Hotels in Deutschland - heute und morgen

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Hotels in Deutschland – heute und morgen
                            Tobias Just und Karin Weltermann1

Einleitung
Es scheint, als hätte sich die Hotelimmobilie in den letzten zwei Jahren von dem all-
gemein schlechten Umfeld der Bau- und Immobilienbranche abgekoppelt und eine
eigene, positive Dynamik entwickelt. Während im Jahr 2000 die Bauinvestitionen um
2,5% zurückgingen - in Ostdeutschland wurde sogar ein Minus von 8,1% realisiert –
hat sich der Markt für Hotelimmobilien spürbar belebt. Nicht nur der Wert der in
Deutschland gehandelten Hotels hat 2000 ein Rekordniveau erreicht, es wird auch
stark in zusätzliche Kapazitäten investiert. Allein in Berlin sind derzeit 10.000 bis
15.000 neue Betten projektiert. Dies führt dazu, dass in der Branche die Frage disku-
tiert wird, ob Hotels bereits zu einer „Trendimmobilie“ geworden sind, wie erst
kürzlich auf einer Fachtagung in Hamburg. Wir wollen diese Frage aufgreifen, um die
positive Entwicklung des deutschen Hotelmarktes zu analysieren. Gleichzeitig wagen
wir einen Blick in die nahe und ferne Zukunft, um die Frage zu beantworten, inwie-
fern Hotels ein empfehlenswertes Anlageobjekt sind bzw. sein werden.

Allgemeine Rahmenbedingungen der Hotellerie
Der Markt für Hoteldienstleistungen sowie der daraus abgeleitete Markt für Hotel-
immobilien wird durch die Entwicklungen in den Segmenten Freizeit-Tourismus (im
Weiteren Tourismus) und Geschäftsreisen bestimmt. Es gilt also die Frage zu be-
antworten, wie haben sich die Determinanten des Tourismus und für Geschäftskon-
takte verändert, bzw. was sind realistische Zukunftsszenarien.

Nachfrage durch Tourismus
Tourismusdienstleistungen sind wie die meisten anderen Güter superior, d.h. man
konsumiert bei steigenden Einkommen mehr von ihnen. Sie stehen darüber hinaus
in der Maslow’schen Bedürfnispyramide oberhalb der physiologischen Grundbedürf-
nisse sowie der Sicherheitsbedürfnisse. In einer entwickelten Gesellschaft, in der die
Grundbedürfnisse bereits gedeckt sind, reagieren höherwertige Bedürfnisse in der

1
 Dr. Tobias Just: Deutsche Bank Research, Dipl. Ing. Karin Weltermann: Deutsche Grundbesitz. Der
Artikel erscheint im Rissener Rundbrief 8/9 2001.
Regel aber überproportional superior. Ein Einkommensanstieg führt zu einem An-
stieg des Ausgabenanteils für dieses Segment. Dabei spielt für das deutsche Hotel-
gewerbe die Binnenwirtschaft die entscheidende Rolle; im Durchschnitt der letzten
Jahre sind nur 12% aller Übernachtungen von Ausländern gebucht worden. Das
deutsche Gastgewerbe folgt also weitgehend der deutschen Konjunktur. In
Deutschland stiegen die verfügbaren Realeinkommen im Jahr 2000 um 2,9%. Für
2001 rechnen wir wegen der in Kraft getretenen Steuerreform mit einem ähnlichen
Anstieg der verfügbaren Einkommen, trotz der weltwirtschaftlichen Konjunkturab-
kühlung. 2002 fehlt der Steuereffekt, daher ist die Einkommensentwicklung etwas
gebremst.
Ein weiterer bedeutsamer Bestimmungsfaktor der Nachfrage nach Hoteldiensten ist
die demographische Entwicklung, da die Bevölkerung das gesamte inländische Gäs-
tepotenzial darstellt. Hier wirken zwei entgegen gerichtete Effekte: Zum einen liegt
die Zahl der Kinder pro Frau mit 1,4 deutlich unter dem Reproduktionswert von 2,0.
Dies konnte bislang durch ausreichende Zuwanderung ausgeglichen werden. Ab
2010, so schätzt das Statistische Bundesamt, dürfte die Bevölkerung in Deutschland
von Jahr zu Jahr schrumpfen falls es nicht zu umfangreicher Immigration kommt.
Um den Bevölkerungsstand aufrecht zu halten, müsste der jährliche Nettozuwande-
rungssaldo in den kommenden Jahren deutlich über 250.000 Personen liegen. Gera-
de für die deutsche Hotellerie mit einem sehr niedrigen Anteil ausländischer Kunden
ist der demographische Faktor im eigenen Land langfristig von zentraler Bedeutung.
Gleichzeitig vollzieht sich ein allmählicher Wandel in der Bevölkerungsstruktur. Das
Statistische Bundesamt prognostiziert einen Anstieg des Anteils der über 60-
Jährigen an der Gesamtbevölkerung von heute rd. 22% auf knapp 25% im Jahr
2010, das sind rd. 3 Mio. Personen. Zwar haben ältere Menschen im Durchschnitt
ein geringeres Haushaltseinkommen als voll im Erwerbsleben Stehende. Diesem
negativen Effekt für das Gastgewerbe steht aber gegenüber, dass ältere Menschen
über mehr Konsumzeit verfügen und dies Ausdruck in einem höheren Anteil touristi-
scher Ausgaben an ihren Gesamtausgaben findet. So nehmen beispielsweise Pau-
schalreisen in typischen Seniorenhaushalten 3,1% des gesamten Haushaltseinkom-
mens ein. In Haushalten, bei denen der Haupteinkommensbezieher unter 45 Jahre
ist, beträgt dieser Anteil gerade 1,6%. Der Nettoeffekt des demographischen Wan-
dels der Bevölkerung für das Gastgewerbe dürfte demnach positiv sein, vorausge-
setzt der Zuwanderungssaldo bleibt hoch.

Die Entwicklung der relativen Preise
Die Tourismusnachfrage reagiert darüber hinaus auf die Preisentwicklung der ange-
botenen Dienste. Hier sind v.a. die Wechselkurse von herausragender Bedeutung.
Wertet der Euro gegenüber einer Währung ab, werden Reisen in das Aufwertungs-
land teurer und damit unattraktiver und zumindest teilweise durch Urlaubsreisen im
eigenen Land substituiert. Gleichzeitig steigt die Attraktivität der inländischen Hotel-
angebote für ausländische Gäste dieses Landes. Dementsprechend ist die Außen-
schwäche des Euro vorteilhaft für das inländische Gastgewerbe. Seit 1996 sank der
reale Wechselkurs des Euro (bzw. der DEM vor 1999), also der gewogene Durch-
schnitt der einzelnen Euro-Wechselkurse zu 38 anderen Währungen, bis Ende 2000
um gut 22%, bevor er sich wieder leicht erholte. Dies hat Euroland für Touristen aus
Ländern außerhalb der EWU interessanter gemacht. In Deutschland stiegen wäh-
rend der Abwertungsjahre die Übernachtungszahlen seit 1997 um fast 14% an. Da
aber 40% der Ankünfte in Deutschland durch Bürger anderer EWU-Staaten erfolgen
und gleichzeitig etwa 2/3 der Auslandsreisen von Deutschen in Mitgliedsländer der
EWU führen, hat dieser Effekt an Bedeutung verloren. Wir erkennen im Euro mittel-
fristig Aufwertungspotenzial, deshalb ist mit einem leicht negativen Effekt für das
deutsche Gastgewerbe zu rechnen. Innerhalb des nächsten Jahres erwarten wir al-
lerdings kaum Kursänderungen.
Darüber hinaus hat die Europäische Währungsunion speziell für die deutsche Tou-
rismusbranche einen positiven Effekt. Durch die einheitliche Währung werden Preise
transparenter, und dies führt eher zu einer Nachfrageverlagerung hin zum deutschen
Markt, wo bisher tendenziell niedrigere Zimmerpreise im Vergleich zu ähnlichen Ho-
tellagen in Großbritannien oder Frankreich zu beobachten waren.

Nachfrage durch Geschäftskontakte
Auch die Nachfrage nach geschäftlich benötigten Hoteldienstleistungen wird maß-
geblich durch die konjunkturelle Entwicklung beeinflusst. In einer wachsenden Wirt-
schaft steigt die Summe aller Transaktionen und folglich ist mit zusätzlichen Ge-
schäftskontakten, die eine oder mehrere Übernachtungen erfordern, zu rechnen.
Diese Wirkungsrichtung wird durch einen langfristigen Globalisierungstrend flankiert.
Da in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum einen die Raumüberwindungskosten
(Reise- und Transportkosten) stark sanken und zum anderen die rechtlichen Rah-
menbedingungen für internationale Transaktionen deutlich verbessert wurden, erfor-
dert die Geschäftstätigkeit in höherem Maße internationale Kooperation mit stärke-
ren Reiseaktivitäten. Dieser positive Trend sollte auch in den kommenden Jahren
anhalten, weil sich ein weiterer Abbau von Güter-, Kapital- und Arbeitsmarktrestrikti-
onen abzeichnet (z.B. EU-Osterweiterung).
Bisher scheint die parallel verlaufende „Revolution“ der Informations- und Kommu-
nikationstechnologie den Bedarf an face-to-face Kontakten nicht stark einzuschrän-
ken. Dies mag daran liegen, dass in vielen Fällen durch den persönlichen Kontakt
eine Investition in die soziale Beziehung erfolgt. Das so aufgebaute „soziale Kapital“
ist solange im Wirtschaftsleben nicht zu vernachlässigen, solange der Mensch ein
soziales Wesen ist – also immer. Moderne Kommunikationssysteme erweisen sich
jedoch gerade bei diesem Aspekt als unterlegen.
Der Globalisierungstrend lässt sich sehr gut am Standortfaktor Messe veranschauli-
chen: In der Zeit von 1995 bis 2000 stieg die Zahl der Aussteller bei überregionalen
Messen in Deutschland um gut 23%, wobei die Zahl der ausländischen Aussteller
mit knapp 27% überproportional zunahm. Für die kommenden Jahre ist ein Ausbau
der Hallenkapazitäten für überregionale Messen in Deutschland geplant. Die vorlie-
genden Investitionspläne sehen einen jährlichen Kapazitätsausbau um 1,8% bis Ende
2002 auf dann 2,6 Mio. m² vor. Gerade im internationalen Vergleich erkennt man die
Bedeutung des deutschen Messestandorts. Bezogen auf die gesamte Ausstellungs-
fläche finden sich sechs der zehn größten europäischen Messen in deutschen Städ-
ten.
Ein weiterer Globalisierungsindikator ist der internationale Flugreiseverkehr, der in
den letzten Jahren stark zulegte. In den 90er Jahren stieg das gesamte Fluggastauf-
kommen auf den großen deutschen Flughäfen mit einer durchschnittlichen Jahresra-
te zwischen 3,5% (Düsseldorf) und 8,3% (München). Nach der jüngsten Verkehrs-
prognose von Deutsche Bank Research wird sich dieser Trend zwar leicht abschwä-
chen, jedoch sind auch in den nächsten 10 Jahren jährliche Zuwachsraten von 4% zu
erwarten. Dabei entwickelt sich der Bereich der Inlandsflüge, in dem Geschäftskun-
den mit knapp 90% einen dominierenden Marktanteil aufweisen, unterproportional.
Eine durchschnittliche Zuwachsrate für dieses Marktsegment von 2,5% p.a. ist aber
durchaus realistisch. Dies bedeutet mittelbar auch einen positiven Nachfrageeffekt
für die Hotellerie in Städten mit einem Flughafen, da durch die Infrastrukturverbesse-
rung der Wert des Standorts steigt.

Determinanten der Angebotsseite
Das Angebot richtet sich maßgeblich nach den Kosten der Bereitstellung. Dabei ge-
hören zu den zentralen Kostenblöcken neben den Betriebskosten und den Personal-
kosten v.a. die Finanzierungskosten.
Die Entwicklung der langfristigen Zinssätze verlief in den letzten Jahren trendmäßig
günstig; die Finanzierungskosten stellen folglich momentan einen unbedeutenden
Belastungsfaktor dar. Mit gut 6% liegen die Hypothekenzinsen in Deutschland im-
mer noch spürbar unter dem Durchschnittswert der letzten 20 Jahre von 7,9%. Die
Konjunkturlage in Europa deutet auch nicht darauf hin, dass in der näheren Zukunft
eine fundamentale Trendwende zu erwarten ist. So stellt die Finanzierungsseite für
die meisten Hotels ein eher nachrangiges Problem dar.
Größeres Gewicht hatten im Jahr 2000 die Betriebskosten und die Personalkosten.
Hier macht sich nicht nur der drastische Ölpreisanstieg bemerkbar, sondern auch
politische Weichenstellungen wie das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse. Zwar waren die Tarifabschlüsse auch im letzten Jahr
moderat, jedoch ist zu erwarten, dass die derzeitigen Probleme bei der Personalge-
winnung letztlich zu einem Anstieg der Personalkosten führen werden. Der Deut-
sche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zählte in seiner letztjährigen Umfra-
ge rd. 80.000 vakante Stellen. Dies entspricht über 6% der sozialversicherungspflich-
tig Beschäftigten im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe. Hier ist eine Rege-
lung analog zur Greencard-Regelung im IT-Bereich z.B. durch Anpassung der Gastar-
beiter- und der Saisonarbeiterregelung wünschenswert. Die aktuellen Vorschläge zur
Verlängerung der Saisonarbeitszeit zielen eindeutig in diese Richtung, greifen aller-
dings zu kurz, da die Arbeitskräfte nur bedingt Anreize haben, die Sprache und bran-
chenspezifisches Know-how zu erlernen. Mittelfristig könnte die Öffnung der Ar-
beitsmärkte im Zuge der EU-Osterweiterung für eine Entspannung sorgen.
Große Bedeutung erlangte in den letzten Jahren auch die komfortable staatliche
Bauförderung in Ostdeutschland. Diese führte zu einem Anstieg des Hotelangebots,
der deutlich stärker ausfiel als die Nachfragezunahme. Auch auf dem Hotelmarkt
störte die staatliche Förderungspolitik massiv den Marktmechanismus. Das induzier-
te Überangebot sorgte in den 90er Jahren für einen kräftigen Preiseinbruch.
Eine kostensenkende Entwicklung der letzten Jahre ist zweifelsfrei der Trend zur
intensiven Nutzung des Internet sowohl zur Vermarktung des Angebots als auch zur
Optimierung der Logistik. Da auf der Distributionsseite der Effekt maßgeblich von
dem Bekanntheitsgrad der Internetadresse abhängt und auf der Beschaffungsseite
besonders die großen Hotelketten und –kooperationen die Skalenvorteile des neuen
Mediums nutzen können, dürfte die Markenhotellerie überproportional von der neu-
en Technologie profitieren. Daraus resultiert letztendlich eine zunehmende Markt-
konzentration zugunsten der Markenhotels.
Aus dieser Darstellung wird der Boom der letzten zwei Jahre erklärbar: Seit 1999
hatten wir in Deutschland eine Konstellation, bei der (fast) alle Determinanten ex-
pansiv wirkten. Die folgende Tabelle fasst die Entwicklung zusammen und zeigt eine
Prognose für die mittlere Frist.

Die Bestimmungsfaktoren des Hotelmarktes
                                     Verlauf bis 2000                 Prognose 2001-2010
                                 Nachfrage           Angebot          Nachfrage        Angebot
Bestimmungsfaktoren Tourismus Business                            Tourismus Business
Verfügbare Einkommen             +           +                        +        +
Demographie                      0                                    0        0
Preisentwicklung                 +           +           +
Wechselkurs                      +           +                        -        -
EWU                              0           0                        +        +
Infrastruktur                    +           +                        +        +
Neue Technologien                            0           +            +        +         +
Personalgewinnung                                         -                              +
Staatliche Förderung                                     +
Erläuterung: +: expansiver Effekt; 0: neutraler oder ungewisser Effekt;
               –: kontraktiver Effekt
Quelle: Deutsche Bank Research

Grundsätzlich sehen wir also auch für die nächsten Jahre eine überwiegend positive
Grundkonstellation für die Hotellerie. Dies hängt aber davon ab, ob das Personal-
problem gelöst werden kann, ob staatliche Förderung nicht wie in den 90er Jahren
das Marktangebot verzerren wird und ob Deutschland die derzeitige Konjunkturflaute
rasch überwinden kann.
Die Hotelbranche in Deutschland
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzte zuletzt, dass alle un-
mittelbar und mittelbar auf Tourismus zurückzuführenden Ausgaben im Jahr 1995 rd.
8% des deutschen BIP (EUR 141 Mrd.) betragen haben. Berücksichtigt man darüber
hinaus noch die Abschreibungen auf touristische Anlagen, erreichten die Ausgaben
gut 11% am BIP. Nach der sehr weiten Abgrenzung des DIW sind dann 2,8 Mio. Er-
werbstätige direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig (rd. 8% der deutschen Er-
werbstätigen), von denen gut 1 Mio. auf das Gastgewerbe entfallen.
Seit 1992 stieg die Anzahl der Gäste im deutschen Beherbergungsgewerbe um
knapp 27%, sodass im Jahr 1999 zum ersten Mal die Marke von 100 Mio. Gästen im
Jahr überschritten werden konnte. Dieser positive Trend setzte sich auch 2000 mit
einer Wachstumsrate von 4,7% fort.
Anders als die Zahl der Ankünfte im Beherbergungsgewerbe zeigt sich die Entwick-
lung der Übernachtungen in Deutschland weniger stetig. Zwar konnten im Jahr 2000
mit rd. 320 Mio. fast 10% mehr Übernachtungen gezählt werden als noch 1992, je-
doch gab es in den Jahren 1996 bis 1998 einen deutlichen, konjunkturbedingten Ein-
bruch bei den Übernachtungen von Deutschen. Dass die Zahl der Ankünfte stärker
anstieg als die Zahl der Übernachtungen, weist auf vermehrte Kurzreisen im eigenen
Land hin. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Deutschen sank in den letzten
neun Jahren um 15%; hingegen blieb die Aufenthaltsdauer von Ausländern in deut-
schen Herbergen in diesem Zeitraum konstant.
Von der Entwicklung zu mehr Tourismus profitierten die einzelnen Bundesländer
sehr uneinheitlich. Bayern konnte mit über 74 Mio. Übernachtungen 2000 die meis-
ten Gäste anziehen. Erst mit deutlichem Abstand folgen die Länder Baden-
Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit etwa 35 Mio. Übernach-
tungen. Die neuen Bundesländer verzeichneten dabei in den letzten 5 Jahren die
stärksten Zuwächse. Augenfällig ist hier Mecklenburg-Vorpommern mit jährlichen
Wachstumsraten von zuletzt über 16%. Dies ging spürbar zu Lasten des anderen
Ostseeanrainers Schleswig-Holstein, dessen Übernachtungszahlen im Vergleichs-
zeitraum stagnierten. Auch Berlin gewinnt zunehmend an Attraktivität und konnte die
Zahl der Übernachtungen seit 1998 im Durchschnitt um rd. 12% steigern. Dieser
Anstieg geht erstens auf den Umzug der Regierung in die Hauptstadt und zweitens
auf die beachtlichen Investitionen zurück, die letztlich auch die Attraktivität der Stadt
erhöhen.
Zum einen führten die veränderten Reiseströme, zum anderen aber auch die massi-
ve Bauförderung nach der Wiedervereinigung zu deutlich unterschiedlichem Investi-
tionsverhalten bei Hotels in beiden Teilen Deutschlands. Während im Westen die
Verdrängung kleinerer Betriebe durch größere Hotelketten im Vordergrund stand und
den Rückgang der Anzahl der Betriebe sowie einen moderaten Anstieg der Betten-
zahl bedeutete, führte v.a. die Bauförderung im Osten zu einer rasanten Zunahme
sowohl der Betten- als auch der Betriebszahlen. Dieser Anstieg übertraf deutlich die
Nachfragesteigerung und führte zu Überkapazitäten.
Dies bewirkte, dass selbst in den Großstädten Berlin, Hamburg, München und
Frankfurt am Main die durchschnittlichen Hotelpreise pro angebotenem Zimmer
(ADR=average daily room rate) deutlich hinter den Preisen ausländischer Metropolen
zurückliegen. Dieses Preisdifferenzial zwischen deutschen und anderen europäi-
schen Großstädten hat allerdings zwei weitere strukturelle Elemente. Zum einen ist
Deutschland nicht so zentralistisch wie z.B. Frankreich, Großbritannien oder Spanien.
In einem zentralistischen Staat entfaltet die Metropole einen deutlich stärkeren Sog,
und die wenigen Toplagen in einer historisch begrenzten Innenstadt stehen einer
ungleich größeren Nachfrage gegenüber als die Toplagen in Städten eines dezentra-
len Systems. Zum anderen haben ausländische Touristen in Deutschland ein gerin-
geres Gewicht an der Gesamtzahl der Übernachtungen als in vielen anderen Staaten.
Dies wird v.a. in den Hauptstädten deutlich. Paris und London ziehen nicht nur Ge-
schäftsreisende an, sondern gleichzeitig in hohem Maße ausländische Touristen.
Dies erhöht nicht nur die Nachfrage nach Hoteldiensten in diesen Städten, sondern
macht sie auch weniger abhängig vom inländischen Konjunkturzyklus. Zwar stiegen
auch in deutschen Großstädten die durchschnittlichen Zimmerpreise in den letzten
Jahren an, besaßen aber nicht die Preisdynamik anderer europäischer Städte (v.a.
Paris, London und Amsterdam).
Höhere Belegungsquoten und Preise führten 2000 zu einem kräftigen Umsatzanstieg
pro Zimmer (RevPAR=revenue per available room) von 10%. Die höchsten Zimmer-
preise erzielten jene Städte, die sowohl über einen Flughafen als auch über eine be-
deutende Messe verfügen (München und Frankfurt).
Die unterschiedliche Zimmerpreisdynamik in deutschen Städten hat folgerichtig auch
unterschiedliche Investitionsintensitäten zur Folge. Da die Zimmerumsätze in Berlin
stark stiegen (+10%), wird die Hauptstadt ein interessantes Investitionsziel bleiben.
Im Jahr 2000 wurde in über 2.000 neue Zimmer investiert. Das ist mehr als in Düs-
seldorf, Frankfurt, Hamburg und München zusammen. Dieser starke Ausbau könnte
die Dynamik der Preisbildung in den kommenden Jahren in Berlin etwas abschwä-
chen.

     Durchschnittlicher Zimmerpreis                                            Umsatz pro Zimmer
         Paris                                                         Paris

      London                                                        London

Amsterdam                                                      Amsterdam

       Madrid                                                        Madrid

   Hannover                                                      Barcelona

   München                                                       München

    Frankfurt                                                     Frankfurt

   Barcelona                                                          Berlin

        Berlin                                                   Hannover

    Stuttgart                                     EUR             Stuttgart                                       EUR

                 0       50     100     150     200     250                    0       50      100     150      200        250
               1997       1998        1999      2000                         1997       1998       1999       2000
 Quellen: DB Global Markets Research, Arthur Andersen, JLL     Quellen: DB Global Markets Research, Arthur Andersen, JLL

                                      Deutsche Bank Research                                     Deutsche Bank Research

Mittelfristig ist zu erwarten, dass sich das Investitionsklima nicht maßgeblich verän-
dern wird. Der deutsche Hotelmarkt dürfte in den kommenden Jahren für Investoren
an Reiz gewinnen, insbesondere die Metropolen Berlin, München und Frankfurt am
Main. Vor allem Berlin dürfte von der Osterweiterung der EU profitieren.

7UHQGV
Im Gegensatz zum europäischen Ausland gibt es in Deutschland keine verbindliche
Hotelklassifizierung. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband bietet jedoch seit
Herbst 1996 auf freiwilliger Basis eine Deutsche Hotelklassifizierung an. Hierbei
werden objektive Kriterien wie die Zimmergrößen, das Vorhandensein eines Zim-
merservices und der Anteil der Zimmer mit Bad bewertet. Die Bandbreite reicht vom
Tourist Hotel (ein Stern) bis zum Luxus-Hotel (fünf Sterne). Die Definitionen orientie-
ren sich an den international üblichen Standards. Rd. 6.000 Hotels sind bundesweit
zertifiziert, fast 60% von ihnen gehören der Komfortklasse (drei Sterne) an. Hier fin-
den sich traditionell v.a. Familienbetriebe.
Wir machen abschließend auf die fünf zentralen Trends aufmerksam, die unabhängig
von den Zimmerpreisbewegungen auf den Hotelmärkten sind und von denen wir der
Meinung sind, dass sie nicht nur kurzfristige Modeerscheinungen darstellen:
•   Luxus-Hotels: Gerade die Entwicklung zu häufigeren Kurzreisen stärkt die Lu-
    xushotellerie, da gerade während kürzerer Aufenthalte viele Gäste „sich etwas
    leisten möchten“. Insbesondere in der deutschen Hauptstadt sind viele der pro-
    jektierten Hotels im Luxus-Segment zu finden. Da die verfügbaren Einkommen
    auch in der Zukunft trendmäßig zunehmen werden, gewinnt dieses Segment an
    Bedeutung.
•   Budget-Hotels: Auf der anderen Seite der Preisskala wird europaweit verstärkt in
    Budget-Hotels investiert. Hier wurden in den letzten Jahren die höchsten Preis-
    steigerungen realisiert. Der deutsche Markt hat eindeutig Aufholbedarf, und dies
    wird zunehmend auch von Investoren so gesehen. Gleichwohl darf man nicht
    verkennen, dass sich der deutsche Bausektor fundamental von anderen europäi-
    schen Märkten durch seinen hohen Qualitätsstandard unterscheidet. Dies hat da-
    zu geführt, dass der deutsche Gast ein besonderes Anspruchsniveau entwickelt
    hat. Die Option, untere Preislagen durch das Angebot qualitativ minderwertiger
    Räumlichkeiten zu besetzen, ist daher in Deutschland im Vergleich zu südeuro-
    päischen Ländern eingeschränkt. Zwar wird das Budget-Segment in Deutschland
    deutlich ausgebaut werden, dies wird jedoch auf einem qualitativ höheren Niveau
    stattfinden als in anderen Ländern.
•   Boutique-/Design-Hotels: Boutique- oder Design-Hotels sprechen den konsum-
    freudigen und erlebnisorientierten Reisenden an, der kunstvolle Raumausstattun-
    gen und ungewöhnliche Architektur der Kettenkonformität vorzieht. Boutique-
    Hotels haben in der Regel nur 50 bis 100 Zimmer, sind also vergleichsweise
    klein. Um die Individualität zu gewährleisten, sind in der Regel hohe Errichtungs-
    kosten und häufige Inventarerneuerung notwendig. Dadurch geraten Design-
    Hotels preislich oft in das Luxus-Segment. Da Individualität im Konsumverhalten
    das Ergebnis eines (relativ) stetigen Entwicklungsprozesses in modernen Gesell-
schaften darstellt, erkennen wir in Design-Hotels einen echten Trend. Wir weisen
    allerdings darauf hin, dass es immer eine Mengengrenze für „das Besondere“
    gibt. Wir rechnen daher in den kommenden Jahren mit einem Qualitätswettbe-
    werb in diesem Segment, den nur jene Hotels überstehen können, die sich von
    der Gruppe der Boutique-Hotel-Anbieter durch Kreativität in jeder Form abheben.
•   Markenhotels: Marken transportieren auf einfache Weise Informationen. Ein
    Markenprodukt – egal aus welchem Preissegment – hat daher immer einen sys-
    tematischen Vorteil gegenüber einem Konkurrenten, da die zentralen Informatio-
    nen verdichtet in einem einzigen Begriff vermittelt werden können. Dies spart für
    den Nachfrager die Kosten der Informationsbeschaffung. Diese Grundweisheit
    des Marketing gilt natürlich auch für die Hotellerie. Deshalb mag es verwundern,
    dass die europäischen Hotelanbieter im Vergleich zu dem US-amerikanischen
    Markt vergleichsweise häufig auf das Instrument „Marke“ verzichten.

                Markengebundene Hotelzimmer
                Anteil in %
                 Griechenland           1,5

                       Finnland         1,5

                   Niederlande          2

                     Norwegen           3

                    Schweden             4

                          Italien           5

                        Spanien                 11

                  Deutschland                    16

                Großbritannien                       17

                     Frankreich                       22

                            USA                                 60

                                    0            20        40        60

                Quellen: DB Global Markets Research, Arthur Andersen,
                JLL                               Deutsche Bank Research

    In den nächsten Jahren dürfte sich der Markt spürbar bereinigen. Dies gilt für alle
    Hotelklassen. Ordnungspolitische Bedenken angesichts dieses Konzentrations-
    prozesses scheinen indes unangemessen, zumal die realisierten Skalenvorteile
    größerer Ketten und Kooperationen in der Hotellerie für den Kunden zu Preisvor-
    teilen führen werden.
•   Hotels als Anlageobjekt: Da Hotels eine andere Risikostruktur aufweisen als
    andere Immobilien, eignen sie sich sehr gut zur Diversifikation eines großen Im-
    mobilienfonds, in dem unterschiedliche Anlageobjekte wie in einem Aktienfonds
    gemischt werden. Dies reduziert das allgemeine Anlagerisiko bei einem Immobi-
    lieninvest. Wir erwarten daher, dass institutionelle Investoren bei der Finanzie-
    rung von Hotels in Zukunft eine noch stärkere Rolle spielen werden.
Liegt die Zukunft der Immobilieninvestition also im Hotelmarkt, bzw. sind Hotels nun
Trendimmobilien, wie zu Beginn gefragt wurde? Trotz der guten letzten zwei Jahre
und dem grundsätzlich positiven Ausblick ist dies so allgemein nicht zu sagen. Ers-
tens schmälern die umfangreichen Neuprojekte die Renditeaussichten des Be-
stands. Zweitens gilt auch für die Immobilienbranche wie überall im Vermögensge-
schäft: „Don’t put all your eggs in one basket.“, oder, um einen Hamburger Radio-
sender zu zitieren: „Der Mix macht’s.“
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