Hiroshima und der Kalte Krieg 2. "Arms Race Revisited" 3. Rüstungskontrolle und Abrüstung 4. Was tun? - ZNF / Uni Hamburg

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Hiroshima und der Kalte Krieg 2. "Arms Race Revisited" 3. Rüstungskontrolle und Abrüstung 4. Was tun? - ZNF / Uni Hamburg
Ringvorlesung Friedensbildung                         12. November 2020

         1.    Hiroshima und der Kalte Krieg
         2.    “Arms Race Revisited”
         3.    Rüstungskontrolle und Abrüstung
         4.    Was tun?
Götz Neuneck, Pugwash Germany
Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
University of Hamburg www.ifsh.de
Hiroshima und der Kalte Krieg 2. "Arms Race Revisited" 3. Rüstungskontrolle und Abrüstung 4. Was tun? - ZNF / Uni Hamburg
1. Hiroshima und der Kalte Krieg

Wirkungen:
• 140.000 (H) und 70.000 (N)
• Druckwelle, Hitze,
• Radioaktivität 15-20 % der Opfer

Motive:
• Kriegsbeendigung (offiziell)
• Techn. Demonstration
• Machtdemonstration gegen SU

• Ende des 2. Weltkrieges und Beginn des „nuklearen Zeitalters“
• Wettrüsten: „Nuklearwaffen zentral im Kalten Krieg“
• Weitere Proliferation, Gefahr von Unfällen, Nuklearterrorismus

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Nukleare Tests 1945 bis heute

http://www.nucleardarkness.org/include/nucleardarkness/files/surface_height_versus_yield.pdf

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Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt (Obama 2009)

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Krisen mit Beinah-Nuklearwaffeneinsatz
• Korea-Krieg: 6. April 1951:
  Einsatz von Atombomben in der Mandschurei gefordert (SU: 25/
  US:450 NW)
• Kuba-Krise: 27.10.1962         Embargo und Angriff
• Ussuri:             2.3.1969   Präemptivschlag UdSSR auf China?
• Jom-Kippur: 6.10.1973          Israel/Ägypten
• Serpuchow-15 Bunker: 26.9.1983: Fast Vergeltungsschlag der
  UdSSR ausgelöst
• Großmanöver Able Archer:             2.11.1983
• Norwegische Forschungsrakete: 25.1.1995
• Kargil-Krise: 1999 Indien-Pakistan
• Androhung eines Einsatzes: USA/Irak 1991
Putin/Ukraine Krise 2014; Trump: „Fire and Fury“/DPRK

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Simulation eines Nuklearkriegs zwischen Indien und Pakistan
• Indien: 100 gegen Städte; Pakistan: 150 gegen Städte [12-46 und 100kT]
• 91.5 Mio. in den ersten Stunden
• 50-125 Mio. Tote im Falle eines eine Woche dauernden Konflikt
• Brände  16-36 Tg Kohlenstoff/Ruß Aerosole
• 30% Reduktion des Sonnenlichts
• Risiko von Ernteausfällen kann 2 Milliarden
 Menschen treffen
Toon et al. Sciences Advances 2019 2 October 2019

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Zitate zum Nuklearzeitalter

„Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind lebt unter einem
nuklearen Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden
hängt, der jederzeit zerschnitten werden kann durch Zufall,
Fehlkalkulation oder Wahnsinn.“
   John F. Kennedy, Address before the General Assembly of the
                           United Nations, September 25, 1961

„Nuklearwaffen sind total irrational, total unmenschlich, für nichts
gut außer zum Töten und möglicherweise zerstörerisch für das
Leben auf der Erde und der Zivilisation.”
                                       Ronald Reagan, Memoiren

“So long as nuclear weapons exist, we are not truly safe.”
                       US-Präsident Obama, Berlin 19. Juni 2013

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Hiroshima und der Kalte Krieg 2. "Arms Race Revisited" 3. Rüstungskontrolle und Abrüstung 4. Was tun? - ZNF / Uni Hamburg
1. Die aktuellen Nuklearpotenziale sind die einzige Technologie,
   die den Planeten in kurzer Zeit zerstören können.
2. Die Waffenwirkung von Nuklearwaffen ist dreifach: Hitze, Druck
   und Radioaktivität. Das Eskalationspotential ist groß.
3. Nukleare Abschreckung ist paradox. Wenn sie nicht funktioniert,
   hat sie versagt. Die Folgen sind katastrophal.
4. Die globalen Wirkungen wären katastrophal: „Nuklearer
   Winter“, Ernteausfälle, Klimaveränderungen etc.
5. Ein Atomkrieg „aus Versehen“ oder durch Unfall oder
   Fehlkalkulation oder Absicht ist nicht ausgeschlossen.
6. Die nukleare Abschreckung ist erweitert worden und soll alles
   mögliche abschrecken: B/C-Waffen, Cyber, Kriege…
7. Regionale Probleme heizen die Rüstungsdynamik an, besonders
   im Mittlerer Osten und Asien.

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Hiroshima und der Kalte Krieg 2. "Arms Race Revisited" 3. Rüstungskontrolle und Abrüstung 4. Was tun? - ZNF / Uni Hamburg
Ein Rüstungswettlauf ist ein Wettbewerb zwischen zwei oder
mehreren Staaten, um „überlegene Streitkräfte“ zu besitzen. Im
nuklearen Bereich sind dies in erster Linie:
 Zahl der Trägersysteme (ICBM, SLBM, Bomber)
 Zahl der nuklearen Sprengköpfe und Einsatzmöglichkeiten
Indirekt gehören dazu:
 Produktion von Pu, HEU, „weaponization“ etc.
 Raketenabwehr (Ballistic Missile Defense)
 Konventionelle Präzisionswaffen, die nukleare Standorte angreifen
Zu unterscheiden ist auch ein technologischer von einem
politischen militärischen Rüstungswettlauf
Frage: Endet ein Rüstungswettlauf im Krieg ?

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Hiroshima und der Kalte Krieg 2. "Arms Race Revisited" 3. Rüstungskontrolle und Abrüstung 4. Was tun? - ZNF / Uni Hamburg
Nuklearwaffen heute… (Januar 2019, geschätzt)

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  USA                      1.600          4.585                6.185
  Russland                 1.600          4.900                6.500
  Großbritannien           120            95                   215
  Frankreich               280            20                   300
  China                    -              290?                 290?
  Indien                   -              130-140              130-140
  Pakistan                 -              140-150              140-150
  Israel                   -              80                   80
  Nordkorea                ..             ..                   20-30
                           3.600          ≈10.290              ≈13.890

 https://fas.org/issues/nuclear-weapons/status-world-nuclear-forces/

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https://fas.org/issues/nuclear-
                      weapons/status-world-nuclear-forces/

          https://fas.org/issues/nuclear-weapons/status-world-nuclear-forces/

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Atomwaffen damals / heute

                 Hiroshima   Nagasaki       aus Harigel, PiuZ (2006)

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USA : Investitionen in Atomwaffenarsenal bis 2022: $180 Mrd.
• „Life Extension“-Programme (LEP) für die verbliebenen Sprengkopftypen: ca. $
5 Mrd. 2011-2016
• Bomber: „Next Generation Bomber“: >$100 Mrd. Gesamtkosten
• Nukleare Infrastruktur: $ 80 Milliarden

Russland: ca. $ 100 Mrd. geplant für die nächsten 10 Jahre
• neue ICBM und SLBM und U-Boote

Frankreich:
• 4 Atom-U-Boote und neue Raketen, sowie Rafale Flugzeug

Großbritannien:
• Debatte um 2-4 neue Atom-U-Boote

China:
• Neue ICBM und SLBM sowie U-Boote, Zahl der Sprengköpfe intransparent

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USA: [Nuclear Posture Review 2018]
o SLBM mit geringer (!) Ladung (< 15kt) warhead [MK-46-2]
o SLCM auf U-Booten (+5 Jahre)
o F&E für eine „dual-use“ ball. Rakete (US Congress) +1.000 km
o F&E für einen neuen bodengestützten MFK (US Congress)
o Long Range Standoff MFK; AGM-158 JASSM
o Überschallflugkörper für konventionelle Missionen
o Umfassende Modernisierung der US Triade (B-21, GBSD, LRSO, SSBN)
   und nuklearen Infrastruktur inkl. C&C/EW
Russland: [Russian Military Doctrine 2020]
o SSC-8 in Produktion und Stationierung
o F&E für eine neue bodengestützten MFK „Kalibr“ (1.500-2.000 km)
o Modernisierung (SS-25/27, Borei, Bulava) + C&C / EW
o RS-26 Rubezh ICBM, Barguzin straßenmobile ICBM ….
o Fünf „Wunder-Waffen“ Avangard, Sarmat, Poseidon, Burevestnik, Kinzhal

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Geschätzte Kosten für die Modernisierung der US-Triade

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Hyperschallflugkörper Russland

   Avangard (Yu-71/74)                Kinzhal (Kh-47 M 2)

   •Delivery: SS-19, RS-26, RS-28     •Delivery: MIG-31, TU-22 M3
   •3 MARV witch nuclear payload      •High-value targets (C2, Carrier?)
   •Mach 20                           •Range: 2.000 km?, Mach 10
   •3 successfull Tests (6.000 km)    •3 successfull Tests (6.000 km)
   •Gliding Altitude: 70-80 km        •Radarseeker, Iskander M
   (Communication Blackout)           • 4.000 kg (500kg, 1m D. L=7m)
   • Defense very hard and unlikely   • nuclear or conventional??

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USA: „Conventional Prompt Global Strike“ Systeme
                           SLBM Trident II D5 mit konventioneller
                              Nutzlast

                           Subsonic Long-Range Cruise Missiles

                              AGM-86B ALCM Marschflugkörper

                              Neu: Long Range Standoff CM LRSO
                               (1000; 2.400 km)

                              AGM-158 JASSM (2003, 370-960 km,
                               1.000 kg payload)

                              F&E für Hyperschallsysteme

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Debatte um Strategische Stabilität bezieht auch Weltraum ein:

• Global Missile Defense ? Hauptproblem für RF/China
• Konventionell bestückte zielgenaue Waffen mit großer Reichweite
     Hypersonic Missiles need delivery boosters
     Early Warning and satellites in higher orbits increasingly vulnerable
     Maneuvrable re-entry vehicle (shaped trajectory)
     Several Rendezvous and Proximity Operations (R&PO)

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Fokus: Europäische Sicherheit
o Ukraine – Krise (Donbas und Krim) ungelöst
o Brexit?
o Tactical Nuclear Weapons in Europa (200 vs. 2000)
o Dank Trump Debatte über „Europäische Armee“ und NW
o „Snap exercises“ und Manöver: Gefahr von Zwischenfällen
o Kontroverse NATO´s Ballistic Missile Defense und RUS ungelöst
o Aufrüstung im Baltikum und im Schwarzen Meer (NATO-RUS
  Grundlagenakte): „no substantial combat forces“
o Suspension des KSE-Vertrages, Offener Himmel, Wiener Dokument
o Gegenseitige Beschuldigungen über INF-Vertrag ↔ N-START
o Neuer Rüstungswettlauf auch in Europa ?

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Location of Russian Tactical Nuclear Weapons

USA/NATO: ca. 200 B61     RF: ca. 2.000 SK in Lagern
In 5 NATO-Ländern         für Marine, ABM-Abwehr
 Luftwaffe, B61.12        und Armee (Iskander)

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o Abschreckung: Abhaltung eines potentiellen Aggressors durch Androhung des
  Einsatzes von nicht-akzeptablem Schaden
o Nukleare Abschreckung: Verhinderung eines Einsatzes von NW durch Gegner;
  Erweiterte Abschreckung: Verbindung zu konventionellen Streitkräften
o Paradox: Verhinderung des Einsatzes durch Androhung des Nukleareinsatzes
  (Rationalität, Perzeption, Beweisbarkeit, Eskalation)
o Paradox: Politische Waffen vs. Kriegsführungswaffen (Glaubwürdigkeit)
o NATO als „nukleare Allianz“? 5 NATO-Stationierungsländer mit Trägersystemen
  (Bomber) von U.S. NW (B61) vs. 2.000 TNW Russlands
o Nukleare Teilhabe: Nukleare Planungsgruppe, Lastenteilung, Einflußnahme?
o Begrenzte, flexible nukl. Einsatzoptionen senken nukl. Schwelle im Konflikt
o Nachfolgedebatte Tornado: F-35; Karrenbauer: F-18/Eurofighter; neue NW?
o Weitere Debatte über Europäische Armee und Nuklearwaffen
o Mützenich: Risiken fortgesetzter Stationierung größer als Nutzen
→ offene Debatte in NATO über Nuklearstrategie und Eskalationsrisiken

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Pakistan: Rüstungswettlauf mit Indien, Produktionsreaktoren, Sicherheit NW?
Indien: Arbeit an einer Triade , ASAT Test 2019
Israel: „no confirm, no denial“, 1979 Nukleartest
Iran: NVV-Mitglied; Iran-Abkommen (JCPOA) gilt für 10 -25 Jahre, ist aber von
Trump gekündigt ↔ Israel, Saudi-Arabien, Türkei etc.
 Nordkorea:
 • Nukleartests 2006, 2009, 2013, 2016; HEU, waffenfähiges Plutonium; SRBM
    (KN-08), No-Dong, SLBM (KN-11) ? ICBM
 • Nukleare Abschreckungsmacht? In Region insb. Japan, Guam?
 • Kriegsoptionen auf dem Tisch (Fire and Fury“)
 • Konventionelle Abschreckung? (aber auch von NK)
 • Nukleare Abschreckung ist gegeben („Fire and Fury“)
 • Zwei Gipfel: Singapur und Hanoi mit allgemeinen Erklärungen
 • Gespräche ? (Wer ? Endziel „Denuklearisierung“ )
 • USA: „comprehensive, verifiable, irreversible disarmament“

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3. Rüstungskontrolle und Abrüstung
Nichtverbreitungsvertrag 1970 (Atomwaffensperrvertrag)
   • 3 Pfeiler: Non-Proliferation, Abrüstung, “friedliche Nutzung”
   • Überprüfungskonferenzen 2015 gescheitert, 2020 verschoben

Nuklearwaffenfreie Zonen
  • Afrika (1996), Lateinamerika (1967), Meeresboden (1971), Südpazifik (1985),
      Antarktis (1959), Weltraum (1967) etc.

Comprehensive Test Ban Treaty CTBT 1996 (Teststoppvertrag)
  • Nicht in Kraft, da 8 Staaten noch nicht ratifiziert haben !
  • CTBT-Organization in Wien/ IMS operational

New-START Vertrag 2010 (USA-Russland)
  • Beschränkung auf 1.550 SK pro Seite, aber Reserve
  • Bilaterale Verifikation, keine irreversible Zerstörung/Kontrolle

Europäische Sicherheit: INF-Vertrag, KSE-Vertrag, Open Skies Vertrag

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Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag 1970

ARTIKEL VI

„Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht
Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung
des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen
Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen
Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“

Einzige Initiativen:
- USA: „Creating the Environment for nuclear disarmement“ (CEND)
- „International Partnership for Disarmement Verification“ (IPNDV)
- ICAN und viele NGOs: „Treaty for the Prohibition of Nuclear Weapons“

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„Nuclear Ban Treaty“ vom 7.Juli 2017
• „Each State Party undertakes never under any circumstances to:
 (a) Develop, test, produce, manufacture, otherwise acquire, possess or stockpile NWs or
other NEDs“ (Art. 1) mehr (b)-(g)

• Rückzugs- und Zerstörungsverpflichtung (Art. 4),
• Verifizierbare, zeitgebundene, transparente und
  irreversible Zerstörung (Art. 3/4)

• NWS und NATO Staaten nahmen nicht an den
  Verhandlungen teil und werden kaum beitreten
• 122 Staaten unterstützen den „Nuclear Ban Treaty“
• 50 Ratifikationen liegen vor Vertrag kann am 21. Januar 2021 in Kraft treten
• Klare Statements des Papstes und der Kirchen
• Viele Umfragen bestätigen breite Unterstützung der Bevölkerung
ABER:
„Wenn Sie glauben, die bloße Aussicht auf ein Ende der Welt genüge, um in Washington und
Moskau ein Umdenken in Gang zu setzen, haben sie sich eindeutig noch nicht sehr lange an
einem der beiden Orte aufgehalten.“
      Rüstungskontrollexperte zitiert aus O. Morton: The Planet Remade: How geoengineering
                                                  could change the World, Princeton 2015:324

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INF-Vertrag von 1987

o Vollständige Eliminierung aller bodengestützten amerikanischen und
  russischen Mittelstreckenraketen (1.000-5.500 km) und Kurzstreckenraketen
  (500-1.000km) und „cruise missiles“
o Vernichtung tausender Raketen SS-20, SS-4, SS-5, SSC-X-4, SS-12, SS-23,
  Pershing IA, II GLCM (1.846 RUS und 846 US-INF-Träger)
o On-Site-Inspektionen bis 2001; Monitoring der Produktion
o Weitere Verträge (KSE, START) und Initiativen (PNI)
o Signatur: 8.12.1987; Rat.: 27.5.1988, EIF: 1.6.1988, umgesetzt
o 1992: Special Verification Commission mit US, RUS, KAZ, BRS, UKR

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o Reduziert US/RF Arsenale auf die geringste Anzahl „strategischer
  Sprengköpfe seit den 1960ern, aber kein Nachfolgevertrag geplant
o Vertrag wichtig für Transparenz und Berechenbarkeit (OSI, 10.000
  Notifikationen) ? Letztes Atomwaffen beschränkendes Abkommen
o Kann leicht von Putin und Trump (Art. XIV) verlängert werden, aber
  Konsultationen müssen jetzt beginnen
o Gegenseitige Vorwürfe steigen: RF: Konversion; Raketenabwehr; USA: neue
  Trägersysteme Russlands; Einbeziehung Chinas nötig
o Rhetorisch: Ein neues Wettrüsten ist nicht im Interesse der USA und
  Russlands
o Alibi für China, das Arsenal zu vergrößern?
o Rüstungskontrolle für 3 Parteien sehr schwierig
o Gespräche in Wien im Juli und August 2020 bisher ohne substantielles
  Ergebnis, aber immerhin: „man spricht“

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Bedrohung der „strategischen Stabilität“
          Strategische Stabilität= gesicherte Zweitschlagsfähigkeit, bedroht durch:

          Raketenabwehr (BMD): ABM-Vertrag 2002 gekündigt; Großflächige Einsätze
          strategisch fähiger Antiraketenraketen bringen mehr Unsicherheit, werden zu
          mehr "Gegenmaßnahmen" führen und Russland/China zu mehr Vorsicht bei
          Reduzierungen veranlassen N-START II → Unilaterale Zurückhaltung der USA
          bei BMD-Einsätzen sehr unwahrscheinlich; Transparenz notwendig

          Konventionelle "Prompt Global Strike"-Bedrohungen beunruhigen Russland
          und China: → Anzahl und Einsatzgebiete beschränken?

          Weltraumrüstung: Weltraumvertrag ASAT-Fähigkeiten nicht verboten, Tests
          werden durchgeführt; Überschneidung BMD; PAROS keine Gespräche;

          Cyber-Angriffe: Angriffe auf Frühwarnsysteme sowie Kommando/Kontrolle
          möglich→ P5-Verantwortung: De-Alerting, interne Vereinbarung, C2-
          Netzwerke und Weltraum-Frühwarnmittel nicht anzugreifen, ein ernstes
          Problem für die Krisenstabilität

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• Nuklearwaffen sind weiterhin Bestandteil der globalen Weltordnung und
  regionaler Dauerkrisen. Ein Einsatz ist zu jeder Zeit möglich.
• Die Nukleararsenale der beiden nuklearen Großmächte (95% des globalen
  Arsenals) sind und bleiben absurd hoch.
• Die Doktrinen der Großmächte sind Relikte des Kalten Krieges und
  blockieren weitere globale Rüstungskontrolle/Abrüstung.
• Ein qualitatives Wettrüsten verschärft sich technologisch: Neue
  Trägersysteme im Test; eine Wiederaufnahme von Nukleartests möglich;
  Kriegsführungsoptionen gewinnen die Oberhand.
• Der Einsatz von NW („first use“) ist nicht ausgeschlossen, sei es aus
  Versehen, Fehleinschätzung, Verzweiflung oder Kalkül.
• Die lokalen Krisen Nordkorea und auch Iran verschärfen die Situation,
  ebenso weitere Konflikte, und geben den Supermächte zusätzliche
  Argumente nicht abzurüsten.
• Russland ist unflexibel/passiv und die USA haben keine Strategie mehr,
  sondern populistische Tricks („trilateralize nuclear arms control“); NATO?

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Die Wiederbelebung der Rüstungskontrolle ist zentral für die europäische und globale
Sicherheit und für weitere Abrüstung, Non-Proliferation:
o Verlängerung des New-START-Vertrages um fünf Jahre und Nutzung für ernste,
  strukturierte Rüstungskontrollverhandlungen zwischen USA und Russland
o eine öffentliche Diskussion in den NATO-Staaten über die Nuklearstrategie in Europa und
  über die Eskalationsrisiken durch die Stationierung neuer NW/Träger
o Eine öffentliche Erklärung der P5-Staaten, dass „ein Atomkrieg nicht gewonnen werden
  kann und daher niemals geführt werden darf“ als Beginn eines strukturierten Dialogs über
  Bedrohungen durch neue AW/NT und neue Technologien, die zu einem Krieg aus
  Versehen führen können
o Der Einsatz von Atomwaffen ist aufgrund seiner katastrophalen Konsequenzen
  völkerrechtlich zu ächten
o Ein Verbot neuer, nuklearbestückter Trägersysteme (strategische MFK, Hypersonics,
  UCAVs) sollte verhandelt und verifizierbar umgesetzt werden
o Verifikation ist der Schlüssel für all diese Vorschläge: Informationsaustausch über
  Erprobung und Einsatz, Demonstration/Ausstellung, Zertifizierung nuklearer SK für
  Trägersysteme, OSI etc.
o Verbot von konventionellen Waffenanwendungen im Weltraum

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• Webpages:
  •   Deep Cuts Commission www.deepCuts.org
  •   Federation of American Scientists fas.org
  •   Union of Concerned Scientists https://www.ucsusa.org/
  •   Nuclear Darkness http://www.nucleardarkness.org/web/whatisnucleardarkness/
  •   Bulletin of the Atomic Scientists https://thebulletin.org/
  •   Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
      www.ifsh.de

  Literatur:
  • Internationales Rotes Kreuz: Humanitarian Impacts and Risks of Nuclear Weapons,
    Expert Meeting, Report 29. August 2020.
  • Götz Neuneck: 50 Jahre atomare Abrüstung: Midlife- oder Existenzkrise? in: Blätter für
    deutsche und internationale Politik 4/2020, S.17-20.
  • Götz Neuneck: The Deep Crisis of Nuclear Arms Control and Disarmament: The State of
    Play and the Challenges, Journal for Peace and Nuclear Disarmament, 2019 2:2, S. 431-
    452, DOI: 10.1080/25751654.2019.1701796

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