HES-SO Studiengang Pflege der Fachhochschule Westschweiz - Unterricht Klinische Fertigkeiten
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Studiengang Pflege der Fachhochschule Westschweiz HES-SO Unterricht Klinische Fertigkeiten Clinical Assessment Informationsbroschüre Januar 2015
Impressum Clinical Assessment Titel Informationsbroschüre Ausgabe Januar 2015 Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit, Studiengang Pflege Andreas Schmid-Meister, Yvonne Walker Autoren Institute of Nursing Science INS, Universität Basel Lyn S. Lindpaintner Hochschule für Gesundheit Freiburg, Studiengang Bachelor in Pflege Anpassungen Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit Bachelor of Science (BFH) in Pflege, Bern Copyright Institute of Nursing Science INS, Universität Basel Lyn S. Lindpaintner Fachhochschule Westschweiz HES-SO, Fachbereich Gesundheit Studiengang Bachelor in Pflege 2
Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines ................................................................................................. 4 1.1 Einführung in das Clinical Assessment (CA) ..................................................... 4 1.2 Referenzsystem der Kompetenzen und CA ....................................................... 5 1.3 CA an der Westschweizer Fachhochschule (HES-SO) ......................................... 7 1.4 CA in der Praxis ........................................................................................... 8 1.5 CA und Schnittstellen zwischen Ärzteschaft und Bachelor-Pflegefachleute ............ 8 2. Zielsetzungen und vermittelte Kompetenzen ...................................................10 2.1 Zielsetzungen .............................................................................................10 2.2 Kompetenzen: Kenntnisse und Fertigkeiten ....................................................10 2.3 Unterrichtsablauf .........................................................................................13 2.4 Prüfungen / Prüfungs-Literatur Prüfungsform ..................................................14 Anhang 1 – Dokumentationsschema HEdS-FR ..........................................................15 Anhang 2 – Schritte des Symtomassessments HEdS Valais/Wallis ...................17 Anhang 3 – PQRSTUV/ISBAR .................................................................................19 3
1. Allgemeines 1.1 Einführung in das Clinical Assessment (CA) Der Begriff Clinical Assessment Für den englischen Ausdruck «Clinical Assessment» existiert in der deutschen Sprache keine passende Übersetzung. Deswegen verwenden wir unverändert den englischen Begriff «Clinical Assessment» (CA)und umschreiben ihn wie folgt: «Clinical Assessment» bedeutet «klinische Einschätzung» und beinhaltet sowohl die Durchführung eines systematischen Anamnesegesprächs als auch eine systematische körperliche Untersuchung. Weiter umfasst der Begriff «Assessment» eine kritische Auseinandersetzung mit den erhobenen Daten und Befunden, die Reflexion. Darauf basierend wird eine klinische Einschätzung vorgenommen, welche die Basis für den nachfolgenden Handlungsentscheid darstellt. Bedeutung des Clinical Assessments Zitate aus Lehrbüchern aus dem angloamerikanischen und skandinavischen Sprachraum, in welchem die CA-Ausbildung seit Jahren fester Bestandteil des Bachelor- und/oder des Masterstudiums ist, verdeutlichen die Bedeutung: - Jarvis C, Physical Examination and Health Assessment Saunders, St Louis, 2004: S. 2: “Assessment: point of entry in an ongoing process. Assessment is the collection of data about the individual’s health state. Throughout this text you will be studying techniques of collecting and analyzing subjective data … and objective data. Together with the patient’s health record and laboratory studies, these elements form the data base. From the data base, you make a clinical judgment or diagnosis about the individual’s health state or response to actual or risk health problems and life processes, as well as diagnoses about higher levels of wellness. Thus, the purpose of assessment is to make a judgment or diagnosis. An organized assessment is the starting point of all models of clinical reasoning.” - Wilson and Giddons, Health Assessment for Nursing Practice Mosby, Inc., St. Louis: 2001: S. 1: The American Nurses Association: “Assessment is defined as a systematic, dynamic process by which the nurse, through interaction with the client, significant others, and health care providers, collects and analyzes data about the client”…….. “Health assessment provides a systematic method of collecting all types of data that identify the client’s strengths, weaknesses, physiologic status, knowledge, motivation, support systems, and coping ability that may influence the client’s health either positively or negatively”. - Dillon PM, Nursing Health Assessment: A Critical Thinking, Case Studies Approach, F.A. Davis, Philadelphia: 2003: S. 4: “Assessment involves collecting, validating, and clustering data. It is the first and most important step in the nursing process. The assessment phase sets the tone for the rest of the process, and the rest of the process flows from it. If your assessment is off the mark, then the rest of the process will be too. Assessment identifies your client’s strengths and limitations and is performed continuously throughout the nursing process.” 4
Ausbildungs-Voraussetzungen Für die Erhebung eines professionellen CA ist ein vertieftes Grundlagenwissen zu Anatomie/Physiologie sowie Pathologie/Pathophysiologie unabdingbar. Ebenso erfordert das Erarbeiten eines CA einen differenzierten Umgang mit Daten und verlangt ein hohes Mass an integrativer kognitiver Leistung. 1.2 Referenzsystem der Kompetenzen und CA Im Verlauf der CA-Ausbildung entwickeln und eignen sich die Studierenden folgende Kompetenzen an: A. Rolle als Experte bzw. Expertin in der Pflege Als Expertinnen und Experten in der Pflege führen Pflegefachpersonen die berufsspezifischen Tätigkeiten aus und übernehmen im Gesundheitsversorgungssystem die fachliche Führung in ihrem Berufsfeld; in diesem Kontext treffen sie die entsprechenden Entscheidungen und Beurteilungen. Kompetenz A1 Die Verantwortung übernehmen für präventive, therapeutische, rehabilitative und palliative Pflege durch Erfassen der Bedürfnisse des Individuums und der Gruppe in allen Alterskategorien und durch Ausführen oder Delegieren der angebrachten Pflege. - Den physischen und psychischen Gesundheitszustand der Person systematisch und genau evaluieren. - Den Pflegeprozess in Partnerschaft mit der Patientin bzw. dem Patienten und den Angehörigen erarbeiten, der die Bedürfnisse der Individuen berücksichtigt und auf einer professionellen Beurteilung beruht. - Pflege ausführen oder delegieren und die Ergebnisse unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien der Pflege systematisch evaluieren. Kompetenz A2 Innerhalb des professionellen und des interprofessionellen Teams die Kontinuität und die Qualität der Pflege für die Patientin bzw. den Patienten und die Angehörigen gewährleisten. - Innerhalb des interprofessionellen Teams die Interessen der Patientin bzw. des Patienten und der Angehörigen vertreten. - Die Pflege der Patientin bzw. des Patienten und der Angehörigen auf der Grundlage einer kritischen Analyse der Situation koordinieren, delegieren und überwachen. 5
Kompetenz A3 Die Patientin bzw. den Patienten und die Angehörigen unterstützen und sie gestützt auf das aktuelle wissenschaftliche Wissen und in Übereinstimmung mit den ethischen Grundsätze des Berufs hinsichtlich der Behandlung, der Gesundheitsförderung und der Prävention beraten. - Die Patientin bzw. den Patienten und die Angehörigen bezüglich der geplanten und verrichteten Pflege informieren und sie zu Aspekten der Gesundheitsförderung und Prävention beraten. - Wissenschaftliches Wissen aus der Pflege- und Gesundheitswissenschaft mobilisieren und aktualisieren. B. Rolle als Kommunikator/in Als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ermöglichen Pflegefachpersonen vertrauensvolle Beziehungen in ihrem Umfeld und geben Informationen gezielt weiter. Kompetenz B1 Durch eine situationsangepasste Kommunikation und die Förderung der gemeinsamen Entscheidungsfindung eine professionelle Vertrauensbeziehung mit der Patientin bzw. dem Patienten und den Angehörigen aufbauen. - Ein Klima des Vertrauens mit der Patientin bzw. dem Patienten und den Angehörigen schaffen, um so ein partnerschaftliches Verhältnis aufzubauen. - Eine professionelle Beziehung mit der Patientin bzw. dem Patienten und den Angehörigen aufbauen, aufrechterhalten und beenden. - Die situationsspezifischen und je nach Problematik unterschiedlichen Verhaltensweisen und Kommunikationsmittel beherrschen. - Die Wünsche der Patientin bzw. des Patienten und der Angehörigen respektieren, den Entscheidungsprozess führen und Entscheidungen gemeinsam treffen. Kompetenz B3 Das Zurückverfolgen aller pflegerischen Massnahmen gewährleisten, die für die Kontinuität der Pflege relevant sind, und dabei die rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Weiterleitung schriftlicher Informationen berücksichtigen. - Relevante Informationen schriftlich, klar und vollständig weiterleiten. - Die rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Weiterleitung schriftlicher Informationen in die eigenen Über-legungen und Handlungen mit einbeziehen. - Mängel in der schriftlichen Dokumentation identifizieren und geeignete Lösungen vorschlagen. - Im interprofessionellen Team das Pflegedossier der Patientin bzw. des Patienten täglich auf effiziente Weise führen und aktualisieren. 6
Kompetenz B4 Mit Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Fachpersonen kommunizieren und das eigene Wissen und die eigenen Erfahrungen mit den Kolleginnen und Kollegen teilen. - Auf professionelle Weise mündlich und schriftlich kommunizieren und die Kommunikation der Zielgruppe anpassen. - Die Patientin bzw. den Patienten und die Angehörigen angepasst informieren. Erlernen der Kompetenzen Während der Ausbildung werden die CA-Aktivitäten ausführlich gelehrt, demonstriert und geübt. Auf diese Art lernen die Studierenden ihre neuen Kompetenzen genau kennen. Damit sie diese in ihrem zukünftigen Berufsleben letztlich selbständig und professionell anwenden können, müssen die Studierenden zuvor wiederholt üben und zwar unter engmaschiger Supervision, anfänglich durch ärztlichen Dozierenden, später durch diejenigen der mitarbeitenden Praxisinstitutionen. 1.3 CA an der Westschweizer Fachhochschule (HES-SO) Die HES-SO stützt sich auf die Resultate und den Schlussrapport der Arbeitsgruppe „Clinical Assessment“ an der HES-SO, sowie auf die Erfahrungen von Herrn Andreas Schmid-Meister, Dr.med., welcher an der Berner Fachhochschule das Clinical Assessment aufgebaut hat. Hierzu führt Herr Schmid-Meister, was er bereits im Artikel zum CA für das Kundenmagazin «Frequenz» in der Dezember-Ausgabe 2011 geschrieben hat: - Im Herbst 2000 wurde am Institut für Pflegewissenschaft der medizinischen Fakultät der Universität Basel erstmals in der Schweiz eine akademische Pflegeausbildung angeboten. 2006 starteten die Schweizer Fachhochschulen mit eigenen Bachelorstudiengängen, 2010 folgten die ersten Masterstudiengänge. - Im Rahmen dieser Fachhochschulausbildungen werden die Module «Clinical Assessment» gelehrt: Auf Bachelorstufe geht es um das Erkennen physiologischer Befunde bzw. Abweichungen davon, im weiterführenden und vertiefenden Masterstudiengang lernen die Studierenden zudem pathologische Veränderungen bei häufigen Krankheitsbildern kennen. - Diese neuen Kenntnisse und Fertigkeiten stellen eine Erweiterung des klinischen Kompetenzprofils von Pflegefachpersonen in der Schweiz dar. Die im CA vermittelten Kompetenzen verbessern die Pflegequalität (Lindpaintner, 2009) und stärken gleichzeitig die Positionierung des Pflegeberufs im praktischen klinischen Alltag: Die Studierenden erarbeiten sich im CA ein vertieftes Wissen in Anatomie und Physiologie sowie in Pathologie und Pathophysiologie, erwerben sich Kenntnisse und Fertigkeiten für die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie für die vier klinischen Grunduntersuchungen Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation. - Somit verfügen Pflegefachpersonen mit CA-Ausbildung über ein fundiertes Verständnis für klinische Situationen und sind in der Lage, Zusammenhänge zwischen Befunden und deren möglichen Ursachen gezielter und rascher zu erkennen. Auch werden sie befähigt, die Dringlichkeit notwendiger Interventionen systematischer und vertiefter zu beurteilen sowie die erhobenen Daten und Befunde zielorientiert weiterzuleiten. Durch die korrekte Verwendung der medizinischen Fachsprache sind sie kompetente Partner in interprofessionellen Teams. 7
1.4 CA in der Praxis Auch hierzu die Ausführungen von Herrn Andreas Schmid-Meister, Dr.med., aus seinem oben erwähnten Artikel zum CA für das Kundenmagazin «Frequenz»: - Die Aufgabenfelder der neu ausgebildeten Pflegefachpersonen mit CA-Kompetenzen überschneiden sich mit solchen der Ärzteschaft. Dies betrifft besonders die Erhebung der Anamnese und die körperliche Untersuchung. Somit werden eine vertiefte professionelle Zusammenarbeit und ein intensiver Austausch zwischen den beiden Berufsgruppen immer wichtiger. Dabei geht es auch um eine Neuverteilung der Betreuungsaufgaben zwischen Ärzteschaft und Pflegefachpersonen. Deshalb werden die Lehrveranstaltungen des CA am Fachbereich Gesundheit bereits heute gemeinsam von akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen und ärztlichen Dozierenden durchgeführt. - Pflegefachpersonen mit CA-Ausbildung werden mittelfristig in allen Fachbereichen des Gesundheitswesens zum Einsatz kommen. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere in der Langzeit- und Palliativpflege spitalintern wie -extern ein grosser Bedarf an CA-Kompetenzen bestehen wird. Denn in der medizinischen Grundversorgung ist mit grossen Umwälzungen zu rechnen. Diese werden auch den Einsatz akademisch ausgebildeter Pflegefachleute betreffen: In der Workforce Studie 2005 der Universität Basel wird festgehalten, dass in den nächsten fünf Jahren rund die Hälfte der heute praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzte in Pension gehen wird bzw. es bis ins Jahr 2021 gegen 75 Prozent sein dürften (Schilling, 2010). Zudem prognostizieren Max Giger und Sabina de Geest (Schweizerische Ärztezeitung, 2008) eine starke Zunahme der Zahl betagter Menschen mit immer mehr chronischen, vielfach auch gleichzeitig vorhandenen Krankheiten (Polymorbidität). Beide Entwicklungen bedeuten, dass in nächster Zeit mit einem wesentlich erhöhten Bedarf an medizinischen Grundleistungen zu rechnen ist. Zur Gewährleistung einer weiterhin umfassenden und effizienten Betreuung kranker Menschen suchen Gesundheitsfachleute nach neuen Modellen zur medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung. 1.5 CA und Schnittstellen zwischen Ärzteschaft und Bachelor- Pflegefachleute Grundsätzlich Das Erheben einer Anamnese und die Durchführung einer körperlichen Untersuchung sind für Ärztinnen und Ärzte sowie für Pflegefachleute Bachelor of Science in Nursing BScN grundsätzlich identisch. Das Ziel des CA ist aber bei den zwei Berufsgruppen unterschiedlich. Ziel des ärztliche CA Ziel des ärztlichen CA ist es, den aktuellen klinischen Zustand eines Patienten gezielt und rasch einzuschätzen, um zu einer differenzierten Diagnose zu gelangen. Darauf basierend lassen Ärztinnen und Ärzte zur vertieften Abklärung weitere diagnostische Schritte durchführen und beginnen eine medizinische Therapie einzuleiten. 8
Ziel des pflegerischen CA auf Bachelorstufe Ziel des pflegerischen CA auf Bachelorstufe ist es, den aktuellen klinischen Zustand eines Patienten gezielt und rasch einzuschätzen, um die Dringlichkeit notwendiger ärztlicher und pflegerischen Interventionen beurteilen zu können. Darauf basierend sind die Bachelor-Pflegefachleute in der Lage, die Ärzteschaft gezielter heranzuziehen und die notwendigen Daten und Befunde in korrekter Fachsprache weiterzuleiten. Ebenfalls darauf basierend führen Bachelor-Pflegefachleute den Pflegeprozess auf kompetente Art und Weise durch. Fachsprache In einem interdisziplinären Team aus Ärzten und Pflegefachleuten BScN ist es unumgänglich, dass beide Berufsgruppen die gleiche Fachsprache sprechen. Literatur 1. Bürki, C. (2009). Bildungsreformen in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen Schweizerische Ärztezeitung, 90(44), 1714-1717. 2. Giger, M., De Geest S. (2009). Replik. Schweizerische Ärztezeitung, 90(3), 78. 3. Giger, M., De Geest S. (2008). Neue Versorgungmodelle und Kompetenzen sind gefragt. Schweizerische Ärztezeitung, 89(43), 1839-1843. 4. Haute Ecole Spécialisée de Suisse occidentale. (2013). Rapport du groupe de travail. Examen Clinique. Delémont. 5. Horn, B. (2008). Wünsche für die Zukunft unseres Gesundheitswesens. Schweizerische Ärztezeitung, 89(51/52), 2220-2223. 6. Lindpaintner, L., Bischofberger, I., Brenner, A., Knüppel, S., Scherer, T., Schmid- Meister, A.,et al. (2009). Defining Clinical Assessment Standards for Bachelor's- Prepared Nurses in Switzerland. Journal of Nursing Scholarship, 41:3, 320-327. 7. Marty, F., Kissling, B. (2009). Die Anforderungen an die medizinische Grundversorgung verändern sich rasch. Schweizerische Ärztezeitung, 90(3), 77 f. 8. Scherer, T., Schmid-Meister, A., Bischofberger, I., Lindpaintner, L., Brenner, A., Knüppel, S., et al. (2010). Professionelle Kompetenz zur Erfassung von Pflegesituationen. Krankenpflege(2), 16-19. 9. Schilling, G., Für Ihre geplanten Gesundheitsprojekte braucht es Hausärzte – handeln Sie, Herr Bundesrat Burkhalter. Primary Care 2010;10: Nr. 18, S. 339. 10. Stoll, H., Lindpaintner L. (2006). Pflegepraxis mit erweiterten Kompetenzen. Managed Care, 8, 15-17. 9
2. Zielsetzungen und vermittelte Kompetenzen 2.1 Zielsetzungen Am Ende der Module ist die Studentin/der Student fähig: - systematisch und strukturiert ein Clinical Assessment durchzuführen und zu dokumentieren und dabei eine professionelle und einheitliche Sprache zu benützen - die Vorgehensweisen eines Clinical Assessments anzuwenden : • Beherrschen der Interviewtechnik • Körperliche und ergänzende Untersuchungen mit den grundlegenden 4 Unter- suchungstechniken (Inspektion/Palpation/Perkussion/Auskultation) durchführen - die gesammelten Daten im Hinblick der Eigenart des Individuums zu analysieren und zu interpretieren und dabei das Physiologische vom Nichtphysiologischen zu unterscheiden. - die klinischen Warnzeichen zu bestimmen und deren Schweregrad zu evaluieren. - anhand des diagnostischen Prozesses und der klinischen Beurteilung eine hypothetische Pflegediagnose zu stellen und sie zu bestätigen - prioritäre Pflegeinterventionen unter Berücksichtigung der Interdisziplinarität zu bestimmen - die gesammelten Daten systematisch (nach Methode SBAR) und genau mündlich und schriftlich zu übermitteln Je akuter sich eine klinische Situation präsentiert, desto rascher müssen Fachpersonen zu einer klinischen Beurteilung gelangen. Letztlich geht es um die Frage: - Liegt ein Notfall mit der Notwendigkeit zu sofortiger Intervention vor? - Liegt ein „Nicht-Notfall“ mit der Möglichkeit von „späterem“ Intervenieren vor? 2.2 Kompetenzen: Kenntnisse und Fertigkeiten Einführung Die Studierenden erläutern Definition, Stellenwert und Inhalt des Clinical Assessments. CA Anamnese Die Studierenden beschreiben zu den einzelnen Organsystemen je eine problemfokus- sierte Anamnese und nehmen je eine ebensolche auf (vgl. bei den einzelnen Handbüchern) 10
CA Allgemeinzustand, Vitalzeichen, Haut und Lymphknoten (Fett bei allen Organen aufzuführen) - Die Studierenden - erklären die physiologischen Befunde des Allgemeinzustands (AZ) und der Vitalzeichen (VZ) - beschreiben die Grundzüge des anatomischen Baus und der physiologischen Funktion der Haut und der Lymphknoten (NL) - erläutern die Leitsymptome bei Krankheiten der Haut und der Lymphknoten - erheben systematisch eine auf Haut und Lymphknoten fokussierte Anamnese - führen systematisch die Untersuchung des AZ, der VZ, der Haut und der Lymphknoten durch. Weiterführende Ausbildung Krankheits-Beispiel: Malignes Melanom CA Aktueller psychischer Zustand Die Studierenden - beschreiben den aktuellen psychischen Zustand eines Menschen unter übersichtsmässiger Beurteilung der folgenden Parameter = „Leitsymptome“: • Allgemeines Bild und Verhalten • Sprache und Sprechweise • Stimmungslage inkl. Selbst- und Fremdgefährdung • Denken, Wahrnehmen und Einsichts- und Urteilsfähigkeit • kognitive Funktionen (wie Orientierung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Lernfähigkeit, Wissensstand, Wortschatz, Rechenfähigkeit, Auffassung, abstraktes Denken sowie zu den gestalterischen Fähigkeiten). - führen systematisch eine auf den aktuellen psychischen Zustand fokussierte Befragung und Untersuchung bzw. Einschätzung durch Weiterführende Ausbildung Krankheits-Beispiel: Depressiver Zustand CA Herz- und Kreislaufsystem Die Studierenden - erläutern den anatomischen Bau und die physiologische Funktion von Herz- und Kreislauf - beschreiben die Leitsymptome bei Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems - erheben systematisch eine auf Herz und Kreislauf fokussierte Anamnese (inkl. Risikofaktoren) - führen eine systematische Untersuchung des Herz- und Kreislaufsystems durch. Weiterführende Ausbildung Krankheits-Beispiel: Koronare Herzkrankheiten 11
CA Lunge Die Studierenden - erläutern den anatomischen Bau und die physiologische Funktion des Atemsystems - beschreiben die Leitsymptome bei Krankheiten des Atemsystems - erheben systematisch eine auf das Atemsystem fokussierte Anamnese (inkl. Risikofaktoren) - führen eine systematische Lungenuntersuchung durch. Weiterführende Ausbildung Krankheits-Beispiel: Chronisch obstruktive Lungener- krankung COPD CA Abdomen und urologische Organe Die Studierenden - erläutern den anatomischen Bau und die physiologischen Funktionen der abdominellen inkl. - der urologischen Organe - beschreiben die Leitsymptome von abdominellen und urologischen Erkrankungen - erheben systematisch eine auf das Abdomen und die urologischen Organe fokussierte Anamnese - führen eine systematische Untersuchung des Abdomens inkl. der urologischen Organe durch. Weiterführende Ausbildung Krankheits-Beispiel: Akutes Abdomen CA Bewegungsapparat Die Studierenden - erläutern den anatomischen Bau und die physiologische Funktion des Bewegungsapparates - beschreiben die Leitsymptome bei Krankheiten des Bewegungsapparates - erheben systematisch eine auf den Bewegungsapparat fokussierte Anamnese - führen eine systematische Untersuchung des Bewegungsapparates durch Weiterführende Ausbildung Krankheits-Beispiel: Entzündliche und degenerative Gelenksveränderungen CA Nervensystem Die Studierenden - erläutern in Grundzügen den anatomischen Bau und die physiologischen Funktionen des Gehirns, - des peripheren Nervensystems sowie der Augen, Ohren und der Nase - beschreiben die Leitsymptome von Erkrankungen im Bereich des zentralen und des peripheren Nervensystems sowie der aufgeführten Sinnesorgane - erheben systematisch eine auf das Bewusstsein, das zentrale und das periphere Nervensystem und die aufgeführten Sinnesorgane (mit den zugehörigen Hirnnerven) fokussierte Anamnese und - führen die zugehörige, orientierende neurologische Untersuchung durch. 12
Wiederholungen bzw. Repetitorien Die Studierenden vertiefen durch gegenseitiges Üben unter Supervision ihre Fertigkeiten in Bezug zu den bisher behandelten Themen. Diese Wiederholungen bzw. Repetitorien finden während der beiden Semester statt. 2.3 Unterrichtsablauf Unterrichtsvorbereitung durch die Studierenden Für jede Ausbildungseinheit werden Unterlagen/Handbuch im Voraus abgegeben. Die Studierenden bereiten sich anhand des Handbuchs und der Unterlagen auf die nächste Ausbildungseinheit vor. Grundsätzlicher Ablauf / Inhalte einer Lehr-Einheit - Beantworten von Fragen zu der im Voraus bearbeiteten neuen Ausbildungseinheit - Einführung zu den Schwerpunkten der neuen Ausbildungseinheit - Fokussierte Anamnesefragen besprechen und durchführen; evt. im Rollenspiel - Demonstration der zugehörigen Untersuchungen - Üben des demonstrierten Untersuchungsganges in Kleingruppen - Beschreibung der physiologischen Befunde Besondere Aufgaben - Wiederholtes selbständiges Üben der Untersuchungsgänge ausserhalb der Lehrveranstaltungen (mit Kolleginnen oder Kollegen, Familie oder während des Praktikums). - Bearbeiten des im Handbuch aufgeführten Krankheitsbeispiels als Selbststudium. Hinweise zum Untersuchen - Respektierung der individuell unterschiedlichen Persönlichkeitsstruktur und Intimsphäre. - Schweigepflicht in Bezug zu allen erhobenen Befunden (Anamnese wie Untersuchung). - Werden bei Studierenden anamnestische Angaben bzw. Körperbefunde erhoben, die vom physiologischen Zustand abweichen, ist es Aufgabe der dozierenden Ärztin bzw. des dozierenden Arztes, gemeinsam mit der betroffenen Person die Situation zu beurteilen und das weitere Vorgehen abzumachen. Material - Stethoskop / Uhr mit Sekundenzeiger - Berufskleidung kombiniert mit Sportkleidung - Hefte „Clinical Assessment“ der HES-SO (2014), zusätzlich abgegebene Unterlagen - Schreibmaterial - Füessl, H. & Middeke, M. (2010 oder 2014). Anamnese und Klinische Untersuchung (4. Aufl. oder 5. Aufl.). Stuttgart: Thieme, 13
2.4 Prüfungen / Prüfungs-Literatur Prüfungsform Das CA wird sowohl in der Schule in Form von OSCE (objective structured clinical examination) geprüft, wie auch in den praktischen Ausbildungsperioden (PAP) anhand der Kompetenzevaluationen beurteilt. Prüfungs-Literatur - Hefte „Clinical Assessment“ der HES-SO (2014) - Füessl, H. & Middeke, M. (2010 oder 2014). Duale Reihe: Anamnese und Klinische Untersuchung (4 Aufl. oder 5. Aufl.). Stuttgart: Thieme. 14
Anhang 1 – Dokumentationsschema HEdS-FR Dokumentationsschema: «CA …………………….…….…» ©Kopiervorlage Westschweizer Fachhochschule HES-SO -------------------------------------------------------------------------------------------------- Grunddaten zu Patientinnen und Patienten - Frau / Herr Name, Vorname, ev. Kürzel / Geburtsdatum, Alter / Beruf / Wohnverhältnisse / Zivilstand, Kinder - Untersuchungs-Ort - Untersuchungs-Datum - Untersuchungs-Zweck - Informations-Quelle(n) - Validität der Daten --------------------------------------------------------------------------------------------------- Diagnoseliste Hauptbeschwerden --------------------------------------------------------------------------------------------------- Symptomfokussierte Anamnese - Leitsymptome - Weitere Differenzierung positiver Leitsymptome • Lokalisierung • Qualität • Quantität • Zeitlicher Verlauf oder PQRSTUV (siehe Anhang 3) • Beeinflussung • Begleitende Ereignisse • Auswirkungen - Systemanamnese (SA; spezifische Fragestellungen im Zusammenhang mit den anderen Organsystemen) - Allgemeinsymptome - Persönliche Anamnese PA • Spezifisch zum CA-Thema: …..... • Stets erfragen: o Ansteckende, schwere / chronische inkl. psychischer Krankheiten? o Unfälle? Spital? o Impfungen? o Allergien inkl. Reaktion? - Familienanamnese FA Nur zum CA-Thema. - Sozialanamnese SozA Nur zum CA-Thema. 15
- Therapien • Medikamente (Stärke? Dosierung?), Medikamenten-Allergien / Reaktionen? • Nicht-medikamentöse Therapien? --------------------------------------------------------------------------------------------------- Körperstatus: Grundangaben - AZ • Erster Eindruck somatisch, psychisch, geistig, äusseres Erscheinungsbild • Alter • Ernährungszustand • Hautzustand (übersichtsmässig) - VZ • Bewusstseinszustand aufgrund des Gespräches • Blutdruck • Puls • Atmung (Atemfrequenz) • Körpertemperatur --------------------------------------------------------------------------------------------------- Körperstatus: Organspezifischen Befunde Detailliertes Aufführen aller erhobenen Befunde des jeweiligen Status: - Inspektion - Palpation - Perkussion - Auskultation --------------------------------------------------------------------------------------------------- Schluss-Angaben - Kurze Zusammenfassung • Wichtigste Anamnese-Angaben • Wichtigste Befunde der Körper-Untersuchung = Status • Festhalten aller Abweichungen von der Norm - Interpretation in Bezug zu Intervention und Dringlichkeit • Notfall? • Kein Notfall? 16
Anhang 2 – Schritte des Symtomassessments HEdS Valais/Wallis Clinical Assessment / Protokoll 1. Beschreibung der Situation: Situation und Grund der Anamneseerhebung: wo findet das Gespräch/Datenerhebung statt, Ziel, Quellen Daten des Patienten: Name, Vorname, Zivilstand, Kinder, Wohnverhältnisse, Berufliche Tätigkeit kursorischer Mentalstatus Allgemein- (AZ) : Ernährungszustand (EZ) / Erscheinungsbild: Diagnosen und Hauptbeschwerden : 2. Symptomassessment: Qualität Lokalisation Begleitsymptome Zeitlicher Verlauf Was hilft? Quantität Was verschlimmert? Auswirkungen auf den Alltag ? 17
3. Gesundheitsanamnese: Vorgeschichte (Frühere Erkrankungen/Trauma/OP) /Risikofaktoren/Medikamente/ Familienanamnese/Psychosoziale Anamnese evt. Pflegeanamnese ( LA‘s / IATL…) 4. Systematische Organanamnese - (spezifische Fragestellungen im Zusammenhang mit den Organsystemen - 5. Körperliche Untersuchung Inspektion Palpation Perkussion Auskultation 6. Interpretation / Zusammenfassung - Gesundheitsberatung 18
Anhang 3 – PQRSTUV/ISBAR Differenzierung positiver Leitsymptome Provokation/Linderung • Was war der Auslöser? P • Was lindert/verstärkt die Symptome? • Erfolg/Misserfolg eigener Therapien? - Quantität/Qualität Q • Symptomstärke (z.B. VAS) • Charakterisierung (z.B. stechend/brennend/ziehend ect.) - Region • Genaue Lokalisierung der Symptome R • Hat das Symptom Auswirkungen auf den Alltag (ATL) / Gesamtpersönlichkeit? - Symptom begleitende Ereignisse S • Vegetative Symptome (Schwitzen, Brechreiz, Übelkeit u.a.m.), Fieber - Time – zeitlicher Verlauf T • Beginn? Dauer? Periodik? Beschwerdefreie Zeiten? - Understandig U • Was versteht der Patient unter dem Symptom • Wie ordnet der Patient das Ereignis ein - Vitalzeichen V • Bewusstsein • Blutdruck, Puls, Temperatur, Atmungsfrequenz, SO2 - Jarvis C. (2010) trad française Chapados C : L’examen clinique et l’évaluation de la santé. Montréal : Chenelière Education Übersetzung MTP/Juli 2014 19
Memo für mündliche Übermittlungen Identifikation • Vorstellung der Patientin/des Patienten (Ich rufe Sie an wegen I Herr/Frau XY, Jahrgang …) • Vorstellung der Pflegefachperson (Mein Name ist … und ich arbeite auf der Station…, meine Rolle ist… Situation beschreiben • Ich kontaktiere Sie, weil .... S • Welche Situation liegt vor? Notfälle sofort als solche bezeichnen Das Problem kurz beschreiben (wann / was / wie / ....?) Darstellung des klinischen Backgrounds/Kontextes Relevante Daten aus der Krankengeschichte • Eintrittstag B • Grund der Hospitalisation Hauptproblem(e) Nebenproblem(e) – nur aktuell wichtige Therapien (Operation/Medikamente/anderes) Assessment • Resultate des symptomfokussierten CA: Leitsymptome nach PQRSTUV Wichtigste andere Anamnese-Angaben Wichtigste Untersuchungs-Befunde A • • Veränderungen in den ATL‘s Gemäss meiner Einschätzung ist die Störung □ physisch bedingt □ psychisch bedingt □ kognitiv (Denkprozess) bedingt □ funktionell bedingt □ im sozialen Unterstützungssystem / in der Pflege bedingt Recommendation (Empfehlungen/Vorschläge) R • • Was ich schon gemacht habe: ... Was empfehlen Sie (als ärztliche/nichtärztliche Fachperson)? • Gemäss meiner Einschätzung schlage ich vor: ....... Literatur: Trentham, B., Andreali, A., Boarao, N. & al (2010) SBAR : A Shared Strucutre for Effective Team Communication. Adapted for Rehabilitation and Complex Continuing Care. Übersetzung MTP/18.7.2014 20
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