Gute Ganztagsschule für alle - Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030 - Bertelsmann Stiftung

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Gute Ganztagsschule für alle - Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030 - Bertelsmann Stiftung
Gute Ganztagsschule für alle
 Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen
Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030
              Klaus Klemm und Dirk Zorn
Gute Ganztagsschule für alle - Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030 - Bertelsmann Stiftung
Gute Ganztagsschule für alle - Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030 - Bertelsmann Stiftung
Gute Ganztagsschule für alle
 Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen
Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030
              Klaus Klemm und Dirk Zorn


Inhalt

Vorwort                                                                                     6

Zentrale Ergebnisse auf einen Blick                                                         8

Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030   11

1| Ganztagsschulen in Deutschland: Zum Ausbaustand im Schuljahr 2015/2016                  12

2| Der Rückblick: Die Jahre des Ausbaus von 2002/2003 bis 2015/2016                        13

3|	Der Ausblick: Stark steigende Schülerzahlen bis zum Schuljahr 2030/2031                13

4|	Mehr Ausgaben für mehr Schule                                                          14

   Primarstufe                                                                             16

   Sekundarstufe I                                                                         18

   Förderschulen                                                                           21

   Zusammengefasste Mehrausgaben für ein Ganztagsschulsystem                               23

5|	Ganztagsausbau und steigende Schülerzahlen:                                            25
    Was heißt das für den Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften?

6| Fazit                                                                                   28

Tabellenanhang                                                                             30
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                        Vorwort

                        Bundesweite Offensive für gute Ganztagsschulen

                        Vor fünf Jahren haben wir eine Studie von Prof. Dr. Klaus Klemm zu den Kosten eines flächendeckenden Aus-
                        baus gebundener Ganztagsschulen bis zum Jahr 2020 vorgelegt. Jetzt liegt das Jahr 2020 in naher Zukunft, die
                        Ganztagstagschule für alle aber noch in weiter Ferne. Außerdem haben veränderte Rahmenbedingungen eine
                        Neuberechnung erforderlich gemacht. Ging die Studie aus dem Jahr 2012 noch von einem weiteren Rückgang
                        der Schülerzahlen aus, so ist heute nach fünf Jahren steigender Geburtenzahlen und verstärkter Zuwanderung
                        mit einem neuen Schülerboom zu rechnen.

                        Klaus Klemm und Dirk Zorn haben im Auftrag der Bertelsmann Stiftung dazu im Sommer 2017 eine Studie vor-
                        gelegt, die einen Perspektivwechsel einfordert und breite Resonanz erzeugt hat: Wir können nicht länger von
                        einer „demographischen Rendite“ ausgehen, sondern brauchen mehr Lehrkräfte und Schulen, um den steigen-
                        den Schülerzahlen gerecht zu werden. Eine weitere Entwicklung: Die Debatte der Experten und Schulprakti-
                        ker über Qualität im Ganztag löst sich immer mehr von der formalen Unterscheidung in offene und gebundene
                        Ganztagsschulen. Ein Stiftungsverbund aus Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator
                        und Vodafone Stiftung hat dazu auf der Basis guter Schulpraxis eine wissenschaftliche Expertise mit Empfeh-
                        lungen vorgelegt, wohin die Entwicklung guter Ganztagsschulen gehen könnte: Es braucht verlässliche Kern-
                        zeiten, flexible Angebotszeiten und ein stärkeres Engagement von Lehrkräften außerhalb des eigentlichen Un-
                        terrichts, zum Beispiel im Rahmen von Lern- und Übungszeiten, um Schüler und Eltern zu überzeugen und das
                        Potenzial der Ganztagsschulen für bessere Leistungen und faire Chancen einzulösen. Damit ist das bisherige
                        konzeptionelle Vakuum bezüglich der Qualität von Ganztagsschulen noch nicht beseitigt, aber zumindest ist
                        eine Orientierung dafür gegeben, in welche Richtung Neuberechnungen zum Ausbau guter Ganztagsschulen
                        gehen müssen.

                        Die vorliegende Studie von Klaus Klemm und Dirk Zorn legt neue Zahlen vor, die insbesondere die steigenden
                        Schülerzahlen berücksichtigen. So erfreulich es ist, dass die Bundesländer in den letzten Jahren mehr Ganz-
                        tagsplätze zur Verfügung gestellt haben, so deutlich ist doch auch, dass es weiterhin einer großen Kraftan-
                        strengung bedarf, um allen Kindern und Jugendlichen eine Chance auf einen Ganztagsplatz einzuräumen. Es ist
                        eine große Leistung der Bildungsverantwortlichen in Deutschland, dass mittlerweile fast jeder vierte Schüler
                        ganztägig lernen kann – 2002 hatte nur jeder zehnte Schüler diese Chance. Jedoch ist die Ausbaudynamik seit
                        dem Ende des Bundesprogramms zur Förderung von Ganztagsschulen 2009 erlahmt: Wurden während der
                        sechsjährigen Laufzeit dieses Programms im Jahresdurchschnitt 175.000 Plätze deutschlandweit geschaffen,
                        sind es seit 2009 nur noch 120.000.

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Wenn wir unsere Ambition als Bildungsrepublik ernst nehmen und allen Kindern und Jugendlichen ganztägiges
Lernen mit Blick auf eine größere Leistungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit des Schulsystems ermöglichen
wollen, dann braucht es eine neue Offensive für gute Ganztagsschulen in Deutschland. Die vorliegende Stu-
die macht die Größenordnung dieser Herausforderung deutlich. Wir müssen jährlich mehr als 300.000 zusätz­
liche Ganztagsplätze einrichten, brauchen dazu 15 Milliarden Euro für neue Räume und fast 31.400 zusätzliche
Lehrkräfte, um bis 2025 für 80 Prozent der Schüler gute Ganztagsplätze zu schaffen. Der noch ambitioniertere
flächendeckende Ausbau bis 2030 würde bauliche Investitionen von insgesamt 20 Milliarden Euro und 48.000
zusätzliche Lehrkräfte bedeuten.

Wir können diese Kraftanstrengung schaffen, wenn der politische Wille dafür da ist. Wenn Bund, Länder und
Kommunen sich in den nächsten Jahren zu einer Offensive für gute Ganztagsschulen zusammentun und dafür
die offenen Fragen zu einheitlichen Qualitätsstandards und zur anteiligen Finanzierung klären, dann ist der flä-
chendeckende Ausbau guter Ganztagsschulen möglich.

Dr. Jörg Dräger 			                    Ulrich Kober
Mitglied des Vorstands		               Programmdirektor
der Bertelsmann Stiftung		             Integration und Bildung
					der Bertelsmann Stiftung

                                                                                                                   7
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

Zentrale Ergebnisse auf einen Blick

                       Vorbemerkung

                       Unsere Berechnungen beinhalten die Primarstufe, die Sekundarstufe I und die Förderschulen. Dabei gehen wir
                       davon aus, dass Ganztagsschulplätze im Schuljahr 2025/2026 für 80 Prozent aller Schüler* bereitgestellt wer-
                       den, und schließlich im Schuljahr 2030/2031 für 100 Prozent aller Schüler.

                       Wir rechnen dabei in zwei Varianten, einer „pragmatischen“ und einer „Maximalvariante“. In der pragmatischen
                       Variante nutzen die Ganztagsschüler 50 Prozent der zur Verfügung stehenden Mehrzeit (zur Definition des Be-
                       griffs vgl. den Kasten). In der Maximalvariante beanspruchen die Ganztagsschüler die Mehrzeit zu 100 Prozent.
                       Beide Varianten beinhalten zudem eine Anhebung der Qualitätsstandards für Räume (pragmatische Variante)
                       bzw. für Räume und Personal (Maximalvariante) bei den im Schuljahr 2015/2016 bereits bestehenden Ganz-
                       tagsschulplätzen.

                        Definition „Mehrzeit“
                        Verbleibende Zeit (in Zeitstunden), die nach Abzug von Unterricht und zwischen den Unterrichtstunden lie-
                        genden Pausen vom Umfang der Ganztage (in Höhe von acht Zeitstunden an allen fünf Werktagen, also von
                        40 Zeitstunden pro Schulwoche) für Mittagessen und zusätzliche Lernangebote zur Verfügung steht. Sie ent-
                        spricht damit dem tatsächlichen „Mehr an Lernzeit“, das Ganztagsschulen gegenüber Halbtagsschulen bereit-
                        stellen und das von zusätzlichem pädagogischem Personal mit Lern- und Betreuungsangeboten abgedeckt
                        werden muss.

                       * Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir entweder die weibliche oder die männliche Form personenbezogener Substantive.
                          Wenn nicht anders erwähnt, sind damit beide Geschlechter gemeint.

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Zentrale Ergebnisse auf einen Blick

Zentrale Ergebnisse

1. 	Es fehlen Millionen Ganztagsplätze an deutschen Schulen

Um bis zum Jahr 2025 den elterlichen Bedarf decken und für 80 Prozent aller Schüler ganztägiges Lernen er-
möglichen zu können, sind 3,3 Millionen zusätzliche Ganztagsplätze erforderlich. Für eine vollständige Umstel-
lung zu einem ganztägigen Schulsystem bis zum Jahr 2030 bedarf es gegenüber heute insgesamt 5,2 Millionen
zusätzlicher Plätze. Diese Zahlen berücksichtigen dabei bereits die Tatsache, dass die Schülerzahlen entgegen
dem Trend der letzten 15 Jahre wieder steigen – zunächst in der Primarstufe, einige Jahre später dann auch in
der Sekundarstufe I.

2. 		 Die aktuelle Ausbaudynamik müsste verdreifacht werden

In den Jahren des Bundes-Investitionsprogramms für Ganztagsschulen von 2003 bis 2009 wurden jährlich
175.000 zusätzliche Ganztagsplätze geschaffen, in den Jahren danach erlahmte die Ausbaudynamik auf knapp
120.000 neue Plätze pro Jahr. Eine Ganztagsversorgung von 80 Prozent aller Schüler bis 2025 und von 100 Pro-
zent aller Schüler bis 2030 würde hingegen einen jährlichen Zuwachs um mehr als 300.000 zusätzliche Plätze
erforderlich machen. Gegenüber der Dynamik während des Bundesprogramms entspricht dies etwa einer Ver-
dopplung der Anstrengung.

3. 	Adäquate Räumlichkeiten für ganztägiges Lernen machen Milliardeninvestitionen erforderlich

Der einmalige Investitionsbedarf für den Um- und Ausbau von Ganztagsräumlichkeiten in Schulen beläuft sich
bis 2025 kumuliert auf etwa 15 Milliarden Euro. Für eine Vollversorgung von 100 Prozent aller Schüler bis 2030
sind insgesamt 20 Milliarden Euro an Investitionen nötig. Davon entfallen 16 Milliarden Euro auf die Umwand-
lung von Halbtags- in Ganztagsschulen und vier Milliarden Euro auf die Anhebung der räumlichen Standards bei
bestehenden Ganztagsschulen.

4. 	Der Ausbau der Ganztagsschule benötigt zusätzliches pädagogisches Personal in erheblichem
     Umfang

Eine Versorgung von 80 Prozent aller Schüler bis zum Jahr 2025 bei einer durchschnittlichen Nutzungsinten-
sität von 50 Prozent der Mehrzeit (pragmatische Variante) erfordert 47.600 zusätzliche Pädagogen, davon

                                                                                                                                      9
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                       31.400 Lehrkräfte und 16.200 sonstige Pädagogen. Für eine Vollversorgung bis 2030 sind es sogar 72.600
                       Fachkräfte, davon 48.000 Lehrer und 24.600 sonstige Pädagogen.

                       Wenn Schüler die zur Verfügung stehende Mehrzeit im Ganztag vollständig ausschöpfen (Maximalvariante)
                       steigt der Bedarf bis 2025 auf 134.000 zusätzliche Vollzeit-Pädagogen: 88.600 Lehrkräfte und 45.400 sonstige
                       Pädagogen. Für eine Vollversorgung von 100 Prozent aller Schüler bis 2030 werden sogar 183.800 zusätzliche
                       Vollzeitstellen benötigt, davon 121.600 Lehrkräfte und 62.200 sonstige pädagogische Fachkräfte.

                       Da steigende Schülerzahlen bereits in erheblichem Umfang zusätzliche Lehrkräfte allein zur Unterrichtsversor-
                       gung erforderlich machen (2025: 29.500 Vollzeitstellen, 2030: 54.600 Vollzeitstellen), stellt der Ganztagsaus-
                       bau das System der Lehrerbildung vor eine zusätzliche Herausforderung.

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Kosten für den Ausbau eines
qualitätsvollen Ganztagsschulsystems
in Deutschland bis 2030

Unter der Überschrift „Mehr Schule wagen“ haben           hat. Dies ist eine beachtliche Entwicklung, auch wenn
die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung,      sich die Bundesländer in den Ausbauständen nach
die Stiftung Mercator und die Vodafone Stiftung           wie vor stark unterscheiden (in Bayern besuchten im
Deutschland im Mai 2017 Empfehlungen für eine ge-         Schuljahr 2015/2016 16 Prozent aller Schüler Ganz-
lingende Ganztagsschule vorgelegt. Die Empfehlun-         tagsschulen, in Hamburg dagegen 91,5 Prozent).
gen wurden von Ganztagsschulforschern erarbei-
tet und basieren auf Interviews mit Schulleitungen        Unabhängig davon gilt: Der in den vergangenen Jah-
guter Ganztagsschulen (Bertelsmann Stiftung et al.        ren erfolgte Ausbau der Ganztagsschulangebote hat
2017). Mit der Veröffentlichung der Empfehlungen ist      in Deutschland einen wohl kaum mehr umkehrbaren
die Hoffnung verknüpft, dazu beizutragen, eine neue       Trend zur Umwandlung des Halbtags- in ein Ganz-
Phase der Ganztagsschulentwicklung einzuleiten:           tagsschulsystem eingeleitet. Maßgeblich dafür waren
eine Phase, an deren Ende in Deutschland Ganztags-        zwei Treiber – zum einen die Hoffnung darauf, dass
schulen zur „neuen Normalität“ geworden sind.             es in Ganztags- besser als in Halbtagsschulen gelin-
                                                          gen kann, durch individualisierende Angebote leis-
Der Rückblick in die jüngere Ganztagsschulentwick-        tungsschwächere ebenso wie leistungsstärkere Schü-
lung legt es tatsächlich nahe, vom Beginn einer neuen     ler zu fördern sowie zum anderen die Notwendigkeit,
Phase zu sprechen: Im Schuljahr 2015/2016 verfüg-         durch ganztägige Betreuungsangebote für Mütter
ten bundesweit rund zwei Drittel der allgemeinbil-        und Väter die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbs-
denden Schulen über ein Ganztagsangebot. Knapp            tätigkeit zu erleichtern.
40 Prozent aller Schüler dieser Schulen nahmen diese
Angebote wahr. Mit Blick auf die frühen Jahre der         Der bemerkenswerte quantitative Ausbau der Ganz-
Entwicklung der Ganztagsschule ist dies eine Erfolgs-     tagsschulangebote „hat gelegentlich die Erkenntnis in
geschichte: 1970 standen lediglich für 0,4 Prozent        den Hintergrund treten lassen, dass allein die quan-
aller Schüler der allgemeinbildenden Schulen Ganz-        titative Verbreitung noch nichts darüber aussagt, ob
tagsplätze zur Verfügung (BLK 1974: 28). Danach gab       diese vielen neuen Ganztagsschulen auch gute Schu-
es bis zur Jahrtausendwende nur einen eher mäßigen        len sind“ (Radisch, Klemm und Tillmann 2017: 38).
Ausbau.                                                   Dazu schreibt Thomas Rauschenbach: „Dass inzwi-
                                                          schen mehr als die Hälfte der Schulen statistisch als
Im Schuljahr 2002/2003, zu dem die Kultusminister-        Ganztagsschulen geführt werden, ist vielleicht ein
konferenz (KMK) erstmalig (und seither jährlich) über     Hinweis auf Wachstum, aber nicht auf ihre wach-
den Ausbaustand der Ganztagsschulen in den deut-          sende Qualität. Im Mittelpunkt muss die Perspektive
schen Ländern berichtet, nahmen erst 9,8 Prozent          der Schulkinder stehen: Erst wenn sie gerne und frei-
aller Schüler der Primar- und der Sekundarstufe I am      willig die außerunterrichtlichen Angebote auch am
Ganztagsbetrieb teil. Seither hat sich diese Quote mit    Nachmittag nutzen, ist ein erster Schritt zum Erfolg
den berichteten 39,3 Prozent im Jahr 2015 nahezu          getan. Und wenn dies dann darüber hinaus noch auf
vervierfacht – nicht zuletzt forciert durch das „Inves-   den Unterricht abstrahlt, kann die Ganztagsschule
titionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung“            wirklich zu einer neuen Schule werden“ (Rauschen-
(IZBB), mit dem der Bund von 2003 bis 2009 den Aus-       bach 2016: 6).
bau von Ganztagsschulen in den Ländern unterstützt

                                                                                                                  11
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                       Wir orientieren uns in dieser Untersuchung an den          geben zu können, nehmen wir im dritten Schritt eine
                       von den vier Stiftungen im Frühjahr vorgelegten            Einschätzung der künftigen Schülerzahlentwicklung
                       Empfehlungen zum guten Ganztag, um vor diesem              vor, wie sie sich im Licht aktueller demographischer
                       Hintergrund und mit Blick auf die kommende Ganz-           Tendenzen darstellt (3). Dieser Abschnitt bietet dann
                       tagsschulentwicklung personelle und räumliche Rah-         die Grundlage für eine Berechnung der zusätzlichen
                       menbedingungen für die weitere Entwicklung der             Ausgaben, die für eine weitere qualitätsorientierte
                       Ganztagsschulen hin zu guten Schulen zu beschrei-          Ganztagsschulentwicklung erforderlich sind (4).
                       ben, zu quantifizieren und die dafür erforderlichen
                       Ausgaben abzuschätzen.                                     Abgeschlossen wird die Untersuchung durch eine
                                                                                  kurze Kontextualisierung der Ergebnisse unserer
                       Dazu gehen wir in fünf Schritten vor: Zunächst stel-       Abschätzung in zweifacher Hinsicht: Zunächst ver-
                       len wir den gegenwärtig erreichten Ausbaustand             gleichen wir die Größenordnung der künftig erfor-
                       der Ganztagsschule in den Bundesländern und in             derlichen Ausbauschritte mit jener der Jahre seit Um-
                       Deutschland insgesamt dar (1). Daran schließt sich         setzung des IZBB. Abschließend ermitteln wir den
                       ein knapper Rückblick auf die Jahre an, die mit der        gesamten Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften, der
                       Umsetzung des IZBB eingeleitet wurden (2). Um              sich zum einen aus steigenden Schülerzahlen ergibt
                       darauf aufbauend einen Ausblick auf die kommenden          und zum anderen aus einem qualitätsorientierten
                       Jahre und die erforderlichen Bildungsausgaben              Umbau zu einem Ganztagsschulsystem (5).

                       1 |	Ganztagsschulen in Deutschland:
                                 Zum Ausbaustand im Schuljahr 2015/2016

                       Wie einleitend bereits erwähnt, machen im Schuljahr        In gebundenen Ganztagsschulen, also in Schulen, in
                       2015/2016 etwa zwei Drittel (64,6 %) aller allgemein-      denen alle Schüler am Ganztag teilnehmen, lernen
                       bildenden Schulen Ganztagsangebote. Im Bereich der         in Deutschland insgesamt 18,7 Prozent der Schüler
                       öffentlichen Schulen gilt dies für 65,2 Prozent, in dem    der Primar- und Sekundarstufe I. Die Mehrheit, näm-
                       der privaten Schulen für 59 Prozent. In Baden-Würt-        lich 20,6 Prozent, lernt hingegen in offenen Ganztags-
                       temberg findet sich mit nur 38,5 Prozent aller allge-      schulen, in denen nur ein Teil der Schüler am Ganz-
                       meinbildenden Schulen der geringste, in Sachsen mit        tagsbetrieb teilnimmt (Tabelle 3). Differenziert man
                       97,4 Prozent der höchste Anteil ganztägiger Schu-          dieses Bild nach Schulstufen und Schulformen, so
                       len an der Gesamtheit dieser Schulen (Tabelle 1).          zeigt sich: In den Gesamtschulen lernt in Deutsch-
                       Nicht alle Schüler dieser Ganztagsschulen nehmen           land insgesamt mit 75,3 Prozent der höchste Anteil in
                       am Ganztagsunterricht teil. Daher liegt der Anteil der     Ganztagsschulen, in den Realschulen findet sich mit
                       Ganztagsschüler an allen Schülern deutlich niedriger       19,9 Prozent der deutlich niedrigste Anteil (Tabelle 2).
                       als der Anteil der Ganztagsschulen an allen Schulen:
                       in Deutschland in den Schulen der Primarstufe und          Ein Vergleich der Schulstufen zeigt: In der Primar-
                       der Sekundarstufe I insgesamt bei 39,3 Prozent – mit       stufe lernt mit 35 Prozent etwa ein Drittel der Schü-
                       einer Spannweite, die von 16 Prozent in Bayern bis zu      ler über den ganzen Tag, in den weiterführenden
                       91,5 Prozent in Hamburg reicht (Tabelle 2).                Schulen der Sekundarstufe I gilt dies für einen etwas
                                                                                  höheren Anteil von 40,3 Prozent. In Förderschu-
                                                                                  len lernen die Schüler bereits mehrheitlich ganztägig
                                                                                  (52,8 %, vgl. Tabelle 4).

12
Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

2 |	Der Rückblick: Die Jahre des Ausbaus von
          2002/2003 bis 2015/2016

Im letzten Jahr vor Inkrafttreten des IZBB besuchten       Ganztagsschülern betrug durchschnittlich nur noch
nur 9,8 Prozent aller Schüler allgemeinbildender Schu-     knapp 120.000 (Tabelle 6). Insbesondere in den ersten
len Ganztagsschulen. Die Jahre danach brachten bis         drei Jahren nach Auslaufen des Programms war der
zum Schuljahr 2015/2016 eine Vervierfachung auf            jährliche Zuwachs stark zurückgegangen, nämlich auf
inzwischen 39,3 Prozent (Tabelle 5). In diesen Jahren      nur etwa 104.000 neue Plätze (Klemm 2014). Seither
erhöhte sich die Zahl der ganztägig unterrichteten         hat die Ausbaudynamik wieder leicht zugenommen.
und betreuten Kinder und Jugendlichen um fast zwei
Millionen – von etwa 874.000 auf etwa 2.820.000.           Bei Betrachtung der prozentualen Beteiligungsquoten
Dabei gab es zwei deutlich unterscheidbare Entwick-        gilt es zu berücksichtigen, dass die Schülerzahlen in
lungsphasen: Bis zum Schuljahr 2009/2010 gab es            diesem Zeitraum insgesamt zurückgegangen sind. Die
gegenüber dem Ausgangsschuljahr 2002/2003 (dem             Beteiligungsquote stieg in Teilen folglich allein deshalb
letzten Schuljahr vor dem IZBB) einen Zuwachs um           an, weil die Grundgesamtheit aller Schüler schrumpfte.
gut 17 Prozentpunkte.                                      Es ist deshalb aus unserer Sicht unerlässlich, parallel
                                                           auch die absoluten Zahlen in den Blick zu nehmen. Dies
Das entspricht im Jahresdurchschnitt 2,5 Prozentpunk-      ist auch deshalb erforderlich, weil sich der Trend der
ten bzw. jährlich knapp 175.000 zusätzlichen Ganz-         Schülerzahlentwicklung demnächst umkehren wird,
tagsschülern. Gegenüber dieser vom IZBB geprägten          wie wir im nächsten Abschnitt zeigen. Bezogen auf den
Periode schwächte sich das Entwicklungstempo im            Ganztagsschulausbau folgt daraus: Um eine bestimmte
Zeitraum zwischen den Schuljahren 2009/2010 und            Zielgröße in der prozentualen Versorgung mit Ganz-
2015/2016 spürbar ab: Im Jahresdurchschnitt stieg          tagsplätzen zu erreichen, wird es zusätzliche Kraftan-
die Beteiligungsquote am Ganztagsbetrieb nur noch          strengungen brauchen – bei der Ganztagsbeteiligungs-
um 2,0 Prozentpunkte, der jährliche Zuwachs an             quote entfällt künftig die „demographische Rendite“.

3 |	Der Ausblick: Stark steigende Schülerzahlen
          bis zum Schuljahr 2030/2031

Die Jahre seit 2013 sind durch einen von den Demo-         Bei einer fraglos etwas vergröbernden Abschätzung,
graphen des Statistischen Bundesamts nicht erwar-          die – an aktuellen Werten orientiert – unterstellt,
teten Geburtenanstieg geprägt: Gab es bundesweit           dass 98,3 Prozent der 6- bis unter 10-jährigen Be-
2013 etwa 682.000 Geburten, so lag diese Zahl 2016         völkerung in der Primarstufe lernen werden, dass
geschätzt bei etwa 781.000, also um rund 100.000           92 Prozent der 10- bis unter 16-Jährigen in den
höher (Klemm und Zorn 2017). Verstärkt wird diese          Schulen der Sekundarstufe I unterrichtet werden
Entwicklung durch die gleichfalls nicht vorherseh-         und dass 4,4 Prozent der 6- bis unter 16-Jährigen
bare stark positive Wanderungsbilanz: 2014 wurde           Förderschulen besuchen werden, ist zu erwarten,
eine positive Bilanz in Höhe von etwa 550.000 ge-          dass sich die Schülerzahl der Primar- und der Sekun-
messen, 2015 von 1.139.000. Für 2016 wird mit einer        darstufe I sowie der Förderschulen von 7.266.000 im
Bilanz von 750.000 gerechnet. Beide Entwicklungen          Jahr 2015 bis zum Jahr 2030 um 750.000 auf dann
gemeinsam – steigende Geburtenzahlen und hohe              etwa 8.016.000 erhöhen wird (vgl. dazu die Tabellen
Wanderungsüberschüsse – führen dazu, dass die              7 und insbesondere 8.2, sowie für die erwarteten
Schülerzahlen deutlich stärker als noch vor wenigen        Schülerzahlen für die Primarstufe und die Sekundar-
Jahren vorausgesagt ansteigen werden (KMK 2013b).          stufe I ausführlicher Klemm und Zorn 2017).

                                                                                                                                      13
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                       Für den deutschlandweiten Ausbau eines allen Schü-         sondern auch noch für die – demographisch bedingt –
                       lern offenstehenden Ganztagsschulsystems folgt dar-        zusätzlich hinzukommenden Kinder und Jugendlichen
                       aus, dass Ganztagsschulplätze nicht nur für die Schü-      bereitgestellt werden müssen.
                       ler, die derzeit noch im Halbtag unterrichtet werden,

                       4 |	Mehr Ausgaben für mehr Schule

                       In diesem zentralen Abschnitt unserer Studie ermit-        Mindestöffnungszeit guter Ganztagsschulen (Bertels-
                       teln wir die Ausgaben, die für den weiteren Ausbau         mann Stiftung et al. 2017). Allerdings enthält „Mehr
                       eines deutschlandweiten, qualitätsvollen Ganztags-         Schule wagen“ ein differenziertes Konzept aus soge-
                       schulsystems erforderlich sind. Die Berechnun-             nannten Kern- und Angebotszeiten, die innerhalb der
                       gen orientieren sich an dem Ziel, bis zum Schuljahr        Mindestöffnungszeiten der Schule realisiert werden.
                       2030/2031 für alle Schüler öffentlicher und priva-         Nur in den Kernzeiten (die selbst aus allen Elementen
                       ter Schulen der Primarstufe, der Sekundarstufe I           des ganztägigen Lernens bestehen, nicht nur aus Un-
                       und der Förderschulen Ganztagsschulplätze bereit-          terricht) ist eine verbindliche Anwesenheit der Schü-
                       zustellen. Eine Zwischenetappe zu diesem vollstän-         ler zwingend erforderlich.
                       digen Umbau des deutschen Schulsystems zu einem
                       (im internationalen Vergleich selbstverständlichen)        Der Tatsache, dass die schulische Mindestöffnungs-
                       Ganztagsschulwesen stellt für uns dabei das Schul-         zeit nicht mit einer vollständigen Anwesenheit aller
                       jahr 2025/2026 dar: Angesichts der Tatsache, dass          Schüler gleichzusetzen ist, tragen wir mit einer zwei-
                       derzeit bereits 72 Prozent der Eltern für ihre Kinder      ten, pragmatischen Variante Rechnung. Für diese Vari-
                       Ganztagsschulplätze wünschen (Jako-o GmbH 2017),           ante unterstellen wir, dass das Ganztagsangebot zwar
                       gehen wir – bei Unterstellung eines eher mäßigen An-       von allen Schülern wahrgenommen wird, aber nicht im
                       stiegs der Nachfrage – davon aus, dass bis zu diesem       vollen zeitlichen Umfang der schulischen Mindestöff-
                       Zeitpunkt 80 Prozent aller Schüler der von uns be-         nungszeiten. Alle Schüler nehmen also mindestens die
                       trachteten Schularten ein qualitätsvolles Lernen im        sogenannte Kernzeit wahr, in der neben dem eigent-
                       Ganztag ermöglicht werden muss. In etwa entspricht         lichen Unterricht rhythmisiert auch Elemente des au-
                       dieses Zwischenziel auf dem Weg zu einem Ganztags-         ßerunterrichtlichen Lernens, Pausenzeiten und Mit-
                       schulsystem für alle auch dem Wert, der sich ergibt,       tagessenszeiten stattfinden. Umfang von Kernzeit
                       wenn man von einer linearen weiteren Zunahme des           und fakultativer Angebotszeit variieren dabei je nach
                       Schüleranteils im Ganztag ausgeht, also von einem          Schule und Jahrgangsstufe (siehe Abbildung 1).
                       gleichschrittigen Aufwuchs in Prozentpunkten zwi-
                       schen dem Schüleranteil im Ganztag im Schuljahr            Für unsere Kostenabschätzung unterstellen wir ver-
                       2015/2016 bis zur Zielmarke 100 Prozent im Schul-          einfachend, dass im Durchschnitt jeweils die Hälfte
                       jahr 2030/2031.                                            der sogenannten Mehrzeit, also der Zeitstunden, die
                                                                                  sich aus der Differenz von 40 Zeitstunden (schulische
                       Dazu berechnen wir zwei Varianten, um die mögli-           Mindestöffnungszeit gemäß „Mehr Schule wagen“)
                       che Spannweite des erforderlichen Kostenaufwands           und der reinen Unterrichtszeit (einschließlich der Pau-
                       solide abzuschätzen: In einer Maximalvariante wer-         senzeiten) ergeben, im Rahmen von Kern- und Ange-
                       den die Ausgaben geschätzt, die erforderlich sind,         botszeiten wahrgenommen werden. Im Durchschnitt
                       um bis zum Schuljahr 2030/2031 alle Schüler dieser         aller Bundesländer bedeutet dies im Fall der Grund-
                       Schulen zu versorgen: mit den für einen Ganztagsbe-        schule (Primarstufe), dass 21,2 Zeitstunden durch den
                       trieb erforderlichen Lehrkräften, weiterem pädago-         Unterricht und die Pausenzeiten in Anspruch genom-
                       gischem Personal und adäquaten Räumlichkeiten an           men werden und dass von den 18,8 Zeitstunden, die
                       fünf Tagen der Woche jeweils für acht Stunden, also        zum Erreichen der 40 Zeitstunden erforderlich sind,
                       für wöchentlich 40 Zeitstunden. Dies entspricht den        im Durchschnitt die Hälfte, also 9,4 Zeitstunden, per-
                       in „Mehr Schule wagen“ gegebenen Empfehlungen zur          sonell abgedeckt sein müssen.

14
Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

   ABBILDUNG 1 Ganztagsmodell aus „Mehr Schule wagen“ – Beispiel Primarstufe

                                                       6–7

                                                                                         Betreuung
                                                       7–8

                                                                                  Flexible Anfangsphase
                                                       8–9

                                                                                  Fachbezogene Lernzeit
                                                      9 – 10

                                                                                            Pause
                                                     10 – 11
                                                                                                       Übungszeit                    Kernzeit:
                                                                                                                                  alle Schüler
                                                                          Übungszeit                                              nehmen teil*
                     Mindest­                        11 – 12
                   öffnungszeit                                                                        Angebote
                    der Schule:
                    8 Stunden
                    an 5 Tagen                       12 – 13                             Mittagessen

                                                                                         Bewegung
                                                     13 – 14

                                                                                  Fachbezogene Lernzeit
                                                                                                                                                   Verhältnis
                                                     14 – 15
                                                                                                                                                    variabel

                                                                                          Angebote                               Angebotszeit
                                                     15 – 16                                                                         Teilnahme
                                                                                                                                      freiwillig

                                                     16 – 17

                                                                                         Betreuung
                                                     17 – 18

   * Konkrete Ausgestaltung der Kernzeit variabel, z.B. nach Alter, Lernstand, Förderbedarf, etc.
   Quelle: Eigene Darstellung nach Bertelsmann Stiftung et al. 2017

In den Schulen der Sekundarstufe werden 27,5 Zeit-                         dass alle Schüler an ganztägigen Angeboten partizipie-
stunden durch Unterricht und Pausenzeiten bean-                            ren und dass das Ausmaß ihrer Beteiligung nicht durch
sprucht, von den zu 40 Zeitstunden fehlenden 12,5                          räumliche Engpässe limitiert werden darf (Bertelsmann
Zeitstunden wird gleichfalls die Hälfte, also 6,25 Zeit-                   Stiftung et al. 2017).
stunden, personell abgedeckt. In den Förderschulen
schließlich verbrauchen Unterricht und Pausen 24,7                         Die Berechnungen erfolgen in beiden Varianten zu-
Zeitstunden. Von den zu 40 Zeitstunden fehlenden                           nächst jeweils getrennt für die Primarstufe, die Sekun-
15,3 Zeitstunden werden dann 7,65 mit weiterem Per-                        darstufe I und die Förderschulen; erst im Anschluss
sonal versorgt. Bei der räumlichen Versorgung hinge-                       daran werden die insgesamt erforderlichen zusätzli-
gen schätzen wir, dass die Kosten für eine adäquate,                       chen Ausgaben zusammengefasst dargestellt. Die ge-
ganztägig nutzbare Raumausstattung in gleicher Höhe                        sonderte Betrachtung der Förderschulen ist nötig, da
wie für die Maximalvariante anfallen, unabhängig                           derzeit nicht absehbar ist, in welchem Ausmaß der Pro-
davon, wie umfänglich die zeitliche Nutzung genau aus-                     zess der Inklusion fortschreiten wird. Entscheidend ist
fällt. Wir gehen damit auch in der pragmatischen Vari-                     für unsere Berechnung, dass allen Schülern unabhängig
ante davon aus, dies sei an dieser Stelle erneut betont,                   von ihrem Lernort eine Ganztagsschule geboten wird.

                                                                                                                                                                15
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                       Primarstufe                                                kosten je Stelle (bei Lehrkräften: 61.000 Euro, bei
                                                                                  Erzieher/innen 51.000 Euro) ergibt dies Personalkos-
                       Tabelle 9.1 stellt die bis 2030 zu erwartende Schüler­     ten von jährlich 39.619 Euro; je Schüler sind dies bei
                       zahlentwicklung der in den Bildungsangeboten der           einer durchschnittlichen Klassenfrequenz von 20 also
                       Primarstufe lernenden Schüler dar (Jahrgangsstufen         1.981 Euro.
                       1 bis 4 der Grundschulen, der Waldorfschulen sowie
                       der Gesamt-/Gemeinschaftsschulen): Die Schülerzah-         Für die im Schuljahr 2020/2021 gegenüber
                       len dieser Bildungsstufe werden von etwa 2.809.000         2015/2016 insgesamt 691.226 zusätzlich im Ganz-
                       im Jahr 2015 bis 2030 auf dann 3.152.000 anstei-           tag zu betreuenden Grundschulkinder ergibt dies ins-
                       gen (Stichtag für diese Berechnungen ist jeweils der       gesamt zusätzliche Personalausgaben in Höhe von
                       31.12. des fraglichen Jahres). Ausgehend von der der-      1.369 Millionen Euro. Bis zum Schuljahr 2030/2031
                       zeitigen Beteiligungsquote am Ganztag (35 %) gehen         steigern sich diese gegenüber 2015/2016 zu erwar-
                       wir in unserer Abschätzung davon aus, dass die Zahl        tenden jährlichen Mehrausgaben auf 4.297 Millio-
                       der am Ganztag teilnehmenden Schüler von jetzt             nen Euro (vgl. Tabelle 9.4). In den Jahren danach blei-
                       etwa 983.000 bis zum Schuljahr 2030/2031 auf dann          ben die Mehrausgaben als laufende Kosten auf dieser
                       3.152.000 (100 %) ansteigt. Wir gehen dabei von            Höhe – konstante Schülerzahlen vorausgesetzt.
                       einem linearen Anstieg der Teilnahmequote aus (in
                       den erwähnten zwei Etappen: 80 % bis 2025/2026             Die Personalausgaben lassen sich selbstverständlich
                       und 100 % bis 2030/2031).                                  auch in Vollzeitäquivalente umrechnen. Im Vollaus-
                                                                                  bau im Schuljahr 2030/2031 wären gemäß unserer
                       In den Jahren bis 2020 kommen damit jährlich im            Maximalvariante zusätzlich etwa 48.600 Lehrkräfte
                       Durchschnitt etwa 138.000 Schüler hinzu, in den Jah-       und etwa 26.100 Erzieher/innen erforderlich.
                       ren von 2021 bis 2025 zusätzlich etwa 177.000 Schü-
                       ler und in den letzten fünf Jahren bis 2030 im Jahres-     In der schon mehrfach zitierten Veröffentlichung
                       durchschnitt noch einmal 118.000 (vgl. Tabelle 9.2).       „Mehr Schule wagen“ wird den Landesregierungen
                                                                                  bzw. der KMK die „Entwicklung bundesweiter räum-
                       Um je gebildeter Klasse 40 Zeitstunden je Woche mit        licher Empfehlungen für Ganztagsschulen“ (Ber-
                       Lehrkräften und Erzieherinnen abzudecken, wird zu-         telsmann Stiftung et al. 2017: 36) nahegelegt. Da es
                       nächst ermittelt, wie viele der 40 Zeitstunden bereits     derzeit in keinem Bundesland dazu hinreichend dif-
                       im regulären Halbtag mit Personal ausgestattet sind        ferenzierte Vorgaben für den zum Ausbau der Ganz-
                       (vgl. dazu Tabelle 9.3): Im Durchschnitt der Bundes-       tagsschulen erforderlichen Schulraum gibt, wird auf
                       länder sowie im Durchschnitt der Jahrgangsstufen 1         entsprechende Vorgaben von Schulträgern kreis-
                       bis 4 erhalten die Grundschulkinder etwa 24,3 Wo-          freier Städte zurückgegriffen (vgl. jedoch die jüngst
                       chenstunden Unterricht. Bei einer Unterrichtsstunde        veröffentlichten Empfehlungen der Facharbeits-
                       mit 45 Minuten entspricht dies 18,2 Zeitstunden. Un-       gruppe Schulraumqualität des Landes Berlin, die zu-
                       terstellt man, dass im Durchschnitt im halbtägigen         mindest für neu zu bauende Schulen gelten sollen, lei-
                       Schulbetrieb je Unterrichtsstunde 7,5 Minuten Pause        der aber keine Angaben zu den erwarteten Kosten
                       hinzukommen (also bei 24,3 Unterrichtsstunden noch         enthalten; Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und
                       einmal 3 Zeitstunden), so deckt der Halbtagsbetrieb        Familie 2017).
                       21,2 Zeitstunden je Woche ab.
                                                                                  In Tabelle 12 sind solche Vorgaben für Grundschulen
                       Um insgesamt 40 Zeitstunden je Woche mit Lehr-             (im vorliegenden Fall für zweizügige Grundschulen)
                       kräften und Erzieherinnen betreuen zu können, sind         der Städte Köln und Kiel zusammengestellt: Da die
                       weitere 18,8 Zeitstunden erforderlich. Unter der           Vorgaben sich weitgehend entsprechen, Kiel aber
                       Annahme, dass diese zusätzlichen Stunden je hälf-          keine konkreten Angaben für den Küchenbedarf
                       tig, also mit jeweils 9,4 Zeitstunden, von Lehrkräf-       macht, haben wir den Wert der Stadt Köln übernom-
                       ten und von Erzieher/innen betreut werden, werden          men: Diese Kölner Vorgabe liefert für den Raumbe-
                       knapp 45 Prozent einer Lehrerstelle (mit einem De-         darf je Schüler den Wert von 1,94 Quadratmetern
                       putat von 28 Unterrichts- bzw. 21 Zeitstunden) und         (vgl. dazu ausführlicher Klemm 2012: 26 ff.). Bei den
                       etwa 24 Prozent einer Erzieher/innenstelle (mit je-        Ausgaben, die je Quadratmeter eingesetzt werden
                       weils 39 Zeitstunden) benötigt. Bei Arbeitgebervoll-       müssen, wird der im Vergleich zu üblichen Quadrat-

16
Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

meter-Preisen im Schulbau niedrigere Wert von                        Bestimmungen für gebundene Ganztagsschulen
2.000 Euro je Quadratmeter angesetzt. Dies wird                      Klemm und Zorn 2016).
damit begründet, dass bei der Schaffung von Ganz-
tagsflächen vielfach nicht neue Räume errichtet                      Den Autoren ist es im Rahmen der hier vorgelegten
werden müssen, sondern in einem Teil der Fälle auch                  Studie nicht möglich, einen belastbaren bundesweit
Umrüstungen bestehender Flächen zielführend sein                     durchschnittlichen Wert für den derzeitigen faktisch
können.                                                              realisierten zeitlichen Rahmen aller Ganztagsschu-
                                                                     len und insbesondere die damit korrespondierende
Auf diesem Hintergrund (1,94 m je Schüler und
                                      2
                                                                     Höhe der Personalausstattung zu ermitteln. Daher
2.000 Euro je m2) ergeben sich in der Periode vom                    wird hier (fraglos vereinfachend) unterstellt, dass bei
Schuljahr 2015/2016 bis 2020/2021 jahresdurch-                       den bereits bestehenden Ganztagsschulen der Pri-
schnittliche Ausgaben in Höhe von 536 Millionen                      marstufe im Durchschnitt aller Länder (mit Variation
Euro, in den beiden Folgeperioden von 688 bzw.                       nicht nur zwischen, sondern sicher auch innerhalb der
von knapp 459 Millionen Euro (Tabellen 9.5 und 9.6).                 Länder) 50 Prozent des ganztagsspezifischen Zusatz-
Danach fallen keine zusätzlichen Ausgaben für den                    bedarfs an Personal und Fläche bereits zur Verfügung
Schulbau mehr an – es sei denn, die Schülerzahlen                    stehen, sodass nur noch die Hälfte des Zusatzbedarfs
steigen weiter.                                                      für ein Angebot von acht Stunden an fünf Tagen zu-
                                                                     sätzlich zur Verfügung gestellt werden muss: also
Die bisher vorgestellten Ausgabenberechnungen be-                    9,4 Zeitstunden und 0,97 Quadratmetern je Schüler.
rücksichtigen nicht die Tatsache, dass den 2015/2016
bereits im Ganztag lernenden 982.599 Schülern noch                   Bei diesen Annahmen ergeben sich in der Maximal-
nicht die in dieser Studie angesteuerte Personal- und                variante für das Anheben der bestehenden Ganztags-
Raumausstattung zur Verfügung stand. Derzeit fin-                    schulen auf das in dieser Untersuchung angestrebte
den wir in einzelnen Ländern Ganztagsschulen, die                    Ausstattungsniveau in Bezug auf das Personal jährlich
gerade den Mindestanforderungen der KMK (an drei                     gleichbleibende Mehrausgaben in Höhe von 974 Mil-
Tagen der Woche mindestens sieben Zeitstunden)                       lionen Euro (dies entspricht etwa 11.000 zusätzlichen
entsprechen. Es gibt aber auch in einer Reihe von                    Vollzeit-Lehrerstellen und knapp 6.000 Erzieher-
Ländern Ganztagsschulen, die an fünf Tagen achtstün-                 stellen). In der pragmatischen Variante fallen hier
dige Angebote machen (vgl. die entsprechenden                        keine zusätzlichen Personalausgaben an.

  ABBILDUNG 2 Zusätzliche Kosten für den Umbau zu einem deutschlandweiten Ganztagsschulsystem – Primarstufe

  Mehrkosten gegenüber dem Schuljahr 2015/2016*
                                                                                                                                              5.731
  in Millionen Euro
                                                                                                                     4.789
     Zusätzliches Personal
     Zusätzlicher Raum                                                           3.261
                                                                                                                                2.610             5.272
                                                                                                   2.253             4.101
                                                                1.603            2.344
                                                                                                    1.565                       2.152
                                                                 686
                                                                 918              918                688              688        459           459
                                                            Pragmatische     Maximal-           Pragmatische     Maximal-    Pragmatische    Maximal-
                                                              Variante       variante             Variante       variante      Variante      variante

  Schuljahr                         2015/2016                       2020/2021                          2025/2026                   2030/2031

  Schüler insgesamt                  2.808.853                      2.911.000                           3.201.000                   3.152.000

  Schüler im Ganztag                   982.599                      1.673.825                           2.560.800                   3.152.000

  Anteil Ganztag                       35,0 %                           57,5 %                              80,0 %                      100,0 %

  * Hinweis: Die Kostenschätzungen beinhalten die Anhebung der Qualitätsstandards (Maximalvariante: Räume und Personal,
    pragmatische Variante: Räume) für Ganztagsschüler des Schuljahrs 2015/2016.
  Quelle: Eigene Berechnungen, u. a. auf Basis von Klemm und Zorn 2017 sowie KMK 2017. Abweichungen durch Rundungseffekte.

                                                                                                                                                          17
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                       Für die Jahre bis zum Schuljahr 2020/2021 (dann soll       (2030/2031) entspräche der personelle Mehrbedarf
                       nach unseren Annahmen die bauliche Anpassung ab-           einem Umfang von etwa 24.300 Lehrerstellen und
                       geschlossen sein) entstehen in beiden Varianten je-        mehr als 13.000 Vollzeitstellen für Erzieher.
                       doch jährlich 381 Millionen Euro für den Schulbau
                       (vgl. zu diesen Berechnungen Tabelle 10).                  Personelle Mehrausgaben für die Anpassung der
                                                                                  Ganztagsschulstandards an die dieser Studie zu-
                       Insgesamt führt der Ausbau der Ganztagsschulen der         grunde liegenden Standards für die Schüler, die heute
                       Primarstufe in der Maximalvariante, also in einem          schon Ganztagsschulen besuchen, entstehen hinge-
                       Ausbau des Beteiligungsniveaus von 100 Prozent bis         gen nicht, da wir davon ausgehen, dass für diese Schü-
                       zum Schuljahr 2020/2031 und auf Ganztagsangebote           ler heute schon im Durchschnitt 50 Prozent des über
                       von 40 wöchentlichen Zeitstunden, zu Mehrausgaben          den unterrichtsbedingten Bedarf hinausgehenden
                       von 3,3 Milliarden Euro im Schuljahr 2020/2021, von        Anteils abgedeckt werden.
                       4,8 Milliarden Euro im Schuljahr 2025/2026 und von
                       5,7 Milliarden im Ziel-Schuljahr 2030/2031 (vgl. dazu      Wir nehmen jedoch an, dass die räumlichen Standards
                       die Übersicht in Tabelle 20).                              in bestehenden Ganztagsschulen einer Anpassung
                                                                                  bedürfen, in halber Höhe der gemäß der Maximalva-
                       Die Berechnung der pragmatischen Variante geht             riante zugrunde gelegten Ausstattung. Dies führt zu
                       davon aus, dass im Durchschnitt jeweils die Hälfte der     einem zusätzlichen Investitionsbedarf in Höhe von
                       Zeitstunden, die sich aus der Differenz von 40 Zeit-       1,9 Milliarden Euro bis zum Schuljahr 2020/2021,
                       stunden und der Unterrichtszeit (einschließlich der        was jährlichen Zusatzinvestitionen in Höhe von 381
                       Pausenzeiten) ergeben, von Schülern im Rahmen der          Millionen Euro entspricht (Tabelle 10.5). Unsere Be-
                       (verbindlichen) Kern- und (fakultativen) Angebotszei-      rechnung unterstellt dabei, dass bis zu diesem Zeit-
                       ten wahrgenommen werden. Im Fall der Primarstufe           punkt die Anhebung des Raumstandards in den Be-
                       bedeutet dies, dass 21,2 Zeitstunden durch den Un-         stands-Ganztagsschulen abgeschlossen ist.
                       terricht und die Pausenzeiten in Anspruch genommen
                       werden und dass von den 18,8 Zeitstunden Mehrzeit,
                       die sich aus der schulischen Mindestöffnungszeit von       Sekundarstufe I
                       40 Zeitstunden ergibt, im Durchschnitt die Hälfte,
                       also 9,4 Zeitstunden, personell abgedeckt sein müs-        In Tabelle 13.1 wird die bis 2030 zu erwartende Schü-
                       sen. Diese Variante führt dazu, dass insgesamt 30,6        lerzahlentwicklung in der Sekundarstufe I dargestellt:
                       Zeitstunden, also 76,5 Prozent von 40 wöchentlichen        Die Schülerzahlen dieser Bildungsstufe werden sich
                       Zeitstunden, für den Ganztagsbetrieb bereitgestellt        von etwa 4.134.000 im Jahr 2015 bis 2030 auf dann
                       werden.                                                    4.507.000 erhöhen. Ausgehend von der derzeitigen
                                                                                  Beteiligungsquote am Ganztag (40,3 %) wird die Zahl
                       Beim Raumbedarf gehen wir, wie oben erwähnt,               der am Ganztag teilnehmenden Schüler bis 2030 auf
                       davon aus, dass adäquate Räumlichkeiten in vollem          dann 4.507.000 (100 %) ansteigen. Dies bedeutet,
                       Umfang, also gemäß der Maximalvariante, bereitge-          dass in den Jahren bis 2020 jährlich im Durchschnitt
                       stellt werden müssen, unabhängig davon, wie inten-         etwa 153.000 Schüler hinzukommen, in den Jah-
                       siv die zeitliche Nutzung durch die Ganztagsschüler        ren von 2021 bis 2025 sind jährlich zusätzlich etwa
                       genau ausfällt. Dies führt (vgl. dazu die Daten in Ta-     179.000 Schüler zu erwarten und in den letzten fünf
                       belle 11, die dem bereits vorgestelltem Berechnungs-       Jahren bis 2030 im Jahresdurchschnitt sogar 236.000
                       muster folgen) in Summe zu jährlichen Mehrausga-           (vgl. Tabelle 13.2).
                       ben für Personal und Räume von 1,6 Milliarden Euro
                       (Schuljahr 2020/2021), 2,3 Milliarden Euro im Schul-       Um je gebildete Klasse 40 Zeitstunden je Woche mit
                       jahr 2025/2026 und 2,6 Milliarden Euro im Schuljahr        Lehrkräften und weiterem pädagogischem Personal
                       2030/2031 (vgl. Tabelle 21).                               zu versorgen, wird zunächst ermittelt, wie viele
                                                                                  der 40 Zeitstunden bereits im normalen Halbtag mit
                       Danach würden sich die jährlichen Mehrausgaben             Personal ausgestattet sind (vgl. dazu Tabelle 13.3):
                       nur in dem Maße verändern, in dem die Schülerzah-          Im Durchschnitt der Bundesländer und aller Jahr-
                       len wieder sinken oder weiter ansteigen. Im Jahr der       gangsstufen der Sekundarstufe I erhalten die
                       vollendeten Umstellung auf ein Ganztagsschulsystem         Sekundarstufenschüler etwa 31,4 Wochenstunden

18
Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

Unterricht. Bei einer Unterrichtsstunde von 45 Minu-       Schüler den Wert von 1,21 Quadratmetern (vgl. dazu
ten entspricht dies 23,6 Zeitstunden.                      ausführlicher Klemm 2012: 26 ff.).

Unterstellt man, dass im Durchschnitt im halbtägigen       Bei den Ausgaben, die je Quadratmeter eingesetzt
Schulbetrieb je Unterrichtsstunde 7,5 Minuten Pause        werden müssen, wird der im Vergleich zu üblichen
hinzukommen (also bei 31,4 Unterrichtsstunden              Quadratmeter-Preisen im Schulbau niedrigere Wert
noch einmal 3,9 Zeitstunden), so deckt der Halbtags-       von 2.000 Euro je Quadratmeter angesetzt: Bei der
betrieb 27,5 Zeitstunden je Woche ab. Um insgesamt         Schaffung von Ganztagsflächen müssen vielfach
40 Zeitstunden je Woche mit Lehrkräften und wei-           keine neuen Räume errichtet werden; zum Teil kön-
terem pädagogischem Personal betreuen zu können,           nen auch Umrüstungen bestehender Flächen zielfüh-
sind weitere 12,5 Zeitstunden erforderlich. Unter der      rend sein. Auf diesem Hintergrund (1,21 m2 je Schüler
Annahme, dass diese Mehrzeit je hälftig, also mit je-      und 2.000 Euro je m2) ergeben sich in der Periode zwi-
weils 6,25 Zeitstunden, von Lehrkräften und von wei-       schen den Schuljahren 2015/2016 und 2020/2021
terem pädagogischem Personal betreut wird, werden          jahresdurchschnittliche Ausgaben in Höhe von 370
33,3 Prozent einer Lehrerstelle (mit einem Deputat         Millionen Euro, in den beiden Folgeperioden von 433
von 25 Unterrichts- bzw. 18,75 Zeitstunden) und            bzw. 572 Millionen Euro (vgl. Tabelle 13.6). Nach dem
16 Prozent einer Stelle des weiteren pädagogischen         Schuljahr 2030/2031 fallen weitere Schulbauausga-
Personals (mit jeweils 39 Zeitstunden) benötigt.           ben für den Ganztagsbetrieb nur in dem Fall an, dass
Bei Arbeitgebervollkosten je Stelle (bei Lehrkräften:      die Schülerzahlen weiter steigen.
67.000 Euro, beim weiteren pädagogischen Perso-
nal 51.000 Euro) ergibt dies Personalkosten von            Die bisher vorgestellten Ausgabenberechnungen
jährlich 30.471 Euro; je Schüler sind dies bei einer       berücksichtigen nicht die Tatsache, dass den im
durchschnittlichen Klassenfrequenz von 24 also             Schuljahr 2015/2016 bereits im Ganztag lernenden
1.270 Euro.                                                1.667.588 Schülern die in dieser Studie angesteuerte
                                                           Personal- und Raumausstattung noch nicht zur Ver-
Für die im Schuljahr 2020/2021 gegenüber dem               fügung steht. Derzeit finden wir in einzelnen Ländern
Ausgangsschuljahr 2015/2016 insgesamt 763.890              Ganztagsschulen, die gerade den Mindestanforderun-
zusätzlich im Ganztag zu betreuenden Schüler der           gen der KMK (an drei Tagen der Woche mindestens
Sekundarstufe I ergibt dies insgesamt 970 Millio-          sieben Zeitstunden) entsprechen. Es gibt aber auch
nen Euro an zusätzlichen Personalausgaben. Bis zum         in einer Reihe von Ländern Ganztagsschulen, die an
Schuljahr 2030/2031 steigern sich diese gegenüber          fünf Tagen achtstündige Angebote machen (vgl. zu
dem Schuljahr 2015/2016 zu erwartenden Mehraus-            den entsprechenden Bestimmungen für gebundene
gaben auf 3,6 Milliarden Euro (vgl. Tabelle 13.4).         Ganztagsschulen Klemm und Zorn 2016).
In den Jahren danach bleiben sie auf diesem Niveau,
sofern die Schülerzahlen nicht weiter ansteigen oder       Da es uns nicht möglich ist, einen bundesweit durch-
wieder sinken. Im Schuljahr 2030/2031 summiert             schnittlichen Wert für den zeitlichen Rahmen der
sich der personelle Mehrbedarf zu einem Umfang             Ganztagsschulen zu ermitteln, unterstellen wir hier
von 39.400 Vollzeitstellen für Lehrkräfte und zu fast      (fraglos vereinfachend), dass bei den bereits beste-
19.000 Stellen für Erzieherpersonal.                       henden Ganztagsschulen der Sekundarstufe I 50 Pro-
                                                           zent des ganztagsspezifischen Zusatzbedarfs an Per-
Wie schon erwähnt, greifen wir auf entsprechende           sonal und Fläche bereits zur Verfügung stehen, so-
Vorgaben von Schulträgern kreisfreier Städte zu-           dass nur noch die Hälfte des Zusatzbedarfs für ein
rück, um den für den Ausbau der Ganztagsschulen er-        Angebot von acht Stunden an fünf Tagen zusätzlich
forderlichen Schulraum zu berechnen. In Tabelle 16         zur Verfügung gestellt werden muss: also 6,25 Zeit-
sind solche Vorgaben für Ganztagsschulen der Se-           stunden und 0,61 Quadratmeter je Schüler.
kundarstufe I (im vorliegenden Fall für fünfzügige
Schulen) der Städte Köln und Kiel zusammengestellt:        Bei diesen Annahmen ergeben sich für das Anhe-
Da die Vorgaben sich weitgehend entsprechen, Kiel          ben der bestehenden Ganztagsschulen auf das in
aber keine konkreten Angaben für den Küchenbedarf          dieser Untersuchung angestrebte Ausstattungs-
macht, wird der Wert der Stadt Köln übernommen:            niveau für das Personal jährlich gleichbleibende
Diese Kölner Vorgabe liefert für den Raumbedarf je         Mehrausgaben in Höhe von 1,06 Milliarden Euro (dies

                                                                                                                                      19
Gute Ganztagsschule für alle – Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

                             entspricht etwa 11.600 Vollzeitstellen für Lehrkräfte               Anders ausgedrückt: Gemäß dieser Variante wer-
                             und fast 5.600 Stellen für Erzieherpersonal) und für                den insgesamt 33,8 Zeitstunden, also 84,5 Prozent
                             die Jahre bis 2020 (dann soll gemäß unseren Annah-                  der schulischen Mindestöffnungszeit (von 40 Zeit-
                             men die bauliche Anpassung abgeschlossen sein) jähr-                stunden wöchentlich) für den Ganztagsbetrieb be-
                             lich Ausgaben für den Schulbau von knapp 404 Millio-                reitgestellt. Dies führt (vgl. dazu die Daten der Tabelle
                             nen Euro (vgl. zu diesen Berechnungen Tabelle 14).                  15, die dem bereits vorgestellten Berechnungsmus-
                                                                                                 ter folgen) insgesamt zu Mehrausgaben für Personal
                             Insgesamt führt der Ausbau der Ganztagsschulen der                  und Räume von knapp 1,3 Milliarden Euro im Schul-
                             Sekundarstufe I bis 2030/2031 auf das Beteiligungs-                 jahr 2020/2021, von 1,5 Milliarden Euro im Schul-
                             niveau von 100 Prozent und auf Ganztagsangebote                     jahr 2025/2026 und 2,4 Milliarden Euro im Schuljahr
                             von 40 wöchentlichen Zeitstunden für alle Schüler                   2030/2031 (vgl. Tabelle 21).
                             zu Mehrausgaben von 2,8 Milliarden Euro im Schul-
                             jahr 2020/2021, von 3,6 Milliarden Euro im Schuljahr                Danach würden sich die jährlichen Mehrausgaben
                             2025/2026 und von 5,2 Milliarden im Zielschuljahr                   nur in dem Maße verändern, in dem die Schülerzah-
                             des Vollausbaus in 2030/2031 (vgl. dazu die Über-                   len wieder sinken oder weiter ansteigen. Auf Vollzeit-
                             sicht in Tabelle 20).                                               stellen umgerechnet entspricht der entstehende per-
                                                                                                 sonelle Mehrbedarf im Schuljahr 2030/2031 etwa
                             Die Berechnung der pragmatischen Variante geht                      19.900 Vollzeitstellen für Lehrkräfte und etwa 9.600
                             davon aus, dass im Durchschnitt jeweils die Hälfte                  Stellen für Erzieherpersonal.
                             der Mehrzeit, die sich aus der Differenz von 40 Zeit-
                             stunden und der Unterrichtszeit (einschließlich der                 Personelle Mehrausgaben für die Anpassung der
                             Pausenzeiten) ergibt, von Schülern im Rahmen von                    Ganztagsschulstandards an die dieser Studie zu-
                             Kern- und Angebotszeiten wahrgenommen werden.                       grunde liegenden Standards für die Schüler, die heute
                             In den Schulen der Sekundarstufe I bedeutet dies,                   schon Ganztagsschulen besuchen, entstehen nicht,
                             dass 27,5 Zeitstunden durch Unterricht und Pausen-                  da wir davon ausgehen, dass für diese Schüler
                             zeiten beansprucht werden. Von den zu 40 Zeit-                      heute schon im Durchschnitt 50 Prozent des Ganz-
                             stunden fehlenden 12,5 Zeitstunden muss die Hälfte,                 tagsbedarfs abgedeckt werden. Anders im Fall von
                             also 6,3 Zeitstunden, personell abgedeckt werden.                   Räumlichkeiten für den Ganztag: Hier treffen wir die

  ABBILDUNG 3 Zusätzliche Kosten für den Umbau zu einem deutschlandweiten Ganztagsschulsystem – Sekundarstufe I

  Mehrkosten gegenüber dem Schuljahr 2015/2016*
                                                                                                                                                  5.238
  in Millionen Euro

     Zusätzliches Personal                                                                                           3.599
     Zusätzlicher Raum                                                           2.804
                                                                                                                                                      4.666
                                                                                                                                    2.392
                                                                                                   1.496             3.166
                                                                                 2.031
                                                                1.263                                                               1.820
                                                                 490                                1.063
                                                                 773              773               433            433               572              572
                                                            Pragmatische     Maximal-           Pragmatische     Maximal-        Pragmatische    Maximal-
                                                              Variante       variante             Variante       variante          Variante      variante

  Schuljahr                          2015/2016                      2020/2021                          2025/2026                       2030/2031

  Schüler insgesamt                   4.134.150                     4.039.000                           4.157.000                       4.507.000

  Schüler im Ganztag                  1.667.588                     2.431.478                           3.325.600                       4.507.000

  Anteil Ganztag                       40,3 %                           60,2 %                              80,0 %                          100,0 %

  * Hinweis: Die Kostenschätzungen beinhalten die Anhebung der Qualitätsstandards (Maximalvariante: Räume und Personal,
    pragmatische Variante: Räume) für Ganztagsschüler des Schuljahrs 2015/2016.
  Quelle: Eigene Berechnungen, u. a. auf Basis von Klemm und Zorn 2017 sowie KMK 2017. Abweichungen durch Rundungseffekte.

20
Kosten für den Ausbau eines qualitätsvollen Ganztagsschulsystems in Deutschland bis 2030

Annahme, dass unabhängig von der Dauer der Nut-             men (also bei 28,3 Unterrichtsstunden noch einmal
zung alle Ganztagsschüler adäquate Räumlichkei-             3,5 Zeitstunden), so deckt der Halbtagsbetrieb 24,7
ten benötigen. Der erforderliche investive Aufwand          Zeitstunden je Woche ab.
zur Anhebung bestehender räumlicher Standards auf
das in dieser Studie zugrunde gelegte qualitativ hö-        Um insgesamt 40 Zeitstunden je Woche mit Lehr-
here Niveau beträgt insgesamt zwei Milliarden Euro          kräften und weiterem pädagogischem Personal ab-
bzw. führt bis zum Schuljahr 2020/2021 zu jährlichen        decken zu können, sind weitere 15,3 Zeitstunden
Mehrkosten von 404 Millionen Euro (vgl. Tabelle 21).        erforderlich. Unter der Annahme, dass diese zusätz-
                                                            lichen Stunden je hälftig, also mit jeweils 7,65 Zeit-
                                                            stunden, von Lehrkräften und weiterem pädagogi-
Förderschulen                                               schem Personal betreut werden, braucht man 38,5
                                                            Prozent einer Lehrerstelle (mit einem Deputat von
In Tabelle 17.1 wird die bis 2030 zu erwartende             26,5 Unterrichts- bzw. 19,88 Zeitstunden) und ge-
Schülerzahlentwicklung der in Förderschulen                 rundet 20 Prozent einer Stelle des weiteren pädago-
lernenden Schüler dargestellt (nicht berücksichtigt         gischen Personals (mit jeweils 39 Zeitstunden). Bei
wird dabei der mögliche Wechsel des Lernortes in            Arbeitgebervollkosten je Stelle (Lehrkräfte: 65.000
Folge der Inklusion, der zu sinkenden Zahlen in För-        Euro, weiteres pädagogisches Personal: 51.000
derschulen und zu steigenden in den allgemeinen             Euro) ergibt dies Personalkosten von jährlich 35.021
Schulen führen würde; für unsere Gesamtkalkula-             Euro; je Schüler sind dies bei einer durchschnitt­
tion ist dies jedoch ohne Belang): Die Schülerzah-          lichen Klassenfrequenz von 9,5 also 3.686 Euro.
len der Förderschulen werden von etwa 323.000
im Jahr 2015 bis 2030 auf dann etwa 357.000 an-             Für die im Schuljahr 2020/2021 gegenüber
steigen.                                                    2015/2016 insgesamt 44.299 zusätzlich im Ganz-
                                                            tag zu betreuenden Förderschüler entstehen in der
Ausgehend von der derzeitigen Beteiligungsquote             Maximalvariante insgesamt 163 Millionen Euro an
am Ganztag (52,8 Prozent) wird die Zahl der am              zusätzlichen Personalausgaben. Bis zum Schuljahr
Ganztag teilnehmenden Schüler von derzeit 170.173           2030/2031 steigen diese gegenüber dem Schuljahr
bis zum Schuljahr 2030/2031 auf dann 357.000                2015/2016 erwarteten Mehrausgaben auf knapp
(100 %) ansteigen. Dies bedeutet, dass in den Jah-          689 Millionen Euro (vgl. Tabelle 17.4). Auf Vollzeit-
ren bis zum Schuljahr 2020/2021 jährlich im Durch-          stellen umgerechnet bedeutet dies für das Zieljahr
schnitt knapp 8.900 Schüler hinzukommen werden,             des Ausbaus zusätzliche Lehrkräfte im Umfang von
in den Schuljahren von 2021/2022 bis 2025/2026              etwa 7.600 Stellen und zusätzliche Erzieher im
sind jährlich zusätzlich etwa 11.900 Schüler zu             Umfang von fast 3.900 Stellen.
erwarten und in den letzten fünf Jahren bis zum
Schuljahr 2030/31 noch einmal im Jahresdurch-               Wie bereits ausgeführt, wird zur Ermittlung des
schnitt ca. 16.700 (vgl. Tabelle 17.2).                     erforderlichen Schulraums auf entsprechende
                                                            Vorgaben von Schulträgern kreisfreier Städte für
Um je gebildete Klasse 40 Zeitstunden pro Woche             Grundschulen zurückgegriffen, da bundesweit keine
mit Lehrkräften und weiterem pädagogischem                  Schulbaurichtlinien mit Vorgaben für den ganztags-
Personal zu ermöglichen, wird zunächst ermittelt,           schulspezifischen Raumbedarf existieren – siehe
wie viele der 40 Zeitstunden bereits im normalen            dazu die entsprechenden Erläuterungen im Ab-
Halbtag mit Personal ausgestattet sind (vgl. dazu           schnitt zu den Grundschulen weiter oben im Text
Tabelle 17.3): Da Länderwerte hierzu schwer                 (Vorgaben für Ganztagsförderschulen sind uns nicht
zu bekommen sind, werden hier nordrhein-west-               bekannt). Auf diesem Hintergrund (1,94 m2 je
fälische Werte herangezogen. Dort erhalten im               Schüler und 2.000 Euro je m2) ergeben sich in der
Durchschnitt aller Jahrgangsstufen der Förder-              Periode 2015/2016 bis 2020/2021 jahresdurch-
schulen die Schüler 28,3 Wochenstunden Unter-               schnittliche Ausgaben in Höhe von 34 Millionen
richt. Bei einer Unterrichtsstunde von 45 Minuten           Euro, in den beiden Folgeperioden von 46 bzw. von
entspricht dies 21,2 Zeitstunden. Unterstellt man,          65 Millionen Euro.
dass im Durchschnitt im halbtägigen Schulbetrieb
je Unterrichtsstunde 7,5 Minuten Pause hinzukom-

                                                                                                                                       21
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