HUNGRIG NACH WANDEL! Was die Bundesregierung auf dem UN-Gipfel zu Ernährungssystemen erreichen sollte - Welthungerhilfe

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HUNGRIG NACH WANDEL! Was die Bundesregierung auf dem UN-Gipfel zu Ernährungssystemen erreichen sollte - Welthungerhilfe
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HUNGRIG NACH WANDEL!
Was die Bundesregierung auf dem UN-Gipfel zu Ernährungssystemen
erreichen sollte
Europäische Pommes frites werden nach Peru, ins Heimatland der Kartoffel, exportiert, wo es noch fast 4.000
Kartoffelsorten gibt – mit hohen Kosten für die Umwelt. Heimische Kartoffelsorten werden dort wiederum von
kleinbäuerlichen Betrieben angebaut. Diese haben kaum Zugang zu profitablen Märkten. Parallel dazu exportie-
ren Großbetriebe in Peru Produkte wie Spargel, Weintrauben und Paprika, die zu einem erheblichen Wachstum
der peruanischen Landwirtschaft beigetragen haben.1 Doch davon profitieren nur wenige: 50 Prozent der perua-
nischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, viele überwiegend indigene Kleinbäuerinnen und
-bauern leiden unter chronischer Unterernährung. Ein Beispiel dafür, wie der Anbau und Konsum von Nah-
rungsmitteln sich negativ auf einen Großteil der Produzent*innen und unseren Planeten auswirken.

 Der Begriff Ernährungssystem bezieht sich auf die       zeitigen Ernährungssystems schärfen und entsprechende
                                                         Maßnahmen auf den Weg bringen. Die Bundesregierung
 Art und Weise, wie Nahrungsmittel produziert, ver-
                                                         sollte sich im Interesse der Menschen, die am stärksten
 arbeitet, gehandelt und konsumiert werden – also        von Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung betrof-
 vom Acker bis zum Teller. Bei der ganzheitlichen        fen sind, aktiv in diesen Prozess einbringen.
 Betrachtung werden ebenfalls alle beteiligten
 Akteure sowie die sozioökonomischen und ökolo-          Kleinbauern leiden unter ungleichen Einkommens-
 gischen Auswirkungen ihres Handelns einbezogen. 2       und Lebensbedingungen
                                                         Die Existenz von mehr als zwei Milliarden Menschen
                                                         ist von kleinbäuerlicher Landwirtschaft abhängig. 3 In
Weltweit werden mehr Lebensmittel produziert als je      vielen Weltregionen produzieren sie den größten Anteil
zuvor. Trotzdem gelingt es derzeit nicht, gesunde,       der Nahrungsmittel und liefern bis zu 80 Prozent der
nachhaltige, kulturell angepasste und erschwingliche     elementaren Nährstoffe. 4 Nichtsdestotrotz sind viele
Nahrung für alle Menschen bereitzustellen. Das Recht     dieser Familien arm und können sich nicht ausrei-
auf Nahrung von Millionen Menschen weltweit wird täg-    chend ernähren. Frauen und Kinder sind am
lich mit Füßen getreten. Dieser Widerspruch hat den      schlimmsten betroffen, denn Frauen werden auf viel-
UN-Generalsekretär dazu veranlasst, im September         fältige Weise diskriminiert mit negativen Folgen für
2021 den UN-Gipfel für Ernährungssysteme einzuberu-      ihre Existenzsicherung und Ernährungssicherheit
fen. Der Gipfel soll das Bewusstsein für eine dringend   (siehe Abbildung 1).
notwendige und weltweite Transformation unseres der-
HUNGRIG NACH WANDEL! Was die Bundesregierung auf dem UN-Gipfel zu Ernährungssystemen erreichen sollte - Welthungerhilfe
Abbildung 1: Geschlechterungleichheit auf dem Land und ihre                                                                    Das derzeitige globale Ernährungs-
 Auswirkungen auf den Hunger                                                                                                    system verschärft die Ungleichheiten
                                                                                                                                Intensive Landwirtschaft ist maßgeblich ver-
                                         FRAUEN                                                                                 antwortlich für die Degradierung von Acker-
                                         LEIDEN UNTER                                                                           land und Trinkwasser. Die industrielle Vieh-
                                         GESCHLECHTS-                                                                           zucht ist für etwa 20 Prozent der globalen
                                         BEDINGTEN                                                                              Treibhausgasemissionen          verantwortlich.6
                                         UNGLEICHHEITEN                                                                         Größter Treiber für den Verlust der biologi-
                                         IN DER LAND-                                                                           schen Vielfalt wiederum ist die Umwandlung
                                         WIRTSCHAFT:   Ungesicherte                                                             natürlicher Ökosysteme in Acker- und Weide-
                                                        Landrechte                                                              land. Internationale Handels- und Investi-
In Entwicklungsländern sind                                                                                                     tionspolitiken, beispielsweise zur Förderung
45–60% aller Arbeits-                                                                         Fehlender                         des Soja- und Palmölanbaus für globale
kräfte in der Landwirtschaft
Frauen. Sie haben jedoch                                                                      Zugang zu                         Märkte, tragen maßgeblich dazu bei, dass in-
weniger Zugang zu Produktions-                                                            Produktionsmitteln                    digene Gruppen sowie Kleinbäuerinnen und
mitteln und Chancen als
Männer.                                                                                                                         -bauern von ihrem Land vertrieben werden.
                                                                                                                                Dies geht einher mit fehlender rechtlicher
                                                                                                                                Unterstützung durch die nationalen Regie-
                                                                               150                      Fehlender
                                                                                                     Zugang zu Bildung          rungen. De facto sind sichere Landrechte
                           WENN                                                Mio.                                             existentiell wichtig für die Ernährungs-
                          FRAUEN                                               weniger                                          sicherheit der Landbevölkerung.
                    DEN GLEICHEN                                               Hungernde
                       ZUGANG ZU                                                                                                Die sozialen und ökologischen Kosten unseres
                    PRODUKTIONS-                                                                        Unbezahlte              Konsumverhaltens – insbesondere im Glo-
                  MITTELN HÄTTEN                                                                       Fürsorgearbeit           balen Norden – werden jedoch nicht in die
                                                                                                                                Lebensmittelpreise eingerechnet. Statt-
                     WIE MÄNNER:
                                                                                                                                dessen werden sie hauptsächlich von Steuer-
                                                             30%                                                                zahler*innen und gesellschaftlich benach-
                                          Steigerung der                                  Geringere Ver-                        teiligten Haushalten übernommen. Darüber-
                                 Nahrungsmittelproduktion                                handlungsmacht                         hinaus belohnen intensive landwirtschaft-
                                                                                           im Haushalt                          liche Produktionssysteme die billige Pro-
                  Unsichere                               Ausschluss                                                            duktion großer Mengen von energiereichen,
               Beschäftigungs-                        von Entscheidungs-
                 verhältnisse                                                                                                   aber häufig nährstoffarmen Grundnahrungs-
                                                        prozessen und
                                                          politischer
                                                                                                                                mitteln. Gesunde und nährstoffreiche Lebens-
                                                        Repräsentation                                                          mittel wiederum sind für viele Menschen un-
                                                                                                                                erschwinglich: Das betrifft rund drei Milliarden
                                                                                                                                Menschen weltweit.7
                                                                                                                                Gerade die Länder und gesellschaftlichen
                                                                                                                                Gruppen, die unter den negativen Auswir-
                                                                                                                                kungen dieser Politik am stärksten leiden,
                                                                                                                                haben in der Regel keine Einflussmöglichkei-
                                                                                                                                ten bzw. bei Verhandlungen die schlechteste
                                                                                                                                Position. Machtungleichgewichte werden auf
                                                                                                                                lokaler und nationaler Ebene sichtbar: In der
                                                                                                                                Regel haben Männer und städtische Eliten
                                                                                                                                stärkeren Einfluss auf politische Entschei-
                                                                                                                                dungen als Frauen und die ländliche Bevöl-
     Quelle: FAO. 2020. Addressing gender inequalities to build resilience; FAO. 2011-2012.The State of Food and Agriculture.   kerung. Dadurch werden Bedürfnisse und
                                                                                                                                Rechte von kleinbäuerlichen Betrieben,
                                                                                                                                Landarbeiter*innen, indigenen Völkern und
Obwohl bekannt ist, dass Investitionen in Landwirtschaft und die Ent-                                                           Frauen vernachlässigt: wie beispielsweise in
wicklung ländlicher Räume Armut erfolgreich bekämpfen, wurden sie                                                               Sierra Leone, wo hauptsächlich einflussrei-
in den letzten Jahrzehnten weitgehend vernachlässigt.5 De facto sind                                                            che Personen wie Regierungsvertreter*innen
kleinbäuerliche Betriebe oft in einem Teufelskreis aus Subsistenzland-                                                          und traditionelle Autoritäten zur Reform der
wirtschaft, geringen Erträgen und unzureichendem Einkommen gefan-                                                               Landgesetzgebung konsultiert wurden. Die
gen und können ihre Familien nicht angemessen versorgen. Darüber                                                                Interessen der betroffenen lokalen Gemein-
hinaus treffen sie die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels                                                                schaften hingegen wurden nicht berücksich-
am härtesten. Es fehlt ihnen am Zugang zu Kapital, Informationen,                                                               tigt.8 Auf internationaler Ebene sind die Aus-
Qualitätssaatgut, aber auch zu Beratungsdiensten und natürlichen                                                                wirkungen solcher Missverhältnisse häufig
Ressourcen. Häufig leben sie in abgelegenen Regionen mit schlechter                                                             noch dramatischer: wenn zum Beispiel arme
Infrastruktur und fehlendem Zugang zu Märkten. Selbst wenn diese                                                                Länder gezwungen sind, Kreditgebern gegen-
bäuerlichen Betriebe Überschüsse produzieren, können sie nicht mit                                                              über Zugeständnisse zu machen und so Han-
Niedrigpreisen von Importprodukten aus industrieller Produktion kon-                                                            delsbedingungen zu akzeptieren, die unmit-
kurrieren. Beschäftigte in der Landwirtschaft und Lebensmittelindust-                                                           telbare negative Auswirkungen haben auf die
rie arbeiten häufig unter prekären Bedingungen: Es fehlt an Arbeitssi-                                                          Existenzsicherung und Ernährungssicherheit
cherheit, existenzsichernden Löhnen und sozialer Absicherung.                                                                   gesellschaftlich benachteiligter Gruppen.6
Der Zugang zu gesunder Nahrung ist ein                               die Widerstandsfähigkeit benachteiligter Menschen. Auf
Menschenrecht                                                        diese Weise sind arme Haushalte weniger gefährdet, in der
                                                                     Folge externer Schocks in eine Ernährungskrise zu geraten.
Heutige und zukünftige Generationen können sich nur
dann gesund ernähren, wenn dabei gewährleistet wird,                 Damit ernährungsunsichere Menschen tatsächlich von Poli-
dass natürliche Ressourcen geschützt statt übernutzt wer-            tiken und Programmen profitieren können, müssen sie bei
den. Regierungen müssen Ernährungssysteme im öffentli-               der Entscheidungsfindung auf lokaler, nationaler und
chen Interesse so umgestalten, dass sie das Wohl von                 globaler Ebene ein Mitspracherecht haben. Haben sie
Menschen und der Erde gleichermaßen im Blick haben.                  Zugang zu relevanten Informationen und Rechenschafts-
                                                                     mechanismen, können sie Behörden für deren Handeln bei
Dabei muss die Förderung ländlicher Räume in Verbindung              der Ausgestaltung der Ernährungspolitik sowie dem Schutz
mit der Unterstützung (klein-)bäuerlicher Betriebe in Politik        des Rechts auf Nahrung zur Verantwortung ziehen. Sind
und Wirtschaft Priorität haben, bilden sie doch das Rück-            Verbraucher*innen darüber hinaus ausreichend informiert,
grat der Nahrungsmittelproduktion im Globalen Süden.                 welche Nahrungsmittel gesund sind und wer sie unter
Wenn die Arbeits- und Einkommensbedingungen in der                   welchen Bedingungen produziert, dann greifen sie eher zu
Landwirtschaft verbessert und menschenwürdige Arbeits-               gesunden Lebensmitteln aus nachhaltiger Produktion, weil
plätze in der lokalen und regionalen Ernährungswirtschaft            sie sie anders wertschätzen.
geschaffen werden, finden Jugendliche im ländlichen
Raum wieder eine Existenzgrundlage. Außerdem wird regio-             Der folgende Ansatz zeigt beispielhaft, wie viele der
nale Wertschöpfung gefördert. Höhere öffentliche Investi-            oben genannten Ziele im Rahmen eines systemischen
tionen in soziale Sicherheit und Armutsbekämpfung stärken            Vorgehens in die Tat umgesetzt werden können:

 BhoomiKa - Fair und Bio für Land und Stadt                            zentraler Effekt ist, dass kleinbäuerliche Familien selbst über
                                                                       qualitativ hochwertigere Nahrungsmittel verfügen und sich so
 Die Vermarktungsplattform „BhoomiKa“ („erdverbunden“) wurde           besser ernähren können.
 von der Welthungerhilfe und Partnern in Indien 2017 gegründet,       Für die Vermarktung werden Lebensmittelunternehmer*innen
 um einer wachsenden städtischen Bevölkerung die Möglichkeit zu        ausgebildet und in den Bereichen Nahrungsmittelsicherheit,
 geben, sich mit Biolebensmitteln von kleinbäuerlichen Betrieben       umweltfreundliche Verpackungen und Produktmarketing ge-
 aus der Region zu versorgen. In Indien ist Lebensmittelsicherheit     schult. Sie arbeiten in der Regel als selbständige Start Ups und
 ein großes Thema, viele Nahrungsmittel sind stark verseucht mit       sind mit den Bauern und größeren Netzwerken sowie Verbrau-
 Pestiziden. Im normalen Lebensmittelhandel verdienen vor allem        chermärkten vernetzt.
 Zwischenhändler*innen, deshalb werden die hier angebauten
                                                                      Auf der Verbraucherebene erhalten städtische Familien Zu-
 Produkte über Start Ups in Direktvermarktung an Verbraucher-
                                                                       gang zu sicheren biologischen Lebensmitteln.
 *innen in Großstädten verkauft. Das verhilft den landwirtschaft-
 lichen Produzent*innen zu einem deutlich höheren Einkommen.
                                                                     Nach einer erfolgreichen Pilotphase arbeitet Bhoomika in-
 „Green, clean, fair – grün, sauber, fair“ ist deshalb auch das
                                                                     zwischen mit 7000 Landwirt*innen zusammen. Frauen werden
 Markenzeichen von BhoomiKa.
                                                                     ermutigt, Vorstandsmitglieder von bäuerlichen Erzeugergemein-
 Um diese neu entstandenen regionalen und lokalen Ernährungs-        schaften zu werden. Ein Netzwerk von 50 Unternehmer*innen
 systeme widerstandsfähig zu machen, werden beteiligte Ak-           ist entstanden, die Hälfte davon sind Frauen. Für 15 landwirt-
 teur*innen durch verschiedene Maßnahmen unterstützt:                schaftliche Bio-Produkte wurden neue Wertschöpfungsketten
    Kleinbäuerinnen und -bauern erhalten Trainings in agraröko-     entwickelt. Davon profitieren 800.000 Verbraucher*innen.
     logischen Anbaumethoden. Außerdem werden sie darin aus-         BhoomiKa hat bereits mehrere indische Bundesstaaten dazu
     gebildet, sich gegenseitig im Rahmen eines „Participatory       bewogen, sich um gesündere Angebote bei den Schulmahl-
     Guarantee Systems (PGS)“ zu zertifizieren. Ein positiver und    zeiten zu kümmern.

Was die Welthungerhilfe von der deutschen Regierung erwartet
Der UN Food Systems Summit im September muss dringend die Weichen für eine Transformation unseres globalen
Ernährungssystems stellen:
1. Regierungen sollten Vorreiter mit Blick auf einen grund-          2. Regierungen müssen menschenrechtliche und ökologische
   legenden Wandel des Ernährungssystems sein, statt Minimal-           Sorgfaltspflichten in der landwirtschaftlichen Produktion und in
   lösungen anzustreben.                                                Lieferketten durchsetzen.
   Regierungen dürfen sich nicht hinter dem Multi-Akteurs-              Soziale und ökologische Kosten unseres Produktions-
   Format des Gipfels verstecken, sondern müssen sich zu                und Konsumverhaltens müssen sich in Lebensmittel-
   konkreten Maßnahmen verpflichten: Diese müssen auf                   preisen widerspiegeln. Der UN-Gipfel muss dafür die
   bestehenden Vereinbarungen wie den UN-Nachhaltigkeits-               notwendigen Maßnahmen einleiten. Regierungen im
   zielen, dem Pariser Klimaabkommen, Menschenrechtsver-                Globalen Norden und Süden sollten steuerliche Anreize,
   trägen und ILO-Konventionen basieren und dürfen nicht                wie z.B. Agrarsubventionen so umwidmen, dass sie
   dahinter zurückfallen. Hierbei geht es weniger um techni-            einen Beitrag zu Umwelt- und Klimazielen sowie zur
   sche Lösungen als um strukturelle Veränderungen des                  Bereitstellung bezahlbarer und gesunder Lebensmittel
   Ernährungssystems. Auch die Privatwirtschaft ist verpflich-          leisten. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der
   tet, aktiv zur Bekämpfung von Armut und Fehlernährung                EU ist in diesem Zusammenhang ein entscheidender
   sowie zum Schutz der Umwelt beizutragen.                             Hebel für einen Kurswechsel, den die deutsche Regie-
                                                                        rung entschlossen vorantreiben sollte. Darüber hinaus
sollte sich Deutschland für ein ambitioniertes europäi-                    inklusiver Beteiligung der Schwächsten im Prozess des UN-
   sches Lieferkettengesetz einsetzen, das das Recht auf                      Gipfels berücksichtigen und diese auch im politischen Dia-
   Nahrung adressiert. Hier kann der UN-Gipfel dafür ge-                      log mit Partnerregierungen betonen. Sie sollte die Mittel für
   nutzt werden, ein starkes Signal zu senden, dass ein                       das Empowerment von marginalisierten Gruppen und zivil-
   rechtlicher Rahmen für die Gewährleistung menschen-                        gesellschaftlichen Akteuren deutlich erhöhen. Auch sollte
   rechtlicher Sorgfaltspflichten, Umwelt- und Sozialstan-                    sie sich dafür einsetzen, dass das UN-Komitee für Welter-
   dards in globalen Lieferketten unabdingbar ist. In die-                    nährung (CFS) als multilaterales und menschenrechtlich
   sem Zusammenhang sollte sich die Bundesregierung                           verankertes Forum mit etablierten Mitbestimmungsmög-
   aktiv an der Entwicklung eines verbindlichen UN-                           lichkeiten eine wichtige Rolle in zukünftigen ernährungspo-
   Vertrags zu Wirtschaft und Menschenrechten beteiligen                      litischen Debatten, bei der Entscheidungsfindung und dem
   sowie weitere UN-Mitgliedsstaaten dafür gewinnen.                          Monitoring der Ergebnisse des UN-Gipfels zu Ernährungs-
3. Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft müssen                 systemen erhält.
   lokale und regionale Ernährungssysteme aufbauen und stärken.             5. Die Gleichstellung der Geschlechter muss eine Priorität bei
   Der UN-Gipfel sollte die Bedeutung lokal und regional ver-                  der Transformation sein.
   ankerter Ernährungssysteme klar hervorheben, um deren                       Damit Frauen und Mädchen im ländlichen Raum in Zu-
   Resilienz zu stärken und das Erreichen des Null-Hunger-                     kunft eine Chance auf Existenzsicherung und gerechtere
   Ziels voranzutreiben. Hier muss die Bundesregierung si-                     Vergütung haben, müssen herrschende strukturelle Aus-
   cherstellen, dass auf dem Gipfel politische Maßnahmen                       grenzungen bzw. Benachteiligungen in Politikansätzen und
   und öffentliche Investitionen Priorität haben, die zur Stär-                Maßnahmen berücksichtigt werden. Regierungen müssen
   kung ländlicher Wirtschaftskreisläufe und (klein-)                          die Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen
   bäuerlicher Betriebe beitragen: Hierbei sollten technische,                 garantieren und dafür sorgen, dass deren Landrechte wie
   soziale und politische Innovationen gemeinsam mit lokalen                   auch ihr Zugang zu Wissen, Betriebsmitteln, Finanzierung,
   Gemeinschaften entwickelt werden unter Einbeziehung                         würdiger Arbeit, natürlichen Ressourcen und Märkten
   ihres traditionellen Wissens. Regierungen generell müssen                   gesichert und geschützt werden. Vor allem müssen Re-
   Ernährungspolitiken künftig sektorübergreifend abstimmen                    gierungen, Geberorganisationen und Wirtschaft einhei-
   und sicherstellen, dass Politikentscheidungen wie z.B. in                   mische zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für
   Handel, Landwirtschaft oder Energie keine negativen Aus-                    die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen, in die
   wirkungen auf die Ernährungssicherheit von Menschen                         Planung und Umsetzung von Programmen einbeziehen.
   haben – indem sie dazu führen, dass Menschen für den                        Geberländer müssen die Gleichstellung der Geschlechter
   Anbau von Exportprodukten von ihrem Land vertrieben                         und die Rechte von Frauen und Mädchen systematisch
   werden oder dass gesunde Lebensmittel teurer sind als                       im Dialog mit den Partnerländern thematisieren.
   ungesunde.
                                                                            6. Die Ergebnisse des Gipfels müssen regelmäßig und mit
4. Arme und hungernde Menschen müssen im Zentrum er-                           inklusiver Beteiligung überprüft werden.
   nährungspolitischer Ansätze stehen.                                         Die Ergebnisse des UN-Gipfels müssen sich daran messen
   Ernährungsunsichere Menschen und die junge Generation,                      lassen, ob sie zu einer signifikanten Verbesserung für die
   die von den Auswirkungen aktueller Politikansätze unmit-                    Menschen führen, die an Unterernährung leiden und von
   telbar betroffen sind, müssen ihre Interessen einbringen                    den ökologischen und sozialen Folgekosten des globalen
   und über die Umsetzung mitbestimmen können. Dafür                           Ernährungssystems betroffen sind. Diese Gruppen müssen
   braucht es politische Freiräume auf lokaler, nationaler und                 durch legitime Vertreter*innen am Monitoring der Gipfel-
   internationaler Ebene. Die Bundesregierung muss die Not-                    Ergebnisse auf nationaler und internationaler Ebene aktiv
   wendigkeit von Transparenz, Rechenschaftspflicht und                        beteiligt werden.

Weniger als zehn Jahre verbleiben bis zum Jahr 2030. Bis dahin wollte die Weltgemeinschaft auf Basis der Globalen
Ziele für Nachhaltige Entwicklung dafür sorgen, dass kein Mensch weltweit mehr hungern muss. Doch im Zuge der
Corona-Pandemie, weltweiter Krisen und Konflikte sowie des Klimawandels geht der Trend leider wieder in die
andere Richtung. Der UN-Gipfel zu Ernährungssystemen ist eine große Chance, die Weichen zur Erreichung dieser Ziele
nochmals neu zu stellen. Wir brauchen nachhaltige, inklusive und widerstandsfähige Ernährungssysteme. Denn alle Men-
schen haben das Recht, sich angemessen und gesund zu ernähren. Weltweit und jederzeit!

Quellen:                                                                     Bonn/Berlin, 19. Juli 2021
1 Worldbank 2018. https://blogs.worldbank.org/latinamerica/peru-s-
  agricultural-production-grows-smallholders-long-better-markets             Kontakt: Asja Hanano, Leiterin Politik und
2 HLPE. 2020. Food security and nutrition: building a global narrative
  towards 2030.                                                                       Außenbeziehungen
3 Fan, Shenggen, and Christopher Rue. 2020. “The Role of Smallholder
  Farms in a Changing World.”                                                Email: policy@welthungerhilfe.de
4 Fanzo, Jessica. 2020. “From Big to Small: the Significance of Smallhol-
  der Farms in the Global Food System.” The Lancet Planetary Health.
5 CAADP. 2019. Second Biennial Review Report of the African Union
  Commission on the Implementation of the Malabo Declaration on Accele-
  rated Agricultural Growth and Transformation for Shared Prosperity and    Deutsche Welthungerhilfe e. V.
  Improved Livelihoods.
6 The Lancet. 2019. The Global Syndemic of Obesity, Undernutrition, and
  Climate Change: The Lancet Commission Report.
                                                                            Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn
7 FAO, IFAD, UNICEF, WFP and WHO. 2021. The State of Food Security          Tel. +49 (0)228 2288-0
  and Nutrition in the World 2021. Transforming food systems for food
  security, improved nutrition and affordable healthy diets for all.        Fax +49 (0)228 2288-333
8 Land for Life Consortium, Policy Brief "Better Land Governance Laws”,
  February 2020; https://land-for-life.org/countries/sierra-leone/          www.welthungerhilfe.de
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