HIVreport.de 01 2018 - HIV.Report
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01 2018 HIVreport.de PrEP für Frauen 3 Teil I: Zulassung und Wirkung Indikation, Einnahme, Schwangerschaft, Neben- und Wechselwirkungen, PrEP-Pipeline 15 Teil II: Zielgruppe und Bedarfe Wem bieten wir die PrEP an? Wo bieten wir sie an?
PrEP für Frauen Liebe Leser_innen, Inhalt „Die PrEP wirkt – zumindest bei Männern, PrEP I: Zulassung + Wirkung .......................3 die Sex mit Männern haben.“, hieß es im Indikation für Frauen ..................................3 HIV-Report im April 2015. [1] Mit dieser Ausgabe rückt die PrEP für Frauen in den Einnahmeschema........................................4 Mittelpunkt. Nicht zuletzt wegen dieses Wo wirkt die PrEP? .....................................5 „Schmunzelns im Raum“: „Wenn das Wie stoppen? ..............................................6 Thema PrEP für Frauen auf Veranstaltun- gen zur Sprache kommt, meine ich, auf PrEP in der Schwangerschaft ......................8 den Gesichtern vieler schwuler Männer Wechselwirkungen .....................................9 ein gewisses Lächeln zu sehen“, berichtet Nebenwirkungen ........................................9 Beate Jagla von der Geschäftsstelle der Ar- beitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW. Transgender*Frauen und PrEP .................11 Anscheinend wird die PrEP nicht unbe- Die PrEP-Pipeline ......................................12 dingt als relevant für Frauen wahrgenom- men. Deutlich wird der Wunsch nach einer ernsthaften Auseinandersetzung. Beate PrEP II: Zielgruppe + Bedarfe bei Frauen ..15 Jagla: „Die PrEP ist nicht nur eine Frage der Wem bieten wir die PrEP an? ...................16 Risikovermeidung, sondern ermöglicht – Wo bieten wir die PrEP an? ...................... 20 bezogen auf HIV – auch angstfreien Sex ohne Kondom.“ Dieses Wissen Frauen zu- Ausblick .....................................................23 gänglich zu machen, damit sie „ihr Risiko Quellen...................................................... 24 einschätzen, die Vor- und Nachteile der Impressum ................................................24 vorhandenen Präventionsmöglichkeiten abwägen und sich für eine passende Risi- kominimierungsstrategie entscheiden“ können, wird zukünftig Aufgabe der Aids- hilfe sein. Wir berichten in diesem HIV-Report über die aktuelle Studienlage und stellen auch die Fragen, die es in Zukunft noch zu be- antworten gilt: Gibt es eine bestimmbare „Zielgruppe PrEP für Frauen“? Wie ist der Bedarf? Wo erreicht man die Frauen bzw. wo bewirbt man die PrEP? Mit freundlichen Grüßen Katja Schraml, Armin Schafberger PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
3 I PrEP: Zulassung + Wirkung PrEP bei Drogengebrauch Indikation für Frauen Für i.v.-Drogengebrauchende wurde in der Bangkok-Studie ein Schutzef- Seit 22. Juni 2018 ist die deutsch-österrei- fekt von knapp 50% ermittelt [4]. chische PrEP-Leitlinie [2] veröffentlicht. Die PrEP zur HIV-Prävention bei intra- Diese Leitlinie gibt Ärztinnen und Ärzten venösem Drogengebrauch ist jedoch Empfehlungen für die Betreuung von Kli- nicht in der Zulassung eingeschlos- ent_innen mit einer PrEP. sen [5,6,7]. Grund: die Bangkok-Stu- Die PrEP soll laut Leitlinie „als prophylakti- die wurde vom Hersteller nicht bei sche Maßnahme Menschen mit substanzi- der Europäischen Zulassungsbe- ellem HIV-Infektionsrisiko angeboten wer- hörde eingereicht. Die Verschrei- bung der PrEP bei Drogengebrauch den“. Ärzt_innen sollen somit nicht warten, erfolgt somit „off-label“. bis jemand nach der PrEP fragt, sondern Die DAIG-Leitlinie [2] empfiehlt die sind gefordert, sie aktiv anzubieten. PrEP unabhängig von der Zulassung. Das „substanzielle Risiko“ wird epidemio- Die Empfehlung geht über den intra- logisch oder individuell definiert: venösen Drogengebrauch sogar noch hinaus und schließt mit der Epidemiologisches Risiko: Gruppen, in Formulierung „Injektion“ auch in- denen sich mindestens 3 von hundert Per- tramuskulären Drogengebrauch z.B. sonen pro Jahr infizieren, haben laut WHO im Rahmen von Chemsex mit ein. [3] eine Indikation für die PrEP. In Deutsch- land gilt das nicht für Frauen generell, son- dern nur für die Gruppe von Frauen mit ei- Sicher Absichern: HIV-negativ testen nem HIV-positiven Partner, der nicht oder Eine HIV-Infektion sollte ausgeschlossen noch nicht ausreichend antiretroviral the- werden, bevor man mit der PrEP beginnt. rapiert ist [2]. Denn bei Einnahme der PrEP bei (uner- Individuelles Risiko: Zudem kann auf in- kannter) HIV-Infektion könnten Resisten- dividueller Ebene ein substanzielles Risiko zen entstehen. Daher sollten HIV-Tests der bestehen [2]: 4. Generation2 (Antigen-Antikörper-Tests) eingesetzt und auf Symptome der akuten bei Sex ohne Kondom mit Partnern, HIV-Infektion geachtet werden. Nach 4 bei denen eine undiagnostizierte Wochen soll der HIV-Test wiederholt wer- HIV-Infektion wahrscheinlich ist – den [2]. dies schließt Sexarbeiterinnen1 mit in der Regel kondomlosem Verkehr Keine Zeit vergeuden mit ein Zwischen negativem Test und PrEP-Start wenn Drogen ohne Gebrauch steri- sollten nur wenige Tage liegen (max. 14), ler Injektionsmaterialien konsu- denn in der Zwischenzeit könnte sich die miert werden (s. Kasten). Klientin mit HIV infizierten 1 Siehe dazu unten: Wem bieten wir die PrEP an? PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
4 Auch nach der Leitlinie der DAIG muss Laboruntersuchungen vor man für den sicheren Schutz bei Vaginal- dem PrEP-Start verkehr 7 Tage vorher mit der PrEP begin- HIV-Test (Blutentnahme) nen. Für den Schutz bei Analverkehr rei- Hepatitis-B-Test (Blutentnahme) chen wie bei den Männern 2 Tage. Syphilis-Test (Blutentnahme) Start der PrEP Gonokokken/Chlamydien (im Rachen, Vaginalverkehr: 7 Tage vorher anal und genital Abstriche bzw. Urin) Analverkehr: 2 Tage vorher Kreatinin-Clearance zum Ausschluss einer Nierenfunktions-Störung Diese unterschiedlichen Empfehlungen gehen darauf zurück, dass Tenofovir (TDF) Einnahmeschema sehr schnell in die Zellen des Darmes ge- langt und dort tagelang in hoher Konzent- Tägliche PrEP: Für Vaginalverkehr wird ration verbleibt. Es wird also schnell ein ef- ausschließlich die tägliche PrEP empfoh- fektiver Wirkstoffspiegel erreicht. len. PrEP bei Bedarf: Die Wirkung der PrEP bei Bedarf wurde nur in Studien mit Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) geprüft und ist somit nur für Analverkehr belegt [9]. Für Frauen käme die PrEP bei Bedarf also nur in Betracht, wenn sie ausschließlich Analverkehr und keinen Vaginalverkehr praktizierten. Die PrEP bei Bedarf wird da- her hier nicht weiter erläutert. Ab wann ist man geschützt? Abb. 1: Konzentration von Tenofovir (TFV) in seiner „Der Zeitraum bis zum Eintreten des aktiven Form als Tenofovir-diphosphat (TFV-dp) in der Darmschleimhaut (blau) und dem weiblichen Schutzes nach Beginn der Anwendung der Genitaltrakt (rosa) nach einer Einmalgabe der PrEP. Kombination aus Emtricitabin und Tenofo- Die TFV-Konzentration ist im Darm mehr als 100- vir ist unbekannt“ [5,6,7] steht in den fach höher als in den Geweben des weiblichen Ge- Fachinformationen des Medikaments. nitales. Tenofovir bleibt zudem über einige Tage in hoher Konzentration in den Zellen des Darmes. Gra- Dort findet man also vergebens einen Hin- fik nach A. Kashuba [8] weis darauf, nach wie vielen Tagen der PrEP-Einnahme man geschützt ist. Bei aufnehmendem Vaginalverkehr wird seit der IAS-Konferenz in Paris (2017) emp- fohlen, eher 7 Tage3 vorher mit täglich ei- ner Tablette zu beginnen. 3 Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Berechnungen und Emp- mit der PrEP zu beginnen. Die in der DAIG-Leitlinie empfohlenen fehlungen. Die Pharmakologin Angela Kashuba [8] errechnet, 7 Tage sind somit nicht in Stein gemeißelt – die Empfehlung kann dass der effektive Wirkstoffspiegel für den Analverkehr bereits sich in den nächsten Jahren noch ändern. nach zwei und für den Vaginalverkehr nach drei Tagen erreicht wäre. Andere Experten raten, bei Vaginalverkehr 21 Tage vorher PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
5 Anders ist die Situation in den Geweben Bei Einnahme mit Nahrung wird das Medi- des weiblichen Genitales. Tenofovir ist kament besser resorbiert und es werden dort in deutlich geringerer Konzentration höhere Wirkstoffwerte im Blut („Serum- zu messen. Daher will man mit einer 7-tä- spiegel”) gemessen. Daher die Empfeh- gigen Einnahme vor dem ersten Sex si- lung, das Medikament mit Nahrung einzu- cherstellen, dass sich eine schützende nehmen. Konzentration aufbauen kann. Was tun bei Erbrechen? Bei Emtricitabin (FTC) ist es zwar anders: FTC ist im den Zellen des weiblichen Geni- Bei Erbrechen innerhalb einer Stunde tales höher konzentriert. Als wichtigere nach Einnahme der PrEP sollte nochmal Substanz in der PrEP mit der Kombi Teno- eine Tablette eingenommen werden. Bei fovir/Emtricitabin gilt allerdings Tenofovir. Erbrechen >1 Stunde nach Einnahme der PrEP: keine zweite Dosis einnehmen! Frauen: keine Dosis vergessen! In der iPrEX-Studie war bei MSM die HIV- Infektionsrate um 90% reduziert, wenn sie zwei Tabletten TDF/FTC pro Woche ein- nahmen4. Um den gleichen Schutzeffekt zu erzielen, mussten Frauen in der PART- NERS-PrEP-Studie 7 Tabletten pro Woche einnehmen [8]. Für Frauen scheint TDF/FTC also noch nicht die optimale PrEP zu sein. Sie erreichen zwar auch einen ho- hen Schutzeffekt, allerdings sollten sie Abb. 2: Konzentration von Emtricitabin (FTC) in sei- keine Dosis vergessen. ner aktiven Form als Emtricitabin-Triphosphat (FTC- tp) in der Darmschleimhaut (blau) und dem weibli- Wo wirkt die PrEP? chen Genitaltrakt (rosa) nach einer Einmalgabe. FTC ist im weiblichen Genitaltrakt höher konzentriert Die PrEP mit TDF/FTC wirkt in den bereits (>50-fach) als im Darm. Aber schon nach zwei bis von HIV infizierten Zellen und verhindert drei Tagen ist das Medikament (nach Einmalgabe) kaum mehr nachweisbar. Grafik nach A. Kashuba [8] die Transkription von Virus-RNA5 in Virus- DNA6 – das ist die Voraussetzung für den Mit Nahrung einnehmen Einbau der Virus-Erbsubstanz in die der menschlichen Zelle (Abb. 3). Die PrEP sollte Tenofovir/Emtricitabin wird rasch resor- daher schon in der Zelle sein, bevor HIV biert. Auf nüchternen Magen wird der ma- andockt. Zudem muss die PrEP nach dem ximale Wert im Blut nach 0,5–3 Stunden Sex noch eine Weile in der Zelle sein, damit erreicht. Bei Einnahme mit Nahrung verzö- HIV nicht noch nach Tagen mit der Repli- gert sich die Resorption um eine Dreivier- kation beginnen kann. Daher ist der Zeit- telstunde [5,6,7]. punkt des Stopps der PrEP bedeutsam. 4 6 Ab einer Wochendosis von 4 Tabletten hatte sich in der iPrEX-Stu- DNA=Desoyribonukleinsäure. So liegt die Erbsubstanz in der die (tägliche PrEP) kein MSM mit HIV infiziert. [9] menschlichen Zelle vor. 5 RNA=Ribonukleinsäure. So liegt die Erbsubstanz im HIV-Virus vor. PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
Abb. 3. Die PrEP mit TDF/FTC wirkt in der Zelle und Zudem wird –je nach Alter und Risikofak- blockiert einen zentralen Schritt der Virusreplika- toren (Diabetes, Bluthochdruck, …) die tion, die Transkription von Virus-RNA in DNA Niere kontrolliert. (Schritt 2). Die nächste Generation der PrEP (Mo- natsspritze mit dem Integraseinhibitor Cabotegra- vir) setzt später an: bei der Integration der Virus- DNA in die DNA der menschlichen Zelle (Schritt 3). Laboruntersuchungen während der PrEP Regelmäßige Untersuchungen HIV-Test (alle 3 Monate) Mit regelmäßigen HIV-Tests soll verhin- Syphilis-Test (alle 3 Monate) dert werden, dass die PrEP längere Zeit Gonokokken/Chlamydien (alle 3–6 eingenommen wird, obwohl man sich Monate) schon mit HIV infiziert hat (z.B. bei „Ver- Kreatinin-Clearance (alle 6-12 Mo- gessen der Einnahme). Es könnte dann zu nate bei Alter 40 Jahren bzw. bei Ri- sikofaktoren für denn PrEP alleine reicht als HIV-Therapie Nierenerkrankungen) nicht aus. Hepatitis-C-Test (alle 6-12 Monate) Die PrEP schützt nicht vor anderen STI, daher sollten noch andere Untersuchun- gen auf STI durchgeführt werden. PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
7 Die Laboruntersuchungen unterscheiden sich nicht zwischen Männern und Frauen, obwohl einzelne STI bei den Geschlech- tern unterschiedlich häufig auftreten (Sy- philis und Hepatitis C sind bei Frauen sel- tener). Wie stoppen? Zur Frage, wie lange man die PrEP nach dem letzten Sex noch einnehmen muss, gibt es keine harten Daten. Die Leitlinien- gruppe der DAIG konnte daher zu dieser Frage keine Empfehlung geben. Allerdings weiß man von der „PrEP bei Be- Abb 4: Errechnete Resteffektivität der PrEP in der darf“, dass noch zwei Tage nach dem Anal- Darmschleimhaut nach dem Stopp nach Ipergay- verkehr die PrEP eingenommen werden Schema (zwei Tabletten nach dem letzten Sex). Gra- muss. In den Zellen des Darmes bleibt die fik nach A. Kashuba [8] PrEP aber noch länger wirksam (Abb. 4). Aber wie ist das bei Vaginalverkehr? In den Zellen des weiblichen Genitales lässt die Konzentration und damit die errechnete Wirkung der PrEP-Medikamente rasch nach (Abb. 5). Ende der PrEP Vaginalverkehr: 7–28 Tage nachher Analverkehr: 2 Tage nachher Für Frauen bzw. nach Vaginalverkehr gilt daher, dass die PrEP nach dem letzten Sex Abb 5: Errechnete Resteffektivität der PrEP in der noch einige Tage weiter eingenommen Schleimhaut von Scheide und Gebärmutterhals werden sollte. Die Empfehlungen von Ex- nach dem Stopp nach Ipergay-Schema (2 Tabletten nach dem letzten Sex). Grafik nach A. Kashuba [8] perten gehen hier weit auseinander (in den Leitlinien äußert man sich nicht dazu): 7 Tage bis 28 Tage nach dem letzten Vagi- Von bisherigen PrEP-Projekten weiß man, nalverkehr sollte die PrEP weitergeführt dass PrEP-User_innen bei Adhärenzprob- werden. lemen vor allem die letzten Tabletten ver- gessen. Auf die Bedeutung der letzten Tabletten sollte in der PrEP-Beratung hin- gewiesen werden! PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
8 In der Spätschwangerschaft beträgt das PrEP in der Schwangerschaft HIV-Infektionsrisiko fast das Dreifache – Normalerweise vermeidet man es, Medi- verglichen mit der Zeit vor der Schwanger- kamente während der Schwangerschaft schaft. Und in der Zeit nach der Geburt so- einzunehmen. Sollte eine Frau, die die gar das Vierfache [11]. Die PrEP sollte also PrEP nimmt und schwanger wird, die PrEP zum Schutz der Schwangeren eher weiter- also absetzen? Wenn die Frau weiterhin gegeben werden. Zumal eine HIV-Infektion ein HIV-Risiko hat, wäre das keine gute in der Schwangerschaft oder der Stillzeit Idee. aufgrund der hohen Viruslast in der akuten HIV-Infektion eine fast sichere In- Hohes HIV-Risiko in der Schwanger- fektion des Kindes bedeuten würde. schaft! Die Einnahme von Tenofovirdisop- Schwangere haben in und nach der roxil/Emtricitabin während der Schwan- Schwangerschaft ein höheres Risiko pro gerschaft gilt bezüglich Toxizität für das Sexualakt, sich mit HIV zu infizieren. Man Kind als sicher. Tausende von HIV-positi- vermutet, dass infolge der Hormonum- ven Frauen haben in der Schwangerschaft stellung die Schleimhaut empfänglicher TDF/FTC eingenommen, ohne dass es zu für HIV wird. einer vermehrten Fehlbildungsrate bei Kindern gekommen wäre. HIV-Infektionsrisiko per 1000 Sexualkontakte Nicht-Schwangere 1,00 Frühschwangerschaft Woche 0–13 2,19 (x2) Spätschwangerschaft Woche 14–Geburt 2,97 (x3) Nach der Geburt Geburt–6 Monate 4,18 (x4) Tab 1: HIV-Infektionsrisiko in der Schwangerschaft (nach Thomson) möchten oder könnten, sollten besser un- PrEP und Empfängnisverhütung ter dem Schutz der PrEP schwanger wer- In der Informationsbroschüre für Perso- den, als (in der Schwangerschaft) eine HIV- nen mit TDF/FTC zur PrEP, die von den Infektion zu riskieren. Herstellerfirmen mit dem Bundesamt für Laut Fachinformation [5,6,7] und Abfrage Arzneimittel und Medizinprodukte ver- der Wechselwirkungs-Datenbank der Uni- fasst wird, heißt es: „Frauen im gebärfähi- versität Liverpool7 gibt es keinen Anhalt gen Alter müssen während der Behand- für Wechselwirkungen von TDF/FTC mit lung mit Truvada® unbedingt eine der hormonellen Kontrazeption. Aller- wirksame Empfängnisverhütungsme- dings ist die Datenlage dünn und die Ent- thode anwenden.“ [17] warnung basiert meist auf pharmakologi- Aus unserer Sicht ist es anders: Frauen mit schen Überlegungen (verschiedene einem HIV-Risiko, die schwanger werden Abbauwege im Körper). 7 www.hiv-druginteractions.org PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
9 Blutkonzentrationen in der Schwan- Wechselwirkungen gerschaft Mit TDF/FTC gibt es so gut wie keine Wech- In der Schwangerschaft ist alles anders. selwirkungen mit anderen Medikamenten Das gilt auch für die Konzentration von und Drogen. [5,6,7] Medikamenten im Blutserum. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn das Körpervo- Das heißt die Einnahme von Medikamen- lumen nimmt zu, die Dosierung der Tablet- ten wie der Antibabypille, der Hormoner- ten bleibt die Gleiche. Daher ist es sinnvoll, satztherapie in/nach den Wechseljahren, zu untersuchen, wie stark der Effekt bei Schmerzmitteln, Opiaten, Antidepressiva der PrEP ist. und anderen Medikamenten beeinträch- tigt nicht die Wirkung der PrEP – und die Bei Tenofovir ist die Konzentration im Blut- PrEP beeinträchtigt nicht die Wirkung die- serum während der Schwangerschaft um ser Medikamente. 58% niedriger als bei nicht-schwangeren Frauen [12]. Es ist aber unklar, ob das ne- Vorsicht ist aber gegeben bei Medikamen- gative Auswirkungen auf die Wirkung der ten, die „auf die Niere gehen“ (s. unten, Ne- PrEP hat – denn man weiß nicht, wie hoch benwirkungen). Der nierenschädigende die Blutserum-Konzentrationen für einen Effekt kann sich dann verstärken. wirkungsvollen Schutz eigentlich sein Nebenwirkungen müssen. Aus der Behandlung von HIV-po- sitiven Schwangeren, deren ART-Kombina- TDF/FTC gehört zu den gut verträglichen tion TDF/FTC enthält, sind keine besonde- HIV-Medikamenten. Da beide Substanzen ren Probleme durch die veränderten schon seit vielen Jahren in der HIV-Thera- Konzentrationen bekannt. pie ihren Platz haben, kennt man die Ne- Wie kontrolliert man die Niere? Die Kreatinin-Clearance gibt Auskunft dar- über, wie gut die Niere das im Muskelabbau entstehende Kreatinin aus dem Blut in den Urin filtrieren kann. Eigentlich müsste man dazu das Kreatinin im Blut und im Urin sowie die Urinmenge pro 24 Stunden bestimmen. Aber das ist unpraktisch. Also behilft man sich mit einer Formel. Meist wird dazu die Abb. 7: Formel zur Errechnung der Creatinin-Clearance. Das Geschlecht geht mit in die Rechnung ein und sollte Cockcroft-Gault-Formel genommen (Abb. 7). –wie auch Alter und Gewicht- dem Labor bekannt sein. Denn die Messung nur des Kreatininwerts im Serum wäre zu ungenau – damit könnte man einen Nierenschaden erst spät entdecken. Mit der Cockcroft-Gault-Formel hingegen kann man schon leichtere Nierenschäden erkennen. Meist errechnet das Labor bereits die Kreatinin- Clearance. In die Formel gehen neben dem Kreatinin-Wert im Serum auch Alter, Geschlecht und Gewicht ein. Wenn das Labor diese Parameter nicht hat, wird das Ergebnis ungenauer. Denn Frauen haben im Vergleich zu Männern bei gleichem Kreatinin-Wert im Blut nur 81% der Krea- tinin-Clearance von Männern (die ja meist mehr Muskelmasse und damit auch mehr Krea- tininabbau haben). PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
10 benwirkungen gut und erlebt voraussicht- v.a. die Niere. Die Fachinformation lich keine Überraschungen mehr. schreibt daher vierteljährliche Nierenkon- trollen vor – bei entsprechenden Vorer- Häufige Nebenwirkungen wie Kopf- krankungen und höherem Alter sind ggf. schmerzen oder Schwindelgefühl können auch häufigere Kontrollen sinnvoll. sich 2–4 Wochen nach Einnahme der PrEP bessern – der Körper „gewöhnt“ sich an Tenofovir führt zu einer Senkung der Nie- die Medikamente. ren-Filtrationsleistung. Bei jungen und nie- rengesunden Personen spielt diese leichte Nierenkontrollen nicht vergessen! Reduktion der Nierenleistung keine Rolle. Seltene, aber schwere und daher ernst zu nehmende Nebenwirkungen betreffen Nebenwirkungs- Emtricitabin (FTC) Tenofovir (TDF) häufigkeit Sehr häufig Kopfschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Schwindelgefühl, Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, Hautausschlag, Kraftlosigkeit, bei >10 % erniedrigte Phosphatwerte im Blut Allergische Reaktion, Verringerung der Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Völ- weißen Blutkörperchen, Erhöhung des legefühl, Blähungen, erhöhte Leber- Häufig Blutzuckers und der Triglyceride (Blut- werte (Transaminasen) bei 1–10 % fette), Schlaflosigkeit, abnorme Träume, Schwindelgefühl, Verdauungs- störungen, Erbrechen, erhöhte Werte für Bauchspeicheldrüsen-Enzyme, er- höhte Leberwerte (AST, ALT, Bilirubin), Hautausschlag, Juckreiz, verstärkte Hautpigmentierung, erhöhte Kreatin- kinase-Werte (Enzym aus dem Muskel), Schmerzen, Kraftlosigkeit Gelegentlich Blutarmut, Erniedrigte Kaliumwerte im Blut, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Mus- bei 0,1–1 % Schwellung der Haut (Angioödem) kelschwäche, Auflösung von Muskelge- webe, erhöhte Kreatinkinase-Werte, Nierenerkrankung Selten Laktatazidose (Übersäuerung), Leber- entzündung, Fettleber, Schwellung der bei 0,01–0,1 % Haut (Angioödem), Nierenversagen, Nierenentzündung, Nierenschaden (tubuläre Nekrose), „Wasserharn- ruhr“ d.h. hoher Flüssigkeitsverlust über den Harn Tab 2: Nebenwirkungen von FTC und TDF nach Fachinformation [6,7,8]. Häufige NW sind lästig, aber unge- fährlich. Seltene NW betreffen v.a. die Niere PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
11 Vorsicht ist geboten bei Vorliegen anderer Ausgangsüberlegungen der Forschung: Faktoren, die die Nierenleistung beeinflus- Die Östrogen-Konzentrationen bei Trans- sen bzw. die Niere schädigen, z.B. Zucker- gender-Frauen sind 2–9 mal höher als die krankheit (Diabetes mellitus), Schmerzmit- von cis-Frauen vor der Menopause. Östro- telkonsum (z.B. Ibuprofen), Einnahme gene führen auf der Zelloberfläche zu anderer potenziell nierenschädigender mehr Nukleotidasen. Diese Enzyme könn- Medikamente (z.B. einige Antibiotika), ten sowohl die Konzentration des Tenofo- Bluthochdruck und höheres Alter (ab 50 vir-Nukleotids verringern, als auch die Jahren). Konzentration des Gegenspielers von Te- nofovir, des Desoxy-Adenosintriphos- phats8 (dATP) in der Zelle steigern. Das wiederum würde die Wirkung von Tenofo- vir (dem Hauptbestandteil der PrEP) in der Zelle senken. Aber ist das auch so? Dazu wurden vier cis- Frauen, vier Transgender*Frauen und zwei Männer untersucht. Alle waren HIV- Abb. 6: Krankheiten und Faktoren, die eine Nieren- positiv und nahmen TDF/FTC als Teil ihrer schädigung hervorrufen können. Bei Kombination HIV-Therapie (ART) ein. Die Schleimhaut solcher Faktoren mit der PrEP sind engmaschigere des Enddarms wurde punktiert und das Kontrollen erforderlich. Verhältnis der Nukleotide (von Tenofovir- Diphosphat (TFVdp) zu seinem natürlichen Konkurrenten dATP) bestimmt. Transgender*Frauen und PrEP Transgender*Frauen waren in den PrEP- Studien bislang kaum repräsentiert. Ent- sprechend wenig weiß man darüber, wie die PrEP mit TDF/FTC wirkt. Eigentlich sind zwischen PrEP (TDF/FTC) und Östrogenen keine Wechselwirkungen bekannt. Aber die höher dosierte Ein- nahme von Östrogen könnte, so eine Be- fürchtung, die PrEP-Wirkung beeinflussen. Abb. 7: Das Verhältnis von TFV/ATP in der Zelle ist bei Transgender*Frauen (TGW, grün) deutlich gerin- Die North-Carolina-Studie ger als bei Cis-Männern (CGM, blau) und Cis-Frauen (CGW, rot). Trotzdem hat die ART in diesen Zellen Mackenzie Cottrell [13] von der Universität funktioniert und die Virusproduktion unterdrückt. North Carolina untersuchte mögliche Wechselwirkungen zwischen Hormonen Das Ergebnis: Das Verhältnis der Nukleo- und PrEP. tide war bei cis-Frauen und -Männern im Vergleich zu Transgender*Frauen 10-fach höher. 8 Desoxy-Adenosintriphosphats (dATP) dient in der Zelle im We- sentlichen als Baustein für die Nukleinsäuren (Erbsubstanz), als auch dem Energiehaushalt der Zelle. PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
12 Was heißt das? Höhere Östrogenkonzent- vant sein. Aber ein Effekt der Hormonthe- rationen bedeuten ein niedrigeres Verhält- rapie ist nachweisbar: auch hier bedarf es nis der Nukleotide (TFVdp/dATP). Insofern weiterer Forschung. hat sich die Arbeitshypothese der For- scher bestätigt. Höher dosierte Östrogene scheinen einen Einfluss auf Tenofovir in Die PrEP-Pipeline der Zelle und seinen Nukleotid-Gegenspie- Welche Alternativen zur PrEP mit TDF/FTC ler zu haben. wird es in den nächsten Jahren geben [15]? Allerdings schauten die Forscher eben- falls, ob sich die HIV-Konzentrationen in Intravaginaler Ring den Zellen der HIV-positiven Patient_innen Der intravaginale Ring mit dem NNRTI auch unterschieden – dies war nicht der Dapivirin erreichte in den ersten Studien Fall. Die ART scheint also – Konzentratio- lediglich einen Schutzeffekt um 30% [15], nen hin oder her – in den Zellen gleich gut in den darauffolgenden Open-label-Stu- zu wirken. dien namens HOPE und DREAM (ohne Pla- Und wie ist das mit der PrEP? Wirkt sie bei cebo, die Frauen wussten nun, dass der Transgender*Frauen schlechter? Man Ring wirkt) 54%. Der Zulassungsantrag kann aus dieser Studie keine voreiligen wurde im Sommer 2017 bei der Europäi- Schlüsse ziehen. Aber sie zeigt: es sind schen Zulassungsbehörde (EMA) einge- noch Fragen offen und weitere Forschung reicht. Der Ring soll allerdings nicht in Eu- sollte dringend folgen. ropa auf den Markt, sondern ist für Subsahara Afrika vorgesehen. Afrikani- Die iFact-Studie sche Länder (zuerst Kenia, Malawi, Ru- anda, Tansania, Uganda und Simbabwe) In der iFact-Studie [14] wurde vom thailän- sollen den Zulassungsprozess der EMA dischen Roten Kreuz ebenfalls untersucht, dann übernehmen. Dieser Vorgang spart ob es direkt Wechselwirkungen von Hor- Ressourcen bei den Behörden der einzel- monen mit der PrEP geben könnte. nen Länder. 20 Transgenderfrauen ohne Orchiektomie (Entfernung der Hoden) erhielten eine fe- Cabotegravir: die 2-Monatsspritze minisierende Hormontherapie mit Östro- Der Integraseinhibitor Cabotegravir wird genen und einem Medikament, das die als langwirksame PrEP erprobt und alle Testosteronwirkung blockiert. Die Proban- acht Wochen intramuskulär (in beide Ge- dinnen nahmen zusätzlich die PrEP ein. säßmuskeln) injiziert. Über 15 Wochen wurden zu verschiede- nen Zeitpunkten die Tenofovir- und Östro- Die Studie HPTN°084 soll 3.200 Frauen in gen-Konzentrationen im Blut gemessen. 20 Studienzentren in Botswana, Kenia, Südafrika, Uganda und Simbabwe ein- Ergebnis: Unter dem Einfluss der Hormon- schließen, sie startete Anfang November therapie sank der Wirkspiegel von Tenofo- 2017 und wird bis ca. 2022 dauern. Nach vir um 13%. Der Östrogenspiegel wurde Abschluss der Cabotegravir-PrEP-Phase durch Tenofovir hingegen nicht beein- müssen die Probandinnen noch ein Jahr flusst. eine orale PrEP einnehmen, denn das in- Was folgt daraus: Die Relevanz ist unklar – tramuskulär verabreichte Cabotegravir denn eine Senkung von 13% dürfte irrrele- lässt sich so lange noch im Blut nachwei- sen. Und damit es bei einer etwaigen HIV- PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
13 Infektion nicht gleich zu einer Cabotegra- vir-Resistenz kommt, muss man durch Cabotegravir-PrEP für Trans- eine andere PrEP eine HIV-Infektion sicher gender Frauen vermeiden. Die Parallelstudie HPTN 083 wird mit In HPTN°084 wird zusätzlich untersucht: 4.500 MSM und Transfrauen (TGW) in den USA, Argentinien, Brasilien, Peru, ob es Wechselwirkungen mit Hor- Thailand, Vietnam, und Südafrika monen gibt, die zur Kontrazeption durchgeführt. Der Anteil der TGW soll eingesetzt werden – das ist das Ziel – mindestens 10% wie hoch die Cabotegravir-Blutse- bzw. 450 Personen betragen [16]. rum-Spiegel in der Schwanger- Wenn das gelänge, gäbe es erstmals schaft sind, in einer PrEP-Studie harte Daten zu ob Cabotegravir negative Auswir- Transgender-Personen. Die Studie kungen auf den Fötus hat, wird voraussichtlich Ende 2021 abge- wie konzentriert Cabotegravir in schlossen sein. der Muttermilch vorkommt. Intramuskuläre verabreichte Kontrazep- tiva sind in Südafrika zur Schwanger- schaftsverhütung gebräuchlich, man er- wartet also eine hohe Akzeptanz. Studie Design Wo? Wer? Ende Cabotegravir Phase 1 (Startphase) 3.200 Mai HPTN°083 5 Wochen orale PrEP Botswana, Kenya, Süd- afrika, Uganda, Sim- Cis-Frauen 2022 Phase IIb / III Phase 2 babwe intramuskulär alle 8 Wo- Cabotegravir chen vs. TDF/FTC 4.500 September HPTN°083 Argentinien, Braslien, Peru, Südafrika, Tha- MSM und Trans- 2021 Phase 3 (Ausleitung) Phase IIb / III gender*Frauen land, USA, Vietnam 48 Wo mit TDF/FTC oral TAF/FTC 5.400 September Discover TAF/FTC (Descovy) vs. Deutschland (500), USA, TDF/FTC (Truvada) für Europa, .... MSM und Trans- 2020 Phase III gender*Frauen mind. 96 Wochen en Tab 3: Effektivitäts-Studien zur PrEP mit Cabotegravir und TAF (Truvada® bzw. Generika) bereits weitge- TAF/FTC hend abgelöst. TAF senkt die Kreatinin- In der Discover-Studie wird erprobt, ob Clearance weniger stark als TDF – ob es sich das aus dem „alten“ Tenofovirdisop- auch zu weniger Nierenschäden kommt, roxil (TDF) weiter entwickelte Tenofovi- ist bislang noch nicht belegt. ralafenamid (TAF) besser zur PrEP eignet. In der HIV-Therapie hat das neue TAF (mit FTC, als Descovy®) das „alte“ TDF/TFC PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
14 TAF/FTC wird in der Discover-Studie an HPTN°081/HVTN°703 schließt in 5.400 MSM und Transgender Frauen er- Ländern des südlichen Afrika 1.900 probt. Die Studie wird Ende 2020 abge- Frauen ein. schlossen sein. HPTN°085/HVTN°704 schließt in Nord- und Südamerika 2.700 MSM Die Lücke in der Forschung: Für Cis-Frauen und Transgender-Personen, die gibt es schon zur Wirkung der TDF/FTC- Sex mit Männern haben, ein. PrEP weniger klare Daten – im Vergleich zu Männern. Dafür gibt es eher viele Unsi- Die Zukunft der AMP liegt wahrscheinlich cherheiten – wie sich z.B. das Medikament in der Kombination von 3–5 verschiede- in den Schleimhäuten des weiblichen Ge- nen Antikörpern, denn gegen einen Anti- nitales verteilt. Zur Wirksamkeit von körper kann HIV leichter resistent werden TAF/FTC bei Cis-Frauen wird es gar keine – das ist eine Parallele zur medikamentö- Daten geben. Discover ist derzeit die ein- sen ART. zige Phase-3-Studie zur PrEP mit TAF. Lokale PrEP mit Tenofovir-Gel Implantate Der Versuch, Frauen durch ein Tenofovir- In Zukunft – aber das wird noch Jahre dau- haltiges Vaginalgel (1%) vor HIV zu schüt- ern – könnten Stäbchen mit einem PrEP- zen, ist bislang gescheitert (VOICE-Studie, Medikament unter die Haut implantiert s. HIVreport PrEP 2015 [1]). Allerdings war werden. Dort könnten sie dann über meh- der Erfolg nicht einheitlich schlecht. Bei rere Monate bis zu wenigen Jahren ein Frauen ohne Entzündung der Vagina PrEP-Medikament abgeben. Dazu eignen konnte ein Schutzeffekt von bis zu 75% er- sich Medikamente, von denen man nur reicht werden, bei Frauen mit Bakterieller eine kleine Menge benötigt, z.B. TAF (Teno- Vaginose bzw. Entzündungszeichen war foviralafenamid) oder Cabotegravir. Sol- kein Schutz vorhanden. che Stäbchen sind bereits aus der Schwan- Zwei Erklärungen gibt es dafür: zum einen gerschaftsverhütung bekannt. können Bakterien, die bei der Bakteriellen Vaginose vorkommen (Gardnerella vagi- Antikörper nalis) das Tenofovir zu einer unwirksamen AMP = Antibody Mediated Prevention (An- Substanz umwandeln. Zum anderen gibt tikörper-vermittelte Prävention) ist die Ab- es in den Zellen der entzündeten Schleim- kürzung für die neueste Form der PrEP. haut mehr Desoxy-Adenosintriphosphat Alle acht Wochen erhält man in den Stu- (dATP). Das Nukleotid dATP soll durch Te- dien eine intravenöse Antikörper-Infusion nofovir ja „verdrängt“ werden, damit sich über 30–60 Minuten Dauer. Thematisch ist statt dATP Tenofovir in die Nukleinsäure diese Form der PrEP nahe an der Impf- des Virus einbaut. Mehr dATP in der Zelle stoffforschung – denn wenn es gelingen bedeutet: Tenofovir wirkt schlechter [15]. würde, durch AMP vor HIV zu schützen, Die Forschung zur lokalen PrEP hat also ei- könnte man versuchen, durch einen Impf- nen Rückschlag erlitten. Aber es geht wei- stoff den Körper dazu zu bringen, genau ter: neue Substanzen müssen von Anfang diese Form der Antikörper selbst zu pro- an darauf getestet werden, ob sie auch bei duzieren. AMP kann man also als Vorstufe entzündeter Schleimhaut noch wirken zur Impfung betrachten. können. Zwei Studien mit dem Antikörper VRC01 laufen derzeit (bis ca. Ende 2021): PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
15 eine Zwangslage zu kommen. Dann kann II PrEP: Zielgruppe und Bedarfe bei es leicht sein, dass Frauen aufgrund ihrer Frauen ‚doppelten Verantwortung‘ in doppelte Präventionsaktivitäten investieren müs- Machen wir einen thematischen Sprung. sen. Für viele zweifelsohne ein Rückschritt Im zweiten Teil dieses HIVreports wollen gegenüber der kondomgestützten Verhü- wir uns mit der Frage auseinandersetzen, tung. Zum anderen setzen sich Frauen für welche Frauen in Deutschland die PrEP stärker mit möglichen Nebenwirkungen relevant bzw. interessant sein könnte. der Medikamente auseinander, sind zum Teil auch stärker betroffen. Kurz: Man müsse bei Frauen einfach anders aufklä- ren: Was wie wirkt und was anders wirkt als bei den schwulen Männern.“ [18] Zielgruppenbestimmung als Grat- wanderung Nicht zuletzt scheint man bei dem Thema eine Gratwanderung zu unternehmen, bei der man je nach Vermutung in eine „Zu- mutungsfalle“ gerät und Gefahr läuft, die Frau an sich oder das Gegenüber im kon- kreten Beratungsfall zu stigmatisieren. Bekannt ist die Situation z.B. aus dem Arzt- Abb. 8: Öffentlichkeitskampagne Washington D.C. Patienten-Gespräch, wenn es darum geht, für PrEP für Frauen: prepforher.com. Wie könnte einen HIV-Test anzubieten. Die Schwierig- Werbung in Deutschland aussehen? keit, im Praxiskontext angemessen über Dass die PrEP, wie eingangs erwähnt, hier- Sexualität zu kommunizieren,9 erschwert zulande vor allem ein Thema der schwulen die (rechtzeitige) HIV-Diagnostik10. Community ist, stellt uns bei Zielgruppen- bestimmung und Bedarfsanalyse für Während man beim HIV-Test eine sexuelle Frauen vor gewisse Herausforderungen. Risikosituation an sich abklärt, ist bei der PrEP per definitionem ein regelmäßig er- „Bei Frauen ist vieles einfach anders“, so höhtes Risiko anzunehmen. Gehört das die DAH-Frauenreferentin Marianne Rade- Gegenüber zur Gruppe der MSM, hat man macher. „Zum Beispiel ist die Schutzmoti- den kommunikativen Zugang über die er- vation einerseits altruistischer und ande- höhte Prävalenz: Derjenige, den man zu rerseits aus biologischen Gründen seiner Sexualität befragt, gehört in die- komplexer. Zum einen gibt sie den Frauen selbe Zielgruppe wie diejenigen, mit de- die Selbstbestimmung über ihren Schutz, nen er Sex hat. ganz ähnlich wie beim Femidom. Aller- dings erhöht sie das Risiko für Frauen, in nicht gleichberechtigten Beziehungen in 9 „Taking a sexual history is recommended for all adult and adoles- 10 „Am spätesten erfolgt die Diagnose bei denjenigen, bei denen cent patients as part of ongoing primary care, but the sexual his- offenbar die Kommunikation zwischen Patient und Arzt am tory is often deferred because of urgent care issues, provider dis- schwierigsten ist, bei Patienten, bei denen auch keine Angaben comfort, or anticipated patient discomfort.” CDC Guidelines [19] zum Übertragungsrisiko erhoben werden (konnten);“. RKI. [20] PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
16 Bei Frauen (bzw. allg. den Personen, die Jahre alt, kommen zu 42% aus Deutsch- nicht zu einer Gruppe mit hoher HIV-Prä- land und haben sich zu 82% auf heterose- valenz gehören) beginnt man, nicht das ei- xuellem Weg infiziert. gene (Sexual-)Verhalten zu befragen, son- dern das der Partner_innen – als ob die Verantwortung für ein potentielles Risiko allein beim/bei der (eventuell HIV-positi- ven) Partner_in läge. Abb. 10. HIV-Neuinfektionen in Deutschland 2016. Andererseits: Was und wie genau sollen Quelle: RKI [20] die Aidshilfe-Berater_innen das Verhalten Auf der Suche nach der Zielgruppe PrEP- der Ratsuchenden hinterfragen? Z.B. ge- Frauen können uns diese Zahlen Rahmen- plante Auslandsaufenthalte, Anzahl der bedingungen liefern. Welche zusätzlichen Sexualpartner, Bezahlung für Sex? Anhand Kriterien braucht man? Wie sehen die bis- welcher Kriterien lässt sich eine Zielgruppe herigen Empfehlungen genau aus? bestimmen, ohne die Frau oder ihre Part- ner_innen zu stigmatisieren? Oder ist es Was sagen die verschiedenen Leitli- vielleicht letztendlich nur eine Frage des nien zur PrEP bei Frauen? Tons bzw. der Art, wie selbstverständlich WHO: Die WHO [3] wir über Sexualität und STI bzw. Risiko(-si- empfiehlt die „Teno- tuationen) sprechen? fovir-haltige“ PrEP für Personen mit ei- nem „substanziellen Wem bieten wir die PrEP an? HIV-Risiko“, d.h. für Was sagen die HIV-Infektionszah- Personengruppen len? mit einer HIV-Inzidenz von über 3%. Dies trifft laut Guidelines auf bestimmte Grup- Eine erste Annäherung ans Zielgruppen- pen von MSM, Transgender*Frauen in thema soll über die aktuellen HIV-Infekti- vielen Settings und heterosexuelle Männer onszahlen (2016) erfolgen, veröffentlicht und Frauen mit Part_nerinnen mit nichtdiag- vom Robert-Koch-Institut: nostizierten oder unbehandelten HIV-Infekti- onen zu. Der Fokus bei Frauen auf die Partner_in- nen findet sich schon hier, allerdings wer- den eigenes Verhalten und Eigenschaften der Sexparter_innen (bezogen auf das In- Abb. 9. Gesamtzahl der Menschen, die 2016 mit HIV fektionsrisiko) gleichgestellt: das individu- in Deutschland lebten. Quelle: RKI [20] elle Risiko variiere innerhalb dieser Grup- Zusammenfassend lässt sich feststellen: pen abhängig von individuellem Verhalten Frauen mit HIV sind zum Zeitpunkt der Di- und der Charakteristik der Sexualpart- agnose größtenteils zwischen 20 und 39 ner_innen.11 11 „Individual risk varies within groups at substantial risk depend- ing on individual behaviour and the characteristics of sexual part- ners.“ [3] PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
17 EACS: Die European Aids Clinical Society [21] empfiehlt die HIV- PrEP für Erwachsene, die ein hohes Risiko für eine HIV-Infektion Abb. 11. Fragen Risikoverhalten, US-Guidelines [19] haben und die nicht konsequent Kon- Zusätzlich wird bei allen sexuell aktiven dome verwenden. Patient_innen empfohlen, ein Augenmerk Für MSM und Trans- auf STIs, Schwangerschaften (als Hinweis gender-Personen sprechen sie eine ein- auf Sex ohne Kondom), Alkoholmissbrauch deutige Empfehlung aus. Hingegen Zu er- („alcohol abuse“) und Drogengebrauch wägen sei die PrEP bei heterosexuellen (auch, um Harm Reduction anbieten zu Frauen und Männern, die nicht konsequent können) sowie auf den epidemiologischen Kondome verwenden und multiple Sexual- Kontext zu legen.“13 partner haben, bei denen wahrscheinlich ist, Dazu werden die PrEP-Indikationen (Box dass einige von ihnen HIV-infiziert und nicht B, Recommended Indications for PrEP Use, unter Therapie sind. Abb. 12) beschrieben [19]: Zwar ist die Indikation bei „erwägen“ weni- ger dringlich als bei „empfehlen“; und die Voraussetzungen werden umfangreicher; das eigene Schutz- und Sexualverhalten sticht hier jedoch relativ deutlich heraus. US-Guidelines: Für eine PrEP-Indikation unterscheiden die US-PrEP-Guidelines [19] drei Gruppen: MSM, heterosexuell Aktive und Drogengebrauchende.12 Es gibt einen kurzen Fragenkatalog (Box A), mit denen Patient_innen zu ihrem Risi- koverhalten („Risk Behavior Assessments“, Abb. 11) der letzten sechs Monate befragt Abb. 12. PrEP Indikationen, US-Guidelines [19] werden können. Eine PrEP ist indiziert bei einer erwachse- Hier werden Geschlecht und Anzahl der Sex- nen, HIV-negativen Person, die in den letz- Partner_innen, Anzahl der Sexualkontakte ten 6 Monaten Sex mit einer_einem Part- ohne Kondom und Fragen nach Kontakten ner_in des gegenteiligen Geschlechts hatte, mit HIV-Positiven gestellt. nicht in einer monogamen Beziehung mit ei- ner_einem zuletzt HIV-negativ-getesteten Partner_in lebt UND mindestens EINES fol- gender zusätzlicher Kriterien erfüllt: 1. Es 12 Wir beschränken uns für die Darstellung hier aus Kapazitäts- 13 „The risk of HIV acquisition is determined by both the frequency gründen auf die Gruppe der Heterosexuellen. of specific sexual practices (e.g., unprotected anal intercourse) and the likelihood that a sex partner has HIV infection.” [22] PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
18 handelt sich um einen bisexuellen Mann; 2. - sexuell aktive Personen innerhalb Gebie- Die Person benutzt unregelmäßig Kondome ten/Netzwerken mit hoher Prävalenz, wo- beim Sex mit einer Person, die aufgrund von bei hier mindestens ein weiterer Faktor IVD oder Bisexualität ein erhöhtes HIV-Ri- zutreffen soll: unregelmäßiger/kein Kon- siko hat; Oder 3. Die Person ist aktuell in domgebrauch, STI, Sex im Austausch ge- einer Beziehung mit einem_einer HIV-positi- gen Zuwendungen wie Geld, Nahrung etc., ven Partner_in. 4. Eine (bakterielle) STI in illegaler Drogengebrauch oder Alkoholis- den letzten 6 Monaten. mus, Haft, Partner mit unbekanntem HIV- Was auf den ersten Blick nicht auffällt, ha- 1 Status, auf den wiederum einer der ge- ben vor kurzem zwei Wissenschaftlerin- nannten Punkte zutrifft. nen in den USA in einem Kommentar kriti- siert: Für Frauen bedeutet diese Empfehlung, dass sie (ausschließlich14) auf Charakteristika oder Verhalten der männ- lichen Sexualpartner basieren. [22] Diese Herangehensweise bewerten die Au- tor_innen als unrealistisch, da sie die Mög- lichkeit für Frauen, für ihren eigenen HIV- Schutz zu sorgen, reduziere. Sie schlagen daher eine Änderung vor, die weibliches Verhalten und Charakteristika berücksich- tigt, unter Hinweis darauf, dass hier noch Abb. 13: Wichtige Sicherheitsinformationen zur mehr Forschung gefragt ist.15 PrEP, Februar 2018, BfArM. [23] Was sagen die Handreichungen zur Im Vergleich mit der US-Leitlinie fallen die Versorgung? Zusatzpunkte Sex gegen Entgelt, Gefängnis- aufenthalt und Alkoholismus auf, während In den von Gilead für die Zulassung erar- das Thema Bisexualität keine Rolle spielt. beiteten Sicherheitshinweisen für Verord- ner [23] finden sich Kriterien für Personen Auch diese Empfehlung differenziert nicht mit hohem Risiko für eine HIV-1-Infektion, nach Geschlechtern. Trans*personen, auf also Faktoren, anhand derer Ärzte_Ärztin- die in den aktualisierten US-Guidelines nen potentielle Zielgruppen auch für die von 2017 eingegangen wird,16 werden hier PrEP identifizieren können. Zwei Gruppen nicht explizit genannt. Und obwohl hier zeichnen sie auf: der Fokus auf die Rolle der eigenen sexu- ellen Aktivität gelegt ist, gibt auch hier wie- - Personen mit HIV-positiven Partner_innen derum der epidemiologische Kontext den ohne ART Rahmen, durch den v.a. die Gruppe der MSM in Deutschland identifizierbar sind. 14 Die Autor_innen verweisen in ihren Literaturangaben auf die Gui- 16 „Although the effectiveness of PrEP for transgender women has delines aus 2014, in denen der vierte Punkt (STI) noch nicht ent- not yet been definitively proven in trials, and trials have not been halten war. Die Aussage „ausschließlich“ („solely“) wird damit conducted among transgender men, PrEP has been shown to re- nicht zu halten sein. Die Forderung bleibt dennoch bestehen, duce the risk for HIV acquisition during anal sex and penile-vagi- denn auch eine STI muss erst einmal diagnostiziert und Tests nal sex. Therefore, its use may be considered in all persons at risk müssen angeboten und durchgeführt werden. of acquiring HIV sexually. US Guidelines [22]. 15 Die Autor_innen verweisen für Annäherung an PrEP-Inzidenzen für Frauen u.a. auf den NHBS (The National HIV Behavioral Sur- veillance), der z.B. hohe HIV-Prävalenzen in besonders armen, strukturschwachen Gegenden verzeichnet. [22] PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
19 Was sagen die Deutsch-Österreichi- PrEP in der Sexarbeit? schen Leitlinien? Die Formulierung der Deutsch-Österrei- DAIG+ÖAG: Die neuen Leitlinien orientie- chischen Leitlinie, „bei Sex ohne Kondom ren sich in ihrem Zugang an der WHO: „Die mit Partnern, bei denen eine undiagnosti- orale HIV Prä-Expositionsprophylaxe soll zierte HIV-Infektion wahrscheinlich ist“ als prophylaktische Maßnahme Men- schließt Sexarbeiterinnen mit in der Regel schen mit substanziellem HIV-Infekti- kondomlosem Verkehr mit ein. Sexarbei- onsrisiko angeboten werden“ [2], wobei terinnen als Gruppe haben in Deutschland „substanziell“ auch hier sich auf die HIV-In- kein „substanzielles“ HIV-Risiko. Die ein- zidenz von mehr als 3 pro 100 Personen- zelne Sexarbeiterin jedoch kann – je nach jahren bezieht. Dazu gehören serodis- Situation – ein hohes Risiko haben. kordante Konstellationen mit einer/m Eine allgemeine Empfehlung einer PrEP virämischen HIV-positiven Partner/in OHNE für Sexarbeiterinnen in Deutschland und ART, einer nicht suppressiven ART oder in der Österreich in Anlehnung an die WHO-Emp- Anfangsphase einer ART (also einer HIV- fehlungen wurde von der Konsensuskon- RNA, die nicht schon 6 Monate bei mindes- ferenz zur Leitlinie mehrheitlich auf Grund tens
20 Bei den anschaffenden Frauen ist es an- formationen zur PrEP zugänglich zu ma- dersherum: sie müssen das alltägliche STI- chen, damit sie abschätzen können, ob Risiko senken, um langfristig arbeitsfähig diese Form der Prävention für sie Sinn zu bleiben. Und da senken Kondome das macht. Für die Begleitung der Frauen ist Risiko. Mal abgesehen von dem seelischen ein interdisziplinäres Setting wünschens- Schutz, wenn man einen Kunden nicht zu wert, in das Haus- und Frauenärzte dicht an sich ranlassen möchte. Das Kon- ebenso eingebunden sind wie frauenspe- dom ist hier in mehrfacher Hinsicht ganz zifische Beratungsstellen.“ anders emotional besetzt als bei den Mit wem sprechen Frauen über ihre Sexu- Schwulen. alität? Wo kann man über HIV- und STI- Wo bieten wir die PrEP an? Prävention ins Gespräch kommen? Wo kann man für die PrEP werben? Bei einem Workshop zur PrEP bei Frauen beim Treffen der LAG Frauen XXelle in Beim XXelle-Workshop zur PrEP tauchten Düsseldorf im April 2018 standen die auf- folgende Orte/Kooperationspartner auf, geworfenen Fragen nach Zielgruppe und die unterschiedlich bewertet wurden: Erreichbarkeit im Mittelpunkt der Diskus- Checkpoint Aidshilfe sion. Einen herzlichen Dank an dieser Gynäkologie Stelle an die Teilnehmerinnen: wir konn- Familien-/Schwangerschaftsbera- ten viele Anregungen und Ideen für den tung HIVreport mitnehmen. Beratung in Gesundheitsämtern Bislang gibt es noch wenig konkrete Anfra- Hebammen gen nach einer PrEP von Frauen oder Fa- Apotheken milien. Wen spreche ich im Beratungsge- Aus Kapazitätsgründen beschränken wir spräch darauf an und wen nicht? Welche uns hier auf die ersten beiden. Signale wollen wir senden? Legen wir den Fokus auf die Information, damit die Gynäkologische Praxis Frauen eigenständig entscheiden können, „Die Mehrheit der HIV-Diagnosen bei ob es eine Präventionsstrategie für sie ist Frauen wird im Rahmen des routinemäßi- und ggf. im Gespräch Rat suchen können? gen Schwangerenscreenings gestellt“, so Vielleicht konzentriert man sich auf die das RKI 2017 [20]. Ist die Gynäkologie der Punkte Kooperationspartner und Bewer- richtige Rahmen, um über HIV- und STI- bung, um auf die PrEP aufmerksam zu ma- Prävention ins Gespräch zu kommen? chen? Können hier Informationen zur PrEP an Dr. med. Annette Haberl, Leiterin des Be- die Frau gebracht werden? reichs HIV und Frauen am HIVCENTER, Annette Haberl fordert dies in ihrem Fazit Med. Klinik II Universitätsklinikum Frank- zur Praxis: „Informationen zur PrEP sollten furt a. M. legt hierauf den Fokus: PrEP, ver- sexuell aktiven Frauen zugänglich ge- standen als ein Baustein der HIV-Präven- macht werden, z. B. im Rahmen der gynä- tion, erfordere eine möglichst kologischen Vorsorge.“ [24] Und: „Gesprä- individualisierte Prophylaxe. [24] che zu sexueller Gesundheit und „Es ist allerdings schwierig, die typische möglichen Schutzmaßnahmen gehören PrEP-Nutzerin abzubilden. Vielmehr geht als niedrigschwelliges Angebot in die tägli- es jetzt darum, sexuell aktiven Frauen In- che ärztliche Praxis.“ PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
21 Die Teilnehmer_innen des XXelle Work- wieder, dass die Ärzt_innen Scham erle- shops sahen Gynäkolog_innen als Koope- ben, einer verheirateten Frau einen STI- rationspartner_innen, aber nicht als Kom- Test oder Analscreening anzubieten, auch munikationspartner_innen in Sachen wenn es medizinisch sinnvoll wäre. Oder Sexualität. Auch wenn hier über Schwan- es fällt ihnen schwer, nicht-wertend zu gerschaftsverhütung oder –abbruch ge- bleiben, wenn eine Frau oder deren Mann sprochen werde, über sexuelle Praktiken sexuelle Außenbeziehungen hat“, sagt und Intimitäten komme man wohl nur in Steffen Taubert. Ausnahmefällen ins Gespräch, wenn Mit noch größerer Zurückhaltung begeg- der_die Arzt/Ärztin einen Schwerpunkt Se- nen die Gynäkolg_innen auf den DAH-Se- xualpädagogik habe. minaren bisher dem Thema PrEP. „Die meisten meinen, das käme für ihre Patien- tinnen nicht in Frage. Sie bieten es dann erst gar nicht an“, sagt Steffen Taubert. Auf einer Veranstaltung in Berlin, gab es un- längst jedoch auch eine Überraschung. „Zwei Teilnehmende berichteten, dass sie auch Patientinnen haben, die in Swinger- Clubs gehen. Das wann dann der Aufhä- nger über PrEP, aber auch über Moral zu sprechen. Denn nicht alle Seminarteilneh- mende fanden es gut, ein solches Sexual- Abb. 14. Schulungsangebot für Ärzte und Ärztinnen: verhalten auch noch mit einer PrEP zu un- Let’s talk about sex. www.hiv-sti-fortbildung.de/ terstützen“, so Steffen Taubert. Das Thema „Moral“ sehen auch die Teil- Tatsächlich stehen für Gynäkolg_innen Ge- nehmenden der XXelle Veranstaltung als spräche über Sexualität oder sexuelle größten „Hemmschuh“ für eine offene Identität nicht auf der Tagesordnung. Kommunikation. Um sich über „Risikokon- Das Fortbildungs-Projekt „Let’s talk about takte“ informieren zu können, braucht es sex“, das die Deutsche AIDS-Hilfe in Ko- ein niedrigschwelliges Umfeld, das nicht operation mit Ärzteverbänden und BZgA wertet und urteilt. Hier braucht es eine mit Unterstützung der PKV durchführt, gute Reflektion der eigenen Haltung, um bietet u.a. auch Kommunikationstrainings dem Gegenüber wertfrei entgegentreten für Gynäkolog_innen an. „Es gibt ein gro- zu können, was nicht zuletzt in den ange- ßes Interesse in dieser Facharztgruppe, sprochenen Schulungen auch über Rollen- mehr darüber zu lernen, wie man Sexuali- spiele geübt werden kann. tät anspricht“, sagt Steffen Taubert, Pro- Eine gute Aussicht bieten hier die Fachge- jektleiter des Ärztefortbildungsprojektes sellschaften für Gynäkologie, die allmäh- der DAH. „Dabei sind in der Regel nicht lich anfangen, das Defizit zu erkennen. Der mangelnde Kommunikationskompeten- erste Kongress für Sexualmedizin in der zen das Problem, sondern normative Hal- Frauenheilkunde fand 2017 statt. Zudem tungen, zum Beispiel zu Treue oder For- gibt es großen Zulauf für eine relativ neue, men sexuellen Erlebens. In Rollenspielen bereits ausgebuchte Basisausbildung für mit Gynäkolog_innen erleben wir immer Sexualmedizin der FBA. PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
22 Checkpoints davon 11,2% heterosexuell, 1,2% bisexu- ell, 0,15% lesbisch. Sind die Checkpoints der Aidshilfen ein ge- eigneter Ort, um die PrEP anbieten zu kön- Die Frauen nen? Was wissen wir über die Frauen, die kommen zu 65,7% aus dem Inland unsere Testangebote nutzen? Welche Da- (11,8% Migrationshintergrund, ten haben wir zu den Testergebnissen, 22,5% Ausland).21 Verhalten und Charakteristika? leben zu 48,1% in einer Partner- Seit Januar 2015 erheben einige der bun- schaft/Beziehung (47,7% Single, desweiten Checkpoints verschiedene Da- 4,2% andere). ten zu Herkunft, Testverhalten, Risikositu- sind zu 83% 12 Jahre oder länger ationen ihrer User_innen. Als erstes zur Schule gegangen (14,4% 10-11 bundesweites Projekt können diese Daten Jahre, 2,6% bis zu 9 Jahre). verknüpft werden mit den jeweiligen Test- sind zu 96,5% krankenversichert ergebnissen. Der Kooperationspartner Ro- (1,4% nein, 0,6% weiß nicht, 1,5% bert Koch Institut (RKI) validiert die Ergeb- keine Antwort). nisse der einzelnen Teststellen und fügt Es kommen also vorwiegend gebildete sie zusammen. Frauen in die Checkpoints, die zu zwei Drit- teln aus dem Inland stammen. 4.401 HIV-Screenings wurden bei Frauen durchgeführt, davon waren 18 reaktiv/po- sitiv (= 0,41%).22 Gematcht wurden diese Daten noch nicht; das RKI ist derzeit mit der Umstellung auf eine webbasierte Da- tenerhebung beschäftigt (Stand Juli 2018). Zukünftig wird es jedoch möglich sein, sich die positiven Testergebnisse noch einmal Abb. 16. Informationen auf aidshilfe.de zur PrEP. genauer anzusehen in Bezug auf Charak- So konnte das RKI auf den Münchner Aids- teristika. tagen in Berlin 2018 die Daten von 19 Test- Auch neue Daten werden ab 2018 erho- stellen im Zeitraum Januar 2015–Dezem- ben und sollen dann zur Verfügung ste- ber 2017 vorstellen. [27]. Über diesen hen, z.B. zur PrEP (Einnahme und Wunsch) Zeitraum liegen die Ergebnisse von oder zu Sex und Entgelt. 34.69919 Beratungen (nicht Personen) vor, Auf jeden Fall lässt sich im standardisier- wobei nicht bei allen Bögen alle Fragen be- ten Testsetting im Checkpoint über das antwortet wurden. Thema PrEP nicht nur informieren, son- Zusammenfassend lässt sich feststellen: dern auch im individuellen Fall dazu bera- 12,35 %20 aller Befragungen sind Frauen, ten, ob es für die Zukunft eine sinnvolle Präventionsmethode sein kann. 19 Von 4.265 Ergebnissen liegen nur Befunde über den Test vor, 21 Eltern nicht zugewandert, geb. in Deutschland. Migrationshinter- keine Antworten aus den Fragebögen. grund: Eltern zugewandert, geb. in D. Ausland: Eltern zugewan- dert, geb. im Ausland. 20 Bei 2,5% der Befragungen gibt es keine Angabe zur sexuellen Ori- entierung/zum Geschlecht. 22 Im Vergleich: der Anteil reaktiver/positiver HIV-Testergebnisse MSM liegt bei 1,53%, bei heterosexuellen Männern bei 0,38% und bei den Anderen bei 1,59%. PrEP bei Frauen (HIVreport 2018/1)
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