Herr und Frau Schweizer suchen gere-gelte Beziehungen zur EU - Wichtiges in Kürze - Standort Schweiz 2020 - Europafragen Im Auftrag der Interpharma
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Wichtiges in Kürze Herr und Frau Schweizer suchen gere- gelte Beziehungen zur EU Standort Schweiz 2020 – Europafragen Im Auftrag der Interpharma ©GFS.BERN | JUNI 2020
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Projektteam Urs Bieri: Co-Leiter Alexander Frind: Projektleiter Edward Weber: Projektleiter José Kress: Datenanalytiker Bern, 11. Juni 2020 © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 2
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 1 Coronakrise verstärkt Ambivalenz, Vorteilssicht auf Bilaterale bleibt zentral Die Coronakrise überdeckt aktuell die Europapolitik, was zu tieferer Mobi- lisierungskraft bei Meinungbildung zu Europathemen führt. Das Handeln der EU während der Krise führt zu ambivalenteren Haltungen gegenüber den Bilateralen, erschüttert die Vorteilssicht im Grundsatz aber nicht. Nach wie vor beurteilt der grösste Teil der Stimmberechtigten die Bilate- ralen als vorteilhaft, der Anteil Stimmbevölkerung mit gleichzeitiger Vor- und Nachteilssicht hat jedoch zugenommen. Die Coronakrise überdeckt aktuell die Aufmerksamkeit der Schweizer Stimmberechtig- ten, denn die momentan geäusserte Teilnahmeabsicht an einer Europaabstimmung fällt gegenüber den früher erhobenen Werten klar unterdurchschnittlich aus. Erfahrungsge- mäss wird sich dieser Wert aber gerade bei Europavorlagen noch sichtbar gegen oben entwickeln. Das aktuelle Bild zu den bilateralen Verträgen ist von zunehmender Ambivalenz geprägt, denn der Anteil Stimmberechtigter mit gleichzeitiger Vor- und Nachteilssicht beträgt neu mehr als ein Viertel. Die Vorteilssicht wird hingegen leicht weniger stark betont, als wir dies noch vor einem Jahr beobachtet haben. Ursächlich ist die Coronakrise, denn die Stimmberechtigten der Schweiz beurteilen das Handeln der EU im Krisenmanagement nicht unkritisch: Wer der EU für ihr Verhalten während der Coronakrise ein schlechtes Zeugnis ausstellt, würde häufiger gegen das Rahmenabkommen und für die Kündi- gungsinitiative stimmen. Insgesamt überwiegt aber ungebrochen die Vorteilssicht die wahrgenommenen Nachteile der bilateralen Verträge deutlich, die Coronakrise führt sichtbar nicht zu einer kompletten Neuformatierung der Einstellung gegenüber den Bi- lateralen. Grafik 1 3 4 4 3 3 4 2 2 Trend Einschätzung 3 5 4 4 5 3 6 2 1 3 3 3 weiss nicht/keine Antwort 4 bilaterale Verträge 16 16 15 18 20 17 19 weder noch "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 17 alles in allem mehr Vorteile oder mehr 16 28 28 nur Nachteile Nachteile? Sagen Sie mir bitte, ob Sie nur 19 24 Vorteile, eher Vorteile, eher Nachteile oder 25 nur Nachteile sehen." eher Nachteile in % Stimmberechtigter 43 50 Vor- und Nachteile 40 41 38 gleichzeitig 35 39 eher Vorteile 12 10 9 11 8 7 8 nur Vorteile Feb Okt. Apr. Feb. Apr. Mär. Jun. gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 2015 2015 2016 2017 2018 2019 2020 (N jeweils ca. 2’300) © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 3
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Eine Zunahme der ambivalenten Beurteilung ("Vor- und Nachteile gleichzeitig") ist in erster Linie ein Phänomen in der Deutschschweiz: Grafik 2 2 4 2 3 12 4 3 3 11 Trend Einschätzung 1 3 3 2 8 2 1 4 4 2 4 3 1 10 weiss nicht/keine Antwort bilaterale Verträge 17 14 13 3 20 5 21 nach Sprachregion 11 24 25 weder noch "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 17 8 29 alles in allem mehr Vorteile oder mehr 26 nur Nachteile 35 16 Nachteile? Sagen Sie mir bitte, ob Sie nur 32 Vorteile, eher Vorteile, eher Nachteile oder nur Nachteile sehen." 28 eher Nachteile 45 16 48 in % Stimmberechtigter 52 44 Vor- und Nachteile 44 gleichzeitig 36 35 26 36 eher Vorteile 19 17 9 9 9 9 11 11 4 nur Vorteile 2 Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. 2018 2019 2020 2018 2019 2020 2018 2019 2020 gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N jeweils ca. 2’300) DCH FCH ICH Neu beträgt der Anteil mit gemischten Gefühlen gegenüber den Verträgen in der Deutschschweiz mehr als ein Drittel der Stimmberechtigten (35%). In der französisch- sprachigen Schweiz ist dagegen sogar ein Ausbau der Vorteilssicht zu beobachten. An- ders sieht es hingegen in der italienischsprachigen Schweiz aus. Dort schlägt die coronabedingte kritische Beurteilung der EU am ehesten direkt auf eine verstärkt kriti- sche Sicht auf die Bilateralen um. Parteipolitisch folgt die Beurteilung dem grundsätzlichen Muster der letzten Jahre. Am stärksten ist die Nachteilssicht bei den Anhänger*innen der SVP ausgeprägt, mit einer deutlichen Zunahme der gemischten Beurteilung. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 4
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Grafik 3 3 1 11 3 11 3 1 3 4 5 2 1 1 3 4 1 6 4 2 12 2 3 11 2 7 4 Trend Einschätzung 8 2 6 9 11 14 2 6 10 weiss nicht/keine Antwort 15 bilaterale Verträge 12 16 14 14 22 17 22 weder noch nach Parteibindung 17 19 (1/2) 39 nur Nachteile "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU 32 alles in allem mehr Vorteile oder mehr Nachteile? Sagen Sie mir bitte, ob Sie nur 48 65 eher Nachteile 60 60 Vorteile, eher Vorteile, eher Nachteile oder 56 54 50 52 72 nur Nachteile sehen." 55 Vor- und Nachteile in % Stimmberechtigter gleichzeitig 39 32 eher Vorteile 25 16 18 18 17 16 18 15 nur Vorteile 8 10 8 7 Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. 2018 2019 2020 2018 2019 2020 2018 2019 2020 2018 2019 2020 gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N jeweils ca. 2’300) GPS SP GLP CVP Grafik 4 Trend Einschätzung 21 5 2 6 1 5 2 11 4 12 7 2 3 4 6 3 7 11 weiss nicht/keine Antwort bilaterale Verträge 11 8 2 9 5 3 4 11 nach Parteibindung 16 23 34 28 29 6 weder noch 34 (2/2) 14 nur Nachteile 32 26 "Ganz generell: Sehen Sie in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU eher Nachteile 23 alles in allem mehr Vorteile oder mehr 28 Nachteile? Sagen Sie mir bitte, ob Sie nur Vorteile, eher Vorteile, eher Nachteile oder 52 43 51 52 Vor- und Nachteile nur Nachteile sehen." 46 gleichzeitig 36 44 in % Stimmberechtigter eher Vorteile 37 29 18 14 14 nur Vorteile 10 11 11 3 2 1 4 Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. Apr. Mär. Jun. 2018 2019 2020 2018 2019 2020 2018 2019 2020 FDP.Die Liberalen SVP Parteiungebundene gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N jeweils ca. 2’300) Im Sommer 2020 sind auch die Sympathisant*innen der CVP skeptischer als noch vor einem Jahr. Dort umfasst die Vorteilssicht keine Mehrheit mehr und der Anteil mit am- bivalenter Sicht ist von 19 Prozent auf fast ein Drittel angewachsen. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Parteiungebundenen und in leichterem Ausprägungsgrad im La- ger der FDP.Die Liberalen. Neu wurde in der Studienreihe die Glaubwürdigkeit verschiedener Akteure in Sachen Eu- ropapolitik erhoben. Eine breite Palette an Akteuren geniesst dabei mehrheitliches Ver- trauen bezüglich der Europapolitik: © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 5
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Grafik 5 Bundesrat 31 55 2 11 1 Glaubwürdigkeit Parlament 16 61 3 19 1 Organisationen FDP 7 67 2 20 31 "Ich nenne ihnen jetzt einige CVP 7 67 2 19 41 Organisationen, die sich zur Europapolitik äussern können. Sagen Sie mir bitte jeweils, WissenschafterInnen 16 57 6 17 31 wie glaubwürdig diese Organisationen für Sie sind, um etwas über das institutionelle Rahmenabkommen zu sagen. Wenn Sie eine Leute wie Sie und ich 13 55 8 19 32 Organisation nicht kennen, sagen Sie mir das ruhig." SP 8 57 2 26 7 Grüne 8 51 2 28 10 1 in % Stimmberechtigter Grünliberale 7 52 3 28 10 Gewerkschaften 9 50 5 30 6 Wirtschaftsverbände und 10 48 6 31 32 Unternehmer SVP 10 47 2 23 18 Medien 5 36 6 40 13 AUNS 14 23 2 20 24 17 sehr glaubwürdig eher glaubwürdig weiss nicht/keine Antwort gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N = 2005), sig. eher nicht glaubwürdig überhaupt nicht glaubwürdig kenne Organisation nicht Bundesrat und Parlament belegen die ersten beiden Plätze, gefolgt von Vertreter*innen der FDP, CVP und der Wissenschaft. Auch der Bevölkerung spricht man europapolitische Kompetenz zu, wie auch den anderen Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbän- den. Kritischer steht man den Medien und der Auns gegenüber, denn diese werden deut- lich weniger glaubwürdig eingeschätzt. Auf der argumentativen Ebene haben der Anschluss der Schweiz an Forschungs- und Bildungsprogramme, der Exportzugang und die Mobilität an Wichtigkeit für die Stimm- berechtigten gewonnen und erreichen Zustimmungswerte zwischen 80 und 90 Prozent. Das Fachkräftemangelargument und die Verbindung von Bilateralen und Wohlstand werden im Zeitverlauf stabil mehrheitlich beurteilt. Grafik 6 100 Trend Pro-Argumente Zugang zu Bildungs- 90 rund um Bilaterale /Forschungsprogrammen 80 "Wir haben hier einige Argumente aus der politischen Diskussion in der Schweiz rund 70 Zugang zu Exportmarkt um diese bilateralen Verträge mit der EU gesammelt, die man immer wieder hören 60 kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher, eher nicht oder gar nicht einverstanden sind." 50 überall wohnen, studieren und arbeiten 40 in % Stimmberechtigter Anteil voll/eher einverstanden 30 Fachkräfte aus Ausland notwendig 20 10 Bilaterale verhelfen zu 0 Wohlstand Feb. Okt. Apr. Feb. Apr. Mär. Jun. 2015 2015 2016 2017 2018 2019 2020 gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N = jeweils ca. 2’400) © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 6
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Auf der Gegenseite bleiben die bekannten kritischen Punkte gegenüber den Bilateralen: Die Meinung, dass durch die Personenfreizügigkeit die einheimischen Löhne unter Druck geraten, erreicht fast 70 Prozent Zustimmung und damit seit Beginn der Messung einen Höchstwert. Überdurchschnittliche Zustimmung erhält die Aussage in der italie- nischsprachigen Schweiz (voll/eher einverstanden: 85%). Sinkende Unterstützung er- hält die Aussage, dass die Zuwanderung eine Belastung für die Sozialwerke ist, das Ar- gument bleibt aber mehrheitsfähig. Mögliche Auswirkungen auf Miet- und Immobilien- preise sowie die Wahrnehmung des Kontrollverlustes bei der Zuwanderung werden leicht tiefer als 2019 geteilt und erhalten keine absoluten Mehrheiten mehr. Nur noch etwa ein Fünftel der Stimmberechtigten ist der Meinung, dass die Schweiz nicht auf die bilateralen Verträge angewiesen ist. Im Vorjahr waren es noch mehr als ein Drittel der Stimmberechtigten. Grafik 7 100 Trend Contra- 90 einheimische Löhne unter Druck durch Argumente rund um PFZ 80 Bilaterale "Wir haben hier einige Argumente aus der Zuwanderung als 70 politischen Diskussion in der Schweiz rund Belastung für um diese bilateralen Verträge mit der EU Sozialwerke gesammelt, die man immer wieder hören 60 kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher, eher nicht oder gar nicht einverstanden sind." 50 Zuwanderung erhöht Miet- und Immobilienpreise 40 in % Stimmberechtigter Anteil voll/eher einverstanden 30 Kontrolle über Zuwanderung verloren 20 10 Schweiz nicht auf Bilaterale angewiesen 0 Feb. Okt. Apr. Feb. Apr. Mär. Jun. gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 2015 2015 2016 2017 2018 2019 2020 (N = jeweils ca. 2’400) Die Coronakrise fügt der europapolitischen Meinungsbildung eine neue Dimension hinzu, denn sie hat einen negativen Einfluss auf die Stimmung gegenüber den bilateralen Verträgen. 45 Prozent der Stimmberechtigten geben an, dass sich Ihre Haltung gegen- über den vertraglichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ins nachteilige verändert hat. Etwas mehr als ein Viertel der Stimmbevölkerung äussert sich aufgrund der Krise verstärkt positiv gegenüber den bilateralen Beziehungen. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 7
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Grafik 8 Einfluss der Corona- stark ins Negative stark ins Positive Krise in der 8 2 Einschätzung eher ins Positive 26 "Hat sich Ihre Einschätzung zu den Vorteilen und Nachteilen der Bilateralen Verträge durch die Corona-Krise verändert? Hat sie sich stark ins Positive, eher ins Positive, eher ins Negative oder stark ins Negative verändert?" eher ins Negative in % Stimmberechtigter 37 weiss nicht/keine Antwort 27 gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N = 2005) In der italienischsprachigen Schweiz ist der Anteil mit kritischer Sicht sogar mehrheit- lich ausgeprägt. Dass das Krisenmanagement der EU bei den Schweizer Stimmberechtigten "einen Za- cken aus der Krone" gebrochen hat, bestätigt auch das statistische Regressionsverfah- ren: Ein negativer Meinungswandel aufgrund der Coronakrise hat den zweitstärksten Effekt auf eine ablehnende Haltung gegenüber den Bilateralen. Die Wahrnehmung eines Kon- trollverlustes über die Zuwanderung fördert eine ablehnende Haltung am stärksten, ist aber aktuell kein mehrheitsfähiges Argument. Am Rande wirken die generelle Ablehnung der Bilateralen und das Lohndruck- und Sozialwerkeargument auf eine Nachteilssicht. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 8
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Grafik 9 Kontrolle über Zuwanderung Regression verloren Einschätzung negatives Bild Coronakrise bilaterale Verträge Bilaterale verhelfen zu mit Argumenten rund Wohlstand um die Bilateralen Zugang zu Exportmarkt Schweiz nicht auf Bilaterale angewiesen überall wohnen, studieren Stimmberechtigte und arbeiten einheimische Löhne unter Druck durch PFZ Zuwanderung als Belastung für Sozialwerke Fachkräfte aus Ausland notwendig gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (N = 2005), Erklärungsgrad = 45% Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unab- hängigen Variablen (hier: die Argumente für oder gegen die Bilateralen) auf eine abhängige Variable (Vor-/Nachteils- sicht Bilaterale). Anhand der Farbe lässt sich unterscheiden, ob ein Element eher zu einer Ja- (blau) oder eher zu einer Nein-Stimmabsicht (orange) führt. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss. Die Aussagen, dass die Bilateralen zu Wohlstand verhelfen und den Zugang zum wich- tigsten Schweizer Exportmarkt sichern, haben eine ausgesprochen starke Meinungswir- kung Richtung Vorteilssicht. 2 Kein Aufschwung für die Kündigungsinitiative Die aktuell von der Corona-Pandemie geprägte öffentliche Diskussion hat bei der Kündigungsinitiative bisher wenig Dynamik ausgelöst und ihr ins- besondere nicht zu einer breiteren Unterstützung im Stimmvolk verholfen: Derzeit wollen 29 Prozent der Befragten der Vorlage zustimmen. Die Fron- ten sind immer noch klar: Die SVP-Anhängerschaft gegen den Rest. Nen- nenswert ist ein leichter Anstieg des JA-Lagers bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der CVP. Breite Zustimmung findet das Nein-Lager auch auf der argumentativen Ebene, insbesondere in Bezug auf Ängste bezüglich wirtschaftlicher Nach- teile als Folge der Initiative. Auf der Pro-Seite stechen die Argumente "frü- her ging es auch mit den Kontingenten", "durch die Corona-Krise wird das wahre Gesicht der EU sichtbar" und "die Initiative ist ein wichtiges Zeichen gegen das institutionelle Rahmenabkommen" heraus, weil sie sowohl von einer Mehrheit des Stimmvolkes geteilt werden, als auch signifikant mit dem Abstimmungsentscheid zusammenhängen. Sie genügen auch in der Summe aber sichtbar nicht, um die Stimmberechtigten für eine Zustim- mung zur Initiative zu begeistern. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 9
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Ungebrochen bleibt es dabei, dass die Initiant*innen auf einen eigentli- chen Neustart ihrer Kampagne und auf ein starkes Wendeereignis in ihre Richtung angewiesen sind. Corona beeinflusst zwar die aktuelle Stimmab- sicht, die Initiative steht dabei aber einer schon sehr weit fortgeschritte- nen Meinungsbildung und dem Unwillen, den bilateralen Weg grundsätz- lich zu gefährden, gegenüber. Da die Coronakrise zweifellos ein einschnei- dendes Ereignis in der modernen Geschichte der Schweiz darstellt, ist aber auch nicht ganz auszuschliessen, dass eine solche Entwicklung erst in den letzten Wochen vor der Abstimmung stattfinden. Ob dabei aber die Risiko- aversion gegenüber Experimenten auf Kosten der Wirtschaft nicht sogar noch stärker wirken, ist nicht zuletzt davon abhängig, ob es eine zweite Corona-Welle gibt, resp. wie sich die wirtschaftliche Situation in der Schweiz im September präsentiert. Die aktuelle Situation rund um die Corona-Pandemie hat der Begrenzungsinitiative bis- her nicht zu einem Aufschwung verholfen: Grafik 10 Trend Stimmabsicht bestimmt dagegen Kündigungsinitiative 38 43 "Die SVP und die Aktion für eine 46 51 unabhängige und neutrale Schweiz AUNS eher dagegen haben eine Initiative zur Kündigung des bisherigen Personenfreizügigkeits- abkommens mit der Europäischen Union lanciert, die sogenannte Kündigungsinitiative. Würde eine solche Kündigungsinitiative zur Abstimmung 20 weiss nicht/keine kommen, wären Sie dann bestimmt dafür, 18 Antwort 18 eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" 18 8 3 12 2 eher dafür in % Stimmberechtigter, 16 die bestimmt teilnehmen wollen 21 16 15 bestimmt dafür 17 13 12 13 gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (n zwischen 745 und 1'400) Feb. 2017 Apr. 2018 Mär.2019 Jun. 2020 Im Frühling 2019 hatten noch 33 Prozent der Stimmbürger, welche am Urnengang zur Begrenzungsinitiative teilnehmen wollten, die Absicht für die Vorlage zu stimmen. Ein gutes Jahr später liegt dieser Wert bei marginal geschrumpften 29 Prozent. Das Nein- Lager konnte umgekehrt in etwa gleichem Masse zulegen (von 64% auf 69%). Es kommt hinzu, dass der Anteil an Personen, welcher "bestimmt" Nein stimmen will, die Marke der absoluten Mehrheit von 50 Prozent zum ersten Mal seit Beginn der Erhebung über- schritten hat. Nur noch 2 Prozent derjenigen Personen, welche an der Abstimmung teil- nehmen wollen, neigen derzeit noch keinem der beiden Lager zu. Nachdem die Zustimmung zur Vorlage 2019 im Rahmen der Diskussionen zu den Bezie- hungen der Schweiz mit der EU angewachsen ist, ist sie vor dem Hintergrund der aktuell tiefen Intensität der öffentlichen Debatte zum Thema wieder fast auf das Niveau von 2018 zurückgefallen. Dies bei einem deutlich geringeren Anteil an Bürger*innen, welche sich nur "eher" oder gar nicht für eine der beiden Seiten entscheiden konnten. Dies © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 10
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 schränkt das Meinungsveränderungspotenzial für die Zukunft ein, was den Gegnern der Initiative hilft. Unverändert klar ist die Polarisierung entlang des parteipolitischen Links-Rechts Spektrums: Die politische Linke (SP, Grüne, GLP) stellt sich fast geschlossen gegen die Initiative, mit Nein-Anteilen von jeweils rund 90 Prozent. Bei den Anhängerschaften von CVP und FDP sind die entsprechenden Werte nur leicht tiefer (75% respektive 81%) und bei der SVP-Anhängerschaft sammeln sich die Befürworter (82% Ja-Anteil). Teilt man das Stimmvolk in Regierungsvertrauende und Regierungsmisstrauische ein, ist der An- teil der Initiativ-Befürworter im ersten Lager weiterhin marginal, hat im zweiten Lager jedoch eine absolute Mehrheit von 55 Prozent. Bei genauerer Betrachtung ist bei der politischen Mitte eine leichte Trendbewegung fest- stellbar: In der Anhängerschaft der CVP finden sich neu leicht verstärkte 21 Prozent, wel- che der Vorlage zustimmen wollen (+9 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019). Es kommt hinzu, dass der Anteil CVP-Sympathisanten, welcher die Vorlage lediglich "eher" ableh- nen will, klar gewachsen ist (neu 38%, im Vergleich zu 23% 2019), während der Anteil der dezidierten Gegner aber klar gesunken ist (von 65% 2019 auf 37% in der aktuellen Umfrage). Dies ist für die Vorlagen-Befürworter aber die einzige positive Entwicklung. Die Stärke des Nein-Lagers lässt sich auch an der hohen Zustimmung zu ihren Argu- menten messen: Grafik 11 Contra Argumente zur es ist verantwortungslos, den Zugang zum wichtigsten 36 30 3 22 8 'Kündigungsinitiative' Absatzmarkt aufs Spiel zu setzen In vielen Branchen herrscht akuter Fachkräftemangel. 37 29 2 23 9 Die Initiative verschärft die Situation zusätzlich "Wir haben hier einige Argumente rund um die 'Kündigungsinitiative' gesammelt, die gefährdet bilateralen Weg 33 30 6 20 11 man immer wieder hören kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden, eher Zuwanderung rettet AHV 19 38 13 21 10 nicht einverstanden oder gar nicht einverstanden sind." Umsetzung MEI steuert Zuwanderung genug 23 31 6 20 20 in % Stimmberechtigter, gefährdet den Wohlstand und die Arbeitsplätze in der die bestimmt teilnehmen 24 26 4 28 17 Schweiz Lohnschutz fällt weg 13 28 8 32 19 Die Überbrückungsrente packt das Hauptproblem an 15 26 16 28 16 voll einverstanden eher einverstanden weiss nicht/keine Antwort eher nicht einverstanden gar nicht einverstanden gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (n = 745) Bei den Contra-Argumenten zur Initiative steht die Angst vor wirtschaftlichen Schäden im Zentrum. Jeweils rund zwei Drittel der befragten Personen sind einverstanden mit der Problemsicht, dass es verantwortungslos sei, Zugang zum wichtigsten Absatzmarkt aufs Spiel zu setzen und dass die Initiative die Problematik des Arbeitskräftemangels zusätz- lich verschärfen würde. Ähnlich breit gestützt wird das zentrale Argument der grund- sätzlichen Gefährdung des bilateralen Weges. Etwas weniger Unterstützung erfahren die © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 11
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Aussagen, die Zuwanderung rette die AHV, die Umsetzung der Masseneinwanderungs- initiative steuere die Zuwanderung bereits genug und die Initiative gefährde Wohlstand und Arbeitsplätze in der Schweiz. Alle diese Argumente werden von einer Mehrheit des Stimmvolkes geteilt. Minderheitliche 41 Prozent der Befragten finden jeweils, ohne das Personenfreizügigkeitsabkommen fielen auch wichtige Massnahmen zum Schutz der Löhne weg und die Überbrückungsrente packe das Hauptproblem bereits an, eine Kün- digung des Personenfreizügigkeitsabkommens sei deshalb so nicht nötig. Weniger abgeschlagen als es die Stimmabsichten vermuten lassen würden, steht das Nein-Lager auf der argumentativen Ebene da. Mehrheiten gibt es für die Pro-Argumente "Durch die Corona-Krise wird das wahre Gesicht der EU sichtbar, schlussendlich schaut dann trotz Verträge jeder nur für sich selber", "Mit dieser Initiative wird ein wichtiges Zeichen gegen das institutionelle Rahmenabkommen gesetzt" sowie "Früher gab es auch nur Kontingente für ausländische Fachkräfte in der Schweiz, das hat gut funktio- niert". Die übrigen vier getesteten Pro-Argumente sind dagegen derzeit nicht mehr- heitsfähig. Darunter fällt auch das Hauptargument der Initianten, dass durch die Initia- tive die Zuwanderung wieder von der Schweiz selber gesteuert und so eine 10-Millionen Schweiz verhindert werden kann. Grafik 12 Pro Argumente zur Durch die Corona-Krise wird das wahre Gesicht der EU sichtbar 31 28 3 22 15 Kündigungsinitiative wichtiges Zeichen gegen das institutionelle Rahmenabkommen 29 30 7 17 18 gesetzt "Wir haben hier einige Argumente rund um die 'Kündigungsinitiative' gesammelt, die man immer wieder hören kann. Sagen Sie früher auch nur Kontingente 24 29 6 25 16 mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden, eher nicht einverstanden oder gar nicht einverstanden sind." Zuwanderung wieder selbst 17 20 3 26 34 kontrollieren in % Stimmberechtigter, für über 50-jährige Schweizer die bestimmt teilnehmen wieder einfacher, eine 10 22 4 33 31 Arbeitsstelle zu finden stoppt Kostenexplosion bei 10 19 6 31 34 Sozialhilfe Kündigung Bilaterale 1 kein 8 19 3 30 40 Problem voll einverstanden eher einverstanden weiss nicht/keine Antwort eher nicht einverstanden gar nicht einverstanden gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (n = 745) Nicht alle der getesteten Pro- und Contra-Argumente sind gleich stark mit der Stimm- absicht der Bürger verknüpft: Den klarsten Zusammenhang gibt es zwischen der (posi- tiven) Haltung gegenüber der Vorlage und den Pro-Argumenten, dass die Zuwanderung wieder selbst kontrolliert werden solle, dass die Kündigung der Bilateralen 1 kein Prob- lem sei und dass die Initiative die Kostenexplosion bei der Sozialhilfe stoppe. Da alle diese Argumente aber von einer Mehrheit des Stimmvolkes abgelehnt werden, nützt diese starke Verknüpfung mit der Stimmabsicht den Befürwortern der Initiative zu we- nig, um mehrheitsfähig zu werden. Das gleiche gilt für das Pro-Argument, dass die Vor- lage es über 50-jährigen Schweizern wieder einfacher mache, eine Arbeitsstelle zu fin- © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 1 2
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 den. Hingegen sind die beiden Pro-Argumente "früher ging es auch mit den Kontingen- ten" und "durch die Corona-Krise wird das wahre Gesicht der EU sichtbar" und "die Ini- tiative ist ein wichtiges Zeichen gegen das institutionelle Rahmenabkommen" sowohl von der Mehrheit der Stimmbürger getragen, als auch wirksam auf die Abstimmungsab- sicht. Von den Contra-Argumenten hängen folgende positiv mit dem Stimmentscheid zusam- men: Der Verweis auf den Fachkräftemangel der Schweiz, welcher durch die Vorlage zu- sätzlich verschärft würde, die Gefährdung des bilateralen Weges, das die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative die Zuwanderung schon genug steuere, dass es verant- wortungslos sei, den Zugang zum EU-Markt aufs Spiel zu setzen und dass die Überbrü- ckungsrente das Hauptproblem anpacke. Kein signifikanter Zusammenhang mit der Stimmabsicht haben die Nein-Argumente wonach im Falle eine Annahme der Initiative der Lohnschutz wegfällt, sowie dass der Wohlstand und die Arbeitsplätzte der Schweiz gefährdet seien und dass die Zuwande- rung die AHV rette. Grafik 13 Regression Zuwanderung wieder selbst kontrollieren Stimmabsicht Kündigung Bilaterale 1 kein Problem Kündigungsinitiative stoppt Kostenexplosion bei Sozialhilfe mit Argumenten In vielen Branchen herrscht akuter Fachkräftemangel. Die Initiative verschärft die Situation zusätzlich früher auch nur Kontingente Durch die Corona-Krise wird das wahre Gesicht der EU sichtbar gefährdet bilateralen Weg Stimmberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen Umsetzung MEI steuert Zuwanderung genug für über 50-jährige Schweizer wieder einfacher, eine Arbeitsstelle zu finden wichtiges Zeichen gegen das institutionelle Rahmenabkommen gesetzt es ist verantwortungslos, den Zugang zum wichtigsten Absatzmarkt aufs Spiel zu setzen Die Überbrückungsrente packt das Hauptproblem an gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (n = 745), Erklärungsgrad = 69% Schlussendlich ebenfalls zum Nachteil der Initiative dient die Erkenntnis, dass aus sta- tistischer Sicht nur gerade die AUNS und die SVP einen überzeugenden kommunikativen Draht hin zu den Gegner*innen zu entwickeln vermögen, während sowohl die Wirt- schaft, die öffentliche Hand, die Politik ausserhalb der SVP, die Medienlandschaft in der Summe, wie auch die Gewerkschaften die Ablehnung zu stützen vermögen. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 1 3
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 3 Das institutionelle Abkommen zwischen der Schweiz und EU findet stabile Mehrheit Das Rahmenabkommen hat weiterhin eine stabile Mehrheit. Die Sicherung des Exportzugangs und geregelte Beziehungen für die Schweizer Wirt- schaft sind der Stimmbevölkerung ein wichtiges Bedürfnis. Die Wahrneh- mung als Knechtschaftsvertrag besteht weiterhin als wichtigster Kritik- punkt mit negativer Meinungswirkung, es handelt sich aber nicht um eine Mehrheitsmeinung in der Stimmbevölkerung. Wer aufgrund der Coronakrise ein schlechteres Bild von den Bilateralen erhalten hat, würde das Abkommen heute aber häufiger ablehnen. Das institutionelle Rahmenabkommen ist mit leicht gestiegener Zustimmung mehr- heitsfähig und fast zwei Drittel der Stimmberechtigten mit Teilnahmeabsicht würden es an der Urne annehmen. Grafik 14 Trend Stimmabsicht 13 15 institutionelles bestimmt dagegen Abkommen Schweiz- 18 EU 20 eher dagegen "Würde ein solches institutionelles 5 Abkommen Schweiz-EU zur Abstimmung 5 kommen, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" weiss nicht/keine Antwort 42 43 in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen eher dafür 22 bestimmt dafür 17 Mär. 2019 Jun. 2020 gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (n = zwischen 1123 und 745) Eine ganze Reihe abgefragter Argumente für das Rahmenabkommen ist weiterhin mehr- heitsfähig. Die Sicherung des Zugangs zum Exportmarkt ist aus Sicht der Stimmberech- tigten die höchste Priorität. Diese Aussage hat im Zeitverlauf an Zustimmung gewonnen und wird neu von fast drei Viertel der Stimmberechtigten geteilt. An zweiter Stelle steht für die Stimmberechtigten die Planungssicherheit für die Wirtschaft. Mehrheitlich neh- men die Stimmberechtigten auch einen Aktualitätsverlust der Bilateralen wahr, auf ähn- lichem Niveau auch einen Bedeutungsverlust des Schweizer Wirtschaftsstandorts (Zu- stimmung jeweils rund 60%). Deutlich an Zustimmung hat die Aussage gewonnen, dass es ohne Abkommen künftig auch keine neuen Verträge geben wird. Neu ist diese Haltung mehrheitsfähig. Keine mehrheitliche Zustimmung erhalten die Aussagen, dass die © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 1 4
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Schweiz auch nach wie vor über jede Rechtsanpassung entscheiden könne und ein Ver- zicht die Schweiz der politischen Willkür ausliefern wird. Auf der Contra-Seite hat wie 2019 nur das Lohnschutzargument einen mehrheitsfähigen Status mit fast 60 Prozent Zustimmung. Etwas an Sukkurs gewonnen hat die Aussage, dass auch mit Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und EU am Schluss sowieso der Europäische Gerichtshof entscheidet. Dass EU-Bürger durch das Abkommen schneller Recht auf Schweizer Sozialhilfe erhalten würden, der Bundesrat eine bessere Lösung verhandeln könnte oder der Vertrag eine Knechtschaft gegenüber der EU begründet, trifft auf weniger Unterstützung als 2019 mit Zustimmungswerten jeweils unter 40 Pro- zent der Stimmberechtigten. Auch hier haben nicht alle ausgetesteten Argumente den gleichen Einfluss auf die Stimmabsichten für oder gegen das institutionelle Abkommen Schweiz-EU. Dass die Coronakrise die Meinungsbildung gegenüber den Bilateralen negativ beeinflussen zu vermochte, zeigt sich auch an dieser Stelle. Tatsächlich schlägt diese Haltung stark auf die Stimmabsicht zum Rahmenabkommen durch und ist der zweitstärkste Faktor für eine Nein-Stimme. Grafik 15 Regression Wirtschaft abgesichert und kann ruhig planen und arbeiten Stimmabsicht Knechtschaftsvertrag zu Gunsten institutionelles der EU Abkommen Schweiz – negatives Bild Coronakrise EU mit Argumenten rund um das Schweiz kann über jede Anpassung entscheiden Abkommen Schweizer Wirtschaftsstandort verliert an Bedeutung Stimmberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen Exportindustrie verliert Zugang zum EU-Markt Bilaterale verlieren an Aktualität Abkommen verbietet griffigen Lohnschutz gfs.bern, Standort Schweiz, 7. Welle, Mai/Juni 2020 (n = 745), Erklärungsgrad = 54% An erster Stelle ist für eine Ablehnung die Zustimmung zum Knechtschaftsvertrag für ein Nein verantwortlich. Wer damit einverstanden ist, lehnt die Vorlage häufiger ab. Die- ses Argument ist aktuell aber nicht mehrheitsfähig. Am Rande spielt das Lohnschutz- thema eine Rolle, hat aber nur einen schwachen negativen Effekt auf die Meinungsbil- dung. Die Planungssicherheit ist als eines der meistgeteilten Pro-Argumente auch jenes mit der grössten Meinungsbildungskraft. Die vermutete Anpassungsfreiheit und der wahr- genommene Bedeutungsverlust des Wirtschaftsstandorts stehen an zweiter Stelle. Et- was schwächer wirken die Sicherung des Exportzugangs und die Meinung, dass die Bi- lateralen nicht mehr aktuell sind, auf ein Ja. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 1 5
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Insgesamt zeigt sich auf der Ebene der Wirkungsanalyse, dass schlussendliche Stimm- absichten sehr stark davon abhängen werden, in welchem Frame der institutionelle Ver- trag zwischen der Schweiz und der EU betrachtet wird. Stehen wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund, sind Mehrheiten möglich, verschiebt sich die Diskussion stärker Rich- tung Zwang aus der EU, kann die Ablehnung anwachsen. Auch 2020 überwiegt die posi- tive wirtschaftliche Sicht. Die Reputation der EU hat jedoch durch die Coronakrise einen Schaden genommen. Wenn man aus einem bunten Strauss an Alternativen auswählen könnte, würden sich die Stimmberechtigten am ehesten für ein Freihandelsabkommen oder den EWR-Beitritt entscheiden. Sowohl das Rahmenabkommen als auch die nicht weiterentwickelbaren bisherigen Bilateralen werden demgegenüber leicht weniger gewünscht. Ein Alleingang der Schweiz oder ein EU-Beitritt sind nach wie vor klare Minderheitsmeinungen. Grafik 16 Im Direktvergleich mit anderen Szenarien lässt sich die aktuelle Zustimmung zum in- stitutionellen Rahmenabkommen präzisieren – Das Rahmenabkommen ist ganz sicher kein Wunschabkommen. Präsentiert es sich aber bei einem Urnengang als einzig mögli- che Option, ist es aktuell durchaus mehrheitsfähig. Augenscheinlich ist das Rahmenab- kommen ein Vertrag, dem man aktuell zustimmt, weil man sich geregelte Beziehungen auf europäischer Ebene wünscht. 4 Methodischer Kurzbericht Die Interpharma beauftragte das Forschungsinstitut gfs.bern mit der Durchführung ei- ner siebten Studie in der Projektreihe "Zukunft Bilaterale". Hauptziel dieser Reihe ist, das Meinungsbild der Schweizer Stimmberechtigten rund um die bilateralen Verträge mit der EU auszuleuchten. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 1 6
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 Das vorliegende "Wichtigste in Kürze" soll interessierten Lesern einen schnellen Zugang zu den zentralen Erkenntnissen ermöglichen. Es umfasst alle relevanten Erkenntnisse aus der Erhebung zu der Beziehung zwischen der Schweiz und Europa. Die Ergebnisse der siebten Befragung in der Projektreihe "Standort Schweiz - Europa- fragen" basieren auf einer repräsentativen Befragung von 2'005 Stimmberechtigten der Schweiz. Die Befragung wurde zwischen dem 29. April und dem 6. Juni 2020 mittels com- puterunterstützten Telefoninterviews (CATI) durchgeführt. Befragt wurde anhand eines Random Digit Dialing (RDD)/Dualframe-Verfahrens via Festnetz und Handy. Der statistische Fehler bei der Stichprobengrösse für die jeweiligen befragten Gruppen beträgt: Tabelle 1: Stichprobenfehler Ausgewählte statistische Stichprobenfehler nach Stichprobengrösse und Basisverteilung Fehlerquote Basisverteilung Stichprobengrösse 50% zu 50% 20% zu 80% N= 2'005 ±2.2 Prozentpunkte ±1.8 Prozentpunkte N= 1'000 ±3.2 Prozentpunkte ±2.5 Prozentpunkte N= 600 ±4.1 Prozentpunkte ±3.3 Prozentpunkte N= 100 ±10.0 Prozentpunkte ±8.1 Prozentpunkte N= 50 ±14.0 Prozentpunkte ±11.5 Prozentpunkte Lesebeispiel: Bei rund 1'000 Befragten und einem ausgewiesen Wert von 50 Prozent liegt der effektive Wert zwi- schen 50 Prozent ±3.2 Prozentpunkte, bei einem Basiswert von 20 Prozent zwischen 20 Prozent ±2.5 Prozent- punkte. Dabei setzt man in der Umfrageforschung zumeist ein Sicherheitsmass von 95 Prozent, das heisst man akzeptiert eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 Prozent, dass der nachgewiesene statistische Zusammenhang so in der Bevölkerung nicht vorhanden ist. ©gfs.bern Zur Korrektur soziodemografischer Verzerrung wurde entlang der Sprachregionen und nach Alter/Geschlecht gewichtet, eine inhaltliche Gewichtung erfolgte entlang der Par- teiaffinitäten und einer Recall-Frage zu einer vergangenen Abstimmung. Das hier verwendete RDD/Dual-Frame-Erhebungsverfahren verlangte zudem eine Ba- sisgewichtung mittels Wahrscheinlichkeiten der technischen Erreichbarkeiten aufgrund der Anzahl Telefonanschlüsse. © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 17
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 5 Anhang 5.1 gfs.bern-Team URS BIERI Co-Leiter und Mitglied des Verwaltungsrats gfs.bern, Politik- und Medienwissenschafter, Executive MBA FH in strategischem Ma- nagement, Dozent an der der ZHAW Winterthur, sowie am VMI Uni- versität Fribourg urs.bieri@gfsbern.ch Schwerpunkte: Themen- und Issue-Monitoring, Image- und Reputationsanalysen, Risikotechnologien, Abstimmungsanalysen, Kampagnenvorberei- tung und -begleitung, Integrierte Kommunikationsanalysen, Quali- tative Methoden Publikationen in Sammelbänden, Fachmagazinen, Tagespresse und im Internet ALEXANDER FRIND Projektleiter, Politikwissenschafter alexander.frind@gfsbern.ch Schwerpunkte: Analyse politischer Themen und Issues, Abstimmungen und Wah- len, Gesellschaftsthemen, Medieninhaltsanalysen, Qualitative Me- thoden EDWARD WEBER Projektleiter, Politikwissenschafter, Dr. Des. edward.weber@gfsbern.ch Schwerpunkte: Politische Einstellungen, Populismus, Abstimmungsforschung, Methoden der empirischen Sozialforschung, Ad hoc-Studien © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 18
S TA N DO RT SC HW E IZ 20 2 0 JOSÉ KRESS Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Soziologe jose.kress@gfsbern.ch Schwerpunkte: Programmierung und Auswertung quantitative Projekte, Modellie- rungen, Visualisierungen, qualitative Datenanalyse, Lektorate © g fs. be rn | Mens chen.Me inun gen. Mä r kte . | J un i 20 20 | 1 9
gfs.bern ag Effingerstrasse 14 Postfach CH – 3001 Bern +41 31 311 08 06 info@gfsbern.ch www.gfsbern.ch Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufs- oder Bestellabsichten durchgeführt werden. Mehr Infos unter www.schweizermarktforschung.ch
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