HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02

 
WEITER LESEN
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

02
 HOMEOFFICE
 IM VERLAUF DER
 CORONA-PANDEMIE
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
2    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
     AUSGABE JULI 2021

    Corona Datenplattform im Auftrag
    des Bundesministeriums für
    Wirtschaft und Energie, BMWi

    in Kooperation mit

    ISSN 2749-5388

    Projekt: 7387
    Bonn, Juli 2021
    Version 1.0

    Text: Jean-Victor Alipour, Oliver Falck, Robert Follmer, Reiner Gilberg, Beatrice Nolte
    Layout und Grafik: Mischa Frank

    Folgende Zitierweisen werden empfohlen:
    Langform:
    Corona Datenplattform (2021): Themenreport 02, Homeoffice im Verlauf der Corona-Pandemie, Ausgabe Juli 2021, Bonn
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
3    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
     AUSGABE JULI 2021

           Inhalt

    04     STELLENWERT DES HOMEOFFICE IN DER PANDEMIE
           Homeoffice im Kampf gegen das Infektionsgeschehen

    04     POTENZIALE FÜR DAS HOME-OFFICE UND TATSÄCHLICHE AUSSCHÖPFUNG
           56 Prozent der Jobs können mindestens teilweise im Homeoffice ausgeführt werden

    14     HOMEOFFICE AUS SICHT DER BESCHÄFTIGTEN
           Wer macht Homeoffice und wie kommen Beschäftigte damit zurecht

    18     AUSBLICK – HOMEOFFICE NACH DER PANDEMIE
           Was kommt nach corona?

    19     WAS UNS AUFFÄLLT
           7 Punkte zum Homeoffice im Frühsommer 2021

           Zur Entstehung des Papers:
           In der Corona-Datenplattform ist das ifo Institut Mitglied des wissenschaftlichen
           Projektboards. Aus den dort geführten Diskussionen hat sich eine Zusammen­arbeit
           zu dem Schwerpunktthema Homeoffice ergeben. Diese erfolgt aus gemeinsamem In-
           teresse und geht als Eigenvorhaben über den im Projekt beauftragten Rahmen hinaus.
           Dabei bringen sowohl ifo wie infas weitere eigene Arbeiten mit einem Bezug zum
           Themenfeld Homeoffice ein. Auf diese Weise entsteht eine umfassende empirische
           Bestandsaufnahme zum aktuellen Status der Homeoffice-Umsetzung in Deutschland.
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
4    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
     AUSGABE JULI 2021

    STELLENWERT DES HOMEOFFICE                                tigten stand es hingegen weiterhin frei, ein entspre-
                                                              chendes Angebot zu nutzen. Mit dem Beschluss des
    IN DER PANDEMIE                                           Deutschen Bundestags am 21. April 2021 zur vierten
                                                              Novelle des Infektionsschutzgesetzes ist die Ver-
    HOMEOFFICE IM KAMPF GEGEN DAS
                                                              pflichtung aus der Arbeitsschutzverordnung ins In-
    INFEKTIONSGESCHEHEN
                                                              fektionsschutzgesetz gewandert. Neu ist auch, dass
                                                              die Arbeitnehmer ein Homeoffice-Angebot anneh-
    Eine zunehmende Anzahl von Forschungsergeb-
                                                              men müssen, wenn ihrerseits keine Gründe dage-
    nissen legt nahe, dass konsequentes Homeoffice
                                                              gensprechen. Gründe, die gegen die Annahme eines
    einen wirksamen Hebel gegen die Pandemie bietet.
                                                              Homeoffice-Angebots angeführt werden können,
    Simulationsstudien (Gabler et al. 2021; Kriegel und
                                                              wie räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder
    Hartmann 2021), empirische Evaluierungen (Alipour
                                                              eine unzureichende technische Ausstattung, werden
    et al. 2021a; McLaren und Wang 2020) sowie Umfra-
                                                              gemeinhin aber als nicht ausreichend angesehen.
    geergebnisse (Kunze et al. 2021) liefern Evidenz da-
                                                              Die Homeoffice-Pflicht endet zum 30. Juni 2021.
    für, dass die Heimarbeit das Infektionsrisiko deutlich
    senken kann. So berichten in der Umfrage von Kunze
    et al. (2021) Beschäftigte mit Präsenzarbeit vier bis
    acht Mal häufiger von einer Covid-19-Infektion als        POTENZIALE FÜR DAS HOME-
    Beschäftigte ohne Präsenzaktivitäten. Alipour et al.      OFFICE UND TATSÄCHLICHE
    (2021a) zeigen anhand einer Auswertung von Daten          AUSSCHÖPFUNG
    aus der ersten Corona-Welle, dass eine um einen
    Prozentpunkt höhere regionale Homeoffice-Quote            56 PROZENT DER JOBS KÖNNEN MINDESTENS
    mit einer um 4 bis 8 Prozent niedrigeren regionalen       TEILWEISE IM HOMEOFFICE AUSGEFÜHRT
    Infektionsrate verbunden ist. Der Zusammenhang            WERDEN
    ist besonders ausgeprägt vor dem ersten Lockdown
    im Frühjahr 2020, was nahelegt, dass Homeoffice ein       Um den theoretisch möglichen Spielraum für das
    besonders wirksames Mittel zur Kontaktbeschrän-           Homeoffice in Deutschland zu beurteilen, legten
    kung ist, wenn Politikmaßnahmen fehlen, die auf           Alipour et al. (2020) Berechnungen des deutschen
    die Reduktion von Kontaktbeschränkungen abzielen.         Homeoffice-Potenzials vor. Die Autoren stützen sich
    Obwohl diese Zusammenhänge in der Regel noch              dabei auf Umfrageergebnisse von mehr als 17.000
    keine Kausalität belegen und weitere Faktoren eine        Befragten aus der Erwerbstätigenbefragung (ETB)
    erhebliche Rolle spielen dürften, ist es vor diesem       des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und
    Hintergrund pandemiepolitisch durchaus geboten,           der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme-
    auf die Verlagerung aller Jobs, deren Tätigkeitsprofile   dizin (BAuA) aus dem Jahr 2018. Das Homeoffice-
    eine Ausführung im Homeoffice erlauben, in die            Potenzial eines Berufes wird demnach definiert als
    heimischen Büros abzuzielen.                              der Anteil der abhängig Beschäftigten, die nicht
                                                              ausschließen, dass Homeoffice in ihrem Job möglich
                                                              ist, oder die selbst zumindest gelegentlich zu Hause
    So beschloss auch die Bund-Länder-Konferenz am            arbeiten. Die berufsspezifischen Potenziale werden
    19. Januar 2021 eine „Homeoffice-Pflicht“ für Arbeit-     anschließend mit Beschäftigungsstatistiken der
    geber. Die entsprechende Änderung der Arbeits-            Bundesagentur für Arbeit über die absolute Häu-
    schutzverordnung ist zum 27. Januar 2021 in Kraft         figkeit der einzelnen Berufe gewichtet. Demnach
    getreten. Darin ist festgelegt, dass Arbeitgeber          können insgesamt 56 Prozent der Arbeitsplätze
    verpflichtet sind, ihren Mitarbeiterinnen und Mit-        zumindest teilweise ins Homeoffice verlagert wer-
    arbeitern Homeoffice anzubieten, soweit dem keine         den. Diese Abschätzung aus der Zeit vor der Corona-
    betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Beschäf-         Pandemie deckt sich weitgehend mit dem Ergebnis
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
5     THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

    aus der 4. Welle der Erwerbspersonenbefragung der                                                Nutzung. Die Geodatenschwester infas 360 hat im
    Hans-Böckler-Stiftung vom Januar 2021, nach der                                                  Februar/März 2021 in ihrem CASA-Monitor, einer
    zumindest 53 Prozent der Beschäftigten ganz oder                                                 online-repräsentativen Befragung mit ca. 7.000
    teilweise im Homeoffice arbeiten könnten.                                                        Erwerbstätigen, ebenso die Homeoffice-Nutzung
                                                                                                     regionalspezifisch erhoben. In beiden Befragungen
    Homeoffice-Potenzial nicht durch gesetzliche
                                                                                                     werden die Erwerbstätigen identisch danach gefragt,
    Pflicht ausgeschöpft
                                                                                                     ob sie zurzeit ganz oder überwiegend im Homeoffice
    Das ifo Institut befragt im Rahmen seiner monat-                                                 arbeiten.
    lichen Konjunkturumfrage seit Februar 2021 rund
                                                                                                     Im Vergleich zur ifo-Frage wird in den infas- und in-
    7.800 Unternehmen der Realwirtschaft zur Home-
                                                                                                     fas 360-Befragungen eine höhere Homeoffice-Inten-
    office-Nutzung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitar-
                                                                                                     sität vorausgesetzt. Der Anteil der Beschäftigten im
    beiter (vgl. Alipour et al. 2021b). Die Führungskräfte
                                                                                                     Homeoffice aus der ifo-Befragung umfasst dagegen
    geben dabei den Prozentsatz der Mitarbeitenden
                                                                                                     auch solche Beschäftige, die nur wenige Tage/Stun-
    an, die teilweise oder vollständig im Homeoffice
                                                                                                     den pro Woche im Homeoffice arbeiten. Abbildung 1
    arbeiten. Diese Unternehmen zählen insgesamt
                                                                                                     zeigt den Anteil der Beschäftigten, die gemäß der
    rund 2,6 Millionen Beschäftigte. Damit stehen sie
                                                                                                     drei Befragungen zwischen Januar und Juni 2021
    für knapp 8 Prozent der abhängig Erwerbstätigen
                                                                                                     im Homeoffice gearbeitet haben. Erwartungsgemäß
    in Deutschland.
                                                                                                     liegt daher die Homeoffice-Quote in den ifo-Befra-
    infas befragt im Rahmen seiner bevölkerungsreprä-                                                gungen über den Ergebnissen der infas- und infas
    sentativen Telefoninterviews mit Beginn der Coro-                                                360-Befragungen.
    na-Pandemie monatlich (mit Ausnahme Dezember
    2020) ca. 600 Erwerbstätige zu ihrer Homeoffice-

    Abb. 1: Homeoffice-Quote Januar bis Juni 2021
    Angaben in Prozent

     100 %                                                                                                                             Homeoffice-Quote ifo
                                                                                                                                       (teilweise und ganz im
      75 %                                                                                                                             Homeoffice)*

                                                                                                                                       Homeoffice-Quote infas
      50 %                                                                                                                             (ganz od. überwiegend im
                                                                                                                                       Homeoffice)**
      25 %                           30                   32
                                                               29 27          31                   31                                  Homeoffice-Quote infas 360
                      26                                                                                                28
                                           22                                       24                   23
                                                                                                                              20       (ganz oder überwiegend im
        0%                                                                                                                             Homeoffice)**
                    Jan 21                Feb 21             Mär 21                Apr 21             Mai 21               Jun 21

    * Frageformulierung ifo: Welcher Anteil Ihrer Beschäftigten arbeitet aktuell zumindest teilweise im Homeoffice?
    ** Frageformulierung infas/infas 360: Wie hat sich aufgrund der Situation durch das Corona-Virus Ihre Arbeitssituation geändert?
       Was trifft auf Sie zu? Ich arbeite ganz oder überwiegend von zu Hause aus (im Homeoffice).
    Quelle: ifo Institut, infas, infas 360 (kalibriertes Gesamtsample, s.u.)
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
6     THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

    Mit um die 30 Prozent der Beschäftigten, die in den                                            Homeoffice-Quoten aus verschiedenen
    letzten sechs Monaten teilweise oder vollständig                                               Befra­gungen im Laufe der Corona-Pandemie
    im Homeoffice tätig waren, wurde trotz der Einfüh-
                                                                                                   In der aktuellen Debatte kursieren verschiedene
    rung und Verschärfung der Homeoffice-Pflicht das
                                                                                                   Befragungsergebnisse zu den Homeoffice-Quoten
    Homeoffice-Potenzial von 56 Prozent1 bei Weitem
                                                                                                   in der Corona-Pandemie. Während das ifo Institut
    nicht ausgeschöpft. Auch zeigt die horizontale Ent-
                                                                                                   Führungskräfte zur Homeoffice-Nutzung der Mit-
    wicklung (und der leichte Abfall im Juni) in den ifo-
                                                                                                   arbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen
    Befragungen, dass die Verschärfung der Homeoffice-
                                                                                                   befragt, basieren andere veröffentlichte Erhebungen
    Pflicht mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes
                                                                                                   in der Regel auf Befragungen von Erwerbstätigen:
    zu keinem Anstieg der Homeoffice-Quote geführt
                                                                                                   infas erhebt wie dargestellt monatlich (mit Ausnah-
    hat. Der gleichzeitige Rückgang in der von infas
                                                                                                   me von Dezember 2020) seit April 2020 die Home­
    ermittelten Homeoffice-Quote ab März 2021 legt
                                                                                                   office-Nutzung und bietet damit die längste Zeit-
    sogar nahe, dass Beschäftigte zwar nicht vollständig,
                                                                                                   reihe in der Corona-Pandemie. Mit der infas-Frage
    aber wieder häufiger im Betrieb arbeiten. Darauf
                                                                                                   zum vollständigen bzw. überwiegenden Homeoffice
    weisen auch bezogen auf den zeitlichen Homeoffice-
                                                                                                   vergleichbare Fragen wurden zu verschiedenen
    Tätigkeitsumfang differenziertere Zwischenergeb-
                                                                                                   Zeitpunkten in Befragungen im Auftrag der Hans-
    nisse aus einer weiteren infas-Befragung hin. Auf
                                                                                                   Böckler-Stiftung (HBS), des Forschungsinstituts zur
    diese wird im Ausblick am Ende dieses Papiers kurz
                                                                                                   Zukunft der Arbeit (IZA) im Auftrag des Bundesmi-
    eingegangen.
                                                                                                   nisteriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und der
                                                                                                   Corona-Bund-Studie im Auftrag des Bundesgesund-
    1 Berücksichtigt man, dass in der ifo-Konjunkturumfrage nicht alle
      Branchen abgebildet werden, verändert sich das berechnete Homeoffice-                        heitsminis­teriums (BMG) gestellt.
      Potenzial für die Teilstichprobe um weniger als einen Prozentpunkt und
      liegt gerundet weiterhin bei 56 Prozent. In der Umfrage nicht abgebildet
      sind insbesondere Banken, Krankenhäuser, Schulen und Kitas sowie der
      Landwirtschaftssektor und der öffentliche Sektor.

    Abb. 2: Homeoffice-Quote (überwiegend oder vollständig im Homeoffice) aus verschiedenen Befragungen

    100 %
                                                                                                                                                            HBS/IZA/Corona-Bund
                                                                                                                                                            infas
      75 %

      50 %

      25 %

        0%
                     Apr       Mai       Jun        Jul      Aug       Sep       Okt       Nov       Dez        Jan       Feb      Mrz        Apr
                     20        20         20        20        20       20        20        20        20         21        21       21         21

    Quelle: infas, IZA, HBS, Corona-Bund-Studie
    Anmerkungen: Dezember 2020 Wert in der infas-Zeitreihe linear interpoliert (ganz oder überwiegend im Homeoffice). Zusammengesetzte Zeitreihe: HBS (ausschließlich oder überwiegend im
    Homeoffice): April, Juni, November, Dezember 2020, Januar 2021; IZA (mind. 80 % der Arbeitszeit im Homeoffice): August 2020, Februar, März, April 2021; Corona-Bund-Studie (an fünf Tagen
    pro Woche): Juni und Oktober 2020. Linear interpoliert: Mai, Juli, September 2020.
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
7                               THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
                                AUSGABE JULI 2021

         Abbildung 2 stellt die Homeoffice-Befragungsergeb-                                          Mobility Reports, in denen Google regelmäßig
         nisse von infas den genannten vergleichbaren Stu-                                           anonymisierte Daten seiner Nutzer über die Zahl der
         dien gegenüber. Da die anderen drei Erhebungen zu                                           Besuche und die Aufenthaltsdauer an bestimmten
         unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden haben,                                          Orten auswertet. Damit lassen sich nicht zuletzt
         werden die dort ermittelten Homeoffice-Quoten zu                                            Veränderungen in der Frequentierung von Arbeits-
         einer Zeitreihe zusammengesetzt, wobei fehlende                                             stätten über die Zeit beobachten.
         Werte linear interpoliert werden. Die Abbildung
                                                                                                     Abbildung 3 zeigt mit Ausnahme der Weihnachts-
         zeigt, dass die beiden Zeitreihen sehr ähnlich ver­
                                                                                                     zeit, in der sich Familien im besonderen Maße
         laufen, also vergleichbare Ergebnisse liefern.
                                                                                                     isolierten, um gemeinsam feiern zu können, einen
           Eine externe Validierung der Befragungsergebnisse                                         Gleichlauf der Kurven. Dies bestätigt die Angemes-
           erlaubt zudem der Vergleich mit Mobilitätsdaten.                                          senheit der abgeschätzten Homeoffice-Quoten. Zu
           Die Arbeitsmobilität wird in der Corona-Pandemie                                          beachten ist zudem, dass infas im Dezember 2020
           insbesondere durch Homeoffice und Kurzarbeit                                              keine Befragung durchgeführt hat. Die Dezember-
           reduziert. Abbildung 3 zeigt zum einen die Entwick-                                       Homeoffice-Quote ist daher linear interpoliert.
           lung des Anteils der Beschäftigten, die vollständig
           bzw. überwiegend im Homeoffice arbeiten bzw. in
           Kurzarbeit sind (Schätzung des ifo Instituts). Zum
           anderen zeigt die Abbildung den Reduktionsverlauf
           der Arbeitsmobilität im Vergleich zum Vor-
           Corona-Niveau. Die Entwicklung der Arbeitsmo-
           bilität stammt aus Googles COVID-19 Community

          Abb. 3: Homeoffice-, Kurzarbeit- und Arbeitsmobilitätstrends in der Corona-Pandemie

                                              60 %                                                                                                       45 %
    Kurzarbeit ifo + Homeoffice-Quote infas

                                                                                                                                                                Reduktion Arbeitsmobilität

                                                                                                                                                         40 %
                                              50 %
                                                                                                                                                         35 %

                                              40 %                                                                                                       30 %

                                                                                                                                                         25 %
                                              30 %
                                                                                                                                                         20 %

                                              20 %                                                                                                       15 %

                                                                                                                                                         10 %
                                              10 %
                                                                                                                                                          5%

                                               0%                                                                                                         0%
                                                     Apr   Mai   Jun   Jul   Aug    Sep        Okt   Nov    Dez     Jan     Feb   Mrz    Apr     Mai
                                                     20    20     20   20     20    20         20    20     20      21      21    21     21      21

                                                                                      Kurzarbeit ifo + Homeoffice-Quote infas		    Reduktion Arbeitsmobilität

           Quelle: infas, ifo, Google LLC „Google Covid-19 Community Mobility Reports“
           Linke Achse: Kurzarbeit- + Homeoffice-Quote. Rechte Achse: Arbeitsmobilitätsreduktion
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
8    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
     AUSGABE JULI 2021

    METHODENBOX 1                                            umfasst Daten zu allen 23 Mio. Adressen in Deutsch-
                                                             land und beinhaltet Informationen auf verschie-
    VORGEHEN BEI DER REGIONALISIE-                           denen räumlichen Ebenen, von der Adresse selbst,
    RUNG DER BEFRAGUNGSERGEBNISSE                            wie z.B. dem Gebäudetyp oder der Wohnfläche, über
    ZUR HOMEOFFICE-NUTZUNG                                   den Siedlungsblock und den Ortsteil bis hin zu den
                                                             politisch-administrativen Ebenen der Gemeinden
    Belastbare Daten zur Homeoffice-Nutzung für Land-
                                                             und Kreise mit Kennziffern aus überwiegend amtli-
    kreise und kreisfreie Städte gab es bislang nicht. Auf
                                                             cher Quelle.
    Basis ihrer gemeinsamen Befragungen aus Februar/
    März 2021 haben infas und infas 360 nun den Anteil       Über die angereicherten Merkmale wird für die aus
    der erwerbstätigen Personen im Homeoffice auf            der Frage „Ich arbeite ganz oder überwiegend von
    Kreisebene regionalisiert. Möglich wird dies durch       zu Hause aus (im Homeoffice) – ja/nein“ generierte
    die innovative Kombination aus „Blended Calibra-         binäre Variable (6.379 Echtfälle) ein logistisches
    tion“ und der Einbindung von mikrogeografischen          Regressionsmodell aufgestellt und anschließend
    Merkmalen.                                               bundesweit und flächendeckend auf alle 19 Mio.
                                                             Adressen mit Privathaushalten übertragen. In das
    Da infas und infas 360 gleiche Fragen zum Er-
                                                             Modell eingeflossen sind neben soziodemografi-
    werbsstatus und zur Homeoffice-Nutzung in ihren
                                                             schen Kennziffern und Siedlungsstrukturmerkmalen
    Befragungen gestellt haben, lässt sich durch Zu-
                                                             insbesondere Informationen zur Wirtschafts- und
    sammenführung und Kalibrierung der Samples
                                                             Arbeitsmarktstruktur mit primärem Fokus auf
    zunächst eine repräsentative Abschätzung der
                                                             die regionale Verteilung von Unternehmen und
    Homeoffice-Quote auf Bundeslandebene erzielen.
                                                             Erwerbstätigen nach Branchen. Einen signifikan-
    Zur Generierung des Gesamtsamples wurden die
                                                             ten positiven Effekt auf Heimarbeit haben u.a. der
    bevölkerungsrepräsentativen zufallsbasierten Febru-
                                                             Anteil einkommensstarker Haushalte und der Anteil
    ar- und März-Samples aus den Dual-Frame-Telefon-
                                                             Männer im Siedlungsblock, der Bildungsabschluss
    interviews von infas mit jeweils 600 Erwerbstätigen
                                                             und Haushalte mit Kindern im Ortsteil sowie Groß-
    sowie das Non-Probability-Sample aus der regional
                                                             städte und Pendler über Kreisgrenzen. Ein negativer
    quotierten Online-Befragung von infas 360 mit
                                                             Homeoffice-Effekt ergibt sich mit dem Migrationsan-
    7.000 Erwerbstätigen herangezogen. Durch die Ge-
                                                             teil im Siedlungsblock und auf Kreisebene mit dem
    wichtung der Befragungsdaten über sozioökonomi-
                                                             Anteil der Erwerbstätigen bzw. Unternehmen in
    sche und regionale Merkmale sowie über Nutzungs-
                                                             den Branchen Handel, Landwirtschaft, produzieren-
    häufigkeiten von Telekommunikationsgeräten und
                                                             des Gewerbe sowie (öffentliche) Dienstleistungen,
    sozialen Medien erhält man ein „Blended Sample“
                                                             Erziehung und Gesundheit. Ebenfalls als unabhän-
    mit Informationen zu rund 8.000 erwerbstätigen
                                                             gige Variablen eingeflossen sind die Baujahrsklasse
    Personen ab 18 Jahren, das erwartungstreue Schät-
                                                             eines Gebäudes und als Zentralitätsmaß die Ortslage
    zer liefert. Im Ergebnis steht ein repräsentativer
                                                             innerhalb einer Gemeinde. Das Resultat der klein-
    Homeoffice-Anteil je Bundesland zur Verfügung, der
                                                             räumigen Schätzung ist für jede Privatadresse eine
    wiederum die Basis für eine weitere feinräumigere
                                                             Wahrscheinlichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Die
    Regionalisierung bildet.
                                                             Schätzwerte werden anschließend über die von der
    Die Berechnung der Homeoffice-Nutzung auf Kreis­         Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Zahlen
    ebene erfolgt über ein multivariates Schätzmodell.       der zivilen Erwerbstätigen auf die Zielebene der
    Hierfür wird die Online-Stichprobe über die geo-         Kreise aggregiert und an der erhobenen Homeoffice-
    codierten Wohnadressen der Befragten, die diese          Quote je Bundesland geeicht. Damit liegen Schät-
    im Rahmen der Befragung freiwillig angeben, mit          zungen zum aktuellen Homeoffice-Ist für alle 401
    mikrogeografischen Merkmalen aus der infas 360           Landkreise und kreisfreien Städte vor.
    Datenbank angereichert. Das Portfolio von infas 360
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
9   THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
    AUSGABE JULI 2021

                                         30%
                                         24%

                                         Im ersten Halbjahr 2021
                                         arbeiteten im Durchschnitt
                                         rund 30 % der Beschäftig-
                                         ten zumindest teilweise
                                         im Homeoffice. 24 % der
                                         Beschäftigten arbeiteten
                                         überwiegend oder vollstän-
                                         dig im Homeoffice.
HOMEOFFICE IM VERLAUF DER CORONA-PANDEMIE - AUSGABE JULI 2021 02
10     THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
       AUSGABE JULI 2021

     Regional starke Unterschiede bei Homeoffice-                                                       Ballungsräumen mit hohem Homeoffice-Potenzial
     Potenzial und -Nutzung                                                                             und eher ländlichen Landkreisen mit vergleichswei-
                                                                                                        se niedrigem Homeoffice-Potenzial. Dieses Gefälle
     Das von Alipour et al. (2020) ermittelte Homeoffice-
                                                                                                        ergibt sich insbesondere aus der unterschiedlichen
     Potenzial lässt sich mithilfe von Daten zu sozialver-
                                                                                                        Branchenstruktur. So ist beispielsweise die Dienst-
     sicherten Beschäftigten (hier am Wohnort gezählt)
                                                                                                        leistungsbranche besonders in städtischen Gebieten
     der Bundesagentur für Arbeit auf Landkreise herun-
                                                                                                        angesiedelt. Jobs in dieser Branche, etwa im Versi-
     terbrechen. Unterschiede zwischen den Landkreisen
                                                                                                        cherungs- und Bankensektor, verzeichnen typischer-
     ergeben sich dabei aus der unterschiedlichen räum-
                                                                                                        weise hohe PC-Nutzungsraten und Tätigkeitsprofile
     lichen Verteilung von Berufen bzw. Branchen. Die
                                                                                                        mit eher kognitiven, wenig manuellen Arbeiten. Sol-
     räumliche Analyse (vgl. linke Landkarte „Potenzial“
                                                                                                        che Tätigkeiten lassen sich grundsätzlich einfacher
     in Abb. 4) belegt deutliche Unterschiede zwischen

     Abb. 4: Geografische Verteilung von Homeoffice-Potenzial, Homeoffice-Quote und Homeoffice-Lücke im Februar/März 2021

                                   Potenzial Homeoffice                                                                                Nutzung Homeoffice
                                                                                                                                            Februar/März 2021

     Angaben in Prozent
     Datenquellen: HomeOffice Nutzung ist: infas 360/infas (2021), HomeOffice Potenzial: Alipour et al. / ifo (2020), HomeOffice Lücke: infas 360 / infas + Alipour er al / ifo 2020/2021)
11    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     ins Heimbüro verlagern. Zudem zeigt sich ein deutli-   ve Abschätzung der Homeoffice-Quote – also des
     ches West-Ost-Gefälle mit einem hohen Homeoffice-      Anteils der Erwerbstätigen, die überwiegend oder
     Potenzial in Westdeutschland und vergleichsweise       vollständig im Homeoffice arbeiten – für alle 401
     niedrigem Homeoffice-Potenzial in Ostdeutschland.      Landkreise und kreisfreien Städte durchführen.
     Bislang gab es keine belastbaren Daten zur Home-        Die Ergebnisse sind in der mittleren Landkarte
     office-Nutzung auf Landkreisebene. Da infas und        „Nutzung“ von Abbildung 4 dargestellt. Die tatsäch-
     infas 360 in ihren Befragungen gleiche Fragen zur       liche Nutzung ist sehr stark mit dem berechneten
     Homeoffice-Nutzung gestellt haben, lässt sich mit       Homeoffice-Potenzial korreliert. Abbildung 5 trägt
     Hilfe sogenannter Blended Calibration durch Kom-        die beschäftigungsgewichteten Homeoffice-Quoten
     bination der beiden Samples und unter Einbindung        im Februar/März 2021 gegen den theoretisch mög-
     mikrogeografischer Merkmale eine repräsentati-          lichen Anteil ab. Die Größe eines Kreises spiegelt
                                                             dabei die Größe der beschäftigten Bevölkerung wider.
                                                             Die Abbildung verdeutlicht, dass besonders in den
                                                             Landkreisen, in denen mehr Menschen prinzipiell zu
                                                             Hause arbeiten können, auch die Homeoffice-Quote
                          Homeoffice-Lücke                   höher liegt. Die Landkarte veranschaulicht, dass diese
                           Februar/März 2021
                                                             in großen Teilen Bayerns hoch ist. Dagegen fällt sie
                                                             im Nordwesten Deutschlands großflächig gering
                                                             aus. In Ostdeutschland zeigt sich ein gemischteres
                                                             Bild bei der Homeoffice-Quote und beim Homeoffice-
                                                             Potenzial.
                                                            Die rechte Landkarte „Lücke“ in Abbildung 4 zeigt
                                                            schließlich die Homeoffice-Lücke, also den Anteil des
                                                            Home­office-Potenzials, der nicht ausgeschöpft wurde.
                                                            Zu beachten ist, dass die Lücke tendenziell zu hoch
                                                            ausgewiesen wird, da sich das Potenzial auf teilwei-
                                                            ses bzw. vollständiges Homeoffice bezieht, während
                                                            sich die Homeoffice-Nutzung auf überwiegendes
                                                            bzw. vollständiges Homeoffice bezieht. Aber auch
                                                            hier zeigen sich deutliche regionale Unterschiede. Be-
                                                            sonders der Nordwesten verzeichnet ein hohes Maß
                                                            an unausgeschöpften Homeoffice-Möglichkeiten.
                                                            Gemessen an der theoretisch möglichen Kapazität
                                                            arbeiten hingegen Beschäftigte im Osten und in
                                                            Bayern häufiger von zu Hause aus. Für die Gesamt-
                                                            wirtschaft ergibt sich im März 2021 eine Home­
                                                            office-Lücke in Höhe von rund 50 Prozent1 (bezogen
                                                            auf die ermittelte Homeoffice-Quote von infas 360)
                                                            bzw. rund 40 Prozent (gemessen an der ermittelten
                                                            Homeoffice-Quote des ifo Instituts).

                                                            1 [(Homeoffice-Potenzial – Homeoffice-Quote)/Homeoffice-Potenzial]*100
12                 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
                   AUSGABE JULI 2021

     Das Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen ei-                              Die regionalisierten Homeoffice-Quoten lassen
     ner Betriebsbefragung des Instituts für Arbeits-                             sich auch mit Infektionszahlen des Robert Koch-
     markt- und Berufsforschung (IAB).2 Danach nutzten                            Instituts in Zusammenhang bringen. Die Korrelation
     im März 22 Prozent der Beschäftigten mit einem                               zwischen der durchschnittlichen 7-Tage-Inzidenz
     betrieblichen Angebot (und einem dafür geeigneten                            zwischen Mitte Februar bis Mitte März 2021 und
     Job) das Homeoffice nicht. Die Betriebe, die Home-                           der Homeoffice-Nutzung ist in der Tat negativ und
     office anbieten, vereinen auf sich 73 Prozent der                            statistisch signifikant (r= – 0.21). Auch wenn der
     Beschäftigten. Betriebe ohne Homeoffice-Angebot                              einfache univariate Zusammenhang keinen kausa-
     beschäftigen 27 Prozent der Beschäftigten; dort                              len Schluss zulässt, deckt sich der Befund mit den
     ergibt sich per Definition eine Homeoffice-Lücke von                         Ergebnissen bestehender Studien, die zeigen, dass
     100 Prozent. Im gewichteten Mittel zeigt sich daher                          Homeoffice ein geeignetes Mittel ist, Kontakte und
     eine Homeoffice-Lücke von 43 Prozent.                                        damit Infektionsrisiken zu reduzieren.

     2 Vgl. Ergebnisse aus Welle 12 der IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der
       Covid-19-Krise“.

     Abb. 5: Homeoffice-Nutzung und -Potenzial nach Landkreisen (beschäftigungsgewichtet)
                                             50

                                             40
     Homeoffice−Quote im Februar/März 2021

                                             30

                                             20

                                             10

                                                  45    50                        55                    60                     65
                                                                         Homeoffice−Potenzial
     Quellen: Alipour et al. (2020), infas 360, infas
13    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     METHODENBOX 2                                           – Es folgt die Hinzunahme der ungewichteten
                                                               Online-Fälle.
     HINTERGRÜNDE ZUM VERFAHREN                              – Anschließend wird die Kalibrierung nach sozio-
     DER „BLENDED CALIBRATION“                                 demografischen, sozioökonomischen und regiona-
     Ein wesentlicher Nachteil von Online-Access-Panels        len Merkmalen erneut durchgeführt. Ausgangs-
     besteht darin, dass es sich um Non-Probability-Sam-       gewicht sind beim Probability-Sample die aus
     ples handelt. Dies bedeutet, dass keine Zufallsstich-     dem ersten Schritt ermittelten finalen kalibrierten
     proben vorliegen und es somit in der Regel nicht          Gewichte, beim Non-Probability-Sample wird hier
     möglich ist, die Auswahlwahrscheinlichkeit der            konstant 1 gesetzt.
     Stichprobeneinheiten in der realisierten Stichprobe     – Bei dem anschließenden Vergleich von zusätzli-
     zu bestimmen. Um dennoch erwartungstreue Schät-           chen Merkmalen für die Kalibrierung zwischen
     zungen zu ermöglichen, kann eine Zufallsstichprobe        den beiden Samples nach Gewichtung sollten
     (Probability-Sample) verwendet werden, bei der die        Merkmale gewählt werden, die zwischen den bei-
     Auswahlwahrscheinlichkeit der Stichprobeneinhei-          den Samples erheblich variieren und idealerweise
     ten bestimmt werden kann, die sogenannte Blended          die beiden Populationen differenzieren. infas ver-
     Calibration. Hierbei werden ein Non-Probability-          wendet hierfür nach Prüfung die Nutzungshäufig-
     Sample und ein Probability-Sample dergestalt              keiten von Telekommunikationsgeräten und von
     integriert, dass Verzerrungen möglichst minimiert         sozialen Medien.
     werden (vgl. DiSogra et al. 2011 sowie Robbins et al.   – Die Kalibrierung wird so erweitert um die trennen-
     2020). Der grundlegende Ansatz besteht also in der        den Merkmale. Die Eckwerte (Soll-Verteilungen)
     Zusammenführung der beiden Stichproben, wo-               stammen dabei vollständig aus dem Probability-
     bei das Probability-Sample sehr viel weniger Fälle        Sample, da davon auszugehen ist, dass die Schät-
     enthalten kann als das Non-Probability-Sample.            zungen dieser Verteilungen nicht verzerrt sind.
     Dabei lautet die wesentliche Frage, wie die beiden
                                                             Relevant sind bei diesem Vorgehen die Variablen, die
     Stichproben zusammengeführt werden können, so-
                                                             zusätzlich zur Kalibrierung der klassischen soziode-
     dass mit der gemeinsamen, integrierten Stichprobe
                                                             mografischen Merkmale verwendet werden. Dieses
     erwartungstreue Schätzungen möglich sind. infas
                                                             Verfahren ist geeignet, Probability-Samples und
     hat mit der Blended Calibration unter Anwendung
                                                             Non-Probability-Samples zusammenzuführen und
     einer mehrstufigen Gewichtung sehr gute Erfah-
                                                             passt die als relevant erachteten Verteilungen an.
     rungen gesammelt. Dies wird in mehreren Schritten
                                                             Ziel ist es, die Verteilungen aller in beiden Erhebun-
     umgesetzt:
                                                             gen gleich erhobenen Merkmale im zusammen-
     – Zunächst erfolgt eine Gewichtung des                  geführten Datensatz schätzen zu können und die
       Probability-Samples mittels Designgewicht             Verzerrungen im Non-Probability-Sample zumindest
       (Auswahlwahrscheinlichkeit) und Kalibrierung          deutlich zu reduzieren.
       nach soziodemografischen, sozioökonomischen
       und regionalen Merkmalen.
14    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     HOMEOFFICE AUS SICHT DER                                 Definition siehe Methodenbox 3 „ilex – infas Lebens­
                                                              lagenindex“.
     BESCHÄFTIGTEN
                                                              In einer niedrigen Lebenslage ergibt sich für 2021
     WER MACHT HOMEOFFICE UND WIE                             bisher ein Homeoffice-Anteil von knapp einem Fünf-
     KOMMEN BESCHÄFTIGTE DAMIT ZURECHT?                       tel, in der höchsten Lebenslagengruppe dagegen von
                                                              gut einem Drittel. Bezogen auf weitere Merkmale
     Die bisherigen Auswertungen haben gezeigt, dass in
                                                              wie das Alter oder das Geschlecht zeigen sich dage-
     der Pandemie bis zu einem Drittel der Erwerbstäti-
                                                              gen deutlich geringere Unterschiede. Zwar ist mit
     gen zumindest vorübergehend im Homeoffice tätig
                                                              dem Lebensalter ein Plus zu beobachten, aber auch
     war. Während der ersten Corona-Welle im Frühsom-
                                                              in mittleren Altersgruppen sind erhöhte Anteile
     mer 2020 zeigten sich die höchsten Anteile. Im
                                                              festzuhalten, vermutlich aufgrund höherer Anteile
     Frühjahr 2021 ist das Niveau bereits etwas reduziert
                                                              von Erbewerbstätigen in bestimmten Dienstleis-
     und pendelt sich bei etwa einem Viertel ein. Doch
                                                              tungsbereichen in dieser Altersspanne. Dies legen
     wer steckt in dieser Situation? Und wie zufrieden ist
                                                              auch die ebenso verfügbaren branchenspezifischen
     man damit? Zeichnet sich eine Homeoffice-Müdig-
                                                              Ergebnisse nahe. Hier ergibt sich ebenfalls eine
     keit ab und was kann daraus zum jetzigen Zeitpunkt
                                                              große Spannweite. Sie reicht von Anteilen unter der
     für die mittelfristige Perspektive gefolgert werden?
      Werden die laufenden infas-Erhebungen zusam-
      mengefasst, ergibt sich eine extrem solide Auswer-      Abb. 6: Homeoffice im Jahr 2021
      tungsbasis. Insgesamt wurden 7.153 Erwerbstätige        Angaben in Prozent
      befragt, davon knapp 2.773 erst im Jahr 2021 inner-
                                                                                                    gesamt                   25
      halb des zweiten Lockdowns und in der Phase der
                                                              schlecht

     „Homeoffice-Pflicht“.                                                                        männlich                24
                                                                Ge-

                                                                                                   weiblich                   26
     Eine erste Unterscheidung nach bestimmten Tätig-
     keitsmerkmalen bestätigt oft formulierte Vermu-                                         18 bis 24 Jahre       16

     tungen. Im bisherigen Verlauf des Jahres 2021 sind                                      25 bis 34 Jahre                       32

     Befragte mit einer formal höheren Verantwortung                                         35 bis 44 Jahre                      29
                                                                  Alter

     öfter im Homeoffice tätig als andere. So liegt der An-                                  45 bis 54 Jahre             22

     teil unter den leitenden Angestellten bei 32 Prozent,                                   55 bis 64 Jahre        18

     unter den Beamten im gehobenen bzw. höheren                                          65 Jahre und älter                           34

     Dienst beträgt er sogar 49 Prozent. In der Gruppe
                                                                                                     niedrig   8
                                                              Bildungs­

     der „Arbeiter“ sind dagegen kaum Beschäftige im
                                                               niveau

                                                                                                      mittel       16
     Homeoffice anzutreffen. Dies korrespondiert mit
                                                                                                       hoch                                      42
     einer Abhängigkeit vom Bildungsabschluss. Hier er-
     gibt sich eine Spannweite von 8 Prozent bei Befrag-                                        Arbeiter/-in   2
                                                                  berufliche Stellung

     ten mit formal niedriger Bildung (in der Regel ein                                 einfache Angestellte            21

     Hauptschulabschluss) bis hin zu 42 Prozent in der                                  leitende Angestellte                       32

     Gruppe mit einem hohen Bildungsniveau (Abitur                                        gehobene/höhere                                             49
                                                                                            Beamte/-innen
     oder vergleichbar). Eine Entsprechung findet dies in
                                                                                                    anderes                                 38
     Unterschieden abhängig von der aktuellen Lebens-
     lage. Dazu kann eine Eingruppierung nach dem
                                                              Quelle: infas-Mehrthemenbefragungen Januar bis Mai 2021, 2.773 befragte Erwerbstätige,
     infas-Lebenslagenindex herangezogen werden, zur          Ja-Anteile zu „Ich arbeite ganz oder überwiegend von zu Hause aus (im Homeoffice)“.
15    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     10-Prozent-Marke etwa im produzierenden Nah-                             Zusammenhang abhängig von den Arbeitsplatz-
     rungsmittelbereich bis zu rund 60 Prozent in stärker                     merkmalen und weniger persönliche Vorlieben
     dienstleistungsorientierten oder von Aktivitätsein-                      im Vordergrund stehen, unterstreicht nicht zuletzt
     schränkungen betroffenen Wirtschaftssegmenten.                           das Ergebnis, dass die individuelle Wahrnehmung
                                                                              der Pandemie offenbar kaum einen Einfluss hat.
     Jedoch verlangen diese bivariaten Zusammenhänge
                                                                              Auch diese Dimension wurde in der Befragung
     nach einer Absicherung durch eine multivariate
                                                                              thematisiert. Demnach befinden sich Befragte, die
     Analyse unter Kontrolle der wechselseitigen Ein-
                                                                              selbst oder deren engeres Umfeld von einer Corona-
     flüsse. Dies leistet ein logistisches Regressionsmo-
                                                                              Erkrankung betroffen waren, nicht öfter im Home-
     dell, dessen Ergebnisse in der Abbildung 7 auf der
                                                                              office als Befragte, die derartige Erfahrungen bisher
     nächsten Seite im Überblick dargestellt werden. Im
                                                                              nicht teilen mussten. Auch spielt die Bewertung der
     Resultat bestätigen sich auch kontrolliert die bereits
                                                                              aktuellen Corona-Maßnahmen keine entscheidende
     beschriebenen Effekte. Strukturell gilt dies etwa für
                                                                              Rolle. Die Eindämmungsmaßnahmen werden von
     einzelne Branchen mit hohem Dienstleistungsan-
                                                                              einer großen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert.
     teil. Sie weisen höhere Homeoffice-Anteile als im
                                                                              Entsprechend fällt die Akzeptanz auch unter den
     übrigen Branchenmix auf. Zusätzlich mit aufgenom-
                                                                              Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hoch aus.
     men wurden in dieser Analyse die Betriebsgröße
     und die Wohnortkategorie der Befragten nach den
     von Eurostat vorgegebenen Einstufungen städtisch,
     klein- bzw. halbstädtisch und ländlich.3                                  METHODENBOX 3
     Auch diese Merkmale beeinflussen die Homeoffice-                          INFAS-LEBENSLAGENINDEX ILEX
     Anteile signifikant. Dies gilt besonders in Großun-
                                                                               Der Lebenslagenindex ilex ist ein von infas
     ternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von mehr als
                                                                               berechneter subjektiver Sozialindikator für die
     2.000. Hier ist die Wahrscheinlichkeit eines Beschäf-
                                                                               Bundesrepublik Deutschland. Er stellt Infor-
     tigten, sich gegenwärtig im Homeoffice zu befinden,
                                                                               mationen zur gesellschaftlichen Ungleichheit
     gegenüber einer kleinen Betriebsgröße von rund 20
                                                                               in Deutschland zur Verfügung. Die Trenderhe-
     Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fast vierfach er-
                                                                               bungen zeigen im Zeitverlauf Fortschritte oder
     höht. Und auch der Stadt-Land-Effekt fällt mit einem
                                                                               Rückschritte der Lebenslagen der Bürgerinnen
     Faktor von 1,6 für die städtischen gegenüber den
                                                                               und Bürger. Sie verweisen auf Prozesse sozialer
     ländlichen Räumen deutlich aus. Ebenso bestätigt
                                                                               Exklusion sowie auf gruppenspezifische Risiken.
     das Regressionsmodell eine hohe soziale Schichtab-
                                                                               Der ilex erfasst dabei die Dimensionen „Lebens-
     hängigkeit mit einem Fakor 3 in der höchsten gegen-
                                                                               bedingungen“, „individuelle Lage“ und „Zukunfts-
     über der niedrigsten Gruppe.
                                                                               erwartung“. Er wird seit 2007 in bislang neun
     Zugespitzt kann damit formuliert werden, dass vor                         Wellen in bundesweit repräsentativen Bevölke-
     allem Beschäftige mit einem hohen sozioökonomi-                           rungsbefragungen mit jeweils unabhängigen
     schen Status, bedingt durch ein formal hohes Bil-                         repräsentativen Stichproben und einem Umfang
     dungsniveau und ein damit oft verbundenes spezifi-                        von 1.500 Interviews erhoben. Die Einstufung
     sche Tätigkeitsprofil, die Homeoffice-Möglichkeit für                     zum ökonomischen Status (in fünf Kategorien
     sich in Anspruch nehmen oder sie ihnen nahegelegt                         von sehr niedrig bis sehr hoch) wurde anhand
     wird. Dass dabei ein wirkungsvoller struktureller                         einer empirischen Matrix aus Haushaltsnetto-
                                                                               einkommen und gewichteter Haushaltsgröße
     3 Zur Definition siehe https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/degree-of-    vorgenommen (siehe auch Follmer / Smid 2018).
       urbanisation/background
16     THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
       AUSGABE JULI 2021

     Abb. 7: Ergebnisse eines logistischen Regressionsmodells zur Erklärung der berichteten Homeoffice-Quote
     Dargestellt sind Odds Ratios

        Die logistische Regression ermittelt für

                                                                   Berufliche Stellung
                                                                                                          Arbeiter
        verschiedene Arbeitsplatz- bzw. Beschäf-                                                   einf. angestellt                  15,52*
                                                                                                leitend angestellt                            22,26*
        tigtenmerkmale die Wahrscheinlichkeit,
                                                                                                          Beamte                                   26,85*
        im Homeoffice zu sein. In der vorliegen-                                                          anderes                                           33,83*
        den logistischen Regression werden als
        unabhängige Variablen stets kategoriale                                                            niedrig
                                                             Bildungs-
                                                              niveau

                                                                                                            mittel     2,05*
        Merkmale verwendet, die Besonderheiten
                                                                                                             hoch            4,47*
        bei stetigen Merkmalen sind hier nicht rele-
        vant. Deshalb wird in der Grafik jeweils ein                                                       Alle n.s
        Wahrscheinlichkeitswert gegenüber einer                                                 Banken, Finanzen,      1,97*
                                                                                                 Versicherungen
                                                                   Branche

        jeweiligen Referenzkategorie abgebildet.
                                                                                                 Information und             4,14*
                                                                                                  Kommunikation
        Die exponierten Regressionskoeffizienten
                                                                                         Erziehung und Unterricht      1,62*
        einer logistischen Regression lassen sich als                                                Kunst, Kultur     1,57
        sog. Odds Ratios interpretieren. Bei katego-
        rialen unabhängigen Variablen kann ein                                                     18 bis 24 Jahre

        Odds Ratio direkt als Wahrscheinlichkeits-                                                 25 bis 34 Jahre      2,52*
                                                                                                   35 bis 44 Jahre     2,08*
                                                                   Alter

        verhältnis der jeweiligen Ausprägungen
                                                                                                   45 bis 54 Jahre    1,69*
        dieser Variablen gegenüber einer Referenz-                                                 55 bis 64 Jahre     1,85
        kategorie interpretiert werden. So bedeutet                                             65 Jahre und älter     2,36*
        beispielsweise ein Odds Ratio von 4,47 bei
                                                             schlecht

                                                                                                        männlich
        Personen mit einem hohen Schulabschluss,
                                                               Ge-

                                                                                                         weiblich     0,89
        dass die Wahrscheinlichkeit für Homeoffice
        um den Faktor 4,47 höher ist im Vergleich                                          weniger als 5 Personen     1,27
        zur Referenzkategorie der Personen mit
                                                             mensgröße

                                                                                                   5-19 Personen
                                                             Unterneh-

        einem geringen Schulabschluss. Ein Odds                                                  20-199 Personen      1,21
                                                                                              200-1999 Personen        2,27*
        Ratio kleiner eins kann als negativer
                                                                                         2000 und mehr Personen          3,49*
        Zusammenhang interpretiert werden, der
        sich auch rechnerisch ermitteln lässt. So                                                        städtisch    1,59*
                                                                   Region

        ist umgekehrt die Wahrscheinlichkeit für                                                    halbstädtisch     1,20
                                                                                                          ländlich
        Homeoffice für Personen mit einem gerin-
        gen Schulabschluss gegenüber Personen                                                           Migration     0,97
        mit einem hohen Schulabschluss um den
        Faktor 1/4,47 = 0,22 geringer.                                                               Unterschicht
                                                             liche Stellung
                                                             Gesellschaft­-

                                                                                             untere Mittelschicht     1,45
                                                                                              obere Mittelschicht      2,43*
        Number of obs      = 2,229
                                                                                                     Oberschicht       2,46*
        Log likelihood     =   -1194.7601
                                                             Betroffenheit

        LR chi2(34)        =   547.33                                                                    gar nicht
                                                               Corona-

        Prob > chi2        =   0.0000                                                                       etwas     1,05
        Pseudo R2          =   0.1864                                                                     deutlich    1,23

     * statistische Signifikanz = p < 0,05
     Referenzkategorie/Base kursiv dargestellt
     Quelle: infas Mehrthemenbefragung Januar bis Mai 2021
17     THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
       AUSGABE JULI 2021

      So ergeben sich innerhalb dieser Gruppe kaum              angesichts der betrieblichen Anforderungen und
      Einflüsse auf die Entscheidung pro oder contra            pandemiebedingten Regelungen gefragt werden.
      Homeoffice. Ähnlich verhält es sich, wenn die eigene      Die Unternehmensleitungen erhalten hier zu gut
      Corona-Betroffenheit mit herangezogen wird. Hier-         40 Prozent ein „sehr zufrieden“ und zu knapp 30
      zu wurde gefragt, ob man selber oder innerhalb der        Prozent immerhin ein „zufrieden“. Noch besser
      Familie von einer Infektion oder einer Quarantänea-       schneiden mit knapp 50- bzw. rund 30-Prozent-
      nordnung betroffen war. Unter denjenigen, die über        Anteilen die unmittelbar Vorgesetzten ab. Mehr
      beides berichten (im Regressionsergebnis die Stufe        Zurückhaltung ergibt sich allerdings bei der Frage
     „deutlich“), ist die Homeoffice-Quote etwas, aber          nach der Unterstützung hinsichtlich der Kinderbe-
      nicht deutlich erhöht. Dies spricht für eine leicht hö-   treuung. Hier äußern sich von den Beschäftigten mit
      here Sensibilität und auch den einen oder anderen         Kindern „nur“ 32 Prozent „sehr zufrieden“ und 28
      situativen Sachzwang, sich in die Homeoffice-Situa-       Prozent „zufrieden“. Explizit „(sehr) unzufrieden“ ist
      tion zu begeben, doch nicht für einen gravierenden        allerdings immerhin rund ein Viertel. Wird dieser
      systematischen Einfluss an dieser Stelle. Gleich-         Blickwinkel auf Familien mit Kindern bis 14 Jahren
      zeitig dürfte ein (früher) Wechsel ins Homeoffice         eingeschränkt, erhöht sich diese Unzufriedenheits-
      die Wahrscheinlichkeit einer hohen Betroffenheit          quote auf etwa ein Drittel. Unabhängig davon kann
      senken. Dieser umgekehrte Mechanismus könnte              jedoch festgehalten werden, dass diese Zufrieden-
      den schwachen Zusammenhang zwischen diesen                heitswerte unter denjenigen, die das Homeoffice
      beiden Variablen ebenfalls erklären.                      nutzen (müssen), durchweg etwas höher ausfallen,
                                                                hier also gleichfalls kein systematisches Problem
     Mit Blick auf die weitere Entwicklung ist das Be-
                                                                zu erkennen ist und man sich mehrheitlich mit der
     finden in der Situation des Zu-Hause-Arbeitens
                                                                Anforderung gut abgefunden hat, von sicher vorhan-
     von Bedeutung. Daher wurde ebenso gefragt, wie
                                                                denen Einzelfällen abgesehen.
     zufrieden man mit der Homeoffice-Regelung durch
     den eigenen Arbeitgeber ist. Hinzu kamen einige
     weitere Nachfragen zu diesem Komplex. Vier von
     fünf Befragten, die sich zum Befragungszeitpunkt           Abb. 8: Zufriedenheit mit Corona-bezogenen
                                                                Aspekten am Arbeitsplatz
     im Homeoffice befanden, äußern sich zufrieden.
                                                                                                                             sehr zufrieden
     Auch diejenigen, die weiterhin vor Ort arbeiten,
                                                                                                                             eher zufrieden
     hadern damit offenbar nicht oder nur zu kleinen                        Zufriedenheit mit …
     Anteilen. Einschränkungen im Qualitätsniveau der
                                                                         … Schutzmaßnahmen
     verfügbaren Möglichkeiten führen demnach nicht                           gegen das Virus
                                                                                                                         55            31

     zu einer schlechteren Bewertung. Die in der „Not-
                                                                … Informationsverhalten der
     lage“ gegebene Situation wird offenbar ganz über-                                                                    57           28
                                                                      oder des Vorgesetzten
     wiegend akzeptiert. Auch die Perspektive auf die
                                                                     … Informationsverhalten
                                                                                                                        54         27
     längerfristige wirtschaftliche Sicherheit des eigenen              der Geschäftsführung
     beruflichen Umfelds unterscheidet sich nicht nach
                                                                                     … der Home-
                                                                                                                          57      20
     dem Merkmal „Homeoffice ja/nein“. Somit kann also                           office-Regelung
     kein systematischer „vorausschauender Gehorsam“
                                                                               … der Arbeitszeit-
                                                                                                                         55       20
     zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes konstatiert                              regelung
     werden.                                                               … Unterstützung bei
                                                                                                                 34          28
                                                                          der Kinderbetreuung*
     Etwas eingeschränkter, jedoch unter dem Strich
     ebenfalls positiv zu sehen, ist das Ergebnis, wenn                                              0%               40 %          80 %
     alle Beschäftigten nach dem Informationsverhalten          Quelle: infas-Mehrthemenbefragungen Januar bis Mai 2021, 2.773 befragte Erwerbstätige,
     ihrer Unternehmensleitung oder ihrer Vorgesetzten          * nur Befragte mit Kindern im Haushalt
18    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     AUSBLICK – HOMEOFFICE NACH                                 hebung des Bundesamts für Sicherheit in der Infor-
                                                                mationstechnik (BSI) will eine Mehrheit der Firmen
     DER PANDEMIE                                               (54 bzw. 58 Prozent) mehr Homeoffice als vor der
                                                                Corona-Krise ermöglichen. Die Vorteile für Arbeitge-
     WAS KOMMT NACH CORONA?
                                                                ber können vielfältig sein. Sie versprechen sich eine
     Wie stets liegt der Blick in die nähere oder fernere       gesteigerte Attraktivität im Wettbewerb um geeig-
     Zukunft nahe. Und wie stets ist die Antwort mit Un-        nete Fachkräfte, die Einsparung von Büroflächen
     sicherheiten behaftet. Wenn zunächst die Empirie           und zufriedenere Beschäftigte. Studien zeigen auch,
     sprechen soll, können wir auf aktuelle Erhebungser-        dass Beschäftigte nach dem Wechsel ins Homeoffice
     gebnisse verweisen, die im Rahmen einer Befragung          teilweise messbar produktiver arbeiten (Emanuel
     entstehen, die zum Redaktionsschluss jedoch noch           und Harrington, 2021; Bloom et al., 2015). Dies gilt
     nicht abgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um        vor allem für weniger komplexe und unabhängige
     eine ebenfalls bevölkerungsrepräsentative Stichpro-        Tätigkeiten, die zu Hause ausgeführt werden können.
     be von 1.500 telefonisch befragten Bürgerinnen und
                                                                Für eine vermehrte Rückkehr zur Präsenzarbeit
     Bürgern in der dritten Welle eines Mobilitätspanels
                                                                spricht hingegen das oben dargestellte Ergebnis,
     mit der Bezeichnung MOBICOR, das infas gemein-
                                                                dass große Teile des aktuellen Homeoffice-Gesche-
     sam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)
                                                                hens auf den Schultern der „höheren“ Berufsgruppen
     unter Förderung durch das BMBF im Frühjahr 2020
                                                                liegen. Die damit verbundenen Tätigkeiten werden
     aufgesetzt hat. Diese dritte Welle beinhaltet auch ei-
                                                                sich aller Voraussicht nach nicht auf längere Zeit in
     nige Fragen nach der Perspektive, die sich an diejeni-
                                                                dem jetzigen Umfang in das Homeoffice verlagern
     gen richten, die zum Befragungszeitpunkt vor allem
                                                                lassen. Führungsaufgaben, Innovationsentwicklun-
     im Homeoffice tätig sind. Nur jeder Zehnte möchte
                                                                gen und Kommunikationsbedürfnisse werden in ge-
     nach der Pandemie komplett in die Präsenzarbeit
                                                                ringerem Ausmaß, aber im Ergebnis möglicherweise
     zurückkehren. Die überwiegende Mehrheit (knapp
                                                                ähnlich häufig eine Rückkehr oder ein Verbleiben
     90 Prozent) wünscht hingegen, die Arbeit zu Hause
                                                                am betrieblichen Arbeitsplatz verlangen wie in den
     im aktuellen oder im niedrigeren Umfang beizube-
                                                                Tätigkeitsbereichen, denen schon jetzt funktionell
     halten. Rund 40 Prozent möchten die Häufigkeit von
                                                                bedingt die Homeoffice-Tür nicht offen stand. Diese
     gegenwärtig vier bis fünf Homeoffice-Tagen in der
                                                                Ambivalenz hat sich in entsprechenden Studien
     Woche auf einen bis zwei Tage reduzieren. Dies deckt
                                                                bereits vor der Pandemie gezeigt. Dabei haben
     sich mit Ergebnissen anderer Erhebungen, wonach
                                                                sich – mit jeweils etwas anderer Auslegung, aber
     die Zufriedenheit mit dem Homeoffice während
                                                                fast durchweg – immer zwei Homeoffice-Gesichter
     der Pandemie grundsätzlich sehr hoch ist (Stürz et
                                                                gezeigt. Der durch die Pandemie deutlich beschleu-
     al., 2020; Bonin et al., 2020). Der Mangel an sozialen
                                                                nigte technische Fortschritt im Bereich digitaler
     Kontakten und persönlichem Austausch sowie eine
                                                                Kommunikations- und Management-Lösungen
     Entgrenzung von Arbeit und Privatem kann beim
                                                                könnte den Trend hingegen wieder mehr zugunsten
     Vollzeit-Homeoffice auf Dauer jedoch zur Belastung
                                                                der mobilen Arbeit schwenken. So könnte die Heim-
     werden (Ahlers et. al., 2021, Bonin et al., 2021). Viele
                                                                arbeit perspektivisch auch für aktuell noch schwer
     wünschen sich daher einen gewissen Ausgleich
                                                                zu verlagernde Tätigkeiten deutlich vereinfacht und
     zwischen Präsenz- und Heimarbeit. Demnach wird
                                                                effizienter gestaltet werden (Bloom et al., 2021).
     sich auf absehbare Zeit der Anteil der Personen und
     noch mehr der Arbeitszeitanteil im Homeoffice              Der Corona-Schock hat das Sozialleben und die
     reduzieren.                                                Arbeitswelt gleichermaßen erschüttert. Inwieweit
                                                                diese Zäsur den entscheidenden Impuls für eine
     Auch aufseiten der Unternehmen wurden die Erwar-
                                                                nachhaltige Transformation der traditionellen Ar-
     tungen ans Homeoffice von den Erfahrungen oft
                                                                beitsorganisation geliefert hat, wird jedoch noch zu
     übertroffen – trotz der widrigen Umstände während
                                                                verfolgen sein.
     der Pandemie. Laut einer ifo-Umfrage und einer Er-
19    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     WAS UNS AUFFÄLLT                                          5. Ebenso kann gezeigt werden, dass Arbeitneh-
                                                                  merinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice
     7 Punkte zum Homeoffice im Frühsommer 2021                   deutlich öfter in formal gehobenen Verantwor-
                                                                  tungsbereichen tätig sind als Befragte, die weiter-
     1. Unsere Berechnungen zeigen, dass im Schnitt
                                                                  hin vor Ort arbeiten. Damit korreliert dies auch
        etwa jeder zweite Arbeitsplatz homeofficefähig
                                                                  mit dem Einkommen und dem Bildungsniveau.
        ist. Dies ist abhängig von der Branchenstruktur
        und unterscheidet sich regional. Vor allem hohe        6. Allerdings möchte trotz überwiegend positiver
        Dienstleistungsanteile und städtische Lagen               Erfahrungen nur eine Minderheit die aktuellen
        erhöhen das Potenzial.                                    Regelungen vollständig beibehalten. Gegenüber
                                                                  der Situation vor der Pandemie wird sich der
     2. Die tatsächlich realisierte Homeoffice-Quote
                                                                  Anteil der Beschäftigten mit zumindest tagewei-
        erreicht dieses Niveau nicht. Sie liegt seit Februar
                                                                  ser Homeoffice-Option erhöhen, doch deutlich
        2021 bei um die 30 Prozent aller Beschäftigten.
                                                                  weniger Personen werden dies für ihre komplette
     3. Damit werden 4 von 10 der möglichen Home-                 Arbeitszeit tun können oder wollen.
        office-Plätze nicht genutzt.
                                                               7. Durch den Corona-bedingten technologischen
     4. Die Realisierungsquote fällt regional unterschied-        Wandel werden mehr Tätigkeiten homeoffice-
        lich aus. Werden die Befragungsergebnisse zum             fähig sein, d.h., das Potenzial wird weiter steigen.
        tatsächlichen Ist-Stand mittels eines statistischen       Gleichzeitig ist schon jetzt erkennbar, dass sowohl
        Verfahrens regionalisiert, ergibt sich vor allem in       viele Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmerinnen
        Nord- und in Teilen Ostdeutschlands außerhalb             und Arbeitnehmer die aktuellen Möglichkeiten
        des Berliner Einzugsgebiets eine größere Homeof-          kompletter Homeoffice-Arbeitswochen- oder Mo-
        fice-Lücke als etwa in Süddeutschland.                    nate wieder auf ausgewählte Tage reduzieren.
20    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     LITERATUR
     Ahlers, E., S. Mierich und A. Zucco (2021),                 Emanuel, N. und E. Harrington (2021), „Working“
     Homeoffice: Was wir aus der Zeit der Pandemie für           Remotely? Selection, Treatment, and Market Pro-
     die zukünftige Gestaltung von Homeoffice lernen             vision of Remote Work, Harvard Working Paper.
     können. WSI Report, No. 65. Hans-Böckler-Stiftung.
                                                                 Follmer, R. und Smid, M.: Zusammenhalt – gar
     Alipour, J.-V., H. Fadinger und J. Schymik (2021a),         nicht so einfach. In infas Lagemaß Ausgabe 07 |
     My Home Is My Castle: The Benefits of Working               11.2018, S.4 -8, online verfügbar unter https://
     from Home during a Pandemic Crisis, Journal of              www.infas.de/fileadmin//user_upload/infas_Lage-
     Public Economics, 196, 104373.                              mass_07_20181024.pdf
     Alipour, J.-V., O. Falck, A. Peichl und S. Sauer (2021b),   Gabler, J., T. Raabe, K. Röhrl und H.-M. von Gaudecker
     Homeoffice-Potenzial weiterhin nicht ausgeschöpft,          (2021), Der Effekt von Heimarbeit auf die Entwick-
     ifo Schnelldienst digital 6.                                lung der Covid-19-Pandemie in Deutschland, IZA
                                                                 Standpunkte, Bonn.
     Alipour, J.-V., O. Falck und S. Schüller (2020),
     Germany’s Capacity to Work from Home«,                      Grunau, P., K. Ruf, S. Steffes und S. Wolter (2019),
     CESifo Working Paper 8227.                                  Mobile Arbeitsformen aus Sicht von Betrieben und
                                                                 Beschäftigten, IAB-Kurzbericht, Nürnberg.
     Bloom, N., S. J. Davis und Y. Zhestkova (2021),
     Covid-19 Shifted Patent Applications toward                 Kriegel, M. und A. Hartmann (2021), Covid-19 Anste-
     Technologies that Support Working from Home,                ckung über Aerosolpartikel – vergleichende Bewer-
     BFI Working Paper 2020-133.                                 tung von Innenräumen hinsichtlich des situations-
                                                                 bedingten R-Wertes, Preprint Technische Universität
     Bloom, N, J. Liang, J. Roberts und Z. J. Ying (2015),
                                                                 Berlin.
     Does Working from Home Work? Evidence from
     a Chinese Experiment, The Quarterly Journal of              Kunze, F., K. Hampel und S. Zimmermann (2021),
     Economics, 130(1), 165-218                                  Homeoffice in der Corona-Krise – eine nachhalti-
                                                                 ge Transformation der Arbeitswelt?, Konstanzer
     Bonin, H., W. Eichhorst, J. Kaczynska, U. Rinne, A.
                                                                 Homeoffice-Studie, Februar, Universität Konstanz.
     Scholten und S. Steffes (2020), Verbreitung und
     Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice.             McLaren, J. und S. Wang (2020), Effects of Redu-
     Kurzexpertise im Auftrag des Bundesministeriums             ced Workplace Presence on COVID-19 Deaths: An
     für Arbeit und Soziales. IZA Research Report No. 99.        Instrumental-Variables Approach, NBER Working
                                                                 Paper 28275.
     Bonin, H., A. Krause-Pilatus und U. Rinne (2021), Ar-
     beitssituation und Belastungsempfinden im Kontext           Robbins, M. W., B. Ghosh-Dastidar, R. Ramchand
     der Corona-Pandemie. Ergebnisse einer repräsen-             (2020), Blending Probability and Nonprobability
     tativen Befragung von abhängig Beschäftigten im             Samples with Applications to a Survey of Military
     Februar 2021. BMAS Forschungsbericht 570.                   Caregivers, Journal of Survey Statistics and Metho-
                                                                 dology 2020.
     DiSogra, Ch., C. Cobb, E. Chan und J. M. Dennis (2011),
     Calibrating nonprobability internet samples with            Stürz, R. A., C. Stumpf, U. Mendel und D. Harhoff
     probability samples using early adopter characteris-        (2020), Digitalisierung durch Corona? Verbreitung
     tics. In JSM Proceedings, Alexandria, VA, pp. 4501-         und Akzeptanz von Homeoffice in Deutschland,
     4515. Section on Survey Research Methods: Ameri-            Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Trans-
     can Statistical Association                                 formation (bidt), München.
21    THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
      AUSGABE JULI 2021

     DIE CORONA-DATENPLATTFORM
     Seit dem Jahresende 2020 ist die Corona-Daten-         Die erste Projektphase war auf vier Monate be-
     plattform online. Sie trägt den Titel „Erfassung       grenzt. Sie beinhaltete eine differenzierte regionale
     regionaler Eindämmungsmaßnahmen, Aufbau einer          Erfassung der im Verlauf der Corona-Pandemie
     Corona-Datenplattform und (regionale) Analysen         ergriffenen Maßnahmen, eine regionale Daten-
     zur SARS-CoV-2-Epidemie in Deutschland“. Die           sammlung, die Bewertung und erste Analysen der
     Arbeiten wurden im September 2020 durch das            Daten. Zur Maßnahmenerfassung wurde ausgehend
     Bundesministerium für Wirtschaft und Energie           von internationalen Vorarbeiten ein eigenes Code-
     (BMWi) beauftragt. Sie werden von einem wissen-        schema entwickelt und der Situation in Deutschland
     schaftlichen Board begleitet. Das interdisziplinäre    angepasst. Darüber hinaus umfasst das Vorhaben
     Bearbeitungsteam besteht aus dem infas Institut für    die Auswertung der aufgenommenen Wirtschafts-
     angewandte Sozialwissenschaft, infas 360 und dem       daten. Hauptaufgabe war jedoch die Bereitstellung
     IHPH Institut für Hygiene und Öffentliche Gesund-      einer Datengrundlage für die Scientific Community
     heit an der Universität Bonn.                          mit dem Aufruf, diese Datenbasis für weitere Analy-
                                                            sen zu nutzen.
     Die Datensammlung und -bereitstellung erfolgt
     regional auf der Ebene von 401 Landkreisen und         Eine zweite Projektphase setzt das Vorhaben gegen-
     kreisfreien Städten. Dies bietet für die Einschät-     wärtig zunächst bis Mitte 2021 fort. Zurzeit reicht
     zung der Situation in Deutschland entscheidende        die Maßnahmenerfassung und Datenbereitstellung
     Vorteile gegenüber bundesweiten Analysen oder          bis Mitte April 2021. Der Zwischenbericht sowie
     Betrachtungen auf Bundeslandebene. Sowohl die          erste Analysen aus dem Kreis der rund 400 regist-
     Eindämmungsmaßnahmen als auch das Infekti-             rierten Nutzerinnen und Nutzer sind auf der Platt-
     onsgeschehen und wirtschaftliche Veränderungen         form unter www.corona-datenplattform.de online
     weisen regional ein teilweise sehr unterschiedliches   verfügbar. Für den Sommer 2021 wird die Übergabe
     Erscheinungsbild auf.                                  wesentlicher Bestandteile der Datensammlung an
                                                            Destatis vorbereitet, um dort ein entsprechendes
                                                            öffentliches Angebot zu schaffen.
Sie können auch lesen