HOME-OFFICE? LÄUFT - mymary
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49 HOME- OFFICE? LÄUFT Technologien zum Video- chatten und zur Zusammen- arbeit gibt es schon lange. Aber erst seit der Corona- Pandemie kommen sie in Agenturen und Unter- nehmen auch so wirklich zum Einsatz – und stellen dort die Weichen für die Zukunft der Arbeit TEXT IRMELA SCHWAB T im Höttges ist ein vielbeschäftigter Mann. Als Vor- stand der Telekom ist er viel unterwegs; dass er mit seinen beiden Söhnen etwas unternimmt, kommt eher selten vor. Vom Home-Office hat er nie viel gehalten. Doch neulich schwärmte er im Handelsblatt davon, wie gut sich in Zeiten von Corona von zu Hause aus arbeiten lässt: „Ich bin viel produktiver, als wenn ich die ganze Zeit unter- wegs bin.“ Magic! Ein ähnliches Fazit ziehen heute viele Nutzer von Vi- deokonferenzen, Livestreams und Kollaborationstools – selbst Skeptiker stellen jetzt fest: Es funktioniert! Der „Druck #22/20 | 25.05.2020
DOSSIER AUCH IN DEN EIGENEN 50 Personalmarketing VIER WÄNDEN DARF EINE ARBEITSZEIT VON ACHT STUNDEN PRO der Umstände” könnte so durchaus Jahren hat man das jährliche EMPEX-Festival ins sein Positives haben, sagt auch Mirko Leben gerufen; dort teilen Mitarbeiter unterein- Kaminski, CEO der Hamburger Agen- ander Ideen, wie sie künftig arbeiten möchten. TAG NICHT ÜBER- tur Achtung. Er schildert das Umden- Die Formen der New Work, zu denen vor allem ken, das derzeit stattfindet: „Es ist flexibles und mobiles Arbeiten zählen, sollen eben etwas anderes, ob man sich die dann im Axel-Springer-Neubau mit 3000 Ar- SCHRITTEN WERDEN Vorteile auf hundert Charts erklären beitsplätzen in den Arbeitsalltag übergehen. Als lässt oder als Anwender einmal selbst im vergangenen März die Corona-Krise ausbrach, die gute Erfahrung macht.“ konnte der Verlag im Handumdrehen auf seine Was kurzfristig vielerorts schlicht vorhandenen Tools in der Cloud zurückgreifen. notwendig war, um den Betrieb am Laufen zu halten, könnte Florian Klages stellt das mobile Arbeiten, powe- die Arbeitswelt nachhaltig verändern: Weniger Reisen und red by Corona, deswegen nicht über Nacht vor Pendeln, mehr Mobile-Office und Technologien. unlösbare Aufgaben. „Es galt schon vorher die Devise, dass es eigentlich egal ist, von wo aus die Mobiles Arbeiten spart Arbeit erledigt wird. Hauptsache, sie wird gut er- Reisekosten und Büromieten ledigt“, sagt der Leiter Corporate HR bei Axel Die Magie des neuen Arbeitsplatzes zu Hause bringt weit- Springer. reichende Veränderungen mit sich – für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer. Nicht nur Höttges beteuert in Zukunft Die Strukturen bleiben – weniger reisen zu wollen. Vielen Pendlern geht es ähnlich. auch nach Corona Die Arbeitswege zu reduzieren, ist nicht nur gut für die Um- Während der vergangenen Wochen sind die letz- welt, sondern spart Mitarbeitern und Unternehmen bares ten Barrieren gefallen. „Mobile-Office geht bei Geld. Denn auch umgekehrt gilt: Je mehr Mitarbeiter mit uns nicht“, „Uns fehlt die entsprechende Tech- mobilen Arbeitsgeräten, VPN-Zugängen et cetera ausge- nik“, „Wie soll das von zu Hause gehen?“ – solche stattet werden, desto weniger von ihnen müssen zwingend Sätze sind nicht nur bei Springer nicht mehr zu einen festen Schreibtisch im Büro haben. Wegen Corona hören. Selbst die Gleichstellung von Frau und sind aktuell ohnehin viele Büros verwaist. Womöglich bleibt Mann soll vom Virus profitieren, so zumindest das auch einige Wochen noch so. Perspektivisch können schildert es Klages: „Väter sehen jetzt, was Mütter sich Firmen einen Teil der teuren Büromiete sparen, glaubt oftmals für einen grandiosen Job leisten, und sie Agenturchef Kaminski: „Unternehmen werden dazu über- sehen, was ihnen ihre Kinder wiedergeben, wenn gehen, Arbeitsplätze gar nicht mehr fest zuzuordnen, son- sie jetzt substantiell öfter greifbar sind.“ Die Rol- 48 dern sie morgens beim Check-in nach Verfügbarkeit zu ver- lenaufteilung verschiebt sich laut dem HR-Ma- geben.“ nager damit automatisch weiter. Und das sei auch Das viel beschworene agile Arbeiten ist im Arbeitsalltag gut so. angekommen, endlich. In seiner Agentur arbeitet Kaminski Eine Rückkehr zur alten Arbeitswelt post-Co- bereits „sehr intensiv“ mit Videochat-Tools. Je nach Kunde rona sieht auch Gudrun Kreutner nicht. Kreutner greift er auf Skype, Zoom, Google Hangouts oder Microsoft ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leitung Teams zurück. So wie Achtung machen das inzwischen im- Unternehmenskommunikation beim Wort & Bild mer mehr Unternehmen. Zoom etwa berichtet von weltweit Verlag und spricht Klartext: „Die neuen Struktu- 300 Millionen täglichen Teilnehmern an seinen Videokon- PROZENT ren werden bleiben. Durch die digitalen Möglich- ferenzen. Vor der Corona-Pandemie: undenkbar. der Berufstätigen keiten in unserem Unternehmen konnten 80 Pro- Nicht nur in Agenturen ist New Work seit dem Lock- arbeiten infolge der Corona- zent der Belegschaft innerhalb kürzester Zeit aus down verstärkt Thema, auch Unternehmen beschäftigen Pandemie ganz oder dem Home-Office arbeiten.” Eine Erfahrung, auf sich mit der Zukunft des Arbeitens. Beispiel Daimler: Bei teilweise im Home-Office die die Verlagsmanagerin künftig nicht verzich- der internen Kommunikation setzt der Automobilkonzern ten will. „Die Bereitschaft und das Vermögen, 33 neben E-Mails auf Threema Work sowie das Intranet. „Wir virtuell und digital zu arbeiten, stärkt Unterneh- nutzen unterschiedliche Kommunikationskanäle und bie- men. Es macht sie agiler und fördert die Bildung ten unterschiedliche Zusammenarbeitsmöglichkeiten, um neuer Netzwerke.“ den Austausch untereinander zu stärken“, heißt es auf An- Ausprobiert hat man im Verlag aus Baier- frage von MEEDIA. Mobil zu arbeiten, das ist dort schon brunn bei München vieles. „Alles, was sich mit seit Dezember 2016 machbar. Einzige Voraussetzung: Es dem Datenschutz in Einklang bringen lässt, user- muss nur zur jeweiligen Aufgabe passen. freundlich und technisch gut umsetzbar ist“, Das Arbeiten mit digitalen Kommunikations- und Kol- fasst die Wort & Bild-Chefin die Maßnahmen zu- laborations-Tools treibt auch die Medienhäuser um. Bei PROZENT sammen. Ihre Mitarbeiter ließen sich von den Axel Springer etwa hat die Führungsriege das Thema New der Berufstätigen arbeiten neuen Möglichkeiten, die sich in ihrem Ar- Work schon vor Corona auf die Agenda gesetzt. Vor zwei erstmals im Home-Office beitsalltag auf einmal auftäten, mitreißen. „Es #22/20 | 25.05.2020
51 hat sich gezeigt, dass die Herzen beim Thema Home-Office bedeute ja nicht automatisch eine attraktive Video höher schlagen als bei reinen Telefoncalls“, Work-Life-Balance, das sei ein Trugschluss. Das hauseigene sagt sie. Im Gegensatz zum klassischen Telefonat Magazin Apotheken-Umschau schildert dementsprechend können sich die Mitarbeiter während der Video- in der Mai-Ausgabe detailliert, wie anstrengend das Arbei- telefonie schließlich auch sehen und kämen so ten von Daheim für viele ist und gibt Tipps, wie sich der schneller zum Punkt. Auch im Vergleich zum Alltag mit Kindern organisieren lässt oder wie man ihnen klassischen Konferenzraum gewinnt der Video- und sich am besten Grenzen setzt. Denn laut Gesetzgeber call: Bisschen später eintrudeln, noch mal einen darf auch in den eigenen vier Wänden eine Arbeitszeit von Kaffee holen – wer sich mobil einwählen kann, acht Stunden pro Tag nicht überschritten werden. ist eher pünktlich. Dennoch: Nicht allen fällt es leicht, zu Hause zu arbei- ten. Bei Condé Nast wendet sich CEO Jessica Peppel-Schulz New Work braucht eine auch deswegen jeden Morgen um neun Uhr an die gut menschliche Kultur 300 Mitarbeiter. Das sogenannte Morning Briefing soll dem Moderne Technologien dienen als Basis fürs Ar- Team eine Struktur geben. Daneben unterstützt der Verlag beiten 4.0 – doch sind sie längst nicht alles. „Es die Mitarbeiter mit virtuellen Rückenfit- und Yoga-Kursen braucht einen neuen Umgang mit Mitarbeitern, und spendiert eine Kinderbetreuung: Babysitter des Münch- um sie bestmöglich zu fördern“, sagt Kreutner. ner Startups Mymary betreuen Kinder zu Hause und sorgen Und so wurde beim Wort & Bild Verlag ein Kri- so dafür, dass sich die Doppelbelastung im Home-Office in senstab einberufen, der die Belegschaft im Grenzen hält. Home-Office dabei unterstützt, ihren neuen All- Denn auch das zeigt das Arbeiten im Lockdown: Ohne tag zu organisieren. Dazu zählen die Versorgung ein aufmerksames Miteinander geht es nicht. „Unternehmen mit Mundschutzmasken und Verpflegung zum lernen jetzt, wie wichtig Kultur und Teamspirit sind. Und Abholen. Auch an die Kinder der Mitarbeiter hat wie hinderlich ein Vorzimmer sein kann“, beobachtet Ach- man gedacht. An Ostern zum Beispiel hat der Ver- tung-CEO Kaminski. Dabei gilt: Diejenigen, die schon vor FOTOS: STOCKSY lag den Familien Osternester nach Hause ge- Corona für ein angenehmes Arbeitsklima gesorgt haben, schickt und sie mit Heften und Spielen versorgt. profitieren jetzt davon. Andere dagegen müssen jetzt fest- #22/20 | 25.05.2020
DOSSIER »UNTERNEHMEN LERNEN 52 Personalmarketing JETZT, WIE WICHTIG stellen, dass sie ihre Mitarbeiter wäh-KULTUR UND TEAM- geber verbunden. Das spricht sich rum. Michael rend des staatlich verordneten Lock- downs nicht richtig erreichen. SPIRIT SIND. UND WIE Trautmann beobachtet derzeit sehr genau, wie unterschiedlich sich Unternehmen in der Krise HINDERLICH EIN VOR- „Führungskräfte, die zuvor Distanz verhalten. Trautmann, der die Kreativschmieden durch ein Vorzimmer gepflegt haben, Kemper Trautmann und anschließend Thjnk ge- versuchen sich jetzt zum Beispiel gründet hatte, betreibt seit drei Jahren den Pod- ZIMMER SEIN KANN« krampfhaft an internen Videobotschaf- cast On the Way to New Work. Der selbsternannte ten.“ Glaubwürdig mag das nicht sein New-Work-Evangelist ist sich sicher, dass die Be- – aber immerhin lernen sie. Für den werber bei der Wahl eines Arbeitgebers immer Moment, aber auch für die Zukunft. mehr darauf achten, wie dort gearbeitet wird. Zu den Aufgaben zählt es auch, zu lernen zu vertrauen. Wichtiger als Tools ist ihm zufolge „die Haltung, Die nagenden Zweifel, dass Mitarbeiter nichts tun, wenn mit der Unternehmen durch die Krise navigie- sie zu Hause sind, haben sich Kaminski zufolge als falsch ren“. Arbeitgeberplattformen wie Kununu sorgen herausgestellt: „Die Leute sind produktiv, auch ohne, dass dabei für Transparenz: Auf seiner Website ruft man sie in Sichtweite hat und mit Argusaugen kontrollieren das Portal dazu auf, Unternehmen danach zu be- kann.“ werten, wie sie die Herausforderungen während der Corona-Krise bewältigen. Nicht alle kommen Arbeitgeber-Image: Empathie dabei gleich gut weg. wird belohnt Jedes Unternehmen kann aus der Krise ler- Das Führen über rigide Ziele und Ansagen weicht einem nen, wenn es es nur will. Trautmann rät ihnen, emphatischer Führungsstil. Genau wie die neuen Techno- nicht sofort wieder in alte Muster zu verfallen, ⅔ logien wurde die Kommunikation auf Augenhöhe zwar oft sondern die gemachten Erfahrungen zu analy- beschworen, aber noch nicht überall angewandt. Echtes sieren und sich auf Basis dieser Erkenntnisse wei- Interesse für die Mitarbeiter gehört für Kaminski aber un- terzuentwickeln. So könnten Unternehmen das bedingt dazu. Der Agenturchef erzählt von Führungskräf- Büro und Geschäftsreisen jeweils als ein Tool be- ten, die Mitarbeiter nach jahrelanger Zusammenarbeit zum trachten und nur dann nutzen, wenn ein Video- ersten Mal fragen, wie es ihnen geht. Oder die erstmals mit- call im Home-Office weniger gut funktioniert, bekommen, dass ein Mitarbeiter Kinder hat, spätestens, schlägt Trautmann vor. wenn sie bei der Videokonferenz durchs Bild laufen. Solche der Bundesbürger sehen privaten Details fördern Nähe. digitale Technologien Physische Präsenz treibt Der gute Nebeneffekt: Je wohler und freier sich die Mit- im Kampf gegen das Corona- Innovationen an arbeiter fühlen, desto mehr fühlen sie sich einem Arbeit- virus als hilfreich an Bei Springer vermissen viele Mitarbeitern die Ar- beit im Büro inzwischen. „Sei es wegen der ruhi- gen Arbeitsatmosphäre, der besseren techni- schen Ausstattung oder wegen des Austauschs mit den Kollegen“, sagt HR-Manager Klages. In den vergangenen Wochen hat das Unternehmen viel darüber gelernt, wie die digitale Zusammen- arbeit noch besser funktionieren kann. „Es hat sich aber auch gezeigt, dass der persönliche Aus- tausch nicht zu ersetzen ist.“ Die spontane Idee, die beim kurzen Austausch in der Kaffeeküche entsteht, das Anstoßen auf gemeinsame Erfolge und Mitarbeiterveranstaltungen lassen sich vir- tuell eben nicht eins zu eins abbilden. Der Per- sonalmanager bricht eine Lanze für menschliche Nähe als Schlüssel zum Erfolg: „Wir als Media- und Tech-Company werden vor allem das Thema Innovationen und Kreation auch immer mit Prä- senz verbinden, im persönlichen, fast schon phy- sischen Austausch.“ Dennoch, der Beweis ist erbracht: Wenn etwas funktionieren muss, dann klappt es auch. So kann man der Corona-Krise am Ende vielleicht doch mehr Positives abgewinnen als zunächst gedacht. Ganz bequem – aus dem Home-Office. - #22/20 | 25.05.2020
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