Humanitäres Völkerrecht - Wintersemester 2015/16 PD Dr. Marcel Kau, LL.M - Bildungsportal ...

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Juristische Fakultät

PD Dr. Marcel Kau, LL.M.

Humanitäres Völkerrecht

Wintersemester 2015/16
§ 1 Grundgedanke und Geschichte des Humanitären
    Völkerrechts

§ 2 Rechtsquellen

§ 3 Grundlegende Begriffe

§ 4 Schutz von Verwundeten, Kranken und
    Kriegsgefangenen

§ 5 Schutz von Zivilpersonen

§ 6 Verbot besonders grausamer Waffen und
    Kampfmethoden

§ 7 Durchsetzung des Humanitären Völkerrechts

§ 8 Humanitäres Völkerrecht und Internationaler
    Menschenrechtsschutz
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Schutz von Verwundeten, Kranken und
  Kriegsgefangenen

• Besonderer Schutzstatus: Verwundete, Kranke,
  Kriegsgefangene
• Personen, die nicht mehr bekämpft werden dürfen
  (hors de combat)

• Stattdessen: Geschonten und geschützt (Art. 12
                                       I. Genfer Abk.)
• mit Menschlichkeit behandeln
• Verbot diskriminierende Behandlung
• ggf. Schutz vor Rachegefühlen der Bevölkerung
• ggf. suchen und bergen (wenn Anlass dazu besteht)
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Schutz von Verwundeten, Kranken und
  Kriegsgefangenen

• In jedem Falle: Keine feindlichen Handlungen mehr

• 3 Grundsätze:
       to respect
       to protect
       to care

• Verstöße gegen diese Grundsätze: Kriegsverbrechen
  (Art. 50 I. Genfer Abkommen, Art. 11 Abs. 4 und 85
  Abs. 2 1. ZP)

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• Besondere Bestimmungen: Sanitätseinheiten und
  Spitäler

•   Grundgedanke von Henri Dunant (1862):
•   Neutralisierung militärischer Sanitätseinheiten
•   1. dürfen nicht angegriffen werden
•   2. geschuldet und geschützt
•   3. Bedingungen gewährleisten, die die Fortführung der
    med. Tätigkeit erlauben

• Sanitätseinheiten und Spitäler: Stehen unter dem
  Schutz des humanitären Völkerrechts
• Sowohl: militärische und zivile Institution

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• Einrichtung von Sanitätszonen oder -orten (Art. 23
  I. Genfer Abk.) > außerhalb des Frontgebiets

• Missbrauch: Schutz endet erst nach erfolgloser
  Warnung

• Persönlicher Selbstschutz mit Waffen: grds.
  zugelassen
• ABER: Feldlazarett und sonstige medizinische
  Einrichtungen dürfen nicht verteidigt werden

• Sanitätspersonal: Neutraler Status (ebenso:
  Seelsorgepersonal)

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Deutsche Kriegsgefangene in den Straßen Moskaus, Mai/Juni 1945
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2. Kriegsgefangenschaft:

Fakt. Hauptproblem:
   Der gefangen genommene Soldat ist dem Feind
   „auf Gedeih und Verderb“ ausgeliefert

>> Besondere Schutzbedürftigkeit
>> Wer gerade noch selbst Feind war, könnte leicht
  Opfer der Übermacht und Herrschaft der feindlichen
  Macht werden.
>> Welche Behandlung darf/muss/soll ein Kriegs-
  gefangener in den Händen seiner (ehem.) Feinde
  erfahren?
>> Gibt es Pflichten des Gewahrsamstaates dem
  Kriegsgefangenen gegenüber?
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>> Versuch der Lösung der beschriebenen
   Dilemmata durch das humanitäre Völkerrecht

• insbes. III. Genfer Abkommen =

           - „Charta der Kriegsgefangenen“

• Große Aufmerksamkeit wie der Gegner die Kriegs-
     gefangenen behandelt:
      • Gegebenenfalls Reziprozität
      • Häufig: Einsatz in Verhandlungen (Kriegs-
          gefangene als „Verhandlungsmasse“)
• Keine persönliche strafrechtliche Verantwortung:
     Keine Freiheitsstrafe (grds. keine persönliche Schuld
     >> es sei denn Kriegsverbrechen)
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• Hauptziel der Kriegsgefangenschaft:
• Fernhalten von der Teilnahme an weiteren
  Kampfhandlungen
• Z.B. 1943: nach der Niederlage des sog. „Afrika-
  Corps“ > Kapitulation in Tunesien, 12./13.5.1943
  >> Kriegsgefangenschaft in den USA u. Kanada

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• Historische Entwicklung:

• 1. Haager Landkriegsordnung (1907)
• 2. Genfer Abkommen (1929)
• 3. III. Genfer Abkommen (1949)

• zusätzlich Völkergewohnheitsrecht („Custumary Law
  Study“ des IKRK)

• Nota bene: Große praktische Bedeutung des
  Umgangs mit Kriegsgefangenen
•
  >> entsprechende Normierung erforderlich

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• Drei zentrale Grundsätze:

• 1. Gewahrsamstaat als Ganzer ist für Kriegs-
  gefangene verantwortlich (nicht die Person oder die
  Truppenteile, die sie gefangen genommen haben), vgl.
  Art. 12 Abs. 1 III. Genfer Abkommen

• 2. Kriegsgefangene sind mit Menschlichkeit zu
  behandeln (Art. 13 Abs. 1 III. Genfer Abkommen)

• 3. Nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten
  ohne Verzug freizulassen (Art. 118 Abs. 1 III.
  Genfer Abk.)

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• Großer normativer Aufwand > differenzierte
  Rechtsmaterie:
• III. Genfer Abkommen insgesamt 143 Artikel (plus 5
  Anhänge) >> Konkrete Anleitung zum Umgang mit
  Offizieren und Soldaten.
• Nicht im Detail zu behandeln > Schwerpunkte

• a. Wer wird Kriegsgefangener?:
• Grundsätzlich: Alle Kombattanten (inklusive
     regulärer Milizen, Freiwilligenkorps und organisierter
     Widerstandsbewegung; aber hierfür Anforderungen)
• bestimmte Zivilpersonen (zivile Begleiter in
     Militärflugzeugen, Kriegsberichterstatter,
     Heereslieferanten, fr. Marketender)
• in aller Regel: Private Sicherheitsdienstleister (sog.
     „private
TU Dresden,        military and security companies“, pmsc) Folie 14
            WS 2015/16
• Insgesamt: Gleiche Rechte und gleiche Behand-
  lung (Art. 33)

• bei Zweifeln über den Status:
• gerichtliches Verfahren zur Klärung (Art. 5 Abs. 2 und
  Art. 45 1. ZP)

• Rechte als Kriegsgefangene bleiben erhalten: Bis zur
  Rückkehr in die Heimat
• Ansonsten: Schwere Verletzung des humanitären
               Völkerrechts durch den Gewahrsamstaat

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• Ist ein Verlust des Kriegsgefangenenstatus
  möglich?

• (freiwilliger) Verzicht: Nicht möglich, und falls er
  erfolgt: unbeachtlich, vgl. Art. 7 III. Genfer Abk.

• ABER: Verlust durch Verwirkung, wenn Kombat-
  tanten gegen die Mindestanforderung des Art. 44
  Abs. 3 und 4 1. ZP verstoßen
• z.B. auch Spione (auch: illegal/unlawful enemy
  combattants?)

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• Beginn der Kriegsgefangenschaft: Im Augenblick,
  in dem eine Person in die Hand einer gegnerischen
  Partei fällt > vgl. Rousseau-Zitat vom Anfang
• Problem des Übergangs (birgt besondere Gefahren)

• Sondersituation: Patrouillengang (Gefangennahme
     faktisch nicht möglich, stattdessen Entwaffnung und
     Freilassung > Tötung wäre Kriegsverbrechen)
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• Ende der Kriegsgefangenschaft: Nach Beendigung
  der aktiven Feindseligkeiten ohne Verzug (Art. 118
  Abs. 1 III. Genfer Abk.)

• Nicht erst bei Abschluss eines Waffenstillstands/
  Friedensvertrags
• Pflicht zur Heimschaffung: absolut u. bedingungslos

• Beispiele: Kriegsgefangene des Sechstagekrieges
     (1967) und des Jom Kipur Kriegs (1973) >> jew.
     Übergabe kurz nach Ende der Feindseligkeiten
• Jahre bzw. Jahrzehnte dauernde Inhaftierungen:
     völkerrechtswidrig, z.B. deutsche Kriegsgefangenen
     in der Sowjetunion (nach 1945), Iran-Irak (1980-
     1988, sog. 1. Golfkrieg), Äthiopien-Eritrea
     (1998/2000)
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• Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zur
  Heimschaffung: Schwere Verletzung des
  humanitären Völkerrechts = Kriegsverbrechen
  (Art. 85 Abs. 4 lit. b 1. ZP)

• Schwerkranke/schwerverwundete Kriegsge-
  fangene: Unverzüglich anzuschaffen

• Kriegsverbrecher: Können zurückbehalten werden
      • bis zum Ende des Gerichtsverfahrens
      • dem Abbüßen einer Strafe (Art. 119 Abs. 5 III.
          Genfer Abkommen)
      • >> Argumentation der SU nach 1945 (insb.
                 pre-1955); aber fragl. Qualität der Gerichts-
                 verfahren (Mindestanforderungen an fair trial-
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• Rückführung auch gegen den Willen des
  Kriegsgefangenen?

• Fall 1: Soldaten der Roten Armee (nach 1945) >P. wg
  „summarischer Hinrichtungen“ (Vorwurf der Feigheit)
• Fall 2: dt. Soldaten in die Bundesrepublik oder in die
          DDR (vor 1961 noch nicht so problemat.)
                     - anders
• Fall 2: Koreakrieg mit Soldaten Nordkoreas (1953) u.
  Fall 3: Golfkrieg (1991) m. ehem. Soldaten des Iraks

• Grundsatz: Heimschaffung soll nicht umgangen
     werden - aber völkerrechtlicher Grds. des Non-
     Refoulment
• Neutrale Position des IKRK (bietet den Kriegs-
     parteien seine Dienste an)
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• Behandlung der Kriegsgefangenen?

• „Jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln“
  (Art. 13 III. Genfer Abk.)
• Art. 14 III. Genfer Abk.: Achtung der Person und der
  Ehre
• Prakt. Schwierigkeiten, insbes. bei großen
  Gefangenengruppen (Organisation, Logistik,
  Bewachung, etc.)
   • z.B Smolensk (über 200 000), Kiew (600 000),
     Stalingrad (90.000), Kriegsende 1945 – sog
     Rheinwiesenlager
• Gewährleistung der Sicherheit (vor Kriegseinwir-
  kungen oder auch vor Racheakten von Soldaten oder
  Zivilbevölkerung)
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• Verpflichtung der Kriegsgefangenen zur Angabe:
   • Name
   • Dienstgrad
   • Geburtsdatum
   • Matrikel-/Registrier-Nummer
• >> Aushändigung einer Identitätskarte

• Keine Verpflichtung
      • zum Verrat militärischer Geheimnisse (geograf.
          Lage der Verbände, geplante Offensiven, einzelne
          Stellungen der Truppenteile, etc.)
      • Zusammenarbeit mit Streitkräften od. feindlichem
          Geheimdienst
      • Selbstbezichtigung im Hinblick auf tats. oder
          vermeintliche Kriegsverbrechen
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• Verpflichtung des Gewahrsamstaates:
      • Einrichtung eines Auskunftsbüro
      • Weiterleitung der Informationen an die Zentrale
          Auskunftsstelle des IKRK >> Information der
          Familien
      • Sichere Unterbringung (außerhalb der
          Kampfzonen)
      • Unterbringung nicht schlechter als die eigene
          Truppe
      • Gewährleistung von Sitten u. Gebräuchen
• Rechte der Kriegsgefangenen:
      • Korrespondenz mit Familien (m. Zensur) > oft mit
          standardisierten Briefformularen
      • Pakete erhalten (v.a. Lebensmittel, aber auch
          Studienmaterial > vgl. Afrikakorps „Lager-
          Universität“)
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• Keine Unterbringung in Haftanstalten
• Keine (dauerhafte) Unterbringung auf Schiffen
  (dürfen nicht als „menschliche Schutzschilde“
  missbraucht werden)
• Gesundheitssorge muss gewährleistet sein
• Arbeit für Soldaten (nicht Offiziere) darf nicht
  gesundheitsgefährdend oder gefährlich sein
• gesundheitsgefährdende oder gefährliche Arbeiten
  (z.B. Minenräumen) nur durch Freiwillige
• Gewährleistung der Religionsfreiheit
• Unterstehen gleicher Rechtsordnung wie die
  einheimischen Streitkräfte
• Mindestanforderungen an Militär- und
  Disziplinargerichte

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• Flucht der Kriegsgefangenen gilt als „Ehrensache“
• Nur in Ausnahmefällen: Schusswaffengebrauch
• disziplinarische Bestrafung zulässig (Art. 91, 92
  III. Genfer Abk.)
• Flucht kein Grund zur strafrechtliche Ahndung

• Besuchsrecht des IKRK (Art. 126 III. Genfer Abk.)
• >> kann sich ein „Bild“ von den Lagerbedingungen
  machen

• Art. 130 III. Genfer Abk. > Verstöße als schwere
  Verletzungen des hum Völkerrechts (s. auch Art. 8
  Abs. 2 Römisches Statut des IStG)

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• Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt
   • Kein Kombattanten-Status
   • Ebenfalls keine Anwendung des III. Genfer Abk., da
     es keine „Kriegsgefangene“ im technischen Sinne
     gibt (bestenfalls: Straftäter)

• Lediglich (aber immerhin): gemeinsamer Art. 3
  „Behandlung mit Menschlichkeit“ wie alle anderen
  im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt

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