stehen und fallen mit der Verfügbarkeit von Fach- und Arbeitskräften, mit
der konkreten Ausgestaltung von Lohn- und Arbeitsverhältnissen sowie
mit fördernden bzw. hemmenden Rahmenbedingungen der Branchen-
entwicklung. Denn ambulante soziale Dienste und die stationäre Lang-
zeitpflege sind personalintensiv. Ohne hinreichend qualifiziertes und mo-
tiviertes Personal können weder die notwendigen Pflege-, Betreuungs-
und Begleitungsleistungen in der dafür notwendigen Qualität erbracht,
noch die vorhandenen Perspektiven der Branchen- und Dienstleistungs-
entwicklung erschlossen werden.
    Zentrale Branchenakteure suchen gemeinsam mit der Politik derzeit
nach Strategien und Maßnahmen, die dazu beitragen können, die At-
traktivität des Berufsfeldes „Altenpflege“ für Auszubildende, Fach- und
Führungskräfte zu erhöhen. Vorliegende Prognosen gelangen zwar zu
unterschiedlichen quantitativen Einschätzungen hinsichtlich des künfti-
gen Arbeits- und Fachkräftebedarfs (u. a. DIP 2018; Neldner et al. 2017;
Flake et al. 2018). Gleichwohl ist den Studien eine Kernaussage ge-
meinsam: Es sind künftig enorme Anstrengungen notwendig, damit
selbst bei einer positiven Ausbildungs- und Beschäftigungstendenz per-
spektivisch der Arbeits- und Fachkräftebedarf in der professionellen Al-
tenpflege gedeckt werden kann.
    Die Rahmenbedingungen für eine flächendeckende Durchsetzung
von Aufwertungsansprüchen der Beschäftigten und für konkrete Aufwer-
tungsmaßnahmen für die Altenpflege waren selten so günstig wie der-
zeit. Es existiert ein „offenes Zeitfenster“ (Schildmann/Voss 2018), denn
die soziale ebenso wie die ökonomische Dringlichkeit einer arbeitspoliti-
schen Aufwertung der Altenpflege ist angesichts der „Dauerkrise in der
Pflege“ (Heintze 2018) jetzt kaum noch zu übersehen. Doch welcher
Weg ist der „richtige“ zur Aufwertung? Welche Rolle spielt die Verdienst-
situation? Und welche Handlungschancen und Stolpersteine liegen auf
dem Weg?
    Dass die Dringlichkeit einer Aufwertung von Pflegearbeit in der Politik
angekommen ist, zeigt unter anderem die Einberufung der „Konzertier-

2   So wird der künftige Investitionsbedarf in der Altenpflege bis zum Jahr 2030 auf bis
    zu 55 Milliarden Euro geschätzt (vgl. Evangelische Bank 2019).
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ten Aktion Pflege“. Ziel ist es „[…] den Arbeitsalltag und die Arbeitsbe-
dingungen von Pflegekräften spürbar zu verbessern, die Pflegekräfte zu
entlasten und die Ausbildung in der Pflege zu stärken.“ (BMG 2018)
Zentrale Themen sind Ausbildung und Qualifizierung, Arbeits- und Ge-
sundheitsschutz, Digitalisierung und Strategien zur Gewinnung von Ar-
beitskräften aus dem Ausland. Darüber hinaus stehen auch die Verbes-
serung der Lohnbedingungen und neue tarifpolitische Arrangements für
die Altenpflege auf der Agenda.
    Konkret geht es hierbei um die Einführung branchenweiter Mindest-
arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Grundlage dafür ist § 7a des Ar-
beitnehmerentsendegesetzes (AentG). Demnach können die Rechts-
normen eines Tarifvertrages auf eine Branche erstreckt werden, wenn
dies im öffentlichen Interesse zur Gewährleistung geboten erscheint, um
faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.
Dadurch sollen zugleich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
erhalten und die Ordnungs- und Befriedungsfunktion der Tarifautonomie
gewahrt werden (§ 1 AEntG). Insbesondere soll einem Verdrängungs-
wettbewerb über Lohnkosten entgegengewirkt werden (§ 7a, Abs. 1,
AEntG).
    Welche Argumente sprechen in einem Zugriff dafür, Löhne, Fach-
und Arbeitskräftesicherung und Perspektiven der Infrastruktur- und
Branchenentwicklung in der Altenpflege im Folgenden im Zusammen-
hang zu betrachten?
• Objektive und subjektiv wahrgenommene Lohngerechtigkeit als
    Determinanten von Arbeitszufriedenheit: Lohnflexibilität ist ein Pa-
    rameter zur Erklärung von Unterschieden in den Arbeitsbedingungen
    und in der Arbeitszufriedenheit von Beschäftigen. Häufig wird jedoch
    mit Blick auf die interaktiven Arbeitskontexte der Altenpflege argu-
    mentiert, dass die Verdienstsituation aufgrund des spezifischen Ar-
    beitstypus, der Mission und dem „Produkt“ von Einrichtungen in der
    Altenpflege lediglich einen untergeordneten Erklärungsbeitrag zur
    subjektiven Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten liefert. Arbeit in
    sozialen Dienstleistungsberufen ist strukturell unterbewertet (Klam-
    mer et al. 2018). Vorliegende Erkenntnisse zeigen zudem, dass die
    Verdienstsituation in Kombination mit verbesserten Arbeitsbedingun-
    gen und zusätzlichen Personalressourcen eine der zentralen Stell-
    schrauben für die subjektive Bereitschaft zur (Wieder-)Aufnahme ei-
    ner pflegerischen Tätigkeit in diesem Berufsfeld darstellt 3. Darüber
    hinaus hat der Lohn aus Sicht der Beschäftigten angesichts der Per-
    sonalknappheit auch eine kompensatorische Anreiz-Funktion und

3   https://hartmann.info/de-de/wissen-und-news/2/2/pflegecomeback;   aufgerufen   am
    25.03.2019
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  kann hierüber auch die Arbeitszufriedenheit beeinflussen (Schroeder
  2017: 151 ff.). Für andere Berufe konnte gezeigt werden, dass sich
  Leistungskomponenten (z. B. Anerkennung von Berufserfahrung,
  Kompetenzen) ebenso wie der Zugang zu Bildungsmaßnahmen und
  eine Tarifbindung insgesamt positiv auf die subjektive Gerechtigkeits-
  bewertung des Erwerbseinkommens und damit auch auf die Arbeits-
  zufriedenheit der Beschäftigten auswirken (Schneider 2018). Der
  Etablierung neuer Laufbahnoptionen mit entsprechenden Ent-
  geltstrukturen wird auch aus Sicht der Arbeit- und Dienstgeber für ei-
  ne zukunftsfähige Personalpolitik in der Altenpflege ein hoher Stel-
  lenwert eingeräumt (Fachinger/Blum 2016).
• Fragmentierte Arbeitsbeziehungen und Varianz von Lohn- und
  Arbeitsverhältnissen: Die historisch gewachsene Anbieterland-
  schaft mit öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Anbietern in
  der Altenpflege spiegelt sich in einer ausdifferenzierten Arbeit- und
  Dienstgeberverbändestruktur mit unterschiedlichen Programmatiken,
  fragmentierten arbeits- und tarifrechtlichen Institutionen und Normen
  sowie in vielfältigen regionalen Verhandlungsarenen für Entgelte und
  Arbeitsbedingungen wider. Hinzu kommt, dass sich Träger der Freien
  Wohlfahrtspflege einerseits von gewerblichen – auf Gewinnerzielung
  ausgerichteten – und andererseits von öffentlichen Trägern unter-
  scheiden 4. Damit existieren besondere strukturelle, institutionelle und
  auch prozedurale Rahmenbedingungen, die die Etablierung flächen-
  deckender arbeitspolitischer Standards in der Altenpflege bis heute
  erschweren 5. Diese werden in der Altenpflege im „Ersten Weg“ (ein-
  seitige Festlegung durch den Arbeitgeber), im „Zweiten Weg“ (Tarif-
  verhandlung) sowie im „Dritten Weg“ des kirchlichen Arbeitsrechts in
  Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt. Im Ergebnis kommen

4   Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege sind in wirtschaftlichen Tätigkeiten steuer-
    lich als Zweckbetrieb begünstigt. Um diese Einstufung allerdings zu erhalten, muss
    die Einrichtung eine Reihe von besonderen Anforderungen bezüglich der erbrachten
    Leistungen, der Zielgruppe und der Gewinnerzielung erfüllen. Eine Einrichtung der
    Wohlfahrtspflege ist ein besonderer Zweckbetrieb nach § 66 Abgabenordnung (AO).
    Wohlfahrtspflege ist „die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des
    Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen“
    (§ 65 AO). Diese Hilfe darf „nicht des Erwerbs wegen“ ausgeübt werden. Der Zweck-
    betrieb darf also nicht der dauerhaften Gewinnerzielung dienen. Ein buchhalterischer
    Gewinn ist damit nicht ausgeschlossen, soweit die Gewinne für Modernisierungen
    oder Betriebserweiterungen verwendet werden.
5   Denn mit Einführung der Pflegeversicherung 1995 hielten zwar neue Akteure, Leis-
    tungsstrukturen und Refinanzierungslogiken Einzug in die Altenpflege. Diese versor-
    gungspolitische Transformation wurde jedoch nicht durch eine Anpassung und Wei-
    terentwicklung arbeitspolitischer Steuerungs- und Regulierungskapazitäten im Sys-
    tem der Arbeitsbeziehungen begleitet. In der Folge führte der neue Erbringungskor-
    poratismus in ein fragmentiertes und des-integriertes Feld von Regelungen für Löhne
    und Arbeitsbedingungen (Evans 2016; 2018).
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  derzeit in der Altenpflege klassische Tarifverträge, Arbeitsvertrags-
  richtlinien (AVR), Arbeitsvertragsbedingungen (AVB), kirchengemäße
  Tarifverträge und neuerdings auch die AVR des Arbeitgeberverban-
  des des BPA – Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste
  e. V. zur Anwendung. Vorliegende Studien haben die Varianzen in
  den Arbeitsbedingungen und Verdiensten in der Altenpflege aufge-
  zeigt (u. a.; Schildmann/Voss 2018; Evans 2016; Hipp/Kelle 2015;
  Bogai et al. 2015; Bispinck et al. 2013). Dabei wurde auch deutlich,
  dass nicht allgemein von den Arbeitsbedingungen und den Verdiens-
  ten in der Pflege gesprochen werden kann. Vielmehr gilt es, berufs-
  feldspezifische Unterschiede in den Blick zu nehmen.
• Hohe trägerspezifische Unterschiede in der Tarifbindung: Rund
  37 Prozent der stationären Pflegeeinrichtungen und 59 Prozent der
  ambulanten Dienste entlohnen ihre festangestellten Mitarbeiter/-innen
  nach eigenen Angaben derzeit nicht auf Basis eines Tarifvertrages.
  Während nur 17 Prozent (ambulant) bzw. 23 Prozent (stationär) der
  privaten Einrichtungen auf Basis eigener Angaben nach einem Tarif-
  vertrag entlohnen 6, sind es in freigemeinnütziger Trägerschaft
  80 Prozent (ambulant) bzw. 89 Prozent (stationär) (TNS Infratest
  2017: 213, 330). Hierbei handelt es sich sowohl um Tarifverträge im
  klassischen Sinne als auch um sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien
  (AVR), Arbeitsvertragsbedingungen (AVB) oder in quantitativ geringe-
  rem Umfang um kirchengemäße Tarifverträge. Während freigemein-
  nützige Träger eher einen Verbandstarifvertrag als einen Haustarif-
  vertrag anwenden, werden in Einrichtungen in privater Trägerschaft
  die Beschäftigten – sofern eine Tarifbindung existiert – eher nach ei-
  nem Haustarifvertrag entlohnt (TNS Infratest 2017) 7.

6   Kleinräumige Analysen zur Träger- und Marktstruktur im Pflegesektor zeigen, dass in
    nahezu allen Regionen in Deutschland private Träger in relevantem Umfang in der
    Altenpflege aktiv sind. In nahezu allen Regierungsbezirken sind ambulante Pflege-
    dienste zu mindestens der Hälfe in privater Trägerschaft. Für stationäre Pflegeein-
    richtungen weisen private Träger insbesondere in Schleswig-Holstein, Hamburg und
    Berlin sowie in Teilen Niedersachsens die höchsten Marktanteile über 50 % auf. Und
    auch in Teilregionen Hessens, in der Weser-Ems-Region oder in Sachsen-Anhalt
    sind sie mit Marktanteilen zwischen 40–50 Prozent vertreten (Rothgang et al. 2015).
    Gleichzeitig fallen die Mitarbeiter/-innen bei privaten Anbietern deutlich seltener unter
    den Geltungsbereich eines Verbands- oder Haustarifvertrags (TNS Infratest Sozial-
    forschung 2017).
7   Zur Tarifbindung siehe auch Kohaut (2018); Schneider/Vogel (2018). Auf Basis vor-
    liegender Daten ist allerdings unklar, wie sich die Differenzierung von Tarifbindung
    und Tarifanwendung einerseits und die Anwendung betrieblicher Öffnungsklauseln
    andererseits derzeit in der Altenpflege auswirken.
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 15

•   Konflikt zwischen Lohnzuwächsen der Beschäftigten und Le-
    bensverhältnissen der Pflegebedürftigen: Steigende Verdienste
    der Beschäftigten müssen im derzeitigen Finanzierungssystem der
    Sozialen Pflegeversicherung in der stationären Langzeitpflege letzt-
    lich auch über höhere einrichtungseinheitliche Eigenbeteiligungen der
    Pflegeversicherten gegenfinanziert werden. Denn die Beiträge der
    Pflegeversicherung zu den Pflegekosten sind gedeckelt. Damit gera-
    ten potenzielle Verdienstzuwächse der Beschäftigten, ihre Teilhabe
    an der wirtschaftlichen Entwicklung der Dienstleistungsbranche Al-
    tenpflege und die Einkommens- und Lebensverhältnisse der Pflege-
    versicherten in Konflikt. Lohnerhöhungen führen im derzeitigen Sys-
    tem der Pflegeversicherung zu monatlichen Mehrbelastungen der
    Pflegeversicherten und der Kommunen (SGB XII) zwischen 500 bis
    700 Euro, ohne dass dies bislang mit einer deutlichen Verbesserung
    der Pflegequalität einherging (Deutscher Bundestag 2018).

Abbildung 3: Beschäftigung von Alltagsbegleitern und Betreuungskräften
(83142) in der Altenpflege und Entwicklung 2012–2017

Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene
Berechnung und Darstellung
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 16

•   Berufspolitische Abwertung trotz steigender fachlicher Anforde-
    rungen: Im Zuge der Pflegeberufereform wurde ein Sonderweg für
    die Altenpflege beschlossen. Für den eigenständigen Abschluss
    zur/zum examinierten Altenpfleger/-in wurde ein Kompetenzniveau
    definiert, das nicht mehr dem eines Heilberufs entspricht und das im
    Widerspruch zu den Ausbildungszielen gemäß § 5 Pflegeberufege-
    setz (PflBG) steht. Die Altenpflege ist jedoch ein überaus anspruchs-
    volles Berufsfeld im berufsstrukturellen Wandel, wobei auch geringer
    qualifizierte und spezialisierte Betreuungs- und Assistenzberufe in
    den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen haben (vgl.
    Abbildung 3). In der Praxis zeigt sich, dass sich die berufsfachlichen
    Anforderungen in der Altenpflege den Anforderungen in der stationä-
    ren Akutversorgung in Krankenhäusern annähern. Die Ursachen hier-
    für liegen u. a. in verkürzten Verweildauern der Bewohnerinnen und
    Bewohner in der stationären Langzeitpflege und in betreuungsinten-
    siveren Care-Phasen mit komplexeren Versorgungsherausforderun-
    gen durch multimorbide und chronische Krankheitsbilder. Dies stellt
    die Beschäftigten vor neue und erweiterte Herausforderungen. Dies
    betrifft die einrichtungs- und sektorübergreifende Koordination von
    Leistungen, die intra- und interprofessionelle Kooperation in der Ver-
    sorgung sowie die Organisation des fallbezogenen Zusammenspiels
    von professionell Pflegenden, Pflegebedürftigen und ihrer Angehöri-
    gen.

Es spricht viel dafür, dass angesichts des demographischen Wandels
künftig altenpflegespezifische Kompetenzen und Qualifikationen noch
stärker benötigt werden. Dies gilt nicht nur für Einrichtungen und Dienste
der Altenpflege selbst, sondern auch für die Sicherung und Entwicklung
regionaler gesundheits- und pflegebezogener Dienstleistungssysteme.
Vor dem Hintergrund der skizzierten Zusammenhänge ist es notwendig,
die Ausgestaltung von Löhnen und Arbeitsbedingungen und die künfti-
gen Herausforderungen der Beschäftigungs- und Branchenentwicklung
für die Altenpflege integriert zu betrachten.
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 17

2. Zielsetzung und leitende
Fragestellungen
Der vorliegende Beitrag widmet sich im Folgenden der gegenwärtigen
Lohnsituation unter Rückgriff auf die Tarifstrukturen in der Branche Al-
tenpflege. Er schließt damit an vorliegende Veröffentlichungen zu dieser
Thematik an (u. a. Seibert/Carstensen/Wiethölter 2018; Bren-
ke/Schlaak/Ringwald 2018; Bogai et al. 2015; Hipp/Kelle 2015; Bispinck
et al. 2013). Mit Blick auf die Bedeutung von Löhnen und Verdiensten für
Aufwertungsstrategien in der Altenpflege sind folgende Dimensionen mit
ihren korrespondierenden Fragestellungen zu unterscheiden:
• Normative Dimension: Was ist der Gesellschaft Arbeit in der Alten-
   pflege wert? Was wären mit Blick auf die gesellschaftliche und wert-
   schöpfende Leistung der Beschäftigten angemessene und erwartbare
   Verdienste?
• Deskriptive Dimension: Was wird in der Altenpflege tatsächlich ver-
   dient? Welche Referenzen sind geeignet, die Verdienstverhältnisse
   der Beschäftigten in der Altenpflege abzubilden?
• Pragmatische Dimension: Sind die derzeitigen tarif- und lohnpoliti-
   schen Rahmenbedingungen hinreichend, um über Verdienste und
   Arbeitsstandards die künftige Beschäftigung in der Altenpflege flä-
   chendeckend abzusichern, die Gleichwertigkeit der Verdienst- und
   Arbeitsverhältnisse zu befördern und die Branchenentwicklung zu un-
   terstützen?
• Regulatorische Dimension: Welche Rahmenbedingungen sind ange-
   sichts der sich gegenwärtig abzeichnenden Entwicklungen notwen-
   dig, damit die Lohn- und Tarifpolitik in der Altenpflege einen nachhal-
   tigen Beitrag zur Beschäftigungs- und Branchenentwicklung sowie
   zur Vermeidung von Lohnkonkurrenzen leisten kann?

Der Beitrag fokussiert gegenwärtige und künftige Herausforderungen
der Tarif- und Lohnpolitik in der Altenpflege. Es wird erstens argumen-
tiert, dass in der gegenwärtigen Debatte um Verdienste in der Altenpfle-
ge stärker zwischen dem Lohnniveau, der Lohndynamik und der Lohn-
verteilung unterschieden werden muss. Damit rückt zweitens die relative
Positionierung der Verdienste in Altenpflege a) im Verhältnis zur Ver-
dienstsituation der Berufe insgesamt und b) im Verhältnis zur Verdienst-
situation innerhalb der Pflegeberufe in den Mittelpunkt. Denn erst diese
Unterscheidung öffnet drittens den argumentativen Raum für die not-
wendige Perspektiverweiterung in Richtung einer branchenbezogenen
Lohn- und Tarifpolitik. Dementsprechend werden folgende Dimensionen
unterschieden:
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 18

• Dimension des Lohnniveaus: Die Dimension des Lohnniveaus setzt
  die Lohnsituation in einem ausgewählten Beruf, einer Berufsgruppe
  oder Berufsgattung in Relation zur allgemeinen Lohnsituation oder zu
  ausgewählten Vergleichsberufen.
• Dimension der Lohndynamik: Diese zielt auf die Entwicklung der
  Löhne von Beschäftigten in ausgewählten Berufen, Berufsgruppen
  oder Berufsgattungen nach Qualifikationsniveau, Einsatzfeldern und
  Beschäftigungsverhältnissen im Zeitverlauf.
• Dimension der Lohnverteilung: Diese fokussiert die Verteilung der re-
  alisierten Löhne in einem Berufsfeld zwischen den Arbeitnehmer/-
  innen. Die Verdienstverteilung kann Auskunft über die Lohnspreizung
  geben und zeigt Differenzen zwischen Gering- und Gutverdienern in
  einem Berufsfeld auf.
• Dimension trägerspezifischer Entgeltordnungen: In Entgeltordnungen
  werden Merkmale für die Eingruppierung und Einstufung von Be-
  schäftigten festgelegt. Diese bilden dann die Grundlage für die zu
  zahlenden Löhne. Vereinbarungen über Entgeltordnungen werden
  üblicherweise von den Tarifvertragsparteien getroffen. Diese enthal-
  ten u. a. Eingruppierungsmerkmale, Stufen- und Aufstiegsregelun-
  gen, Arbeitszeiten, Schichtzulagen, Sonderleistungen und auch be-
  triebliche Zusatzleistungen (z. B. Altersvorsorge). Entgeltordnungen
  können je nach Träger sehr unterschiedlich verfasst sein.

Daten der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) er-
lauben es, Verdienste von Beschäftigten nach unterschiedlichen Beru-
fen, Qualifikationsniveaus und (teil-)branchenspezifischen Tätigkeitsfel-
dern aufzugliedern (s. für die Pflegeberufe Bogai et al. 2015: 21). Für die
vorliegende Publikation wurde darüber hinaus eine Sonderauswertung
zur Verdienstverteilung (Quintilswerte) auf Grundlage der Beschäftigten-
statistik vorgenommen. Als weitere Datengrundlagen wurden geltende
Entgeltordnungen der Trägerverbände sowie Daten der Statistik zur Ar-
beitnehmerüberlassung (ANÜ) der Bundesagentur für Arbeit in der Ana-
lyse berücksichtigt.
   Letzteres erfolgte mit Blick auf die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt
für Pflegeberufe wesentlich auch durch die potenzielle Alternative „Leih-
arbeit“ strukturiert wird. Aus Sicht der Beschäftigten bestehen die zuge-
schriebenen Vorteile von Leiharbeit u. a. darin, dass diese eine Brücke
in den Arbeitsmarkt eröffnet und sie einen Einrichtungs- und Tätigkeits-
check ermöglicht, d. h. sie bringt zunächst den Vorteil einer nicht dauer-
haften Bindung an einen Arbeitgeber mit sich. Darüber hinaus nutzen
die Leiharbeitnehmer/-innen in der Pflege sie auch als Flexibilisierungs-
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 19

instrument mit Blick auf ihre eigenen Tätigkeits- und Zeitbedürfnisse
(Bräutigam et al. 2010).
    Ergänzt wurde das Vorgehen durch eine Literatur- und Dokumen-
tenanalyse sowie durch qualitative problemzentrierte Interviews mit Ar-
beitgeber- und Arbeitnehmervertreter/-innen in der Altenpflege. Der Fo-
kus lag hier insbesondere auf den künftigen Herausforderungen der Ta-
rif- und Lohnpolitik in der Altenpflege.
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 20

3. Altenpflege im Umbruch:
Lohnniveau, Lohnentwicklung
und Lohnverteilung
Nachfolgend wird ein differenzierter Überblick zu Löhnen, Lohnniveau,
Lohnentwicklung und zur Lohnverteilung in der Altenpflege gegeben. Es
werden Entwicklungstendenzen in der Altenpflege nachvollzogen, die
sich gegenwärtig im Spannungsfeld von Aufwertung, Polarisierung und
Abwertung bewegen (Kapitel 3). Es werden Argumente dafür geliefert,
warum auf Basis der Ergebnisse die Tarif- und Lohnpolitik in der Alten-
pflege derzeit an einem neuen Punkt steht (Kapitel 4). Die Altenpflege
steht vor einer Richtungsentscheidung: Denn die Verbesserung der Ver-
dienstsituation der Pflegeberufe in der Altenpflege und ihrer relativen
Position im (pflegebezogenen) Lohngefüge sind, so wird aufgezeigt, an-
gesichts des Wandels pflegebezogener Arbeitsmärkte und künftiger
Herausforderungen der Branchenentwicklung dringend notwendig (Kapi-
tel 5).

  Methodische Hinweise
  Grundlage der nachfolgenden Ausführungen sind Daten der Be-
  schäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diese er-
  lauben es, die Verdienste der Pflegekräfte auf 5-Steller-Ebene
  (Berufsgattungen) nach unterschiedlichen Einrichtungstypen (am-
  bulant und stationär) und unterschiedlichen räumlichen Bezugs-
  punkten aufzugliedern (vgl. Bogai et al. 2015: 21). Die ausgewerte-
  ten Daten sind damit relativ zielgenau. Verwendet werden die fol-
  genden 5-Steller der Klassifikation der Berufe (KldB 2010): 82102
  (Altenpflege (o. S.) – Fachkraft), 81302 (Gesundheits- und Kran-
  kenpflege (o. S.) – Fachkraft), 82101 (Altenpflege (o. S.) – Hel-
  fer/-in) und 81301 (Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Hel-
  fer/-in). Im Kapitel 3.3 „Lohnverteilung“ wird außerdem zwischen
  den verschiedenen Einsatzorten der Pflegekräfte unterschieden.
  Hierzu wird die Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008)
  herangezogen. Betrachtet werden die sechs WZ-5-Steller, auf die
  die meisten Beschäftigten aus den oben genannten KldB-5-
  Stellern entfallen. Zu bedenken ist, dass sich die hier verwendeten
  Daten ausschließlich auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitkräf-
  te beziehen können, da in der BA-Statistik für Teilzeitbeschäftigte
  nicht erhoben wird, in welchem Stundenumfang sie arbeiten. Ihre
  Verdienste können somit nicht sinnvoll in eine vergleichende Ana-
  lyse einbezogen werden. Die Aussagen auf Grundlage der nach-
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 21

  folgend verwendeten Beschäftigungsstatistik beziehen sich also
  nur auf diejenigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten,
  die in Vollzeit arbeiten. Pflegekräfte in Heimen und ambulanten
  Diensten arbeiten jedoch zu 57 Prozent in Teilzeit. Bei dem in der
  BA-Statistik verwendeten Bruttomonatsentgelt handelt es sich um
  das Arbeitsentgelt vor Abzug von Steuern und Sozialversiche-
  rungsbeiträgen. Dazu gehören u. a. auch Urlaubs- und Weih-
  nachtsgelder sowie Zulagen und Zuschläge.

Bevor wir einen vertiefenden Blick auf das relative Niveau der Löhne
(Kapitel 3.1), ihre Entwicklung zwischen 2012 und 2017 (Kapitel 3.2)
sowie auf ihre Verteilung (Kapitel 3.3) werfen, werden im Folgenden
zunächst die Bruttomedianverdienste der Pflege-Fach- und Hilfskräfte
für das Jahr 2017 ausgewiesen (Abbildung 4). Der Median ist der mittle-
re Wert einer Verteilung. Das heißt, es gibt genauso viele Beschäftigte,
die weniger verdienen, wie Beschäftigte, die mehr verdienen als den
ausgewiesenen Medianwert. Er ist nicht zu verwechseln mit dem arith-
metischen Mittel, dem sogenannten Durchschnitt einer Verteilung.
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 22

Abbildung 4: Bruttomedianverdienste Altenpflege (o. S.) – Fachkraft und
Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Fachkraft nach
Bundesländern (2017)

* aus statistischen Gründen können keine Angaben gemacht werden
Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene
Berechnung und Darstellung

• Der Bruttomedianverdienst einer Altenpflege-Fachkraft beträgt im
  Bundesdurchschnitt 2.744 Euro. Eine Fachkraft in der Gesundheits-
  und Krankenpflege verdient hingegen 3.337 Euro. Bundesweit liegen
  die Löhne von Altenpflege-Fachkräften unter den Verdiensten von
  Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräften.
• Der Unterschied der Bruttomedianverdienste im Vergleich der ost-
  deutschen und westdeutschen Bundesländer insgesamt beträgt für
  die Altenpflege-Fachkräfte rund 500 Euro. Es wird deutlich, dass die
  Löhne zwischen den Bundeländern so stark variieren (bis zu
  900 Euro), dass man nicht sinnvoll von dem Median-Lohn sprechen
  kann, sondern mindestens zwischen den östlichen und den westli-
  chen Bundesländern unterscheiden muss.
• Die Löhne von Altenpflege-Fachkräften reichen auf Länderebene von
  2.136 Euro (Sachsen-Anhalt) bis 3.036 Euro (Baden-Württemberg).
  Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräfte verdienen zwischen
  2.882 Euro (Mecklenburg-Vorpommern) und 3.596 Euro (Saarland).
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 23

  Hier zeigt sich nicht nur ein West-Ost-Gefälle, sondern auch inner-
  halb der ost- bzw. westdeutschen Bundesländer insgesamt gibt es in
  den realisierten Bruttomedianverdiensten erhebliche Unterschiede.
• Vergleicht man die Löhne von Altenpflege-Fachkräften und Gesund-
  heits- und Krankenpflege-Fachkräften in den einzelnen Bundeslän-
  dern, so beträgt die Differenz zwischen 409 Euro (Bayern) und
  875 Euro (Sachsen-Anhalt). Legt man eine wöchentliche Arbeitszeit
  von 39,5 Stunden zugrunde, dann müssten Fachkräfte der Altenpfle-
  ge je nach Bundesland zwischen 30 und 64 Stunden mehr arbeiten,
  um die Löhne einer Fachkraft in der Gesundheits- und Krankenpflege
  zu erzielen.
• Insbesondere in jenen Bundesländern, die über relativ hohe Ver-
  dienstunterschiede zwischen Altenpflege-Fachkräften und Gesund-
  heits- und Krankenpflege-Fachkräften verfügen (Sachsen-Anhalt,
  Sachsen, Saarland, Niedersachsen), ist künftig von einem verstärkten
  lohnbezogenen Fachkräftewettbewerb zwischen Einrichtungen der
  Altenpflege und den Krankenhäusern auszugehen.

Im nächsten Schritt gehen wir auf die aktuelle Verdienstsituation nun der
Altenpflege-Helfer/-innen der Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer/-
innen, ein (Abbildung 5).
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 24

Abbildung 5: Bruttomedianverdienste Altenpflege (o. S.) – Helfer/-in und
Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Helfer/-in nach
Bundesländern (2017)

* aus statistischen Gründen können keine Angaben gemacht werden
Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene
Berechnung und Darstellung;

• Abbildung 5 zeigt die Verdienstsituation auf Basis der Bruttomedian-
  verdienste (2017) für die Helferberufe in der Pflege. Parallel zu den
  Löhnen der Fachkräfte liegen die Löhne von Altenpflege-Helfer/-innen
  bundesweit ebenfalls unter den Löhnen von Gesundheits- und Kran-
  kenpflege-Helfer/-innen. Im Bundesdurchschnitt verdient ein/e Alten-
  pflege-Helfer/in 1.944 Euro, ein/e Gesundheits- und Krankenpflege-
  Helferin erzielt hingegen einen Verdienst von 2.502 Euro.
• Die berufsgruppenspezifischen Differenzen zwischen den Verdiens-
  ten von Altenpflege-Helfer/-innen und Gesundheits- und Krankenpfle-
  ge-Helfer/-innen auf Länderebene betragen zwischen 155 Euro
  (Mecklenburg-Vorpommern) und 925 Euro (Rheinland-Pfalz). Hier
  zeigt sich, dass die berufsgruppenspezifischen Verdienstunterschiede
  der Helfer/-innen in der Spitze höher ausfallen als bei den Fachkräf-
  ten. In Baden-Württemberg und Bayern sind die Differenzen bei den
  Helferberufen zudem höher als bei den Fachkraftberufen, während in
  den anderen Bundesländern bei den Fachkräften insgesamt höhere
  Lohnvarianzen erzielt werden.
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 25

Wie stellt sich die Situation dar, wenn die Verdienstsituation von Alten-
pflege-Fachkräften und Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer/-innen
miteinander verglichen werden? Hierbei handelt es sich um zwei unter-
schiedliche Qualifikationsniveaus und es wäre zu erwarten, dass Alten-
pflege-Fachkräfte gegenüber Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer/-
innen deutlich höhere Verdienste erzielen (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: Vergleich der Bruttomedianverdienste Altenpflege (o. S.) –
Fachkraft und Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Helfer/-in nach
Bundesländern (2017)

* aus statistischen Gründen können keine Angaben gemacht werden
Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene
Berechnung und Darstellung;

•   Abbildung 6 setzt nun die Löhne von Altenpflege-Fachkräften in Rela-
    tion zu den Löhnen von Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer/-
    innen. Dabei zeigt sich, dass in Sachsen-Anhalt (2.136 Euro) und
    Rheinland-Pfalz (2.850 Euro) die Löhne von Altenpflege-Fachkräften
    sogar unterhalb der Löhne von Gesundheits- und Krankenpflege-
    Helfer/-innen (2.255 bzw. 2.894 Euro) liegen. Und in Nordrhein-
    Westfalen (siehe Abbildung 5) verdienen Altenpflege-Helfer/-innen
    (2.215 Euro) trotz des niedrigeren Qualifikationsniveaus sogar mehr
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 26

  als Altenpflege-Fachkräfte in Sachsen-Anhalt (2.136 Euro) oder
  Sachsen (2.203 Euro).
• Als Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer/-in wird in Rheinland-
  Pfalz (2.894 Euro) ein Verdienst erzielt, der den Lohn einer Altenpfle-
  ge-Fachkraft in den west- und ostdeutschen Bundesländern sowie in
  den meisten Bundesländern sogar übertrifft.
• Insbesondere in den Bundesländern Niedersachsen (+165 Euro),
  Hamburg (+172 Euro) und Nordrhein-Westfalen (+194 Euro) fallen
  die Verdienstabstände zwischen Altenpflege-Fachkräften und Ge-
  sundheits- und Krankenpflege-Helfer/-innen trotz des unterschiedli-
  chen Qualifikationsniveaus zudem eher marginal aus.

Die Frage, was man in der Altenpflege verdient, ist auf den ersten Blick
unter Rückgriff auf den Bruttomedianverdienst schnell und einfach be-
antwortet. Doch bereits der zweite Blick auf die unterschiedlichen Quali-
fikationen und die einzelnen Bundesländer weist darauf hin, dass es sich
lohnt, eine differenziertere Perspektive einzunehmen. Im Folgenden
werden deshalb das relative Niveau der Löhne, die Entwicklung der
Löhne im Zeitverlauf der letzten fünf Jahre sowie die Verteilung der Löh-
ne ausführlicher beleuchtet. Außerdem betrachten wir im Anschluss
Löhne auf Basis von Entgeltordnungen (Tarifverträge, Arbeitsvertrags-
richtlinien, Arbeitsvertragsbedingungen) sowie die Verdienste, die Alten-
pfleger/-innen (Fachkräfte und Helfer/-innen) derzeit in der Arbeitneh-
merüberlassung erzielen.

3.1 Lohnniveau
Wie sind nun die oben genannten Zahlen im allgemeinen Lohngefüge zu
verorten? Wir nähern uns dieser Frage, indem wir die Löhne der Pflege-
berufe ins Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttomedianverdienst aller
Berufe setzen (Abbildung 7). Denn der Bruttomedianverdienst für sich
lässt noch keine Aussagen zur relativen Positionierung der betrachteten
Pflegeberufe im Verdienstgefüge insgesamt und im Vergleich der be-
trachteten Pflegeberufe zu. Der erzielte Bruttomedianverdienst aller Be-
rufe auf Bundes- und Länderebene wird dabei als 100 Prozent gesetzt.
Die Zahlenwerte für die Pflegeberufe spiegeln also wider, wie viel Pro-
zent dieses allgemeinen Bruttomedianverdienstes die jeweilige Berufs-
gruppe erreicht. Die Säulen stehen für die Werte in den einzelnen Bun-
desländern, d. h. hier bildet der Bruttomedianverdienst berechnet über
alle Berufe in dem jeweiligen Bundesland die Basis. Die gestrichelten
Linien stehen für die jeweiligen Vergleichswerte im Bundesdurchschnitt.
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 27

•   Im Bundesdurchschnitt (obere gestrichelte Linie) erreichen Gesund-
    heits- und Krankenpflege-Fachkräfte 104,0 Prozent des allgemeinen
    Bruttomedianlohns, Altenpflege-Fachkräfte liegen hingegen mit ledig-
    lich 85,5 Prozent deutlich darunter (untere gestrichelte Linie).

Abbildung 7: Lohnniveau Altenpflege (o. S.) – Fachkraft und
Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Fachkraft nach
Bundesländern (2017)

* aus statistischen Gründen können keine Angaben gemacht werden
Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene
Berechnung und Darstellung

•   Die Säulen zeigen, dass die Werte in den einzelnen Bundesländern,
    je nach länderspezifischem Lohnniveau, teilweise deutlich von die-
    sem Durchschnittswert abweichen. Sie reichen von 92,5 Prozent
    (Hamburg) bis 125,7 Prozent (Thüringen) für die Gesundheits- und
    Krankenpflege-Fachkräfte. Die entsprechenden Werte für die Alten-
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 28

  pflege-Fachkräfte reichen von 78,3 Prozent (Hessen) bis
  97,2 Prozent (Brandenburg).
• Deutlich wird, dass das Verdienstniveau der Gesundheits- und Kran-
  kenpflege-Fachkräfte in allen Bundesländern über dem Verdienstni-
  veau der Altenpflege-Fachkräfte liegt. Im Verhältnis zum Verdienst al-
  ler Berufe liegen die Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräfte zu-
  dem größtenteils über 100 Prozent. Lediglich in drei Bundesländern,
  die über ein relativ hohes Lohnniveau gemessen über alle Berufe ver-
  fügen (Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg), wird ein leicht unter-
  durchschnittliches Lohnniveau realisiert. Das Verdienstniveau von Al-
  tenpflege-Fachkräften liegt hingegen in allen Bundesländern unter
  dem ausgewiesenen Lohnniveau über alle Berufe.

Wie stellt sich die Situation für die Altenpflege-Helfer/-innen und Ge-
sundheits- und Krankenpflege-Helfer/-innen dar?

Abbildung 8: Lohnniveau Altenpflege (o. S.) – Helfer/-in und
Gesundheits- und Krankenpflege (o. S.) – Helfer/-in nach
Bundesländern (2017)

* aus statistischen Gründen können keine Angaben gemacht werden
EVANS/LUDWIG: ZWISCHEN AUFWERTUNG, ABWERTUNG UND POLARISIERUNG | 29

Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, eigene
Berechnung und Darstellung;
• Abbildung 8 entspricht der oben erläuterten Darstellung und bildet
  nun das Verdienstniveau der Hilfskräfte ab. Auch hier liegt das Ver-
  dienstniveau der Altenpflege-Helfer/-innen unter dem Verdienstniveau
  der Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer/-innen. Gesundheits- und
  Krankenpflege-Helfer/-innen verdienen zwischen 69,1 Prozent (Ber-
  lin) und 91,0 Prozent (Rheinland-Pfalz) gemessen am Verdienstni-
  veau aller Berufe. Altenpflege-Helfer/-innen erzielen hingegen Ver-
  dienste in Höhe von 56,4 Prozent (Hessen) bis 71,1 Prozent (Meck-
  lenburg-Vorpommern) des jeweiligen Landeslohniveaus.
• Vergleicht man Abbildung 7 und Abbildung 8 zeigt sich, dass die Ver-
  teilung der relativen Bruttomedianverdienste der Hilfskräfte auf gerin-
  gerem Niveau in etwa mit der Verteilung der Bruttomedianverdienste
  der Fachkräfte übereinstimmt. Dies gilt insbesondere für die Berufe in
  der Altenpflege, während die Verteilung der Löhne der Gesundheits-
  und Krankenpflege-Helfer/-innen sich nicht so eindeutig an den Löh-
  nen der Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräfte orientieren. Auf-
  fällig ist das Verdienstniveau der Krankenpflege-Helfer/-innen in
  Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt: Sie liegen höher als diejenigen
  der Altenpflege-Fachkräfte im jeweiligen Bundesland.

Insgesamt zeigen sich also deutliche Unterschiede im Lohnniveau für
die betrachteten Pflegeberufe. Dies wird auch deutlich, wenn man die
absoluten Werte der Bruttomedianverdienste in den einzelnen Bundes-
ländern betrachtet (Abbildung 4 und Abbildung 5). Die große Varianz der
Bruttomedianverdienste wird ohne den Bezug zum Lohnniveau in der
Regel damit erklärt, dass sich die Preis- und Lebenshaltungskostenni-
veaus in den einzelnen Bundesländern unterscheiden, und nicht näher
beleuchtet. Die hier präsentierten Zahlen erweitern die Perspektive um
die relative Positionierung der betrachteten Pflegeberufe im Verdienstni-
veau insgesamt:
• Insbesondere die deutlichen Lohndifferenzen zwischen der Gesund-
   heits- und Krankenpflege und der Altenpflege, wie auch die z. T. ge-
   ringen Verdienstabstände zwischen den betrachteten Qualifikations-
   niveaus (Altenpflege-Fachkräfte und Gesundheits- und Krankenpfle-
   ge-Helfer/-innen) sind mit Blick auf konkurrenzfähige Verdienste für
   die Branchenentwicklung in der Altenpflege problematisch.
• Die abweichenden Lohnniveauwerte in den Bundesländern legen den
   Schluss nahe, dass sich die Verdienste in der Altenpflege unter den
   gegebenen Regulierungsmustern nicht ohne weiteres an der Entwick-
   lung des Lohnniveaus insgesamt im jeweiligen Bundesland orientie-
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